Phasenraumdynamik des Bose-Hubbard-Modells Diplomarbeit von Friederike Annemarie Trimborn Durchgeführt am Fachbereich Physik der Technischen Universität Kaiserslautern Unter Anleitung von Herrn apl. Prof. Dr. H. J. Korsch Kaiserslautern, Dezember 2007 ii Überblick Die Physik der kalten Atome hat im letzten Jahrzehnt sowohl theoretisch als auch experimentell große Fortschritte gemacht. Die Vorhersage und spektakuläre experimentelle Bestätigung des Superfluid-Mott-Isolator-Übergangs mithilfe von ultrakalten Atomen in einem optischen Gitter löste ein breites Interesse aus. Dieses Experiment zeigte, dass kalte Atome eine ideale Realisierungsmöglichkeit von Modellsystemen der Festkörperphysik unter nahezu perfekt kontrollierbaren experimentellen Bedingungen und mit in weiten Bereichen durchstimmbaren Parametern bieten. In dieser Arbeit studieren wir den BoseHubbard-Hamiltonoperator, welcher die Dynamik eines wechselwirkenden bosonischen Quantengases in einem tiefen optischen Gitter beschreibt. Da die Dimension des Hilbertraums es nicht erlaubt, das Vielteilchen-System für realistische Systemgrößen numerisch exakt zu simulieren, sind insbesondere Näherungen von großem Interesse. Eine bekannte Approximation ist die Gross-Pitaevskii-Gleichung (GPE), diese ist im Grenzfall großer Teilchenzahlen exakt. Zunächst werden wir daher in Kapitel 1 das dieser Arbeit zugrunde liegenden System diskutieren und die Herleitung der GPE erläutern. Formal ist der Übergang vom quantenmechanischen Vielteilchensystem zur mean-fieldBeschreibung im Rahmen der GPE analog zum klassischem Limes, in welchem man die klassische Mechanik als Grenzwert der Einteilchen-Quantenmechanik erhält. Dieser Grenzbereich führte zu der Entwicklung einer Fülle an neuen Methoden und Techniken, insbesondere auf dem Gebiet der Quantenoptik und des Quantenchaos. Einen anschaulichen Zugang bietet dabei die Einführung von Quasi-Phasenraumwahrscheinlichkeiten. In der vorliegenden Arbeit werden wir dieses Methodik auf das Vielteilchensystem übertragen, um den Grenzwert hoher Teilchenzahlen näher zu untersuchen. Dabei werden wir eine wichtige Eigenschaft des Bose-Hubbard- Hamiltonoperators ausnutzen: Die dynamische Gruppe entspricht der speziellen unitären Gruppe SU (M ) der Dimension M , wobei M der Anzahl der Potentialminima des optischen Gitters entspricht. Diese Symmetrie können wir nutzen, um in Kapitel 2 die verallgemeinerten kohärenten Zustände des Systems zu konstruieren. Neben der interessanten mathematischen Struktur weisen diese Zustände auch eine physikalische Motivation auf: So werden wir in Abschnitt 2.5.1 sehen, dass sie identisch mit Produktzuständen und damit vollständig kondensierten Zuständen sind. Instruktiv ist auch der Vergleich mit den bekannten Glauberzuständen in Abschnitt 2.6. Ausgehend von den verallgemeinerten kohärenten Zuständen, den sogenannten Blochzuständen, kann man je nach Operatorordnung eine Familie von s-parametrisierten (Quasi)-Phasenraumverteilungen definieren. Diese werden wir in Kapitel 3 einführen. iv Überblick Die zugrundeliegende Symmetrie hat jedoch noch weitere, weitreichende Folgen: Der zugehörige Parameterraum kann als klassischer Phasenraum interpretiert werden. Er ist jedoch nicht mehr eben, sondern isomorph zu einer M -dimensionalen Sphäre. Ein wichtiger Teil dieser Arbeit beschäftigt sich mit den daraus resultierenden Auswirkungen. Eine bekannte Methode, um die Dynamik näher analysieren zu können, ist die Ersetzung von Operatorgleichungen durch ein System von klassischen Differentialgleichungen. Dabei werden wir in Kapitel 4 den Formalismus der D-Algebren nutzen, um die Methodik von den Glauberzuständen auf die Mehrniveau-Blochzustände zu übertragen und exakte Evolutionsgleichungen für die Q- und P-Funktion, welche wir in Kapitel 3 eingeführt haben, herzuleiten. In Kapitel 5 werden wir die so erhaltenen Gleichungen ausführlich diskutieren und verschiedene Näherungsmethoden analysieren. So kann man die Dynamik mit Wechselwirkung näherungsweise durch eine klassische Liouvilledynamik beschreiben. Diese Methode ist analog zur truncated Wigner-Approximation. Dabei liefert die zugrundeliegende Symmetrie des Systems eine direkte Rechtfertigung dieser Approximation: Der Fehler der Trunkierung verschwindet antiproportional zur Teilchenzahl. Anders als bei der GPE erlaubt es die Liouvilledynamik, die höheren Momente des Zustands näherungsweise zu berücksichtigen. Dies löst das als Zusammenbruch der mean-field-Dynamik bekannte Problem und veranschaulicht die Ursache: Die Quasi-Phasenraumverteilung wird entlang der instabilen Mannigfaltigkeit in der Umgebung des hyperbolischen Fixpunkts der GPE auseinandergezogen. Durch die Abweichungen vom stark lokalisierten Produktzustand ist es nicht mehr möglich, die Dynamik durch die Evolution des Schwerpunkts anzunähern. Anhand des Zwei-Niveau-Systems diskutieren wir weitere mögliche Näherungen neben der Liouvilledynamik wie z.B. die Approximation durch ein Ensemble von GPE-Trajektorien und ihre jeweiligen Gültigkeitsbereiche. Erweitern wir das Bose-Hubbard System um einen effektiven Zerfallsterm, so erhalten wir einen nicht-hermitischen Hamiltonoperator. In diesem Fall ist die zugehörige mean-field Dynamik nicht mehr intuitiv klar. Auch hier werden wir sehen, dass die Phasenraumdynamik eine anschauliche Möglichkeit bietet die Dynamik näherungsweise zu beschreiben. Die resultierenden Evolutionsgleichungen, welche keine hamiltonsche Struktur mehr aufweisen, werden wir in Abschnitt 5.3 diskutieren. Die Arbeit schließt in Kapitel 6 mit einem kurzen Exkurs über die Entropie des Bose-Hubbard-Systems und einem Ausblick auf mögliche Anwendungen und weiterreichende Ideen. The truth may be out there, but the lies are inside your head. Terry Pratchett, Hogfather Inhaltsverzeichnis Überblick iii 1 Einführung des Systems 1.1 Das Bose–Hubbard Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Die Gross-Pitaevskii-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Diskussion der Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Kohärente Zustände 2.1 Flachland oder die Heisenberg-Weyl Gruppe . . . . . . . 2.2 Mehrmoden-Glauberzustände . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Allgemeiner Algorithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Kohärente Spinzustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Mehrniveau-Blochzustände . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.1 Physikalische Interpretation . . . . . . . . . . . . 2.6 Zusammenhänge zwischen Glauber- und Blochzuständen 2.6.1 Vom vierdimensionalen Raum C2 zur Blochsphäre 2.6.2 Von der Blochsphäre zum Tangentialraum . . . . 3 Quantenmechanik im Phasenraum 3.1 Die Stratonovich-Weyl-Korrespondenz . . . . . . . . . 3.1.1 Die Konstruktion des Stratonovich-Weyl-Kerns 3.2 Flachland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Die P-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Die Wigner-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Die Husimidistribution . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4 Die Bargmanndarstellung . . . . . . . . . . . . 3.3 Der sphärische Phasenraum . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Die P-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Die Wigner-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1 4 7 . . . . . . . . . 11 14 19 20 22 31 32 35 35 38 . . . . . . . . . . 41 45 48 51 52 53 56 58 58 61 61 vi INHALTSVERZEICHNIS 3.4 3.3.3 Die Husimidistribution . . . . . . . . . . . 3.3.4 Die stellare Darstellung . . . . . . . . . . . Das Bose–Hubbard Modell im Phasenraum . . . . 3.4.1 Die stellare Darstellung des Bose–Hubbard . . . . . . . . . . . . . . . Modells . . . . 4 Dynamik im Phasenraum 4.1 D-Algebren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Von Glauber- zu Blochzuständen . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Die Zeitentwicklung der Q-Funktion . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Das Zwei-Niveausystem . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Der allgemeine Fall – Das M -Niveausystem . . . . . 4.3.3 Nichthermitische Hamiltonoperatoren . . . . . . . . . 4.4 Die Dynamik der P-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Differentialalgebren für die P-Funktion . . . . . . . . 4.4.2 Zeitentwicklung der P-Funktion . . . . . . . . . . . . 4.4.3 Das M -Niveausystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Anmerkungen zur Wigner-Funktion . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Erwartungswerte und Phasenraummittel . . . . . . . . . . . 4.6.1 Erwartungswerte der Generatoren der su(M )-Algebra 5 Makroskopischer Grenzwert und Liouvilledynamik 5.1 Gültigkeitsbereich der GPE . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Liouvilledynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Quantenmechanische Phasenraumdynamik . . 5.2.2 Die Klassische Liouville-Gleichung . . . . . . . 5.2.3 Ensemble-Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.4 Vergleich der Methoden . . . . . . . . . . . . 5.3 Klassischer Limes und Zerfall . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Diskussion der Dynamik . . . . . . . . . . . . 5.4 Schlußfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 64 66 70 . . . . . . . . . . . . . 73 74 77 79 80 82 85 87 88 89 90 93 93 94 . . . . . . . . . 97 97 100 100 102 105 105 108 116 120 6 Ausblick 123 6.1 Phasenraumentropien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 6.2 Weitere Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Anhang 132 Literaturverzeichnis 132 Kapitel 1 Einführung des Systems 1.1 Das Bose–Hubbard Modell Im Jahr 1998 schlugen Jaksch et al. [1] ultrakalte bosonische Atome in optischen Gittern als mögliche Realisierung des zuvor aus der Theorie der Josephsonkontakte bekannten Bose-Hubbard Hamiltonoperators vor. Die Idee und ihre aufsehenerregende experimentelle Bestätigung von Greiner et al. [2] zeigten, dass ultrakalte Atome nahezu perfekt kontrollierbare Modellsysteme für die Festkörperphysik bieten. Dies löste größtes Interesse aus und machten das Thema innerhalb von kurzer Zeit zu einem aktiven Forschungsgebiet in der Quantenoptik. Eine gute Übersicht über Anwendungen und Ergebnisse des BoseHubbard-Systems im Bezug auf Josephsonkontakte und ein Vergleich zur Realisierung in optischen Gittern bietet der Artikel [3] und die dort genannten Referenzen. Das optische Gitter wird mithilfe von Stehwellenfeldern aus entgegengesetzt propagierenden Laserstrahlen erzeugt und kann daher durch ein periodisches Dipolpotential Vperiodic (r) dargestellt werden [4,5]. Hinzu kommt ein weiteres meist optisches oder magnetisches Fallenpotential Vtrap (r) und eventuell ein beschleunigendes Potential, welche wir zum äußeren Potential Vext (r) zusammenfassen können. Die Wechselwirkung der Bosonen untereinander wird durch das Potential Vint (|r − r0 |) beschrieben. In zweiter Quantisierung lautet damit der resultierende Hamiltonoperator 2 Z p 3 † Ĥ = d rΨ̂ (r) + Vperiodic (r) + Vext (r) Ψ̂(r) (1.1) 2M Z Z 1 3 + d r d3 r0 Ψ̂† (r)Ψ̂† (r0 )Vint (|r − r0 |)Ψ̂(r)Ψ̂(r0 ). 2 Die Feldoperatoren Ψ̂(r) und Ψ̂† (r) erfüllen dabei die Kommutatorrelation [Ψ̂(r), Ψ̂(r0 )] = δ (3) (r − r0 ). Die Periodizität des optischen Gitters legt es nahe, die Feldoperatoren Ψ̂(r) in die Wannierbasis wn , der Fouriertransformierten der Blochbasis, zu zerlegen: X Ψ̂(r) = wn (r − ri )ân,i . (1.2) n,i 2 Einführung des Systems Dabei sind die Entwicklungskoeffizienten Operatoren, Z ân,i = wn∗ (r − ri )Ψ̂(r)dr, (1.3) welche die bosonischen Vertauschungsrelationen erfüllen. Dies ermöglicht eine einfache Interpretation: Der Absteigeoperator ân,i vernichtet ein Boson im Zustand wn (r − ri ). Die Wannierfunktionen haben den Vorteil, dass sie exponentiell in den Potentialmulden lokalisiert sind, was wir in Näherungen ausnutzen können und was schlussendlich zur Diskretisierung des kontinuierlichen Systems (1.1) führt. Die single-band Näherung ist gerechtfertigt, wenn die Energieabstände zu höheren angeregten Bändern verglichen mit der thermischen Energie der Boson sehr groß sind, man annehmen kann, dass keine Bandkreuzungen vorliegen und die externen Felder hinreichend schwach sind. Dann können wir näherungsweise davon ausgehen, dass der Bandindex n eine Erhaltungsgröße der Dynamik ist und uns auf das Grundband n = 0 beschränken. Aufgrund der exponentiellen Lokalisierung der Wannierzustände ist der Überlapp zwischen nicht direkt benachbarten Potentialminima ebenfalls vernachlässigbar. Dies führt auf die tight-binding oder nearest neighbour Approximation. Als Resultat dieser Annahmen erhalten wir aus dem kontinuierlichen System (1.1) das diskrete Bose-Hubbard-System: Ĥ = M X i=1 i n̂i − ∆ M −1 X i=1 â†i âi+1 + â†i+1 âi M UX + (n̂i (n̂i − 1)) . 2 i=1 (1.4) Dabei haben wir die Definition n̂i ≡ â†i âi benutzt. Der Index i nummeriert dabei die M Potentialminima und der Parameter ∆ beschreibt die Tunnelstärke zwischen zwei benachbarten Minima |i − j| = 1 Z ~2 2 3 ∗ ∆ = − d r w (r − ri ) − ∇ + Vperiodic (r) w(r − rj ). (1.5) 2M Die Wechselwirkungsstärke Z Z Uij = d3 r0 d3 r |w(r − ri )|2 Vint (|r − r0 |)|w(r0 − rj )|2 (1.6) ist ebenso aufgrund der Lokalisierung der Wannierfunktionen nur relevant, wenn sich Bosonen im selben Minimum aufhalten, U ≡ Uii . Desweiteren definieren wir das lokale chemische Potential Z i = d3 r Vext (r)|w(r − ri )|2 , (1.7) diese Definition macht jedoch nur Sinn, wenn das äußere Potential so schwach variiert, dass es über eine Gitterperiode als konstant angesehen werden kann. Auch bei verschwindender Temperatur weist dieses System in Abhängigkeit des Verhältnisses von Wechselwirkungsstärke U und Tunnelstärke ∆ sowie des globalen chemischen Potentials im großkanonischen Ensemble ein interessantes Phasendiagramm auf [6]. 1.1. Das Bose–Hubbard Modell 3 Abbildung 1.1: Das Zwei-Mulden-Bose-Hubbard System Eine wichtige Eigenschaft des Bose-Hubbard Hamiltonoperators (1.4) ist die Teilchenzahlerhaltung [Ĥ, N̂ ] = 0. Diese zusätzliche Symmetrie kann durch eine su(M )-Algebra beschrieben werden und führt zu einer gänzlich anderen Struktur des korrespondierenden Phasenraums X als im Fall eines harmonischen Oszillators: X∼ = SU (M )/U (M − 1) ∼ = S 2(M −1) . (1.8) Der Phasenraum ist kompakt und die Dimension des Hilbertraums H ist endlich, dim H = (M + N − 1)! , N !(M − 1)! (1.9) wobei N die Teilchenzahl angibt. In der vorliegenden Arbeit werden wir diese Eigenschaften ausnutzen und ihre Konsequenzen untersuchen. Dabei gehen wir von den verallgemeinerten kohärenten Zuständen aus (Kapitel 2), mit deren Hilfe wir Quasi-Phasenraumverteilungen auf der 2(M − 1)-dimensionalen Sphäre definieren können (Kapitel 3). Neben der interessanten Struktur sind diese Zustände auch physikalisch relevant, da sie äquivalent zu den vollständig kondensierten Zuständen eines Bose-Einstein-Kondensats sind (auf diesen Punkt werden wir in Abschnitt 2.5.1 näher eingehen). Eine naheliegende Vereinfachung des Modells (1.4) ist es, zunächst nur von zwei Potentialminima auszugehen [7, 8]: U Ĥ = (n̂1 − n̂2 ) − ∆ â†1 â2 + â†2 â1 + (n̂1 (n̂1 − 1) + n̂2 (n̂2 − 1)) . 2 (1.10) In diesem Bild kann ∆ über die Höhe und Breite der Tunnelbarriere kontrolliert werden, U gibt den energetischen Unterschied zwischen der Besetzung eines Niveaus mit einem Teilchen oder mit zwei Teilchen an, und entspricht dem Unterschied der potentiellen Energien der beiden Niveaus. Dies wird in Abbildung 1.1 noch einmal anschaulich zusammengefasst. Trotz der Beschränkung der Anzahl der Niveaus weist bereits diese System interessante Eigenschaften auf, auf die wir bereits im nächsten Abschnitt kurz eingehen 4 Einführung des Systems werden und welche wir in Kapitel 5 erneut aufgreifen werden. Dieses System kann man als einzelnen Josephsonkontakt interpretieren. Die Realisierung durch zwei schwach gekoppelte Bose-Einstein-Kondenstate in einem Doppeltopfpotential erlaubt es aufgrund der räumlichen Auflösung die Besetzungen in den beiden Potentialminima direkt zu beobachten [9]. Für eine große Anzahl an Potentialminima M oder Teilchen N macht die hohe Dimension des Hilbertraums (1.9) eine exakte numerische Lösung unmöglich. Daher sind Approximationen von großem Interesse. Die bekannteste, die mean-field- oder diskrete GrossPitaevskii-Gleichung, werden wir im nächsten Abschnitt vorstellen. Ein wichtiger Punkt ist bei möglichen Näherungen ihr Gültigkeitsbereich und ihre Relation zur vollen Quantendynamik. Diese Frage wird eine zentrale Stellung in der vorliegenden Arbeit einnehmen und wir werden darauf insbesondere in Kapitel 5 ausführlich eingehen. 1.2 Die Gross-Pitaevskii-Gleichung Eine bekannte Methode, um die quantenmechanischen Operatorgleichungen durch klassische Gleichungen für die Erwartungswerte anzunähern, ist der Bogoliubov-Ansatz. Dieser geht von den Heisenberg-Bewegungsgleichungen aus und vernachlässigt Quantenfluktuationen. Im folgenden werden wir am Beispiel des in dieser Arbeit betrachteten ZweiModen-Bose-Hubbard-Systems (1.10) den Formalismus einführen um die Ergebnisse mit der Phasenraumdynamik, welche wir in Kapitel 4 herleiten werden, vergleichen zu können. Dabei benutzen wir im gesamten Abschnitt reskalierte Einheiten mit ~ = 1. Um die Erhaltung der Teilchenzahl zu verdeutlichen geht man von der Darstellung durch Vernichtungs- und Erzeugungsoperatoren zur Jordan-Schwinger-Repräsentation über und führt die Drehimpulse Jˆx = 21 â†1 â2 + â†2 â1 mittlere Phase (1.11) Jˆy = 2i â†1 â2 − â1 â†2 mittlerer Impuls (1.12) Jˆz = 12 â†2 â2 − â†1 â1 Besetzungszahldifferenz (1.13) ⇒ [Jˆi , Jˆj ] = iijk Jˆk (1.14) ein. Diese Operatoren folgen den Vertauschungsrelationen einer su(2) Algebra, bei der alle Elemente die Teilchenzahl erhalten. In dieser Darstellung vereinfacht sich der Hamiltonoperator (1.10) zu N̂ N̂ 2 ˆ ˆ ˆ Ĥ = −2∆Jx + U Jz − 2Jz + U −1 . 2 2 (1.15) Auch in der Drehimpulsalgebra kann man Auf- und Absteigeoperatoren definieren, Jˆ± ≡ Jˆx ± iJˆz ⇒ Jˆ+ = â†2 â1 und Jˆ− = â†1 â2 . (1.16) 1.2. Die Gross-Pitaevskii-Gleichung 5 Diese beschreiben anschaulich den Transfer eines Teilchens zwischen den Töpfen. Da der Casimir-Operator Ĵ2 = Jˆx2 + Jˆy2 + Jˆz2 eng mit dem Teilchenzahloperator verknüpft ist, Ĵ2 = N̂ /2(N̂ /2 + 1), kann man die Quantenzahl j = N/2 auch über den Teilchenzahl ausdrücken. Diese Darstellung in teilchenzahlerhaltenden Operatoren kann auch auf M Potentialminima erweitert werden - dies führt auf die su(M )-Algebra welche wir bei der Konstruktion der Mehrniveau-Blochzustände in Abschnitt 2.5 einführen werden. Um die Dynamik der Erwartungswerte zu berechnen gehen wir von den HeisenbergBewegungsgleichungen für die Drehimpulsoperatoren aus: dJˆx = i[Ĥ, Jˆx ] = +2Jˆy − U Jˆy Jˆz + Jˆz Jˆy dt dJˆy = i[Ĥ, Jˆy ] = −2Jˆx + 2∆Jˆz + U Jˆx Jˆz + Jˆz Jˆx dt dJˆz = i[Ĥ, Jˆz ] = −2∆Jˆy . (1.17) dt Betrachtet man die reskalierten Erwartungswerte sj ≡ hJˆj i/N und vernachlässigt die Quantenfluktuationen, hJˆj Jˆk + Jˆk Jˆj i/N 2 = 2sj sk , (1.18) das heißt lässt man die Kovarianzen der Operatoren außer acht, so erhält man anstelle der Operatorgleichungen ein System von gewöhnlichen Differentialgleichungen: ṡx = +2sy − 2U N sy sz ṡy = −2sx + 2∆sz + 2U N sx sz ṡz = −2∆sy . (1.19) Dabei ist die die Norm s2 = s2x + s2y + s2z = 1/4 eine Erhaltungsgröße. Die Dynamik spielt sich daher auf der Oberfläche einer (Bloch-)Kugel mit Radius 1/2 ab. Bricht man anstelle des ersten Moments erst nach dem zweiten Moment ab, kann man die Näherung verbessern und Korrekturen durch die Bogoliubov backreaction mitnehmen [10, 11]. Die Verallgemeinerung diese Ansatzes und der Bogoliubov backreaction Methode auf eine beliebige Anzahl an Potentialtöpfen ist in [12] beschrieben. Die so erhaltenen Bewegungsgleichungen bezeichnet man oft als klassisch, da die Gleichungen anstelle von Operatorgleichungen die Form gewöhnlicher Differentialgleichungen annehmen und eine hamiltonsche Struktur aufweisen – auf diesen Punkt werden wir bei der Diskussion der GPE-Dynamik im nächsten Abschnitt und der Liouvilledynamik in Abschnitt 5.2 noch näher eingehen. Bei einem gewöhnlichen Bogoliubov-Ansatz geht man von den Heisenberg-Bewegungsgleichungen für die Vernichtungs- und Erzeugungsoperatoren aus, h i d â1 = i Ĥ, â1 = â1 − ∆â2 + U â†1 â21 dt h i d â2 = i Ĥ, â2 = â2 − ∆â1 + U â†2 â22 , (1.20) dt 6 Einführung des Systems und betrachtet nur die Erwartungswerte hâj i ≡ die Quantenfluktuationen vernachlässigt: √ N xj , wobei man wie oben beschrieben 3 hâ†j â2j i ≈ hâ†j âj ihâj i = N 2 |xj |2 xj . (1.21) Dabei entspricht die Parametrisierung über die komplexen Parameter x1 , x2 mit der Normierung x∗1 x1 +x∗2 x2 = 1 den komplexen Amplituden der Niveaus. Diese Parametrisierung werden wir auch in den folgenden Kapiteln nutzen. Dieser Ansatz führt zu der diskreten Gross-Pitaevskii-Gleichung (GPE) ! ! ! x1 x1 + U N |x1 |2 −∆ d (1.22) i = . dt x2 −∆ − + U N |x2 |2 x2 In dem hier betrachteten Fall enthält die dynamische Gruppe jedoch nur Operatoren, welche die Teilchenzahl erhalten. Betrachten wir daher ein System mit fester Teilchenzahl verschwinden die Erwartungswerte der Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren und die √ Definition 0 = hâj i ≡ N xj führt nicht mehr zu einer physikalisch sinnvoll motivierten Parametrisierung. Dennoch ist das Ergebnis, die diskrete GPE, äquivalent zur der oben beschriebenen Herangehensweise über die Generatoren der su(2)-Algebra, wie man mithilfe der Transformation 1 sx = (x∗1 x2 + x∗2 x1 ) , 2 i sy = (x∗1 x2 − x∗2 x1 ) , 2 1 ∗ (1.23) sz = (x2 x2 − x∗1 x1 ) 2 überprüfen kann. Alternativ kann man auch eine Darstellung über die beiden Winkel (0 ≤ θ ≤ π, 0 ≤ φ < 2π) wählen, welche die Bewegung auf der Blochkugel beschreiben: sin θ cos φ 1 s = sin θ sin φ . (1.24) 2 − cos θ Diese Darstellung ermöglicht es, den Phasenraum nicht nur als Kugeloberfläche im dreidimensionalen Raum darzustellen, sondern eine Mercatorprojektion, wie in der Kartographie üblich, zu verwenden. Zerlegt man die komplexen Parameter x1 , x2 in die Quadrate der Amplituden p1 , p2 = 1 − p1 und die relative Phase zwischen den beiden Niveaus q2 , θ θ √ x2 = p2 e−iq2 = sin e−iφ p1 = cos , 2 2 so ergibt sich der Zusammenhang √ sx = p1 p2 cos q2 , √ sy = p1 p2 sin q2 , 1 1 sz = (p2 − p1 ) = p2 − . 2 2 x1 = √ 2 ≤ i ≤ M, (1.25) (1.26) 1.2. Die Gross-Pitaevskii-Gleichung 7 Dies führt zu der Zeitentwicklung der Parameter √ ṗ2 = −ṗ1 = −2∆ p1 p2 sin q2 p1 − p2 cos q2 . q̇2 = −2 − U N (p1 − p2 ) − ∆ √ p1 p2 (1.27) Die Dynamik, welche durch die Gleichungen (1.27), (1.22) oder (1.19) beschrieben wird, ist identisch. Im nächsten Abschnitt werden wir ihre wesentlichen Eigenschaften kurz diskutieren. 1.2.1 Diskussion der Dynamik Die Dynamik der GPE-Gleichung (1.27) besitzt eine hamiltonsche Strukur, d.h. sie folgt aus den kanonischen Gleichungen ṗ2 = − ∂H ∂q2 und q̇2 = ∂H , ∂p2 (1.28) wenn man die klassische Hamiltonfunktion als H(p2 , q2 ) = −2p2 + p UN (1 − 2p2 )2 − 2∆ p2 (1 − p2 ) cos q2 4 (1.29) definiert. Betrachten wir zunächst den Fall ohne Versatz in der potentiellen Energie, = 0. Dabei gibt es zwei Regime, die in Abbildung 1.2 exemplarisch dargestellt sind. Im unterkritischen Fall |U N | < 2|∆| dominiert der Tunneleffekt zwischen den Niveaus über die von der Wechselwirkung verursachten Effekte. Dann hat das System zwei elliptische Fixpunkte auf dem Äquator p1 = p2 = 1 2 und q2 = 0 bzw. q2 = π. (1.30) Diese entsprechen der symmetrischen und anti-symmetrischen Überlagerung der beiden möglichen Zustände mit vollständiger Besetzung in einem Topf. Dies kann man anschaulich verstehen, wenn man die Analogie zum Josephson-Effekt benutzt. Diese werden wir auch bei der Analyse des effektiv nicht-hermitischen Systems in Abschnitt 5.3 benutzen. Der Tunnelstrom zwischen den Niveaus √ IJosephson = 2∆ p1 p2 sin q2 , (1.31) hängt neben der Tunnelstärke ∆ vom Besetzungsverhältnis und vom Phasenunterschied q2 ab und verschwindet genau in den oben angegebenen Fixpunkten. Im allgemeinen oszilliert die Besetzung zwischen den beiden Niveaus und für q2 = π/2 bzw. q2 = 3π/2 findet sogar ein vollständiger Besetzungstransfer statt. Diese Bewegungsformen oder Moden bezeichnet man als Rabi- oder Josephson-Oszillationen. 8 Einführung des Systems Abbildung 1.2: GPE-Dynamik des Bose-Hubbard Systems ohne Wechselwirkung, U N = 0, (links) im Vergleich zu starker Wechselwirkung, U N = 10, (rechts). In beiden Beispielen beträgt die Tunnelstärke ∆ = 1 und es liegt kein Energieunterschied zwischen den Niveaus vor, = 0). Die Wechselwirkung führt einen nichtlinearen Term ein, der die Fixpunkte und JosephsOszillationen mit steigender Wechselwirkung 0 < |U N | < 2|∆| verformt bis einer der elliptischen Fixpunkte für |U N | = 2|∆| schließlich in einen hyperbolischen und zwei neue elliptische Fixpunkte bifurkiert. Dies kann topologisch erklärt werden, da die Anzahl der Extrempunkte (entsprechend den elliptischen Fixpunkten) abzüglich der Sattelpunkte (in diesem Fall der neu entstandene hyperbolische Fixpunkt) einer Hamiltonfunktion eine topologische Invariante, die sogenannte Eulercharakteristik darstellt [13]. Die neu entstandenen Bahnen führen zum self-trapping, das heißt zu Moden mit nicht verschwindender Besetzungsdifferenz, bei denen nur ein sehr kleiner Anteil der Besetzung zwischen den Niveaus oszilliert. Dabei kann man nochmals zwischen Bahnen mit kontinuierlich anwachsender Phasendifferenz, ähnlich wie Rotorbahnen eines Pendels und Bahnen um die neuen elliptischen Fixpunkte mit nahezu fester Phasenbeziehung, den sogenannten Pi-Oszillationen, unterscheiden. Die nichtlineare Wechselwirkung stabilisiert einen Teil der Besetzung, welcher daher nicht mehr für den Stromfluss zur Verfügung steht. Für den Fall ohne Wechselwirkung beschreibt die GPE die Dynamik der Erwartungswerte exakt. Mit Wechselwirkung ist es sehr schwierig den Fehler, den man bei der Vernachlässigung der höheren Momente des Zustands (1.18) gemacht hat, abzuschätzen ohne die exakte Quantendynamik zu kennen. Es ist wohlbekannt, dass die Näherung im Grenzwert hoher Teilchenzahlen N bei fester makroskopischer Wechselwirkungsstärke g ≡ U N gegen die exakte Lösung konvergiert. Für einen Produktzustand verschwindet der Fehler wie O(1/N ), man kann jedoch im allgemeinen nicht davon ausgehen, dass der Zustand seine Form unter der Dynamik behält. Bei endlichen Teilchenzahlen weicht die Quantendynamik insbesondere in der Umgebung der klassich instabilen Fixpunkte stark von der GPE ab. Man spricht vom Zusammenbruch der mean-field-Näherung [11, 14, 15]. Inter- 1.2. Die Gross-Pitaevskii-Gleichung 9 essant ist auch zu bemerken, dass selbst für ein einziges Teilchen der Wechselwirkungsterm in der GPE nicht verschwindet - ein Hinweis auf zu erwartende Abweichungen bei kleinen Teilchenzahlen. Formal ist die Beziehung zwischen der Vielteilchen-Quantendynamik und der GPE-Gleichung äquivalent zum klassischen Limes, welcher den Übergang zwischen Ein-TeilchenQuantenmechanik und der klassischen Mechanik beschreibt. Die Rolle des Ordnungsparameters ~ spielt dabei die Teilchenzahl 1/N . Im Laufe der Arbeit werden wir sehen, dass daher die Methodik der Quasi-Phasenraumdistributionen auch in diesem Fall gute Dienste bei der Analyse des Übergangs leistet. Zudem werden wir zeigen, dass die verallgemeinerten kohärenten Zustände für die su(M )-Algebra äquivalent zu den vollständig kondensierten Zuständen sind und daher eine natürliche physikalisch motivierte Basis für die Analyse des Problems und die Definition der Phasenraumdistributionen darstellen. 10 Einführung des Systems Kapitel 2 Kohärente Zustände Kohärente Zustände sind von fundamentalem Interesse in der Quantenmechanik und insbesondere in der Quantenoptik. Der Parameterraum der kohärenten Zustände kann als klassischer Phasenraum interpretiert werden. Damit stellt der Erwartungswert des Dichteoperators ρ̂ in kohärenten Zuständen |αi, Q(α) = hα|ρ̂|αi, (2.1) ein quantenmechanisches Analogon zur klassischen Phasenraumverteilung dar. Diese sogenannte Husimi- oder Q-Verteilung wird in den folgenden Kapiteln eine zentrale Rolle spielen, weshalb wir in Kapitel 3 näher auf sie und ihre Alternativen eingehen werden. Entdeckt und beschrieben wurden die kohärenten Zustände für den mechanischen harmonischen Oszillator bereits 1926 von Schrödinger, der in dem Artikel Der stetige Übergang von der Mikro- zur Makromechanik [16] ihre Zeitentwicklung beschrieb. Hierbei folgen die Erwartungswerte des Ortes und des Impulses für den quantenmechanischen harmonischen Oszillator den klassischen Bewegungsgleichungen, wobei die Unschärfe der klassisch kanonisch konjugierten Variablen jeweils erhalten bleibt. Aufgrund dieser charakteristischen Eigenschaft werden die kohärenten Zustände oft auch als die klassischsten Zustände der Quantenmechanik bezeichnet und die Q-Funktion erweist sich als exzellente Möglichkeit, klassische Mechanik und Quantenmechanik miteinander zu vergleichen (siehe zum Beispiel [17–20]). Wie wir noch lernen werden, entsprechen die kohärenten Zustände für den Fall eines Bose-Einstein-Kondensats mit fester Teilchenzahl N in einem optischen Gitter mit M Gitterplätzen gerade den vollständig kondensierten Zuständen. Abweichungen von diesen begrenzen den Gültigkeitsbereich der mean-field Näherung. Die Q-Funktion, welche gerade der Projektion des Zustands auf kohärente Zustände entspricht, ist daher auch im Rahmen der zweiten Quantisierung ein anschauliches Mittel um die Vielteilchendynamik zu verstehen. Selbst unter dem Einfluss von Dekohärenzeffekten bleiben die kohärenten Zustände stabil [21] und stellen damit die am längsten beobachtbaren, und damit also klassisch messbaren, quantenmechanischen Zustände dar. Trotz dieser Eigenschaften dauerte es nach Veröffentlichung der Arbeit von Schrödinger über dreißig Jahre, bis Glauber 1963 die kohärenten Zustände im Kontext von Feldoszillatoren, quantisierten elektromagnetischen Feldern, neuendeckte und wiederbelebte [22,23]. 12 Kohärente Zustände Abbildung 2.1: Husimiverteilung Q(α) = |hα0 |αi|2 des Vakuumgrundzustands |α0 i = |0i (links) und des Zustands |α0 = 5 − 3ii = D̂(5 − 3i) |0i (rechts) in reskalierten Einheiten ~ = m = ω = 1. Als Eigenzustände der Korrelations- (oder Kohärenz-) funktion erlauben sie gleichzeitig ein wohldefiniertes magnetisches und elektrisches Feld analog zur minimalen Unschärfe in Ort und Impuls im mechanischen Fall. Für eine ausführliche Diskussion sei auf [24] verwiesen. Nach Glauber gibt es drei äquivalente Möglichkeiten, kohärente Zustände |αi für den harmonischen Oszillator Ĥ = ~ω(↠â + 21 ) zu definieren: • Als Eigenzustände des Vernichtungsoperators â zum Eigenwert α â |αi = α |αi 1 â = √ (mω q̂ + ip̂) 2m~ω (2.2) (2.3) • Als Zustände minimaler Unschärfe in den kanonisch konjugierten Variablen: gequetschte Zustände: kohärente Zustände: 2 ~ (∆p) (∆q) = 2 2 (∆p) ~ = mω(∆q)2 = mω 2 2 2 (2.4) (2.5) • Durch Anwendung des Verschiebeoperators D̂(α) auf den Vakuumgrundzustand des harmonischen Oszillators |αi = D̂(α) |0i mit D̂(α) = eαâ † −α∗ â i = e− ~ (ξp̂−ηq̂) (2.6) – dabei gibt der komplexe Parameter α = (2m~ω)−1/2 (mωξ + iη) die Verschiebung im Phasenraum um (ξ, η) in (q, p)-Richtung an. Ein Beispiel zur Illustration dieser Definition zeigt Abbildung 2.1. 13 Nun sind bei weitem nicht alle physikalischen Systeme durch harmonische Oszillatoren beschreibbar. Die oben genannten Definitionen sind jedoch nur bedingt auf andere physikalische Problemstellungen übertragbar. So existieren in Hilberträumen endlicher Dimension keine Eigenfunktionen des Vernichtungsoperators (2.2). Selbst in unendlich dimensionalen Hilberträumen ist die Diagonalisierung eines nicht-kompakten, nicht-hermitischen Operators wie dem Vernichtungsoperator â keine triviale Aufgabe [25]. Auch die Definition über die Bedingung minimaler Unschärfe (2.4) lässt sich nur schwer verallgemeinern. Dieser Ansatz führt zu den sogenannten intelligent states [26, 27], welche jedoch nur für klassisch integrable Systeme mit kanonisch konjugierten Variablen existieren, so dass die Hamiltonfunktion eine quadratische Form annimmt. Neben Problemen formaler Art, wie beispielsweise Unvollständigkeit als Basis, behalten diese Zustände bei einer in den Erzeugern der dynamischen Gruppe linearen Zeitentwicklung ihre charakteristische Eigenschaft, die minimale Unschärfe, nicht notwendigerweise bei. Bleibt also die Interpretation der kohärenten Zustände als Translationen des Grundzustands im Phasenraum. Ausgehend von dieser Definition (2.6) und nach Vorarbeiten von Klauder [28, 29] verallgemeinerten Perelomov [30] und Gilmore [31, 32] schließlich 1972 das Konzept der kohärenten Zustände auf Systeme mit beliebigen dynamischen Gruppen und damit unterschiedlichsten Phasenraumtopologien. Ihr gruppentheoretischer Ansatz beruht dabei auf der algebraischen Struktur des Hamiltonoperators und des zugehörigen Hilbertraums, die zusammen die Dynamik des Systems vollständig festlegen. Der Ansatz liefert gleichzeitig interessante geometrische Eigenschaften, sowie eine klassische Zeitevolution, d.h. ein kohärenter Anfangszustand bleibt kohärent und bewegt sich analog zu einer klassischen Trajektorie, wenn der Hamiltonoperator linear in den Elementen der dynamischen Gruppe ist. Eine ausführliche Einführung in die in dieser Arbeit benutzten gruppentheoretischen und algebraischen Konzepte findet sich zum Beispiel in [33]. Der mathematisch interessierte Leser sei auf das Buch von Perelomov hingewiesen [30]. Wir werden im folgenden der Argumentation von Gilmore [34] folgen. Auch wenn sich die grundlegenden Ideen der beiden Arbeiten ähneln, unterscheiden sich die mathematischen Forderungen an den zugrundeliegenden Hilbertraum und die dynamische Gruppe – darauf werden wir später kurz eingehen. Nun leiten wir zunächst die wohlbekannten kohärenten Zustände des harmonischen Oszillators und ihre Eigenschaften gruppentheoretisch her, um die Herangehensweise zu illustrieren. Danach werden wir diese auf den Fall mehrere Moden verallgemeinern und es werden einige Erläuterungen zur allgemeinen Konstruktion von kohärenten Zuständen folgen. In der vorliegenden Arbeit spielt eine andere dynamische Gruppe, die Liegruppe SU (2), die Hauptrolle. Auf diese werden wir also gesondert eingehen. Anders als beim harmonischen Oszillator ist der Phasenraum hier kompakt und die Dimension des zugehörigen Hilbertraums endlich. Auch wird sich zeigen, dass der Raum der kohärenten Zustände nicht mehr durch einen Punkt in der komplexen Ebene beschrieben werden kann, sondern topologisch äquivalent zur (Bloch-) Kugel ist. Um Verwirrung zu vermeiden, werden im Folgenden die kohärenten Zustände des harmonischen Oszillators als Glauberzustände und 14 Kohärente Zustände die SU (2)-kohärenten Zustände als Blochzustände 1 bezeichnet. Auch die Blochzustände werden wir auf den Fall mehrerer Niveaus erweitern. Die Analyse möglicher Übergänge zwischen den unterschiedlichen Phasenräumen gibt einen instruktiven Einblick in die Zusammenhänge zwischen den Zuständen – daher wird dieses Kapitel damit abschließen. 