Beispiel für eine Facharbeit mit Gutachten - Kaiserin-Augusta

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Kaiserin-Augusta-Schule
Jahrgangsstufe 12
Köln
Facharbeit
Im Grundkurs Philosophie
„Bedeutung der Mitmenschen für die eigene Existenz in der
Existenzphilosophie Sartres und der virtuellen Welt von
Second Life“
Verfasser:
xxx
Kurslehrer:
xxx
Abgabeterm: 10. März 2011
2
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung ............................................................................ 3
2
Philosophie Sartres ............................................................... 3
3
4
2.1
Übersicht der Existenzphilosophie nach Sartre .................... 3
2.2
Die Bedeutung der Gesellschaft für die eigene Existenz ........ 5
Second Life .......................................................................... 7
3.1
Eine neue Welt… ............................................................. 7
3.2
…und ihre Gesellschaft ..................................................... 9
Vergleich: Existenzialismus nach Sartre – Existenz in einer
virtuellen Welt ......................................................................... 11
4.1
Klärung der Situation..................................................... 11
4.2
Wie wichtig sind Andere für die Existenz in Second Life? .... 12
4.3
Die Freiheit innerhalb der neuen Welt .............................. 14
4.4
Kann „Second Life“, so, wie es Sartre beurteilen würde, den
lebenden Mitmenschen ersetzen? ............................................ 15
5
6
Literaturverzeichnis ............................................................ 17
5.1
Primärliteratur .............................................................. 17
5.2
Sekundärliteratur .......................................................... 17
5.3
Internetadressen .......................................................... 17
Erklärung .......................................................................... 18
Facharbeit GK 12 2011 Philosophie
xxx
3
1 Einleitung
Ich setze mich im Rahmen dieser Facharbeit etwas ausführlicher mit
der Existenzphilosophie Sartres auseinander. Im Zuge erster
Erkundigungen über diese Denkrichtung, die sich mit der Existenz des
Individuums beschäftigt, stellte sich mir die Frage, inwiefern Sartres
Existenzphilosophie auf eine virtuelle Welt, ein Phänomen, das erst im
Zeitalter moderner Computertechnologie auftauchte, übertragbar sei.
Ebendiese Thematik habe ich hier im Umfang einer Facharbeit
herausgearbeitet.
2 Philosophie Sartres
2.1 Übersicht der Existenzphilosophie nach Sartre
Sartres Existenzphilosophie geht davon aus, dass alles Existierende
über eine Essenz verfügt. Diese Essenz entspricht sozusagen dem
Bündel an Eigenschaften und Möglichkeiten, über die etwas
Existierendes verfügt und die die Existenz definieren. Das heißt, sie
bilden quasi eine „Gebrauchsanweisung“ für diese Existenz.
Ein Beispiel dafür ist der Tischler, der, bevor der Tisch tatsächlich
existiert, ihn bereits als Gedankenmodell mit allen Eigenschaften, die
zu einem Tisch gehören, antizipiert. Hieraus schließt Sartre, dass im
Allgemeinen die Essenz der Existenz vorausgeht.
Dieses Modell überträgt Sartre auf den Menschen selber, wobei er
einen Unterschied herausstellt: wenn es keinen Gott gibt, wovon der
atheistische Existenzialismus ausgeht, existiert der Mensch zunächst
gleich einem Zufallsprodukt und bildet erst dann seine Essenz.
Sartre ist heutzutage weit bekannt für die aus diesem Ansatz
resultierende Schlussfolgerung, dass beim Menschen die Existenz der
Essenz vorausgeht.
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Dies also bedeutet, dass der Mensch zunächst, wie in etwas
hineingeworfen existiert und erst danach beginnt, sich selbst als
Menschen wahrzunehmen und zu definieren. Er ist gezwungen sich
andauernd und immer wieder selbst zu entwerfen und zu betrachten.
Sartre betrachtet den Menschen als subjektives Wesen, welches
demnach gar nicht im Stande ist, sich nicht zu entwerfen. Aufgrund
dieser Annahme erklärt Sartre, dass der Mensch ein vollkommen
freies Wesen ist, welches die absolute Verantwortung für seine
Existenz trägt.
Diesem radikalisierten Freiheitsgedanken folgend ist selbst ein
Mensch, der im Gefängnis sitzt und so in seiner Freiheit beschränkt
scheint, frei, da er sich jederzeit gegen den Zustand wehren kann,
gleich ob dies zum Erfolg führt oder nicht. Die einzige Einschränkung
in der Freiheit, kann sich nach Sartre nur die Freiheit selber geben,
da der Mensch ihr als einziges nicht entkommen kann.
