Sprachkontakt und sprachliche Variation am Beispiel

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Sprachkontakt und sprachliche Variation am Beispiel türkischer Postverbialkonstruktionen
Sevgi Agcagül, Mainz
Türkische Sprachen setzen zum Ausdruck von Aktionsarten analytische Konstruktionen ein. Diese
bestehen aus zwei Verben, von denen das erste als lexikalisches Verb, meist als Konverb der Typen -A
(z.B. türkeitürkisch -(y)A/-(y)I) oder -B (z.B. türkeitürkisch -(y)Ip), auftritt und das zweite Verb als
Hilfsverb funktioniert. Diese postverbialen Elemente sind in ihrer Funktion insofern äquivalent zu
präverbialen Elementen in indoeuropäischen Sprachen, als sie der Bezeichnung aktionaler Inhalte
dienen. In Postverbialverbindungen erfolgt die Modifikation des aktionalen Inhalts durch ein
grammatikalisiertes Hilfsverb.
Die Funktionen von Postverbialverbindungen reichen von der Bezeichnung von
Phasenstruktureigenschaften, z.B. durch tatarisch -(I)p tor- ‘stehen’ zur Kennzeichnung einer nichtdynamischen, nontransformativen Phase einer Tätigkeit, über den Ausdruck von der Art und Weise
der Tätigkeit, z.B. durch türkeitürkisch -(y)Iver- ‘geben’ zur Bezeichnung von plötzlich eintretenden
Ereignissen, bis hin zu objektiver und subjektiver Version, z.B. durch Uigurisch -p al- ‘nehmen’ (für
sich selbst tun) und -p bär- ‘geben’ (für jemanden tun). Durch weitere Grammatikalisierung sind aus
einer Gruppe von bestimmten Postverbialverbindungen aspekto-temporale Einheiten entstanden (s.
Johanson 2000).
Türkische Sprachen unterscheiden sich voneinander in Bezug auf die Verteilung und die Anzahl
von Postverbialverbindungen. So verfügt die Südwestgruppe der Türksprachen, darunter
Türkeitürkisch und Aserbaidschanisch, über vergleichsweise wenige Verbindungen, während sich
Sprachen des südsibirischen Raums einer Vielzahl solcher Verbindungen bedienen, um die
betreffenden Inhalte auszudrücken. Auch setzen die einzelnen türkischen Sprachen die jeweils
beteiligten Hilfsverben in unterschiedlicher Funktion ein. So verwendet z.B. das Uigurische die
Konstruktion -(I)p öt- ‘hindurch-/vorbeigehen, durch-/überqueren’, um das einmalige Vorkommen
einer Tätigkeit auszudrücken, während das Usbekische -(I)b öt- zur Kennzeichnung von
Transformativität einsetzen kann.
In gewissen türkischen Varietäten in Iran, die über einen langen Zeitraum in engem Kontakt zu
Persisch und anderen iranischen Sprachen standen, sind diese Verbindungen als Folge von
Sprachkontakten, insbesondere durch den Rückgang im Gebrauch von Konverbien, verdrängt worden.
Im Chaladsch, das unter den türkischen Varietäten Irans eine Sonderstellung einnimmt, existieren
noch komplexe Imperativformen, die auf Postverbialverbindungen zurückgehen dürften (s. Doerfer
1988).
Durch türkisch-iranischen Kontakt haben iranische Varietäten umgekehrt Verbalkonstruktionen
entwickelt, die aktionale Inhalte modifizieren. So existiert z.B. im Tadschikischen ein System von
Postverbialverbindungen, das sich an ein südosttürkisches Vorbild anlehnt (s. Johanson 2002, Soper
1987).
Neben Postverbialverbindungen verwendet das Türkische auch Konstruktionen, in denen das
Konverbelement das folgende lexikalische Verb modifiziert. Die türkeitürkischen Verben al‘nehmen’ und tut- ‘ergreifen, halten’ kommen in diesen Verbindungen am häufigsten vor und können
ausdrücken, dass die durch das lexikalische Verb bezeichnete Tätigkeit plötzlich oder unvermittelt
ausgeführt wird, z.B. tut-up çık-tı (ergreifen-KONVERB hinausgehen-PRÄTERITUM.3SG) ‘ging
plötzlich/unvermittelt/auf einmal hinaus’. Eine ähnliche Verwendung des Verbs gırtın ‘nehmen’ im
anatolischen Kurmanji lässt auf Kontakteinfluss schliessen.
Literatur
Johanson, Lars 2000. Viewpoint operators in European languages. In: Dahl, Östen (ed.) Tense and
aspect in the languages of Europe. Berlin, New York: Mouton de Gruyter. 27-188.
Johanson, Lars 2002. Structural factors in Turkic language contacts. Richmond: Curzon.
Doerfer, Gerhard 1988. Grammatik des Chaladsch. (Turcologica 4.) Wiesbaden: Harrassowitz.
Soper, John D. 1987 Loan syntax in Turkic and Iranian: the verb systems of Tajik, Uzbek and
Qashqay. [PhD dissertation, University of California, Los Angeles.]
Wozu ist sie gut, diese Rechtsversetzung?
Warum die Rechtsversetzung doch keine Reparaturstrategie ist
Als Rechtsversetzung im Deutschen wird nach Altmann (1981) eine Konstruktion mit einer NP, PP
oder VP im Anschluss an die rechte Satzklammer und einer koreferenten Form (meist ein Pronomen)
im Satz bezeichnet. In meinem Vortrag werde ich mich auf die NP-Rechtsversetzung konzentrieren,
wie unter (1):
(1) (a) (Hast Du das neueste von Ottoj gehört?) Gestern traf Peter ihnj in der Stadt, den Ottoj.
(b) (Otto und Peter waren auch da.) Erj kam allerdings zu spät, (ich meine) der Ottoj.
Traditionell wird angenommen, dass die Diskursfunktion der Rechtsversetzung das Auflösen einer
pronominalen Referenz ist, die den Hörer nach Einschätzung des Sprechers überfordern könnte
(Altmann (1981) und nachfolgende Forschung). Diese Analyse bietet sich für (1b) an, wo die
pronominale Referenz ansonsten unklar wäre; für (1a) ist sie aber wenig plausibel, da eine solche
Unklarheit dort nicht besteht.
Ich werde zeigen, dass es sich bei der Rechtsversetzung keineswegs um eine homogene Gruppe
handelt, sondern dass mit diesem Begriff zwei verschiedene Konstruktionen zusammengefasst werden,
die ich 'Rechtsversetzung' (im engeren Sinne) (1a) und 'Reparatur-Nachtrag' (1b) nenne. Rechtsversetzung und Reparatur-Nachtrag unterscheiden sich bezüglich ihrer prosodischen, syntaktischen
und semantischen Eigenschaften und haben verschiedene Diskursfunktionen. Die Funktion des
Reparatur-Nachtrags ist die Auflösung der pronominalen Referenz, d.h. eine auf den vorangehenden
Satz bezogene Reparaturstrategie, die keinen Einfluss auf die Diskursstruktur hat, vgl. (2). Die
Funktion der Rechtsversetzung hingegen ist es, einen Diskursreferenten als Diskurstopik im Sinne von
Lambrecht (1994) für den folgenden Diskursabschnitt zu markieren, wie in (3).