2.1 Flachland oder die Heisenberg-Weyl Gruppe Der Hamiltonoperator, der die Wechselwirkung eines atomaren Systems mit einem elektromagnetischen Feld beschreibt, X X X λk,l (l) (l) √ Ĥ = ~ωk â†k âk + l σ̂z(l) + σ̂+ âk + σ̂− â†k , (2.7) N k l k,l ist ein wohlbekanntes Modellsystem der Quantenoptik. Dabei gibt ~ωk die Energie der kten Feldmode und λk,l die Kopplungskonstanten zwischen dem atomaren System und dem elektromagnetischen Feld an. Normalerweise nimmt man an, dass die Kopplungsterme konstant sind λk,l ≡ λ. Eine weitere Annahme ist die Beschreibung der l = 1, ..., N Atome als Zwei-Niveausysteme, so dass ihre dynamischen Variablen gerade die Spinoperatoren (l) (l) (l) (l) {σ̂z , σ̂+ , σ̂− } sind. Der Term σ̂+ âk beschreibt also die Anregung des Atoms l durch Absorption eines Photons der k-ten Mode des elektromagnetischen Feldes und der Term (l) σ̂− â†k den Übergang des Atoms aus dem angeregten Zustand in den Grundzustand durch Emission eines Photons. Der Parameter l gibt die Anregungsenergie des l-ten Atoms an. Im Fall eines einzelnen Atoms und einer einzelnen Feldmode ist der Hamiltonoperator (2.7) unter dem Namen Jaynes-Cummings-Modell bekannt (siehe z.B. [35]). Geht man jedoch von einer großen Anzahl an Atomen aus, kann man das atomare System als eine klassische Quelle betrachten. Das heißt, wir Pkönnen die Spinoperatoren durch ihre Erwartungswerte ersetzen und definieren λk (t) = l √λklN hσ̂+ i. Damit zerfällt der Hamiltonoperator in einen Anteil Ĥ0 , der das freie Feld beschreibt, und einen Anteil ĤWW , der die Wechselwirkung mit dem atomaren System angibt: X X λ X (l) (l) † † hl σ̂z(l) i Ĥ = ~ωk âk âk + √ hσ̂+ iâk + hσ̂− iâk + N k,l k l X X = ~ωk â†k âk + λk (t)â†k + λ∗k (t)âk + Konstante k k = Ĥ0 + ĤWW + Konstante. (2.8) Die explizite Form des Hamiltonoperators (2.7) dient hier jedoch nur zur Illustration der Herangehensweise. Dieser Hamiltonoperator war der Ausgangspunkt für die Formulierung der Theorie der quantisierten elektromagnetischen Felder und die Definition der kohärenten Zustände in den Arbeiten von Glauber [22, 23]. Wichtig für die Definition der Glauberzustände sind jedoch nur die folgenden drei Eigenschaften des Hamiltonoperators: 1 Diese dürfen nicht mit den Eigenzuständen eines Hamiltonoperators mit periodischem Potential verwechselt werden. 2.1. Flachland oder die Heisenberg-Weyl Gruppe 15 • Die algebraische n Struktur o Die Operatoren â, ↠, n̂ = ↠â, Iˆ spannen mit den Kommutatorrelationen [â, ↠] = Iˆ ˆ =0 [↠, I] [n̂, ↠] = ↠[n̂, â] = −â ˆ =0 [â, I] ˆ =0 [n̂, I] (2.9) eine abgeschlossene Liealgebra h4 auf. Abgeschlossen bedeutet hierbei, dass der Kommutator zweier Elemente der Algebra wieder ein Element der Algebra ergibt. Die zugehörige Liegruppe ist die Heisenberg-Weyl-Gruppe H4 [36]. Die Elemente der Gruppe können mithilfe des komplexen Parameters α ∈ C und der reellen Parameter δ, φ ∈ R wie folgt dargestellt werden: ˆ ei(δn̂+φI) eαâ † −α∗ â ∈ H4 . (2.10) In der mathematischen Literatur findet sich oft auch die Liealgebra h3 , die nur ˆ aufgespannt wird. Die Darstellung der zugehörigen von den Elementen {â, ↠, I} Liegruppe benötigt einen reellen Parameter weniger, ˆ eiφI eαâ † −α∗ â ∈ H3 , (2.11) und ist daher isomorph zur Restklasse H4 /U (1), wobei U (1) für die unitäre Gruppe der Dimension 1 steht. Wir wählen für das weitere Vorgehen zunächst die Liegruppe H4 , werden jedoch sehen, dass diese Wahl keinen wesentlichen Einfluss auf die Struktur der kohärenten Zustände hat. • Der Hilbertraum Eine mögliche vollständige Basis des Hilbertraums sind die orthogonalen Fockzustände {|0i , |1i , |2i , ..., |ni , ...}, die Eigenzustände des Anzahloperators, für die gilt n̂ |ni = n |ni und (↠)n |ni = √ |0i . n! (2.12) Die Wirkung des Auf- und Absteigeoperators auf einen Fockzustand ist gerade durch √ √ â |ni = n |n − 1i ↠|ni = n + 1 |n + 1i (2.13) gegeben. • Ein extremaler Zustand Die Eigenzustände des nicht-wechselwirkenden Operators Ĥ0 sind gerade die Fockzustände (2.12), der Zustand minimaler Energie ist hier also der Vakuumgrundzustand |n = 0i. Dieser wird im Folgenden als extremaler Zustand bezeichnet, die Verallgemeinerung wird in den nächsten Abschnitten erläutert. Obwohl die Wahl des extremalen Zustands beliebig ist, hängt von ihr sowohl die Struktur der kohärenten Zustände, als auch die Struktur des äquivalenten Phasenraums ab. Wie wir sehen werden ist der hier gewählte Zustand nicht nur historisch, sondern auch zweckmässig. In Abschnitt 2.3 werden wir allgemeine Kriterien zur Wahl des extremalen Zustands erläutern. Diese werden beim Vergleich mit den Blochzuständen nochmals illustriert. 16 Kohärente Zustände Die Stabilitäts-Untergruppe ist definiert als die Gruppe der Operatoren, die den extremalen Zustand bis auf eine Phase invariant lassen. Im Fall der Heisenberg-Weyl Gruppe ˆ erzeugt ist dies gerade die Gruppe U (1) ⊗ U (1), die von den beiden Operatoren {n̂, I} wird. Die Stabilitätsuntergruppe besteht also aus allen Operatoren der Form ˆ ĥ = ei(δn̂+φI) 0 ≤ δ, φ < 2π, mit (2.14) so dass ĥ |0i = eiφ |0i gilt. Die kohärenten Zustände erhält man nun durch Anwendung eines Operators aus der Restklasse, hier also einem Element aus H4 /U (1) ⊗ U (1) ' H3 /U (1), auf den extremalen Zustand. Dies zeigt, dass die Wahl der Gruppe, H4 oder H3 unerheblich ist, da die Restklassen isomorph sind. Ein typischer, uns bereits bekannter Vertreter der Restklasse ist der Verschiebeoperator (2.6) mit dem komplexen kontinuierlichen Parameter α ∈ C. Diesen kann man umformen, D̂(α) = eαâ † −α∗ â 1 ∗ ∗ † = e 2 αα e−α â eαâ 1 ∗ † ∗ = e− 2 αα e−αâ e−α â , (2.15) wobei wir das Baker-Campell-Hausdorff-(BCH)-Theorem benutzt haben. Dieses besagt, dass man die Exponentialfunktion eÂ+B̂ zerlegen kann, 1 eÂ+B̂ = e eB̂ e− 2 [Â,B̂] , (2.16) wenn der Kommutator [Â, B̂] zweier Operatoren Â, B̂ mit diesen kommutiert. Der Beweis der allgemeinen BCH-Formel nützt die Eigenschaften der Liegruppe aus und gilt daher für beliebige Liegruppen, er findet sich z.B. in [33]. Nun kann man jedes Element ĝ ∈ H4 eindeutig in eine Verknüpfung zwischen einem Element der Restklasse D̂ ∈ H4 /U (1) ⊗ U (1) und einem Stabilitätsgruppenelement ĥ ∈ U (1) ⊗ U (1) zerlegen. Wendet man dieses auf den extremalen Zustand an, ĝ |0i = D̂(α)ĥ |0i = D̂(α) |0i eiφ = |αi eiφ , (2.17) so hat man einen kohärenten Zustand |αi erzeugt, analog zu Glaubers Definition (2.6). Der Parameter α liefert nun eine bijektive stetige Abbildung zwischen dem Raum der kohärenten Zustände und der komplexen Ebene, die dem reskalierten Phasenraum (ω = ~ = m = 1) über die Transformation α = √12 (q + ip) entspricht. Daraus wiederum kann man Rückschlüsse auf die Metrik der Restklasse ziehen. Eine Gruppentransformation D̂(β) ∈ H4 /U (1) ⊗ U (1) angewendet auf einen kohärenten Zustand |αi bewirkt eine erneute Verschiebung D̂(β) |αi = |α + βi eiψ , ψ = Im(βα∗ ). (2.18) Also ist der Phasenraum X ≡ H4 /U (1) ⊗ U (1) isomorph zu C ∼ = R × R, dem ebenen ∗ 2 Raum mit diagonaler Metrik dµ(α) = 1/πdαdα ≡ 1/πd α. Diese wird später für die Phasenraumdarstellungen wichtig werden. Mathematisch kann man zeigen, dass jeder 2.1. Flachland oder die Heisenberg-Weyl Gruppe 17 komplexe Raum mit einer expliziten Metrik eine symplektische Struktur besitzt [37]. Diese ist hier gerade über die Transformation 1 α = √ (q + ip) 2 1 α∗ = √ (q − ip) 2 (2.19) von komplexen zu reskalierten Phasenraumparametern gegeben und liefert die bekannte klassische Phasenraumstruktur mit der Poisson-Klammer ∂f ∂g ∂g ∂f − ∂q ∂p ∂q ∂p {f, g} = (2.20) für ganze, auf dem gesamten Phasenraum definierte Funktionen f, g. Die Eigenschaften der Glauberzustände sind wohlbekannt, sie werden werden hier nur kurz wiederholt, um sie später mit den Eigenschaften der Blochzustände vergleichen zu können. Die kohärenten Zustände |αi sind normiert, jedoch nicht orthogonal, hα|βi = eα ∗ β− 1 (α∗ α+β ∗ β) 2 |hα|βi|2 = e−|α−β| 2 =⇒ |hα|αi| = 1. (2.21) Sie bilden eine übervollständige Basis, damit ist die Zerlegung des Einheitsoperators Z dα2 ˆ I = |αi hα| (2.22) π nicht eindeutig. Die hier angegebene Zerlegung ist die gebräuchlichste und wird sich im Folgenden als hilfreich erweisen. Nützlich ist auch die Darstellung der kohärenten Zustände in der Fockbasis (2.12): |αi = D(α) |0i ∞ X 1 (α↠)n 2 = e− 2 |α| |0i n! n=0 − 12 |α|2 = e ∞ X αn √ |ni . n! n=0 (2.23) P Jeder beliebige normierte Zustand |ψi = n cn |ni läßt sich unter Verwendung von Gleichung (2.22) in der Basis der kohärenten Zustände darstellen: Z |α|2 dα2 |ψi = ψ(α∗ )e− 2 |αi , (2.24) π wobei die analytische Funktion ψ(α∗ ) durch ψ(α∗ ) = hα|ψie |α|2 2 = X n (α∗ )n cn √ n! (2.25) 18 Kohärente Zustände gegeben ist. Diese Funktion ψ(α∗ ) entspricht gerade der Bargmann-Darstellung der Wellenfunktion [38, 39], einer Formulierung der Quantenmechanik mithilfe von ganzen Funktionen, die in engem Zusammenhang mit der Husimi-Distribution steht. Daher werden wir in Kapitel 3 noch näher auf sie eingehen. Der in Gleichung (2.24) eingeführte Faktor exp (−|α|2 /2) garantiert dabei die Quadratintegrabilität der Bargmann-Funktionen. Die Glauberzustände erfüllen für den Orts- und den Impulsoperator, r r ~ m~ω † † q̂ = (â + â) p̂ = i (â − â) (2.26) 2mω 2 die Bedingung minimaler Unschärfe: r ~ ∆q = 2mω ⇒ r ∆p = m~ω 2 ∆p∆q = ~2 . (2.27) Damit kommen die kohärenten Zustände dem quantenmechanischen Analogon eines Punktes im klassischen Phasenraum am nächsten. Diese Definitionen können auf asymmetrische Varianzen erweitert werden, d.h. Zustände, die die minimale Unschärfebedingung erfüllen, aber eine geringere Varianz in einer Größe aufweisen. Dies wird durch eine größere Unschärfe in der zweiten kompensiert. Die Erzeugung und Anwendung dieser sogenannten squeezed states oder gequetschten Zustände ist ein breites Forschungsgebiet, eine gute Einführung und erste Übersicht findet sich z.B. in [35]. Auch das charakteristische Verhalten der Zeitentwicklung eines kohärenten Anfangszustands |α0 i unter einem in den Generatoren der Liealgebra linearen Hamiltonoperator wie zum Beispiel dem quantenmechanischen harmonischen Oszillator Ĥ = ~ω↠â lässt sich mithilfe von Gleichung (2.23) leicht zeigen, i |α0 i (t) = e− ~ Ĥt |α0 i ∞ X αn √ 0 |ni n! n=0 ∞ X (α0 e−iωt )n 1 i 2 √ = e− 2 ωt e− 2 |α0 | |ni n! n=0 i 1 = e− ~ Ĥt e− 2 |α0 | i = e− 2 ωt |αt i 2 mit αt = α0 e−iωt , (2.28) da sich der Betrag des Eigenwerts |α0 |2 = |αt |2 zeitlich nicht ändert. Für die Zeitabhängigkeit der physikalischen Größen, dem Ort und dem Impuls, ergibt sich r 2 Re(α0 ) cos(ωt) hqit = mω √ hpit = 2mω Im(α0 ) sin(ωt). (2.29) Die Erwartungswerte verhalten sich damit wie die klassischen Größen und die Dynamik eines kohärenten Zustands im Phasenraum folgt der klassischen Dynamik, wie in Abbildung (2.2) schematisch dargestellt ist. 2.2. Mehrmoden-Glauberzustände 19 Abbildung 2.2: Die zeitliche Entwicklung eines kohärenten Zustands in der QDarstellung folgt der klassischen Bahn (blau), hier für m = ω = ~ = 1. Die Wahrscheinlichkeit, n Teilchen oder Quanten in einem kohärenten Zustand zu beobachten, ist gegeben durch 2 e−|α| |α|2 Pα (n) = |hn|αi| = , n! 2 (2.30) und ist daher um den Mittelwert |α|2 poissonverteilt. Im Unterschied hierzu gilt für den Erwartungswert der Teilchenzahl und die Varianz der Teilchenzahl in den Fockzuständen hn̂i = n 6= ∆n̂ = 0, (2.31) bei der Messung eines Fockzustands ergäbe sich daher eine Sub-Poisson-Statistik. 2.2 Mehrmoden-Glauberzustände Betrachtet man anstelle einer einzigen harmonischen Oszillatormode ein System von M unabhängigen Oszillatormoden mit gleicher Oszillatorfrequenz ωi = ω, wobei jede durch einen Erzeugungs- und Vernichtungsoperator â†i , âi beschrieben wird, so spannen ˆ mit i ∈ {1, 2, . . . , M } eine Liealgebra mit den Komdie Operatoren {â†i , âi , n̂i ≡ â†i âi , I} mutatorregeln âi , âk = 0 = â†i , â†k , n̂i , n̂k = 0 = n̂i , Iˆ , ˆ ik , âi , Iˆ = 0 = â†i , Iˆ , âi , â†k = Iδ n̂i , â†k = â†k δki , n̂i , âk = −âk δki (2.32) 20 Kohärente Zustände auf. Da man diese in eine direkte Summe von Einzelmodenalgebren, entsprechend den bereits bekannten Heisenberg-Weyl Algebren h4 , zerlegen kann, erhält man die MehrmodenGlauberzustände als direkte Produkte der Glauberzustände der einzelnen Moden: |αi = M Y |αi i = i=1 ∗ − α2α = e M Y i=1 ∞ ∞ XX n1 † ∗ eαi âi −αi âi |0i ··· n2 ∞ nM X α1n1 α2n2 · · · αM 1 nM (n1 !n2 ! · · · nm !) 2 |n1 , n2 , . . . , nM i . (2.33) Dabei gibt |0i nun den Vakuumgrundzustand in M Moden an und |n1 , n2 , . . . , nM i entspricht der Erweiterung der Fockzustände auf M Moden mit Besetzungszahlen ni . Der Vektor α enthält in jeder Komponente den Phasenraumparameter αi der i-ten Mode. Da sich die Mehrmoden-Glauberzustände so leicht in die Glauberzustände der einzelnen Moden faktorisieren lassen, kann man alle in den vorherigen Kapiteln diskutierten Eigenschaften ohne Mühe übertragen. Wie wir sehen werden, gilt diese Eigenschaft für den Zusammenhang zwischen den Mehrniveau- und den Zweiniveau-Blochzuständen nicht, was insbesondere die Berechnung der Zeitevolution der Q-Distribution erschwert. Wir werden daher in Kapitel 4 auf hier eingeführten Mehrmoden-Glauberzustände zurückgreifen und die am Ende dieses Kapitels diskutierten Zusammenhänge nutzen, um die Zeitentwicklung der Q-Funktion der Mehrniveau-Blochzustände herzuleiten. 2.3 Allgemeiner Algorithmus Um kohärente Zustände für ein quantenmechanisches Problem zu definieren, benötigen wir die zugrundeliegende Struktur des Hamiltonoperators. Auch wenn man mathematisch kohärente Zustände für beliebige dynamische Symmetriegruppen definieren kann [30], werden wir ausnutzen, dass die dynamische Gruppe physikalisch relevanter Systeme bereits Liegruppenstruktur hat und in den hier betrachteten Fällen sogar einer halbeinfachen Liealgebra entspricht. An dieser Stelle sei noch einmal auf den Artikel [34] und auf die einführenden Bücher [32, 33] verwiesen. Unter den oben genannten Voraussetzungen kann man die Algebra in der Standard Cartan Basis {Ĥi , Êβ , Ê−β } darstellen: [Ĥi , Ĥj ] = 0 [Ĥ, Êβ ] = β Êβ [Êβ , Ê−β ] = β · Ĥ [Êβ , Êβ0 ] = Nββ0 Êβ+β0 . (2.34) Dabei kann man in einer irreduziblen Darstellung die Operatoren in die Diagonaloperatoren Ĥi und die Shift-Operatoren Êβ unterteilen. Jede Komponente des Vektors β enthält eine positive Wurzel der Liegruppe und Nββ0 ist eine spezifische Strukturkonstante. Ist die Darstellung sogar hermitesch, gilt Ĥi† = Ĥi und Êβ† = Ê−β . Damit lässt sich jeder in den Generatoren der Algebra lineare Hamiltonoperator in der folgenden Form schreiben X X ∗ Ĥ = i Ĥi + λβ Êβ + λ−β Ê−β . (2.35) i β 2.3. Allgemeiner Algorithmus 21 Bei der Betrachtung des ebenen Falles haben wir diese Zerlegung bereits benutzt. Hier stimmt {Ê1 , Ê−1 } gerade mit {â, ↠} überein und die diagonalen Operatoren Ĥi sind Lineˆ Auch für die su(2)arkombinationen des Anzahloperators n̂ und des Einheitsoperators I. Algebra kann man eine solche Zerlegung finden. Die im Folgenden diskutierte Darstellung entspricht der Standard Cartan Darstellung bis auf eine Multiplikation mit Normierungskonstanten, die jedoch nur die Strukturkonstanten beeinflusst und keine physikalische Relevanz hat. Eine Erläuterung zur Wahl dieser Normierung findet sich z.B. in [32]. Ein Vergleich des Hamiltonoperators in der Standard Cartan Basis (2.35) mit dem Hamiltonoperator im ebenen (2.8) und später im sphärischen Fall (2.39) zeigt deutliche Analogien. Ausgehend von dieser Form des Hamiltonoperators können wir nun den physikalischen Zustandsraum und damit eine unitäre irreduzible Darstellung der Liegruppe finden. Aus diesem Hilbertraum wiederum wählen wir einen extremalen Zustand aus. Auch hier sind für die Definition von kohärenten Zuständen keine weiteren Einschränkungen zwingend. Wir werden jedoch erneut physikalische Überlegungen nutzen, um weitere mathematische Annahmen zu motivieren, welche die Diskussion vereinfachen. So kann man davon ausgehen, dass ein physikalisch sinnvoller Zustand und der damit verknüpfte Hilbertraum quadratintegrabel sein sollten. Im Falle der Blochzustände ist der Hilbertraum sogar endlichdimensional und der zugehörige Phasenraum kompakt. Bei der Suche nach dem extremalen Zustand erweist sich dann auch die bereits eingeführte Standard Cartan Basis als sinnvoll. Aus physikalischen Überlegungen heraus ist es wünschenswert – wie oben bereits im Fall des harmonischen Oszillators beschrieben – von dem ungestörten Grundzustand auszugehen. Ohne Wechselwirkung, d.h. wenn der Hamiltonoperator linear in den Erzeugern der Standard Cartan Basis ist, entspricht der physikalische Grundzustand mathematisch einem Zustand niedrigster (bzw. höchster) Gewichtung der irreduziblen Darstellung der Liegruppe [32]. Wählen wir diesen als extremalen Zustand |exti können wir also die physikalische Motivation mit mathematischen Strukturen verbinden. So kann man zeigen, dass der extremale Zustand dann von den Shift-Operatoren Êβ mit positiver Wurzel β > 0 vernichtet wird, Êβ |exti = 0, β > 0, (2.36) und durch die Diagonaloperatoren Ĥi auf sich selbst abgebildet wird: Ĥi |exti ∝ |exti . (2.37) Im Fall mehrerer Shift-Operatoren ergeben sich weitere Bedingungen für die Anwendung der Shift-Operatoren mit negativen Wurzeln β < 0. Dann existiert genau ein Operator mit negativer Wurzel, der den extremalen Zustand vernichtet, alle anderen bilden ihn auf einen anderen Zustand ab. Auf diese Eigenschaften werden wir bei der Einführung der Mehrniveau-Blochzustände in Kapitel 2.5 zurückgreifen. Die verallgemeinerten kohärenten Zustände erhält man nun durch Anwendung des generalisierten Translationsoperators X ∗ R̂ = exp ηβ Êβ − ηβ Ê−β (2.38) β 22 Kohärente Zustände auf den extremalen Zustand |exti. Dabei läuft die Summe nur über die Indizes β, bei denen entweder der Shift-Operator Êβ selbst oder dessen hermitisch konjungierter Operator den Zustand vernichtet, nicht jedoch beide. Die Wahl des extremalen Zustands beeinflußt die Form der kohärenten Zustände und damit die Struktur des klassischen Phasenraums maßgeblich. Dies wird im Folgenden am Beispiel der Blochzustände und deren Verallgemeinerung auf mehr als zwei Niveaus deutlich werden. An dieser Stelle sind ein paar Kommentare zu den Ansätzen von Perelomov [30] und Gilmore [34] angebracht. Diese unterschieden sich hauptsächlich in den mathematischen Forderungen an die Struktur des Hamiltonoperators. Während Gilmore nur von einer dynamischen Symmetriegruppe ausgeht, betrachtet Perelomov eine Liegruppe. Perelomov stellt jedoch keine Anforderungen an die irreduzible Darstellung der Gruppe, wohingegen Gilmore eine quadratintegrable Darstellung und damit einen normierbaren Hilbertraum fordert. Auch die Wahl des auf eins normierten Referenzzustands stellt Perelomov frei, während wir – der Darstellung von Gilmore folgend – einen extremalen Zustand gefordert haben. Auch wenn stärkere mathematische Forderungen zunächst wie eine Einschränkung klingen, resultieren doch aus physikalisch motivierten Annahmen zusätzliche Strukturen, die weitergehende Aussagen über den korrespondierenden Phasenraum zulassen. Wir werden sehen, dass das uns interessierende System durch eine SU (2)-Matrixgruppe beschrieben wird. Diese ist nicht nur eine Liegruppe, sondern sogar eine kompakte Gruppe. Der zugehörige Hilbertraum ist sowohl quadratintegrabel als auch endlich-dimensional und besitzt einen Extremalzustand, der die oben genannten Bedingungen erfüllt und auch physikalisch motiviert werden kann. Die mathematischen Anforderungen stellen in diesem Fall also keine Einschränkung dar, weshalb wir im Folgenden auch weiterhin der Darstellung von Gilmore folgen werden. 2.4 Kohärente Spinzustände Gehen wir erneut vom Hamiltonoperator (2.7) aus, aber betrachten nun nicht wie oben beschrieben das atomare System als klassisch, sondern gehen von klassischen Feldern aus, so erhalten wir X X X λk,l (l) (l) † † (l) √ Ĥ = ~ωk hâk âk i + l σ̂z + hâk iσ̂+ + hâk iσ̂− N k l k,l X (l) (l) l σ̂z(l) + λl (t)σ̂+ + λ∗l (t)σ̂− + Konstante = (2.39) l P λ hâk i √ anstelle von Gleichung (2.8). Hierbei haben wir definiert λl (t) = k k,l und nehmen N √ an, dass die Erwartungswerte proportional zu N skalieren. Dies ist für die Glaubrzustände erfüllt. Analog zum Fall des quantenmechanischen elektromagnetischen Feldes mit einem klassischen atomaren Ensemble kann man diesen Hamiltonoperator aufteilen in einen Anteil, der das freie atomare Ensemble beschreibt, und einen Term, der den Einfluss des klassischen Feldes dokumentiert. 2.4. Kohärente Spinzustände 23 (l) (l) (l) Die Spinoperatoren für ein einzelnes Atom {σ̂z , σ̂x , σ̂y } können als Shift-Operatoren dargestellt werden, 1 (l) σ̂+ = (σ̂x(l) + iσ̂y(l) ), 2 1 (l) σ̂− = (σ̂x(l) − iσ̂y(l) ), 2 und folgen den bekannten su(2)-Vertauschungsregeln der Paulimatrizen h i h i (l0 ) (l) (l) (l0 ) σ̂z(l) , σ̂± = ±σ̂± δl,l0 σ̂+ , σ̂− = 2σ̂z(l) δl,l0 . (2.40) (2.41) Sind die Kopplungskonstanten, λl (t) ≡ λ(t) identisch und die atomaren Anregungsenergien l ≡ ∀ l für alle Atome gleich, so lässt sich die Darstellung des Hamiltonoperators durch die Einführung kollektiver Drehimpulsoperatoren weiter vereinfachen X P (l) Jˆz ≡ σ̂z(l) , Jˆ± ≡ σ̂± . (2.42) l l Damit kann man den Hamiltonoperator (2.39) bis auf eine Konstante schreiben als Ĥ = Jˆz + λ(t)Jˆ+ + λ∗ (t)Jˆ− = Ĥ0 + ĤWW . (2.43) Diese Beschreibung eines atomaren Ensembles unter dem Einfluß eines klassischen Feldes war der historische Ausgangspunkt zur ersten Definition der sogenannten atomic coherent states [40] oder spin coherent states [41], die in dieser Arbeit als Blochzustände bezeichnet werden. Das dieser Arbeit zugrundeliegende System beschreibt ein Bose-Einstein-Kondensat in einem Doppelmuldenpotential. Dies führt auf den Hamiltonoperator † † (2.44) Ĥ = (n̂1 − n̂2 ) − ∆ â1 â2 + â2 â1 + U2 n̂1 (n̂1 − 1) + n̂2 (n̂2 − 1) , der bereits in Kapitel 1.1 eingeführt und erläutert wurde. Dort haben wir die Darstellung über die Drehimpulse (1.11)-(1.14) eingeführt um die Teilchenzahlerhaltung des Modells zu berücksichtigen. Der Hamiltonoperator (2.44) lautet dann Ĥ = −2∆Jˆx + U Jˆz2 N̂ − 2Jˆz + U 2 N̂ −1 , 2 (2.45) wobei N̂ = n̂1 + n̂2 dem Operator der Gesamtteilchenzahl entspricht. Auch hier kann man Auf- und Absteigeoperatoren definieren Jˆ± = Jˆx ± iJˆz ⇒ Jˆ+ = â†2 â1 und Jˆ− = â†1 â2 , (2.46) daher haben beide Hamiltonoperatoren (2.43) und (1.15) dieselbe dynamische Gruppe, die Liegruppe SU (2), h h i i Jˆz , Jˆ± = ±Jˆ± , Jˆ+ , Jˆ− = 2Jˆz , (2.47) 24 Kohärente Zustände die von {Jˆ+ , Jˆ− , Jˆz } aufgespannt wird. Daher ist das weitere Vorgehen für beide Systeme identisch. Anstelle der Fockzustände im ebenen Fall (2.12) kann man hier die Dickezustände, die simultanen Eigenzustände des Operators Jˆz und des Casimir-Operators ! N̂ N̂ Jˆ2 = Jˆx2 + Jˆy2 + Jˆz2 = mit ˆˆN = n1 + n2 = â†1 â1 + â†2 â2 +1 (2.48) 2 2 als Basis wählen: N N Jˆ2 |j, mi = j (j + 1) |j, mi ⇔ Jˆ2 |n1 , n2 i = + 1 |n1 , n2 i 2 2 1 Jˆz |j, mi = m |j, mi ⇔ Jˆz |n1 , n2 i = (n2 − n1 ) |n1 , n2 i . 2 (2.49) (2.50) Im Falle des Zwei-Moden Bose-Einstein-Kondensats bei fester Teilchenanzahl N = n1 +n2 entsprechen n1 , n2 ∈ {0, 1, 2, ..., N } gerade den Besetzungszahlen in den beiden Töpfen. Die Drehimpulsquantenzahl j = N/2 entspricht hier gerade der mittleren Besetzungszahl, die magnetische Quantenzahl m = (n2 − n1 )/2 ist proportional zur Besetzungsdifferenz in den Mulden. Also kann man die Zustände sowohl durch Angabe der Quantenzahlen j, m als auch durch die Angabe der Besetzungszahlen n1 , n2 = N −n1 vollständig charakterisieren. Da die Darstellungen sehr einfach übertragbar sind, werden wir die folgenden Formeln meist nur in einer Form angeben. Die Darstellung durch j, m erweist sich meist als kürzer, wenn es um die Diskussion der zugrundeliegenden Strukturen geht, daher werden wir bei abstrakten Diskussionen darauf zurückgreifen. Anschaulicher ist meist jedoch die Darstellung über die Besetzungszahlen, daher werden wir bei der Diskussion der physikalischen Eigenschaften diese Darstellung wählen. Analog zur Vorgehensweise im Fall der Glauberzustände (siehe Gleichung (2.12)) erhält man hier die Dickezustände (vergleiche Gleichung (2.49) und (2.50)), indem man den Aufsteigeoperator Jˆ+ wiederholt auf den Zustand |j, m = −ji = b |N, 0i anwendet: |n1 , n2 = N − n1 i = N n2 !− 21 Jˆ+n2 |N, 0i . n2 ! (2.51) Daher kann man den Zustand |N, 0i mit dem Vakuumgrundzustand |0i im ebenen Fall vergleichen. Für den ungestörten Anteil des Hamiltonoperators (2.39), der der historische Ausgangspunkt zur Definition der kohärenten Zustande war, ist dies zudem der Zustand minimaler Energie Ĥ0 |j, mi = m |j, mi ≥ Ĥ0 |j, −ji = −j |j, −ji . (2.52) Wie man nach kurzer Rechnung sieht, erfüllt dieser Zustand mit diesem Hamiltonoperator auch die im vorherigen Kapitel diskutierten Eigenschaften des extremalen Zustands. Damit haben wir einen möglichen Referenzzustand |j, m = −ji, den maximalen Spinzustand, für die Einführung der kohärenten Zustände gefunden. Wenn wir von dem Hamiltonoperator (1.15) ausgegangen wären, der dieser Arbeit zugrunde liegt, wäre eine analoge physikalische Motivation bei einer Wahl der Quantisierungsachse in x-Richtung leicht 2.4. Kohärente Spinzustände 25 möglich. Wie wir aber noch sehen werden, würde sich damit einzig die Parametrisierung, nicht jedoch die Struktur des Phasenraums ändern. Da sich zudem auch die Rechnungen nicht wesentlich unterschieden, bleiben wir bei der gewählten Quantisierungsrichtung und bei dem extremalen Zustand |j, m = −ji = |N, 0i. Im Bild des Zwei-Mulden-BEC ist dies ebenfalls der Zustand maximaler Asymmetrie bei dem sich alle Teilchen im ersten Potentialtopf befinden. Damit haben wir also die Dickezustände als Basis des Hilbertraums und den Zustand |j, −ji = b |N, 0i als extremalen Zustand festgelegt. Was nun fehlt, ist die Stabilitäts-Untergruppe. Diese ist hier gerade U (1) mit dem einzigen Erzeuger {Jˆz }. Daher kann man alle Elemente der Stabilitäts-Untergruppe ĥ ∈ U (1) darstellen als ˆ ĥ = eiαJz ∈ U (1) mit α ∈ R. (2.53) Wie gewünscht lässt die Anwendung eines beliebigen Elements ĥ ∈ U (1) auf den extremalen Zustand diesen bis auf einen Phasenfaktor invariant: ˆ ĥ |j, −ji = eiαJz |j, −ji = eiφ |j, −ji mit φ = −αj. (2.54) Nun ist die Liegruppe SU (2) eindeutig zerlegbar in die Stabilitätsuntergruppe U (1) und die Restklasse SU (2)/U (1). Auch hier läßt sich ein typischer Vertreter der Restklasse mit einer anschaulichen Bedeutung finden: ˆ R̂(ζ) = eζ J+ −ζ ∗ Jˆ − ∈ SU (2)/U (1) mit ζ ∈ C. (2.55) Dies entspricht gerade einer Rotation um den Winkel θ mit der Achse n = (sin φ, − cos φ, 0): ˆ ˆ ˆ ˆ R̂(θ, φ) = e−iθJn = e−iθ(Jx sin φ−Jy cos φ) = eζ J+ −ζ θ −iφ mit ζ = e 0 ≤ θ ≤ π, 0 ≤ φ < 2π. 2 ∗ Jˆ − (2.56) Die Beschränkung der Winkel ergibt sich aus der Forderung einer eindeutigen Parametrisierung. Die kohärenten Zustände erhalten wir wie oben beschrieben durch Anwendung des Restklassenelements R̂ ∈ SU (2)/U (1) auf den extremalen Zustand |N, 0i, ˆ |ζi = R̂(ζ) |j, −ji = eζ J+ −ζ ∗ Jˆ − |j, −ji . (2.57) Hier ergibt die verallgemeinerte Translation also eine Rotation des extremalen Zustands, dies ist in Abbildung 2.4 für ein Beispiel illustriert. Damit ist gezeigt, dass die Topologie der Restklasse SU (2)/U (1) äquivalent zur Blochsphäre ist – der Phasenraum X des äquivalenten klassischen Systems ist also eine Kugel mit Radius j = N/2. Man kann diese Beziehung auch anschaulich anhand der Matrixschreibweise der Operatoren (1.11) nachvollziehen: ! ! ! 1 0 1 0 0 0 2 (2.58) Jˆ+ ↔ Jˆ− ↔ Jˆz ↔ . 0 0 1 0 0 − 21 26 Kohärente Zustände Abbildung 2.3: Geometrie der Blochzustände nach Gilmore [34]. Damit ergibt sich für die Rotation R̂(ζ) = exp 0 ζ −ζ ∗ 0 ! (2.59) oder in den Winkeln (θ, φ) R̂(θ, φ) = cos( 2θ ) e−iφ sin( 2θ ) −eiφ sin( 2θ ) cos( 2θ ) ! . (2.60) Die Sphäre wiederum ist isomorph zum projektiven Raum CP 1 , der Ebene C vereinigt mit einem Punkt im Unendlichen, was man mittels der Abbildung τ = e−iφ tan θ ζ = tan |ζ| 2 |ζ| (2.61) leicht sieht (vergleiche dazu auch Abbildung 2.3). Für θ = π divergiert die projektive Abbildung. Damit haben wir nun drei verschiedene Parametrisierungsmöglichkeiten: Die komplexen Zahlen ζ entsprechen der algebraischen Darstellung über die Elemente der Liealgebra, die Darstellung über die Winkel (θ, φ) trägt der gruppentheoretischen Analogie zur Blochkugel Rechnung und die Koordinate τ entspricht der projektiven Darstellung. Diese drei Möglichkeiten existieren auch im Fall der Blochzustände für mehrere Niveaus, auf den wir in Abschnitt 2.5 näher eingehen werden. Je nach Fragestellung kann sich eine 2.4. Kohärente Spinzustände 27 Abbildung 2.4: Husimiverteilung des extremalen Zustands Q(θ, φ) = |hN, 0|θ, φi|2 vor (links) und nach (rechts) Anwendung des Rotationsoperators R̂(135◦ , 315◦ ) für N = 20. andere Darstellung als vorteilhaft erweisen. Eine sinnvolle Wahl der Parametrisierung ist insbesondere bei der Berechnung der Evolutionsgleichung der Phasenraumverteilungen in Kapitel 4 essentiell. Mit Hilfe des Parameters τ kann man analog zum ebenen Fall den Rotationsoperator mithilfe des Disentangling-Theorems [40] umschreiben: ˆ ∗ ˆ R̂ = eζ J+ −ζ J− 2 ˆ ∗ ˆ ˆ = eτ J+ eln(1+|τ | )Jz e−τ J− ∗ ˆ 2 ˆ ˆ = e−τ J− e− ln(1+|τ | )Jz eτ J+ . (2.62) Dies erweist sich insbesondere bei der Darstellung der kohärenten Zustände (2.57) in der Dickebasis als hilfreich: ˆ |ζi = eζ J+ −ζ = = ∗ Jˆ − |j, −ji −j τ Jˆ+ 1 + |τ |2 e |j, −ji ∞ −j X (τ Jˆ+ )k 1 + |τ |2 |j, −ji . k! k=0 (2.63) Für die physikalische Diskussion werden wir im folgenden auf die Darstellung über die beiden Winkel (0 ≤ θ ≤ π, 0 ≤ φ < 2π) zurückgreifen. 28 Kohärente Zustände Damit folgt für j = N/2 und m = (n2 − n1 )/2: |ζi = |θ, φi 21 j X θ 2j θ −i(j+m)φ j+m j−m sin e |j, mi cos = m+j 2 2 m=−j N 21 X θ N θ −in2 φ n1 n2 = cos sin e |n1 , n2 i . n 2 2 1 n =0 (2.64) (2.65) 1 Die Blochzustände erfüllen die Bedingung minimaler Unschärfe, q √ hθ, φ| ∆Jˆk |θ, φi = hθ, φ| ∆Jˆl |θ, φi = 2j = 2N , 2 hθ, φ| ∆Jˆk |θ, φi2 hθ, φ| ∆Jˆl |θ, φi2 = 41 hJˆn i2 = 2j = N 2 4 . (2.66) (2.67) Dabei stellt ∆Jˆk = Jˆk − hJˆk i die Varianz des Drehimpulsoperators dar und die mit k, l indizierten Richtungen müssen zusammen mit dem Vektor n n(θ, φ) = (sin θ cos φ, sin θ sin φ, cos θ), (2.68) welcher ausgehend vom Ursprung der Blochkugel die Oberfläche im Punkt (θ, φ) schneidet, ein Orthogonalsystem ergeben. Die Gleichungen kann man für den Zustand |θ = 0, φ = 0i leicht nachrechnen. Berücksichtigt man, dass die kohärenten Zustände für beliebige Winkel aus dem extremalen Zustand durch Rotation hervorgehen, kann man das Ergebnis dann auf beliebige kohärente Zustände |θ, φi verallgemeinern. Betrachtet man den Limes hoher Teilchenzahlen N → ∞, so geht die relative Fläche der kohärenten Zustände auf der Kugel gegen 0, ABlochzustand N/4 1 N →∞ = = −→ 0, 2 ABlochkugel π(N/2) πN (2.69) damit nähern sich die die kohärenten Zustände einem Punkt auf der klassischen Blochkugel an. Mit Ausnahme der gegenüberliegenden Zustände, für die θ + θ0 = π und φ − φ0 = π gilt, sind die Blochzustände nicht orthogonal, wohl aber normiert: 0) 0) 0) 0 ) 2j ij(φ−φ0 ) hθ0 , φ0 |θ, φi = cos (θ−θ cos (φ−φ − i cos (θ+θ sin (φ−φ e 2 2 2 2 ⇒ hθ, φ|θ, φi = 1. Damit gilt für die Betragsquadrate 2j 4j 1 + n(θ0 , φ0 ) · n(θ, φ) Θ 0 0 2 |hθ , φ |θ, φi| = = cos , 2 2 (2.70) (2.71) 2.4. Kohärente Spinzustände 29 wobei Θ dem Winkel zwischen den Vektoren n(θ, φ) und n(θ0 , φ0 ) entspricht: cos Θ = cos θ cos θ0 + sin θ sin θ0 cos(φ − φ0 ). (2.72) Als Basis des Hilbertraums sind die Blochzustände genau wie die Glauberzustände (2.22) übervollständig und auch hier ist die Darstellung des Einheitsoperators Z 2j + 1 ˆ |θ, φi hθ, φ| dΩ I = (2.73) 4π nicht eindeutig. Dabei gibt dΩ = sin θdθdφ das sphärische Flächenelement an, aus dem das invariante Maß dµ(Ω) = (2j + 1)/4πdΩ folgt. Der Faktor 2j + 1 = N + 1 ergibt die Dimension des Hilbertraums. Gleichung (2.73) kann man leicht verifizieren, wenn man die Darstellung der kohärenten Zustände in der Dickebasis (2.65) benutzt: Z 2j + 1 |θ, φi hθ, φ| dΩ 4π 1 1 Z X 2j 2 2j 2 2j + 1 0 = dΩ e−i(m−m )φ 0 4π m+j m +j m,m0 θ θ 2j−m−m0 2j+m+m0 · cos sin |m0 i hm| 2 2 Z X 2j θ θ 2j + 1 π 2j−2m 2j+2m sin θdθ cos sin |mi hm| = 4π m + j 2 2 0 m X ˆ = |mi hm| = I. (2.74) m P Jeder beliebige normierte Zustand |ψi = n cn |ni kann somit in der Basis der kohärenten Zustände dargestellt werden, Z N +1 ψ(τ ∗ ) |ψi = dΩ |θ, φi , (2.75) 4π (1 − |τ |2 )N/2 wobei wir den bereits oben eingeführten Parameter τ = e−iφ tan(θ/2) benutzt haben. Die Funktion ∗ 2 N 2 ψ(τ ) = (1 + |τ | ) hθ, φ|ψi = N X n1 1/2 N cn1 (τ ∗ )N −n1 n 1 =0 (2.76) ist ein Polynom N -ten Grades und entspricht wie im Fall der Glauberzustände der Bargmann-Darstellung. Näheres hierzu findet sich insbesondere in Abschnitt 3.3.4. Der Aufwand der gruppentheoretischen Definition der kohärenten Zustände hat sich offensichtlich bezahlt gemacht – eine Vielzahl an Eigenschaften, die wir bereits aus dem ebenen Fall kennen, haben wir auch für die Blochzustände zeigen können. Eine wichtige Eigenschaft der Glauberzustände ist jedoch nicht auf endlichdimensionale Hilberträume 30 Kohärente Zustände übertragbar. So findet man keinen einzelnen Operator mit dessen Hilfe man eine Eigenwertgleichung analog zu (2.2) formulieren könnte. Um die anschließenden Rechnungen zu vereinfachen, werden noch einige weitere, vor allem technische Eigenschaften aufgeführt. So werden wir häufig die Wirkung der Drehimpulsoperatoren auf die kohärenten Zustände verwenden: X N 1/2 1 θ θ −in2 φ n n 1 2 Jˆx |θ, φi = cos sin e 2 n n1 2 2 1 θ iφ θ −iφ (2.77) e + n2 cot e |n1 , n2 i n1 tan 2 2 X N 1/2 θ i θ −in2 φ n n cos 1 sin 2 e Jˆy |θ, φi = 2 n n1 2 2 1 θ −iφ θ iφ n1 tan e − n2 cot e |n1 , n2 i (2.78) 2 2 1 Jˆz |θ, φi = X N 2 n1 n1 θ θ −in2 φ n2 − n1 n2 cos sin e |n1 , n2 i . 