Aus diesem Gedanken der Freiheit bildet sich zugleich auch die Frage
nach einer Moral heraus. Der Existenzialismus selber bietet keine
Anleitung dafür, was gut und was schlecht ist, er überlässt den
Menschen seiner Freiheit und damit einhergehend der Verantwortung
für all sein Tun.
Sartre bezeichnet den Menschen in dem Sinne als „ Verlassen“. Damit
ist gemeint, dass der Mensch, der zunächst einfach nur existiert ohne
Gott und ohne eindeutig definierte menschliche Natur, nichts hat,
worauf er sich berufen kann. Es gibt nach Sartre keine Werte und
keine Moral, die allgemein gültig sind, da diese vom Menschen nur
subjektiv gedeutet werden können. Es ist also davon auszugehen,
dass der Mensch die Zeichen, die man als Handlungsgrund zu Rate
ziehen könnte, so interpretiert wie es ihm gefällt.
Erneut lässt sich hier nun die Verantwortlichkeit des Menschen
aufzeigen, der seine Werte und seine Moral selber wählt und in jedem
Moment für seine Entscheidung einstehen muss.
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Sartre erhielt viel Kritik für seine teilweise radikalen Vorstellungen.
Seine Theorie wurde als eine vollkommen hoffnungslose bezeichnet,
die den Menschen in seinem Handeln lähmt und nichts mehr erlaubt
zu tun, weil es keine Richtigkeit und Wahrheit mehr gibt. In seinem
Essay „Ist der Existenzialismus ein Humanismus?“ (L’Existentialisme
est un humanisme) verteidigt Sartre den Existenzialismus gegenüber
Vorwürfen dieser Art. Er erläutert, dass nach der existenzialistischen
Theorie der Mensch nur in seiner Art zu leben gemessen werden kann
und nur so ist, wie er handelt. Der Mensch definiert sich in seinen
Taten: „Der Mensch ist nichts anderes als sein Entwurf, er existiert
nur in dem Maße, in welchem er sich verwirklicht, er ist also nichts
anderes als die Gesamtheit seiner Handlungen, nichts anderes als
sein Leben.“1
2.2 Die Bedeutung der Gesellschaft für die eigene
Existenz
Jean Paul Sartre geht, wie bereits erwähnt, von der Subjektivität
eines Individuums aus. Dabei bezieht er sich auf das von Descartes
beschriebene „Cogito ergo sum“: „Ich denke, also bin Ich“. Der
Prozess der Selbsterkennung der eigenen Psyche ist in Sartres Augen
eine vollkommene Wahrheit, in der der Beweis für die Subjektivität
des Menschen liegt. Alle anderen Ansätze, die den Menschen, objektiv
definieren wollen, übersehen dabei besagten Moment der
Selbsterkennung. Sie erfinden dementsprechend etwas, was
außerhalb des menschlichen Bewusstseins liegen soll, wofür aber kein
Beweis zu finden ist. Solche Ansätze können zwar wahrscheinlich
sein, beinhalten aber eben keine absolute Wahrheit.
Sartre geht allerdings über das Erkenntnis Moment so wie es
Descartes beschrieben hat hinaus, indem er darin auch die
Begründung für die Existenz des Anderen sieht: „Unter diesen
1
Jean Paul Sartre, Ist der Existenzialismus ein Humanismus? (1947): 38, Z.17-22
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Bedingungen enthüllt die Entdeckung meines Innersten mir
gleichzeitig den andern, als eine mir gegenübergestellte Freiheit,
[…]“2.
Hier stellt sich eine Besonderheit des Existenzialismus dar, der
nämlich das Gegenüber nicht als Gegenstand begreift, der über
bestimmte Eigenschaften, über eine bestimmte allgemeingültige
Essenz verfügt, sondern als erschaffendes Subjekt.
Das Individuum muss durch den Selbsterkennungsprozess, auch den
Anderen erkennen. Ebenso stellt sich die Existenz des Anderen als
Bedingung für die eigene Existenz dar. Dies erklärt Sartre so, dass
das Individuum, um sich selbst definieren zu können, Eigenschaften
braucht, die es sich ohne den Anderen nicht selbst geben kann. Es
kann sich z.B. nicht als klug wahrnehmen, wenn es sich nicht Andere
gibt, die ihn als klug anerkennen können. Wenn der Mensch keine
Eigenschaften tragen kann, dann kann er sich nicht erschaffen. Wenn
der Mensch sich nicht erschaffen kann, dann kann er nach Sartres
Philosophie auch nicht existieren. Deshalb ist der Andere für die
eigene Existenz eine notwendige Vorraussetzung. Nach dieser
Überlegung ist es zwar noch immer nicht möglich, eine objektive
Natur des Menschen festzulegen, aber es gibt in der Existenz eine
Tatsache, die alle einzelnen subjektiven Individuen anerkennen
können. Diesen Bereich der Wahrnehmung nennt Sartre die
„Zwischen Ichheit“ oder auch Intersubjektivität.
