Kraniopharyngeom

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Kindernetzwerk e.V.
für Kinder, Jugendliche und (junge) Erwachsene mit
chronischen Krankheiten und Behinderungen
Krankheitsübersicht
Kraniopharyngeom
KINDERNETZWERK
AN ALLE BEZIEHER UND NUTZER DIESER KRANKHEITSÜBERSICHT
Mit den in dieser Krankheitsübersicht enthaltenen Informationen bietet das
Kindernetzwerk e.V. lediglich einen ersten Überblick über die Erkrankung, die
Behinderung oder das entsprechende Schlagwort.
Alle Informationen werden nach bestem Wissen – mit tatkräftiger Unterstützung
unseres pädiatrischen Beraterkreises und wissenschaftlichen Fachbeirats – aus
diversen Quellen ( Fachbücher, Fachartikel, Kindernetzwerk-Archiv sowie aus dem
Internet ) zusammengestellt.
Bei der Krankheitsübersicht wird darauf geachtet, dass die Informationen verständlich
und gut leserlich geschrieben sind. Wir möchten Eltern, Betroffenen und
Nichtmedizinern dadurch ermöglichen, insbesondere auch seltene Erkrankungen
besser zu verstehen.
Wir streben einen möglichst hohen Grad an Aktualität an, können aber wegen des
rapiden medizinischen Fortschrittes nicht in jedem Fall garantieren, stets den
allerneusten Stand des Wissens komplett abzubilden. Gerade deshalb empfehlen wir,
sich immer an einer der zuständigen Selbsthilfegruppen zu wenden (siehe beiligende
Adressen) um dort weiteres aktuelles Material anzufordern und individuelle Beratung
einzuholen!
Die Krankheitsübersicht ist nur für Ihren persönlichen Gebrauch bestimmt. Eine
Weitergabe an Dritte ist aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet. Die
Unterlagen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Inhalte der beigefügten
Materialien stellen keine Bewertung von Seiten des Kindernetzwerks dar, sondern
dienen der übersichtlichen Zusammenfassung vorhandener Informationsmaterialien
in kompakter Form.
Bei einem Teil der Krankheitsbildern liegen beim Kindernetzwerk noch umfassendere
Informationen (Infopakete) vor. Näheres erfahren sie über die Geschäftsstelle.
Aufgrund der Seltenheit vieler Erkrankungen ist es nicht möglich, bei allen
Krankheitsübersichten ein Fallbeispiel darzustellen. Falls Sie uns dabei unterstützen
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Kraniopharyngeom
Zusammengestellt für das Kindernetzwerk von:
Prof. Dr. Ulrich Wemmer, Darmstadt
03/2011
Kurzbeschreibung
Beim Kraniopharyngeom* handelt es sich um einen angeborenen gutartigen Tumor
innerhalb des Schädels oberhalb oder in der Sella turcica (Türkensattel). In der Sella turcica
befindet sich die Hypophyse (Hirnanhangs- Drüse), die eine Reihe von lebenswichtigen
Steuerungs-Hormonen abgibt.
Der Tumor wird innerhalb der ersten fünf Lebensjahre allmählich größer und die
zunehmende Raumforderung hat schwerwiegende Folgen für das Gehirn mit neurologischen
Ausfällen und Störungen der Hormonproduktion.
•
Durch den gesteigerten intrakraniellen Druck kommt es zu ständigen Kopfschmerzen.
•
Der beiderseits des Türkensattels verlaufende Sehnerv wird komprimiert und das
periphere Gesichtsfeld eingeschränkt.
•
Die Schädigung der Hypophyse führt zu Mangel an Wachstumshormon mit
Kleinwuchs, Mangel an diuretischem Hormon mit einem Diabetes insipidus
(Unkontrollierbare Wasserausscheidung).
•
In diesem Bereich sind auch die Sättigungs- und Hungerzentren lokalisiert, deren
gestörte Funktion zu einer übermäßigen Nahrungsaufnahme (Polyphagie) führt.
Nach genauer Diagnostik von Lokalisation und Ausdehnung des Tumors ist, wenn möglich
eine vollständige operative Entfernung anzustreben. Die Funktion der dann fehlenden
Hypophyse lässt sich durch Hormongaben ausgleichen.
* Der Begriff Kraniopharyngeom leitet sich ab von cranium lat. Schädel und pharyngx griech.
Rachen, Schlund. Die Nachsilbe -om weist auf einen Tumor hin
Symptome
•
Obwohl der Tumor schon bei Neugeborenen bestehen kann, verursacht er anfangs keine
Symptome. Erst ab dem 5. Lebensjahr nimmt die Größe soweit zu, dass die Betroffenen
auffällig werden, das mittlere Alter bei Diagnosestellung liegt bei 8 Jahren und drei Monaten.
•
Leitsymptome sind Kopfschmerzen, Sehstörung, Wachstumsstörung und Polydypsie/
Polyurie, die differenzialdiagnostisch den Verdacht auf ein Kraniopharyngeom
nahelegen.