2 2 2 n1 (2.79) Damit liegen die Erwartungswerte des Drehimpulsoperators Ĵ in kohärenten Zuständen, N hθ, φ| Jˆx |θ, φi = sin θ cos φ 2 N sin θ sin φ hθ, φ| Jˆy |θ, φi = 2 N hθ, φ| Jˆz |θ, φi = − cos θ, 2 (2.80) (2.81) (2.82) auf der Oberfläche der Blochsphäre mit Radius N/2. Aufgrund der Struktur des Hamiltonoperators (2.44) wird auch die Wirkung des Operators Jˆz2 auf kohärente Zustände X N 1/2 θ θ −in2 φ (n2 − n1 )2 2 n1 n2 ˆ (2.83) Jz |θ, φi = cos sin e |n1 , n2 i 2 2 4 n1 n 1 und der Erwartungswert in kohärenten Zuständen N hθ, φ| Jˆz2 |θ, φi = (N − 1) cos2 θ + 1 4 (2.84) von Nutzen sein. Dieser ist – wie erwartet – unabhängig vom Azimutwinkel φ und nimmt seinen maximalen Wert N 2 /4 an den Polen an, sowie den minimalen Wert N/4 am Äquator. Bleibt zu bemerken, dass es möglich ist analog zu den gequetschten Zuständen im ebenen Fall sogenannte spin squeezed states als Verallgemeinerung der Blochzustände einzuführen. In der Literatur sind verschiedene Definitionen bekannt, z.B. für spektroskopische Anwendungen [42], Erzeugung durch nichtlineare Wechselwirkung mit möglichen 2.5. Mehrniveau-Blochzustände 31 Anwendungen in der Interferometrie [43] oder als Lösung eines verallgemeinerten Eigenwertproblems [44]. Von fundamentalen Interesse ist hierbei die Möglichkeit squeezing von einem atomaren System auf ein Lichtfeld zu übertragen und umgekehrt [45]. Zudem weisen die spin squeezed states grundlegende Zusammenhänge mit verschränkten Zuständen auf [46]. Diese Eigenschaften erlauben es zumindest teilweise die Mehrdeutigkeit der Definitionen aufzuheben [47]. Dabei kann man zeigen, dass die beiden Definitionen [42, 43] im Grenzfall großer Teilchenzahlen gegen die bekannte Definition der Glauberzustände konvergieren. 2.5 Mehrniveau-Blochzustände Betrachten wir nun anstelle des atomaren Systems mit zwei möglichen Zuständen ein System mit M internen Freiheitsgraden. Die Operatoren {Êjk = â†j âk } mit j, k ∈ {1, 2, . . . , M }, die den Übergang zwischen dem Zustand |ki und dem Zustand |ji beschreiben, folgen den Kommutatorregeln h i Êjk , Êmn = Êjn δkm − Êmk δnj . (2.85) Dies beschreibt die physikalische Anschauung, dass ein Übergang Êkn von dem Zustand |ni in den Zustand |ki und anschließend ein Übergang Êjk vom Zustand |ki in den Zustand |ji auch direkt durch den Operator Êjn beschrieben werden kann. Ist der Zustand |ki jedoch nicht identisch mit dem Zustand |mi, bleibt dieser unbesetzt, und es ist demnach kein Übergang Êjm möglich. Mit diesen Vertauschungsregeln formen die Operatoren † Êjk = Êkj eine Liealgebra su(M ). Als mögliche Basis des Hilbertraums können wir die bereits eingeführte Dickebasis P(2.50) erweitern. Dabei gibt der Vektor |n1 , n2 , . . . , nM i mit fixierter Teilchenzahl N = i ni gerade die Besetzungszahlen ni ∈ N0 in den einzelnen Niveaus an. Damit haben wir bereits zwei Vorraussetzungen für die Anwendung des allgemeinen Algorithmus erfüllt. Die Êjk entsprechen bis auf Normierungsfaktoren gerade der in Abschnitt 2.3 beschriebenen algebraischen Zerlegung in Diagonaloperatoren Ĥi = Êii − Ê11 mit i ≥ 2 und in Shift-Operatoren Êjk mit j 6= k. Im Falle zweier Niveaus ist das gerade die Darstellung in den Drehimpulsoperatoren {Jˆz , Jˆ± }. Die Stabilitätsuntergruppe wird aber auch im allgemeinen Fall nur von einem einzigen Erzeuger Ê11 aufgespannt, da die anderen Operatoren Êjj mit j ≥ 2 den extremalen Zustand |N, 0, . . . , 0i vernichten. Dies ist gerade der maximale Spinzustand, analog könnte man auch |0, 0, . . . , 0, N i wählen. Die verbleibenden Operatoren Êjk können in zwei Gruppen unterteilt werden: Die Gruppe Êjk mit j, k ≥ 2, bei der sowohl die Operatoren selbst, als auch ihr adjungierter Operator den extremalen Zustand |N, 0, . . . , 0i vernichten, und die Operatoren Ê1j , bei denen der adjungierte Operator den extremalen Zustand auf einen anderen Zustand abbildet. 32 Kohärente Zustände Die Mehrniveau-Blochzustände erhält man durch die Anwendung des verallgemeinerten Translationsoperators auf den extremalen Zustand, ! M X † ∗ R̂ |N, 0, . . . , 0i = exp yj1 Êj1 − yj1 Êj1 |N, 0, . . . , 0i j=2 M X = exp ! ∗ yj1 Êj1 − yj1 Ê1j |N, 0, . . . , 0i j=2 = |yiN , (2.86) der dem Zustand mit vollständiger Besetzung im ersten Niveau entspricht. Dabei ist zu beachten, dass die Summe nur über die Operatoren der zweiten Gruppe läuft. Zu† dem haben wir die die Eigenschaft der Shift-Operatoren Êjk = Êkj benutzt, um die Mehrniveau-Blochzustände umzuformen. Damit das Argument der Exponentialfunktion ∗ anti-hermitisch bleibt, muss für die Parameter yjk = −ykj gelten. Die algebraische Parametrisierung der Mehrniveau-Blochzustände erfolgt über die 2M − 2 komplexen unabhängigen Parameter yi ≡ yi1 mit i ≥ 2, welche die Rotation des Grundzustands festlegen. Wie wir bereits in Abschnitt 2.3 gesehen haben, sind dies dieselben Parameter, die die Restklasse beschreiben. Damit ist auch hier der Phasenraum, d.h. der Raum auf dem die kohärenten Zustände leben, topologisch äquivalent zur Restklasse. Die Restklassengruppe entspricht der vollständigen Gruppe U (M ) modulo der Stabilitätsunterguppe U (1) und der Gruppe U (M − 1), die die Elemente Ejk mit j, k ≥ 2 enthält, welche den extremalen Zustand auf 0 abbilden. Damit entspricht der zugehörige Phasenraum X einer (2M − 2)-dimensionalen Sphäre S 2(M −1) ∼ = U (M )/U (1) ⊗ U (M − 1) ∼ = SU (M )/U (M − 1). (2.87) Ähnlich wie im Falle zweier Niveaus kann man zeigen, dass R̂ einer Rotation auf dieser multidimensionalen Sphäre gleicht. Daher gilt ähnlich wieP für die Winkel θ und φ im Zweiniveausystem für die yk ebenfalls eine Beschränkung k≥2 yk∗ yk ≤ (π/2)2 , um die Eindeutigkeit der Parameter zu gewährleisten. 2.5.1 Physikalische Interpretation Eine andere naheliegende Wahl der Parametrisierung der (2M − 2)-dimensionalen Sphäre sind die 2M − 2 komplexen Größen xk , x∗k mit 2 ≤ k ≤ M , die zusammen mit dem abhängigen Parameter x1 = x∗1 die bekannte Kugelgleichung erfüllen: X x21 + x∗k xk = 1. (2.88) k=2 Diese Parametrisierung spiegelt direkt die physikalische Interpretation als M -NiveauSystems mit fester Gesamtteilchenzahl wieder. Zerlegt man sie in Amplitude und Phase, ergibt |xk |2 gerade die relative Besetzung im k-ten Niveau und die Phase entspricht der 2.5. Mehrniveau-Blochzustände 33 relative Phase φk bezogen auf die Phase des ersten Niveaus. Die Beschränkung der Parameter xi kann man so direkt auf die Erhaltung der Gesamtbesetzung zurückführen. Diese Parametrisierung werden wir insbesondere bei der Herleitung der Q-und P-Evolutionsgleichung in Kapitel 4 und beim Vergleich der Mehrmoden-Glauberzustände und der Mehrniveau-Blochzustände in Abschnitt 2.6 wieder benötigen. Der Vorteil dieser Parametrisierung liegt jedoch nicht allein in der anschaulichen Interpretation der Variablen. Die Mehrniveau-Blochzustände weisen in der Parametrisierung (x2 , x∗2 , . . . , xM , x∗M ) eine sehr einfache Darstellung auf, die jedoch fundamentale physikalische Zusammenhänge offenbart: !N M X 1 |xiN = √ xk â†k |0, . . . , 0i . (2.89) N k=1 Damit haben wir also eine bijektive Abbildung zwischen den Mehrniveau-Blochzuständen und den Produktzuständen gefunden. Im Falle eines Bose-Einstein-Kondensats entsprechen die Produktzustände aber gerade den vollständig kondensierten Zuständen, für die die mean-field-Näherung exakt ist. Die Q-Funktion erhält man nun aus dem Erwartungswert des Dichteoperators und die P-Funktion aus der Diagonaldarstellung in vollständig kondensierten Zuständen. Eine Analyse im Phasenraum zeigt deshalb dynamische Abweichungen vom Gültigkeitsbereich der Gross-Pitaevskii-Gleichung direkt auf, zum Beispiel durch Anregungen. Dies macht die Quasi-Phasenraumverteilungen insbesondere bei der Analyse des Übergangs vom mean-field-Regime zum quantenmechanischen Vielteilchenproblem zu einem wertvollen Werkzeug. Diese Zusammenhänge werden insbesondere in Kapitel 5 von größter Wichtigkeit sein. Der Zusammenhang (2.89) zwischen den beiden oben eingeführten Parametrisierungen ist nicht direkt ersichtlich, sondern bedarf einiger Überlegungen. Dabei gehen wir von der verallgemeinerten Baker-Campell-Hausdorff-(BCH)-Formel h i 1 h h ii 1 h h h iii Γ̂ −Γ̂ e B̂e = B̂ + Γ̂, B̂ + + ··· Γ̂, Γ̂, B̂ + Γ̂, Γ̂, Γ̂, B̂ (2.90) 2! 3! aus und wählen PM R̂ = eΓ̂ = e j=2 ∗ Ê † yj1 Êj1 −yj1 j1 . (2.91) Dann gilt M eΓ̂ â†1 e−Γ̂ = cos(kyk)â†1 sin(kyk) X yk â†k , + kyk k=2 (2.92) P 2 wobei wir die Abkürzung kyk2 = M k=2 |yk | eingeführt haben. Für den Beweis dieser Gleichung bemerken wir zunächst, dass für alle k, j ∈ {2, . . . , M } gilt h i h i † † † † † âk â1 , â1 = âk â1 âk , âj = δjk â†1 h i h i â†1 âk , â†1 = 0 â†k â1 , â†j = 0. (2.93) 34 Kohärente Zustände Wie man damit leicht nachrechnen kann, gilt also für die ersten Kommutatorrelationen in Gleichung (2.90) h Γ̂, â†1 i = M X yk â†k k=2 h h Γ̂, h Γ̂, Γ̂, h h Γ̂, â†1 Γ̂, â†1 ii iii = − kyk2 â†1 2 = − kyk M X yk â†k k=2 h h h h Γ̂, Γ̂, Γ̂, Γ̂, â†1 iiii .. . = kyk4 â†1 = (2.94) .. . Durch Umordnung und vollständige Induktion folgt dann direkt Formel (2.92). Mit den Definitionen x1 = cos(kyk), xk = sin(kyk) yk , kyk k≥2 (2.95) kann man diese Formel weiter umstellen. Dabei können wir ausnutzen, dass eΓ̂ unitär ist: " # M X sin(kyk) eΓ̂ â†1 e−Γ̂ eΓ̂ = cos(kyk)â†1 + yk â†k eΓ̂ kyk k=2 "M # X xk â†k eΓ̂ . ⇒ eΓ̂ â†1 = (2.96) k=1 Man beachte, dass durch die Definition (2.95) die Summe in der letzten Zeile nun von 1 bis M läuft. Es folgt dann wiederum durch vollständige Induktion |yiN = eΓ̂ |N, 0, . . . , 0i 1 = √ eΓ̂ (â†1 )N |0, 0, . . . , 0i N! !N M X 1 = √ xk â†k eΓ̂ |0, 0, . . . , 0i N ! k=1 !N M X 1 = √ xk â†k |0, 0, . . . , 0i N ! k=1 = |xiN , (2.97) die beiden Parametrisierungen sind also äquivalent. Die dritte, bereits im Fall der ZweiNiveau-Blochzustände eingeführte, sogenannte projektive Parametrisierung τk erhält man einfach aus den Parametern xk über τk = xk /x1 . 2.6. Zusammenhänge zwischen Glauber- und Blochzuständen 2.6 35 Zusammenhänge zwischen Glauber- und Blochzuständen Um die Struktur der Blochzustände besser zu verstehen, ist es interessant, die Zusammenhänge mit den bekannten kohärenten Zuständen des harmonischen Oszillators näher zu untersuchen. Dies wollen wir in diesem Abschnitt auf zwei Arten tun: Zunächst kann man die Blochzustände als kohärente Zustände für ein System zweier gekoppelter harmonischer Oszillatoren mit einer zusätzlichen Bedingung an die Quantenzahlen n1 + n2 = N = 2j auffassen. Damit erhält man die Blochzustände, indem man die Glauberzustände auf einen Unterraum mit fester Quantenzahl N = 2j projiziert und die irrelevante globale Phase vernachlässigt. Daraus resultiert, neben einer Reduktion der unabhängigen Parameter um zwei reelle Größen, eine Beschränkung der verbleibenden Parameter. Die Verallgemeinerung dieser Vorgehensweise führt schlussendlich zu einem Homomorphismus, der es erlaubt Multimoden-Glauberzustände auf Multilevel-Blochzustände abzubilden – eine Technik, die uns insbesondere bei der Ableitung der Zeitevolutionsgleichung für die Quasi-Phasenraumverteilungen in Kapitel 4 von Nutzen sein wird. Eine umgekehrte Abbildung erreicht man, indem man den Radius der Blochkugel mit der Teilchenzahl N → ∞ gegen unendlich gehen lässt und immer kleinere Rotationen betrachtet. Dann nähert sich die Bewegung auf der Kugel einer Bewegung auf der Tangentialebene, welche als Phasenraumebene eines harmonischen Oszillators beschrieben werden kann. Dies kann auch als projektive Abbildung verstanden werden. Anschaulich übernimmt hier ein Niveau die Rolle eines unerschöpflichen Reservoirs, welches die Bedingung an die Quantenzahlen der verbleibenden Niveaus aufhebt. Dieser Limes kann formal durch eine Gruppenkontraktion dargestellt werden, welche jedoch nicht umkehrbar ist. Damit stellt diese Abbildung auch insbesondere keine Umkehrung des oben diskutierten Homomorphismus dar, da nur die Beschränkung der unabhängigen Parameter und nicht die Reduktion derselben aufgehoben wird. 2.6.1 Vom vierdimensionalen Raum C2 zur Blochsphäre Betrachten wir zunächst zwei unabhängige harmonische Oszillatoren. Eine mögliche Basiswahl für den zugehörigen Hilbertraum sind die doppelten Fockzustände, die Eigenzustände von n̂1 = â†1 â1 und n̂2 = â†2 â2 : (â†1 )n1 (â†1 )n2 |n1 , n2 i = √ |0, 0i . n1 !n2 ! (2.98) Dann kann man analog zu (1.16) Vernichtungs- und Erzeugungsoperatoren definieren, Jˆ+ = a†2 â1 und Jˆ− = â†1 â2 , (2.99) welche zusammen mit Jˆz = 1 2 â†2 â2 − â†1 â1 (2.100) 36 Kohärente Zustände den bekannten su(2)-algebraischen Vertauschungsrelationen (2.47) genügen. Durch die Annahme fester Teilchenzahl ist die Quantenzahl j = N/2 und damit der Radius der Blochkugel festgelegt. Im Gegensatz dazu können für das System der beiden harmonischen Oszillatoren die Quantenzahlen n1 , n2 unabhängig voneinander beliebige ganzzahlige Werte zwischen 0 und unendlich annehmen, damit ist nun auch N = 2j ∈ N0 nicht mehr festgelegt. Die zugehörigen Zwei-Moden-Glauberzustände lassen sich, wie in Kapitel (2.2) beschrieben, als direktes Produkt der Einzelmoden-Zustände darstellen: 1 |α1 , α2 i = e−( 2 |α1 | 2 + 1 |α |2 ) 2 2 ∞ X (α1 â†1 )n1 (α2 â†2 )n2 |0, 0i . n ! n ! 1 2 n ,n =0 1 (2.101) 2 Ein Vergleich mit den Blochzuständen wird durch ein Umschreiben der unendlichen Doppelsumme über n1 und n2 in eine Summe über die festen Quantenzahlen j = N/2 = (n1 + n2 )/2 und eine Summe über die jeweiligen magnetischen Quantenzahlen m ∈ {−j, −j + 1, ..., j − 1, j} wesentlich erleichtert: ∞ X αn1 αn2 √1 2 |n1 , n2 i n1 !n2 ! n1 ,n2 =0 ∞ m=+j X X 1 2j j−m j+m −( 12 |α1 |2 + 12 |α2 |2 ) √ = e α α2 |j, mi 2j! j + m 1 j=0 m=−j 1 |α1 , α2 i = e−( 2 |α1 | 2 + 1 |α |2 ) 2 2 (2.102) Führen wir nun den Projektor Π̂j auf den Unterraum mit fester Quantenzahl j = N/2 ein [48] m=+j X Π̂j = |j, mi hj, m| (2.103) m=−j und wählen wir θ α1 = cos 2 −iφ α2 = e θ sin , 2 (2.104) erhalten wir die Blochzustände (2.65) aus den Zwei-Moden-Glauberzuständen als: p |θ, φij = e(2j)! Π̂j |α1 , α2 i . (2.105) Der Unterschied zwischen den Blochzuständen und den Zwei-Moden-Glauberzuständen liegt also in der Annahme einer weiteren Erhaltungsgröße, der Gesamtteilchenzahl N . Dies führt zu der Projektion auf einen endlichdimensionalen, kompakten Unterraum mit fester Quantenzahl j = N/2 und zu der Erhaltung der Normierung der Parameter |α|2 = |α1 |2 + |α2 |2 . In die Wahl der Parameter (2.104) geht zudem die Tatsache ein, dass nur die relative Phase φ zwischen den Niveaus eine Rolle spielt und die globale Phase für die Dynamik irrelevant ist. Wie wir bereits gesehen haben, hat dies weitreichende Folgen: Ein endlichdimensionaler Hilbertraum, eine kompakte Phasenraumtopologie und damit 2.6. Zusammenhänge zwischen Glauber- und Blochzuständen 37 eine gänzlich andere Dynamik als im Fall des harmonischen Oszillators. Auf den hier beschriebenen Zusammenhang werden wir bei der Diskussion der Husimiverteilung und insbesondere ihrer Nullstellen in Abschnitt 3.3.4 noch einmal eingehen. Der Zusammenhang (2.102) lässt sich leicht auf Mehrniveau-Blochzustände (vgl. Abschnitt 2.5) und Mehrmoden-Glauberzustände (vgl. Kapitel 2.2) erweitern. Dazu nutzen wir die bereits eingeführten Zusammenhänge zwischen der Parameterisierung xk der Mehrniveau-Blochzustände, welche die relative Besetzung im k-ten Topf beschreibt, und der Parametrisierung αk der Mehrmoden-Glauberzustände: ! 21 αk = xk αeiφ X α= αk αk∗ eiφ = k α1 . |α1 | (2.106) Diese Transformation, deren Spezialfall wir bereits oben diskutiert haben, berücksichtigt gerade die Erhaltung der Teilchenzahl und den Bezug der relativen Phasen auf die Phase des ersten Potentialminimums, so dass die globale Phase leicht absepariert werden kann. Diese Variablentransformation verbindet nun die Mehrmoden-Glauberzustände mit den Mehrniveau-Blochzuständen, |αi = e− α∗ α 2 ∞ X ∞ X n1 ··· n2 ∞ nM X α1n1 α2n2 · · · αM 1 nM (n1 !n2 ! · · · nm !) 2 |n1 , n2 , . . . , nM i ∞ X X (α1 ↠)n1 (α2 ↠)n2 · · · (αM ↠)nM α∗ α 1 2 M = e− 2 |0, 0, · · · , 0i n !n ! · · · n ! P 1 2 m N =0 nj =N !N ∞ M X X α∗ α 1 † = e− 2 αj âj |0i N ! j=1 N =0 !N ∞ M iφ N X X α∗ α (αe ) 1 † √ √ = e− 2 xj âj |0i N! N ! j=1 N =0 ≡ ∞ X N =0 e− α∗ α 2 (αeiφ )N √ |xiN , N! (2.107) wobei wir den Multinomialsatz benutzt haben. Dieses Ergebnis ermöglicht es uns, die Mehrmoden-Glauberzustände als erzeugende Funktionen für die Mehrniveau-Blochzustände zu nutzen. Ein expliziter Homomorphismus zwischen den Zuständen |αi → |xi ist durch lim e−iN φ α→0 ∂ ∂α N α∗ α e 2 √ |αi = |xiN N! (2.108) gegeben. Die Ableitung nach α entspricht dabei der Ableitung nach der Normierung des Vektors α, wie sie in Gleichung (2.106) definiert wurde. Davon überzeugt man sich leicht, 38 Kohärente Zustände wenn man den Zusammenhang (2.107) einsetzt: lim e−iN φ α→0 ∂ ∂α N ! N α∗ α X α∗ α ∞ iφ N 0 2 α∗ α (αe ) ∂ e 2 e √ |αi = lim e−iN φ √ |xiN 0 e− 2 √ α→0 ∂α N! N ! N 0 =0 N 0! √ 0 0 ∞ X α(N −N ) eiφ(N −N ) N 0 ! √ |xiN 0 = lim 0 − N )! α→0 (N N ! 0 N ≥N = |xiN (2.109) Analog dazu kann man ausgehend von ∞ X |αi hα| = I ⇒ |αi hα| dφ = 2π e−|α| 2 αN +L eiφ(N −L) √ |xiN hx|L N !L! L,N =0 ∞ 2N X −|α|2 α e N =0 N! |xiN hx|N (2.110) (2.111) einen Homomorphismus zwischen den zugehörigen Projektoren finden lim 2 α →0 ∂ ∂α 2N α2 I e |αi hα| dφ = |xiN hx|N . 2π (2.112) Dieses Ergebnis erhält man auch, wenn man von Gleichung (2.108) und deren Adjungiertem ausgeht. Damit haben wir eine lineare Abbildung zwischen den verallgemeinerten Bloch- und den Glauberzuständen gefunden. Wie wir insbesondere bei der Berechnung der Zeitevolution der Husimi-Distribution sehen werden, kann es von großem Vorteil sein, den Umweg über die unabhängigen harmonischen Oszillatoren zu wählen, und dann das Ergebnis auf den Unterraum mit fester Teilchenzahl abzubilden. Im Kontext der D-Algebren in Abschnitt 4.1 ermöglicht es die Existenz des Homomorphismus, viele Strukturen der MehrmodenD-Algebra auf die Mehrniveau-D-Algebra zu übertragen. 2.6.2 Von der Blochsphäre zum Tangentialraum Die umgekehrte Idee, die Annäherung der Bewegung auf der Kugel durch die Bewegung auf der Tangentialebene, wird bereits in der grundlegenden Arbeit [40] dargestellt. Jede unitäre Transformation auf der Kugel kann als P Û = e µ iλµ Jˆµ mit λµ ∈ R (2.113) ˆ also den Erzeugern der dargestellt werden, wobei Jˆµ aus der Menge {Jˆ± , Jˆz , Jˆ0 ≡ I}, speziellen unitären Gruppe SU (2) und der Identität besteht, für die gilt h i h i h i Jˆz , Jˆ± = ±Jˆ± Jˆ+ , Jˆ− = 2Jˆz Ĵ, Jˆ0 = 0. (2.114) 2.6. Zusammenhänge zwischen Glauber- und Blochzuständen 39 Wählt man eine andere Menge von Erzeugern {ĥ± , ĥz , ĥ0 } so findet man eine lineare umkehrbare Transformation zwischen den Erzeugermengen X ĥν = Aνµ Jˆµ , (2.115) µ mit deren Hilfe man die unitären Transformationen darstellen kann als X P P ˆ e µ iλµ Jµ = e ν iαν ĥν mit αν = (A−1 )νµ λµ . (2.116) µ Eine mögliche Wahl ist die Transformation A c 0 0 0 ĥ+ Jˆ+ ĥ 0 c 0 0 Jˆ − − = , 1 ĥz 0 0 1 2c2 Jˆz ĥ0 Jˆ0 0 0 0 1 (2.117) welche von dem reellen Parameter c abhängt und für alle c 6= 0 umkehrbar ist. Damit gelten die Kommutatorrelationen h i h i h i 2 (2.118) ĥz , ĥ± = ±h± ĥ+ , ĥ− = 2c ĥz − ĥ0 ĥ, ĥ0 = 0, welche auch im Limes c → 0 wohldefiniert bleiben und mit lim ĥz = ↠â lim ĥ+ = ↠c→0 c→0 lim ĥ− = â c→0 (2.119) den bekannten Vertauschungsregeln der Heisenberg-Weyl-Algebra entsprechen. Auch wenn die Umkehrung der Transformation A−1 im Limes c → 0 nicht existiert, bleibt αν unter den folgenden Bedingungen wohldefiniert: lim c→0 ζ e−iφ θ = lim =α c c→0 2c lim c→0 ζ∗ eiφ θ = lim = α∗ . c→0 2c c (2.120) Dies entspricht gerade der physikalischen Schlußfolgerung, dass im Limes c → 0 der Rotationsoperator R̂(ζ) (2.55) in den Verschiebeoperator D̂(α) (2.6) übergeht. Weiterhin ist es sinnvoll zu fordern, dass beim Grenzübergang der Grundzustand |j, −ji in den Vakuumgrundzustand |0i übergeht. Wenden wir den Diagonaloperator ĥz , der im Grenzfall gegen den Anzahloperator n̂ geht, auf den Grundzustand |j, −ji an, gilt 1 1 ˆ ĥz |j, −ji = Jz + 2 |j, −ji = − j |j, −ji . (2.121) 2c 2c2 Dies liefert die dritte Bedingung lim c→0 1 −j 2c2 = 0. (2.122) 40 Kohärente Zustände Definieren wir |n, ∞i = lim |j, mi c→0 (2.123) bei fester Quantenzahl n = j + m, so wird der Zusammenhang zwischen Dicke- und Fockzuständen deutlich 1 † â â |n, ∞i = lim Jˆz + 2 |j, mi c→0 2c 1 (2.124) = lim (j + m) + (−j + 2 ) |j, mi = n |n, ∞i . c→0 2c Nun sind wir also wieder am Ausgangspunkt des Kapitels angelangt – der Grenzübergang c → 0 entspricht gerade dem Aufblasen der Blochkugel, wobei der Radius j = N/2 proportional zu 1/2c2 anwächst, so dass die Bewegung auf der Kugel durch die Bewegung in der Tangentialebene beschrieben werden kann. Also kann man den Grenzübergang auch als den Limes hoher Teilchenzahlen N = 1/c2 → ∞ interpretieren. Auf diese Interpretation werden wir bei der Diskussion des klassischen Limes in Kapitel 5 und im Zusammenhang mit den Nullstellen der Husimifunktion zurückkommen (siehe Abschnitt (3.3.4)). Gehen wir zurück zum Bild des Bose-Einstein-Kondensats in zwei Töpfen und betrachten den Vergleich der Dicke- und der Fockzustände, so kann man die Fockzustände |n, ∞i als Kondensate mit fester Teilchenzahl j + m = n2 im ersten Topf und unendlicher Teilchenzahl n2 = N − n1 → ∞ im zweiten lesen. Damit findet die Dynamik quasi nur am Südpol der Blochkugel statt und kann dort durch die Tangentialebene beschrieben werden. Das zweite Potentialminimum entspricht einem unerschöpflichen Teilchenreservoir und die Teilchenzahl in der ersten Mulde ergibt die Quantenzahl des harmonischen Oszillators. Analog kann natürlich auch an jeden anderen Punkt der Blochkugel eine Tangentialebene angelegt werden und die Bewegung durch die Bewegung in der Ebene angenähert werden. Kapitel 3 Quantenmechanik im Phasenraum Ein wichtiges Ziel dieser Arbeit ist die Analyse der Analogien und Unterschiede zwischen der klassischen mean-field-Dynamik und der quantenmechanischen Vielteilchendynamik. Dies ist insbesondere im Kontext der Bose-Einstein-Kondensate von größtem Interesse. Mathematisch ist dieser Übergang mit dem semiklassischen Parameter ~effektiv = 1/N zwischen dem Vielteilchenproblem in zweiter Quantisierung und der effektiven Beschreibung durch die nichtlineare Schrödingergleichung analog zum klassischen Limes ~ → 0. Daher lassen sich viele Ideen und Konzepte übertragen. Ein anschauliches Beispiel liefert der Vergleich der Unschärferelationen im ebenen Phasenraum (2.4) und auf der Kugel (2.69). Hier nimmt die relative Fläche mit steigender Teilchenzahl proportional zu 1/N ab. Dabei beschreibt der klassische Limes den Grenzwert hoher Quantenzahlen, d.h. den Bereich, in dem die Quantisierung der Energie und damit alle Quanteneffekte vernachlässigbar sind. Dieser Zusammenhang zwischen der Einteilchenquantenmechanik und der klassischen Mechanik fasziniert und beschäftigt die Physik seit dem Beginn der Quantenmechanik. Immer wieder führte diese Beziehung zu philosophischen Diskussionen und Fragen nach der Interpretation der Quantenmechanik. Ein berühmtes Beispiel ist die Debatte zwischen Max Born und Albert Einstein ausgehend vom klassische Limes eines Punktteilchens zwischen zwei reflektierenden Wänden [49]. Diese Diskussion gab den Anstoß zu Einsteins Ensemble-Interpretation der Quantenmechanik [50]. Doch der Grenzbereich zwischen klassischer Mechanik und Quantenmechanik führte nicht nur zu vielfältigen philosophischen Debatten, sondern auch zu der Entwicklung einer Fülle an neuen Methoden und Techniken, insbesondere auf dem Gebiet der Quantenoptik und des Quantenchaos (siehe z.B. [51, 52]). Dabei erweist sich die Übertragung der Idee der Phasenraumverteilungen von der klassischen Mechanik auf die Quantenmechanik als äußerst fruchtbar. Eine verständliche Einführung in das Gebiet der Quantenoptik im Phasenraum und einen guten Überblick auch über aktuelle Themen der Forschung findet sich zum Beispiel in dem Buch [53]. Nun wollen wir diese Techniken und Methoden auch für die Analyse des Übergangs von erster zu zweiter Quantisierung nutzen. Daher sollen in diesem Kapitel die Grundlagen für die folgenden Kapitel geschaffen werden, um die Vielteilchendynamik im Phasenraum zu untersuchen und zu visualisieren. 42 Quantenmechanik im Phasenraum In der statistischen Mechanik beschreibt eine klassische Phasenraumdichte ρklassisch (p, q, t)dpdq (3.1) die Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Ensembles von Teilchen im infinitisemalen Phasenraumelement dpdq, dessen Dynamik durch eine Hamiltonfunktion H(p, q, t) gegeben ist. Dabei geben die Vektoren (p, q) konjugierte Variablen an, die jedoch nicht zwangsläufig dem Ort und dem Impuls entsprechen müssen, sondern verallgemeinerte Phasenraumparameter darstellen. Aus der Wahrscheinlichkeitsinterpretation ergeben sich die Eigenschaften der klassischen Phasenraumdichten: Diese sind reell und nicht-negativ, ρklassisch (p, q, t) ∈ R und ρklassisch (p, q, t) ≥ 0, (3.2) und normierbar: Z ρklassisch (p, q, t)dpdq < ∞. (3.3) Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit in Abhängigkeit eines Phasenraumparameters p oder q ergibt sich durch die Marginalverteilungen: Z Z P (q, t) = ρklassisch (p, q, t)dp und P (p, t) = ρklassisch (p, q, t)dpdq. (3.4) Den Erwartungswert einer Observable B(p, q) erhält man aus dem Phasenraummittel Z Z hBit = B(p, q)ρklassisch (p, q, t)dpdq. (3.5) Die erste Idee dieses Konzept auf die Quantenmechanik zu übertragen stammt von Wigner [54], der bereits 1932 eine erste, später nach ihm benannte Phasenraumverteilung vorschlug. Moyal zeigte 1949 [55], dass man durch die Wignertransformation jedem Operator auf dem Hilbertraum eine Funktion auf dem klassischen Phasenraum zuordnen kann. Dies stellt die Umkehrung der Korrespondenzregel von Weyl [56] dar. Analog zum klassischen Phasenraummittel ergibt sich dabei der Erwartungswert eines beliebigen Operators B̂ aus dem Integral über das Weylsymbol B(p, q) dieses Operators und die Wignerfunktion ρQM (p, q, t) Z Z hB̂it = B(p, q)ρQM (p, q, t)dpdq. (3.6) Damit erlaubt die Phasenraum-Darstellung der Quantenmechanik, auch bekannt als MoyalQuantisierung, diese formal als statistische Theorie auf dem klassischen Phasenraum zu interpretieren. Diese Analogie ist jedoch nur formaler Natur, da man zeigen kann, dass es keine quantenmechanische Phasenraumverteilung gibt, die alle Eigenschaften einer klassischen Phasenraumdichte erfüllt [57]. Der Verzicht auf unterschiedliche Forderungen führt zu unterschiedlichen Phasenraumverteilungen mit eigenen Vor- und Nachteilen. Da die Phasenraumdarstellungen in der Quantenmechanik nicht eindeutig sind und 43 nicht alle Eigenschaften einer klassischen Dichte aufweisen spricht man oft von Quasi-Phasenraumverteilungen. Die bekanntesten Phasenraumfunktionen neben der Wignerfunktion sind die Glauber-Sudarshan-Darstellung [22, 23, 58] und die Husimi-Q-Funktion [59, 60]. Während der symmetrischen Ordnung der Orts- und Impulsoperatoren, bzw. der bosonischen Vernichtungs- und Erzeugungoperatoren die Wignerfunktion entspricht, folgt aus einer normalen Ordnung die Glauber-Sudarshan-Darstellung und aus einer antinormalen Ordnung die Husimi-Q-Funktion. Die ursprünglichen Ideen wurden in den Siebzigern des vergangenen Jahrhunderts weiterentwickelt [61–66]. In Abhängigkeit von der Operatorordnung findet man so eine ganze Familie von s-parametrisierten Phasenraumfunktionen, wobei s = +1 der normalen Ordnung entspricht, s = 0 der symmetrischen und s = −1 der anti-normalen Ordnung. Die s-parametrisierten Phasenraumfunktionen spielen insbesondere bei der Messung des Quantenzustands eines Strahlungsfelds und bei der Rekonstruktion von Quantenzuständen eine wichtige Rolle (siehe zum Beispiel [67]). Wir werden im folgenden nicht der historischen Diskussion folgen, sondern den Schwerpunkt auf die Zusammenhänge mit den verallgemeinerten kohärenten Zuständen legen, welche wir bereits in Kapitel 2 kennengelernt haben. Wie wir sehen werden, bestimmen die verallgemeinerten kohärenten Zustände nicht nur die Struktur des Phasenraums, sondern sind grundlegend mit den Phasenraumdarstellungen verknüpft. Dazu stellen wir einen beliebigen Operator B̂ auf dem Hilbertraum in der übervollständigen Basis der verallgemeinerten kohärenten Zustände |Ωi , |Ω0 i dar: Z Z B̂ = |Ωi hΩ|B̂|Ω0 i hΩ0 | dµ(Ω)dµ(Ω0 ), (3.7) Dabei steht dµ(Ω) und dµ(Ω0 ) für das zugehörige Integrationsmaß des Phasenraums. Aus dieser allgemeinen Darstellung erhält man als Spezialfall die bekanntesten Quasi-Phasenraumverteilungen: • Die Glauber-Sudarshan-Darstellung, BP (Ω), entspricht der Diagonaldarstellung des Operators B̂ in den kohärenten Zuständen, Z B̂ = BP (Ω) |Ωi hΩ| dµ(Ω). (3.8) Da die kohärenten Zustände eine übervollständige Basis darstellen, ist diese Darstellung immer möglich, im allgemeinen jedoch nicht eindeutig. Die P-Funktion entspricht der Glauber-Sudarshan-Darstellung des Dichteoperators ρ̂, Z ρ̂ = P(Ω) |Ωi hΩ| dµ(Ω). (3.9) Die Glauber-Sudarshan-Darstellung ermöglicht formal also eine einfache Rekonstruktion des Operators, die explizite Berechnung der Darstellung ist jedoch nicht immer einfach. Zudem ist die Glauber-Sudarshan-Darstellung schon bei Standardbeispielen wie dem Dichteoperator eines Fockzustands nur als singuläre Distribution 44 Quantenmechanik im Phasenraum definiert. Der Erwartungswert eines beliebigen Operators B̂ ergibt sich als Lösung des Integrals Z hB̂i = tr ρ̂B̂ = P(Ω)hΩ|B̂|Ωidµ(Ω). (3.10) • Die Husimi-Darstellung, BQ (Ω), ist definiert als Erwartungswert des Operators B̂ in kohärenten Zuständen BQ (Ω) = hΩ|B̂|Ωi, (3.11) diese ist eindeutig. Die Q-Funktion, welche in der mathematischen Literatur auch als Wick-Symbol oder Kovariante bekannt ist (siehe zum Beispiel [68]), ergibt sich damit aus dem Erwartungswert des Dichteoperators als Funktion des Phasenraumparameters Ω, Q(Ω) = hΩ|ρ̂|Ωi. (3.12) Anders als die P-Funktion ist die Husimi-Darstellung für physikalische, d.h. positiv definite, normierbare Dichteoperatoren nicht singulär. Umgekehrt entspricht jedoch nicht jede zulässige Funktion auch einem physikalischen Zustand, welcher die Unschärferelation erfüllt. Die Rekonstruktion des Operators aus der Phasenraumverteilung ist möglich, da die kohärenten Zustände eine übervollständige Basis bilden. Nach Gleichung (3.7) benötigt man hierfür auch die Nebendiagonalelemente, welche man durch analytische Fortsetzung der Husimi-Darstellung erhält. Eine andere Möglichkeit werden wir am Ende dieses Kapitels kennenlernen – die Rekonstruktion aus den Nullstellen. Beide Vorgehen sind praktisch oft nur schwer durchführbar. Wir werden im folgenden daher einen systematischeren Weg wählen. Den Erwartungswert eines beliebigen Operators B̂ erhält man aufgrund der asymmetrischen Operatorordnung wie folgt: Z hB̂i = tr ρ̂B̂ = Q(Ω)BP (Ω)dµ(Ω). (3.13) Wie im Fall der P-Funktion (3.10) benötigt man also beide Phasenraumdarstellungen um den Erwartungswert zu berechnen. • Die Wigner-Weyl-(W )-Darstellung für beliebige Operatoren Â, B̂ im Phasenraum der kohärenten Zustände muss zwei Bedingungen erfüllen: Es muss eine eindeutige, umkehrbare Abbildung zwischen dem Raum der Operatoren auf dem Hilbertraum und dem Raum der Phasenraumfunktionen existieren B̂ ↔ BW , und es gilt die Überlappbedingung Z hÂB̂i = tr ÂB̂ = AW (Ω)BW (Ω)dµ(Ω). (3.14) (3.15) 3.1. Die Stratonovich-Weyl-Korrespondenz Damit ergibt sich der Erwartungswert eines beliebigen Operators B̂ Z hB̂i = tr ρ̂B̂ = W(Ω)BW (Ω)dµ(Ω) 45 (3.16) mit der Definition W(Ω) ≡ ρW aufgrund der symmetrischen Operatorordnung alleine aus Wigner-Weyl-Darstellung des Operators und der Dichtefunktion. Auch wenn der Zusammenhang zwischen der Wigner-Darstellung und den verallgemeinerten kohärenten Zuständen nicht so offensichtlich auf der Hand liegt wie bei den beiden anderen Phasenraumfunktionen, wird der systematische Ansatz, welcher im folgenden Abschnitt vorgestellt wird, zeigen, dass man auch diese Phasenraumfunktion auf kohärente Zustände zurückführen kann . 