Die „Zwischen Ichheit“ beschreibt eine Art allgemeine Auflage, der
alle Menschen unterliegen (eben dieses „Ich denke, also bin ich“) und
von der alle Menschen betroffen sind. Sie kann sich aber nicht
objektiv darstellen, da sie durch den Menschen nur subjektiv
erfahrbar ist. Jeder individuell auf dieser Basis aufgestellte Gedanke
verfügt also auch über etwas allgemein Anerkennbares, wodurch die
Menschen sich verstehen können, so verschieden ihre Ansätze auch
2
Jean Paul Sartre, Ist der Existenzialismus ein Humanismus? (1947): 47, Z.8-11
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sein mögen und so sehr sie ihren Ursprung im Cogito verneinen oder
bejahen mögen. Der Mensch ist also in der Lage, sofern er über Mittel
der Kommunikation verfügt, den Selbstentwurf eines Anderen – so
sehr er sich auch vom eigenen unterscheiden mag - zu erkennen und
zu verstehen.
3 Second Life
3.1 Eine neue Welt…
Das „Second Life“ ist eine virtuelle Welt, die 1999 von dem Physiker
Philip Rosedale entwickelt wurde. Inspiriert durch eine Zukunftsfiktion
des Romans „Snow Crash“(1993), in dem die Hauptfigur in ein
virtuelles „Metaversum“ eintaucht, erschuf er das „Second Life“, in
dem der Nutzer vollkommen frei seine eigene Welt erschaffen kann.
Zunächst programmierte der Physiker mit seinem Team einen freien
Raum, in dessen Gestaltung alles möglich war. Da das Ziel allerdings
die Erschaffung eines sozialen „Metaversums“ sein sollte, musste es
auch im „Second Life“ bestimmte Naturgesetze geben, die sich an der
realen Welt orientierten. So gibt es im Second Life eine durch den
Horizont begrenzte Erde und einen darüber liegenden leeren
Luftraum. Zudem erstellten die Erschaffer des Second Life eine
Schwerkraft, die es ermöglicht, sich auf der Erdoberfläche zu
bewegen. Ein Hauptteil der Entwicklung des „Second Life“ bestand
allerdings nicht in der Animation einer Welt, sondern in der
Programmierung eines Werkzeuges, mit dem der Nutzer die Welt
selbst gestalten kann. „Second Life“ verfügt also über ein Werkzeug,
mit dem man 3D-Objekte erzeugen kann.
Dazu wird der Grundstoff „Prim“ (abgeleitet von dem engl. Primitive)
verwendet, den man in vorgefertigten geometrischen Elementen
(Kreis, Quader, Kugel, Scheibe etc.) miteinander kombinieren,
verbiegen und verformen kann, bis ein neues Objekt entsteht. Dieser
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Rohstoff kann mit vom Nutzer hochgeladenen Grafiken überzogen
werden. Auf diese Weise kann man einen lang gezogenen Quader mit
der Textur einer Ziegelsteinmauer versehen und so ein Gebäude
authentischer erscheinen lassen. Überdies ist es möglich, Videos auf
der Oberfläche eines „Prims“ laufen zu lassen oder eine Tondatei in
ihm zu platzieren.
Aus demselben Rohstoff bestehen auch die steuerbaren Avatare
(Figuren, die die zweite Welt bevölkern). Das Wort Avatar leitet sich
aus dem Alt-Indischen ab und bedeutet „der Abstieg“, womit der
Abstieg von Gottheiten auf die Erde gemeint ist. Tatsächlich fand im
„Second Life“, welches in seiner Urform völlig unbelebt war, dann ein
Abstieg der ersten belebten, von außen gesteuerten Objekte statt.
Somit hat die Welt, die im Gegensatz zur realen in ihrer Existenz
vollkommen abhängig ist vom Menschen, seine Grundform erhalten.
In den Testphasen gesellten sich immer mehr Nutzer hinzu, die nun
Avatare in Form von Menschen steuerten und begannen, die
Landschaft zu gestalten. Sie bauten Häuser, Straßen, Bäume, Berge,
entwickelten Kleidungsstücke und Accessoires. Ab dem Jahre 2003
schloss das „Second Life“ seine Testphase ab und war ab nun für alle
Interessierten über das Internet zugänglich.