(2) [...] Die militärische Laufbahn des Berliners Wilhelm Crisollij [..] hätte sicherlich an der Majorsecke geendet, wären da nicht Hitlersk Eroberungs- und Vernichtungsfeldzüge gewesen. Ihmk, dem
(ZEIT 15.4.04)
Führerk, [...] verdankt erj das [...] Ritterkreuz und den Generalsrang.
⇒Diskurstopik: Wilhelm Crisolli
(3) Viele Freunde hat erj im vergangenen Sommer gefunden - der Ausflugsbus "Märkische Schweiz"j.
Deshalb haben ihnj DB Regio und die Strausberger Verkehrsgesellschaft auch 2004 wieder ins
(Punkt 3, 13.5.04)
Ausflugsprogramm genommen.
⇒Diskurstopik: der Ausflugsbus MS
Ich werde dafür argumentieren, dass der Rechtsversetzung und dem Reparatur-Nachtrag verschiedene
syntaktische Strukturen zugrunde liegen. Rechtsversetzung ist eine phonologisch, syntaktisch und
semantisch integrierte Konstruktion an der rechten Satzperipherie. Reparatur-Nachtrag hingegen ist
ein Subtyp der Nachtragskonstruktionen und als solcher ein selbstständiger elliptischer Satz (vgl. Cann
et al. (2002)), der rechts zu einem Satz hinzugefügt wird. Die Unterscheidung zwischen Rechtsversetzung und Reparatur-Nachtrag führt zu einer Neuklassifizierung der rechtsperipheralen
Konstruktionen im Deutschen.
Literatur
Altmann, Hans (1981): Formen der "Herausstellung" im Deutschen: Rechtsversetzung, Linksversetzung, Freies
Thema und verwandte Konstruktionen. Tübingen: Niemeyer (= Linguistische Arbeiten 106).
Cann, Ronnie / Kempson, Ruth / Otsuka, Masayuki (2002): On Left and Right Dislocation: A Dynamic
Perspective. URL: http://semantics.phil.kcl.ac.uk/ldsnl/papers/cko02olard.pdf [Stand: 10.9.2004].
Lambrecht, Knud (1994): Information structure and sentence form: topic, focus and the mental representations of
discourse referents. Cambridge: CUP.
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Die Kommunikation zwischen Dänen und Schweden
Gerard Doetjes, Universität Hamburg
Die wirtschaftlichen, kulturellen, sozialen und politischen Kontakte zwischen den Ländern
Skandinaviens sind besonders intensiv. Hierdurch ergibt sich eine Situation ständigen Sprachkontakts.
Obwohl ein nicht unerheblicher Anteil vor allem jugendlicher, mit dem Sprachkontakt weniger
vertrauter Sprecher der skandinavischen Sprachen sich über die Landesgrenzen hinweg bevorzugt auf
Englisch unterhält, macht noch immer eine Mehrheit der Skandinavier von den durch die starke
sprachliche Verwandtschaft der sog. festlandskandinavischen Sprachen (i.e. Dänisch, Norwegisch und
Schwedisch) Gebrauch, indem sie bei "interskandinavischen" Kontakten konsequenterweise die eigene
Sprache sprechen und dies auch bei ihren skandinavischen "Nachbarn" akzeptieren, ja sogar von ihnen
erwarten und damit der Tendenz zum Englischen in der internationalen Kommunikation widerstehen.
Diese Form der Kommunikation nennt sich (nach Haugen 1966) Semikommunikation und verläuft,
entgegen der Erwartung vieler Gesprächsteilnehmer wie auch der (oft politisch oder ideologisch
motivierten) Befürworter der Semikommunikation und trotz der großen syntaktischen wie
lexikalischen Überlappung der Sprachen nicht ohne Probleme (siehe u.a. Delsing 2003). Offenbar ist
der sprachliche Abstand für eine problemfreie Kommunikation über die Sprachgrenzen doch zu groß.
In dem Hamburger Projekt "Semikommunikation und rezeptive Mehrsprachigkeit im heutigen
Skandinavien" (Leitung: Prof. Dr. Kurt Braunmüller) geht es nun darum, einerseits den spezifischen
Verlauf derartiger interskandinavischer Diskurse zu erforschen (siehe u.a. Zeevaert 2004) und
andererseits darum ihre sprachlichen Voraussetzungen zu klären. Mit anderen Worten: Was hört ein
Skandinavier, wenn er andere skandinavische Sprachen hört?
In meinem Beitrag werde ich auf diese Frage eingehen und die (vorläufigen) Ergebnisse einiger im
Projekt vorgenommener Untersuchungen präsentieren. Um schon jetzt einen Einblick zu gewähren:
Die strategische Anpassung des Sprechers an die Situation (z.B. durch langsameres Sprechen) hat nur
einen begrenzten Einfluss auf die Verstehensleistung des Hörers. Und die Verarbeitung
nachbarsprachlicher Wörter findet meist nach einem festen Muster statt, führt jedoch (und gerade
dadurch) allerdings nicht immer zum richtigen Ergebnis, nämlich dem erwünschten
nachbarsprachlichen Zielwort (Doetjes 2004).
Literaturhinweise
Delsing, L.-O. (2003): Bron och språket - en undersökning av dansk-svensk språkförståelse. In Språk
i Norden 2002, 101-114.
Doetjes, G. (2004): Auf falscher Fährte in der interskandinavischen Kommunikation (Arbeiten zur
Mehrsprachigkeit, Folge B, 53). Hamburg: Sonderforschungsbereich Mehrsprachigeit.
Haugen, E. (1963): Semicommunication: the language gap in Scandinavia. In Lieberson, S. (Hrsg.):
Explorations in sociolinguistics. Den Haag: Mouton, 152-169.
Zeevaert, L. (2004): Interskandinavische Kommunikation. Strategien zur Etablierung von
Verständigung zwischen Skandinaviern im Diskurs. Hamburg: Kova_.
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Sprachklassifikation, Sprachkontakt und Sprachwandel am Beispiel des Okzitanischen
Marc-Olivier Hinzelin (SFB 471, Universität Konstanz)
Anhand der Stellung der klitischen Objektpronomina zum finiten Verb werden die drei im
Titel genannten Themenbereiche diskutiert:
Einen Aspekt des Vortrags bildet dabei der Vergleich des Okzitanischen mit dem
Französischen einerseits und den iberoromanischen Sprachen, allen voran dem Katalanischen,
andererseits. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, inwieweit das Okzitanische dem
Französischen ähnelt, das unter den mittelalterlichen romanischen Sprachen am wenigsten
Stellungsvariation bei den Objektpronomina aufweist, oder ob sich das Okzitanische wie die
iberoromanischen Sprachen verhält. Die syntaktische Klassifikation des Okzitanischen als
Sprache galloromanischen oder doch eher iberoromanischen Typus wird in Bezug auf dieses
Phänomen hinterfragt.