Hartnäckige Kopfschmerzen sowie Nüchternerbrechen treten bei über 60% der Patienten
auf, in 62-84 % bestehen Sehstörungen mit Gesichtsfeldeinschränkungen (Bitemporale
Hemianopsie) und atrophischer Sehnerv-Papille (Blinder Fleck) in 35-45%. Es können sich
auch Normalbefunde ergeben.
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•
Ausfälle des Hormonsystems:
Mangel an Wachstumshormon führt zu Minderwuchs in 75% der Fälle. Das verzögerte
Wachstum war bereits am Ende des ersten Lebensjahres als Frühsymptom nachweisbar.
Als Folge unzureichender Produktion von adiuretischem Hormon (ADH) entwickelt sich bei
17% der Patienten ein Diabetes insipidus neurohormonalis mit Polyurie und Polydipsie,
nächtlichem Durst und sekundärer Enuresis nocturna.
Mangel an Gonadotropinen(40% der Fälle) bewirkt eine unzureichende Bildung von
Testosteron
oder
Östrogenen
mit
ausbleibender
Reifung
der
sekundären
Geschlechtmerkmale(Hypogonadismus).
Mangel an ACTH führt zur Unterfunktion der Nebennierenrinde und unzureichender
Produktion von Kortikosteroiden. (25% der Fälle)
Bei Mangel an TSH(Thyreoidea Stimulierendes Hormon) besteht eine Unterfunktion der
Schilddrüse. (25%der Fälle)
•
Auf eine Beteiligung des Hypothalamus weist die Essstörung hin, die bei 40-50% der
Patienten zur Adipositas führt, diese gilt als Spätsymptom.
•
Die Beteiligung höherer Hirnareale
beeinträchtigungen verantwortlich.
•
Nach Radikaloperationen können emotionale Labilität, Wutattacken und abnorme sexuelle
Verhaltensweisen auftreten.
•
Obwohl eine Einschränkung des Gedächtnisses bestehen kann, ist
intellektuelle Leistung nicht vermindert.
ist
für
Vigilanz-
und
Konzentrations-
aber insgesamt die
Diagnostik
Die gründliche körperliche Untersuchung gehört zur Standard- Diagnostik, die
Körpermaße müssen mit den altersentsprechenden Perzentilen verglichen werden.
Die Computer-Tomographie(CT) kann die Lokalisation des Tumors darstellen, in etwa 20%
der Tumoren liegen sie oberhalb der Sella und zu 5% in der Sella selbst. Sie eignet sich zur
Beurteilung der Tumor- Ausdehnung und gestattet den Nachweis von Verkalkungen, die in
etwa 90% der Tumoren auftreten.
Durch eine Magnetresonanz- Tomographie(MRT) werden vor allem die zystischen
Veränderungen und auch solide Anteile sichtbar. Die Differenzierung ist von Bedeutung für
das geplante operative Entfernung des Tumors.
Wichtig ist die augenärztliche Untersuchung des Augenhintergrundes (Gesteigerter
Hirndruck führt zur Stauungspapille oder Atrophie des Sehnervs), geprüft wird auch das
periphere Sehvermögen, das beiderseits nach außen eingeschränkt ist.
Eine endokrinologische Abklärung ist ebenso notwendig, um einen Mangel an
Wachstumshormon, Gonadotropinen, ACTH, Adiuretin und TSH aufzudecken.
Ursachen
Der Tumor entwickelt sich als embryonale Fehlbildung aus der Rathkeschen Tasche, das
ist eine Ausbuchtung an der Rachenhinterwand, aus der sich der Hypophysen- Vorderlappen
entwickelt. Es handelt sich um dysontogenetische Mittellinientumoren, die an sich gutartig
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sind, aber bei Größenzunahme eine Schädigung der Hypophyse und Verdrängung des
umliegenden Hirngewebes verursachen.
Häufigkeiten
Das Kraniopharyngeom bildet 1,2-4% aller Gehirntumoren im Kindesalter mit einer
Inzidenz von 0,5-2 Fälle pro eine Million pro Jahr, Jungen und Mädchen sind gleich häufig
betroffen.
30-50% der Tumoren werden im Kindes- und Jugendalter manifest, der erste Altersgipfel
liegt zwischen dem 5.und 10. Lebensjahr. Ein zweiter Altersgipfel besteht zwischen dem 50.
und 70. Lebensjahr.
Differenzial-Diagnose
Das Kraniopharyngeom repräsentiert 1,2 bis 4 Prozent aller anderen Hirntumore im
Kindesalter.
Standard- Therapie
Um Behandlung und Nachsorge von Kindern und Jugendlichen mit Kraniopharyngeom nach
wissenschaftlichen Konzepten einheitlich zu gewährleisten, wurde 1996- 2000 zunächst eine
Querschnittsstudie mit 306 Patienten durchgeführt. Zwischen 2001 und 2006 erfolgte die
Studie Kraniopharyngeom 2000 mit 125 Patienten, seit 2007 läuft die Studie
Kraniopharyngeom 2007, in die bisher 79 Patienten aufgenommen wurden.