Auf diese Weise bekam das „Second Life“ immer mehr Zuwachs an
Nutzern, die es mit ihren kreativen Ideen weiterentwickelten. Im Jahr
2007 maß die virtuelle Landschaft von „Second Life“ bereits 650
Quadrat Kilometer, was in etwa der doppelten Größe von Malta
entspricht. Die Einwohnerzahl von Second Life beläuft sich zurzeit auf
circa 21 Millionen, wovon etwa 60.000 Avatare gleichzeitig 24
Stunden lang im „Second Life“ umherstreunen.
Diese Fülle an Kulturgut macht einen großen Teil des Reizes von
„Second Life“ aus. Der Nutzer hat die Möglichkeit, sich in einen
Menschen mit dem Aussehen und Geschlecht seiner Wahl, oder in ein
pelziges Phantasiewesen (Flurry) zu verwandeln. Außerdem ist es ihm
möglich, die Landschaft zu überfliegen, oder sich an bestimmte Orte
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zu teleportieren. Die Selbstgestaltungsmöglichkeiten scheinen für den
im Alltag verankerten Menschen beinahe unbegrenzt. Hier kann sich
jeder „Schwächling“ zum muskelbepackten „Superman“ machen, man
macht sich zum Riesen oder Zwerg, zum sonnengebräunten Macho
oder zur verträumten blassen Fee. Der Nutzer genießt die Freiheit,
sich nach seinen Wünschen, Launen und Bedürfnissen umzugestalten
und das in jeder Sekunde des Spielens. Will er jemanden
beeindrucken, so lässt er sich selbst vielleicht extravagant und
mysteriös auftreten, ist er scherzhaft aufgelegt, so kann er als
übergewichtiger Clown seinen Tag verbringen.
3.2 …und ihre Gesellschaft
Zusätzlich zu der Möglichkeit, eine Welt zu gestalten und sich durch
diese zu bewegen hat, Second Life noch eine weitere Hauptfunktion:
die Kommunikation mit anderen Avataren. Man hat im „Second Life“
die Möglichkeit, Texte in einen öffentlichen Chat einzugeben, privat
mit Leuten zu „chatten“ oder per Head-Set mit den anderen Nutzern
zu reden. Zwei Klicks auf einen Avatar verraten bereits einige
Angaben zu dem Charakter wie zum Beispiel das Jahr, in dem dieser
angefangen hat, „Second Life“ zu nutzen. Bei vielen gibt es zusätzlich
freiwillige Angaben über ihr Privatleben. Mit der Zeit hat sich passend
zu dem Namen der Onlineanwendung tatsächlich eine zweite
Gesellschaft ausgebildet, die allerdings gar nicht so anders erscheint
als die reale.
Es gibt im „Second Life“ private Zusammenschlüsse in Form von
Gruppen, die ein gemeinsames Interesse verfolgen wie beispielsweise
Modellschiffbau. Regelmäßig veranstalten diese Gruppen Treffen und
unterhalten sich über ihre Erfahrungen innerhalb und außerhalb des
„Second Life“. Mit der Vielzahl an Menschen die sich im „Second Life“
bewegen, erwächst eben auch eine große kulturelle Breite: man trifft
sich in Kunstgalerien, schaut echte Filme im virtuellen Kino an und
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tanzt auf einer virtuellen Party zu der Musik, die eine echte Band
gerade live spielt.
Doch die Gesellschaft im „Second Life“ trägt inzwischen ein Gesicht,
das dem der realen Gesellschaft sehr ähnelt; lediglich durchmischt
von einigen absurden Neuheiten wie fliegende Pelzwesen. Es hat sich
mit der neuen Freiheit schnell ein vom Kapitalismus getragenes
Wirtschaftssystem aufgebaut. Die Gründerfirma „Linden Labs“ hat es
möglich gemacht, indem sie eine virtuelle Währung einführte (den
Linden Dollar), der im Wechselkurs zum echten Dollar steht (1 Dollar
entspricht etwa 270 Linden Dollar). Als logische Konsequenz aus
einer an echtes Geld gebundenen „Spielwährung“ ergibt sich natürlich
der ständige Wettkampf um finanziellen Erfolg.
Viele versuchen sich darin, virtuelle Kleidungsstücke zu entwerfen
oder einen neuen Trend zu setzen. Dieses Potential erkannten
Großunternehmer wie IBM, Mercedes und Adidas schnell und
begannen, in die virtuelle Welt zu investieren. Sie kauften sich
virtuelles Land, um dort ihr Unternehmen vor einem großen Publikum
zu repräsentieren.