3.1 Die Stratonovich-Weyl-Korrespondenz Das Hauptaugenmerk bei der Entwicklung des Moyal-Formalismus lag auf Systemen, welche durch harmonische Oszillatoren beschrieben werden können, d.h. auf dem Fall eines ebenen Phasenraums. Lange Zeit war nicht klar, wie diese Ideen systematisch auf Systeme mit intrinsischen Symmetrien und Erhaltungsgrößen erweitert werden können. Die Idee von Stratonovich [69], die lineare, bijektive Abbildung zwischen den Operatoren auf dem Hilbertraum und den Funktionen auf dem Phasenraum durch einen Integralkern zu lösen, fand zunächst kaum Aufmerksamkeit. Erst dreißig Jahre später wurde sie wiederentdeckt [70, 71] und auf verschiedenste Probleme angewendet (siehe [72] und Referenzen darin). Weitere zehn Jahre später schlugen Brif und Mann einen systematischen Weg zur Konstruktion des Integralkerns für Systeme vor, deren dynamische Gruppe einer endlichdimensionalen Liegruppe entspricht [73, 74]. Dabei nutzen Brif und Mann das Konzept der kohärenten Zustände als Verbindungsglied zwischen der geometrischen Konstruktion und den Phasenraumdarstellungen. In diesem Abschnitt werden wir ihrem Ansatz folgen um die Bezüge zwischen den Phasenraumverteilungen unterschiedlicher dynamischer Liegruppen herauszuarbeiten. Nach der allgemeinen Diskussion werden wir zunächst auf den ebenen Fall eingehen, um dann ausführlich die Phasenraumverteilungen auf der Kugel zu diskutieren. Um das Konzept des Phasenraums auf die Quantenmechanik übertragen zu können, müssen für die quantenmechanischen Phasenraumfunktionen ähnliche Eigenschaften gelten wie für die klassischen Wahrscheinlichkeitsverteilungen. Sei also B̂ ein Operator, welcher auf dem Hilbertraum H des Systems definiert ist. Dann können wir B̂ abbilden auf (s) eine Familie von s-parametrisierten Funktionen FB̂ (Ω) auf dem klassischen Phasenraum X. Dabei entspricht die Phasenraumvariable Ω der Parametrisierung der verallgemeinerten kohärenten Zustände. Dies führt zu den folgenden Anforderungen an das Stratonovich-Weyl-Symbol des Ope(s) rators FB̂ (Ω): 46 Quantenmechanik im Phasenraum (s) • Die Abbildung B̂ → FB̂ (Ω) ist linear und eindeutig umkehrbar. Dies ist die minimale Bedingung um eine statistische Interpretation zu ermöglichen. • Die Beziehung zwischen dem Operator B̂ und seinem adjungierten Operator B̂ † überträgt sich wie folgt auf die Phasenraumverteilungen: h i∗ (s) (s) (3.17) FB̂ † (Ω) = FB̂ (Ω) . Damit ist insbesondere das Stratonovich-Weyl-Symbol von selbstadjungierte Operatoren B̂ ≡ B̂ † eine reelle Funktion. (s) • Die Funktion FB̂ (Ω) ist normierbar, Z X (s) FB̂ (Ω)dµ(Ω) = tr B̂. (3.18) Das Bild des Einheitsoperators Iˆ ist also die konstante Funktion 1X und für den Fall B̂ = ρ̂ entspricht diese Bedingung der Erhaltung der Gesamtwahrscheinlichkeit. • Das Stratonovich-Weyl-Symbol ist kovariant unter einer linearen Evolution in den Generatoren der dynamischen Lie-Gruppe. Formal bedeutet dies, dass die Phasenraumverteilung eines Operators B̂ unter der verallgemeinerten Translation R̂ (vergleiche Abschnitt 2.3) forminvariant ist, d.h. die Wirkung der Translation auf die Phasenraumparameter umgeschrieben werden kann: (s) (s) FR̂B̂ R̂−1 (Ω) = FB̂ (R · Ω). (3.19) Anschaulich bedeutet diese Forderung, dass die Phasenraumdarstellung die zugrundeliegenden Symmetrien des Systems respektiert und wiederspiegelt. • Für das Produkt zweier Operatoren gilt eine verallgemeinerte Überlappbedingung oder Spurbedingung: Z (s) (−s) (3.20) F (Ω)FB̂ (Ω)dµ(Ω) = tr (ÂB̂). Diese Forderung entspricht der Verallgemeinerung der Bedingung an die Wignerfunktion (3.15) auf eine beliebige Operatorordnung s. Ersetzt man einen der Operatoren durch den Dichteoperator, so erhält man die Verallgemeinerung der Gleichungen (3.10) und (3.13) für den Erwartungswert einer Operators. Anders als im klassischen Fall (3.6) muss die Operatorordnung bei der Berechnung des Erwartungswerts also berücksichtigt werden. Diese letzte Bedingung spielt insbesondere bei der Eindeutigkeit der Definition der Phasenraumverteilungen und bei der Berechnung von Operatorprodukten über den Stern-Produkt-Ansatz eine wichtige Rolle [75]. 3.1. Die Stratonovich-Weyl-Korrespondenz 47 Die Analogien zur klassischen Wahrscheinlichkeitsinterpretation liegen auf der Hand. Der Vorschlag von Stratonovich zur allgemeinen Konstruktion der Quasi-Phasenraumverteilungen beruht auf einer s-parametrisierten Familie von operatorwertigen Funktionen ˆ (s) (Ω) mit deren Hilfe man die Abbildung B̂ → F (s) (Ω) über die Spuroperation darstel∆ B̂ len kann als (s) ˆ (s) (Ω)). FB̂ (Ω) = tr(B̂ ∆ (3.21) Diese Beziehung ist auch unter dem Namen verallgemeinerte Weylregel bekannt und die ˆ (s) (Ω) nennt man Stratonovich-Weyl-Kern. Mithilfe des Kerns und der verOperatoren ∆ allgemeinerten Überlappbedingung (3.20) kann man diese Beziehung umkehren: Z (s) ˆ (−s) (Ω)dµ(Ω). B̂ = FB̂ (Ω)∆ (3.22) Damit erfüllt die Abbildung bereits die erste Forderung nach Linearität und gewährleistet die Invertierbarkeit. Die weiteren oben diskutierten Bedingungen an das Weylsymbol des Operators lassen sich ebenfalls einfach in Eigenschaften des Stratonovich-Weyl-Kerns ˆ (s) (Ω) übersetzen: ∆ • Hermitizität h i† ˆ (s) (Ω) = ∆ ˆ (s) (Ω) , ∆ ∀ Ω ∈ X, (3.23) • Vollständigkeit Z ˆ (s) (Ω)dµ(Ω) = I, ˆ ∆ (3.24) X • Kovarianz ˆ (s) (R · Ω) = R̂∆ ˆ (s) (Ω)R̂−1 . ∆ (3.25) Im Fall anti-normaler Operatorordnung, s = −1, ist der Stratonovich-Weyl-Kern wohlbekannt: ˆ (−1) (Ω) = |Ωi hΩ| . ∆ (3.26) Im Folgenden werden wir sehen, dass auch die Erweiterung auf beliebige Operatorordnungen s ∈ [−1, 1] die Komplexität der Lösung nur unwesentlich erhöht. Mithilfe der invertierten Weylregel (3.22) und der verallgemeinerten Überlappbedingung (3.20) findet man die folgende Beziehung zwischen zwei Phasenraumfunktionen mit unterschiedlichem Index s 6= s0 : Z (s) (s0 ) F (Ω) = Ks,s0 (Ω, Ω0 )F (Ω0 )dµ(Ω0 ) (3.27) X ˆ (s) (Ω)∆ ˆ (s0 ) (Ω0 ) . mit Ks,s0 (Ω, Ω0 ) = tr ∆ (3.28) 48 Quantenmechanik im Phasenraum Dabei gibt es einen interessanten Spezialfall, den wir im weiteren noch benutzen werden: Z (s) (s) (3.29) F (Ω) = K(Ω, Ω0 )F (Ω0 )dµ(Ω0 ). X Die Funktion K(Ω, Ω0 ) ≡ Ks=s0 (Ω, Ω0 ) verhält sich also wie eine Diracsche δ-Distribution auf dem klassischen Phasenraum X. 3.1.1 Die Konstruktion des Stratonovich-Weyl-Kerns In diesem Abschnitt werden wir die oben diskutierten Eigenschaften des StratonovichWeyl-Kerns nutzen, um eine systematische Konstruktionsvorschrift für beliebige dynamische Gruppen anzugeben. Dabei setzen wir den Schwerpunkt auf die zugrundeliegenden Ideen und auf Zusammenhänge, ausführliche Rechnungen und Beweise finden sich in [73, 74]. Die drei wichtigen Konzepte – harmonische Funktionen, invariante Koeffizienten und Tensoroperatoren – werden hierbei durch die verallgemeinerten kohärenten Zustände zusammengeführt. Um das allgemeine Vorgehen zu illustrieren und die verwendeten Konzepte zu erläutern, werden wir immer wieder kurz auf die dynamischen Gruppen eingehen, die in dieser Arbeit von Interesse sind. Eine ausführliche Diskussion der Heisenberg-Weyl Gruppe und die spezielle unitäre Gruppe SU (2) folgt am Ende des Kapitels. Betrachten wir also den Hilbertraum H = L2 (X, µ) der quadratintegrablen Funktionen auf dem klassischen Phasenraum X mit Integrationsmaß µ(Ω). Als mögliche Basis wählen wir die harmonischen Funktionen Yν (Ω), die Eigenfunktionen des LaplaceBeltrami-Operators. Diese bilden eine vollständig und orthonormale Menge von Basisfunktionen, denn es gilt: X Yν∗ (Ω)Yν (Ω0 ) = δ(Ω − Ω0 ) (3.30) Zν Yν∗ (Ω)Yν 0 (Ω)dµ(Ω) = δνν 0 . (3.31) X Dabei ist zu beachten, dass der Multiindex ν für einen kompakten Phasenraum wie die Blochsphäre diskret sein kann, für nicht-kompakte Mannigfaltigkeiten wie die komplexe Ebene jedoch kontinuierlich. In diesem Fall steht das Kronecker-Symbol δνν 0 für die Diracsche Deltafunktion δ(ν − ν 0 ) und die Summe über ν geht in ein Integral über. Für die in dieser Arbeit betrachteten Systeme sind die harmonischen Funktionen wohlbekannt. Für die Heisenberg-Weyl Gruppe mit dem komplexen Phasenraumparameter α ∈ C sind die Lösungen des Laplace-Operators gerade die Exponentialfunktionen mit dem kontinuierlichen Index ν entsprechend dem Eigenwert des Laplaceoperators ν ≡ ζ ∈ C: Yν (Ω) ≡ Yζ (α) = eζα ∗ −ζ ∗ α . (3.32) Mit dem Integrationsmaß dµ(Ω) ≡ π −1 dζ 2 ist das Kroneckersymbol hier also als δνν 0 ≡ πδ (2) (ζ−ζ 0 ) zu interpretieren. Auf der Blochkugel hingegen ist der Index ν ≡ {l, m} diskret 3.1. Die Stratonovich-Weyl-Korrespondenz 49 und die harmonischen Funktionen sind proportional zu den Kugelflächenfunktionen, r 4π Yν (Ω) ≡ Y`,m (θ, φ), (3.33) 2j + 1 mit ` ∈ N0 und m = −`, −` + 1, ..., −`. Dabei muss man unterschieden zwischen der Dimension des Hilbertraums 2j + 1 = N + 1 und dem Eigenwert des Laplaceoperators in sphärischen Koordinaten `. Da der Vorfaktor nur eine Normierungskonstante ist, hängt dieser nur von der Dimension des Hilbertraums und nicht vom Eigenwert des Operators ab. Nun führen wir die invarianten Koeffizienten τν über den Überlapp der verallgemeinerten kohärenten Zustände ein: X X |hΩ|Ω0 i|2 = τν Yν∗ (Ω)Yν (Ω0 ) = τν Yν∗ (Ω0 )Yν (Ω). (3.34) ν ν Invariant bedeutet hierbei, dass die Koeffizienten τν nur vom Eigenwert des LaplaceBeltrami-Operators abhängen, nicht von dem Anteil des Multiindindex ν, der den irreduziblen Unterraum charakterisiert. Anschaulich kann man das am Beispiel der dynamischen Gruppe SU (2) verstehen: Der Eigenwert des Laplace-Beltrami-Operators l ändert sich unter der Wirkung eines Restklassenelements (entsprechend der Rotation R̂, vergleiche (2.55)) nicht, genau wie der Überlapp der kohärenten Zustände sich unter Rotation nicht ändert. Die magnetische Quantenzahl m hingegen kann variieren. Damit hängt auch der invariante Index in diesem Fall nur von der Eigenwert l ab, τν = τl . Das letzte Konzept, das wir benötigen sind Tensoroperatoren T̂ν , welche wie folgt definiert werden: Z − 21 (3.35) Yν (Ω) |Ωi hΩ| dµ(Ω) T̂ν ≡ τν X Diese sind orthonormal, tr T̂ν T̂ν†0 = δνν 0 , (3.36) wobei wir auch hier auf die erweiterte Bedeutung des Kroneckersymbols (vergleiche Glei√ chung (3.31)) zurückgreifen. Dies zeigt, dass der Vorfaktor 1/ τν als Normierungskonstante in Abhängigkeit des Eigenwerts des Laplaceoperators interpretiert werden kann. Der Erwartungswert der Tensoroperatoren in kohärenten Zuständen ergibt die (reskalierten) harmonischen Funktionen, √ hΩ| T̂ν |Ωi = τν Yν (Ω). (3.37) Die Übervollständigkeit der kohärenten Zustände und die Eigenschaften der harmonischen Funktionen gewährleisten, dass jeder Operator B̂ auf dem Hilbertraum H in der orthogonalen Basis der Tensoroperatoren dargestellt werden kann: X B̂ = tr B̂ T̂ν† T̂ν , (3.38) ν 50 Quantenmechanik im Phasenraum die Tensoroperatoren sind also vollständig. ˆ (s) (Ω) anzugeben, wählen wir diese Um die explizite Form des Stratonovich-Weyl-Kerns ∆ Darstellung des Operators und machen den folgenden Ansatz: X ˆ (s) (Ω) ≡ ∆ f (s; τν )Yν∗ (Ω)T̂ν (3.39) ν Die Wahl der harmonischen Funktionen als Basis im Raum der Funktionen auf dem Phasenraum X garantiert die Erhaltung der zugrundeliegenden Symmetrien. Damit kann man die Funktion f (s; τν ) so wählen, dass sie nicht mehr vom Phasenraumparameter Ω anhängt. Da die harmonischen Funktionen jedoch genau wie die Tensoroperatoren unabhängig von der Operatorordnung s sind, muss die Funktion f (s; τν ) also zwingend von s abhängen. Die einzige weitere verbleibende Möglichkeit stellt damit das Argument τν dar, welches unter anderem der Normierung dient. Um die Funktion f (s; τν ) eindeutig zu bestimmen, nutzt man die an den Kern gestellten Forderungen, welche wir im vorherigen Abschnitt ausführlich diskutiert haben. Zusätzlich fordern wir, dass sich für s = −1 der bekannte antinormalgeordnete Kern (3.26) ergibt. Dies führt schließlich auf die einfache Form −s f (s; τν ) = τν 2 , (3.40) und damit auf die explizite Darstellung des Stratonovich-Weyl-Kerns X −s X −s ˆ (s) (Ω) = τν 2 Yν (Ω)T̂ν† . ∆ τν 2 Yν∗ (Ω)T̂ν = (3.41) ν ν Damit ergeben sich die bekannten Phasenraumverteilungen zu X −1 (1) † 2 τν tr B̂ T̂ν Yν (Ω) PB (Ω) ≡ FB (Ω) = (3.42) ν (0) WB (Ω) ≡ FB (Ω) = X tr B̂ T̂ν† Yν (Ω) (3.43) ν (−1) QB (Ω) ≡ FB (Ω) = X +1 τν 2 tr B̂ T̂ν† Yν (Ω). (3.44) ν Diese unterschieden sich also nur durch Potenzen der invarianten Koeffizienten. Damit findet man die folgenden Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Phasenraumverteilungen: X√ Z BQ (Ω) = τν Yν (Ω)∗ Yν (Ω0 )BW (Ω0 )dµ(Ω0 ), (3.45) X ν BW (Ω) = X√ ν Z τν Yν (Ω)∗ Yν (Ω0 )BP (Ω0 )dµ(Ω0 ). (3.46) X Dies kann man als graduellen Glättungseffekt verstehen – von der singulären P-Distribution zur Wignerfunktion und von der schnell oszillierenden Wignerfunktion zur Husimifunktion. 3.2. Flachland 51 Allgemein findet man den Zusammenhang Z (s) (s0 ) F (Ω) = Ks,s0 (Ω, Ω0 )F (Ω0 )dµ(Ω0 ) X ˆ (s) (Ω)∆ ˆ (s0 ) (Ω0 ) , mit Ks,s0 (Ω, Ω0 ) = tr ∆ (3.47) (3.48) wobei die Funktionen Ks,s0 (Ω, Ω0 ) nun über die invarianten Koeffizienten und die harmonischen Funktionen ausgedrückt werden können: K s,s0 0 (Ω, Ω ) = X s−s0 2 τν Yν (Ω)Yν∗ (Ω0 ). (3.49) ν Die normale und antinormale Phasenraumverteilungen hängen unabhängig vom zugrundeliegenden Phasenraum über eine Faltung mit dem Überlappquadrat der verallgemeinerten kohärenten Zustände zusammen: K1,−1 (Ω, Ω0 ) = |hΩ|Ω0 i|2 . 3.2 (3.50) Flachland Über die Phasenraumverteilungen in der komplexen Ebene liegt eine Fülle an Literatur vor. Wir werden uns in diesem Kapitel nur auf die Eigenschaften konzentrieren, welche für den Vergleich mit den Phasenraumverteilungen auf der Kugel eine Rolle spielen. Für weitergehende Informationen sei auf die Literatur und die Referenzen in den zitierten Artikeln verwiesen [53,72,76–78]. Dabei stellen die angegebenen Referenzen nur eine kleine und keineswegs vollständige Auswahl dar. Ausgehend von den Glauberzuständen haben wir bereits ausführlich die Struktur des klassischen Phasenraums X' H4 H3 ' 'C U (1) ⊗ U (1) U (1) (3.51) diskutiert. Die zugehörigen harmonischen Funktionen sind die Exponentialfunktionen (3.32) und der Multiindex vereinfacht sich zu dem stetigen komplexen Parameter ν ≡ ζ ∈ C. Die invarianten Koeffizienten erhält man mithilfe einer Fouriertransformation aus dem Überlapp der Glauberzustände, Z 2 ∗ ∗ dζ α∗ β− 12 (α∗ α+β ∗ β) hα|βi = e = τζ eζ (α−β)−ζ(α−β) , (3.52) π C welchen man durch die harmonischen Funktionen darstellt (vergleiche Formel (3.34)). Als Lösung ergeben sich die Gaussfunktionen: 2 τζ = e−|ζ| . (3.53) 52 Quantenmechanik im Phasenraum Damit haben wir alle Bausteine zusammen, die wir benötigen um den Tensoroperator (3.35) in der Ebene zu definieren: Z |ζ|2 dζ 2 ∗ ∗ . (3.54) T̂ν ≡ T̂ζ = e 2 eζα −ζ α |αi hα| π C † ∗ Dieser ist äquivalent zum Verschiebeoperator T̂ζ ≡ D̂(ζ) = eζâ −ζ â , dem Ausgangspunkt der Definition der kohärenten Zustände. Dies illustriert die Invarianz des Indizes, da der Verschiebeoperator als Element der Restklasse bei Gruppentransformationen genau wie die harmonischen Funktionen nur eine Phase aufsammelt. Somit findet man den Stratonovich-Weyl-Kern der Heisenberggruppe Z 2 s|ζ|2 ∗ ∗ † ∗ dζ (s) ˆ (α) = , (3.55) ∆ e 2 eζ α−ζα eζâ −ζ â π C dieser stimmt exakt mit dem bekannten Ergebnis von Cahill und Glauber [61,62] überein. Dieses Ergebnis führt direkt zur Darstellung der Phasenraumfunktionen als Fouriertransformationen der jeweiligen charakteristischen Funktionen χs (ζ, ζ ∗ ), was man wie folgt sieht: (s) ˆ (s) (α) FB̂ (α) = tr B̂ ∆ 2 Z s|ζ|2 dζ † −ζ ∗ â ζ ∗ α−ζα∗ ζâ = e tr B̂e 2 e π ZC 2 dζ ∗ ∗ . ≡ eζ α−ζα χs (ζ, ζ ∗ ) (3.56) π C In den folgenden Abschnitten werden wir nun auf die bekannten Phasenraumverteilungen für s = +1, 0, −1 eingehen. 3.2.1 Die P-Funktion Die P-Funktion entspricht der Diagonaldarstellung des Dichteoperators in den Glauberzuständen Z d2 α . (3.57) ρ̂ = P(α) |αi hα| π C Formal kann man dies als Darstellung des Dichteoperators als Ensemble von kohärenten Zuständen interpretieren. Die zugehörige charakteristische Funktion χ1 lautet (vergleiche [76]): † ∗ χ1 (η) ≡ tr(ρ̂eηâ e−η â ) η ∈ C. (3.58) Damit ergeben sich die die Erwartungswerte normal geordneter Operatoren aus einem klassischen Phasenraummittel Z d2 α † r s . (3.59) h(â ) â i = (α∗ )r αs P(α) π C 3.2. Flachland 53 Für die Berechnung des Erwartungswerts eines beliebig geordneten Operators B̂ benötigt man jedoch neben der P-Funktion die Q-Darstellung des Operators Z d2 α hB̂i = trρ̂B̂ = P(α)hα|B̂|αi (3.60) . π Ein großer Vorteil der P-Funktion ist ihre einfache Form für einen kohärenten Zustand |βi. Hier ergibt die P-Darstellung gerade eine zweidimensionale δ-Distribution: P|βi (α) = πδ 2 (α − β). (3.61) Daher kann man einen kohärenten Zustand in P-Darstellung als Punkt im Phasenraum veranschaulichen. Bereits für einen Fockzustand |ni hn| ist aber eine Definition der PFunktion nur noch mithilfe von verallgemeinerten Distributionen möglich, n ∂2 1 |α|2 P (α) = e δ 2 (α), (3.62) n! ∂α∂α∗ und ein gequetschter Zustand erfordert bereits Ableitungen unendlicher Ordnung. Dies erschwert insbesondere die numerische Kalkulation und graphische Darstellung. 3.2.2 Die Wigner-Funktion Wigner war der erste, der bereits 1932 das Konzept der Phasenraumverteilungen auf die Quantenmechanik übertrug [54]. Die Wignerfunktion hat heute eine Vielzahl von Anwendungen nicht nur in der Quantenoptik, Quantenchemie und in der statistischen Mechanik. Einen ausführlichen Überblick mit vielen Referenzen bietet das Buch [79]. Auch experimentell ist die Wignerfunktion von Interesse – so wurden zum Beispiel mithilfe tomographischer Methoden die Wignerfunktion eines Strahlungsfeldes und eines Ensembles von Heliumatomen bestimmt [80–82]. In den Phasenraumkoordinaten (p, q) ist die Wignerfunktion des Dichteoperators definiert als Z ∞ 1 (3.63) W(p, q) = hq − y|ρ̂|q + yie2ipy dy. ~π −∞ Für einen reinen Zustand ρ̂ = |ψi hψ| ergibt sich die Wignerfunktion also als eine Faltung Z ∞ 1 W(p, q) = ψ ∗ (q + y)ψ(q − y)e2ipy dy. (3.64) ~π −∞ Da die Eigenschaften der Wignerfunktion eines reinen Zustands leicht auf den Fall eines gemischten Zustands verallgemeinert werden können, werden wir im folgenden nur diese diskutieren. Dazu äquivalent ist die Darstellung in den Glauberzuständen, Z ∞ 2 0 0∗ ∗ 0d α W(α) = hα − α0 |ρ̂|α + α0 ieαα −α α , (3.65) π −∞ 54 Quantenmechanik im Phasenraum welche man mithilfe von Gleichung (2.2) auf die Darstellung in (p, q) zurückführen kann. Beide Darstellungen können leicht auf höhere Dimensionen verallgemeinert werden [76] und man kann mithilfe des Baker-Campell-Hausdorff-Theorems (vgl. (2.16)) zeigen, dass das Ergebnis äquivalent zum Ansatz über die symmetrisch geordnete charakteristische Funktion χ0 (ζ, ζ ∗ ) = eηâ † −η ∗ â (3.66) ist. Eine ausführliche Rechnung findet sich in der Standardliteratur, siehe z.B. [83]. Bereits in den ersten Arbeiten war Wigner bekannt, dass die Wahl dieser Phasenraumdarstellung keineswegs eindeutig ist. Seine ursprüngliche Wahl fiel daher auf die einfachste Phasenraumfunktion deren Galilei-Transformationen den Transformationen der Wellenfunktion entsprechen. Später zeigte er, dass diese Wahl eindeutig ist, wenn man die folgenden Eigenschaften fordert [57]: • W(p, q) ist eine hermitische Form des Zustandsvektors, d.h. es gibt einen selbstadjungierten Operator M̂ (p, q), so dass wir die Wignerfunktion schreiben können als W(p, q) = hψ| M̂ (p, q) |ψi . (3.67) Insbesondere ist die Wignerfunktion damit reell. Die Verallgemeinerung dieser Forderung führt auf die erste Bedingung an den Stratonovich-Weyl-Kern (3.23). • Die Wignerfunktion ist normierbar Z ∞ Z ∞ dq dpW(p, q) = trρ̂ = 1 −∞ für hψ|ψi = 1 (3.68) −∞ und ergibt die Marginalverteilungen Z ∞ W(p, q)dp = hq|ρ̂|qi und −∞ Z ∞ W(p, q)dpdq = hp|ρ̂|pi. (3.69) −∞ Auch die Forderung nach Normierbarkeit überträgt sich auf den Stratonovich-WeylKern (vergleiche (3.24)). Die zweite Eigenschaft der Marginalverteilungen ist jedoch eine spezifische Eigenschaft der Wignerfunktion und daher nicht oder nur unter großen Mühen auf beliebige Operatorordnungen verallgemeinerbar. So kann man allgemein zeigen, dass es keine Phasenraumverteilung gibt, die positiv definit ist (wie die Husimifunktion) und die richtigen Marginalverteilungen liefert [57]. Dennoch kann man durch die Erweiterung auf unscharfe Phasenräume basierend auf gequetschten Zuständen und mithilfe von sogenannten Vertrauensmaßen auch hier die richtigen Randverteilungen konstruieren [84, 85]. • Galileitransformationen des Zustandsvektors entsprechen den Transformationen der W -Funktion, i 0 0 ψ(q) → e ~ p (q+q ) ψ(q + q 0 ) ↔ W(q, p) → W(q + q 0 , p − p0 ), (3.70) 3.2. Flachland 55 und die Wignerfunktion ist invariant unter Zeit- und Raumspiegelungen. Dies entspricht der Forderung nach Kovarianz – die Wignerfunktion spiegelt also genau wie der Stratonovich-Weyl-Kern (3.25) die Symmetrien des zugrundeliegenden Systems wider. • Im kräftefreien Fall entspricht die Zeitentwicklung der klassischen Zeitentwicklung Ẇ(p, q) = − p ∂ W(p, q). m ∂q (3.71) Auf diesen Punkt werden wir beim Vergleich zwischen der klassischen Dynamik und der Quantendynamik in Kapitel 4 noch näher eingehen. Alternativ zum letzten Punkt kann man jedoch auch Anforderungen an das Überlappintegral zweier Zustände stellen: • So gilt für das Überlappintegral zwischen zwei Zuständen |ψ1 i , |ψ2 i Z Z Z 2 1 dqhq|ψ1 ihψ2 |qi = dq dpW|ψ1 i (p, q)W|ψ2 i (p, q). 2π~ (3.72) Auch dies führt eindeutig zu dem Ausdruck (3.63), ein Beweis findet sich in [86]. Diese Forderung schlägt sich schließlich in der verallgemeinerten Überlappbedingung (3.20) nieder. Der letzte Punkt hat zwei interessante Konsequenzen. Zum einen werden Singularitäten der Form W(p, q) = δ(q − q 0 )δ(p − p0 ) vermieden, welche klassisch möglich wären, da für |ψ1 i = |ψ2 i = |ψi gilt Z Z 1 2 dq dpW|ψi (p, q) = (3.73) < ∞, 2π~ zum anderen gilt für zwei orthogonale Zustände hψ1 |ψ2 i = 0 Z Z dq dpW|ψ1 i W|ψ2 i = 0. (3.74) Anders als eine klassische Wahrscheinlichkeitsverteilung ist die Wignerfunktion also nicht überall positiv. Die negativen Anteile können als Maß für den Quantencharakter des Zustands interpretiert werden [87]. Diese wurden für verschiedene Zustände auch experimentell gemessen [88–90]. Damit ist selbst die Wignerdarstellung der am stärksten im Phasenraum lokalisierten Zustände nicht singulär, denn für einen kohärenten Zustand |βi gilt 2 W|βi (α) = 2e−2|α−β| . (3.75) Ein weiteres wichtiges Beispiel sind die Fockzustände |ni, welche man mithilfe der Laguerrepolynome Ln darstellen kann als 2 W|ni (α) = 2(−1)n e−2|α| Ln (4|α|2 ). (3.76) 56 Quantenmechanik im Phasenraum Erweitert man die Überlappbedingung von Dichteoperatoren auf beliebige Operatoren erhält man die bekannte Formel zur Berechnung der Erwartungswerte (3.16). Im Unterschied zur P- und Q-Darstellung kann man über ein klassisches Phasenraummittel die exakten Erwartungswerte symmetrisch geordneter Operatoren berechnen. 3.2.3 Die Husimidistribution Die Q-Darstellung wurde bereits 1940 von Husimi [59] eingeführt und später von Kano wiederentdeckt [60]. Sie entspricht dem Erwartungswert des Operators in kohärenten Zuständen. Dabei garantiert die Übervollständigkeit der kohärenten Zustände, dass der Operator eindeutig aus der Phasenraumdarstellung rekonstruiert werden kann. Auch die Husimifunktion kann man durch eine charakteristische Funktion darstellen, in diesem Fall durch die anti-normalgeordnete charakteristische Funktion: ∗ † χ−1 (α) = tr(ρ̂e−η â eηâ ), (3.77) welche auch hier über eine Fouriertransformation mit der Phasenraumsdarstellung zusammenhängt Z d2 η ∗ ∗ Q(α) = eη α−α η χa (η) (3.78) . π Die charakteristischen Funktionen für unterschiedliche Operatorordnungen sind über die BCH-Formel eng verknüpft: 2 2 e|ζ| χ−1 (η) = χ0 (ζ) = e−|ζ| χ+1 (ζ). (3.79) Damit ist es nicht schwierig die folgenden Beziehungen zwischen den drei Phasenraumverteilungen zu zeigen Z 2 0 0 2d α (3.80) W(α) = 2 P(α0 )e−2|α−α | π Z 2 0 0 2d α Q(α) = 2 W(α0 )e−2|α−α | (3.81) π Z 2 0 0 2d α Q(α) = P(α0 )e−|α−α | , (3.82) π welche also durch eine Glättung auseinander hervorgehen. Dies illustriert den Verlauf von der singulären P-Funktion über die Wignerfunktion, welche schnelle Oszillationen und negative Anteile aufweisen kann, zur regulären, positiv definiten Q-Funktion. Dabei gehen die negativen Anteile der Wignerfunktion, welche als Indikator für den Quantencharakter des Zustands dienen, in Nullstellen der Husimiverteilung über. So unterscheidet sich die kohärente Überlagerung zweier Glauberzustände (”Katzenzustand”) in der QDarstellung nur durch die Nullstellen zwischen den beiden Maxima von der inkohärenten Überlagerung. Zudem kann man zeigen, dass man den Zustand allein aus der Kenntnis der 3.2. Flachland 57 Abbildung 3.1: Husimiverteilung der Fockzustände |n = 0i, |n = 5i und |n = 10i Nullstellen und zweier Funktionswerte der Husimisfunktion rekonstruieren kann (Theorem von Hadamard, siehe z.B. [91]). Diese sind daher von großem Interesse [92–97]. Betrachtet man einen Glauberzustand |βi in Q-Darstellung, 2 Qβ (|αi) = e−|α−β| , (3.83) weist dieser wie in der Wignerdarstellung eine Gaussglockenform auf, ist jedoch verglichen mit der Wignerdarstellung (3.75) breiter. Beide Darstellungen weisen keine Nullstellen auf. Auch der Vergleich der Darstellungen der Fockzustände |ni ist instruktiv, die Q-Funktion dieser Zustände ist gegeben durch Q|ni (α) = e−|α| 2 (α2 )n . n! (3.84) Die Oszillation der Wignerfunktion (3.76) sind verschwunden und die Knotenebenen fallen für die Q-Funktion im Mittelpunkt in einer n-fach entarteten Nullstelle zusammen. 58 3.2.4 Quantenmechanik im Phasenraum Die Bargmanndarstellung Die Fock-Bargmann-Darstellung der Quantenmechanik beruht auf ganzen Funktionen [38, 39, 98]. Die Bargmannzustände sind definiert als: kαi = e 1 |α|2 2 ∞ X αn √ |ni . |αi = n! n=0 (3.85) Diese hängen fundamental mit den Glauberzuständen und damit mit der Husimidistribution zusammen. Die Bargmanndarstellung eines beliebigen Zustands ergibt sich als Projektion auf die Bargmannzustände, 1 2 ψ(α) ≡ hαk |ψi = e 2 |α| hα|ψi, (3.86) als analytische Funktion in α. Diese Darstellung ermöglicht es die Husimifunktion eines Zustandes mithilfe des Faktorisierungstheorems von Hadamard aus ihren Nullstellen und einigen wenigen Funktionswerten zu rekonstruieren [99]. Ursprünglich konstruierte Bargmann aufbauend auf den Arbeiten von Fock diese Darstellung, um die bosonischen Leiteroperatoren [â, ↠] = Iˆ als Differentialoperatoren auszudrücken. Daher kann man diese Darstellung als Ausgangspunkt nutzen um die D-Algebren für die Glauberzustände zu definieren (vergleiche Abschnitt 4.1). Auch auf der Kugel findet man eine analoge Darstellung, auf die wir in Abschnitt 3.3.4 näher eingehen werden. 3.3 Der sphärische Phasenraum Die Phasenraumbeschreibung von Systemen, deren dynamische Gruppe einer SU (2)Gruppe entspricht, wurde zuerst im Kontext von Spinsystemen untersucht [68, 69, 100]. Daher werden wir hier auf die Parametrisierung der Kugel über die beiden Winkel (θ, φ) zurückgreifen, die einen anschaulichen Zugang zum Phasenraum ermöglicht. Um den Stratonovich-Weyl-Kern zu konstruieren gehen wir von den harmonischen Funktionen mit dem diskreten Multiindex ν = {l, m}, den Kugelflächenfunktionen, aus: r 4π Yν (Ω) ≡ Y`,m (θ, φ). (3.87) 2j + 1 Dabei muss man genau unterscheiden zwischen dem Eigenwert ` des Laplaceoperators und der Dimension des Hilbertraums 2j + 1 = N + 1, welche die maximale Quantenzahl charakterisiert. Die Kugelflächenfunktionen sind orthonormal und vollständig [101] Z Z 2j + 1 2π π ∗ Y`,m (θ, φ)Y`0 ,m0 (θ, φ) sin θdθdφ = δ`,`0 δm,m0 (3.88) 4π 0 0 ∞ X ` X 4π ∗ Y`,m (3.89) δ(cos θ − cos θ0 )δ(φ − φ0 ) (θ, φ)Y`,m (θ0 , φ0 ) = 2j + 1 `=0 m=−` 3.3. Der sphärische Phasenraum 59 bezüglich des invarianten Masses dµ(Ω) = 2j+1 sin θdθdφ. Die zugehörigen invarianten 4π Koeffizienten τν kann man aus dem Überlapp der Blochzustände ableiten, wenn man diese in harmonischen Funktionen ausdrückt: 2j 1 + n(θ0 , φ0 ) · n(θ, φ) 0 0 2 |hθ , φ |θ, φi| = 2 2j X 2` + 1 hj, j; l, 0|j, ji2 P` (n · n0 ) (3.90) = 2j + 1 `=0 dabei gilt n(θ, φ) = (sin θ cos φ, sin θ sin φ, cos θ). Die Funktionen P` (θ, φ) sind die bekannten Legendrepolynome und j1 j2 j hj1 , m1 ; j2 , m2 |j, mi = Cm 1 m2 m (3.91) gibt die Clebsch-Gordan-Koeffizienten an. Das Ergebnis kann man mithilfe des Additionstheorems für die Kugelflächenfunktionen umformen m=+` X 2` + 1 ∗ Y`,m P` (n · n0 ) = (n)Y`,m (n0 ) 4π m=−` ⇒ (3.92) l N 4π X X ∗ hj, j; l, 0|j, ji2 Y`,m |hθ , φ |θ, φi| = (θ, φ)Y`,m (θ0 , φ0 ). 2j + 1 `=0 m=−` 0 0 2 Der Vergleich mit Gleichung (3.34) zeigt, dass die invarianten Koeffizienten auf der Kugel gerade den Clebsch-Gordan-Koeffizienten entsprechen: (2j + 1)(2j!)2 . τ` = hj, j; `, 0|j, ji = (2j + ` + 1)!(2j − `)! 2 (3.93) Man bezeichnet die τν als invariante Koeffizienten, weil sie unabhängig von m sind, τν ≡ τ` . Dies spiegelt die Tatsache wider, dass sich nur die magnetische Quantenzahl m, nicht jedoch die Drehimpulsquantenzahl ` unter Rotationen ändert. Für ` > 2j verschwinden die invarianten Koeffizienten τ`>2j = 0. Damit entsprechen die Tensoroperatoren auf der Kugel den Fano-Multipol-Operatoren [102], welche man in der Dickebasis mithilfe der Clebsch-Gordan-Koeffizienten darstellen kann als s j 2` + 1 X j ` j ˆ(2j) T̂`,m = C |j, qi hj, k| 2j + 1 k,q=−j k m q s j 2` + 1 X = hj, k; `, m|j, qi |j, qi hj, k| . (3.94) 2j + 1 k,q=−j Sie bilden eine orthogonale Basis im Raum der (2j + 1) × (2j + 1) = (N + 1) × (N + 1)dimensionalen Matrizen. Dies führt zu dem Stratonovich-Weyl-Kern (vergleiche (3.41)) r 2j ` X 4π X (2j) (s) −s ∗ ˆ ∆ (θ, φ) = hj, j; `, 0|j, ji (3.95) Y`,m (θ, φ)T̂`,m , 2j + 1 `=0 m=−` 60 Quantenmechanik im Phasenraum welcher für die bekannten Phasenraumverteilungen mit den Operatorordnungen s = −1, 0, +1 mit den Resultaten von Agarwal [100] und Várilly und Gracia-Bondı́a [71] übereinstimmt. Analog zum ebenen Fall kann man je nach Operatorordnung eine Familie von s-parametrisierten Phasenraumverteilungen für den Dichteoperator ρ̂ definieren: (s) Fρ̂ (θ, φ) (s) ˆ = tr ρ̂∆ (θ, φ) . (3.96) Nach Konstruktion erfüllen die Operatorkerne alle Forderungen (3.23)–(3.25). Damit sind (s) auch Quasi–Wahrscheinlichkeitsverteilungen auf der Sphäre Fρ̂ (θ, φ) forminvariant unter Rotationen und erlauben die eindeutige Rekonstruktion des Dichteoperators mithilfe der folgenden Beziehung (vergleiche (3.22)): 2j + 1 ρ̂ = 4π Z ˆ (s) (θ, φ)F (s) (θ, φ) sin θdθdφ. ∆ ρ̂ (3.97) Erwartungswerte eines beliebigen Operators B̂ erhält man aus dem s-geordneten Weylsymbol des Operators (siehe (3.21) und (3.20)) (s) FB̂ (θ, φ) (s) ˆ = tr B̂ ∆ (θ, φ) (3.98) über den Zusammenhang 2j + 1 hB̂i = tr ρ̂B̂ = 4π Z (s) (−s) FB̂ (θ, φ)Fρ̂ (θ, φ) sin θdθdφ. (3.99) Für konkrete Rechnungen muss man im Allgemeinen auf den Formalismus der Tensorrechnung zurückgreifen (siehe zum Beispiel [100]). Eine alternative Möglichkeit bietet der Ansatz über das Sternprodukt [103], welches in Integral- oder Differentialform dargestellt werden kann. Wir werden hier nicht näher auf die technischen Details eingehen, sondern nur die Ergebnisse angeben, um diese mit den Ergebnissen des im nächsten Kapitel vorgestellten Formalismus der D-Algebren vergleichen zu können. Dieser Formalismus macht sich die fundamentalen Zusammenhänge zwischen den Phasenraumdarstellungen zunutze, welche die Konstruktion über den Stratonovich-Weyl-Kern offenbart hat. Diese werden es uns insbesondere ermöglichen, die Ergebnisse auf eine beliebige Anzahl von Niveaus zu verallgemeinern, was bei der Definition über die Tensoroperatoren nicht so einfach möglich ist. Desweiteren ist es formal auch möglich charakteristische Funktionen auf der Kugel zu definieren und ausgehend von diesen Phasenraumverteilungen zu definieren (siehe z.B. [83]). Die Ergebnisse sind identisch mit den hier vorgestellten, die Vorgehensweise stellt jedoch nicht so anschaulich und instruktiv die Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Phasenraumtopologien und den Bezug zu den verallgemeinerten kohärenten Zuständen dar. 3.3. Der sphärische Phasenraum 61 Daher geben wir hier zunächst nur die s-parametrisierten Weylsymbole der Spinoperatoren an, welche man nach kurzer Rechnung aus (3.98) erhält: − 2s p j = − j(j + 1) cos θ j+1 − 2s p j (s) j(j + 1)eiφ sin θ FL̂ (θ, φ) = + j+1 − 2s p j (s) j(j + 1)e−iφ sin θ. FL̂ (θ, φ) = − j+1 (s) FL̂ (θ, φ) z (3.100) Der Vergleich zeigt, dass die Operatorordnung bei den linearen Termen nur Auswirkungen auf die Koeffizienten hat. Für den Fall s = −1 ergeben sich die bekannten Erwartungswerte des Spinoperatoren in kohärenten Zuständen (2.80)–(2.82). Da uns in den folgenden Kapiteln hauptsächlich die Phasenraumdynamik interessiert, werden wir auch das s-geordnete Weylsymbol des nichtlinearen Anteils des Hamiltonoperators benötigen: 1+s 1−s 1 1 j(j + 1) (s) 2 2 2 FL̂2 (θ, φ) = j(2j − 1) (2j + 3)(j + 1) cos θ − + . (3.101) z 2 3 3 Auch dieses entspricht für s = −1 dem bekannten Ergebnis (2.84). 3.3.1 Die P-Funktion Die P-Funktion auf der Sphäre ist wie im ebenen Fall nur als singuläre Distribution auf der Blochkugel definiert: Z 2j + 1 ρ̂ = P(θ, φ) |θ, φi hθ, φ| sin θdθdφ. (3.102) 4π Damit ergibt sich für einen Blochzustand |θ0 , φ0 i P|θ0 ,φ0 i (θ, φ) = 4π δ(θ − θ0 )δ(sin(θ)(φ − φ0 )), 2j + 1 (3.103) die P-Funktion eines verallgemeinerten kohärenten Zustands entspricht also auch hier der Diracschen δ-Distribution auf dem zugehörigen Phasenraum. 3.3.2 Die Wigner-Funktion Die Wignerfunktion auf der Sphäre ergibt sich aus der obigen Definition durch Wahl der symmetrischer Operatorordnung s = 0. Sie erweist sich als nützliches Werkzeug um nichtklassische Zustände atomarer zwei-Niveausysteme zu visualisieren und Auswirkungen von Dekohärenz zu analysieren [104, 105]. 62 Quantenmechanik im Phasenraum So kann man einen Dickezustand |j, mi mithilfe der Wigner-3j Symbols und den Kugelfächenfunktionen wie folgt darstellen: !∗ 2j X √ j ` j W|j,mi (θ, φ) = Y`0 (θ, φ)(−1)j−m 2` + 1 . (3.104) −m 0 m `=0 Wie erwartet ist die Darstellung unabhängig vom Azimutalwinkel φ. Das Wigner-3j Symbol ist dabei definiert als ! J j2 j1 (−1)2j+J+M j1 j2 J Cm1 m2 M . = √ (3.105) 2j + 1 −M m2 m1 Die Wignerfunktion eines Blochzustandes |θ0 , φ0 i ergibt sich aus q X 12 12 j 2j 2j W|θ0 ,φ0 i (θ, φ) = Y`q (θ, φ)e j+m j+m+q m=−j `=0 q=−` ! 2(j+m) 2(j−m) 1 j j ` θ0 θ0 (−1)j−m−q (2` + 1) 2 cos .(3.106) sin 2 2 −m −m − q q 2j +` X X −iqφ0 tan θ0 2 Darstellungen der Wignerfunktionen auf der Sphäre finden sich zum Beispiel in [105]. Da die Wignerfunktion sich jedoch nicht in einer einfachen Form auf die Blochzustände zurückführen lässt, ist es schwieriger, Wignerfunktionen auf höherdimensionalen Sphären zu definieren. Für diese Verallgemeinerung würde man höherdimensionale Tensoroperatoren und Clebsch-Gordan-Koeffizienten benötigen. 3.3.3 Die Husimidistribution Wie im ebenen Fall kann man die Husimidistribution nicht nur über die charakteristische Funktion antinormaler Ordnung, sondern auch über den Erwartungswert des Dichteoperators in kohärenten Zuständen definieren. Der Stratonovich-Weyl-Kern nimmt die einfache Form ˆ (−1) (θ, φ) = |θ, φi hθ, φ| ∆ (3.107) an. Damit ist die Q-Funktion nicht-negativ, beschränkt 0 ≤ Q|ψi (θ, φ) ≤ 1, (3.108) und normierbar 2j + 1 4π Z Q|ψi (θ, φ)dΩ = 1. Mit der P-Funktion hängt sie über eine Faltung zusammen: Z Z 2j + 1 Q(θ, φ) = P (θ0 , φ0 )|hθ, φ|θ0 , φ0 i|2 sin θ0 dθ0 dφ0 . 