Die beiden weiteren Aspekte – Sprachkontakt und Sprachwandel – werden im Hinblick auf
den Wandel der Position der Objektklitika untersucht. Insbesondere die Frage eines
eventuellen französischen Einflusses beim Verlust der Nachstellung gegenüber einem Wandel
aus rein sprachinternen Gründen wird anhand von Daten aus einem Korpus nicht-literarischer
Texte (Urkunden, Tagebücher etc.) erörtert.
Nadiane Kreipl, Passau
Der relationsverbale Ausdruck von Sinnrelationen im fachsprachlichen Nominalstil Ergebnisse einer Korpusuntersuchung französischer Fachtexte
Adresse und E-Mail: Gartenstr. 6, 94161 Ruderting, [email protected]
Bisherige Beschreibungen morphosyntaktischer Phänomene in Fachtexten zeigen, dass der
Nominalstil als ein universales Merkmal von Fachsprachen gelten kann. Zu überprüfen
bleibt, wie dieser in den einzelnen Sprachen zur Geltung kommt und welche
morphosyntaktischen Mittel eingesetzt werden (vgl. Kalverkämper 2001: 377). Forner
beschreibt 1998 in seiner Fachsprachlichen Aufbaugrammatik Französisch etliche
Verfahren, die den Nominalstil kennzeichnen (Adjektivierungen, Nominalspaltungen),
wobei dem relationsverbalen Ausdruck von Sinnrelationen wie Kausalität, Konsekution
etc. eine besondere Rolle zukommt. Durch ihre Eigenschaft, Aussagen in nominalisierter
Form zu verknüpfen, bezeichnet Forner die Relationsverben als d i e Ausdrucksart von
Sinnrelationen in Fachtexten.
Der vorliegende Beitrag basiert auf einer korpusgestützten onomasiologischen Analyse der
Ausdrucksarten von Sinnrelationen im Französischen. In wirtschaftswissenschaftlichen
Fachaufsätzen und in Romanausschnitten des Französischen wurden Frequenzanalysen
durchgeführt. Im Vortrag beschreibe ich zunächst den Forschungsstand, dann die
Funktionsweise und Typologie der Relationsverben unter Berücksichtigung der
Besetzungsarten der Leerstellen, die Bandbreite der ausdrückbaren Sinnrelationen, die
Modalisierungsmöglichkeiten und die syntaktische Flexibilität der Relationsverben. Im
Anschluss daran wird der Beitrag der Relationsverben zum Nominalstil differenziert
betrachtet. Schließlich werden die Ergebnisse der Frequenzauswertung präsentiert:
Relationsverben sind zwar häufig in fachsprachlichen Texten und charakterisieren diese im
Vergleich zu literarischen Texten, aber in beiden Sprachvarietäten bleibt die
konjunktionale Verknüpfung von Sinnrelationen die dominierende Ausdrucksart.
Fachsprachliche Texte werden weniger durch eine einzige, nämlich die relationsverbale
Ausdrucksart von Sinnrelationen gekennzeichnet als vielmehr durch die Kombination der
verschiedenen Ausdrucksarten von Sinnrelationen, was mehrere sinnrelationale
Verknüpfungen auch in einem einzigen Satz ermöglicht.
Zum Abschluss soll eine in fachsprachlichen Texten bemerkenswerte Tendenz
angesprochen werden: Durch die verschiedenen Verfahren des Nominalstils schwinden die
klaren Grenzen zwischen den traditionell unterschiedlichen Eigenschaften der Wortarten
Substantiv, Adjektiv und Verb.
Literatur
Forner, Werner (1998): Fachsprachliche Aufbaugrammatik Französisch. Wilhelmsfeld.
Kalverkämper, Hartwig (2001): "Fachsprachen", in: Holtus, Günter et al.: Lexikon der
Romanistischen Linguistik (LRL), Band I,2, Tübingen, 349-408.
Kreipl, Nadiane (2004), Der Ausdruck von Sinnrelationen im Gegenwarts-französischen.
Eine Untersuchung am Beispiel der Wirtschafts- und Literatursprache. Wilhelmsfeld (=
pro lingua 39).
Wie nutzen 4-5 jährige Kinder prosodische Mittel zur Fokusmarkierung in
unterschiedlichen Satzstrukturen?
Anja Müller a, Babara Höhle b, Jürgen Weissenborn a
a
Humboldt Universität Berlin, Institut für dt. Sprache und Linguistik
b
Universität Potsdam, Institut für Linguistik
Unter Informationsstruktur wird im Allgemeinen die Strukturierung von sprachlichen Informationen zum Zweck
der Optimierung des Informationstransfers verstanden. Dabei wird u.a. eine Unterteilung des Satzes in Fokus
und Hintergrund vorgenommen, wobei sich Fokus auf eine neue, dem Hörer bisher unbekannte Information
bezieht, im Gegensatz zum Hintergrund, der auf bereits bekannte Informationen referiert (von Heusinger 1999).
Die neue Information wird dabei auf besondere Weise markiert, entweder lexikalisch, durch Fokuspartikel, oder
syntaktisch, durch z.B. Objekttopikalisierungen oder prosodisch, durch Variationen der Grundfrequenz (F0)
beim Sprechen (Uhmann 1991, Fery 1993).
Unser Projekt beschäftigt sich mit der Frage, wann Kinder die verschiedenen Möglichkeiten der
Fokusmarkierung erwerben, wie sie diese einsetzen und ob es Abhängigkeiten zwischen den einzelnen
Markierungsmöglichkeiten gibt. Derzeit untersuchen wir, ob 4-5 jährige Kinder bereits prosodische Mittel zur
Fokusmarkierung einsetzen können und ob der Einsatz prosodischer Markierungen mit syntaktischen Mitteln der
Fokusmarkierung interagiert.
Dazu führten wir mit 15 Kindern im Alter von 4-5 Jahren sowie einer Kontrollgruppe von 14 Erwachsenen eine
Nachsprechaufgabe durch. Als Material dienten insgesamt 32 Sätze, welche aus maximal 5 Wörtern bestanden.
Die Hälfte der Sätze hatte eine kanonische Wortstruktur, die andere Hälfte ein nicht-kanonische. Zur
Manipulation des Fokus wurden die Sätze in kurze Kontexte eingebettet, so dass entweder das initiale Nomen
oder das finale Nomen den Satzfokus trug. Damit ergaben sich vier Satzbedingungen:
Subjekt fokussiert:
Objekt fokussiert:
Kanonisch
EVA kauft die Gurke.
Peter trinkt SAFT.
Nicht-Kanonisch
Den Opa begrüßt PETER
Eine SANDBURG baut Peter
Die Zielsätze wurden zunächst von einer weiblichen Sprecherin mit natürlicher Intonation eingesprochen, im
Anschluss daran mit Hilfe von Praat so manipuliert, dass sie keine erkennbare Satzintonation und somit keine
prosodische Fokusmarkierung mehr enthielten. Die so manipulierten Zielsätze wurden den Probanden mit ihren
Kontexten in einer Bildgeschichte präsentiert, welche sie sich gemeinsam mit einer Handpuppe anschauen
sollten. Nach der Präsentation des Zielsatzes wurden die Probanden von der Handpuppe gebeten, den Zielsatz zu
wiederholen, da die Handpuppe ihn nicht verstanden hatte.