Unabhängig davon,, wie viele neue Möglichkeiten und bereits aus der
realen Welt bekannte Erlebnisse es geben mag, der Mittelpunkt der
Anwendung ist die Kommunikation mit anderen Menschen und die
Selbstgestaltung: „Wenn jemand in ‚Second Life’ Spaß haben möchte,
herumreisen will, lieben oder einen Kampf ausfechten möchte, wenn
er eine Beziehung führen oder Freunde finden will, ist das möglich.
Aber nur, wenn er mit anderen Menschen und ihren Avataren in
Kontakt tritt.“3.
Mit den Möglichkeiten der Kommunikation im „Second Life“, lässt sich
vieles erreichen. Es gibt sogar wahrhaftige Berühmtheiten, im
„Second Life“, die fast jeder Nutzer kennt. Es ist also möglich, dort zu
finanziellem Reichtum und sozialer Popularität zu gelangen.
3
Sven Stillich, Second Life – wie virtuelle Welten unser Leben verändern (2007):
40 Z.23-25
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4 Vergleich: Existenzialismus nach Sartre –
Existenz in einer virtuellen Welt
4.1 Klärung der Situation
Um zu überprüfen, ob die virtuelle Gesellschaft innerhalb der
virtuellen Welt von „Second Life“ dieselbe Bedeutung für die Existenz
des Avatars hat, wie Sartre sie für die Existenz eines Individuums
anlegte, ist zunächst eine Fallunterscheidung notwendig. Es gilt
hierbei zu differenzieren zwischen Nutzer und Avatar, da der Avatar
eine vom Nutzer gesteuerte Rollenfigur ist. Dabei stellt sich die
Frage: Kann sich der Spieler von seinem Avatar differenzieren und
ihn unabhängig von sich selbst gestalten?
Es erscheint zunächst so, als sei der Avatar eine vom Nutzer
unabhängige Figur, die der Nutzer von hinten oben betrachtet, sodass
er ihr über die Schulter schauen kann. Doch ist zu bedenken, dass
der Spieler diese völlig frei gestaltet und nach seinen Vorstellungen
eine fiktive Person erstellt. Diese muss zunächst nicht kongruent zu
der wirklichen Erscheinungsform sein oder der Selbstwahrnehmung
der Person entsprechen. Dennoch, ist es das Individuum, das die
Figur sowohl ständig zu neuen Taten anregt, als sie auch frei nach
Belieben gestaltet. Demnach hängt die Figur immer von den
Vorstellungen des Individuums ab. Ergo kann die Person ihren Avatar
auch nicht unabhängig von sich selbst gestalten.
Das Problem, sich von dem Avatar zu differenzieren, scheint ähnlich
unlösbar. Man handelt selbst - allerdings durch ein anderes Medium.
Es gibt nur zwei Optionen: entweder man stellt den Kontakt zur
virtuellen Welt gar nicht erst her, oder man sieht sich unmittelbar als
Akteur in einem völlig neuen Umfeld. Sven Stillich beschreibt in
seinem Roman „Second Life – Wie virtuelle Welten unser Leben
verändern“, das Phänomen, ständig von seinem Avatar in der ersten
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Person zu sprechen (vgl. Sven Stillich, Second Life, S. 19, Z.17-19).
Er stellt fest, dass es man selbst ist, der in der virtuellen Welt agiert:
„[…], dass man zu seiner Figur ‚ich’ sagt, dass man niemals auf die
Idee kommen würde, zu formulieren, ‚dass meine Spielfigur gestern
mit einem fliegenden Teppich geflogen ist’. Denn das war ich. Und
das ist das Geheimnis des Virtuellen: Es fühlt sich an wie die eigene,
echte Welt.“4
Somit ist der Avatar vergleichbar mit einer Art besonderem
Kleidungsstück, einem Abendkleid, mit dem die Person ausgeht: in
die „abgefahrene Location“ von „Second Life“.
4.2 Wie wichtig sind Andere für die Existenz in
Second Life?
Schnell lässt sich begreifen, dass es für die eigene Existenz im
„Second Life“ notwendig ist, dass es noch andere Avatare gibt. Der
Sinn von „Second Life“ ist sozusagen, sich eine zweite vom Alltag
losgelöste Existenz zu schaffen. Wenn wir nun ein Szenario
durchspielen, in dem das „Second Life“ eine unbevölkerte Welt ist,
könnte man dort zwar sein und sich währenddessen auch definieren,
doch nicht über die bereits erfolgte Selbstdefinition hinaus, die man
nach Sartre auf Basis der Umwelt erschafft. Man ist also nicht
imstande, in dieser Welt „neue Eigenschaften“ zu gewinnen und kann
innerhalb dieser Welt auch nicht existieren, da man nicht als
existierend von anderen Menschen wahrgenommen werden kann.
