17.06.11 Toxoplasmose – Übersicht Toxoplasmose in der Schwangerschaft – Teil 1: Allgemeines zur Toxoplasmose Teil 2: Infektion während der Schwangerschaft – Serologische Diagnostik der Mutter Teil 3: Konnatale Toxoplasmose – Serologische Diagnostik bei Mutter und Kind Falldarstellungen und Diagnostik Dr. Peter Aichele Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene Universitätsklinikum Freiburg Toxoplasmose – Erreger und Infektion Toxoplasmose – Lebenszyklus des Erregers + Infektionskrankheit des Menschen + Auslöser: Parasit Toxoplasma gondii (Einzeller, Sporozoa) Erstbeschreibung 1908 Nicolle & Manceau + obligat intrazellulär + Hauptwirt: Katzen (sexuelle Vermehrung des Erregers) + Zwischenwirt: z.B. Mensch à Tachyzoiten / Bradyzoiten + Übertragung: Oozysten im Katzenkot, ungewaschenes Gemüse, Zysten (rohes Fleisch) + lebenslange Persistenz des Erregers Toxoplasmose – Klinik Prinzip der serologischen Stufendiagnostik Proben + Inkubationszeit: 1-3 Wochen + Klinik: - bei Immungesunden zu 90% symptomlos erledigt Screening - Fieber, Lymphknotenschwellung schnell, einfach und billig sensitiv + - bei Immunsupprimierten: zerebrale Toxoplasmose - Pränatale Infektion: Schädigung des Kindes!!! + Durchseuchung: 45-70% der Bevölkerung + Meldepflicht nach § 7 Abs. 3 IfSG bei konnatalen Infektionen erledigt Bestätigung aufwendiger und teurer spezifisch + weitere Tests 1 17.06.11 Toxoplasmose – serologische Stufendiagnostik Kinetik der Antikörperproduktion nach Infektionen Screening: miniVidas Competition positiv (< 1,6) negativ (>= 1,6) IgG Bestätigungstests / Aktivitätsparameter: IgM miniVidas IgM: >0,55 positiv miniVidas IgG: <4 IU/ml negativ; 4-8 IU/ml grenzwertig; >8 IU/ml positiv Avidität: <0,2 niedrig; >0,3 hoch (Infektionszeitpunkt >4 Monate) 6 12 24 Monate Western Blot IgM Vergleich der Bandenmuster (Verlauf oder Mutter/Kind) Western Blot IgG Antikörperklassen und Avidität (Bindungsstärke) IgM Konnatale Toxoplasmose – Einführung 1 - ~ 10% der Immunglobuline + 1923-1939 Korrelation zwischen dem Parasitenbefall und Kindern mit konnatalem Hydrocephalus - Pentamer; 10 Bindungsstellen + 1965-1970 Aufklärung des Infektionszyklus (Frenkel) - geringe Bindungsstärke - Frühphase der Immunantwort + ab 1970 erste Screeningprogramme bei Schwangeren (Frankreich, Österreich, DDR) + Toxoplasmeninfektion in der Schwangerschaft: - Durchseuchungsrate steigt mit Lebensalter IgG - Infektion in der SS: ~0,5% - 70-75% der Immunglobuline - ~60% der gebärfähigen Frauen - Monomer; 2 Bindungsstellen sind sero-negativ - Affinitätsmaturation: - spezifische Immunität der Mutter schützt vor Übertragung auf Kind à - Schutz nicht durch Antikörper, sondern durch T-Zellen Entwicklung von spezifischen Antikörpern geringer Bindungsstärke (Avidität) zu - bei erstmaliger Infektion kann Erreger auf Kind übergehen (ca. 30-50%) Antikörpern mit hoher Bindungsstärke Konnatale Toxoplasmose – Einführung 2 Infektionsrisiko und Schwere des Krankheitsbildes beim Ungeborenen: U. Groß et al.; Deutsche Ärzteblatt 12/2001 Konnatale Toxoplasmose – Einführung 3 Schädigungen beim Kind: 1. Wahrscheinlichkeit einer fetalen Infektion umso höher, je später im Infektion in der Frühschwangerschaft: häufig Abort Verlauf der Schwangerschaft die Infektion der Mutter auftritt. 1% der Fälle: Hydrocephalus, intrazerebrale Verkalkungen, Chorioretinitis 2. Je früher in der Schwangerschaft die Infektion auftritt, 10% der Fälle: Fieber, Splenomegalie, Hepatomegalie, Lymphadenitis, Anämie desto schwerer das Krankheitsbild. 