Als phonetisches Korrelat der prosodischen Fokusmarkierung wurde der F0-Verlauf der nachgesprochenen
Zielsätze analysiert. Gemessen wurden dabei die höchsten F0-Werte (Pitchakzent) der Subjekte und der Objekte
der Sätze. Diese Analyse zeigte sowohl für die Erwachsenen als auch für die Kinder signifikante Positions- und
signifikante Fokuseffekte, d.h. die initiale Konstituente zeigte einen höheren F0-Wert als die finale Konstituente,
unabhängig ob sie fokussiert war oder nicht und eine fokussierte Konstituente zeigte einen höheren F0-Wert als
eine nicht-fokussierte Konstituente. Die syntaktische Fokusmarkierung scheint für den F0-Verlauf keine Rolle zu
spielen, denn es zeigte sich kein Einfluss der Kanonizität der Sätze auf den F0-Verlauf.
Die Satzkanonizität und die Informationsstruktur zeigten jedoch in anderer Weise einen Einfluss auf die
Nachsprechleistungen der Kinder. Insgesamt sprachen die Kinder die nicht-kanonischen Sätze seltener in der
vorgegeben Wortfolge nach als die kanonischen Sätze. Diese Umstellung der vorgegebenen Wortfolge zeigte
sich am häufigsten in den Sätzen, in denen das finale Subjekt zu fokussieren war.
Unsere Ergebnisse zeigen, dass 4-5 jährige in der Lage sind, aus einem gegebenen Kontext heraus zu erkennen,
welche Informationen in einem Satz fokussiert sein müssen. In ihrer Produktion setzen sie prosodische Mittel zur
Fokusmarkierung bereits wie Erwachsene und damit zielsprachkonform ein. Das zeigt sich daran, dass die
Kinder mit Hilfe von prosodischen Mitteln, d.h. der Variation der Grundfrequenz, die beiden „information units“
eines Satzes unterschiedlich markierten. Dies tun sie unabhängig von der Satzstruktur, d.h. von der Kanonizität
des Satzes. Somit scheinen die prosodische Eigenschaften von Informationsstruktur bereits mit 4 bis 5 Jahren
erworben und auf flexible Strukturen anwendbar zu sein. Die Satzumstellungen der Kinder zugunsten einer
kanonischen Wortfolge deuten insgesamt darauf hin, dass Kinder diesen Alters eher zur Produktion kanonischer
Wortfolgen neigen. Die produktive Veränderung der nicht-kanonischer Strukturen trat besonders deutlich bei
einer Satzstruktur auf, die informationsstrukturell sehr markiert ist, nämlich in topikalisierten Sätzen mit
fokussiertem aber finalem Subjekt. Dies deutet darauf hin, dass die Kinder der untersuchten Altersgruppe auch
bereits sensitiv für die Objekttopikalisierung als Mittel der syntaktischen Fokusmarkierung sind.
Referenzen
von Heusinger, K.(1999) Intonation and Information Structure. Habilitationsschrift. Konstanz
Uhmann, S. (1991) Fokusphonologie. Tübingen: Niemeyer.
Féry, C. (1993) German Intonational Patterns. Tübingen: Niemeyer.
n-Wörter aus sprachübergreifender Perspektive
Negative Concord (NC) - das Phänomen, dass mehrere negative Elemente im selben Satz semantisch nur
ein Negation beitragen (1) – ist in den letzten Jahren viel diskutiert worden.
(1)
a. Non ho visto
nessuno.
neg habe gesehen neg-jemanden
„Ich habe niemanden gesehen.“
b. Nessuno ha detto niente.
neg habe gesehen neg-jemanden
„Ich habe niemanden gesehen.“
(Italienisch)
Das Ziel dieses Vortrags ist es, NC mit zwei andern Phänomenen in Zusammenhang zu bringen,
zu denen so genannte n-Wörter (wie niemand, nichts, kein) in Nicht-NC-Sprachen führen, und daraus
Schlüsse auf die universale Natur von n-Wörtern abzuleiten.
Beim ersten Phänomen handelt es sich um Bechs (1955/57) so genannte „kohäsive“ Negation im
Deutschen (vgl. auch Jacobs, 1980). In der intuitiven Lesart von (2) ist kein in eine Negation und ein
Indefinitum aufgespalten, die unterschiedlichen Skopus haben. Die Negation hat weiten Skopus über das
NPI-Modalverb brauchen und das Indefinitum engen Skopus.
(2)
Du brauchst keine Jacke anzuziehen.
= „Es ist nicht notwendig, dass du eine Jacke anziehst“
NEG < brauchst < eine Jacke
NC und kohäsive Negation im Deutschen zusammen genommen legen nahe, dass n-Wörter
semantisch nicht negativ sind. Stattdessen schlage ich vor, dass sie morphologische Markierungen
darstellen, die auf eine semantische Negation im Satz verweisen. Um die Skopusverhältnisse des
deutschen Beispiels (2) zu erfassen, muss man annehmen, dass die semantische Negation abstrakt
realisiert sein kann. Ich schlage vor, dass n-Wörter von einer semantischen Negation lizenziert werden
müssen, die offen oder abstrakt realisiert sein kann. Der Unterschied zwischen NC-Sprachen und NichtNC-Sprachen wird erfasst durch einen Parameter, der das Verhältnis von morphologischer Markierung zu
semantischer Negation erfasst (1:1 in Nicht-NC-Sprachen, 1:n in NC-Sprachen), und durch
unterschiedliche Lizenzierungsdomänen für n-Wörter (der von NEG c-kommandierte Bereich des Satzes
in NC-Sprachen bzw. die unmittelbar zur Negation adjazente Position in Nicht-NC-Sprachen).
Die Annahme, dass die Lizenzierungsbedingungen für n-Wörter syntaktischer Natur sind (contra
Ladusaw, 1992, 1994), wird gestützt durch die Beobachtung, dass n-Wörter in den skandinavischen
Sprachen Distributionsbeschränkungen unterliegen (vgl. Christensen (1986), Kayne (1998), Svenonius
(2002)): Ein n-Wort kann nicht in Objektposition stehen, wenn der Satz abhängig ist oder die Verbform
mit einem Partizip gebildet wird:
(3)
a. Jon leser ingen
romaner.
(Norwegisch, aus Christensen, 1986)
Jon liest neg-indef Romane
„Jon liest keine Romane.“
b. *Jon har lest
ingen
romaner.
Jon hat gelesen neg-indef Romane
„Jon hat keine Romane gelesen.“
c. *Dette er en student som leser ingen
romaner.
dieser ist ein Student der liest neg-indef Romane
„Dies ist ein Student, der keine Romane liest.”
Die sich ergebende Generalisierung ist, dass n-Wörter im Norwegischen nur grammatisch sind, wenn sie
direkt adjazent zur kanonischen Position des Negationsmarkers sind. Dies wird durch die vorgeschlagenen
Lizenzierungsbedingungen vorhergesagt, die auf der Grundlage von Daten aus anderen Sprachen
formuliert wurden.