Falls man also das „Second Life“ nutzen würde wie ein herkömmliches
Computerspiel, in dem es keine echten denkenden Komponenten
gibt, würde man getrennt von seiner Rollenfigur außerhalb des Spiels
etwa auf dem Bürostuhl eine Existenz besitzen, nicht aber innerhalb
der Spielwelt. Der Avatar entspräche auf diese Weise einer Existenz,
4
Sven Stillich, Second Life – wie virtuelle Welten unser Leben verändern (2007):
20, Z.11-16
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die das Individuum erschaffen hat, in etwa wie im Beispiel des
Tisches, dessen Essenz der eigentlichen Existenz (dem vom Tischler
hergestellten Produkt) vorausging. Selbstverständlich, ist das
Schaffen einer Existenz, wie der des Tisches oder des Avatars auch
eine Handlung des Individuums und somit auch Teil seiner
Selbstkonzipierung, nicht aber ein für sich handelndes Individuum.
Stellt das bevölkerte „Second Life“ nun, was die Existenz betrifft
einen Unterschied zu der unbelebten Version dar? Würde man also,
wenn man von anderen Menschen als in dieser Welt existierend
wahrgenommen wird, auch wirklich dort existieren? Schließlich ist es
so, dass man auf diese Weise im „Second Life“ Eigenschaften besitzen
und sich auch als Eigenschaften tragendes Individuum erkennen
kann. Die Behauptung, man führe dort eine erweiterte Existenz, also
kann zugleich innerhalb und außerhalb des „Second Life“ existieren,
da man dort als existierend wahrgenommen wird, erweist sich jedoch
schnell als Fehlschluss.
Hierzu ist es wichtig noch einmal auf Sartres Begriff der Subjektivität
zurückzukommen. Dieser beinhaltet nämlich sowohl die These, dass
der Mensch seine Existenz nur subjektiv erfassen kann, als auch,
dass der einzige „Ort“ seiner Existenz der sich als denkendes Wesen
wahrnehmende Teil seines Körpers sein kann. Das bedeutet, dass der
Körper eines Menschen nicht gleichbedeutend mit seiner Existenz ist.
Er kann ihn, abgesehen von einigen biologischen Einschränkungen,
mehr oder weniger verändern. Beispielsweise ist er dazu in der Lage
sich ein Bein amputieren zu lassen, ohne etwas seiner tatsächlichen
Existenz eingebüßt zu haben, was ja an sich schon keinen Sinn
ergibt.
Existenz lässt sich nicht in Einheiten unterteilen und erlaubt auf diese
Weise auch keine Zwischenzustände. Selbst wenn nun jemand im
„Second Life“ präsent ist und von seinen Mitmenschen als existierend
wahrgenommen wird, ist der Ort seiner Existenz (der Versuch diesen
geographisch zu erfassen ist ohnehin zum Scheitern verurteilt) nur
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und ausschließlich im denkenden Teil, im Subjekt selber verankert. Es
bedeutet, dass das Bewusstsein, welches sich mit dem „Cogito ergo
sum“ erfasst, die einzige Wahrheit innerhalb der Existenz ist und nur
sich selbst zuordnet. Man kann nicht behaupten, man existiere in
einem Raum, in einem Körper oder einem Gehirn. Mit seinem Avatar
hat man sich also zu seinem Körper ein weiteres Werkzeug zugelegt,
um Handlungen auszuführen, denn auch der Körper ist nichts weiter,
als ein Werkzeug der Psyche. Für das Bewusstsein haben der Körper
und der Avatar die vollkommen gleiche Bedeutung, mit dem
Unterschied, dass der Körper durch fünf Sinne und der Avatar nur
über Sehen und Hören wahrnehmbar ist.
Der Biologe mag nun empört äußern, dass der Mensch mindestens
seinen Körper zum Existieren braucht, denn ohne ihn wäre er tot.