4π (3.109) (3.110) 3.3. Der sphärische Phasenraum 63 Abbildung 3.2: Husimiverteilung der Dickezustände |10, 0i, |8, 2i und |6, 4i für N = 10 Erwartungswerte kann man mithilfe der P-Darstellung des Operators berechnen, wir werden jedoch im folgenden Kapitel sehen, dass auch das Konzept der D-Algebren eine weitere, elegante Möglichkeit zur Berechnung bietet. Auch auf der Kugel kann man den ursprünglichen Zustand eindeutig aus der Husimidistribution rekonstruieren [106]. Ein großer Vorteil der Q-Funktion ist die einfache analytische Struktur der Zustände im Vergleich zur Wigner- und Glauber-Sudarshan-Darstellung. So lautet die Q-Funktion für einen beliebigen Dickezustand |n1 , n2 = N − n1 i N θ θ 2n1 2n2 Q|n1 ,n2 =N −n1 i (θ, φ) = cos sin , (3.111) n1 2 2 für den Spezialfall n1 = N , also für den extremalen Zustand |N, 0i = |j, −ji, ergibt sich damit N θ 2 = cos2N θ . Q|N,0i (θ, φ) = cos (3.112) 2 2 Auch hier ist also wie erwartet der Azimutalwinkel φ unbestimmt. Im Vergleich zur Wignerfunktion eines Dickezustands (3.104) ist die Q-Funktion jedoch breiter und weist neben dem Hauptring bei cos2 (θ/2) = n1 /N keine weiteren Oszillationen und keine negativen Anteile auf. Die Husimifunktion ist beispielhaft für die Dickezustände |10, 0i, |8, 2i und |6, 4i in Abbildung 3.2 dargestellt. 64 Quantenmechanik im Phasenraum Abbildung 3.3: Husimiverteilung des Blochzustands |θ = 45◦ , φ = 180◦ i für N=10 Für einen beliebigen um (θ0 , φ0 ) zentrierten Blochzustand findet man die Husimidichte Q|θ0 ,φ0 i (θ, φ) = 1 [1 + cos(θ0 ) cos(θ) + sin(θ0 ) sin(θ) cos(φ − φ0 )]N 2N (3.113) Analog zum ebenen Fall ist auch hier die Wignerfunktion stärker lokalisiert, die Form der Husimidistribution jedoch ähnlich. Für hohe Teichenzahlen N geht sie in beiden Fällen wieder gegen eine Gaussglocke, wobei die Phasenraumfläche langsamer anwächst als die Oberfläche der Kugel (vergleiche Gleichung (2.69)), so dass man im Grenzwert hoher Teilchenzahlen einen Blochzustand durch einen Punkt im Phasenraum annähern kann. Damit haben wir alle Werkzeuge zur Hand um die Analogie zwischen dem klassischen Limes und dem Übergang zwischen Vielteilchenquantenmechanik und der Beschreibung durch eine makroskopische Wellenfunktion zu untersuchen. Bereits am Ende dieses Kapitels werden wir am Beispiel der Husimifunktionen der Eigenzustände des Zwei-ModenBose-Hubbard Modells sehen, wie die mean-field-Beschreibung und die volle quantenmechanische Darstellung sich gegenseitig bedingen. Eine ausführliche Diskussion und Analyse folgt in Kapitel 5. Die Eigenschaften der Husimidistribution ermöglichen es, ausgehend von der Phasenraumdarstellung anstelle des Dichteoperators, Entropien zu definieren und mit dem klassischen Analogon zu vergleichen. Dies werden wir in Abschnitt 6.1 nutzen, um das Bose-Hubbard Modell weiter zu analysieren. 3.3.4 Die stellare Darstellung Um die Bargmanndarstellung für reine Zustände auf der Sphäre einzuführen erweist sich die projektive Darstellung der Blochzustände mithilfe des Parameters τ = e−iφ tan 2θ als nützlich. In Kapitel 2 haben wir gezeigt, dass wir die kohärenten Zustände |θ, φi ≡ |τ i in 3.3. Der sphärische Phasenraum 65 der Dickebasis wie folgt darstellen können: 1 + |τ |2 |τ i = ∞ −j X (τ Jˆ+ )k |j, −ji k! k=0 2 −j 1 + |τ | = 2j X (τ Jˆ+ )k k! k=0 |j, −ji . (3.114) Dabei nutzen wir aus, dass der Hilbertraum endlichdimensional ist und daher für k > 2j ˆ k |j, −ji = 0. Anader extremale Zustand vom Aufsteigeoperator vernichtet wird, (J) log zum ebenen Fall kann man nun die Bargmannzustände auf der Kugel als reskalierte Blochzustände einführen: 2 j kτ i ≡ (1 + |τ | ) |τ i = 2j X (τ Jˆ+ )k k=0 k! |j, −ji . (3.115) Damit ist die Bargmannfunktionen des Zustands ψ ψ(τ ) = hτ k |ψi (3.116) auf der Sphäre eine ganze Funktion, dass heißt holomorph auf dem ganzen Phasenraum [107]. Insbesondere folgt aus Gleichung (3.114), dass die Bargmannfunktionen auf der Sphäre in ein endlichdimensionales, komplexes Polynom der Ordnung 2j entwickelt werden können: ψ(τ ) = 2j X ck τ k ck ∈ C, mit (3.117) k=0 P 2j −1 dabei folgt aus der Normierung des Zustands die Bedingung 2j |ck |2 = 1 für die k=0 k komplexen Koeffizienten. Da die Monome τ k eine orthogonale Basis bilden, kann man die Bedingung in eine Forderung an jeden einzelnen komplexen Koeffizienten übertragen: |ck |2 ≤ 2jk . Für die Bargmanndarstellung des Blochzustands |τ0 i findet man so ψ(τ ) = (1 + τ0∗ τ )2j . (1 + |τ0 |2 )j (3.118) Aus der Darstellung als Polynom vom Grad 2j folgt, dass die Bargmanndarstellung eines (0) beliebigen Zustands maximal 2j = N Nullstellen τk besitzt. Dies führt auf die stellare Darstellung: 2j−m ψ(τ ) ∝ Y (0) (τ − τk ). (3.119) k=1 Der Parameter m beschreibt dabei die Anzahl der Nullstellen im Nordpol, für den |τ | → ∞ gilt. Die Definition des Polynomgrades 2j − m garantiert dabei, dass das Produkt und 66 Quantenmechanik im Phasenraum damit die stellare Darstellung auch für Nullstellen am Nordpol nicht divergiert, sondern wohldefiniert bleibt. Bis auf einen Phasenfaktor legen die Nullstellen sowohl die Bargmanndarstellung als auch die Husimifunktion des Zustands eindeutig fest. Die Husimifunktion hängt dabei über die einfache Beziehung |ψ(τ )|2 Q|ψi (τ ) = . (1 + |τ |2 )2j (3.120) mit der Bargmannfunktion des Zustands zusammen. Somit kann man einen Blochzustand durch die 2j-fach entartete Nullstelle der Husimidistribution (3.113) beschreiben, welche antipodal zum Maximum bei (π − θ0 , φ0 − π) liegt. Im Limes hoher Teilchenzahlen verschwinden die Nullstellen des Blochzustands im Unendlichen entsprechend einer projektiven Abbildung um das Maximum des Zustands, so dass sich im Grenzwert ein Glauberzustand ohne Nullstellen ergibt. Die Dickezustände (3.111) sind charakterisiert durch n1 = j − m entartete Nullstellen am Nordpol und n2 = j + m Nullstellen am Südpol – die Wirkung der Auf- und Absteigeoperatoren Jˆ+ , Jˆ− kann also durch das Wechseln einer Nullstellen vom Nord- zum Südpol oder umgekehrt beschrieben werden. Geht man wie in Kapitel 2.6.2 beschrieben über zum Tangentialraum, so werden die am Südpol lokalisierten Nullstellen ins Unendliche verschwinden und wir erhalten im Grenzfall unendlich großer Teilchenzahlen die Fockzustände in der Ebene. Die stellare Darstellung von projektiven Räumen wurde zuerst von Majorana eingeführt [108], sie wurde nicht nur in der Quantenmechanik mehrmals wiederentdeckt [109, 110]. Das Konzept kann auf die geometrische Interpretation von projektiven Räumen zurückgeführt werden und findet Anwendung bei der Klassifizierung von zufälligen Zuständen – eine gute Einführung und einen weiten Überblick über mögliche Anwendungen, insbesondere für die su(2)-Algebra bietet das Buch [111] und die Referenzen darin. Beim Vergleich mit der Literatur (siehe u.a. [107]) ist zu beachten, dass wir hier vom Extremalzustand |j, −ji ausgehen, welcher am Südpol und nicht am Nordpol lokalisiert ist, um konsistent mit der Darstellung in den weiteren Kapiteln zu bleiben. 3.4 Das Bose–Hubbard Modell im Phasenraum In Abschnitt 1.2.1 haben wir die mean-field Beschreibung des Bose-Hubbard Systems eingeführt und dessen Dynamik diskutiert. Wir haben gesehen, dass diese Beschreibung äquivalent zu einem klassischen System mit hamiltonscher Struktur ist (1.29), und dass es zwei unterschiedliche Regime gibt: Den unterkritischen Fall, |U N | < 2|∆|, in denen der Tunneleffekt zwischen den Potentialminima dominiert, und den überkritischen Fall, |U N | ≥ 2|∆|, welcher von der Wechselwirkung der Bosonen untereinander bestimmt wird. In Abbildung 3.4 sind beispielhaft für die beiden Regime die Linien konstanter Energie dargestellt, welche im zweidimensionalen Fall den klassischen Trajektorien (vergleiche auch Abbildung 1.2) entsprechen. Zusätzlich ist die Wirkung eines Niveauunterschieds der 3.4. Das Bose–Hubbard Modell im Phasenraum 67 Abbildung 3.4: Linien konstanter Energie in der mean-field-Beschreibung für die gleichen Parameter wie in Abbildung 3.5 (links), Abbildung 3.6 (mitte) und Abbildung 3.8 (rechts) Abbildung 3.5: Husimiverteilung der Energieeigenzustände n = 1, 15, 30 (obere Reihe) und n = 31, 36, 41 (untere Reihe) des Bose-Hubbard-Modells (BHM) für den unterkritischen Fall: N = 40, U N = 1,∆ = 1 und = 0. Potentialminima im überkritischen Bereich gezeigt. Dies führt zu einer relativen Verschiebung der Fixpunkte, solange bis der hyperbolische Fixpunkt mit einem der bifurkierten elliptischen Fixpunkte überlappt und sich auslöscht. Dieses Verhalten der Fixpunkte spiegelt sich auch im Energiespektrum des mean-field-Systems wieder. Das Energiespektrum ist in Abbildung 3.7 (links) dargestellt. Im abgebildeten überkritischen Fall bifurkiert ein Energieeigenwert analog zur Bifurkation der Fixpunkte und bildet eine Schwalbenschwanzstruktur. Für eine starke Verschiebung der Potentialminima gegeneinander löschen sich zwei Fixpunkte aus und die zugehörigen Eigenenergien verschwinden. Man kann zeigen, dass dieses Verhalten auch bei adiabatischer Variation der Parameter zu einem Zusammenbruch der Adiabasie führt und die Landau-Zener-Übergangswahrscheinlichkeit auch bei unendlich kleiner Geschwindigkeit der Parametervariation nicht verschwindet [112]. Eine erste Möglichkeit, die Quantendynamik zu analysieren bieten die Energieeigenzustände des Bose-Hubbard-Hamiltonoperators (1.10). Betrachten wir zunächst den unter- 68 Quantenmechanik im Phasenraum Abbildung 3.6: Husimiverteilung der Energieeigenzustände n = 1, 15, 30 (obere Reihe) und n = 31, 36, 41 (untere Reihe) des BHM für den überkritischen kritischen Fall: N = 40, U N = 5,∆ = 1 und = 0. kritischen Fall: Hier wird die mean-field Dynamik von zwei elliptischen Fixpunkten und den sogenannten Josephson-Oszillationen um diese bestimmt. Diese Strukturen finden sich auch in der Husimidarstellung Q|En i (θ, φ) = |hEn |θ, φi|2 der Energieeigenzustände |En i wieder, welche exemplarisch in Abbildung 3.5 wiedergegeben sind. Während man den Zustand niedrigster und höchster Energie näherungsweise durch einen Blochzustand (2.65) beschreiben kann, welcher auf dem elliptischen Fixpunkt entsprechend dem Minimum bzw. dem Maximum der Energie lokalisiert ist, bilden die weiteren Energiezustände bei Wahrung der Unschärferelation die Josephson-Oszillationen nach. Auch im überkritischen Fall folgen die Husimidarstellungen der Energieeigenzustände den klassischen Linien konstanter Energie, wie man Abbildung 3.6 entnehmen kann. In diesem Fall kann man den Zustand niedrigster Energie ebenfalls durch einen Blochzustand beschreiben, wohingegen der Zustand höchster Energie auf den beiden neu enstandenen elliptischen Fixpunkten lokalisiert. Anders als im klassischen Fall respektieren die Eigenzustände immer die Symmetrie des Hamiltonoperators (1.10), so dass immer nur Überlagerungen der self-trapping-Zustände asymetrischer Besetzung existieren. Zwischen diesen beiden Extrema finden sich die bekannten Josephson-Oszillationen, aber auch die bereits bei der Diskussion der GPE-Dynamik aufgetretenen Rotormoden und Pi-Oszillationen um die neu enstandenen Fixpunkte. Anders als im klassischen Fall sind nun jedoch auch Zustände erlaubt, welche auf dem klassisch instabilen, dem hyperbolischen Fixpunkt lokalisieren (vergleiche Zustand |E31 i in Abbildung 3.6). Für das Bose-Hubbard-System mit einem Potentialunterschied, 6= 0, wird nicht nur die Symmetrie der mean-field Beschreibung gebrochen, auch die Husimidarstellung der Eigenzustände spiegelt die Verschiebung der klassischen Fixpunkte wieder (vergleiche 3.4. Das Bose–Hubbard Modell im Phasenraum 69 Abbildung 3.7: Mean-field-Energien (links) und Eigenenergien des Vielteilchenspektrums (rechts) in Abhängigkeit vom Niveauunterschied der Potentialminima im überkritischen Fall für U N = 40 und ∆ = 1. Abbildung 3.8). Dies hebt die Entartung des Zustands maximaler Energie auf, da der Potentialunterschied eine asymetrische Besetzungsdifferenz begünstigt. Wie man sieht, besteht eine engen Analogie zwischen der mean-field-Beschreibung und der quantenmechanischen Struktur der Vielteilchenenergieeigenzustände, welche im Bild der Q-Funktion anschaulich illustriert wird. Wir werden die Struktur dieser Eigenzustände in Abschnitt 6.1 mithilfe der dort eingeführten Entropien näher untersuchen. Dabei wird sich herausstellen, dass die Phasenraumdarstellungen der quantenmechanischen Zustände auf den GPE-Trajektorien lokalisieren und die Eigenenergien des mean-field Systems (1.29) eine Kaustik für die Vielteilcheneigenenergien bilden, wie in Abbildung 3.7 dargestellt ist. Mithilfe der Entropie kann man die der Kaustik entsprechenden Vielteilchenzustände identifizieren, welche den Zuständen starker Lokalisierung im Phasenraum entsprechen. Dies lässt sich bereits an der Husimidarstellung der Beispiele (vergleiche Abbildung 3.5, 3.6 und 3.8) erkennen: So kann man den Zustand niedrigster Energie |E1 i dem untersten mean-field-Energieeigenwert zuordnen und ihn näherungsweise durch einen Blochzustand beschreiben unabhängig von der Wahl der Parameter. Ein erstes Indiz ist der maximale Wert des Husimidarstellung des Zustands, welcher nur für einen Blochzustand den maximalen Wert N/(N + 1) erreicht (vergleiche Abschnitt 6.1). Im unterkritischen Fall (Abbildung 3.5) ähnelt auch der Zustand höchster Energie einem Blochzustand. Dies ändert sich im überkritischen Fall: Ohne relative Verschiebung der Potentialminima = 0 lokalisiert der Zustand höchster Energie auf den beiden elliptischen Fixpunkten und kann daher durch eine Überlagerung von zwei an diesen Stellen lokalisierten Blochzuständen beschrieben werden. Mit nicht-verschwindender Niveaudifferenz 6= 0 wird diese Entartung aufgehoben und damit auch die Überlagerung. Daher findet man 70 Quantenmechanik im Phasenraum Abbildung 3.8: Husimiverteilung der Energieeigenzustände n = 1, 15, 30 (obere Reihe) und n = 31, 36, 41 (untere Reihe) des BHM für den überkritischen Fall mit Energieunterschied: N = 40, U N = 5,∆ = 1 und = 0.25. für den höchsten mean-field-Eigenwert näherungsweise einen im globalen Maximum lokalisierten Blochzustand und für den Eigenwert im oberen Bereich des Schwalbenschwanzes (vergleiche Abbildung 3.7 gestrichelt) einen im lokalen Maximum lokalisierten Blochzustand (siehe |E41 i und |E36 i in Abbildung 3.8). Dazwischen finden sich Phasenraumverteilungen, welche den Pi-Oszillationen und Rotorbahnen ähneln. Die zugehörigen Energien sind aufgrund der Symmetrie quasi-entartet. Desweiteren findet sich eine Korrespondenz zwischen dem unteren Bereich des Schwalbenschwanzes (vergleiche die strichpunktierte Linie in Abbildung 3.7) und dem Zustand, welcher auf dem klassisch instabilen Fixpunkt lokalisiert ist. Unterhalb finden sich die Josephsonoszillationen, welche durch einen näherungsweise lineares Anwachsen der Energieunterschiede gekennzeichnet sind. 3.4.1 Die stellare Darstellung des Bose–Hubbard Modells Da die Bargmannfunktion auf der Sphäre einem N -dimensionalen Polynom entspricht, genügt zur Rekonstruktion eines normierten reinen Zustands aus der Bargmannfunktion die Kenntnis der Nullstellen. Diese Eigenschaft überträgt sich auf die Q-Funktion, weil diese proportional zum Quadrat der Bargmannfunktion ist (vergleiche Gleichung (3.120)). Deshalb können wir die Struktur der Eigenzustände des Bose-Hubbard-Modells mithilfe der Verteilung der Nullstellen untersuchen. Dabei ist es numerisch einfacher die Nulldurchgänge der komplexen Bargmannfunktion zu berechnen, als die globalen Minima der Q-Funktion. Betrachtet wir zunächst den Fall ohne Wechselwirkung. Dann kann man die Eigenfunktionen einfach analytisch angeben, sie sind gerade durch gedrehte Dickezustände π ˆ |En i = R̂( , 0) |n1 , N − n1 i = e−iπJy /2 |n1 , N − n1 i 2 (3.121) 3.4. Das Bose–Hubbard Modell im Phasenraum 71 Abbildung 3.9: Der Imaginärteil (links) und der Realteil (mitte) der Bargmannfunktion im Vergleich zur Q-Funktion (rechts) für den dritten Energieeigenzustand n = 3 im überkritischen Fall: N = 10, U = 5 und ∆ = 1 (ohne Energieunterschied = 0). gegeben. Um dabei konsistent mit der vorangegangenen Notation zu bleiben, führen wir den Index n ∈ {1, ...N + 1} ein, welcher im nicht-wechselwirkenden Fall mit dem Index des Dickezustand gemäß n = n1 − 1 zusammenhängt. Damit entspricht der extremale Zustand exakt einem kohärenten Zustand, dessen N -fach entartete Nullstelle antipodal zum Maximum der Q-Funktion liegt. Für einen Dickezustand mit Besetzung in beiden Töpfen, 1 ≤ n1 ≤ N − 1, findet man eine (N + 1 − n)-fach entartete Nullstellen dort, wo sich zuvor das Maximum befand. Alle anderen Nullstellen ändern ihre Position nicht. Die Auswirkung auf die Q-Darstellung der Zustände kann man anhand von Abbildung 3.2 anschaulich nachvollziehen. Bereits eine kleine Wechselwirkungsstärke U 6= 0 hebt diese Entartung auf. Aufgrund der Symmetrieeigenschaften des Realteils und des Imaginärteils der Bargmannfunktion können die Nullstellen der Q-Funktion nur auf den Symmetrieachsen bei θ = π/2 = konstant und bei φ = π = konstant liegen. Dies ist für das Beispiel des dritten Energieeigenzustands |E3 i in Abbildung 3.9 dargestellt. Dabei sind die reskalierten Bargmannfunktionen aufgetragen, N ψ(τ )reskaliert = (1 + |τ |2 )− 2 hτ k |ψi , (3.122) um die Divergenz an den Polen zu unterdrücken und die relevanten Strukturen besser darstellen zu können. Die Reskalierung ändert dabei nichts an der Position der Nullstellen. Für einen beliebigen Energieeigenzustand |En i des wechselwirkenden Systems findet man (N + 1 − n) Nullstellen auf der θ-Achse, d.h. bei φ = π. Diese gehen aus der oben beschriebenen, (N + 1 − n)-fach entarteten Nullstelle des Dickezustands hervor. Gleichzeitig spalteten jedoch auch die entarteten Fixpunkte bei (θ = π/2, φ = 0) und (θ = π/2, φ = π) entlang der φ-Achse (bei θ = π/2) auf. So findet man für ungerade Indizes der Energieeigenzustände n − 1 und für gerade Indizes n Nullstellen symmetrisch verteilte Nullstellen 72 Quantenmechanik im Phasenraum Abbildung 3.10: Schnitte durch den Realteil (blau) und den Imaginärteil (rot) der Bargmannfunktion des dritten Energieeigenzustands n = 3 für die Symmetrieachsen θ = π/2 (links) und φ = π (rechts). Parameterwahl wie in Abbildung 3.9. Abbildung 3.11: Schnitte durch den Realteil (blau) und den Imaginärteil (rot) der Bargmannfunktion des sechsten Energieeigenzustands n = 6 für die Symmetrieachsen θ = π/2 (links) und φ = π (rechts). Parameterwahl wie in Abbildung 3.9. um den Punkt (θ = π/2, φ = π). Das beschriebene Verhalten ist mithilfe von Schnitten entlang der beschriebenen Symmetrieachsen für zwei Beispiel in Abbildung 3.10 und Abbildung 3.11 illustriert. Wie oben beschrieben weist die Bargmannfunktion des dritten Energieeigenzustands zwei Nullstellen entlang der φ-Achse und acht entlang der θ-Achse auf, wohingegen der sechste Energieeigenzustand sechs Nullstellen entlang des Schnittes bei φ = π und fünf Nullstellen entlang θ = π/2 zeigt. Dabei ist wie in Abbildung 3.9 zu beachten, dass die reskalierten Bargmannfunktionen aufgetragen sind. Der Übergang von unterkritischen zu überkritischen Wechselwirkungsstärken erfolgt in der stellaren Darstellung kontinuierlich, d.h. die Nullstellen der Eigenzustände verschieben sich auch in der Umgebung der kritischen Parameterwerte stetig. Dies kann man u.a. durch die geringen Dimensionalität des Systems begründen, welche keinen sprunghaften Phasenübergang zulässt. Kapitel 4 Dynamik im Phasenraum Die Frage nach einer Abbildung von Operatorgleichungen auf komplexe Funktionen ist eng mit den Phasenraumdarstellungen der Quantenmechanik verknüpft. Eine solche Abbildung erlaubt es, viele bereits aus klassischen Fragestellungen bekannte Lösungsansätze nun auch in der Quantenmechanik zu verwenden, und ist daher von großem Interesse. Die in der Quantenoptik entwickelten Methoden haben einen weiten Anwendungsbereich, die wohl bekannteste Anwendung ist die Beschreibung der Laserdynamik mithilfe von komplexen Differentialgleichungen. Eine Einführung in die Methodik findet sich z.B. in [51, Kapitel 3], einen Überblick über die Lasertheorie bietet z.B. [113]. Unser Ziel ist es, eine analytische Gleichung für die Dynamik der Quasi-Phasenraumverteilungen herzuleiten. Dabei betrachten wir zunächst das durch den Hamiltonoperator Ĥ = (n̂1 − n̂2 ) − ∆ â†1 â2 + â†2 â1 + U (n̂1 (n̂1 − 1) + n̂2 (n̂2 − 1)) 2 (4.1) beschriebene Bose-Einstein-Kondensat in zwei Mulden und dann die Verallgemeinerung auf M Potentialminima Ĥ = M X i=1 i n̂i − ∆ M −1 X i=1 â†i âi+1 + â†i+1 âi M UX (n̂i (n̂i − 1)) . + 2 i=1 (4.2) Um die Evolutionsgleichung herzuleiten, werden wir ausnutzen, dass die Auf- und Absteigeoperatoren â†i , âi in unterschiedlichen Moden i 6= j vertauschen, und dass ihre Wirkung auf die Mehrmoden-Glauberzustände |αi i durch lineare Differentialgleichungen erster Ordnung in den komplexen Phasenraumparametern αi beschrieben werden kann [114]. Dies kann dann sehr einfach auf beliebige Zustände erweitert werden, indem wir diese in der übervollständigen Basis der Glauberzustände darstellen. Auch die Erweiterung auf beliebige Kombinationen der Elemente der Heisenberg-Weyl-Operatoralgebra ˆ wird sich als nicht weiter schwierig erweisen und führt zu der soge{âi , â†i , n̂i = â†i âi , I} nannten D-Algebra. Um die so erhaltenen Resultate auf das Mehrmoden–Bose–Hubbard–System (4.2) übertragen zu können, benutzen wir die bereits in Kapitel 2 diskutierten Zusammenhänge 74 Dynamik im Phasenraum zwischen den Glauberzuständen und den Blochzuständen. Im Unterschied zu dem durch die Verallgemeinerung der Heisenberg-Weyl-Algebra auf mehrere Moden {âi , â†i , n̂i = â†i âi , I} mit i ∈ {1, 2, 3, ...M } beschriebenen System haben wir eine neue Erhaltungsgröße – die Gesamtteilchenzahl. Zudem ist die globale Phase für die Dynamik irrelevant. Die zugehörige Liealgebra su(M ) wird von den Operatoren {Êjk = â†j âk } mit j, k ∈ {1, 2, 3, ..., M } aufgespannt, welche den algebraischen Vertauschungsrelationen h i Êjk , Êmn = Êjn δkm − Êmk δnj (4.3) gehorchen. Dies führt dazu, dass anstelle der 2M unabhängigen Variablen α1 , α2 , ...αM , ∗ α1∗ , α2∗ , ..., αM der Differentialgleichung nun nur noch 2(M − 1) unabhängige reelle Variablen entsprechend der Parametrisierung der Mehrniveau-Blochzustände übrig bleiben. Die geschickte Wahl dieser Parametrisierung ist der letzte Schritt zur expliziten Form der Evolutionsgleichung. Die physikalische Interpretation der Evolutiongleichung der Quasi-Phasenraumverteilungen wird in den anschließend Kapiteln eine zentrale Rolle spielen, dabei werden wir insbesondere den Übergang N → ∞ zum makroskopischen Regime studieren. 4.1 D-Algebren Betrachten wir zunächst ein System, welches durch einen einzigen harmonischen Oszillator beschreiben wird. Wie wir bereits bei der Einführung der kohärenten Zustände gesehen haben, kann man die Glauberzustände in der Fockbasis darstellen (vergleiche Gleichung (2.23)), − 21 αα∗ |αi = e = X ∞ X αn √ |ni n! n=0 fn (α) |ni , (4.4) n wobei wir die Abkürzung n 1 ∗ α fn (α) = e− 2 αα √ n! (4.5) benutzt haben. Da die kohärenten Zustände P eine übervollständige Basis bilden, kann man jeden beliebigen normierten Zustand |ψi = n cn |ni in dieser darstellen, Z X dα2 |ψi = cn fn (α∗ ) |αi . (4.6) π n Dabei hängt die Summe über cn fn (α) eng mit der Bargmanndarstellung fB (α) des Zustands |ψi zusammen: X 1 ∗ cn fn (α∗ ) = hα|ψi = fB (α∗ )e− 2 αα . (4.7) n 4.1. D-Algebren 75 Der einzige Unterschied ist also der exponentielle Faktor, der die Quadratintegrabilität der Bargmann-Funktion garantiert. Betrachtet man die Wirkung des Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren {↠, â} auf die kohärenten Ketzustände, kann man diese alternativ durch die Anwendung von linearen Differentialoperatoren erster Ordnung {D(↠), D(â)} auf die Funktion fn beschreiben. Dabei macht man sich zunutze, dass Ableitungen und Multiplikationen, aus denen die Differentialoperatoren bestehen, genau wie die quantenmechanischen Operatoren nicht vertauschen. Betrachtet man nun also die Wirkung des Operators  auf einen kohärenten Zustand |αi so findet man, dass der folgende Differentialoperator den gleichen Effekt erzielt:  |αi = Dk (Â) |αi ∂ 1 mit Dk (↠) = + α∗ ∂α 2 (4.8) und Dk (â) = α. (4.9) Für die Anwendung auf Bravektoren findet man unter Ausnutzen der adjungierten Beziehung h i∗ (4.10) Dk (Â) = Db († ) einen analogen Zusammenhang hα|  = Db (Â) hα| ∂ 1 + α und Db (↠) = α∗ . Db (â) = ∗ ∂α 2 (4.11) (4.12) Die Abkürzungen Db und Dk stehen dabei für die Differentialoperatoren, welche auf Brarespektive auf Ketvektoren wirken. Die hier abgeleiteten Ersetzungen sind unter anderem als Bopp-Operatoren bekannt [115]. Im folgenden interessiert uns insbesondere die Zeitevolution der Q-Funktion. Dafür benötigen wir jedoch Differentialoperatoren, die nicht nur auf Vektoren oder entsprechend auf eine Funktion fn wirken, sondern auf Dichteoperatoren, entsprechend Produkten von Funktionen fn (α)·fm (α∗ ). Aber auch hier können wir Differentialoperatoren Dl , Dr finden  |αi hα| = Dl (Â) |αi hα| ∂ mit Dl (↠) = + α∗ und Dl (â) = α ∂α |αi hα|  = Dr (Â) |αi hα| ∂ + α und Dr (↠) = α∗ , mit Dr (â) = ∂α∗ (4.13) (4.14) wobei Dl , Dr hier die links- und rechtsseitigen Differentialoperatoren kennzeichnet. Diese hängen ebenfalls über eine Adjunktion zusammen, h i∗ (4.15) Dl (Â) = Dr († ) . 76 Dynamik im Phasenraum Wie man einfach nachrechnen kann, gilt 1 Dl (↠â) = Dl (â)Dl (↠) = α∂α + |α|2 2 (4.16) und der Differentialoperator der Identität bleibt gerade die Identität. Damit ergeben sich für die Differentialoperatoren beliebiger Summen und Produkte der Generatoren der Liealgebra Â, B̂ ∈ h4 folgende Eigenschaften Dl (r + sB̂) = rDl (Â) + sDl (B̂) Dl (ÂB̂) = Dl (B̂)Dl (Â) i h i h Dl Â, B̂ = Dl (B̂), Dl (Â) , (4.17) (4.18) (4.19) wobei s, r beliebige reelle Zahlen darstellen. Die Abbildung der Operatoren auf die Differentialoperatoren ist also linear und antihomomorph. Wie man sieht, erhält die Abbildung der Operatoren auf die Differentialoperatoren die Kommutatorrelationen der Heisenberg-Weylalgebra, damit stellen die Differentialoperatoren selbst eine abgeschlossene Liealgebra, die sogenannte D-Algebra, dar. Im folgenden werden wir hauptsächlich mit den Operatoren Dl arbeiten, deshalb beschränkt sich die Diskussion der Eigenschaften auch auf diese Operatoren. Analoge Beziehungen für die Algebra Dr können jedoch unter Verwendung von Gleichung (4.15) gezeigt werden und unter Verwendung derselben Argumente auf die Operatoren Dk und Db übertragen werden. Dabei zeigt sich, dass die Abbildung auf die rechtshändigen Operatoren Dr , bzw. auf die Bra-Operatoren Db homomorph ist. Beim Rechnen mit den Differentialoperatoren ist zu beachten, dass sowohl rechts- und linkshändige Differentialoperatoren, als auch Dk und Db untereinander vertauschen, h i D (Â), D (B̂) = 0 l r und h i D (Â), D (B̂) = 0, k b (4.20) unabhängig von ihren Argumenten Â, B̂. Wie wir bereits in Abschnitt 2.2 gesehen haben, sind die Mehrmoden-Glauberzustände direkte Produkte der Glauber-Zustände der einzelnen Moden. Deshalb erhält man die Mehrmoden-D-Algebra als direkte Summe der D-Algebren der einzelnen Moden: Dl (â†i ) = ∂ ∂αi + αi∗ = Dr (âi )∗ Dl (âi ) = αi = Dr (â†i )∗ . (4.21) Damit übertragen sich auch alle oben bereits für eine Mode diskutieren Eigenschaften. Nun haben wir also einen Weg gefunden beliebige, in bosonischen Auf- und Absteigeoperatoren darstellbare Operatoren auf komplexe Differentialoperatoren Dl erster Ordnung abzubilden. Die Wirkung dieser Operatoren auf beliebige Zustände (4.6) ergibt sich somit aus der Lösung partieller Differentialgleichungen. 4.2. Von Glauber- zu Blochzuständen 4.2 77 Von Glauber- zu Blochzuständen Wie wir bereits in Kapitel 2.6 gesehen haben, bestehen zwischen den Mehrmoden-Glauberzuständen und den Mehrniveau-Blochzuständen fundamentale Zusammenhänge. Diese werden wir uns nun zunutze machen, um die im vorhergehenden Abschnitt eingeführten Konzepte auf die su(M )-Algebra übertragen zu können. Die su(M )-Algebra wird von den Shift-Operatoren {Êjk = â†j âk } mit j, k ∈ {1, 2, 3, ..., M } aufgespannt. Im Fall der Mehrmoden-Glauberzustände gilt für die zugehörige Dl -Algebra Dl (Êjk ) = Dl (â†j âk ) = Dl (âk )Dl (â†j ) = αk ∂αj + αk αj∗ . (4.22) Mithilfe der Transformation der Phasenraumparameter [114] ! 21 αi = xi αeiφ α= X αi αi∗ eiφ = i α1 , |α1 | (4.23) von den 2M unabhängigen Parametern αi , αi∗ , i ∈ {1, . . . , M }, auf die 2M − 2 unabhängigen Größen xi , x∗i , i ∈ {2, ..., M }, und die beiden reellen Größen Normierung α und globale Phase φ können wir die Ableitung ∂αj unter Verwendung der Kettenregel ersetzen: x1 e−iφ ∂ ∂ 1 ∗ −iφ ∂ e−iφ ∗ ∗ = x1 e + − x∇ + x ∇ − (x∇ + x∗ ∇∗ ) (4.24) ∂α1 2 ∂α 2αx1 ∂iφ 2 ∂ 1 ∗ −iφ ∂ x∗ e−iφ e−iφ ∂ = − k xk e + (x∇ + x∗ ∇∗ ) . (4.25) ∂αk 2 ∂α α ∂xk 2α P 1 ∗ 2 Dabei muss man berücksichtigen, dass der reelle Parameter x1 = (1 − M k=2 xk xk ) keine unabhängige Variable ist. Nach Definition enthält der Vektor x = (x2 , x3 , . . . , xM )t nur die unabhängigen Komponenten und der Vektor ∇ = (∂x2 , ∂x3 , · · · , ∂xM )t die Ableitungen nach denselben. Damit folgt ∗ ∗ x∇ + x ∇ = M X k=2 xk ∂ ∂ + x∗k ∗ . ∂xk ∂xk (4.26) Also ergibt sich für die Shift-Operatoren die Darstellung ∂ α ∂ 1 ∗ 2 l D (Êjk ) = xk + xk xj + α − xk x∗j (x∇ + x∗ ∇∗ ) ∂xj 2 ∂α 2 (4.27) mit der Definition ∂ 1 ≡ ∂x1 2x1 ∂ − x∇ + x∗ ∇∗ ∂(iφ) ≡− ∂ . ∂x∗1 (4.28) 78 Dynamik im Phasenraum Wenden wir den Differentialoperator Dl (Ejk ) nun auf den Projektor |αi hα| an, verwenden den bereits in Abschnitt 2.6 diskutierten Homomorphismus zwischen den den MehrmodenGlauberzuständen und den Mehrniveau-Blochzuständen N I ∂ dφ −α2 lim |αi hα| e = |xiN hx|N (4.29) 2 α →0 ∂α 2π und benutzen die Beziehung 2N 2N α ∂ 2α 2α 2 + α e−α = N e−α , 2 ∂α N! N! (4.30) so erhalten wir nach kurzer Rechnung N I dφ ∂ l † −α2 D (â â e lim k ) |αi hα| j α2 →0 ∂α 2π 1 ∂ + xk x∗j N − (x∇ + x∗ ∇∗ ) |xiN hx|N = xk ∂xj 2 ≡ Dl (Êjk ) |xiN hx|N . (4.31) Dabei lautet die neue Definition der Ableitung nach dem abhängigen Parameter x1 ∈ R nun ∂ 1 ∂ ≡− (x∇ − x∗ ∇∗ ) ≡ − ∗ , (4.32) ∂x1 2x1 ∂x1 da die Ableitung ∂ ∂(iφ) durch die Integration über den Winkel φ verschwindet. Analoge Rechnungen führen zu dem Differentialoperator Dk (â†j âk ): 1 ∂ + xk x∗j (N − (x∇ + x∗ ∇∗ )) ∂xj 2 ∂ 1 ≡ − x1 [N − (x∇ + x∗ ∇∗ )] . ∂x1 2 Dk (â†j âk ) = xk (4.33) mit (4.34) Diese Resultate erhält man auch direkt, wenn man den Projektor der verallgemeinerten Blochzustände |xiN hx|N in der Dickebasis ausdrückt, X0 X0 N! √ |xiN hx|N = nj mj m1 ! · · · mM !n1 · · · nM ! mM m1 x1 · · · xM (x∗1 )n1 · · · (x∗M )nM |m1 , . . . , mM i hn1 , . . . , nM | X0 X0 Mm,n (x, x∗ ) |m1 , . . . , mM i hn1 , . . . , nM | , = (4.35) nj mj und den Differentialoperator Dl (â†j âk ) sucht, der dieselben Wirkung auf die Funktion Mm,n (x, x∗ ) hat, wie der Operator â†j âk : P P â†j âk 0nj 0mj Mm,n |m1 , . . . , mM i hn1 , . . . , nM | P P mx = 0nj 0mj xjj k Mm,n |m1 , . . . , mM i hn1 , . . . , nM | . (4.36) 4.3. Die Zeitentwicklung der Q-Funktion 79 P0 P Dabei ist die gestrichene Summe nj über alle möglichen Terme mit j nj = N zu nehmen. Diese Herleitung des Differentialoperators Dl (â†j âk ) hat jedoch den Nachteil, dass die Eigenschaften der D-Algebren (4.17) und (4.20) sich nicht einfach übertragen lassen, sondern noch gezeigt werden müssen. Dies ist bei der Herleitung über den Homomorphismus (4.29) anders – dieser erhält die oben diskutierten Eigenschaften. Nun haben wir also über den Umweg der verallgemeinerten Glauberzustände auch für die Generatoren der su(M )-Algebra die zugehörige D-Algebra gefunden. Im folgenden Kapitel werden wir diese Ergebnisse nutzen, um die Zeitentwicklung der normal- und antinormalgeordneten Phasenraumverteilungen zu berechnen. 4.3 Die Zeitentwicklung der Q-Funktion Wie wir im Folgenden sehen werden, können wir mit dem oben entwickelten Formalismus sehr elegant die Zeitevolutionsgleichung der Q-Funktion herleiten. Lässt sich diese für das Zwei-Muldenpotential und eventuell auch für das Drei-Muldenpotential noch explizit berechnen, benötigt man für eine beliebige Anzahl M von Potentialminima einen systematischeren Weg. Bei der Herleitung der Zeitentwicklung der Q-Funktion gehen wir zunächst von der formalen Zeitentwicklung des Dichteoperators aus i i h i i ρ̂˙ = − Ĥ, ρ̂ = − Ĥ ρ̂ + ρ̂Ĥ. ~ ~ ~ (4.37) Diese hängt mit der der Evolution der Q-Funktion wie folgt zusammen: tr(ρ̂˙ |Ωi hΩ|) = N X hn| ρ̂˙ |Ωi hΩ|ni n=0 = N X hΩ|ni hn| ρ̂˙ |Ωi n=0 = hΩ| ρ̂˙ |Ωi = Q̇. (4.38) Nun können wir die Invarianz der Spur unter einer zyklischen Permutation der Argumente und die Hermitizität des Hamiltonoperators Ĥ ausnutzen, Q̇ = = = = i − tr (Ĥ ρ̂ − ρ̂Ĥ) |Ωi hΩ| ~ i i − tr |Ωi hΩ| Ĥ ρ̂ + tr ρ̂Ĥ |Ωi hΩ| ~ ~ i i l − tr D (Ĥ)∗ |Ωi hΩ| ρ̂ + tr ρ̂Dl (Ĥ) |Ωi hΩ| ~ ~ i l D (Ĥ) − Dl (Ĥ)∗ tr (|Ωi hΩ| ρ̂) , ~ (4.39) 80 Dynamik im Phasenraum und erhalten mithilfe der Umformung (4.38) i l Q̇(Ω) = D (Ĥ) − Dl (Ĥ)∗ Q(Ω) ~ 2 = − Im Dl (Ĥ) Q(Ω). ~ (4.40) Keine der in diesem Abschnitt verwendeten Ideen und Herleitungen beruht auf der Verwendung von Glauberzuständen. Das Ergebnis (4.40) ist also unabhängig von der jeweiligen dynamischen Gruppe und der Form der zugehörigen verallgemeinerten kohärenten Zustände |Ωi. Interessant ist hierbei zu bemerken, dass die Phasenraumdynamik der Q-Funktion wie auch der P-Funktion (vergleiche Abschnitt 4.4) nur vom Imaginärteil des Differentialoperators Dl (Ĥ) beeinflußt wird, während man zeigen kann, dass die Phasenraumverteilungen im thermodynamischen Gleichgewicht nur vom Realteil des Differentialoperators Dl (Ĥ) abhängt [116–118]. Das Ziel der weiteren Rechnungen wird die Auswertung des Imaginärteils des Differentialoperators Dl (Ĥ) für die Mehrniveau-Blochzustände sein. Dies werden wir zunächst exemplarisch für das Zwei-Niveausystem durchführen und dann den allgemeinen Fall mit M Potentialminima betrachten. 4.3.1 Das Zwei-Niveausystem Betrachten wir also zunächst das Zwei-Niveausystem (4.1). Hier haben wir die kohärenten Zustände, die Blochzustände 12 j X 2j θ −i(j+m)φ θ j+m j−m |θ, φi = sin e |j, mi cos m + j 2 2 m=−j = j X fm (θ, φ) |j, mi , (4.41) m=−j bereits kennengelernt. Diese entsprechen der algebraischen Parametrisierung x1 = cos θ 2 und θ x2 = e−iφ sin . 