Zitierte Literatur
Bech, G. (1955/57). Studien über das deutsche verbum infinitum. København, Det Kongelige Danske
Akademie av Videnskaberne.
Christensen, K. K. (1986). Norwegian "ingen": A case of post-syntactic lexicalization. In: Ö. Dahl und A.
Holmberg (Hrsg.). Scandinavian Syntax. Institute of Linguistics, University of Stockholm: 21-35.
Jacobs, J. (1980). Lexical decomposition in Montague Grammar. Theoretical Linguistics 7: 121-136.
Kayne, R. (1998). Overt vs. Covert Movement. Syntax 1: 128-191.
Ladusaw, W. (1992). Expressing Negation. In: C. Barker und D. Dowty (Hrsg.). Proceedings of SALT II,
Ohio State Working Papers in Linguistics: 237-259.
Ladusaw, W. (1994). Thetic and Categorical, Stage and Individual, Week and Strong. In: L. Santelman
und M. Harvey (Hrsg.). Proceedings of SALT IV, Cornell University, Ithaca/NY: 220-229.
Svenonius, P. (2002). Licensing Negation in Norwegian. Working Papers in Scandinavian Syntax 69.
Art und Weise formalisiertPrädikatsmodifikation oder Ereignisprädikation
Martin Schäfer (Universität Leipzig)
Für die semantische Formalisierung von Adverbialen gibt es zwei einflußreiche
Ansätze: die Prädikatsmodifikation und die Ereignisprädikation. Der Satz (1) kann
demnach entweder wie in (1-a) oder wie in (1-b) formalisiert werden.
(1)
Hans singt laut.
a. ∃e.SING(hans, e) & LAUT (e)
b. (i) LAUT (SING)(hans)
(ii) ∃e.LAUT (SING)(hans, e)
Wie die zwei Varianten von (1-b) zeigen, ist die Analyse von Adverbialen als Prädikatsmodifikatioren unabhänging davon, ob man Ereignisse in der logischen Form benutzt oder nicht. Die Stärken der Analyse als Ereignisprädikation liegen in der Behandlung von Enthaltenseinsbeziehungen. So ist die Implikation von (2-a) zu (2-b) ein
logisches Entailment.
(2)
a. Fritz singt laut.
b. Fritz singt.
Die Stärke der Modifikationsanalyse liegt zum einem in ihrer allgemeinen Anwendbarkeit, da sie auch für klar nicht-intersektive Modifikatoren (z.B. angeblich) benutzt
werden kann. Zum anderen erlaubt Sie die Behandlung von Skopuseffekten beim Auftreten mehrer Adverbiale im selben Satz wie etwa in (3), welcher zwar (3-a), aber nicht
(3-b) impliziert.
(3)
Fritz hat geschickt die Frage dumm beantwortet.
a. Fritz hat die Frage dumm beantwortet.
b. #Fritz hat die Frage geschickt beantwortet.
In meinem Vortrag möchte ich, unter Nutzung einer strengeren Unterteilung von
Adverbiallesarten, im Speziellen zwischen Art und Weise Modifikation und subjektorientierter Modifikation, zeigen, daß beide Herangehensweisen benutzt werden sollten, um Adverbiale zu formalisieren.
So kann z.B. laut zum einen als subjekt-orientiertes Adverbial fungieren, zum anderen als Adverbial der Art und Weise. Das zeigt sich, wenn man laut mit seinem
Teilsynonym forte vergleicht, welches nur die Art und Weise Lesart zuläßt und daher
in Stellungs- und Paraphrasemöglichkeiten eingeschränkt ist, vgl. (4) und (5).
(4)
a. Fritz spielt die Entwicklung der Sonate, wobei er laut ist.
b. *Fritz spielt die Entwicklung der Sonate, wobei er forte ist.
(5)
a. Fritz spielt (laut) die Entwicklung der Sonate (laut).
b. Fritz spielt (*forte) die Entwicklung der Sonate (forte).
Subjekt-orientierte Adverbiale werden als Ereignisprädikate formalisiert, genauer
gesagt, das entsprechende Adverbial wird als zweistelliges Prädikat verstanden, welches eine Relation zwischen Subjekt und Ereignis ausdrückt, vgl. (6-a). Reine Art und
Weise Modifikation wird hingegen als Prädikatsmodifikation verstanden, vgl. (6-b).
(6)
Fritz spielt (laut) die Entwicklung der Sonate (laut).
a. [subjekt-orientiert] ∃e.PLAY ( f ritz, sonata, e)&LOUD( f ritz, e)
b. [art und weise]
∃e.LOUD(PLAY )( f ritz, sonata, e)
Durch diese Vorgehensweise werden Sätze wie (3) so formalisiert, daß zwar die Implikation (3-a) als logisches Entailment dargestellt ist, da geschickt hier als subjektorientiertes Adverbial benutzt wird, (3-b) aber nicht folgt, da dumm als Adverbial der
Art und Weise interpretiert wird und somit als Prädikatsmodifikation.
Zustandspassiv und Integration
Die Konstruktion sein + Part. II, das sogenannte Zustandspassiv, hat seit den 70er Jahren
verschiedene Analysen erfahren; zuletzt haben Kratzer (1994, 2000) und Rapp (1997) dafür
argumentiert, dass es sich hierbei um eine Kopulakonstruktion handelt. Dabei erklären sie das
Problem, dass das Partizip einerseits mit un- präfigiert sein kann (was eine adjektivische
Analyse erfordert), andererseits aber ereignisbezogene Modifikatoren wie von-Phrasen,
Instrumentale und Adverbien auftreten (was für eine verbale Analyse spricht), damit, dass
Adjektivierung nicht nur auf lexikalischer, sondern auch auf phrasaler Ebene stattfinden kann,
vgl. (1a-d). Die Annahme zweier Adjektivierungsarten bringt allerdings Probleme mit sich: zum
einen gibt es entgegen der Vorhersage Daten, bei denen un-Präfigierung und von-Phrase
innerhalb derselben Konstruktion auftreten, vgl. (1e); dies ist insbesondere dann der Fall, wenn
die Phasenpartikel noch auftritt oder wenn sein durch bleiben ersetzt wird, vgl. (1f).
(1)
a. Die Suppe ist ungewürzt
b. Die Suppe ist von Maja gewürzt
e. Sie ist vom Leben unbefriedigt
c. Der Brief ist mit roter Tinte geschrieben
d. Der Brief ist sorgfältig geschrieben
f. Diese Chance blieb von ihr ungenutzt
Zum anderen stellen die ereignisbezogenen Modifikatoren keine homogene Gruppe dar: nur
von-Phrasen treten, wie berichtet, gleichzeitig mit un-präfigierten Partizipien auf, zugleich sind
von-Phrasen, anders als die anderen Modifikatoren, auf ein einmaliges Vorkommen pro
Konstruktion beschränkt. Eine einheitliche Analyse der ereignisbezogenen Modifikatoren als
Teil der adjektivierten VP kann diese Unterschiede nicht erklären.