(Studienzentrale Kraniopharyngeom 2000/2007)
Zunächst ist eine operative Radikal-Resektion anzustreben, lässt sich der häufig bestehende
Hydrozephalus internus damit nicht beseitigen, sind liquorableitende Operationen
erforderlich.
Bei großzystischem Kraniopharyngeom kann eine stereotaktische oder offene KatheterImplantation zur Druckentlastung eingesetzt werden.
Damit ist ein Aufschub strahlentherapeutischer Maßnahmen möglich.
Allerdings gilt eine Radikaloperation bei Säuglingen und Kleinkindern wegen der
Folgeerkrankungen und der hohen Rezidivrate als problematisch.
Wenn nur eine Teilresektion möglich ist, kommt es bei 71% der Patienten zu einer
Progression des Tumorrestes. Dann ist eine Strahlentherapie indiziert.
Die Bestrahlungstherapie erfordert eine sehr genaue Fokussierung und muss fraktioniert
werden.(Einzeldosis 1,8 Gy, 5/Woche, Gesamtdosis 50-54 Gy)
Wenn der Tumor gar nicht operativ erreichbar ist, steht nur die lokale Bestrahlung zur
Verfügung.
Nach Resektion und Zerstörung des Tumorgewebes ist eine lebenslange Einnahme von
Desmopressin und Hydrocortison notwendig.
Die Gabe von Melatonin kann den gestörten Schlaf- Wach- Rhythmus normalisieren und die
Tagesmüdigkeit beseitigen.
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Prognose:
Nach einer Radikaloperation bessert sich die Einschränkung der Sehfähigkeit in 66%, nach
Teilresektion in 46%.
Postoperativ muss in 85-95% mit Ausfall der Hypophysenfunktion gerechnet werden,
insbesondere kommt es zum Diabetes insipidus und zum Mangel an Wachstumshormon.
Weitere Folgen der Operation sind Adipositas sowie Störungen des Tag-Nacht- Rhythmus
mit Tagesmüdigkeit infolge einer Fehlsteuerung der Melatonin- Produktion.
Die Lebensqualität postoperativ steht in engem Zusammenhang mit der Erfahrung des
operierenden Neurochirurgen.
Bei nicht vollständiger Tumorresektion entwickelt sich bei 71% der Patienten ein
Tumorrezidiv, gelingt die vollständige Entfernung des Tumors, kommt es in 0-20% zu einem
Rezidiv. Die Überlebenswahrscheinlichkeit nach drei Jahren beträgt 93%, nach 5 Jahren
91% und nach 10 Jahren 87%.
In den letzten Jahren ist die Überlebensprognose gestiegen, da die diagnostischen,
therapeutischen und rehabilitativen Methoden verbessert werden konnten. Die
Überlebenswahrscheinlichkeit in den 80er Jahren betrug 91%, in den 90er Jahren ist sie auf
98% bestiegen.
Beratung der Familien
Obwohl der Hirntumor an sich nicht bösartig ist, führt sein Wachstum zu schwerwiegenden
Veränderungen des Gehirns insbesondere der Hypophyse.
1999 hat sich eine Selbst-Hilfe-Gruppe unter dem Dach der Deutschen Kinder- Krebsstiftung
etabliert: www.kraniopharyngeom.de/gruppe.php
Literatur
Müller H. Kraniopharyngeom im Kindes- und Jugendalter. Kinderärztliche Praxis 2003;
417-419
Müller HL, Kaatsch P, Warmuth-Metz M, Flentje M, Sörensen N. Kraniopharyngeom im
Kindes- und Jugendalter. Monatsschrift Kinderheilkd 2003; 151: 1056-1063
Müller HL, Sörensen N. Kraniopharyngeom im Kindes- und Jugendalter. Deutsches
Ärzteblatt 2006; 103: A2634-2640
Müller HL et al. Kraniopharyngeom im Kindes- und Jugendalter. Monatsschr. Kinderheilkd.
2008; 156: 1194-1200
BUNDESVERBÄNDE
Bei folgenden BUNDESWEITEN ANLAUFSTELLEN können Sie
Informationsmaterial anfordern. Fragen Sie dort auch nach Ansprechpartnern des
jeweiligen Verbandes in der Umgebung Ihres Wohnortes! Falls vorhanden, sind
auch Auslandsadressen mit aufgelistet. Bitte haben Sie dafür Verständnis, daß wir
in Bereichen, in denen bereits bundesweite Ansprechpartner existieren, primär
diesen Initiativen den Versand von Informationsmaterial und die Vermittlung
spezieller Hilfen überlassen. Bei zusätzlichen Fragen können Sie sich natürlich
jederzeit wieder an das Kindernetzwerk wenden!
Kraniopharyngeom-Gruppe
Deutsche Kinderkrebsstiftung
Adenauerallee 134
53113 Bonn
Tel.: 02 31/8 80 24 39 / Sandra Tophoven
Tel.: 0 93 06/9 93 71 / Frank Kreß
e-mail: [email protected]
Internet: www.kraniopharyngeom.de;
www.kraniopharyngeom.com;
www.craniopharyngioma.de
Ansprechpartner/innen: Frank Kreß, Sandra
Tophoven, Peter Schmuck
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90763 Fürth
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