Doch auch das ist innerhalb der Wahrheit des Denkens, die sich das
Bewusstsein in sich gibt, auch nur eine Wahrscheinlichkeit, die sich
außerhalb des tatsächlichen subjektiven Existierens formuliert. In
dem Fall des „Second Life“ macht sich der Mensch seinen Avatar zum
eigenen Organ, zum Bestandteil seines Handelns und seiner
Selbstkonzeption, so wie er sich beliebige andere Dinge zum
Hilfsmittel in seinen Handlungen machen kann. Genau an dieser
Stelle findet sich eine Bestätigung für Sartres Theorie der absoluten
Freiheit des Subjekts, welches in jedem Moment frei ist, zu wählen,
was er ist, was er tut, was ihm ein Hindernis und was ein Hilfsmittel
bedeutet.
4.3 Die Freiheit innerhalb der neuen Welt
Kritiker mögen die Frage stellen, wie es sich nun mit den neuen
Möglichkeiten und Freiheiten in „Second life“ verhält. Dazu ist zu
sagen, dass bei der Freiheit des Individuums wie Sartre sie sieht, kein
Unterschied zwischen realer und virtueller Welt besteht. In der
virtuellen Welt hat man zwar andersartige Möglichkeiten, jedoch
keine neue Freiheit. Schließlich besteht diese darin, sich selbst
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entwerfen zu können und in jeder Situation, gleich welche
physikalischen Grenzen sich der Handlung stellen mögen, letztere frei
auszuwählen. Sartres Ansicht ist, dass der Mensch selber darüber
entscheidet, was er sich zum Hindernis macht und was er sich zur
Hilfe nimmt in seiner Aktion (vgl. Zugänge zur Philosophie 1, JeanPaul Sartre; aus „Das Sein und das Nichts“, S.196 Z.35-40). Ob sich
die neue Physik im „Second Life“ nun als nützlich oder hinderlich
erweist, hängt ganz von dem individuellen Zweck einer Handlung ab,
genau wie es das in der Realität tut.
4.4 Kann „Second Life“, so, wie es Sartre beurteilen
würde, den lebenden Mitmenschen ersetzen?
Wir sind nun bereits zu dem Schluss gelangt, dass des „Second Life“
für das Individuum zur normalen Umwelt keinen Unterschied
darstellt. Das mag natürlich die Frage aufwerfen, ob das „Second
Life“ theoretisch den „echten“ Mitmenschen ersetzen könnte.
Gesetzt den Fall, es wäre in Zukunft möglich, den Computer mittels
Gehirnströmen zu bedienen, so könnten in einer Zukunftsvision
Menschen, die in ihren körperlichen Fähigkeiten absolut
eingeschränkt sind, sich dennoch frei durch das „Second Life“
bewegen. Grundbedürfnisse, wie die Nahrungsaufnahme, könnte man
über Infusionen befriedigen.
Nun würde der Mensch im „Second Life“ einen Moment erleben, in
dem er seinen Avatar als sich selbst erfährt, in dem es ihm möglich
ist, durch ihn zu handeln und sich durch ihn darzustellen. Er würde
einfach existieren, ohne die objektiv festgelegte Natur eines
Menschen. Er wäre in der Lage, sich selbst eine Definition zu geben,
die außerhalb des Mensch-seins, wie es im Volksmund definiert ist,
liegt und dennoch auf dem Moment der Selbsterkennung (Ich denke,
also bin ich) beruht.
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Hier lässt sich Sartres Begriff der Freiheit verdeutlichen, denn der
Mensch wäre tatsächlich dazu in der Lage, sich nur als Avatar zu
definieren. Abgesehen von einigen biologischen Schwierigkeiten wäre
es also möglich, sich ausschließlich innerhalb einer virtuellen Welt
wahrzunehmen und zu begreifen und dort seine Existenz zu fristen.
Das Individuum würde sich also darstellen als das Gesamte all seiner
Handlungen im „Second Life“.
Der sich daraus ergebende Schluss muss also lauten: Das „Second
Life“ kann den tatsächlichen Kontakt zum Mitmenschen ersetzen. Es
bietet alle zur eigenen Existenz und Essenzbildung notwendigen
Vorraussetzungen. Der Mitmensch selber ist allerdings, wie aus der
Klärung der Situation hervorgeht (vgl 4.1), unabdingbar für die
eigene Existenz, gleich ob er nun durch einen Körper oder Avatar
vertreten wird. Dies zeigt sich auch in dem Schluss aus 4.2, der
besagt, dass sowohl der Körper als auch der Avatar für das
Individuum lediglich das „Werkzeug“ seiner Existenz darstellen.