Ich argumentiere daher gegen die phrasale Adjektivierung und nehme mit Maienborn (2004)
ausschließlich lexikalisch adjektivierte Partizipien an. Maienborn analysiert ereignisbezogene
Modifikatoren als V-Adjunkte und nimmt an, dass diese zusammen mit dem Partizip eine
prosodische und semantische Einheit bilden, in Anlehnung an das in Jacobs (1993, 1999)
formulierte Konzept der "Integration". Ereignisbezogene Modifikatoren sind danach von der
Grammatik grundsätzlich erlaubt. Die Pragmatik wiederum entscheidet, je nach Kontext,
Diskurs- und Weltwissen, über die Zulässigkeit dieser Einheit.
Ziel des Vortrags ist es zum einen, diesen Vorschlag mit Hinblick auf die un-Präfigierung und
die syntaktische Unterscheidung zwischen von-Phrasen und anderen Modifikatoren ausbauen.
Zum anderen geht es darum, den Begriff der "Integration" gegen das Konzept der
"Inkorporation" (Baker (1988)) und "Pseudo-Inkorporation" (Dayal (2003)) abzugrenzen und
ihn im Hinblick auf mentale Kategorien und Konzeptbildung auszuleuchten, um Interpretationsund Akzeptabilitätsunterschiede wie in den folgenden Beispielen zu erklären:
(2)
a. Die Wände sind [von Feuer geschwärzt]
b. Die Wände sind [vom Feuer geschwärzt]
c. ??Die Bewohner sind [von Herrn Maier uninformiert]
d. Die Bewohner sind [von offizieller Seite uninformiert]
Literatur
Baker, Mark C. (1988): Incorporation. Chicago: University of Chicago Press
Dayal,
Veneeta
(2003):
"A
semantics
for
pseudo
incorporation".
Manuscript,
http://www.rci.rutgers.edu/~dayal/psedo-incorporation.pdf
Kratzer, Angelika (1994): "The Event Argument and the Semantics of Voice". Chapter 2. Manuscript, Amherst
–
(2000): Building Statives. Manuscript, University of Massachusetts at Amherst
Jacobs, Joachim (1993): "Integration". In: Marga Reis (Hrsg.), Wortstellung und Informationsstruktur. Tübingen:
Niemeyer, 63-116
–
(1999): "Informational Autonomy". In: Peter Bosch, Rob van der Sandt (eds.), Focus. Linguistic, Cognitive,
and Computational Perspectives. Cambridge, New York: Cambridge University Press, 56-81
Maienborn, Claudia (2004): Arbeitsteilung von Grammatik und Pragmatik beim Zustandspassiv. Handout zum
Vortrag beim 3. Student Workshop der Graduiertenkollegs Berlin/Potsdam und Leipzig, Mai 2004, Berlin
Rapp, Irene (1997): Partizipien und semantische Struktur. Zu passivischen Konstruktionen mit dem 3. Status.
Tübingen: Stauffenburg (= Studien zur deutschen Grammatik 54)
Zur syntaktischen Beschreibung fokussensitiver Partikeln im Deutschen
Stefan Sudhoff (Universität Leipzig)
In der Literatur vorgeschlagene syntaktische Analysen von Sätzen mit fokussensitiven Partikeln wie
nur, auch und sogar (vgl. Beispiel (1)) lassen sich im Wesentlichen zwei Haupttypen zuordnen: den
Adverbial-Analysen (u.a. Jacobs 1983; Büring & Hartmann 2001) und den Adjunktion-an-XPAnalysen (u.a. Bayer 1996; Reis & Rosengren 1997).
(1)
dass nur/auch/sogar MAja geschlafen hat
Adverbial-Analysen behandeln Fokuspartikeln als Modifikatoren verbaler Projektionen (VP, IP,
CP), deren Bezugskonstituenten nicht anhand der syntaktischen Konfiguration, sondern anhand der
Fokussierung identifiziert werden. Vertreter der Adjunktion-an-XP-Analyse gehen hingegen davon
aus, dass Fokuspartikeln an beliebige maximale Projektionen adjungieren können, also auch an DP
und PP. Die entsprechenden syntaktischen Beschreibungen von (1) sind in (2) wiedergegeben.
(2)
a.
b.
dass [VP nur [VP MAja geschlafen hat]]
dass [VP [DP nur [DP MAja]] geschlafen hat]
Gegen die Adverbial-Analyse ist u.a. vorgebracht worden, dass – damit Konstruktionen mit satzinitialen Fokuspartikeln wie (3a) erfasst werden können – die im Deutschen gut motivierte V2Generalisierung aufgegeben werden muss. Außerdem kann aus der Struktur nicht unmittelbar abgeleitet werden, warum nur das adjazente Element als Bezugskonstituente infrage kommt, nicht aber
eine Mittelfeldkonstituente wie in (3b). Als problematisch für die Adjunktion-an-XP-Analyse erwies sich die Ungrammatizität von Fokuspartikel-DP-Sequenzen als Komplemente von Präpositionen und als Genitiv-Modifikatoren von Nomen, vgl. (4). Beide Phänomene stellen den
Konstituentenstatus der Kombination von Fokuspartikel und DP infrage.
(3)
a.
b.
[CP Nur [CP MAja hat geschlafen]].
*[CP Nur [CP Maja hat den HUND geschlagen]].
(4)
a.
b.
*mit [DP nur [DP Maja]]
*der Hund [DP nur [DP der Nachbarn]]
Der Vortrag soll zeigen, dass beide Varianten der syntaktischen Beschreibung mit entscheidenden
konzeptuellen Mängeln behaftet und nicht in der Lage sind, alle relevanten sprachlichen Daten zu
erfassen. Es wird eine alternative Analyse vorgeschlagen, die auf Elemente beider Theorien zurückgreift und die auftretenden Regularitäten aus den informationsstrukturellen Eigenschaften der Konstruktionen ableitet. Fokuspartikeln werden in den meisten Fällen als VP-Adjunkte analysiert,
Variationen in der Konstituentenabfolge kommen durch informationsstrukturgetriebene Bewegungen zustande. Kontrastfokussierung lizenziert zusätzlich – parallel zur kontrastiven Negation – die
Adjunktion an andere maximale Projektionen.
Literatur:
Bayer, J. (1996): Directionality and Logical Form. On the Scope of Focusing Particles and Wh-in-situ. Dordrecht:
Kluwer
Büring, D. & K. Hartmann (2001): The Syntax and Semantics of Focus-Sensitive Particles in German. In: Natural Language & Linguistic Theory, 19, 229 – 281
Jacobs, J. (1983): Fokus und Skalen. Zur Syntax und Semantik der Gradpartikeln im Deutschen. Tübingen: Niemeyer
Reis, M. & I. Rosengren (1997): A Modular Approach to the Grammar of Additive Particles: the Case of German Auch.
