nichtlymphoiden

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Norbert Wagner
Günther Dannecker
(Hrsg.)
Pädiatrische Rheumatologie
Norbert Wagner
Günther Dannecker
(Hrsg.)
Pädiatrische
Rheumatologie
Mit 335 Abbildungen, davon 201 in Farbe
und 131 Tabellen
13
Professor Dr. med. Norbert Wagner
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
RWTH Aachen
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen
Professsor Dr. med. Günther Dannecker
Olgahospital, Klinikum Stuttgart
Pädiatrisches Zentrum der Landeshauptstadt Stuttgart
Bismarckstr. 8
70176 Stuttgart
ISBN-13
978-3-540-32814-8 Springer Medizin Verlag Heidelberg
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Projektmanagement: Gisela Zech, Heidelberg
Lektorat: Annette Allée, Dinslaken
Rainer Zolk, Heidelberg
Layout und Umschlaggestaltung: deblik Berlin
SPIN 11496991
Satz: medionet Prepress Services l.t.d., Berlin
Gedruckt auf säurefreiem Papier
2126 – 5 4 3 2 1 0
V
Vorwort
Die Rheumatologie und damit auch die pädiatrische Rheumatologie hat in den letzten Jahrzehnten eine dramatische, positive Entwicklung genommen. Von einem Stiefkind der Medizin,
nicht selten als Bädermedizin belächelt, erfolgte die Entwicklung hin zu einem wissenschaftlich
fundierten und klinisch sehr erfolgreich arbeitenden Spezialgebiet. Unser besseres Verständnis
der pathogenetischen Mechanismen ergab zusammen mit den immens verbesserten Möglichkeiten der Bildgebung aber nicht nur eine genauere Diagnostik. Noch viel wichtiger und erfreulicher ist es, dass sich dadurch in den letzten Jahren auch eine wesentliche Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen ergab, und das Ende dieser Entwicklung
ist noch nicht abzusehen.
Dieses komplexe Spezialgebiet in einem deutschsprachigen Lehrbuch abzubilden war ein
schon lange gehegter Traum der Herausgeber. Die Umsetzung von der Idee über den konkreten
Plan bis zu dem nun vorliegenden Buch war nur durch das Zusammentreffen verschiedener
begünstigender Faktoren möglich:
5 Der oben genannten Entwicklung der pädiatrischen Rheumatologie läuft die Entwicklung der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie parallel. Auch hier vollzog sich
durch das Engagement aller Mitglieder der Wandel von der anfänglich nicht ohne Skepsis gesehenen Arbeitsgemeinschaft, wie der Name ja bis 2005 noch lautete, hin zur anerkannten und wahrgenommenen Gesellschaft. Die wissenschaftlichen Aktivitäten sind vielfältig und die erfolgreiche Arbeit spiegelt sich unter anderem in der Tatsache wider, dass die
pädiatrische Rheumatologie in Deutschland als Zusatzbezeichnung im Bereich der Kinderund Jugendheilkunde anerkannt wurde. Dieses Buch mit seinem vielfältigen Spezialwissen ist auch ein Zeugnis der Aktivität und Produktivität dieser Gesellschaft, aus deren Reihe
mit wenigen Ausnahmen alle Autorinnen und Autoren kommen. Allen sei an dieser Stelle
für Ihre engagierte Mitarbeit herzlich gedankt; und wenn wir manchen von Ihnen bei der
Fertigstellung etwas auf die Füße treten mussten, hoffen wir, dass dies nicht allzu schmerzhaft war.
5 Natürlich wäre das Projekt ohne einen mutigen und unterstützenden Verlag nicht realisierbar. Unser besonderer Dank gilt deswegen dem Springer-Verlag und seinen MitarbeiterInnen für das Wagnis und die geduldige Unterstützung bei der Idee, ein Standardlehrbuch
der pädiatrischen Rheumatologie zu realisieren.
5 Wir bedanken uns sehr bei den uns nahe stehenden Menschen, da dieses Buch nicht möglich gewesen wäre ohne ihre geduldige Unterstützung und Inspiration und ohne das Verständnis für manchen bei bestem Urlaubswetter am Schreibtisch verbrachten Tag.
Es ist unser Ziel und unsere Hoffnung, dass dieses Lehrbuch allen Kinderärzten, die sich um Kinder und Jugendliche mit rheumatischen Erkrankungen kümmern, eine Hilfe sei bei der komplexen Abklärung, Differenzialdiagnostik und Therapie einer Vielzahl von sehr unterschiedlichen
Erkrankungen. Es soll aber auch dem Nicht-Spezialisten helfen, eine erste Einordnung der vielfältigen Zeichen und Symptome von rheumatischen Erkrankungen zu ermöglichen. Besonders
schön wäre es, wenn sich auch werdende Pädiater oder sogar Studenten der Medizin ab und
zu in dieses Buch einlesen und erkennen, dass die pädiatrische Rheumatologie ein hoch spannendes und dynamisches Feld ist. Die Etablierung der pädiatrischen Rheumatologie in der medizinischen Lehre an Universitätskliniken und ihren Lehrkrankenhäusern kann kein Ziel dieses
Buches sein, aber es würde uns freuen, wenn es dazu beitragen würde, diesen Denkprozess anzustoßen.
Vor allen Dingen soll dieses Buch aber den betroffenen Kindern und Jugendlichen helfen,
eine möglichst optimale Therapie für ihre oft durch Schmerzen und Einschränkungen geprägten
rheumatischen Erkrankungen zu erhalten.