2 (4.42) Nun können wir die Blochzustände wie oben beschrieben als übervollständige Basis nutzen und die Wirkung der Operatoren auf die Zustände durch Differentialoperatoren angewendet auf die Funktionen fm (θ, φ) beschreiben: X X̂ |θ, φi hθ, φ| = fm (θ, φ)fm0 (θ, φ)X̂ |j, mi hj, m0 | m,m0 = X Dl (X̂)fm (θ, φ)fm0 (θ, φ) |j, mi hj, m0 | m,m0 = Dl (X̂) |θ, φi hθ, φ| . (4.43) 4.3. Die Zeitentwicklung der Q-Funktion 81 Um die Differentialoperatoren der Drehimpulsalgebra (1.11) zu berechnen, greifen wir auf die Darstellung durch die Shift-Operatoren Êjk zurück Jˆ+ = Ê21 Jˆ− = Ê12 1 ˆ Ê22 − Ê11 , Jz = 2 (4.44) für die wir die Differentialoperatoren in algebraischer Parametrisierung bereits kennen (vergleiche auch Gleichung 4.27): ∂ 1 ∂ l ∗ ∗ ∂ D (Êjk ) = xk + xk xj N − x2 + x2 ∗ k ∈ 1, 2 ∂xj 2 ∂x2 ∂x2 ∂ 1 ∂ ∂ ∗ ∂ ≡ − x2 − x2 ∗ ≡ − ∗ . (4.45) ∂x1 2x1 ∂x2 ∂x2 ∂x1 Mithilfe der Kettenregel kann man die komplexen Ableitungen nach den xi in die Winkel θ, φ umrechnen ∂ ∂ i = − θ ∂x1 2 cos 2 ∂φ ∂ = eiφ ∂x2 1 ∂ i ∂ + cos 2θ ∂θ 2 sin 2θ ∂φ ! . (4.46) Dabei haben wir berücksichtigt, dass x1 keine unabhängige Variable ist. Damit ergeben sich die Differentialoperatoren der Drehimpulsoperatoren N i θ ∂ θ ∂ l ˆ iφ 2 D (J+ ) = e sin (θ) + cos + cot 2 2 ∂θ 2 2 ∂φ i θ ∂ N θ ∂ l ˆ −iφ 2 D (J− ) = e sin (θ) − sin − tan 2 2 ∂θ 2 2 ∂φ N 1 ∂ i ∂ + . (4.47) Dl (Jˆz ) = − cos (θ) + sin (θ) 2 2 ∂θ 2 ∂φ In führender Ordnung entsprechen die Differentialoperatoren Dl also den Erwartungswerten der Drehimpulsoperatoren in kohärenten Zuständen (vergleiche Gleichung (2.80 2.82)). Diese enthalten – im Unterschied zu den weiteren Ordnungen – keine Ableitungen. Eine solche Zerlegung in einen makroskopischen Anteil und Vielteilchen-Korrekturen werden wir auch bei der Berechnung der Dynamik der Quasi-Phasenraumverteilungen wiederfinden. In Kapitel 5 werden wir näher auf diese Zusammenhänge eingehen. Für die Berechnung der Zeitentwicklung der Q-Funktion sind wir jedoch nur am Imaginärteil des Differentialoperators Dl (Ĥ) interessiert, 2 Im Dl (Ĥ) Q(θ, φ) ~ 2 = − Im −2∆Dl (Jˆx ) + U Dl (Jˆz )Dl (Jˆz ) − 2Dl (Jˆz ) Q(θ, φ), ~ Q̇(θ, φ) = − (4.48) 82 Dynamik im Phasenraum welchen wir nun mittels Winkeldarstellung für die einzelnen Faktoren weiter auswerten können: 1 Im Dl (J+ ) + Dl (J− ) Im Dl (Jˆx ) = 2 1 ∂ 1 ∂ sin φ + cos φ cot θ = 2 ∂θ 2 ∂φ 1 ∂ Im Dl (Jˆz ) = 2 ∂φ N ∂ 1 ∂2 (4.49) Im Dl (Jˆz2 ) = − cos θ + sin θ . 2 ∂φ 2 ∂θ∂φ Insgesamt ergibt sich mit ~ = 1 für die Evolutionsgleichung der Q-Funktion: ∂ ∂ Q̇(θ, φ) = + 2∆ sin φ + cos φ cot θ ∂θ ∂φ ∂ 1 ∂2 ∂ +U N cos θ − sin θ + 2 Q(θ, φ). ∂φ N ∂θ∂φ ∂φ (4.50) Im anschließenden Abschnitt werden wir dieses Resultat auf eine beliebige Anzahl von M Niveaus verallgemeinern. 4.3.2 Der allgemeine Fall – Das M -Niveausystem Der allgemeine Fall mit M Niveaus wird durch den Hamiltonoperator Ĥ = M X i=1 i n̂i − ∆ M −1 X i=1 â†i âi+1 + â†i+1 âi M UX (n̂i (n̂i − 1)) + 2 i=1 (4.51) beschrieben. Damit ergibt sich mit den Regeln (4.17) folgende Gleichung für die Zeitevolution der Q-Funktion: 2 l Q̇(x) = − Im D (Ĥ) Q(x) ~ X M M −1 X 2 l = − Im i D (n̂i ) − ∆ Dl (â†i âi+1 ) + Dl (â†i+1 âi ) ~ i=1 i=1 M UX l 2 + D (n̂i ) Q(x), 2 i=1 (4.52) wobei der komplexe Vektor x = (x2 , x3 , . . . xM ) die bereits diskutierte algebraische Parametrisierung der Mehrniveau-Blochzustände angibt. Beim Aufstellen haben PMder Gleichung l wir ausgenutzt, dass die Summe über die Differentialoperatoren k=1 (D (n̂k )) gerade einer Multiplikation mit N entspricht und daher keinen Beitrag zum Imaginärteil liefert. 4.3. Die Zeitentwicklung der Q-Funktion 83 Die Imaginäranteile dieser Differentialoperatoren können wir nun mithilfe von Gleichung (4.27) berechnen. Nach einigen elementaren Umformungen erhält man für 2 ≤ j ≤ M : ∂ l Im D (n̂j ) = Im xj (4.53) ∂xj 2 ∂ l 2 2 ∂ Im D (n̂j ) = Im xj 2 + xj ∂xj ∂xj ∂ 2 ∗ ∗ + |xj | xj (2N − 1 − (x∇ + x ∇ )) (4.54) ∂xj ∂ ∂ l † l † + xj . Im D (âj âj+1 ) + D (âj+1 âj ) = Im xj+1 (4.55) ∂xj ∂xj+1 Dabei haben wir die Definition (4.26) benutzt. Bei der Berechnung der Differentialoperatoren des ersten Niveaus j = 1 müssen wir berücksichtigen, dass x1 kein unabhängiger Parameter ist. Dies haben wir bereits durch die formale Definition der Ableitung nach x1 (4.28) getan. Bei der Berechnung der Differentialoperatoren Dl (n̂1 ) und Dl (n̂1 )2 ist es jedoch einfacher, die Berechnung auf den Fall j 6= 1 zurückzuführen. Dies können wir mithilfe der Beziehung Dl (n̂1 ) + PM PM l l l D (n̂ ) = D ( k k=2 k=1 n̂k ) = D (N̂ ) = N leicht tun. Damit ergibt sich für die Differentialoperatoren im Fall j = 1: ! M X 1 n̂k ) = − (x∇ − x∗ ∇∗ ) Im Dl (n̂1 ) = Im N − Dl ( 2 k≥2 ! M ! M X X Im Dl (n̂1 )2 = Im N 2 + Dl (n̂k ) − 2N Dl (n̂k0 ) k≥2 (4.56) (4.57) k0 ≥2 x21 (x∇)2 − (x∗ ∇∗ )2 − N x21 (x∇ − x∗ ∇∗ ) 2 x2 ∂ ∗ ∗ l † l † Im D (â1 â2 ) + D (â2 â1 ) = Im − (x∇ − x ∇ ) + x1 . 2x1 ∂x2 = (4.58) (4.59) Wie wir jedoch bereits beim Zwei-Niveausystem gesehen haben, ist die algebraische Parametrisierung zur Auswertung des Imaginärteils nur bedingt geeignet, da sie es nicht erlaubt, den Imaginärteil eindeutig zu identifizieren. Deshalb werden wir die Parameter xi nun mithilfe einer Amplitude-Phase-Zerlegung in die beiden reellen Parameter (qi , pi ) umschreiben, x1 = √ p1 , xi = √ pi e−iqi 2 ≤ i ≤ M, (4.60) wobei 0 ≤ pi ≤ 1 die relative Besetzung im i-ten Niveau angibt und 0 ≤ qi < 2π der relativen Phase bezogen auf das erste Niveau entspricht. 84 Dynamik im Phasenraum In den neuen Parametern vereinfachen sich Gleichung (4.53) bis (4.55) für 2 ≤ j ≤ M zu 1 ∂ Im Dl (n̂j ) = 2 ∂qj (4.61) ! ∂ ∂ ∂2 Im D (n̂j ) = pj N − pk (4.62) + pj ∂pk ∂qj ∂pj ∂qj k≥2 √ ∂ ∂ l † l † Im D (âj âj+1 ) + D (âj+1 âj ) = pj pj+1 sin(qj − qj+1 ) − ∂pj ∂pj+1 r r pj+1 ∂ pj 1 ∂ + . (4.63) + cos(qj − qj+1 ) 2 pj ∂qj pj+1 ∂qj+1 l 2 M X Im ersten Niveau j = 1 ergibt sich in dieser Parametrisierung: 1X ∂ Im Dl (n̂1 ) = − 2 k≥2 ∂qk (4.64) ! X ∂ ∂2 −N (4.65) pk ∂pk ∂qk0 ∂qk k≥2 k,k0 ≥2 r X 1 p2 ∂ ∂ √ l † l † Im D (â1 â2 ) + D (â2 â1 ) = − cos q2 + p1 p2 sin q2 2 p1 k≥2 ∂qk ∂p2 r 1 p1 ∂ . + cos q2 (4.66) 2 p2 ∂q2 Im Dl (n̂1 )2 = p1 X Damit können wir nun also die allgemeine Zeitentwicklung der Q-Funktion für ein System mit M -Niveaus angeben: M −1 X ∂ ∂ ∂ √ √ Q̇(p, q) = ∆ 2 pk+1 pk sin(qk − qk+1 ) + 2 p2 p1 sin q2 − ∂pk ∂pk+1 ∂p2 k=2 r r M −1 X pk ∂ pk+1 ∂ cos(qk+1 − qk ) + + pk+1 ∂qk+1 pk ∂qk k=1 ! M M X X ∂ ∂2 ∂2 +U N (p1 − pk ) + (pk − p1 )pk0 − pk ∂q ∂p ∂pk ∂qk k k0 ∂qk 0 k=2 k≥2 k,k ≥2 M X ∂ + (1 − k ) Q(p, q), (4.67) ∂qk k=2 M X wobei wir die Definitionen q1 ≡ 0 und M X ∂ ∂ ≡− ∂q1 ∂qk k=2 (4.68) 4.3. Die Zeitentwicklung der Q-Funktion 85 eingeführt und reskalierte Einheiten mit ~ = 1 benutzt haben. Diese Definitionen spiegeln den Bezug der relativen Phasen auf das erste Niveau und die daraus resultierende Abhängigkeit wieder. Für den Fall M = 2 ergibt sich die Formel ∂ p1 − p2 ∂ √ Q̇(p2 , q2 ) = ∆ 2 p2 p1 sin q2 + cos q2 √ (4.69) ∂p2 p1 p2 ∂q2 ∂ ∂ ∂ + (1 − 2 ) Q(p2 , q2 ), +U N (p1 − p2 ) − 2p2 p1 ∂p2 ∂q2 ∂q2 welche mithilfe der algebraischen Parametrisierung x1 = e−iφ sin 2θ zusammen mit den partiellen Ableitungen ∂ ∂ = ∂q2 ∂φ mit √ p1 = cos 2θ und x2 = 2 ∂ ∂ = ∂p2 sin θ ∂θ √ p2 e−iφ = (4.70) und der Definition 2 = 1 − 2 wieder die Form (4.50) annimmt. Das hier beschriebene Vorgehen ist jedoch nicht auf diese spezielle Form des Hamiltonoperators beschränkt, sondern kann auf jedes System mit Teilchenzahlerhaltung angewendet werden. Eine Anwendungsmöglichkeit wäre zum Beispiel die Dynamik eines atomaren Ensembles von Mehrniveauatomen, welches als Quantenregister dienen kann [119]. 4.3.3 Nichthermitische Hamiltonoperatoren Für nichthermitische Hamiltonoperatoren gilt die oben beschriebene Herleitung für die Zeitevolution der Q-Funktion i l D (Ĥ) − Dl (Ĥ)∗ Q(Ω) ~ 2 = − Im Dl (Ĥ) Q(Ω). ~ Q̇(Ω) = (4.71) nicht mehr. Diese treten jedoch zum Beispiel bei der effektiven Beschreibung eines zerfallenden Systems oder der Beschreibung von Resonanzen in einem offenen System auf [120, 121]. Das Konzept der D-Algebren ist jedoch weiterhin anwendbar. Wollen wir auch in diesem Fall die Dynamik im Phasenraum betrachten, müssen wir bei der Berechnung der Zeitentwicklung der Q-Funktion jedoch die Nicht-Hermitizität berücksichtigen. Daher können wir nicht mehr von Gleichung (4.37) ausgehen, sondern die Zeitentwicklung des Dichteoperators ρ̂ wird formal durch die Gleichung i~ρ̂˙ = Ĥ ρ̂ − ρ̂Ĥ † . (4.72) beschrieben. Mithilfe der Beziehung ∗ Dl (Ĥ) = Dr (Ĥ † ) (4.73) 86 Dynamik im Phasenraum erhalten wir in einer weitgehend analogen Rechnung zu (4.39) für die Zeitentwicklung der Q-Funktion unter einem nichthermitischen Hamiltonoperator i l † D (Ĥ ) − Dl (Ĥ † )∗ Q(Ω) ~ 2 = − Im Dl (Ĥ † ) Q(Ω). ~ Q̇(Ω) = (4.74) Auch hier steht |Ωi für den zur dynamischen Gruppe zugehörigen verallgemeinerten kohärenten Zustand. Im Fall eines hermitischen Hamiltonoperators ergibt sich wieder die gewohnte Form. Bei der effektiven Beschreibung eines zerfallenden Systems treten häufig zwei Fälle auf: Zum einen kann der Hamiltonoperator Terme enthalten, welche die Teilchenzahl nicht erhalten, wie zum Beispiel einen einzelnen Auf- oder Absteigeoperator. Die zugehörigen physikalischen Zustände sind dann Elemente des Fockraums mit unbestimmter Teilchenzahl. Damit folgt die dynamische Gruppe nicht mehr den Vertauschungsregeln der su(M )Algebra, sondern es handelt sich um eine direkte Summe von Heisenberg-Weyl-Algebren h4 . Der zugehörige Phasenraum ist eben und die verallgemeinerten kohärenten Zustände sind gerade die oben diskutierten Mehrmoden-Glauberzustände. Diese Methodik findet insbesondere im Kontext von Mastergleichungen vielfältige Anwendungen, eine Einführung bietet z.B. das Buch [113] Die zweite Möglichkeit einen nichthermitischen Term einzuführen, ist die Multiplikation eines teilchenzahlerhaltenden Terms mit einem komplexen Vorfaktor, dessen Betrag ein Maß für die Stärke des Zerfalls angibt. Damit ist die zugrundeliegende dynamische Gruppe eine su(M )-Algebra und die Mehrniveau-Blochzustände führen zur su(M )-D-Algebra. Auch hier folgt die formale Zeitentwicklung des Dichteoperators Gleichung (4.72). Ein Beispiel Betrachten wir als Beispiel für den zweiten Fall das Zwei-Niveaussystem, welches durch den Hamiltonoperator (4.1) beschrieben wird, mit einem zusätzlichen nichthermitischen Term [120] Ĥdecay = −iγâ†2 â2 . (4.75) Dieser beschreibt einen Abnahme der Normierung proportional zur Besetzung im zweiten Potentialminimum. Dieses und ein weiteres ähnlich strukturiertes System werden ausführlicher in der Diplomarbeit [122] diskutiert. An dieser Stelle sollen zunächst nur die vorgestellten Methoden auf das nicht-hermitische System erweitert werden. Obwohl der Hamiltonoperator mit dem Teilchenzahloperator vertauscht, ist diese keine Erhaltungsgröße. Denn die Erwartungswerte eines beliebigen Operators B̂ werden nun durch die verallgemeinerte Heisenberg-Gleichung ˙ i~hψ|B̂|ψi = hψ|B̂ Ĥ − Ĥ † B̂|ψi (4.76) 4.4. Die Dynamik der P-Funktion 87 beschrieben, was dazu führt, dass der Erwartungswert der Teilchenzahl nicht mehr konstant ist. Der zugehörige Hilbertraum bleibt jedoch weiterhin N + 1-dimensional und der Phasenraum entspricht einer Blochkugel mit Radius N/2. Die Parametrisierung der Quasi-Phasenraumdistributionen über die relativen Besetzungen (p1 = 1 − p2 , p2 ) der Niveaus und die relative Phase q2 zwischen den beiden Niveaus oder über die beiden Winkel (θ, φ) erlaubt deshalb zusammen mit der Information über die Abnahme der Normierung der Phasenraumverteilungen eine vollständige Beschreibung des Systems. Betrachten wir zunächst nur den nicht-hermitischen Term, Ĥdecay . Wegen des komplexen Vorfaktors hängt die Zeitevolution der Q-Funktion nun jedoch nicht mehr wie oben diskutiert vom Imaginär-, sondern vom Realteil des Differentialoperators Dl (â†2 â2 ) ab: l (â†2 â2 ) Q̇(p2 , q2 ) = −2 Im +iγD Q(p2 , q2 ) = −2γRe Dl (â†2 â2 ) Q(p2 , q2 ) ∂ = −2γ p2 N + p2 p1 Q(p2 , q2 ) ∂p2 1 ∂ Q(θ, φ). = −γN (1 − cos θ) + sin θ N ∂θ (4.77) Die physikalischen Konsequenzen werden wir, genau wie die Interpretation der Evolutionsgleichung in Kapitel 5 diskutieren. 4.4 Die Dynamik der P-Funktion In der Quantenoptik ist die Diagonaldarstellung des Dichteoperators in kohärenten Zuständen, Z P(Ω) |Ωi hΩ| dµ(Ω), ρ̂ = (4.78) X die sogenannte P-Funktion, welche bereits in Kapitel 3 eingeführt wurde, sehr populär. Im Unterschied zur Q-Funktion, erhält man die P-Funktion bei der Wahl von normalgeordneten Operatorprodukten. In diesem Abschnitt werden wir die zu Beginn dieses Kapitels entwickelten Techniken auf die P-Funktion übertragen um schließlich auch für diese eine explizite Formel für die Zeitentwicklung abzuleiten. Der Vergleich mit der Zeitentwicklung der Q-Funktion illustriert anschaulich die Unterschiede der Phasenraumdarstellungen. Diese werden insbesondere im nächsten Kapitel, in dem wir den physikalischen Zusammenhang zwischen den Phasenraumdarstellungen und der Gross-Pitaevski-Gleichung näher untersuchen, wichtig werden, da im Grenzfall hoher Teilchenzahlen die Darstellungen gegeneinander konvergieren. 88 4.4.1 Dynamik im Phasenraum Differentialalgebren für die P-Funktion Zu Beginn dieses Kapitels haben wir die Dl -Algebra eingeführt. Damit haben wir eine Möglichkeit gefunden, die Wirkung eines beliebigen Operators B̂ auf einen kohärenten Zustand durch die Wirkung eines Differentialoperators auf dessen reskalierte Bargmannfunktion (4.5) zu beschreiben. Wie wir gesehen haben, ist die Übertragung des Konzepts der Dl -Algebren auf die Q-Funktion sehr einfach, da diese proportional zum Produkt zweier Bargmannfunktionen ist. Um dieses Konzept nun auch auf die P-Funktion verallgemeinern zu können, gehen wir von Differentialoperatoren Dl (Â) mit Wirkung auf einen Projektor |Ωi hΩ| aus und wälzen diesen durch eine partielle Integration auf die P-Funktion um. Wir definieren also den Differentialoperator mit Wirkung auf die P-Funktion wie folgt: Z Z l P(Ω)D (Â) |Ωi hΩ| dµ(Ω) = D̃l (Â)P(Ω) |Ωi hΩ| dµ(Ω). (4.79) X X Das Ergebnis bezeichnen wir mit D̃l (Â), um Verwechslung zwischen den Operatorordnungen zu vermeiden. Dabei haben wir das aus der partiellen Integration resultierende Vorzeichen in die Definition mit eingeschlossen. In den beiden hier betrachteten Fällen verschwindet der zweiter Term der partiellen Integration aufgrund der Randbedingungen. Die Argumentation hängt dabei jedoch stark von der Struktur des betrachteten Phasenraums ab – bei der Blochsphäre verschwindet der Term aufgrund der Periodizität, im ebenen Fall aufgrund der Normierbarkeit der Phasenraumverteilung. Im Fall der Mehrmoden-Glauberzustände (vergleiche Abschnitt 2.2) erhält man so aus Gleichung (4.13) und (4.14) für die rechts- und linksseitigen Differentialoperatoren ∂ ∂α und D̃l (â) = α D̃r (↠) = α∗ und D̃r (â) = α − D̃l (↠) = α∗ − (4.80) ∂ . ∂α∗ (4.81) Die Differentialoperatoren für die P-Funktion bilden ebenfalls eine D̃-Algebra entsprechend den Vertauschungsrelationen der ursprünglichen Operatoren und besitzen die folgenden Eigenschaften: D̃l (r + sB̂) = rD̃l (Â) + sD̃l (B̂) mit r, s ∈ C D̃l (ÂB̂) = D̃l (Â)D̃l (B̂) h i h i D̃l Â, B̂ = D̃l (Â), D̃l (B̂) . (4.82) (4.83) (4.84) Anders als im Fall der Q-Funktion (vergleiche (4.17)) sind die D̃l -Operatoren also homomorph und erhalten die Kommutatorrelationen. Die D̃r hingegen sind anti-homomorph. Der Vergleich zeigt, dass dies Zuordnung dieser Eigenschaften aus der Operatorordnung der charakteristischen Funktion resultiert. Die adjungierte Beziehung h i∗ D̃l (Â) = D̃r († ) (4.85) 4.4. Die Dynamik der P-Funktion 89 gilt weiterhin. Analog zum Fall der Differentialoperatoren der Q-Funktion kann man auch für die PFunktion einen Homomorphismus zwischen den Mehrmoden-Glauberzuständen und den Mehrniveau-Blochzuständen finden [114]. So erhält man für die Operatoren Êjk = â†j âk der su(M )-Algebra in der Parametrisierung über die komplexen Parameter x ≡ (x2 , x3 , ..., xM ) die Darstellung ∂ 1 l ∗ ∗ ∗ D̃ (Êjk ) = −xk + xk xj (N + M ) + (x∇ + x ∇ ) − δjk . (4.86) ∂xj 2 Dabei gelten wie im anti-normalgeordneten Fall die Definitionen t ∂ ∂ ∂ , ,··· , , ∇≡ ∂x2 ∂x3 ∂xM (4.87) und r x1 = 1− X k≥2 x∗k xk , sowie ∂ 1 =− (x∇ − x∗ ∇∗ ), ∂x1 2x1 (4.88) da die Operatorordnung nichts an der Parametrisierung ändert. Die Unterschiede zwischen Dl - und D̃l -Operatoren können sehr leicht auf die unterschiedliche Operatorordnungen zurückgeführt werden. So ergibt sich die Ersetzung N ↔ N + M genau wie der zusätzliche Term −δjk aus der Umordnung der Operatoren â†j âk = â↠− δjk bzw. M X k=1 âk â†k = M X â†k âk + 1 = N + M. (4.89) k=1 Das im Vergleich zur Q-Funktion veränderte Vorzeichen der Ableitungen ist auf die partielle Integration bei der Definition der Differentialoperatoren für die P-Funktion zurückzuführen. 4.4.2 Zeitentwicklung der P-Funktion Um die Zeitentwicklung der P-Funktion zu berechnen, gehen wir wieder von der formalen Zeitentwicklung des Dichteoperators aus: Z ˙ρ̂ = Ṗ(Ω) |Ωi hΩ| dµ(Ω) X i i = − Ĥ ρ̂ + ρ̂Ĥ † ~Z ~ Z i i = − P(Ω)Ĥ |Ωi hΩ| dµ(Ω) + P(Ω) |Ωi hΩ| Ĥ † dµ(Ω) ~ X ~ X Z i l r † = − D̃ (Ĥ) − D̃ (Ĥ ) P(Ω) |Ωi hΩ| dµ(Ω) ~ X Z i = D̃l (Ĥ)∗ − D̃l (Ĥ) P(Ω) |Ωi hΩ| dµ(Ω). ~ X (4.90) 90 Dynamik im Phasenraum Dabei haben wir keine explizite Eigenschaft des Hamiltonoperators benutzt, wie z.B. Hermitizität. Der Vektor |Ωi ist ein Platzhalter für die verallgemeinerten kohärenten Zustände und dµ(Ω) steht für das jeweilige Integrationsmaß. Diese Herleitung gilt also allgemein für hermitische und nicht-hermitische Hamiltonoperatoren sowie beliebige Phasenraumtopologien und wir können das Ergebnis kurz zusammenfassen: i l l ∗ Ṗ(Ω) = − D̃ (Ĥ) − D̃ (Ĥ) P(Ω) ~ 2 l = Im D̃ (Ĥ) P(Ω). ~ (4.91) Genau wie zuvor im Fall der Husimi-Funktion (4.40) wird die Phasenraumdynamik der P-Funktion nur vom Imaginärteil des Differentialoperators D̃l (Ĥ) bestimmt. 4.4.3 Das M -Niveausystem Um eine explizite Formel für die Zeitentwicklung der P-Funktion angeben zu können, müssen wir nun also die Imaginärteile der Differentialoperatoren ∂ 1 l ∗ ∗ ∗ D̃ (Êjk ) = −xk + xk xj (N + M ) + (x∇ + x ∇ ) − δjk (4.92) ∂xj 2 auswerten. Damit ergeben sich für die Imaginärteile der Differentialoperatoren mit 2 ≤ j≤M ∂ l Im D̃ (n̂j ) = Im −xj (4.93) ∂xj ∂ ∂ 2 l 2 + 2xj Im D̃ (n̂j ) = Im xj ∂xj ∂xj ∂ 2 ∗ ∗ − |xj | xj 2(N + M ) − 1 + (x∇ + x ∇ ) (4.94) ∂xj ∂ ∂ l † l † Im D̃ (âj âj+1 ) + D̃ (âj+1 âj ) = Im −xj+1 − xj (4.95) ∂xj ∂xj+1 und analog für j = 1 1 Im D̃l (n̂1 ) = (x∇ − x∗ ∇∗ ) 2 x2 Im D̃l (n̂1 )2 = 1 (x∇)2 − (x∗ ∇∗ )2 + (N + M )x21 (x∇ − x∗ ∇∗ ) 2 − (x∇ − x∗ ∇∗ ) x2 ∂ l † l † ∗ ∗ Im D̃ (â1 â2 ) + D̃ (â2 â1 ) = Im (x∇ − x ∇ ) − x1 . 2x1 ∂x2 (4.96) (4.97) (4.98) 4.4. Die Dynamik der P-Funktion 91 Auch hier kann man erst durch die Amplitude-Phase-Zerlegung in die relativen Besetzungen p und die relativen Phasen q, jeweils bezogen auf das erste Niveau, die Imaginärteile endgültig auswerten (vergleiche (4.60)). Nach kurzer Rechnung erhält man für 2 ≤ j ≤ M : 1 ∂ Im D̃l (n̂j ) = − (4.99) 2 ∂qj ! M X ∂ ∂2 ∂ ∂ pk + pj + Im D̃l (n̂j )2 = −pj (N + M ) + (4.100) ∂pk ∂qj ∂pj ∂qj ∂qj k≥2 ! √ ∂ Im D̃l (â†j âj+1 ) + D̃l (â†j+1 âj ) = pj pj+1 sin(qj − qj+1 ) ∂pj+1 − ∂p∂ j r r pj+1 ∂ pj 1 ∂ + . (4.101) − cos(qj − qj+1 ) 2 pj ∂qj pj+1 ∂qj+1 Im ersten Niveau j = 1 ergibt sich in dieser Parametrisierung: 1X ∂ Im D̃l (n̂1 ) = + (4.102) 2 k≥2 ∂qk X ∂ X X ∂ ∂2 pk Im D̃l (n̂1 )2 = p1 (N + M ) + p1 − (4.103) ∂q ∂p ∂q k k ∂qk0 k 0 k≥2 k≥2 k,k ≥2 r X p2 1 ∂ ∂ √ Im D̃l (â†1 â2 ) + D̃l (â†2 â1 ) = + cos q2 − p1 p2 sin q2 2 p1 k≥2 ∂qk ∂p2 r 1 p1 ∂ (4.104) − cos q2 . 2 p2 ∂q2 Insgesamt erhalten wir also für die Zeitentwicklung der P-Funktion unter dem Hamiltonoperator (4.2): M −1 X ∂ ∂ ∂ √ √ − + 2 p2 p1 sin q2 Ṗ(p, q) = ∆ 2 pk+1 pk sin(qk − qk+1 ) ∂pk ∂pk+1 ∂p2 k=2 r r M −1 X pk ∂ pk+1 ∂ + cos(qk+1 − qk ) + pk+1 ∂qk+1 pk ∂qk k=1 ! M M M X X X ∂ ∂2 ∂2 + U (N + M ) (p1 − pk ) + (p1 − pk )pk0 + pk ∂q ∂p ∂pk ∂qk k k0 ∂qk 0 k=2 k≥2 k,k ≥2 M X ∂ (4.105) + (1 − k ) P(p, q), ∂qk k=2 wobei wir wie im Fall der Q-Funktion im vorhergehenden Abschnitt die Definitionen q1 ≡ 0 und M X ∂ ∂ ≡− ∂q1 ∂qk k=2 (4.106) 92 Dynamik im Phasenraum eingeführt und reskalierte Einheiten mit ~ = 1 benutzt haben. Für den Fall zweier Niveaus (4.1) erhält man in der Darstellung über die beiden Winkel der Blochkugel (θ, φ) für die Operatoren der Drehimpulsalgebra N θ ∂ i θ ∂ l ˆ iφ 2 D̃ (J+ ) = e + 1 sin (θ) − cos − cot 2 2 ∂θ 2 2 ∂φ θ ∂ i θ ∂ N 2 l ˆ −iφ + 1 sin (θ) + sin + tan D̃ (J− ) = e 2 2 ∂θ 2 2 ∂φ N 1 ∂ i ∂ (4.107) + 1 cos (θ) − sin (θ) − . D̃l (Jˆz ) = − 2 2 ∂θ 2 ∂φ Ein Vergleich der D-algebraischen Darstellung für die Q-Funktion (4.47) und die PFunktion (4.107) mit den Weylsymbolen (3.100) zeigt, dass dieses den führenden Term ohne Ableitungen bestimmt. In beiden Fällen entspricht die führende Ordnung in der Teilchenzahl N dem Erwartungswerten der Drehimpulsoperatoren in kohärenten Zuständen (vergleiche erneut (2.80) - (2.82)). Diese makroskopische Eigenschaft ist also unabhängig von der Operatorordnung bzw. der verwendeten Phasenraumdistribution. Weiterhin ergeben sich für die die Imaginärteile der relevanten Differentialoperatoren 1 Im D̃l (Jˆx ) = Im Dl (J+ ) + Dl (J− ) 2 1 ∂ 1 ∂ = − sin φ − cos φ cot θ 2 ∂θ 2 ∂φ 1 ∂ Im D̃l (Jˆz ) = − 2 ∂φ ∂ 1 ∂2 N Im D̃l (Jˆz2 ) = ( + 1) cos θ + sin θ . 2 ∂φ 2 ∂θ∂φ (4.108) (4.109) (4.110) Insgesamt ergibt sich mit ~ = 1 für die Evolutionsgleichung der P-Funktion: ∂ ∂ Ṗ(θ, φ) = + 2∆ sin φ + cos φ cot θ (4.111) ∂θ ∂φ ∂ 1 ∂2 ∂ + sin θ +U (N + 2) cos θ + 2 P(θ, φ). ∂φ N ∂θ∂φ ∂φ Dies entspricht dem Resultat ∂ p1 − p2 ∂ √ Ṗ(p2 , q2 ) = + ∆ 2 p2 p1 sin q2 + cos q2 √ (4.112) ∂p2 p1 p2 ∂q2 ∂ ∂ ∂ +U (N + 2)(p1 − p2 ) + 2p2 p1 + (1 − 2 ) P(p2 , q2 ) ∂p2 ∂q2 ∂q2 in der Parametrisierung über die relative Besetzungen (p1 = 1 − p2 , p2 ) und die relative Phase q2 . 4.5. Anmerkungen zur Wigner-Funktion 93 Ein erster Vergleich mit der Phasenraumdynamik der Husimi-Funktion (Gleichung (4.50) bzw. (4.69)) zeigt deutliche Analogien auf. Die einzigen Unterschiede ergeben sich aus der Ersetzung N ↔ N + M aufgrund der Operatorordnung und aus dem veränderten Vorzeichen vor dem Term der zweiten Ableitung. Interessant ist auch zu bemerken, dass die Existenz der zweite Ableitung unabhängig von der Operatorordnung direkt aus dem quadratischen Term im Hamiltonoperator resultiert. Die erhaltenen Differentialgleichungen besitzen keine einfache mathematische Struktur, denn sie gehören zur Klasse der pseudoparabolischen Differentialgleichungen (siehe [123, 124] und Referenzen darin). Eine physikalisch motivierte Analyse folgt in Kapitel 5. 4.5 Anmerkungen zur Wigner-Funktion Da die Wignerfunktion nicht direkt über die verallgemeinerten kohärenten Zustände definiert ist, ist es nicht einfach möglich den hier vorgestellten Formalismus auf die su(2) oder sogar die su(M )-Algebra zu übertragen. Zumindest für die su(2)-Algebra gibt es jedoch Ergebnisse mithilfe anderer Methoden: Zum einen über die charakteristische Funktion [83] (und Referenzen darin), zum anderen über Ansätze mittels eines Stern-Produkt [103,125]. Während die Ergebnisse für die P- und Q-Funktion mit den hier vorgestellten Resultaten für M = 2 übereinstimmen, widersprechen sich die beiden zitierten Artikel jedoch im Falle der Wignerfunktion. Auch eine einfache Verallgemeinerung auf M -Niveaus ist mit diesen Ansätzen nicht einfach möglich. Prinzipiell kann man in diesem Fall die charakteristische Funktion auszuwerten, dieser Ansatz scheitert jedoch an der Komplexität des Problems. 4.6 Erwartungswerte und Phasenraummittel Wie wir bereits wissen, können wir den Erwartungswert eines beliebigen Operators B̂ für eine gegebene Q-Funktion über die P-Darstellung des Operators BP (Ω) berechnen und umgekehrt: hB̂i = tr ρ̂B̂ Z = Q(Ω)PB̂ (Ω)dµ(Ω) Z = P(Ω)QB̂ (Ω)dµ(Ω), (4.113) wobei PB̂ (Ω) und QB̂ (Ω) den (anti-)normalgeordneten Weylsymbolen des Operators B̂ entsprechen: Z B̂ = PB̂ (Ω) |Ωi hΩ| dµ(Ω) und (4.114) QB̂ (Ω) = hΩ| B̂ |Ωi . (4.115) 94 Dynamik im Phasenraum Aufgrund der asymmetrischen Operatorordnung benötigen wir also jeweils beide Darstellungen zur Berechnung eines Erwartungswertes (vergleiche (3.20)). Dies ist anders, wenn wir auf die Darstellung der Operatoren durch die Differentialalgebra zurückgreifen. So kann man unter Ausnutzen der Eigenschaften der Spuroperation die folgenden Gleichungen ableiten: hB̂i = tr ρ̂B̂ Z = Dl (B̂)Q(Ω)dµ(Ω) (4.116) Z D̃l (B̂)P(Ω)dµ(Ω). = (4.117) Die Kenntnis der jeweiligen Differentialalgebra erlaubt es also, die Erwartungswerte geschlossen innerhalb einer Darstellung zu berechnen. Der Vergleich mit der allgemeinen Form (4.113) unterstreicht den engen Zusammenhang zwischen den Differentialoperatoren und den jeweils umgekehrt geordneten Phasenraumdarstellungen. 4.6.1 Erwartungswerte der Generatoren der su(M )-Algebra Betrachten wir als Beispiel den Erwartungswert der verallgemeinerten Drehimpulsoperatoren Êjk , welche die su(M )-Algebra aufspannen. Da diese Operatoren normalgeordnet sind, liegt es nahe zunächst die P-Darstellung zu untersuchen: Z Z N +M δjk 1 ∗ hÊjk i = xk xj P(x)dµ(x) − P(x)dµ(Ω) N N N Z Z 1 ∂ 1 − xk P(x)dµ(x) + xk x∗j (x∇ + x∗ ∇∗ )P(x)dµ(x) N ∂xj 2N Z 1 (4.118) = xk x∗j P(x)dµ(x) + O( ). N Der Erwartungswert zerfällt also in einen makroskopischen Anteil, welcher sich aus einem klassischen Phasenraummmittel ergibt, und einem mikroskopischen Korrekturterm, der im makroskopischen Limes N → ∞ mit fester Anzahl an Niveaus M verschwindet. Ein analoges Verhalten findet man auch für die Husimidistribution: Z 1 hÊjk i = xk x∗j Q(x)dµ(x) N Z Z 1 ∂ 1 + xk Q(x)dµ(x) − xk x∗j (x∇ + x∗ ∇∗ )Q(x)dµ(x) N ∂xj 2N Z 1 = xk x∗j Q(x)dµ(x) + O( ). (4.119) N Auch hier findet man das oben beschriebene Verhalten - im makroskopischen Limes spielt die Operatorordnung also keine Rolle. Beim Grenzübergang verschwinden damit auch die 4.6. Erwartungswerte und Phasenraummittel 95 Unterschiede zwischen den normal und antinormal geordneten Phasenraumverteilungen. So nähert sich zum Beispiel die Husimidistribution eines kohärenten Zustands mit steigender Teilchenzahl immer mehr der δ-Distribution der P-Verteilung an. Die Korrekturen enthalten in beiden Fällen – wie wir auch bereits bei der Evolutionsgleichung und bei der Darstellung der Differentialoperatoren bemerkt haben – Ableitungen der Phasenraumfunktionen und unterscheiden sich je nach Ordnung nur durch ein Vorzeichen. Mithilfe einer partiellen Integration und durch Ausnutzen der periodischen Randbedingungen können wir diese Gleichungen jedoch noch weiter vereinfachen. Dies führen wir zunächst für die P-Funktion durch: Z Z ∗ hÊjk i = (N + M ) xk xj P(x)dµ(x) − δjk P(x)dµ(x) Z +δjk Z = N 1 P(x)dµ(x) − 2 Z X M 2xk x∗j + xl x∗j δkl + xl x∗j δjl P(x)dµ(x) l=2 xk x∗j P(x)dµ(x). (4.120) Die Berechnung des Erwartungswerts der Generatoren der su(M )-Algebra über das klassische Phasenraummittel ist also nicht nur eine gute Näherung für den Grenzfall großer Teilchenzahlen, sondern exakt. Für einen kohärenten Zustand |x0 i ergibt sich damit wie erwartet: Z hÊjk i = N xk x∗j δ(x − x0 )dµ(x) = N xk,0 x∗j,0 . (4.121) Ein ähnliches Ergebnis findet sich für die Husimidistribution: Z hÊjk i = N xk x∗j Q(x)dµ(x) Z M 1 X 2xk x∗j + xl x∗j δkl + xl x∗j δjl Q(x)dµ(x) − δjk Q(x)dµ(x) + 2 l=2 Z (4.122) = (N + M ) xk x∗j Q(x)dµ(x) − δjk . Z Hier ergibt sich der Erwartungswert also auch aus einem klassischen Phasenraummittel. Der Gewichtungsfaktor (N + M ) sowie das Kroneckersymbol δjk sind dabei erneut auf die Operatorordnung zurückzuführen (vergleiche dazu auch Gleichung (4.89)). Auch hier können wir das Zwei-Niveau-System nutzen, um eine anschauliche Bedeutung des Gewichtsfaktors zu finden. Die in diesem Abschnitt hergeleiteten Ergebnisse können als Verallgemeinerung der Eigenschaften der Phasenraumverteilungen, welche auf den Glauberzuständen basieren, interpretiert werden. Hier spielt die P-Funktion die Rolle einer klassischen Wahrscheinlichkeitsverteilung für normalgeordnete Produkte von Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren, 96 Dynamik im Phasenraum wohingegen die Momente der Q-Funktion den Erwartungswerten antinormalgeordneter Produkte entspricht. So findet man für den Erwartungswert der antinormalgeordneten Operatoren âk â†j = Êjk + δjk mithilfe der Husimi-Distribution die einfache Darstellung: Z † hâk âj i = (N + M ) xk x∗j Q(x)dµ(x). (4.123) Das Zwei-Niveau-System In der P-Darstellung erhält man die Erwartungswerte der Generatoren der su(2)-Algebra über das klassische Phasenraummittel: Z ˆ hJ+ i = N x1 x∗2 P(x)dµ(x) Z hJˆ− i = N x2 x∗1 P(x)dµ(x) Z N ˆ (|x2 |2 − |x1 |2 )P(x)dµ(x). hJz i = (4.124) 2 Mithilfe von Gleichung (4.122) können wir diese Formeln auf die Q-Darstellung übertragen: Z hJˆ+ i = (N + 2) x1 x∗2 Q(x)dµ(x) Z ˆ hJ− i = (N + 2) x2 x∗1 Q(x)dµ(x) Z N + 2 (|x2 |2 − |x1 |2 )Q(x)dµ(x). (4.125) hJˆz i = 2 Auch hier erhalten wir also die Erwartungswerte der Generatoren aus einem klassischen Phasenraummittel, dieses unterscheidet sich jedoch im Gewichtungsfaktor aufgrund der Operatorordnung von den Gleichungen für die P-Funktion. Anhand des Zwei-NiveauSystems können wir nun jedoch diesem Gewichtungsfaktor N + M eine anschauliche Bedeutung zuordnen: Er kompensiert die größere Ausdehnung der Q-Funktion auf der Kugeloberfläche im Vergleich zur P-Funktion. Diese führt bei der Mittelung über die Verteilung dazu, dass der Vektor der Erwartungswerte (hJˆx i, hJˆy i, hJˆz i) innerhalb der Kugel liegt. Durch den Gewichtungsfaktor wird der Erwartungswert zurück auf die Kugeloberfläche projiziert. Im makroskopischen Limes N → ∞ bei fester Niveauanzahl M spielt der Gewichtungsfaktor keine Rolle mehr, da der Phasenraum durch die Tangentialebenen an die Kugeloberfläche angenähert werden kann. Kapitel 5 Makroskopischer Grenzwert und Liouvilledynamik 5.1 Gültigkeitsbereich der GPE Ausgangspunkt unserer Überlegungen war der Unterschied zwischen der Betrachtung des Bose-Hubbard-Systems als effektives Ein-Teilchen-Problem, dessen Dynamik der diskreten Gross-Pitaevskii-Gleichung (1.22) folgt, und der exakten Beschreibung als quantenmechanisches Vielteilchensystem, welches man im Phasenraum visualisieren und analysieren kann. Für ein nicht-wechselwirkendes System, U = 0, beschreibt die GP-Gleichung die Dynamik der quantenmechanischen Erwartungswerte exakt, da in diesem Fall keine gemischten Terme Jˆj Jˆk in den Bewegungsgleichungen auftreten. In diesem Fall bleibt ein Produktzustand faktorisierbar, oder anders ausgedrückt, ein anfänglich kohärenter Zustand bleibt kohärent. Die Dynamik wird durch Elemente der Restklasse R̂ ∈ SU (2)/U (1) beschrieben, welche den Zustand nur rotieren und nicht seine Form ändern. Eine Beschreibung der Dynamik durch den Schwerpunkt des Zustands ist daher exakt. Mit Wechselwirkung ist dies nicht mehr gewährleistet. Für einen anfänglichen Produktzustand sind die Korrekturen von der Größenordnung O(1/N ). Durch die Wechselwirkung bleibt der Zustand jedoch nicht kohärent. Insbesondere in der Umgebung der klassisch instabilen Fixpunkte weicht die mean-field-Dynamik bereits nach kurzen Zeiten, welche logarithmisch in N skalieren, vom exakten quantenmechanischen Erwartungswert ab. Dies ist als Zusammenbruch der mean-field-Näherung bekannt [11, 14, 15]. Ein Beispiel für die Abweichung ist in Abbildung 5.1 am Beispiel des Zwei-Mulden-Bose-Hubbard-Systems im überkritischen Regime dargestellt. Dabei ist in Rot eine GPE-Trajektorie, sowie zur Orientierung ein Kreuz an der Stelle des hyperbolischen Fixpunkts eingezeichnet (siehe auch Abbildung 1.2 in Abschnitt 1.2.1). Zum Vergleich wurde ein auf dem Startpunkt der mean-field-Trajektorie lokalisierter Blochzustand propagiert und der Erwartungswert in Blau eingezeichnet. Wie man sieht weichen die beiden Werte in der Umgebung des klassisch instabilen Fixpunktes stark voneinander ab – die mean-field-Beschreibung bleibt durch die Erhaltung der Normierung auf der Kugeloberfläche, wohingegen der quantenmechanische Erwartungswert in die Blochsphäre eintauchen kann. 98 Makroskopischer Grenzwert und Liouvilledynamik Abbildung 5.1: Zusammenbruch der GPE-Dynamik in der Umgebung des hyperbolischen Fixpunkts (+), zum Vergleich ist der reskalierter Erwartungswert der Vielteilchendynamik hĴit /N (blau) und eine GPE-Trajektorie s(t) (rot) eingezeichnet (überkritischer Parameterbereich, U N = 10 und ∆ = 1). Dennoch verweist die Lokalisierung der Vielteilchen-Eigenzustände auf den mean-fieldTrajektorien auf einen tiefer liegenden Zusammenhang zwischen der exakten Beschreibung und der mean-field-Approximation. Es ist sogar möglich zu zeigen, dass man analog zur WKB-Quantisierung [126,127] auch aus der mean-field-Beschreibung eines Bose-EinsteinKondensats in zwei Potentialtöpfen die quantenmechanischen Vielteilcheneigenenergien und -zustände mit erstaunlicher Genauigkeit bereits für wenige Teilchen rekonstruieren kann [128]. Es liegt also nahe, den Ursprung des Zusammenbruchs der mean-field-Näherung im Phasenraum zu analysieren. In Abbildung 5.2 (oberste Zeile) ist die Dynamik eines anfänglichen Blochzustands bei θ = 0.8π, φ = 0 (entsprechend p0 = 0.9045, q0 = 0) in der Husimi-Darstellung aufgetragen. Dabei wurde der Zustand in der Dickebasis propagiert und anschließend zu verschiedenen Zeiten die Husimidarstellung berechnet. Wir werden im folgenden den Vergleich mit der hamiltonschen Struktur des klassischen Systems (1.29) benötigen, daher wählen wir die Darstellung über die konjungierten Variablen p, q. Die Husimidarstellung des anfänglichen Produktzustands ist stark lokalisiert und symmetrisch um den Schwerpunkt ausgedehnt. Die Formeln zur Umrechnung der verschiedenen Parametrisierungen finden sich in Gleichung (1.23) bis (1.26). In der Umgebung des hyperbolischen Fixpunkts bei pfix = 0.5, qfix = 0.5 wird die Husimidarstellung des Zustands entlang der klassisch instabilen Mannigfaltigkeit auseinandergezogen und in die orthogonale Richtung gestaucht. Die Q-Funktion spiegelt daher anschaulich im Phasenraum die Abweichung vom vollständig kondensierten Produktzustand wider. Die Beschreibung durch den Schwerpunkt des Zustands entsprechend der GPE-Näherung wird ungültig. Im Bild der reduzierten 5.1. Gültigkeitsbereich der GPE 99 Abbildung 5.2: Analyse des Zusammenbruch der GPE-Dynamik im Phasenraum – Zeitentwicklung bei t = 0, 0.16, 0.32, 0.48, 0.64 (von links nach rechts) eines anfänglich kohärenten Zustands bei p0 = 0.9045, q0 = 0 im überkritischen Regime g = U N = 10, ∆ = 1 für N = 20 Teilchen. Dargestellt sind die volle Quantendynamik in Husimidarstellung (erste Zeile), die klassische Liouvilledynamik (zweite Zeile) und die Dynamik eines klassischen Ensembles mit 200 Trajektorien (dritte Zeile). Ein-Teilchen-Dichtematrix kann dies durch ein Abweichen vom reinen Zustand und daher als Dekohärenzeffekt interpretiert werden [11]. Mithilfe von Formel (4.123) können wir die Erwartungswerte der Generatoren der su(2)Algebra aus der Q-Funktion des Zustands berechnen: Z (N + 2) ˆ hJx i = (x1 x∗2 + x∗2 x1 ) Q(x)dµ(x) 2 Z (N + 2) ˆ (x∗2 x1 − x2 x∗1 ) Q(x)dµ(x) hJy i = 2i Z ˆ hJz i = (|x2 |2 − |x1 |2 )Q(x)dµ(x). (5.1) Um diese mit den klassischen Vektor (sx , sy , sz ) vergleichen zu können, betrachten wir die reskalierten Erwartungswerte: (hJˆx i/N, hJˆy i/N, hJˆz i/N ). Wir wir bereits in Abschnitt 4.6 diskutiert haben resultiert der Faktor N + M aus der Operatorordnung und kompensiert die große räumliche Ausdehnung der Q-Funktion verglichen mit der P-Darstellung, so dass der Erwartungswert in einem Blochzustand immer auf der Kugel liegt (vergleiche Gleichungen (2.80)-(2.82)). Für einen beliebigen Zustand erhalten wir den Erwartungswert der Drehimpulse aus der Q-Darstellung also durch ein klassisches Phasenraummit- 100 Makroskopischer Grenzwert und Liouvilledynamik tel. Dies führt dazu, dass für einen ausgedehnten Zustand der Erwartungswert hĴi in die Blochkugel eintaucht, wie man es in Abbildung 5.2 für den entlang der klassisch instabilen Mannigfaltigkeiten verzerrten Zustand beobachten kann. Der Zusammenbruch der mean-field-Näherung resultiert also aus der Beschreibung des Zustands über den Schwerpunkt, welche es nicht erlaubt, die Formänderung der Q-funktion entsprechend der Änderung der höheren Momente des Zustands zu berücksichtigen. Dieser Effekt beschränkt den Gültigkeitsbereich der GP-Gleichung. Im nächsten Abschnitt werden wir jedoch sehen, dass man mithilfe einer klassischen Phasenraumverteilung anstelle der Beschreibung durch eine einzelne Trajektorie den Einfluß der Dynamik auf die höheren Momente annähern kann und damit den Zusammenbruch auflösen kann. 5.2 Liouvilledynamik In diesem Abschnitt werden wir zunächst die quantenmechanische Phasenraumdynamik näher analysieren. Dann werden wir mithilfe der hamiltonschen Formulierung der GPE, die wir in Abschnitt 1.2.1 eingeführt haben, das klassische Analogon der quantenmechanischen Evolutionsgleichungen der Quasi-Phasenraumverteilungen definieren und die Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausarbeiten. 