In: Journal of Semantics, 14, 237 – 309
Alexandros Tantos (Universität Konstanz): Lexical-Discourse semantics interaction--the light
verb "have"
The macro-target of discourse interpretation for computational purposes is the automatic
detection of events in a text and their ordering in a temporal scale. Asher and Lascarides' (2003)
ideas on the semantics-pragmatics interface between the lexical and discourse
level along with the logic mechanism for inferring rhetorical structure (often nonmonotonically)
proposes an interesting way of achieving this macro-target. !This talk examines the discourse
behavior of the light verb `have' in English, as in "John had his students walk out of class." and
proposes an extension of Asher and Lascarides' ideas, primarily with respect to the representation
of lexical semantics and the interaction with discourse. !Light `have' has generally been analysed
as a semantically empty, if not functional element (Ritter and Rosen 1993). !This talk argues for a
different approach to light `have'. The idea is that `have' supports the inference of discourse
relations and functions as a reliable marker for discourse interpretation. !In particular, I propose
an underspecified semantic representation (due to the ambiguity between a causative and
experiencing
reading)
and
suggest
that
accessing
this
lexical representation yields a monotonic clue for the inference of discourse relations. !Having
shown that light `have' indeed has semantic effects on discourse interpretation, I argue for
interpretation axioms that yield the full semantic effects of the light verb. !That is, the
underspecified lexical representation provides a clue for discourse interpretation (detection and
connection of events). !This in turn provides information that allows the specification of the
experiencer vs. causation readings of `have'. The analysis provides a satisfying account of the
inherent ambiguity of light `have' and provides several interesting insights into the
factors involved in modelling the interaction between discourse and lexical semantics.
Relative Akzeptabilität, Markiertheit und Grammatikalität
Ralf Vogel, Stefan Frisch, Universität Potsdam
Ausgangspunkt für die empirische Fallstudie, die wir vorstellen wollen, ist ein in der Literatur do­
kumentierter Dissens über die Akzeptabilität von freien Relativsätzen (FR) mit Kasuskonflikten im
Deutschen. Dabei geht es um Nebensätze, die für ein Argument eines Verbs stehen. Das den FR einleitende
W­Pronomen ist offenbar für die Kasus­Forderungen sowohl des Relativsatz­internen Verbs als auch des
selegierenden Verbs sensitiv. Wenn beide Kasus­Forderungen identisch sind, werden diese Sätze meistens
als unproblematisch eingestuft. Anders sieht es bei konfligierenden Kasus­Forderungen aus, wobei es
wiederum Abstufungen gibt, etwa wie in (1) angezeigt.
Nach Groos & van Riemsdijk (1981) sind (1b­d) ungrammatisch. Pittner (1991) lässt auch (1b)
gelten, und Vogel (2001) merkt an, dass viele Sprecher auch (1c) akzeptieren. Nur (1a) und (1d) sind unkon­
trovers. In beiden unklaren Fällen ist der Akkusativ nicht realisiert, aber offenbar ist dies weniger schlimm,
wenn das FR­Pronomen im Dativ steht (1b), als wenn es im Nominativ steht (1c). Pittner (1991) sieht hier
eine Kasus­Hierarchie am Werk, ähnlich wie sie schon Harbert (1983) für das Gotische und Bresnan &
Grimshaw (1978) für das Finnische beschrieben haben. Vogel (2001) löst diesen Dissens „salomonisch“
auf, indem er die drei in der Literatur proklamierten Varianten zu real exisitierenden Varianten, Deutsch A,
B und C, erklärt. Entscheidend für seine optimalitätstheoretische Rekonstruktion ist allein, dass die drei
Varianten mit möglichen Beschränkungsordnungen korreliert werden können. Dieses Vorgehen hat zwei offenkundige konzeptionelle Schwächen. Zum Einen scheinen die drei
Varianten keine geographische, soziale oder kulturelle Verankerung zu haben, und zum Anderen spricht
Einiges dafür, dass sich alle Sprecher über die relative Akzeptabilität der Beispiele in (1) einig sind. Wir
stehen vor einem Paradox: im Hinblick auf absolute Akzeptabilität finden wir drei verschiedene ‚Dialekte‘,
aber im Hinblick auf relative Akzeptabilität nur eine einzige Sprache. Die Kriterien, nach denen Informanten die Sätze bewerten, in OT­Begriffen: die Hierarchie der Mar­
kiertheitsbeschränkungen, scheinen gleich zu sein. Der Unterschied bezieht sich allein auf etwas, das man
als Toleranz von Markiertheit bezeichnen könnte. Soll man nun bei der Bestimmung einer Sprache oder
Varietät diese Toleranz zur empirischen Basis machen, und damit eine Vielzahl an Dialekten postulieren?
Oder wäre es nicht besser, nur die relativen Urteile zur Grundlage zu nehmen? Die gefundenen Varianten
des Deutschen wären dann lediglich Artefakte einer inadäquaten Sichtweise.
Da die Faktenlage bezüglich des Phänomens empirisch bislang nur unzureichend untersucht ist, haben
wir eine Reihe von experimentellen und Korpus­Studien vorgenommen. Wir stellen drei Experimente
(beschleunigte Grammatikalitätsurteile) vor, die die Kasuskonflikte Nominativ vs. Dativ, Nominativ vs.
Akkusativ und Akkusativ vs. Dativ zum Inhalt haben. Die Studien bestätigen die in (1) illustrierte
Abstufung: FR ohne Kasuskonflikt haben die höchste Akzeptabilitätswahrscheinlichkeit, es folgen FR, bei
denen der wichtigere Kasus (im Sinne von Pittners (1991) Kasushierarchie: Nom < Akk < Dat, Gen, PP)
realisiert wurde, dann solche bei denen der weniger wichtige realisiert wurde, wobei Nichtrealisierung einer
obliquen Form wie des Dativ am schlechtesten abschneidet. Diese Abstufung findet sich sowohl bei den Urteilen einzelner VPn, wie auch zwischen VPn. Mit
einem optimalitätstheoretischen Modell, bspw. Vogel (2001), lassen sich solche Resultate vorhersagen.
Wesentlich dafür ist, dass wir im Unterschied zu nicht­OT­Modellen nicht bloss ein Korrelat für
Grammatikalität haben, die Optimalität eines gewinnenden Kandidaten. Darüber hinaus unterscheiden sich
auch die gewinnenden Kandidaten in ihren Beschränkungsverletzungs­Profilen: auch wenn er grammatisch
ist, also optimal in einem OT­Wettbewerb, hat ein FR mit einem Kasuskonflikt ein schlechteres Profil als
einer ohne. Dieser Kontrast spiegelt sich in den Performanzdaten.
Will man grammatische Beschränkungen nachweisen, dann kann man sie also als Faktoren verstehen,
die dazu führen, dass zwei Strukturen (idealiter Minimalpaare, denn nur so kann ein grammatischer Faktor
unabhängig von anderen betrachtet werden) in empirischen Untersuchungen signifikant verschieden
abschneiden. Ob ein beobachteter Kontrast ein absoluter Grammatikalitätskontrast ist, ist dabei irrelevant. Das Konzept der Grammatikalität (oder auch Akzeptabilität) als entscheidendes Kriterium für die
empirische Bestimmung einer Sprache und ihrer Grammatik sollte also nicht absolut, sondern relativ
verstanden werden. Diese Auffassung hat Konsequenzen, gerade auch für die generative Grammatiktheorie.