90% der Fälle: symptomlos, aber nach Jahren Retardierung, Chorioretinitis, Epilepsie, Taubheit RKI: 15-30 Fälle einer konnatalen Toxoplasmose / Jahr (aber: hohe Dunkelziffer) Therapie: bis zur 16. SSW Spiramycin ab 16. SSW Sulfadiazin, Pyrimethamin + Folinsäure U. Groß et al.; Deutsche Ärzteblatt 12/2001 2 17.06.11 Konnatale Toxoplasmose – diagnostische Fragestellung Infektion vor Schwangerschaft: Infektion in der Schwangerschaft: konnatale Infektion sehr unwahrscheinlich Infektion Konzeption konnatale Infektion möglich Konzeption Konnatale Toxoplasmose – Erstinfektion während der Schwangerschaft? Serologie: 1. Nachweis von IgM Antikörpern: Hinweis auf floride Toxoplasmose weitere Abklärungen notwendig 2. Aussage über Infektionszeitpunkt: Avidität der IgG Antikörper Infektion Avidität hoch Avidität gering 1. Liegt eine Erstinfektion der Mutter während der Schwangerschaft vor? 3. 2. Wie kann eine Toxoplasmeninfektion des Kindes nachgewiesen werden? Fallbeispiel - Erstinfektion während der Schwangerschaft? = = Infektionszeitpunkt > 4 Monate keine Aussage möglich alte Befunde bzw. Vorseren (Seren aufbewahren!) Serokonversion / Titerverlauf Fallbeispiel - Erstinfektion während der Schwangerschaft? Patientin (29 Jahre) in der 31. Schwangerschaftswoche Vordiagnose: Verdacht auf Serokonversion in der Schwangerschaft Ausschluss frischer Toxoplasmeninfektion Toxoplasmose IgG Suchtest 08.11.2007 Serum für Nachweis toxoplasmenspezifischer AK Toxoplasmose IgM EIA IgM-ELISA <0,55 negativ (<0,55) IgG-ELISA 25,0 positiv (<4 IU/ml) IgG-Avidität 0,516 hoch (<0,2 niedrig >0,3 hoch) negativ <2,0 IU/ml Kein Nachweis von Toxoplasma-Antikörpern. Es besteht keine Immunität. Weitere Kontrollen der Toxoplasmose-Serologie entsprechend der WHO-Empfehlungen alle 8 Wochen empfohlen. <0,5 <0,5 Index Externer Befund im Mai 2007: keine toxoplasmenspezifischen AK nachweisbar! Befund: Zustand nach Toxoplasmose; Infektionszeitpunkt >4 Monate aber: Vorbefund vom Mai 2007 Fallbeispiel - Erstinfektion während der Schwangerschaft? Fallbeispiel - Erstinfektion während der Schwangerschaft? Serologie September 2007: Beginn Schwangerschaft IgG: positiv Avidität: hoch IgG: negativ (Mikrobio+Hygiene) (extern) Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Infektionszeitpunkt + Infektionszeitpunkt vor Juli 2007 + Schwangerschaftsbeginn: Anfang April 2007 + Serologie Mitte Mai 2007: negativ Folgerungen: 1. Infektion im Mai / Juni 2007 2. Infektion erfolgte in der Schwangerschaft 3. Therapie erforderlich !? Externer Befund: grenzwertiger IgG Titer nachweisbar / Resttiter - mögliche Serokonversion während der Schwangerschaft nicht erläutert - keine Paralleltestung, da Serum vom Mai verworfen!!!! - keine Aviditätsbestimmung 3 17.06.11 Fallbeispiel - Erstinfektion während der Schwangerschaft? IgG: grenzwertig positiv Beginn Schwangerschaft Fallbeispiel - Erstinfektion während der Schwangerschaft? Rücksprache mit Frauenärztin: (extern) IgG: negativ (extern) IgG: positiv Avidität: hoch - Toxoplasmeninfektion ist gesichert (Mikrobio+Hygiene) - Patientin gesund, nicht immunsupprimiert - im Ultraschall keine Auffälligkeiten Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov - Toxoplasmeninfektion in den vergangenen 6 Monaten eher unwahrscheinlich, kann aber nicht ausgeschlossen werden Infektionszeitpunkt - externer Befund vom Mai 2007: wahrscheinlich falsch-negativ, vermutlich zu geringe Sensitivität des Tests + Infektionszeitpunkt vor Juli 2007 - keine Amniozentese für PCR + Schwangerschaftsbeginn: Anfang April 2007 + Serologie Mitte Mai 2007: negativ + Serologie Mitte September 2007: grenzwertig positiv Fallbeispiel - Erstinfektion während der Schwangerschaft? Konnatale Toxoplasmose – Infektion des Kindes? weitere Schritte: - ist altes Serum (vor der Schwangerschaft) auffindbar? - nochmals Ultraschall 1. - Serologie in 4 Wo: Titerveränderung? während der Schwangerschaft: Erregernachweis aus Fruchtwasser (PCR) aber: Risiko / Verlässlichkeit - nach Geburt Kontrolle