5.2.1 Quantenmechanische Phasenraumdynamik In Kapitel 4 haben wir mithilfe der D-Algebren die exakten Evolutionsgleichungen des M -Mulden-Bose-Hubbard-Systems für die P-Funktion, M −1 X ∂ ∂ ∂ √ √ Ṗ(p, q) = ∆ 2 pk+1 pk sin(qk − qk+1 ) − + 2 p2 p1 sin q2 ∂pk ∂pk+1 ∂p2 k=2 r r M −1 X pk ∂ pk+1 ∂ + cos(qk+1 − qk ) + p pk ∂qk k+1 ∂qk+1 k=1 + U (N + M ) M X (p1 − pk ) k=2 M X ∂ + (1 − k ) ∂qk k=2 M X 2 M X 2 ∂ ∂ ∂ + (p1 − pk )pk0 + pk 0 ∂qk k,k0 ≥2 ∂pk ∂qk k≥2 ∂pk ∂qk ! P(p, q), (5.2) 5.2. Liouvilledynamik 101 und für die Q-Funktion, M −1 X ∂ ∂ ∂ √ √ − + 2 p2 p1 sin q2 Q̇(p, q) = +∆ 2 pk+1 pk sin(qk − qk+1 ) ∂pk ∂pk+1 ∂p2 k=2 r r M −1 X pk pk+1 ∂ ∂ + cos(qk+1 − qk ) + pk+1 ∂qk+1 pk ∂qk k=1 ! M M M X X X ∂2 ∂ ∂2 − pk (p1 − pk )pk0 − +U N (p1 − pk ) ∂q ∂p ∂pk ∂qk k k0 ∂qk 0 k≥2 k=2 k,k ≥2 M X ∂ + (1 − k ) Q(p, q), (5.3) ∂qk k=2 hergeleitet. Für den linearen Anteil des Bose-Hubbard-Hamiltonoperators stimmt die Zeitentwicklung der beiden Phasenraumdistributionen wie erwartet überein, da in diesem Fall die Operatorordnung keine Rolle spielt. Der lineare Anteil enthält nur erste Ableitungen. Der Wechselwirkungsterm teilt sich auf in einem Term mit ersten Ableitungen, der linear von der Teilchenzahl bzw. dem Erwartungswert des (anti-)normal geordneten Teilchenzahloperators abhängt und eine Reihen von Termen zweiter Ableitung, welche nicht von der Teilchenzahl abhängen. Interessant ist hierbei zu bemerken, dass im makroskopischen Grenzwert N → ∞ mit konstant angenommener makroskopischer Wechselwirkungsstärke g ≡ U N = konstant die Phasenraumevolution unabhängig von der Operatorordnung übereinstimmt: M −1 X ∂ ∂ ∂ √ √ ρ̇makro (p, q) = +∆ 2 pk+1 pk sin(qk − qk+1 ) − + 2 p2 p1 sin q2 ∂pk ∂pk+1 ∂p2 k=2 r r M −1 X ∂ pk pk+1 ∂ cos(qk+1 − qk ) + + pk+1 ∂qk+1 pk ∂qk k=1 M M X X ∂ ∂ (p1 − pk ) +g (1 − k ) (5.4) + ρmakro (p, q), ∂q ∂q k k k=2 k=2 Auf den ersten Blick gleichen die exakten quantenmechanischen Evolutionsgleichungen einer Diffussionsgleichung, wobei sich das Vorzeichen des Diffusionsterms je nach Operatorordnung unterscheidet. Dabei ist der Diffusionsterm in beiden Fällen jedoch nicht positiv definit, sondern spurfrei. Damit kann die Gleichung nicht mit Standardmethoden auf eine stochastische Differentialgleichung übertragen werden. Um die Analyse zu vereinfachen beschränken wir uns zunächst auf den Fall zweier Potentialminima, M = 2. In diesem Fall lauten die Evolutionsgleichungen für die P-Funktion ∂ p1 − p2 ∂ √ Ṗ(p2 , q2 ) = + ∆ 2 p2 p1 sin q2 + cos q2 √ (5.5) ∂p2 p1 p2 ∂q2 ∂ ∂ ∂ +U (N + 2)(p1 − p2 ) + 2p2 p1 + 2 P(p2 , q2 ), ∂p2 ∂q2 ∂q2 102 Makroskopischer Grenzwert und Liouvilledynamik und für die Q-Funktion p1 − p2 ∂ ∂ √ Q̇(p2 , q2 ) = + ∆ 2 p2 p1 sin q2 + cos q2 √ ∂p2 p1 p2 ∂q2 ∂ ∂ ∂ + 2 Q(p2 , q2 ). +U N (p1 − p2 ) − 2p2 p1 ∂p2 ∂q2 ∂q2 (5.6) Auch hier zerfällt der Wechselwirkungsterm in zwei Anteile. Der Term erster Ableitung beschreibt die Wechselwirkung, wobei die Stärke von der Operatorordnung und der Besetzungsdifferenz p1 − p2 in beiden Minima abhängt. Der zweite Wechselwirkungsterm hat die Form eines Diffusionsterms, dessen Einfluß bei einer Gleichverteilung p1 = p2 am stärksten ist, der jedoch nicht positiv definit ist, sondern spurfrei. Je nach Operatorordnung trägt dieser Term ein unterschiedliches Vorzeichen. Im Fall der P-Funktion verstärkt der Diffusionsterm daher die Verzerrung in die Richtung der klassisch instabilen Mannigfaltigkeit, wohingegen der Zustand in die orthogonale Richtung weiter kontrahiert wird. Bei der Q-Funktion wirkt die Diffusion der Verzerrung entlang der klassischen Trajektorie entgegen. Dabei stimmt auch hier die Evolution im makroskopischen Limes N → ∞, g ≡ U N = konstant überein. Interessant ist dabei zu bemerken, dass sowohl die exakte quantenmechanische Evolution, als auch die Gleichungen, welche wir im makroskopischen Limes erhalten, die Normierung der Phasenraumverteilung erhalten. Betrachtet man ein System mit nur einem Teilchen N = 1, so entfällt der Wechselwirkungsterm im Bose-HubbardHamiltonoperator (4.1), nicht jedoch in den Evolutionsgleichungen. In diesem Fall kompensiert also der Term zweiter Ableitung den makroskopischen Wechselwirkungsterm. Um das System weiter zu untersuchen ist es interessant, die Quantendynamik mit der Gross-Pitaevskii-Dynamik zu vergleichen. Dafür müssen wir jedoch zunächst einen klassischen Phasenraumfluss definieren. Dies werden wir im nächsten Abschnitt tun. 5.2.2 Die Klassische Liouville-Gleichung Die Dynamik, welche durch die GPE (vergleiche Gleichung (1.27)) gegeben ist, kann durch eine klassische Hamiltonfunktion p UN H(p2 , q2 ) = −2p2 + (1 − 2p2 )2 − 2∆ p2 (1 − p2 ) cos q2 , (5.7) 4 beschrieben werden, wie wir bereits im einführenden Kapitel (vergleiche Abschnitt 1.2.1) gezeigt haben. Dies ermöglicht es uns, die Dynamik einer klassischen Phasenraumverteilung ρklassisch (p, q) durch eine Liouville-Gleichung zu beschreiben und damit die quantenmechanische Phasenraumevolution, welche wir im vorangegegangenen Abschnitt diskutiert haben, mit ihrem klassischen Analogon zu vergleichen. Die Liouvillegleichung erhält die Dichte im Phasenraum [37], dρklassisch ∂ρklassisch X ∂ρklassisch ∂ρklassisch = + ṗi + q̇i = 0, (5.8) dt ∂t ∂p ∂q i i i 5.2. Liouvilledynamik 103 wobei die Zeitentwicklung der kanonischen Variablen durch die GPE gegeben ist: ∂H p1 − p2 = −∆ √ cos q2 − U N (p1 − p2 ) − 2 ∂p2 p1 p2 ∂H √ = −2∆ p1 p2 sin q2 . = − ∂q2 q̇2 = und ṗ2 (5.9) Damit ergibt sich für das hier betrachtete System (5.7) die partielle zeitliche Ableitung der klassischen Phasenraumdichte: ∂ρklassisch = − {ρklassisch , H} ∂t = −ṗ2 ∂p2 ρklassisch − q̇2 ∂q2 ρklassisch p1 − p2 √ ∂q = + ∆ 2 p2 p1 sin q2 ∂p2 + cos q2 √ p1 p2 2 +U N (p1 − p2 )∂q2 + 2∂q2 ρklassisch . (5.10) Diese Gleichung ist identisch zu der Gleichung (5.4), welche wir im makroskopischen Grenzwert aus der quantenmechanischen Evolution (vergleiche Gleichung (5.5) und (5.6)) erhalten. Der zusätzlich auftretende Diffusionsterm kann daher als eine Korrektur der Ein-Teilchenquantenmechanik aufgrund von Vielteilcheneffekten, einer Art Quantenfluktuation, interpretiert werden. Dies kann als Speziallfall des Egorov-Theorems interpretiert werden [129]. Geht man vom quantenmechanischen zum klassischen Phasenraumfluß über, ist der Fehler der Dynamik von der Größenordnung O(1/N ). Anders als bei der Beschreibung der Zeitentwicklung der Erwartungswerte durch die GPE haben wir bei der Herleitung der makroskopischen Liouvilledynamik jedoch nicht angenommen, dass der Zustand während der gesamten Zeitentwicklung kohärent bleibt. Im Folgenden werden wir sehen, dass das Fallenlassen dieser Einschränkung den Gültigkeitsbereich der GPE entscheidend erweitert. Insbesondere können wir nun über die Husimidarstellung jedem Quantenzustand eine klassische, das heißt eine normierte und positive Wahrscheinlichkeitsverteilung zuordnen und diese auch propagieren. Auflösung des Zusammenbruchs der mean-field-Näherung Zunächst wollen wir jedoch den Zusammenbruch der mean-field-Näherung mithilfe der Liouvilledynamik näher analysieren. In Abbildung 5.2 ist in der zweiten Zeile die Liouvilledynamik im Vergleich zur Quantendynamik dargestellt. Dabei gehen wir von einer anfänglichen Wahrscheinlichkeitsverteilung aus, welche durch die Husimiverteilung des Anfangszustands gegeben ist. Da die Q-Funktion eine positive, normierte Funktion ist, ist dies immer möglich. Umgekehrt gilt dies jedoch nicht: Nicht jede positive und normierte Verteilung erfüllt die Heisenbergschen Unschärferelationen. Die zeitliche Entwicklung der klassischen Wahrscheinlichkeitsverteilung ergibt sich aus der Propagation des Anfangszustands: ρklassisch (p(t), q(t), t) = ρklassisch (p(0), q(0), 0). (5.11) 104 Makroskopischer Grenzwert und Liouvilledynamik Abbildung 5.3: Der Erwartungswert der Liouvilledynamik respektive des Ensemblemittels (grün gestrichelt) folgen dem Erwartungswert der Vielteilchendynamik hĴit /N (blau) (Parameter wie in Abbildung 5.1). Wie man sieht, ähnelt die klassische Liouvilledynamik stark der quantenmechanischen Evolution. Dennoch gibt es feine Unterschiede: Die klassische Wahrscheinlichkeitsverteilung wird sehr viel stärker in die Richtung der stabilen Mannigfaltigkeit zusammengezogen. Dafür wird die Q-Funktion weniger von der Verzerrung entlang der instabilen beeinflußt. Dies dokumentiert die Wirkung des Diffusionsterms, welche wir bereits im vorangegangenen Abschnitt diskutiert haben. Trotz geringfügiger Abweichungen gibt die klassische Liouvilleverteilung die Formänderung des quantenmechanischen Zustands in guter Näherung wieder. Anders als die GPE berücksichtigt die Liouvilledynamik auch die Ausdehnung der Husimisverteilung und damit die höheren Momente des Zustands. Dies ermöglicht es nicht nur Zustände mit symmetrischer Ausdehnung, welche durch den Schwerpunkt vollständig charakterisiert werden, zu beschreiben, sondern beliebige, sogar sogenannte nicht-klassische Zustände wie die Dickezustände |n1 , n2 i darzustellen und zu propagieren. Aus der Liouville-Dynamik kann man nun über ein Phasenraummittel die klassischen Erwartungswerte bestimmen und diese mit dem quantenmechanischen Ergebnis (siehe auch Gleichung 5.1) vergleichen. In Abbildung 5.3 ist dies für das Beispiel dargestellt, mit dessen Hilfe wir den Zusammenbruch der mean-field-Näherung am Anfang dieses Kapitels erläutert haben. Nun ist in grün (gestrichelt) zusätzlich auch der klassische Erwartungswert aus der Liouville-Dynamik angegeben. Dieser folgt dem quantenmechanischen Erwartungswert in die Blochkugel und weicht anders als die GPE-Trajektorie auch in der Umgebung des hyperbolischen Fixpunktes nur geringfügig von dem exakten Wert ab. Der Zusammenbruch der mean-field-Näherung resultiert also in erster Linie aus der Vernachlässigung der höheren Momente der Verteilung und wird durch den Übergang von 5.2. Liouvilledynamik 105 der Dynamik einer einzelnen Trajektorie entsprechend eines immerwährenden Produktzustands zur Liouvilledynamik gelöst. 5.2.3 Ensemble-Dynamik Da wir vor allem an der Zeitentwicklung von Erwartungswerten interessiert sind, liegt es nahe eine weitere, auf der Monte-Carlo-Simulation (siehe z.B. [130]) basierende Approximation einzuführen. Anstelle einer kontinuierlichen klassischen Phasenraumdichte propagieren wir ein Ensemble von Anfangswerten, von denen jeder Punkt einer GPETrajektorie entspricht. Dies ist insbesondere bei der Verallgemeinerung auf mehrere Niveaus eine nützliche Vereinfachung. Die anfängliche Wahrscheinlichkeitsverteilung erhalten wir dabei mithilfe der Verwerfungsmethode aus der Q-Funktion des Anfangszustands. Dies ermöglicht es uns bei der Zeitenentwicklung auch die höheren Momente des Zustands zu berücksichtigen. An die Stelle des kontinuierlichen Phasenraummittels tritt nun eine Mittelung über die Werte der einzelnen Trajektorien (pi (t), qi (t)) mit i ∈ 1, 2, ..., L: Z L 1X hÂit = A(p, q)ρklassisch (p, q, t)dpdq ≈ A(pi (t), qi (t)). (5.12) L i=1 Da wir von der Husimidarstellung des Zustands ausgehen, müssen wir auch die Vorschrift zur Berechnung der Erwartungswerte aus der Q-Funktion (5.1) auf das Ensemble übertragen. Insbesondere müssen wir die Gewichtung berücksichtigen, welche die Ausdehnung der Q-Darstellung kompensiert. Damit ergibt sich für die Elemente der Drehimpulsalgebra: L (N + 2) X hJˆ+ i = x1,i x∗2,i L i=1 L (N + 2) X hJˆ− i = x2,i x∗1,i L i=1 L hJˆz i = (N + 2) X (|x2,i |2 − |x1,i |2 ). 2L i=1 (5.13) Für eine hohe Anzahl von Trajektorien L konvergiert die Ensemble-Dynamik gegen die exakte klassische Liouville-Dynamik. Bereits für L = 200 Trajektorien – wie in Abbildung 5.2 – findet man kaum Abweichungen des Ensemblemittels vom Erwartungswert der klassischen Liouvilledynamik. Für L = 1000 Trajektorien ist kein Unterschied mehr festzustellen, weshalb in Abbildung 5.3 nur eine Linie für beide Berechnungsmöglichkeiten eingezeichnet ist. 5.2.4 Vergleich der Methoden Auch wenn sich die Dynamik eines klassischen Ensembles schon in verschiedenen Arbeiten [131,132] findet, fehlte bislang die systematische Argumentation. In dieser Arbeit sind 106 Makroskopischer Grenzwert und Liouvilledynamik Abbildung 5.4: Interferenz – Zeitentwicklung bei t = 0, 0.16, 0.32, 0.48, 0.64 (von links nach rechts) einer kohärenten Überlagerung von zwei Blochzuständen |ψi ≈ (|p0 = 0.2061, q0 = π/2i + |p0 = 0.7939, q0 = 3/2πi) im überkritischen Regime g = U N = 10, ∆ = 1 für N = 20 Teilchen. Dargestellt sind die volle Quantendynamik in Husimidarstellung (erste Zeile), die klassische Liouvilledynamik (zweite Zeile) und die Dynamik eines klassischen Ensembles mit 200 Trajektorien (dritte Zeile). wir von der vollen Vielteilchenquantendynamik ausgegangen und haben gezeigt, dass die Dynamik im Grenzfall hoher Teilchenzahlen N gegen die Liouville-Dynamik konvergiert und der Fehler der Approximation O(1/N ) mit steigender Teilchenzahl verschwindet. Dabei haben wir keine Einschränkungen bezüglich der erlaubten Zustände getroffen. Zudem nutzen wir die Q-Darstellung des Zustands, um die höheren Momente des Anfangszustands auf die klassische Wahrscheinlichkeitsverteilung abzubilden und gehen nicht von einer standardisierten Gaussverteilung aus. Die Anwendungen der Ensembledynamik insbesondere in höherdimensionalen Bose-Hubbard-Systemen sind vielfältig. So erlaubt es die Abbildung des Anfangszustands und die Berücksichtigung der höheren Momente auch klassisch chaotische Systeme zu untersuchten oder einen nicht-klassischen Anfangszustand wie z.B. einen Dickezustand zu propagieren. Wie wir am Beispiel des Zwei-Moden-Systems gezeigt haben, können wir so die Abweichung vom vollständig kondensierten Zustand in der Umgebung des klassisch instabilen Fixpunkts und damit den Verlust der Kohärenz und die Anregung in höhere Moden mithilfe einer klassischen Beschreibung fassen und analysieren. Desweiteren ist es nun auch möglich, mithilfe der Liouvilledynamik eine meanfield-Näherung für Größen wie z.B. Varianzen anzugeben. Dies ist nicht möglich, wenn man nur die Dynamik der Erwartungswerte betrachtet. 5.2. Liouvilledynamik 107 Abbildung 5.5: Tunneln – Zeitentwicklung bei t = 0, 0.96, 1.92, 2.88, 3.84 (von links nach rechts) eines anfänglichen Blochzustands |p0 = 0.9583, q0 = πi im überkritischen Regime g = U N = 10, ∆ = 1 für N = 10 Teilchen. Dargestellt sind die volle Quantendynamik in Husimidarstellung (erste Zeile), die klassische Liouvilledynamik (zweite Zeile) und die Dynamik eines klassischen Ensembles mit 200 Trajektorien (dritte Zeile). Dennoch sind aufgrund der Näherung der Gültigkeit der Liouvilledynamik Grenzen gesetzt: Da wir im Vergleich zur exakten Dynamik den Diffusionsterm vernachlässigen, gibt die Liouvilledynamik die Position der Nullstellen der quantenmechanischen Phasenraumverteilung nicht wieder. Dies führt insbesondere dazu, dass Interferenzeffekte, wie in Abbildung 5.4 dargestellt, von der Liouvilledynamik nicht reproduziert werden. Dabei wurde die zeitliche Entwicklung einer kohärenten Überlagerung zweier Blochzustände, |ψi ≈ (|p0 = 0.2061, q0 = π/2i + |p0 = 0.7939, q0 = 3/2πi), im überkritischen Regime betrachtet. Die exakte quantenmechanische Propagation weist dabei charakterisitische Interferenzeffekte auf, sobald die Zustände überlappen. Diese werden von der Liouvilledynamik nicht wiedergegeben. Hier werden die Phasenraumverteilungen entlang der instabilen Mannigfaltigkeit verzerrt und ein Überlappen wird durch den hyperbolischen Fixpunkt verhindert. Ähnlich verhält es sich mit der Ensemble-Dynamik. Hier verlieren wir bereits beim Übergang zum diskreten Ensemble die Information über die Position der Nullstellen. Dies kann man als Verlust der Kohärenz verstehen, welcher sich durch die fehlendenden Interferenzerscheinungen äußert. Bereits in Kapitel 3 haben wir argumentiert, dass der Unterschied zwischen einer kohärenten und einer inkohärenten Überlagerung zweier Zustände in der Q-Darstellung sich nur in der Lage der Nullstellen manifestiert. Auch die Symmetrie der Quantenmechanik bleibt im makroskopischen Limit nicht erhalten. Während man einen quantenmechanischen Energieeigenzustand immer als eine (anti-) 108 Makroskopischer Grenzwert und Liouvilledynamik symmetrische Überlagerung eines auf den bifurkierten Fixpunkten lokalisierten Zustands darstellen kann, sind in der mean-field Beschreibung Pi-Oszillationen und Rotormoden möglich, deren relative Besetzungsdifferenz nicht verschwindet. Deshalb erlaubt auch die Liouvilledynamik nicht, dass die Wahrscheinlichkeitsverteilung zwischen verschiedenen energetisch erlaubten Phasenraumbereichen tunnelt. Dies ist exemplarisch in Abbildung 5.5 dargestellt. Dieser Effekt beruht auf der exponentiellen Abhängigkeit der Tunnelzeit von der Teilchenzahl N , welche im makroskopischen Grenzwert divergiert. 5.3 Klassischer Limes und Zerfall In Abschnitt 4.3.3 haben wir die Erweiterung des Zwei-Mulden-Bose-Hubbard-Hamiltonoperators Ĥ0 um einen nicht-hermitischen Term Ĥdecay = −iγâ†2 â2 = −iγ N̂ + Jˆz 2 ! (5.14) eingeführt. Dieser Hamiltonoperator beschreibt ein System, welches proportional zur Besetzung in der zweiten Potentialmulde und zur Zerfallskonstante γ zerfällt. Diese Form einer effektiven Beschreibung, dass heißt einer Beschreibung des Zerfalls durch eine Abnahme der Normierung des Dichteoperators bei konstanter Dimension des Hilbertraums dim H = N + 1, ist unter anderem in der Kernphysik weit verbreitet (siehe z.B. [133] und Referenzen darin). Im Kontext von Bose-Einstein-Kondensaten wurde dieses Modellsystem kürzlich im Hinblick auf Resonanzbreiten und Energie-Eigenwerte studiert [120]. Interessant sind hierbei jedoch insbesondere die Auswirkungen auf die Dynamik auch im Hinblick auf ausgedehnte Systeme. So zeigt die Analyse eines ad-hoc formulierten mean-field-Systems mit effektivem Zerfall an den Rändern des optischen Gitters neuartige Lokalisierungseffekte [134]. Im Falle eines nicht-hermitischen Hamiltonoperators ist jedoch die korrespondierende mean-field-Beschreibung nicht mehr intuitiv klar und der Grenzwert großer Teilchenzahlen wurde bis jetzt nicht systematisch untersucht. Wie wir in den vorangehenden Abschnitten gesehen haben, bieten die quantenmechanischen Quasi-Phasenraumverteilungen ein anschauliches und instruktives Werkzeug um diesen Übergang und den Zusammenhang mit der mean-field-Beschreibung zu analysieren. Es liegt also nahe, die in den vorangegangenen Abschnitten entwickelten Methoden und Überlegungen auf das nicht-hermitische System anzuwenden, da ein Vergleich der Liouville-Dynamik mit der quantenmechanischen Phasenraumdynamik von großem Interesse ist. Betrachten wir zunächst nur den nicht-hermitischen Anteil Ĥdecay . Dieser ist linear in den Generatoren der su(2)-Algebra, für einen reellen Vorfaktor folgt daher bereits aus der Konstruktion der Blochzustände, dass ein anfänglich kohärenter Zustand kohärent bleibt (vergleiche Kapitel 2). Es bleibt also zu zeigen, dass dies – bis auf die Abnahme der Normierung – auch für einen nicht-hermitischen Zerfallsterm gilt. Im Schrödingerbild 5.3. Klassischer Limes und Zerfall 109 sieht man dies wie folgt: † e−iĤdecay t |θ, φi = e−γâ2 â2 t |θ, φi N 12 X N θ −in2 φ −γn2 t θ n2 n1 = sin e e |n1 , n2 i cos n1 2 2 n1 =0 N 12 X N θ θ −(γt+iφ)n2 n1 n2 = cos sin e |n1 , n2 i 2 2 n 1 n =0 1 = |θ, φ0 i . (5.15) Dabei haben den neuen Winkel φ0 = φ − iγt formal komplex dargestellt. Anstelle des imaginären Anteils können wir jedoch auch alternativ die Änderung über den Winkel θ darstellen: θ θ θ0 0 ζ 0 = e−iφ = e−γt e−iφ = e−iφ 2 2 2 ⇒ θ0 = θe−γt . (5.16) Dabei haben wir die algebraische Parametrisierung über die komplexe Zahl ζ gewählt, die wir in Gleichung (2.56) eingeführt haben. Unter dem Einfluß von Zerfall strebt das System im Langzeitlimes gegen einen Zustand der proportional zum extremalen Zustand |θ = 0, φ = 0i = |N, 0i ist, dem Zustand mit vollständiger Besetzung im nicht zerfallenden Niveau. Für die Zeitentwicklung der Norm des kohärenten Anfangszustands |θ0 , φ0 i gilt N 2 θ0 2 θ0 −2γt |hθ(t), φ(t)|θ(t), φ(t)i| = cos + sin e . (5.17) 2 2 Die Geschwindigkeit der Abnahme der Norm hängt also von der Position des Anfangszustands ab. Starten wir die Dynamik mit vollständiger Besetzung im nichtzerfallenden Niveau, θ0 = 0, bleibt die Norm erhalten, da wir das Tunnelmatrixelement zunächst nicht berücksichtigt haben (∆ = 0). Entspricht der Anfangszustand einer vollständigen Besetzung im emitierenden Niveau, θ = π, erhalten wir einen exponentiellen Abfall der Norm mit der makroskopischen Zerfallskonstante Γ = γN . Auf diese werden wir im folgenden noch näher eingehen. Unabhängig von der positionsabhängigen Abnahme der Normierung führt der Zerfallsterm also nicht zu einer Formänderung, ein anfänglich kohärenter Zustand bleibt kohärent. Die Abnahme der Varianzen ist dabei ein Relikt der effektiven Beschreibung. Diese Rechnungen können leicht auf den Fall ohne Wechselwirkung zwischen den Atomen, U = 0, erweitert werden. Betrachten wir dazu die Dynamik der Parameter eines kohärenten Zustands N 1 |x̃1 (t), x̃2 (t)i = √ x̃1 (t)â†1 + x̃2 (t)â†2 |0i . (5.18) N! Dabei ist zu beachten, dass hier die Abnahme der Normierung in die Parameter x̃1 , x̃2 , welche die Position des Blochzustands charakterisieren, umgeschrieben wurde, so dass nun 110 Makroskopischer Grenzwert und Liouvilledynamik gilt: |x̃1 |2 + |x̃2 |2 < 1 für t > 0. (5.19) Die Dynamik der Parameter x̃1 (t), x̃2 (t) wird dann durch eine erweiterte Gross-PitaevskiiGleichung (vergleiche 1.22) beschrieben: ! ! ! x̃1 −∆ x̃1 d (5.20) i = . dt x̃2 −∆ − − iγ x̃2 Für einen anfänglichen Produktzustand, entsprechend einem vollständig kondensierten Zustand, ist die erweiterte GPE (5.20) ohne Wechselwirkung auch mit Zerfall exakt. Diese Überlegungen zeigen, dass die Blochzustände auch im nicht-hermitischen Fall eine physikalisch motivierte Basis darstellen und wir ausgehend von dieser Quasiphasenraumverteilungen nutzen können. Dies ermöglicht es uns die Quantendynamik wie in den vorangegangenen Abschnitten mit der korrespondierenden Liouvilledynamik zu vergleichen und den Übergang zu makroskopischen Grenzwerten N → ∞ und der Beschreibung durch eine erweiterte mean-field-Theorie zu studieren. Erweitert man eine klassische Liouvillegleichung auf zerfallende Systeme, so erhält man die modifizierte Gleichung: ∂ρklassisch = − {ρklassisch , H} − Γρklassisch . ∂t (5.21) Dabei beschreibt die Funktion Γ die Abnahme der Normierung der Wahrscheinlichkeitsverteilung. Betrachten wir aber zunächst die Quantendynamik im Phasenraum. Mithilfe der DAlgebren haben wir die Zeitevolution der Q-Funktion für das Zwei-Niveau Bose-Hubbard System mit effektivem Zerfall im zweiten Potentialminimum berechnet (vergleiche Abschnitt 4.3.3), welches durch den nicht-hermitischen Hamiltonoperator U Ĥ = (n̂1 − n̂2 ) − ∆ â†1 â2 + â†2 â1 + (n̂1 (n̂1 − 1) + n̂2 (n̂2 − 1)) − iγâ†2 â2 2 N̂ N̂ N̂ 2 ˆ ˆ ˆ ˆ (5.22) −1 − iγ + Jz = −2∆Jx + U Jz − 2Jz + U 2 2 2 beschrieben wird. In der Parametrisierung über die relative Phase und die relativen Besetzungen lautet das Ergebnis: ∂ p1 − p2 ∂ √ Q̇(p2 , q2 ) = ∆ 2 p2 p1 sin q2 + cos q2 √ ∂p2 p1 p2 ∂q2 ∂ ∂ ∂ + (1 − 2 ) +U N (p1 − p2 ) − 2p2 p1 ∂p ∂q2 ∂q2 2 ∂ −2γ p2 N + p2 p1 Q(p2 , q2 ). (5.23) ∂p2 Diese Wahl der Parametrisierung ist auch bei der Beschreibung eines effektiven Zerfalls sinnvoll, da der nicht-hermitische Zerfallsterm nicht an einen Hilbertraum mit anderer 5.3. Klassischer Limes und Zerfall 111 Teilchenzahl koppelt, sondern der Zerfall durch eine Abnahme der Normierung der Wellenfunktion beschrieben wird. Dies überträgt sich im Phasenraum auf eine Abnahme der Quasi-Wahrscheinlichkeitsverteilung: Z Z Q̇(p2 , q2 )dµ(p2 , q2 ) = −2γ(N + 2) p2 Q(p2 , q2 )dµ(p2 , q2 ) X X Z +2γ Q(p2 , q2 )dµ(p2 , q2 ). (5.24) X Der zugrundeliegende Phasenraum entsprechend dem Parameterraum der normierten kohärenten Zustände und damit der Husimifunktion ändert sich jedoch nicht. Zunächst erhalten beide Terme, welche aus dem Zerfallsterm Ĥdecay resultieren, nicht die Normierung. Mithilfe von Gleichung (5.24) können wir diese jedoch in einen einen normerhaltenden Anteil und einen weiteren Anteil separieren: Q̇(p2 , q2 ) = −2γ (p2 (N + 2) − 1)) Q(p2 , q2 ) ∂ (p2 p1 Q(p2 , q2 )) . − ∂p2 (5.25) Eine analoge Rechnung führt auf die Evolutionsgleichung der P-Funktion. Auch hier gehen wir bei der Definition der P-Funktion von den normierten Blochzuständen aus. Den nicht-hermitischen Anteil der Dynamik berechnet man dabei mithilfe des Realteils des Differentialoperators wie folgt: Ṗ(Ω) = −2γ Re (D̃(â†2 â2 )) P(Ω). (5.26) Damit ergibt sich: ∂ p1 − p2 ∂ √ Ṗ(p2 , q2 ) = ∆ 2 p2 p1 sin q2 + cos q2 √ ∂p2 p1 p2 ∂q2 ∂ ∂ ∂ +U N (p1 − p2 ) + 2p2 p1 + (1 − 2 ) ∂p2 ∂q2 ∂q2 ∂ −2γ p2 (N + M ) − 1 − p2 p1 P(p2 , q2 ). ∂p2 (5.27) Für die Abnahme der Normierung der Quasi-Wahrscheinlichkeitsverteilung folgt: Z Z Ṗ(p2 , q2 )dµ(p2 , q2 ) = −2γN p2 P(p2 , q2 )dµ(p2 , q2 ). (5.28) X X Separieren wir erneut in normerhaltende und normreduzierende Anteile findet man für den Zerfallsterm: Ṗ(p2 , q2 ) = −2γp2 N P(p2 , q2 ) − ∂ (p2 p1 P(p2 , q2 )) . ∂p2 (5.29) 112 Makroskopischer Grenzwert und Liouvilledynamik Vergleichen wir die klassische Liouvilledynamik eines dissipativen Systems (5.21) und die exakte Evolution der quantenmechanischen Phasenraumverteilungen des Bose-HubbardSystems mit effektivem Zerfall (5.23) und (5.27), fällt zunächst auf, dass der nicht-hermitische Anteil anders als bei der klassischen Beschreibung des Zerfalls nicht nur zu einer Abnahme der Normierung führt, sondern gleichzeitig auch die Dynamik der Quasi-Phasenraumverteilungen beeinflußt. Im hermitischen Fall konnte die Evolution ohne Wechselwirkung exakt auf eine klassische Liouvillegleichung abgebildet werden, unabhängig vom Anfangszustand. In diesem Fall stimmen die Evolutionsgleichungen von P- und Q-Funktion exakt überein. Die Auswirkung des Wechselwirkungsterms kann in zwei Anteile zerlegt werden: Der erste Term kann durch eine klassische Liouvillegleichung modelliert werden und gibt in guter Näherung die Formänderung durch die Abweichung von den Produktzuständen wieder. Der zweite Term beschreibt unter anderem Interferenz- und Tunneleffekte und kann daher als VielteilchenQuantenkorrektur interpretiert werden. Der Wechselwirkungsterm unterscheidet sich aufgrund der Operatorordnung in der Stärke U N ↔ U (N + M ) des ersten Terms und im Vorzeichen der Quantenkorrektur. Hier ist der makroskopische Limes N → ∞ unter der Bedingung U N = konstant äquivalent zur Näherung durch die klassische Liouvilledynamik und die Ergebnisse stimmen bis auf die Operatorordnung für beide Evolutionsgleichungen überein. Auch ohne Wechselwirkung erhalten wir mit Zerfall unterschiedliche Evolutionsgleichungen, obwohl in diesem Fall der Hamiltonoperator linear in den Drehimpulsoperatoren ist. Dabei unterscheidet sich sowohl der normerhaltende Teil der Q- und P-Funktion durch ein Vorzeichen, als auch die Abnahme der Normierung in der Stärke. Makroskopischer Grenzwert Betrachten wir zunächst den makroskopischen Limes, den Grenzwert hoher Teilchenzahlen. Im Grenzfall N → ∞ divergiert der Zerfallsterm führender Ordnung, genau wie der Wechselwirkungsterm. Daher führen wir analog zur makroskopischen Wechselwirkungskonstante g = U N die makroskopische Zerfallskonstante Γ = γN ein. Wie erwartet verschwinden in dem Grenzfall N → ∞ unter den Bedingungen Γ = konstant und g = konstant die Unterschiede zwischen den Phasenraumverteilungen und den Evolutionsgleichungen und man erhält: ∂ρmakro p1 − p2 √ = + ∆ 2 p2 p1 sin q2 ∂p2 + cos q2 √ ∂q ∂t p1 p2 2 +g(p1 − p2 )∂q2 + 2∂q2 − 2Γp2 ρmakro . (5.30) In diesem Grenzwert führt der Zerfallsterm also zu einer Abnahme der Normierung der Quasi-Phasenraumverteilung, proportional zur Besetzung im zweiten Potentialminimum p2 und zur makroskopischen Zerfallskonstante Γ: Z Z ρ̇makro (p2 , q2 )dµ(p2 , q2 ) = −2Γ p2 ρmakro (p2 , q2 )dµ(p2 , q2 ). (5.31) X X 5.3. Klassischer Limes und Zerfall 113 Diese ortsabhängige Abnahme kann bei einer ausgedehnten Phasenraumverteilung zu einem zusätzlichen Driftterm führen, wie wir bei der Diskussion der Dynamik der QFunktion noch sehen werden. Im makroskopischen Grenzwert konvergiert die relative Ausdehnung der Husimifunktion eines Blochzustands jedoch gegen null (vergleiche auch Gleichung (2.69)) und damit die Phasenraumverteilung gegen eine δ-Funktion. Daher beinflußt in diesem Limes der Zerfallsterm nicht die Dynamik, wir erhalten jedoch eine zusätzliche Differentialgleichung für die Entwicklung der Normierung N der QuasiWahrscheinlichkeitsverteilung: √ ṗ2 = −ṗ1 = −2∆ p1 p2 sin q2 p1 − p2 cos q2 q̇2 = −2 − g(p1 − p2 ) − ∆ √ p1 p2 Ṅ = −2Γp2 N . (5.32) Die erste Gleichung beschreibt die Entwicklung der relativen Besetzungen p1 + p2 = 1, die zweite die Evolution der relativen Phase. Diese werden makroskopisch nicht vom Zerfall beeinflußt. Die dritte Gleichung beschreibt die Abnahme der Normierung N der Phasenraumverteilung, welche von der Besetzung im emittierenden Niveau abhängt. Dies entspricht im makroskopischen Bild der erwarteten Abnahme des Erwartungswerts der Teilchenzahl. Klassische Liouvilledynamik Vergleichen wir diese Ergebnisse nun mit der Abbildung der Dynamik auf eine klassische Liouvillegleichung. Diese Näherung ist für den Zerfallsterm exakt, wir vernachlässigen also nur den zweiten Anteil des Wechselwirkungsterms, dessen Einfluß wir in den vorangegangenen Abschnitten ausführlich diskutiert haben. Anders als im hermitischen Fall weichen nun sowohl der normerhaltende als auch der normreduzierende Term der Evolutionsgleichungen für die Q- und P-Funktion voneinander ab, die Abweichungen haben jedoch unterschiedliche Ursachen. So kann man die Abweichungen des normreduzierenden Anteils auf die unterschiedliche Operatorordnung zurückführen (vergleiche Gleichung (5.24) und Gleichung (5.28)), wenn man berücksichtigt, dass p2 sich aus dem Erwartungswert des normalgeordneten Operators â†2 â2 ergibt. Mithilfe der Formeln zur Berechnung des Erwartungswerts, welche wir in Abschnitt 4.6 hergeleitet haben, können wir daher die Abnahme der Norm wie folgt ausdrücken: Ṅ = −2Γhâ†2 â2 i. (5.33) Hierbei ist zu beachten, dass in diesem Fall die Normierung schon in der Bildung des Erwartungswerts enthalten ist. Die Unterschiede kann man also genau wie die unterschiedlichen Wechselwirkungsstärken mithilfe der Operatorordnung verstehen. Bleibt das unterschiedliche Vorzeichen des normerhaltenden Terms. Dieses führt beim ersten Vergleich der klassischen Liouvillegleichung (5.21) mit den quantenmechanischen Phasenraumevolutionsgleichungen (5.23) und (5.27) zu einer Zweideutigkeit der Evolutionsgleichungen des Schwerpunkts der Verteilung. Beschränken wir uns zunächst auf den 114 Makroskopischer Grenzwert und Liouvilledynamik Zerfallsterm. Wie beeinflußt dieser die Entwicklung der relativen Besetzung im zweiten Topf? Aus den Evolutionsgleichungen (5.23) und (5.27) kann man ablesen: ṗ2 = ±2γp2 p1 (5.34) Physikalisch begründet ist zunächst das Minuszeichen, welches wir aus den Evolutionsgleichungen der P-Funktion erhalten, da bei einer Gleichverteilung in den beiden Mulden die Besetzung im zweiten Niveau durch den Zerfall weiter abnehmen sollte. Betrachten wir also die Zeitentwicklung der Q-Funktion näher. Dabei müssen wir nun aber berücksichtigen, dass diese im Vergleich zur singulären P-Funktion stark ausgedehnt ist. Damit kann eine ortsabhängige Abnahme der Normierung der Phasenraumverteilung (wie oben diskutiert) ebenfalls zu einer Verschiebung des Schwerpunkts und damit zu einem zusätzlichem Driftterm führen. Um diesen abschätzen zu können, gehen wir von einem anfänglich kohärenten Zustand aus. Für einen solchen Zustand kann man mithilfe einer Taylorentwicklung zeigen, dass der zusätzliche Driftterm in erster Ordnung für eine Verschiebung ṗ2,drift = −4γp2 p1 (5.35) sorgt, welche den Einfluß auf die Dynamik gerade kompensiert und die Zweideutigkeit aufhebt. Aufgrund der starken Lokalisierung der P-Funktion im Phasenraum (insbesondere der Blochzustände) müssen solche zusätzlichen Verschiebungen des Schwerpunktes aufgrund der Ausdehnung hier nicht berücksichtigt werden. Wir erhalten daher als Resultat die folgenden Bewegungsgleichungen des Schwerpunkts der Phasenraumverteilung: √ ṗ2 = −ṗ1 = −2∆ p1 p2 sin q2 − 2γp2 p1 p1 − p2 q̇2 = −2 − U N (p1 − p2 ) − ∆ √ cos q2 . p1 p2 (5.36) Diese kann man als mikroskopischen Einfluß des Zerfalls auf die Dynamik interpretieren. Die Schwerpunktbewegung kann man auch in der Parametrisierung über die Elemente des Blochvektors darstellen: ṡx = +2sy − 2U N sy sz + 2γsz sx ṡy = −2sx + 2∆sz + 2U N sx sz + 2γsz sy ṡz = −2∆sy − 2γ(s2x + s2y ). (5.37) Wie man aufgrund von Gleichung (5.25) und (5.29) erwartet, aber auch leicht nachrechnen kann, erhält der mikroskopische Zerfallsterm die Norm des klassischen Blochvektors, ∂t |s|2 = 0. Dies Darstellung erlaubt es uns daher, die Dynamik analog zum hermitischen Fall (vergeliche Gleichung (1.19)) auf der Blochsphäre zu analysieren. Diese werden wir im übernächsten Abschnitt ausführlich diskutieren, zunächst werden wir unsere Resultate jedoch mit den Ergebnissen eines gewöhnlichen Bogoliubovansatzes vergleichen (siehe auch Abschnitt 1.2). 