Denn deren empirische Basis ist von jeher die Menge der grammatischen Sätze einer Sprache, die von einer
deskriptiv adäquaten Grammatik derivationell rekonstruiert werden soll.
Wie hoch in Prozenten muss die Zustimmungsrate in einem Beurteilungsexperiment für eine Struktur
sein, um sie als grammatisch zu bestimmen? Es ist unseres Erachtens prinzipiell unmöglich, eine solche
Frage mit Sicherheit zu beantworten. Das hat auch damit zu tun, dass die in einem Experiment verwendeten
Strukturen einander beeinflussen. Da ein Problem dieser Art bei jeder empirischen Methode auftritt, ist es
letztlich unmöglich, die Menge der grammatischen Sätze einer Sprache zu bestimmen. Damit hätte das
generative Programm keine empirische Basis. Da nur relative Akzeptabilität wirklich empirisch überprüfbar ist, kann absolute Akzeptabilität nur als
darauf aufbauende Idealisierung verstanden werden, die zu einem bestimmten nicht empirischen Zweck er­
folgt, bspw. dem der formalen Rekonstruktion. Genau darin besteht ja traditionell das generative Programm,
und es ist eben deshalb kein empirisches Programm. Diese Beschränkung auf formale Fragestellungen, die
die generative Grammatik lange dominiert hat, sollte u.E. revidiert werden. (1)
a. Ich lade ein wen ich treffe
[Akk] [Akk]
b. ?Ich lade ein wem ich begegne
[Akk] [Dat]
c. ??Ich lade ein wer mir begegnet
[Akk] [Nom]
d. * Ich helfe wen ich treffe
[Dat] [Akk]
Literatur
Bresnan, Joan & Jane Grimshaw (1978): „The Syntax of Free Relatives in English“, Linguistic Inquiry 9,
331­391.
Groos, Anneke & Henk van Riemsdijk (1981): „Matching Effects with Free Relatives: a Parameter of Core
Grammar“. In A. Belletti, L. Brandi & L. Rizzi, Hg. , Theories of Markedness in Generative
Grammar, Pisa: Scuola Normale Superiore di Pisa, S. 171­216.
Harbert, Wayne (1983): „On the Nature of the Matching Parameter“, The Linguistic Review 2, 237­284.
Pittner, Karin (1991): „Freie Relativsäze und die Kasushierarchie“. In: E. Feldbusch, Hg., Neue Fragen der
Linguistik, Tübingen: Niemeyer, S. 341­347.
Vogel, Ralf (2001): „Case Conflict in German Free Relative Constructions. An Optimality Theoretic
Treatment“. In G. Müller & W. Sternefeld, Hg, Competition in Syntax, Berlin: Mouton deGruyter, S.
341­375.
(491 words + references)
Where Lexical Semantics meets Spatial Description:
A framework for _klettern_ and _steigen_
Matthias Weisgerber, University of Konstanz
We want to propose a formal framework for lexically encoding manner-pathverbs. Our framework's main goal is to derive information from the
interplay between _Manner_- and _Path_-information and from the objects
involved: It uses conceptual and world knowledge, but keeps that
information separate, which leads to small lexical verb entries.
Consider, as an example, the German verbs _klettern_ and _steigen_. On the
first sight, both are equivalents of English _to climb_. However, they
differ in meaning: while _klettern_ is approximately equivalent to
_clamber_ and _climb_, _steigen_ has the meaning of _climb_, _go up_,
_ascend_ and _increase_. This seems to be a systematic difference:
(1) Das Flugzeug steigt. (The plane is climbing (go up).)
(2) Der Affe klettert. (The monkey is climbing (clamber).)
While (1) only expresses an increase of height, (2) only expresses the
manner of the monkey's movement. So far, the lexical entries would look
like in (3), where x denotes the subject and P a path, and where the
brackets denote that this information can be overwritten by other
information:
(3.a)
_steigen(x,P)_
go(x,P)
[DIRECTION: upward]
(3.b)
_klettern(x,P)_
go(x,P)
MANNER: clambering
However, not all objects can be used as subject of _klettern_ and
_steigen_:
(4) * Der Affe steigt. (the monkey is climbing (go up).)
(5) * Das Flugzeug klettert. (the plane is climbing (clamber).)
In the theory we propose, example (4) can be explained like that: x is of
type _animateObject_, therefore the _Manner_-information
[repeat(standOn(Place\subsetOf(Path)))] is added via the lexical entry
_go(x,P)_, where conceptual knowledge about moving objects is stored. Due
to the definition of _Place_ and _standOn_, there must be contact to an
object. Since no such object exists in (4), the sentence is not valid. In
(5) the Manner=clambering doesn't fit the non-animate object.
We will discuss in a similar way how information about direction influences
or changes the _Path_ entry, as well as due to the subject, the _manner_
entry changes.
Technically, our framework uses formalizations of spatial representation,
and in particular, the notions of _Path_ (investigated in various
approaches -- we only want to mention Zwarts (2003, 2004) whose formal path
algebra will be of good use here, Zee (2003), Nam (1995) and Jackendoff
(1983, 1991)) and _Surface_. This interplay of conceptual information
locates our framework at the interface between what Jackendoff (2002) calls
Conceptual Structure (CS) on the one hand and Spatial Structure (SpS)
('encoding the spaial understanding of the physical world' (ibid., p.346))
on the other. Features and mappings like _Solid(Object)_, _Surface(Object)_
and _Place(Path)_ build up the relation between conceptual knowledge and
spatial description. This seems to contradict Jackendoff's hypothesis that
'the grammatical aspects of language make reference only to CS, not o SpS'
(2002, p.348, and 1996), which we will discuss and reformulate.
--References
Jackendoff, R. S. (1983). Semantics and Cognition. Number 8 in Current
studies in linguistics series. Cambridge, Mass./London: MIT press.
Jackendoff, R. S. (1985). Multiple Subcategorization and the ThetaCriterion: The Case of CLIMB. Natural Language and Linguistic Theory 3,
271–295.
Jackendoff, R. S. (1991). Parts and boundaries. Cognition 41, 9–45.
Jackendoff, R. S. (1996). The architecture of the Linguistic-Spatial
Interface. In: Bloom et al (eds.), Language and Space. Cambridge, Mass.:
MIT Press, 1--30.
Jackendoff, R. S. (2002). Foundations of language: brain, meaning, grammar,
evolution. Oxford: Oxford Univ. Press
Nam, S. (1995, 2). The semantics of Locative Prepositional Phrases in
English. Phd dissertation, UCLA, Los Angeles.
van der Zee, E. and J. Slack (Eds.) (2003). Representing direction in
language and space. Oxford: Oxford Univ. Press.
Zwarts, J. (2003). Vectors across Spatial Domains: From palce to size,
orientation, shape, and parts. See van der Zee and Slack (2003), pp. 39–68.
Zwarts, J. (2004). Prepositional aspect and the algebra of paths. Technical
report, Utrecht Institute of Linguitics. unpublished paper, http://
www.let.uu.nl/users/Joost.Zwarts/personal/downloads.htm.
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