Mutter + Kind Take-home-message Seren aufbewahren Seren aufbewahren Seren aufbewahren Seren aufbewahren Seren aufbewahren 3 Szenarien - 3 Fallbeispiele Seren aufbewahren Seren aufbewahren Seren aufbewahren Seren aufbewahren Konnatale Toxoplasmose – Mutter/Kind Serologie Fall 1 Fall 1: Konnatale Toxoplasmose – Mutter/Kind Serologie Fall 1 Patientin (30 Jahre) Kind Mutter Toxoplasmen IgM IgG nach der Geburt: Serologie von Mutter und Kind Seren aufbewahren Seren aufbewahren Seren aufbewahren Seren aufbewahren 2. Seren aufbewahren P L A Z E N T A Vordiagnose: Verdacht auf Toxoplasmeninfektion in der Schwangerschaft (25. SSW) IgGm keine AK Mutter Juni 2007: IgM schwach pos.; IgG pos.; Avidität gering; Vergleichender Western Blot: identisches Bandenmuster àTherapie Abklärung Toxoplasmeninfektion Neugeborenes 24.09.2007 : Serum Mutter IgM-ELISA 0,20 Kind IgG-ELISA 24 U/ml positiv IgG-Avidität 0,054 negativ gering 0,41 negativ 39 U/ml positiv (>0,55) (>8 IU/ml) (>0,3 hoch) 4 17.06.11 Konnatale Toxoplasmose – Mutter/Kind Serologie Fall 1 Vergleichender Western Blot: Konnatale Toxoplasmose – Mutter/Kind Serologie Fall 2 Kind Mutter Mutter Kind P L A Z E N T A keine Unterschiede im Bandenmuster! Befundung: Toxoplasmen Fall 2: IgM IgG Beim Kind nur maternale toxoplasmenspezifische Antikörper nachweisbar. Toxoplasmen IgM !!!!! IgGm IgG IgM Nachweis beim Kind indikativ für Infektion Kein Hinweis auf konnatale Toxoplasmose. bei späterer Kontrolle: maternale AK gehen zurück Konnatale Toxoplasmose – Mutter/Kind Serologie Fall 2 Patientin (25 Jahre) Konnatale Toxoplasmose – Mutter/Kind Serologie Fall 2 Vergleichender Western Blot: Vordiagnose: Verdacht auf Toxoplasmeninfektion in der Schwangerschaft Mutter Kind Mutter Kind IgM IgG Kind: Aszites, Hydrocephalus, Thrombopenie, Anämie zusätzliche Banden im kindlichen Serum Abklärung Toxoplasmeninfektion Neugeborenes 02.10.2008: Serum Mutter IgM-ELISA 1,63 IgG-ELISA 4977 U/ml positiv IgG-Avidität 0,176 IgM Synthese beim Kind, Kind positiv 7,18 sowie Unterschiede im Bandenmuster! positiv 3171 U/ml positiv gering (>0,55) (>8 IU/ml) (>0,3 hoch) Befundung: Kindliche IgM Antikörper sprechen für konnatale Toxoplasmose; Therapie erforderlich Konnatale Toxoplasmose – Mutter/Kind Serologie Fall 3 Konnatale Toxoplasmose – Mutter/Kind Serologie Fall 3 Patientin (31 Jahre) Kind Mutter Vordiagnose: Toxoplasmeninfektion in der Schwangerschaft P L A Z E N T A Toxoplasmen Fall 3: keine weiteren Angaben Abklärung Toxoplasmeninfektion Neugeborenes 26.10.2001 : Mutter IgM-ELISA 0,91 Kind IgG-ELISA 253 U/ml positiv IgG-Avidität 0,540 positiv <0,06 negativ 143 U/ml positiv (>0,55) (>8 IU/ml) Toxoplasmen IgM IgG Serum IgGm nur IgG hoch (>0,3 hoch) Vgl. Western Blot: unterschiedliches Bandenmuster 5 17.06.11 Zusammenfassung - Mutter/Kind Serologie Konnatale Toxoplasmose – Mutter/Kind Serologie Fall 3 Vergleichender Western Blot Mutter Kind Mutter Kind Toxoplasmen Fall 1: IgM IgG Unterschiede im Bandenmuster! zusätzliche Banden im kindlichen Serum Toxoplasmen Fall 2: IgM IgG Befundung: Unterschiedliches Bandenmuster im Western Blot von mütterlichem und kindlichem Serum. Toxoplasmen Fall 3: Hinweis auf konnatale Toxoplasmose. Therapie und Kontrolle erforderlich. P L A Z E N T A IgGm Toxoplasmen IgGm IgM !!!!! IgG IgM Nachweis beim Kind indikativ für Infektion Toxoplasmen IgM IgG keine AK Vergleichender Western Blot: identisches Bandenmuster IgGm nur IgG Vgl. Western Blot: unterschiedliches Bandenmuster Zusammenfassung - Konnatale Toxoplasmose / Serologie 1. Screening in der Schwangerschaft: kann durch serologische Analysen der Infektionszeitpunkt eingegrenzt werden? Danke 2. Serologische Untersuchung des Neugeborenen: kann eine Infektion des Neugeborenen ausgeschlossen werden? 6