5.3. Klassischer Limes und Zerfall 115 Bogoliubov-Ansatz Da die Dynamik linear in den Erzeugern der dynamischen Gruppe ist, würde man zunächst erwarten, dass die dynamischen Gleichungen äquivalent zu dem obigen Ergebnis sind. Hier berechnen wir nur den nicht-hermitischen Anteil der Dynamik des Erwartungswerts hB̂i = hψ|B̂|ψi eines beliebigen Elements B̂ der su(2)-Algebra: dhB̂i † = −ihB̂ Ĥdecay − Ĥdecay B̂i dt 1 = −γ hB̂ N̂ + N̂ B̂i + hB̂ Jˆz + Jˆz B̂i . 2 Damit ergibt sich für die Zeitentwicklung des Blochvektors die Gleichung hJˆx Jˆz + Jˆz Jˆx i hJˆx i dhĴi = −γN hJˆy i − γ hJˆy Jˆz + Jˆz Jˆy i dt hJˆz i 2hJˆz2 i (5.38) (5.39) und für den Erwartungswert der Teilchenzahl die Gleichung dhN̂ i = −γN hN̂ i − 2γN hJˆz i, dt (5.40) wobei man beachten muss, dass dass bei der Faktorisierung gilt hN̂ Ĵi = hN̂ ihĴi = N hĴi hψ|ψi (5.41) und der reskalierte Erwartungswert der Teilchenzahl gerade der Teilchenzahl zu Beginn entspricht. Diesen Zusammenhang können wir mithilfe der makroskopischen Zerfallskonstante Γ = γN umschreiben: dhN̂ i = −ΓhN̂ i − 2ΓhJˆz i dt ˆ = −Γ hN̂ i + 2hJz i = −2Γhâ†2 â2 i. (5.42) Die Abnahme des Erwartungswerts der Teilchenzahl kann also durch einen exponentiellen Zerfall mit der makroskopischen Zerfallsstärke Γ beschrieben werden, dabei hängt der Zerfall zudem von der momentanen Besetzungsverteilung durch die interne Dynamik ab. Dieser Zusammenhang entspricht dem exakten Ergebnis (5.33), welches wir für die QuasiPhasenraumverteilungen abgeleitet haben. Die Heisenbergschen Bewegungsgleichungen für den Drehimpulsvektor (5.39) spiegeln die Abnahme der Normierung wieder. Um diese mit den im vorherigen Abschnitt hergeleiteten Schwerpunktgleichungen der Phasenraumverteilungen vergleichen zu können, betrachten wir die reskalierten Größen. Der Vektor hĴi/hN̂ i liegt auf der Oberfläche der Blochkugel 116 Makroskopischer Grenzwert und Liouvilledynamik und erlaubt es daher, die Dynamik unabhängig von der Normierung des Dichteoperators zu betrachten. Für die reskalierten Größen gilt: d hĴi 1 dhĴi 1 dhN̂ i = − . dt hN̂ i hN̂ i dt hN̂ i2 dt (5.43) Gehen wir in diesem Fall von einem gewöhnlichen Bogoliubov-Ansatz aus, d.h. vernachlässigen wir die Varianzen und nähern hÂB̂ + B̂ Âi ≈ 2hÂihB̂i/hψ|ψi in Gleichung (5.39) so hat der Zerfallsterm keinen Einfluß auf die Dynamik der reskalierten Größen. Diese Näherung ist daher äquivalent zum makroskopischen Grenzwert, den wir für die Phasenraumverteilungen bereits diskutiert haben. Eine andere Möglichkeit zur näherungsweisen Beschreibung der Dynamik, ist die Approximation des Zustandsvektors durch einen unnormierten kohärenten Zustand wie in Gleichung (5.19) angegeben während der gesamten Dynamik. Ausgehend von dieser Annahme kann man die Erwartungswerte der Zwei-Punkt-Funktionen in Gleichung (5.43) auswerten [122]. Im Rahmen dieser Näherung erhält man analoge Gleichungen, welche wir für die Schwerpunktbewegung der Liouvilledynamik in Gleichung (5.37) erhalten haben. 5.3.1 Diskussion der Dynamik Zunächst ist es instruktiv die Dynamik unter dem Einfluß von Tunneln und Zerfall zu betrachten und sowohl Wechselwirkung also auch Energieunterschied der Niveaus zu vernachlässigen. In diesem Fall ist die Liouvilledynamik bzw. die Schwerpunktdynamik für einen Blochzustand exakt: ṡx = +2γsz sx ṡy = +2∆sz + 2γsz sy ṡz = −2∆sy − 2γ(1/4 − s2z ). (5.44) Um die Dynamik zu analysieren berechnen wir zunächst die Fixpunkte der Schwerpunktbewegung, ṡ = 0. Dabei findet man zwei mögliche Fälle, je nach Verhältnis des Tunnelmatrixelements ∆ zur mikroskopischen Zerfallstärke γ. Für schwache Emission |γ| ≤ 2∆ ergeben sich zwei Bedingungen, sz = 0 und γs2x + sy (∆ + γsy ) = 0. Mit der Normierungsbedingung |s| = 1/4 erhält man die beiden Fixpunkte 1 γ 2 2 ± 41 − ( 4∆ ) γ sJ± = . − 4∆ 0 (5.45) (5.46) Wie das Beispiel |γ|/∆ = 1.9 in Abbildung 5.6 zeigt, bleiben die beiden Fixpunkte des hermitischen Systems auch mit Zerfall elliptisch. In Abhängigkeit der Zerfallsstärke verschieben sich ihre Positionen jedoch auf dem Äquator. Die Besetzung in den Fixpunkten 5.3. Klassischer Limes und Zerfall 117 Abbildung 5.6: Mercatorprojektion (oben) und Blochdarstellung (unten) der Zeitentwicklung des klassischen Blochvektors (5.37) ohne Zerfall γ = 0 (links) und für schwachen Zerfall γ = 1.9 (rechts) bei ∆ = 1. bleibt also gleichverteilt, p1 = p2 , während sich die relative Phase der Fixpunkte ändert. Für den kritischen Fall |γ| = 2∆ fallen die beiden Fixpunkte zusammen. Dieses Verhalten kann man qualitativ über das Bild der Josephson-Kontakte (vergleiche Abb. 5.3.1) verstehen. Ohne Zerfall, γ = 0, oszilliert ein Tunnelstrom zwischen den Töpfen, √ IJosephson = 2∆ p1 p2 sin q2 = 2∆sy , (5.47) dies illustriert nochmals anschaulich die Bedeutung des Operators Jˆy als relativer Impuls (vergleiche Gleichung (1.13)). Die Amplitude des Stroms hängt neben dem Tunnelmatrixelement ∆ von dem Besetzungsverhältnis und der relativen Phase ab. Der Strom verschwindet für q2 = 0, π, was gerade dem symmetrischen und antisymmetrischen Fixpunkt entspricht. Durch den Zerfall kommt ein weiterer, gerichteter Strom hinzu. Einen Fixpunkt findet man jedoch nur, wenn der Gesamtstrom null ist. Um den Zerfallsstrom zu kompensieren braucht man also einen andauernden Josephson-Strom in die entgegengesetzte Richtung, um eine konstante Phasendifferenz zwischen den Töpfen zu erreichen. Für große Zerfallsstärken verglichen mit der Tunnelstärke, |γ| > 2∆, gibt es ebenfalls zwei Fixpunkte, 0 − ∆γ , s± = (5.48) h 1 i 2 2 ± 14 − ( ∆γ 2 ) 118 Makroskopischer Grenzwert und Liouvilledynamik Abbildung 5.8: Mercatorprojektion (oben) und Blochdarstellung (unten) der Zeitentwicklung des klassischen Blochvektors (5.37) mit starkem Zerfall γ = 2.1 (links) und γ = 4.0 (rechts) bei ∆ = 1. von denen nun jedoch einer attraktiv und einer repulsiv ist. Damit gibt es keine periodischen Bahnen mehr. Die Dynamik weist also eine Quelle und eine Senke auf. Anders als im hermititschen Fall kann die Dynamik daher nicht mehr durch eine klassische Hamiltonfunktion beschrieben werden. Die relative Phase der Fixpunkte ist konstant |q2 | = 3π/2. Der Endzustand, sfinal = h 0 − ∆γ 1 4 − , 1 i 2 2 (5.49) ∆ γ2 ist unabhängig vom Anfangszustand und weist einen Besetzungsüberschuss im nicht emittierenden Potentialminimum auf. Mit steigender Zerfallsstärke wandert der repulsive Fixpunkt in Richtung des Nordpols der Blochkugel, also in Rich- Abbildung 5.7: Gleichgewicht zwitung des emittierenden Minimums |0, N i, während schen Josephson- und Zerfallsstrom der Attraktor sich zum gegenüberliegende Pol bzw. Zustand verschiebt. Im Bild der Josephson-Oszillation reicht der maximale Josephsonstrom (q2 = 3π/2, p1 = p2 ) nicht mehr aus, um den Zerfallsstrom zu kompensieren. Durch den Zerfall im zweiten Niveau baut sich ein konstanter relativer Besetzungsüberschuss im ersten Niveau auf. Die 5.3. Klassischer Limes und Zerfall 119 Abbildung 5.9: Mercatorprojektion (oben) und Blochdarstellung (unten) der Zeitentwicklung des klassischen Blochvektors (5.37) mit Wechselwirkung U N = 4 und unterschiedlich starkem Zerfall γ = 0, 1, 4 bei ∆ = 1 (von links nach rechts). Fixpunkte verschieben sich daher auf den Meridianen. Die relative Phase, q = 3π/2, bleibt jedoch konstant, d.h. der Josephsonstrom ist maximal. Dynamik mit Wechselwirkung und Zerfall Führen wir nun zusätzlich einen Wechselwirkungsterm ein, erhalten wir die folgenden Gleichungen: ṡx = +2γsz sx − 2gsy sz ṡy = +2∆sz + 2γsz sy + 2gsz sx ṡz = −2∆sy − 2γ(1/4 − s2z ). (5.50) Ohne Zerfall haben wir bereits im ersten Kapitel gesehen, dass dies in Abhängigkeit der Wechselwirkungsstärke zu einer Bifurkation der elliptischen Fixpunkte und damit zu neuen Bewegungsformen wie dem self-trapping-Effekt führt. Auch für das zerfallende System können wir die Fixpunkte der Schwerpunktdynamik berechnen. Der kritische Wert, ab dem die Bifurkation auftritt, hängt nun auch von der Zerfallsstärke ab: U 2 N 2 ≥ 4∆2 − γ 2 . Betrachten wir zunächst den unterkritischen Fall und fordern zusätzlich, dass die Tunnelstärke über die Zerfallsstärke dominiert, γ < 2∆. Dann besitzt das System zwei Fixpunkte auf dem Äquator: γ 2 12 ± 21 (1 − 4∆ ) 2 γ sJ± = (5.51) − 4∆ . 0 120 Makroskopischer Grenzwert und Liouvilledynamik Für den Fall eines schwach wechselwirkenden Systems mit geringer Zerfallsstärke findet man daher verzerrte Rabi- oder Josephsonoszillationen, wie aus dem hermitischen Fall bekannt. Dabei nähern sich die beiden elliptischen Fixpunkte mit steigender Zerfallstärke an, wie wir es bereits im nicht-wechselwirkenden System beobachtet haben (siehe auch Abb. 5.9). Dominiert hingegen der Zerfallsterm, γ > 2∆, ist die Bedingung für den überkritischen Fall unabhängig von U N erfüllt: U 2 N 2 ≥ 4∆2 − γ > 0. (5.52) Daher müssen wir diesen Fall nicht betrachten. Für p kleine Zerfallsstärken, γ < 2∆, und überkritische Wechselwirkungsstärken, U N > 4∆2 + γ 2 , entstehen genau wie im hermitischen Fall aus einem der elliptischen Fixpunkte der Josephsonoszillation sJ± zwei elliptische und ein hyperbolischer Fixpunkt. Ohne Zerfall entsprechen diese den Pi-Oszillationen. Durch den Zerfallsterm wandelt sich ihr Charakter von elliptischen in einen repulsiven und einen attraktiven Fixpunkt. Man findet für ihre Position: −U N ∆ 1 . −γ∆ sπ± = 2 (5.53) γ + U 2N 2 q 2 2 2 γ +U N − ∆2 ) ± (γ 2 + U 2 N 2 )( 4 Für größere Zerfallsstärken nähern sich die Fixpunkte auf dem Äquator erneut an und für γ = 2∆ treffen sich der hyperbolische und der elliptische Fixpunkt. Für noch größere Zerfallstärken verschwinden die beiden Fixpunkte im Komplexen. Damit gibt es keine periodischen Bahnen mehr. Die Dynamik wird vom attraktiven und repulsiven self-trappingFixpunkt bestimmt. Die Entwicklung in Abhängigkeit von der Zerfallstärke ist in Abbildung 5.9 für ein Beispiel dargestellt. Abweichungen von der Schwerpunktdynamik sind insbesondere für den Parameterbereich zu erwarten, in dem der hyperbolische Fixpunkt noch existiert. Eine ausführlichere Analyse und weitergehende Diskussionen finden sich in der Diplomarbeit [122]. 5.4 Schlußfolgerungen Die Analyse des nicht-hermitischen Problems ohne Wechselwirkung im Vergleich zum wechselwirkenden System ohne Zerfall zeigt, dass es zwei unterschiedliche Näherungsebenen der exakten Vielteilchenquantendynamik gibt: • Die erste Approximation entspricht dem makroskopischen Limes, N → ∞, mit γN = Γ = konst. und U N = g = konst., welche die Zeitentwicklung eines Systems mit großer Teilchenzahl beschreibt. In diesem Fall entspricht der Zerfall der Reduktion des Radius der Blochkugel. Die Dynamik auf der Blochsphäre bleibt unbeeindruckt. Im wechselwirkenden Fall entspricht der makroskopische Limes einer Bewegung auf der Blochkugel, welche durch die GPE in der Herleitung über einen 5.4. Schlußfolgerungen 121 gewöhnlichen Bogoliubovansatz beschrieben wird. Da in diesem Grenzwert die Phasenraumverteilungen eines Produktzustands unabhängig von der Operatorordnung gegen eine Diracsche δ-Funktion konvergieren kann die Dynamik durch eine einzelne Trajektorie im Phasenraum beschrieben werden. • In der Näherung der Liouvilledynamik vernachlässigt man Terme höherer Ableitungen: 1 (s) (s) (s) . (5.54) Ḟ = −∂p2 ṗ2 F − ∂q2 q̇2 F + O N Dabei legt die Operatorordnung die jeweilige, dem Zustand entsprechende, QuasiPhasenraumverteilung fest und beeinflußt sowohl Wechselwirkungs- als auch Zerfallsstärke. Daher muss sie auch bei der Berechnung der Erwartungswerte beachtet werden (vergleiche Abschnitt 4.6). Aus der Liouville-Gleichung kann man Evolutionsgleichungen für die Schwerpunktbewegung ableiten. Im Fall einer linearen Evolution in den Generatoren der dynamischen Gruppe und eines anfänglich kohärenten Zustands sind diese Gleichungen exakt. In diesem Fall kann man die Zeitentwicklung der gesamten Dichtematrix durch die Zeitentwicklung der reduzierten Dichtematrix darstellen. Deshalb sind die erhaltenen Gleichungen für das System mit Zerfall und für das hermitische System ohne Wechselwirkung äquivalent zur vollen quantenmechanischen Evolution eines kohärenten Zustands. Mit Wechselwirkung U 6= 0 ist der Hamiltonoperator nicht mehr linear in den Generatoren. Dies führt dazu, dass ein kohärenter Zustand zerfließt, d.h. er behält seine Form nicht bei. Die Liouvilledynamik gibt diese Formänderung in guter Näherung wieder und kann beliebige Anfangszustände realisieren. Andere Effekte wie z.B. Selbstinterferenz werden jedoch vernachlässigt. Die Wechselwirkungsstärke hängt anders als im makroskopischen Limes nun von der gewählten Phasenraumdarstellung ab: g = U (N + (s + 1)M/2)). Ähnliche Ansätze für die Wignerfunktion im ebenen Phasenraum sind unter dem Namen truncated Wigner approximation bekannt [135]. Da dieser Ansatz die Teilchenzahl nicht erhält, ist diese kein frei wählbarer Parameter. Dies erschwert die Abschätzung des Fehlers, anders als bei dem hier vorgestellten teilchenzahlerhaltenden Ansatz, welcher für große Teilchenzahlen offensichtlich gerechtfertigt ist. Die oben beschriebene Abweichung vom vollständig kondensierten Zustand führt dazu, dass die Schwerpunktsbewegung die Dynamik nicht mehr exakt wiedergibt. Dieser Effekt führt insbesondere in der Umgebung des instabilen Fixpunkts der mean-field-Dynamik zu nicht zu vernachlässigenden Abweichungen. 122 Makroskopischer Grenzwert und Liouvilledynamik Kapitel 6 Ausblick In den vorangehenden Kapiteln wurde die Beschreibung eines Bose-Hubbard-Modells im Phasenraum diskutiert. Dabei lag der Schwerpunkt auf der Einführung und Verallgemeinerung von Methoden und der Erläuterung dieser Werkzeuge durch illustrative Beispiele. Dies bereitet die Grundlagen für vielfältige Anwendungen - eine herausragende Möglichkeit stellt hierbei das Konzept der Phasenraumentropien dar. Da eine ausführliche Diskussion den Rahmen dieser Arbeit sprengt, können wir im folgenden Abschnitt nur einen kurzen Ausblick geben, welche das Potential dieses Konzepts erahnen lässt. Der Fokus liegt hierbei auf den Lokalisierungseigenschaften und dem Übergang zur meanfield-Beschreibung. Die vorliegende Arbeit schließt mit einem allgemeinen Ausblick auf weitere denkbare Anwendungen. Die aufgeführten Problemstellungen sind jedoch auf keinen Fall als vollständige Auflistung der Möglichkeiten gedacht. Alleine die Verwendung der hier vorgestellten Methoden im Bezug auf andere Systeme derselben Symmetrieklasse öffnet ein weites Forschungfeld. 6.1 Phasenraumentropien Möchte man die Struktur der Eigenzustände eines quantenmechanischen Systems weiter analysieren, so ist eine Untersuchung der Lokalisierungseigenschaften von großem Interesse. Dabei sind insbesondere aus der Theorie der chaotischen Quantensysteme verschiedene Möglichkeiten zur Charakterisierung von Quantenzuständen bekannt (eine Einführung bietet z.B. [52] und die Referenzen darin). Die meisten dieser Größen hängen jedoch von der Wahl einer orthogonalen Basis ab. Wie wir in den vorangegangenen Kapiteln gesehen haben, stellen die verallgemeinerten kohärenten Zustände eine natürliche Wahl der Basis dar, welche durch die Äquivalenz mit den vollständig kondensierten Zuständen auch physikalisch motiviert ist. Durch die gruppentheoretische Konstruktion spiegeln sie die Symmetrien des Systems wieder und der Parameterraum kann mit dem klassischen Phasenraum identifiziert werden. Es liegt also nahe, ausgehend von diesen Zuständen ein Lokalisierungsmaß zu definieren. Ein erstes 124 Ausblick intuitives quantitatives Maß stellen daher die höheren Momente der Q-Darstellung dar: Z q (q) m|ψi = Q|ψi (Ω) dµ(Ω). (6.1) X Eine andere Möglichkeit ist die Wehrlentropy [136, 137]. Wehrl führte diese Phasenraumentropie als stetige Boltzmann-Gibbs-Entropie der Husimifunktion ein: Z (6.2) S|ψi = − Q|ψi (Ω) ln Q|ψi (Ω)dµ(Ω), X wobei man die ursprüngliche Definition in den Glauberzuständen durch die gruppentheoretische Definition (vergleiche Abschnitt 2.3) ohne Einschränkung auf die verallgemeinerten kohärenten Zustände übertragen kann. Die Wehrlentropie läßt sich mithilfe der Beziehung ∂Qq|ψi ∂q = Qq|ψi ln Q|ψi (6.3) als Grenzwert der Ableitung der Momente nach der Ordnung darstellen: (q) S|ψi = − lim q→1 ∂m|ψi ∂q . (6.4) Kennt man also die höheren Momente in der Umgebung von q = 1 kann man die eventuell umständliche Integration (6.2) vermeiden. Ausgehend von diesen kann man die Wehrlentropie verallgemeinern und erhält die Rényi-Wehrl-Entropie [107], (q) S|ψi = 1 (q) ln m|ψi 1−q mit q > 0, (6.5) welche im Grenzwert q → 1 gegen die Wehrlentropie konvergiert. Eine weitere interessante Eigenschaft der höheren Momente ist, dass man sie als Komplexitätsmaß nutzen kann [138]. Für den ebenen Phasenraum zeigte Lieb, dass die Wehrlentropie für Glauberzustände minimal wird und dass diese Zustände die einzigen mit dieser Eigenschaft sind – die Glauberzustände sind also maximal lokalisiert. Liebs Vermutung, dass dies auch für die Blochzustände so sei, ist jedoch bis heute unbewiesen. Klar ist, dass für die Blochzustände der Wert der Wehrlentropie minimal wird [139]: Z N +1 W S|θ,φi = Q|θ,φi (θ0 , φ0 ) ln Q|θ,φi (θ0 , φ0 ) sin θ0 dθ0 dφ0 4π N W = = Smin . (6.6) N +1 Ob sie jedoch die einzigen Zustände mit dieser Eigenschaft sind, ist bis jetzt nur für kleine Systemgrößen, N ≤ 4, gezeigt worden [140, 141]. Auch die Eigenschaften der RényiEntropie, der Verallgemeinerung der Wehrlentropie, stützen die Vermutung von Lieb. So 6.1. Phasenraumentropien 125 kann man für ganzzahlige Werte q > 2 beweisen, dass diese auch für beliebige Systemgrößen die Liebsche Vermutung erfüllt [107]. Anders als die von Neumann-Entropie S vN = −Trρ̂ ln ρ̂ besitzt die Wehrlentropie eine direkte Verbindung zum klassischen Phasenraum, welche es ermöglicht die Wehrlentropie mit der klassischen Dynamik zu vergleichen. Es ist jedoch möglich, die von NeumannEntropie des Gesamtsystems mit der Wehrlentropie in Beziehung zu setzen [142]: S vN + CN ≥ S W ≥ S vN . (6.7) Dabei stellt CN eine nur von der Gesamtteilchenzahl abhängige Größe dar. Für N = 1 ist es möglich analytisch zu zeigen, dass die Wehrlentropie und die von Neumann-Entropie identisch skalieren [143]. Die physikalische Interpretation der Blochzustände liefert eine nützliche Eigenschaft: Als Produktzustände stellen die Blochzustände ein globales Minimum der von Neumann-Entropie der reduzierten Ein-Teilchen-Dichtematrix, ! hâ†1 â1 i hâ†1 â2 i 1 ρ̂red = , (6.8) N hâ†2 â1 i hâ†2 â2 i dar. Wir sind jedoch zunächst an den Lokalisierungseigenschaften des Bose-Hubbard-Systems interessiert, welche wir mithilfe der Wehrlentropie (6.2) der su(2)-Husimifunktionen der Energieeigenzustände untersuchen werden. Die Wehrlentropie ist in Abbildung 6.1 für ein System mit N = 40 Teilchen im überkritischen Parameterbereich, U N = 40 und ∆ = 1, in Abhängigkeit des Energieunterschieds und der reskalierten Eigenenergie En /N aufgetragen. Die Parameter sind wie in Abschnitt 3.4 bei der Diskussion des Beispiels für den überkritischen Fall gewählt. Dies ermöglicht den direkten Vergleich von Abbildung 6.1 mit Abbildung 3.7, in der die Eigenenergien des Systems in Abhängigkeit vom Niveauunterschied , sowie die mean-field-Energien für den gleichen Parametersatz dargestellt sind. Bei der Interpretation von Abbildung 6.1 ist zu beachten, dass die Entropie nur für Eigenzustände und damit nur auf den Linien der Eigenenergien definiert ist. Die Interpolation zwischen diesen Werten dient daher nur der besseren Sichtbarkeit. Ein erster Vergleich zeigt klare Analogien zwischen den Minima der Wehrlentropie und der Lage der mean-field-Energien. Diesen Zusammenhang haben wir bereits bei der Betrachtung der Husimifunktion in Abschnitt 3.4 diskutiert: Die Eigenfunktionen lokalisieren auf den klassischen Trajektorien, dies führt bei ausgedehnten Orbits zu einer Delokalisierung und damit zu hohen Entropien, wohingegen die Q-Darstellung auf den Fixpunkten der GPE-Dynamik extrem lokalisiert ist und damit eine geringere Wehrlentropie aufweist. Durch den Energieunterschied der Niveaus wird die Symmetrie gebrochen, so dass die Entartung bezüglich der self-trapping-Fixpunkte aufgehoben wird. Dies führt zur Ausbildung der Schwalbenschwanzstruktur aus vermiedenen Kreuzungen, welche sich in der Kaustik im Vielteilchenspektrum und analog als Bifurkation der mean-field-Energien widerspiegelt [112,128]. Bereits in Abschnitt 3.4 konnten wir daher den mean-field-Energien quantenmechanische Eigenzustände zuordnen, deren Q-Darstellung auf den klassischen Fixpunkten lokalisiert (vergleiche Abbildung 3.8). 126 Ausblick Abbildung 6.1: Wehrlentropien der Energieeigenzustände in Abhängigkeit der reskalierten Eigenenergien und des Niveausunterschieds der Potentialminima im überkritischen Bereich: U N = 40 und ∆ = 1 bei N = 40. Zur besseren Sichtbarkeit wurde zwischen den Werten interpoliert (siehe Text). Die Wehrlentropie weist jedoch mehr Strukturen auf, welche vergrößert in Abbildung 6.2 dargestellt sind. Man erkennt deutlich die Lage der vermiedenen Kreuzungen, wobei immer eine Linie hoher Entropie eine Linie niedriger Entropie kreuzt und im Kreuzungspunkt die Entropie maximal wird. Dabei bleibt im diabatischen Übergang der Charakter des Zustands erhalten. In Abbildung 6.3 sind exemplarisch die Husimidarstellungen der Energieeigenzustände in der Umgebung eines vermiedenen Kreuzungspunkts aufgetragen. Gezeigt sind die Husimifunktion des 34-ten und 35-ten Energieeigenzustands in der Umgebung der vermiedenen Kreuzung bei = 0.25. Die weiteren Parameter sind wie in den oben diskutierten Abbildungen gewählt. Für kleinere Energieunterschiede ist zunächst der untere Energieeigenzustand |E34 i im Vergleich stärker delokalisiert als der an eine Pi-Oszillation erinnernde Eigenzustand |E35 i (siehe Abbildung 6.3 links oben im Vergleich zu links unten). Im Kreuzungspunkt sind die beiden Zustände quasi-entartet, die Husimidarstellungen unterschieden sich nur in der Lage der Nullstellen im Bereich des hyperbolischen Fixpunkts. In der stellaren Darstellung, welche wir in Abschnitt 3.4.1 diskutiert haben, manifestiert sich der Unterschied in zwei nahe benachbarten Nullstellen und einer entarteten Nullstelle in der Umgebung des hyperbolischen Fixpunkts. Für noch größere Energieunterschiede wechseln die adiabatischen Zustände ihre Charakteristik, nun ist der obere Energieeigenzustand |E35 i (rechts unten) stärker delokalisiert. 6.1. Phasenraumentropien 127 Abbildung 6.2: Ausschnittvergrößerung aus Abbildung 6.1 im Vergleich zu der Struktur der Eigenenergien (Parameter wie in Abbildung 6.1). In Abschnitt 5.3 haben wir die Erweiterung des Bose-Hubbard-Systems um einen nichthermitischen Term diskutiert, mit dessen Hilfe man einen effektiven Zerfall einführen kann. Dabei haben wir gezeigt, dass es auch hier möglich ist die Zeitentwicklung näherungsweise durch eine GPE zu beschreiben. Dennoch ist die Interpretation dieser Dynamik schwieriger als im hermititschen Fall, da sie nicht mehr hamiltonsch ist und nicht nur elliptische und hyperbolische, sondern auch attraktive und repulsive Fixpunkte auftreten können. Dies macht weitere Untersuchungen unabdingbar. Eine interessante Möglichkeit bietet auch hier die Wehrlentropie. In Abbildung 6.4 ist diese in Abhängigkeit des reskalierten Realteils der Eigenenergien En /N und der Wechselwirkungsstärke im Vergleich zu den reskalierten Realteilen der Eigenenergien aufgetragen. Dabei ist ein nicht-zerfallendes System, γ = 0, im Vergleich zu zwei Systemen mit unterschiedlich starken Zerfallsstärken, γ = 0.1 und γ = 0.5, dargestellt. Im hermitischen Fall können wir – wie oben diskutiert – die Entropien mithilfe der Lokalisierung der Q-Darstellung der Zustände auf den klassischen Trajektorien verstehen. Minimale Entropie ergibt sich dabei für die Zustände, deren Q-Funktion in der Umgebung der klassischen Fixpunkte lokalisiert. Die entsprechenden Eigenenergien bilden im Grenzwert hoher Teilchenzahlen eine Kaustik im Vielteilchenspektrum. Mit steigender Zerfallsrate γ ändert sich das Lokalisierungsverhalten. Dieses ist in Abbildung 6.4 (unten) im Vergleich zu dem Verhalten der Eigenenergien in Abhängigkeit der Wechselwirkungsstärke U N für verschiedene Werte der Zerfallsstärke dargestellt. Dabei ist 128 Ausblick Abbildung 6.3: Husimifunktionen des 34-ten (oben) und 35-ten (unten) Energieeigenzustands in der Umgebung der vermiedenen Kreuzung für = 0.24 (links), = 0.25 (Mitte) und = 0.26 (rechts), Parameterwahl wie in Abbildung 6.1. die Wehrlentropie der (normierten) Eigenzustände in Abhängigkeit der Eigenenergie und der Wechselwirkungsstärke aufgetragen. Wie in Abbildung 6.1 ist zur besseren Sichtbarkeit zwischen den Werten interpoliert worden. Ohne Zerfall, γ = 0 (links), finden wir die bekannte Bifurkation aufgrund des self-trapping-Übergangs wieder, die Kaustik ist sowohl in den Eigenenergien als auch in der Entropie als Minimum deutlich erkennbar. Diesen Minima können wir, wie oben diskutiert, eindeutig die Zustände, deren Q-Funktionen auf den klassischen Fixpunkten lokalisiert sind, zuordnen. Für den Fall eines schwachen Zerfallsterms, γ = 0.1 (Mitte), ist die Kaustik in der Entropie zwar weiterhin erkennbar, die Entropie nimmt jedoch insgesamt sehr viel geringere Werte an. Dies weist auf eine stärkere Lokalisierung der Eigenfunktionen hin. Deren Lokalisierungsverhalten hängt nun nicht mehr nur von der Lage der klassischen Trajektorien ab, sondern auch von ihrer Dichte und Geschwindigkeit. Für größere Zerfallstärken, γ = 0.5, verändert sich der Charakter der Kaustik, welche nun einen Bereich minimaler Entropie von eine Bereich hoher Entropie abgrenzt und nicht mehr Bereiche höherer Entropie unterteilt. Die Eigenzustände im Bereich unterhalb der Kaustik weisen nun sehr geringe Entropien auf, was darauf hinweist, dass die Josephsonoszillationen stark lokalisiert sind. In Abbildung 6.5 sind exemplarisch die Q-Darstellungen der Energieeigenzustände |E10 i (oben) und |E36 i (unten) für eine überkritische Wechselwirkungsstärke U N = 6.5 und die verschiedenen hier diskutierten Zerfallstärken γ = 0 (links), γ = 0.1 (Mitte) und γ = 0.5 (rechts) abgebildet. Wie man sieht wird durch den Zerfall die Symmetrie aufgehoben, dies führt insgesamt zu einer stärkeren Lokalisierung. Die Husimidarstellung des Zustands oberhalb der Kaustik |E36 i weist jedoch zudem eine Nullstelle in der Umgebung des klassischen Fixpunkts auf, welche der Lokalisierung entgegenwirkt. 6.1. Phasenraumentropien 129 Abbildung 6.4: Spektrum der Energieeigenzustände in Abhängigkeit von der Wechselwirkungsstärke U N (oben) im Vergleich zur Wehrlentropie der Energieeigenzustände in Abhängigkeit der Wechselwirkungsstärke U N (unten) für N = 40, ∆ = 1, = 0 und verschiedene Zerfallsstärken γ = 0 (links), γ = 0.1 (Mitte) und γ = 0.5 (rechts). Zur besseren Sichtbarkeit wurde zwischen den Werten interpoliert (siehe Text). Die hier diskutierten Effekte erschweren die Zuordnung der mean-field-Energien zu der Kaustik des Vielteilchenspektrums und die Interpretation der mean-field-Zustände als Analogon der am stärksten lokalisierten quantenmechanischen Zustände. Dies erfordert weitere Überlegungen. Ein weiterer interessanter Punkt ist die Auswirkung des effektiven Zerfalls auf die Dynamik. Gibt es auch hier, ähnlich wie bei der Lokalisierung im Ortsraum [134], neue lokalisierte Strukturen im Phasenraum? Eine Analyse solcher Effekte erfordert die Erweiterung verschiedener aus dem hermitischen Fall bekannter Konzepte wie der dynamischen Phasenraumentropie [17,144]. Eine erste Analyse der Dynamik mithilfe der Wehrlentropie der renormierten Zustände gibt Hinweise auf ein solches Verhalten. Eine mögliche Konsequenz könnte die Stabilisierung des kondensierten Anteils eines Quantengases in einem optischen Gitter sein. Dies ist eine sowohl aus experimenteller, als auch theoretischer Sicht interessante Frage, welche weitere eingehende Untersuchungen erfordert. In diesem Abschnitt haben wir gezeigt, dass die Wehrlentropie eine vielversprechende Möglichkeit darstellt, um die Lokalisierungseigenschaften des Bose-Hubbard-Systems zu 130 Ausblick Abbildung 6.5: Husimidarstellung der Eigenfunktionen |E10 i (oben) und |E36 i (unten) für N = 40, ∆ = 1, = 0 und überkritische Wechselwirkungsstärke U N = 6.5 und verschiedene Zerfallsstärken γ = 0 (links), γ = 0.1 (Mitte) und γ = 0.5 (rechts). untersuchen. Dabei beschränkt sich die vorhandene Literatur fast ausschließlich auf das System mit M = 2 Potentialminima. Daher bietet auch die Verallgemeinerung der hier vorgestellten Konzepte auf eine beliebige Anzahl von Niveaus neue Möglichkeiten. Aber auch andere, charakteristische Eigenschaften des Systems kann man mithilfe der Wehrlentropie analysieren. So kann man zeigen, dass man ausgehend von der Wehrlentropie des Systems Verschränkungsmaße, sogenannte entanglement monotones, definieren kann [142]. Dabei ist insbesondere der Zusammenhang zwischen squeezing und der Verschränkung eines Qubitsystems von großem Interesse [145]. 6.2 Weitere Anwendungen In dieser Arbeit wurden Konzepte diskutiert, um die Dynamik des Bose-Hubbard-Modells im Phasenraum zu analysieren, und erste Anwendungen erläutert. Dabei wurde gezeigt, dass die Methodik insbesondere bei der Analyse des Übergangs zu makroskopischen Teilchenzahlen ein illustratives und leistungsfähiges Werkzeug darstellt. Die möglichen Anwendungen der hier präsentierten Ansätze sind vielfältig. Die semiklassische Analyse des nicht-linearen Landau-Zener-Übergangs brachte bereits gute Resultate, sie erlaubt unter anderem eine näherungsweise analytische Berechnung der Übergangswahrscheinlichkeiten [112]. Diese Ergebnisse können durch eine Analyse im Phasenraum komplettiert und veranschaulicht werden. Insbesondere die Abweichungen von den Näherungslösungen können so verstanden werden [146]. 6.2. Weitere Anwendungen 131 Desweiteren ermöglichen die in dieser Arbeit diskutierten Methoden durch die Unterscheidung der Näherungsebenen eine Klassifizierung dynamischer Effekte. So kann man z.B. die Abweichung der GPE-Dynamik von der exakten Dynamik in der Umgebung des hyperbolischen Fixpunkts auf die Approximation durch die Schwerpunktdynamik zurückführen oder mithilfe der Näherung durch die Liouvilledynamik zwischen Vielteilcheninterferenzeffekten und Effekten bedingt durch die höheren Momente des Zustands unterscheiden. Zudem kann man mithilfe der Liouvilledynamik oder der Ensembledynamik nun auch Größen abschätzen, welche man in der Approximation durch eine einzelne Trajektorie nicht beschreiben kann, wie zum Beispiel Varianzen. Wie wir gesehen haben erlaubt es keine der Näherungsmethoden Interferenz und Tunneln im Phasenraum zu beschreiben. Allerdings sind für flache Phasenräume eine Fülle an Methoden basierend auf den Glauberzuständen bekannt, welche zumindest eine teilweise Rekonstruktion dieser Effekte erlauben (siehe z.B. [147] und Referenzen darin). Auch für die Blochzustände gibt es erste Ansätze und Resultate [148,149]. Der nächste Schritt wäre also auch hier eine systematische Übertragung der bekannten Konzepte. Die hier vorgestellten Methoden sind nicht auf das Bose-Hubbard-Modell beschränkt, sondern können auf alle Systeme derselben Symmetrie ohne Mehraufwand erweitert werden. Auch die Beschreibung der Dynamik stellt keine Einschränkung dar, vielfältige andere Fragestellungen sind denkbar, wie z.B. die Lösung der thermodynamischen Blochgleichungen oder von Mastergleichungen [117, 118]. 132 Ausblick Literaturverzeichnis [1] D. Jaksch, C. Bruder, J. I. Cirac, C. W. Gardiner, and P. Zoller, Cold Bosonic Atoms in Optical Lattices, Phys. Rev. Lett. 81 (1998) 3108 [2] M. Greiner, O. Mandel, T. Esslinger, T. W. 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