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5 Literaturverzeichnis
5.1 Primärliteratur
Zitierte Primärliteratur:
Sartre, Jean-Paul, Ist der Existenzialismus ein Humanismus?, Europa
Verlag AG., Zürich, Schweiz, 1947
Sartre, Jean-Paul, Auszüge aus: Das Sein und das Nichts, Zugänge
zur Philosophie 1, Cornelsen Verlag, Berlin, Deutschland, 2008
5.2 Sekundärliteratur
Zitierte Sekundärliteratur
Stillich, Sven, Second Life – Wie virtuelle Welten unser Leben
verändern, Ullstein Taschenbuch, Berlin, Deutschland, 2007
Nicht Zitierte Sekundärliteratur:
Zugänge zur Philosophie 1, Cornelsen Verlag, Berlin, Deutschland,
2008
5.3 Internetadressen
http://de.wikipedia.org/wiki/Existentialismus
http://de.wikipedia.org/wiki/Jean_Paul_Sartre
http://secondlife.com/?lang=de-DE
http://de.wikipedia.org/wiki/Second_Life
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6 Erklärung
Ich erkläre hiermit, dass ich die Facharbeit ohne fremde Hilfe
angefertigt und nur die im Literaturverzeichnis angeführten Quellen
und Hilfsmittel benützt habe.
Köln, den 9. März 2011
Facharbeit GK 12 2011 Philosophie
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Gutachten
xxx,
Sie haben in Ihrem GK Philosophie eine Facharbeit mit dem Titel „Bedeutung der Mitmenschen
für die eigene Existenz in der Existenzphilosophie Sartres und der virtuellen Welt von Second
Life“ angefertigt und sich dabei intensiv mit einem philosophischen Ansatz und einem
Computerspiel beschäftigt.
Ihre im Inhaltsverzeichnis sich spiegelnde Themenstrukturierung ist klar und sinnvoll. Der
logische Zusammenhang zwischen den beiden Themen und ihren Teilthemen wird durch
entsprechende Nummerierung verdeutlicht (Kapitel 2 und 3), Kapitel 4 beinhaltet den
Vergleich. Literaturverzeichnis und Erklärung sollten außerhalb der numerischen Gliederung
stehen.
In der Einleitung berichten Sie in knappster Form von Ihrem Motiven und dem Ziel, das Sie mit
Ihrer Arbeit erreichen wollen.
Das erste Kapitel im Hauptteil zeigt, dass Sie sich eine sehr gute Übersicht über die Sartre’sche
Philosophie verschafft haben und in der Lage sind, komplexe Gedanken klar strukturiert
darzustellen. Für einen Philosophen ist das schon die halbe Miete. Descartes ins Spiel zu
bringen war vielleicht nicht unbedingt nötig, mir scheint auch, dass Sie ihm nicht ganz gerecht
werden. Reines Vergnügen war für mich das Kapitel über die virtuelle Welt des Second Life,
vorher gänzlich ahnungslos kann ich jetzt ohne Weiteres mitreden. Danke dafür! Große
Eigenständigkeit zeigt sich im vergleichenden Kapitel. Sehr klar sind die Ausführungen zur
Fallunterscheidung und insbesondere zur Freiheit in der virtuellen Welt. Hier wird noch einmal
Ihr gutes Verständnis Sartres deutlich. Das Gedankenexperiment im Schlusskapitel bietet
spannende Ansätze. Ich fände toll, wenn Sie das an der Uni ausdifferenzieren und vertiefen
würden.
Ein eigenständiges Fazit gibt es nicht, der Schlussabschnitt in 4.4 bündelt aber Ihre Ergebnisse
und belegt einmal mehr Ihren guten Überblick.
Die sprachliche Darstellung der Arbeitsergebnisse ist einer Facharbeit völlig angemessen. Ihre
Ausdrucksfähigkeit ist beeindruckend, lediglich eine etwas unkonventionelle Zeichensetzung
fällt auf. Das Zitieren klappt einigermaßen, ein Zeilennachweis wäre nicht nötig gewesen.
Entscheiden Sie sich für eine Art zu zitieren, entweder im Fließtext oder in der Fußnote. Das
Literaturverzeichnis ist im Wesentlichen in Ordnung, an der Uni dürfen Sie aber nur Werke
aufführen, aus denen Sie zitiert haben. Zu den Internetadressen gehört das Datum, an dem Sie
sie abgerufen haben.
In diesem Schuljahr habe ich sieben Facharbeiten betreut, die unterschiedlich lang geworden
sind und im Durchschnitt 4056 Worte umfassen. Ihre Arbeit liegt mit 3978 Worten ganz nah an
diesem Durchschnittswert, zeigt aber dennoch überdurchschnittlichen Arbeitseinsatz, weil Sie
präzise sind und nicht weitschweifig um die Sache herumreden. Prima!
xxx
xxx
Facharbeit GK 12 2011 Philosophie
xxx
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