Norbert Wagner
Günther E. Dannecker
Aachen, Stuttgart
im Sommer 2007
VII
Autorenverzeichnis
Banholzer, Daniela, Physiotherapeutin
Olgahospital Stuttgart
Bismarckstr. 8, 70176 Stuttgart
Gahr, Manfred, Prof. Dr. med.
Klinik und Poliklinik für Kinderheilkunde
Fetscherstr. 74, 01307 Dresden
Benseler, Susanne, Dr. med.
Division of Rheumatology, Hospital of Sick Children
555 University Avenue, CDN-Toronto, Ontario M5G 1X8
Canada
Ganser, Gerd, Dr. med.
St.-Josef-Stift
Westtor 7, 48324 Sendenhorst
Bielack, Stefan, Prof. Dr. med
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin,
Olgahospital Stuttgart
Bismarckstr. 8, 70176 Stuttgart
Brunner, Jürgen, Dr. med. Dipl. oec. med.
Pädiatrische Rheumatologie und Immunologie
Kinderklinik, Medizinische Universität
Anichstr. 35, A-6020 Innsbruck
Österreich
Buckup, Klaus, Dr. med.
Orthopädische Klinik, Klinikum Dortmund
Beurhausstr. 40, 44137 Dortmund
Bureck, Walter, Ergotherapeut
St.-Josef-Stift
Westtor 7, 48324 Sendenhorst
Dannecker, Günther, Prof. Dr. med.
Olgahospital, Klinikum Stuttgart
Pädiatrisches Zentrum der Landeshauptstadt Stuttgart
Bismarckstr. 8, 70176 Stuttgart
De Kleer, Isme M.
Wilhelmina Children’s Hospital,
University Medical Center Utrecht
P.O. Box 85090, NL-3508 Utrecht
Niederlande
Foeldvari, Ivan, Dr. med.
Kinder- und Jugendrheumatische Praxis am
Allgemeinen Krankenhaus Eilbeck
Friedrichsberger Str. 60, 22081 Hamburg
Frosch, Michael, Priv.-Doz. Dr. med.
Sozialpädiatrisches Zentrum und
Pädiatrische Rheumatologie und Immunologie
Universitäts-Kinderklinik
Albert-Schweitzer-Str. 33, 48149 Münster
Girschick, Hermann, Priv.-Doz. Dr. med.
Universitäts-Kinderklinik
Josef-Schneider-Str. 2, 97080 Würzburg
Haas, Johannes-Peter, Priv.-Doz. Dr. med.
Abt. Neonatologie und Intensivmedizin,
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin
Ernst-Moritz-Arndt-Universität
Soldmannstr. 15, 17487 Greifswald
Haefner, Renate, Dr. med.
Deutsches Zentrum für Kinder- und
Jugendrheumatologie
Gehfeldstr. 24, 82467 Garmisch-Partenkirchen
Haffner, Dieter, Prof. Dr. med.
Pädiatrische Nephrologie, Otto-Heubner-Centrum
für Kinder- und Jugendmedizin
Campus Virchow-Klinikum, Charité,
Humboldt-Universität
Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin
Heiligenhaus, Arnd, Prof. Dr. med.
Augenabteilung, St. Franziskus-Hospital
Hohenzollernring 74, 48145 Münster
Horneff, Gerd, Prof. Dr. med.
Asklepios Klinik St. Augustin GmbH
Arnold-Janssen-Str. 29, 53757 Sankt Augustin
Hospach, Toni, Dr. med.
Kinderklinik, Olgahospital Stuttgart
Bismarckstr. 8, 70176 Stuttgart
Huemer, Christian, Univ.-Doz. Dr. med.
Ostschweizer Kinderspital St. Gallen
Claudiusstr. 6, CH-9006 St. Gallen
Schweiz
Huppertz, Hans-Iko, Prof. Dr. med.
Professor-Hess-Kinderklinik, Klinikum Bremen-Mitte
Friedrich-Karl-Str. 55, 28205 Bremen
VIII
Autorenverzeichnis
Illhardt, Arnold, Dipl.-Psych.
St.-Josef-Stift
Westtor 7, 48324 Sendenhorst
Kallinich, Tilmann, Dr. med.
Abt. Pädiatrie m.S. Pneumonologie/Immunologie,
Campus Wedding
Charité, Humboldt-Universität
Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin
Kamradt, Thomas, Prof. Dr. med.
Institut für Immunologie, Universitätsklinikum der
Friedrich-Schiller-Universität
Leutragraben 3, 07743 Jena
Keitzer, Rolf, Dr. med.
Kinderklinik, Virchow-Klinikum, Charité,
Humboldt-Universität
Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin
Kümmerle-Deschner, Jasmin, Dr. med.
Universitätskinderklinik
Hoppe-Seyler-Str. 1, 72076 Tübingen
Mannhardt-Laakmann, Wilma, Priv.-Doz. Dr. med.
Universitäts-Kinderklinik
Langenbeckstr. 1, 55131 Mainz
Michels, Hartmut, Dr. med.
Kinderklinik
Gehfeldstr. 24, 82467 Garmisch-Partenkirchen
Minden, Kirsten, Dr. med.
Kinderklinik, Helios-Klinikum
Wiltbergstr. 50, 13122 Berlin
Neudorf, Ulrich, Dr. med.
Klinik für Kinder- und Jugenmedizin
Hufelandstr. 55, 45122 Essen
Roth, Johannes, Dr. med.
SPZ Rheumatologie, Virchow-Klinikum
Charité, Humboldt-Universität
Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin
Roth, Johannes, Prof. Dr. med.
Universitäts-Kinderklinik
Albert-Schweitzer-Str. 33, 48149 Münster
Tarakhovsky, Alexander, M.D., Ph.D.
Rockefeller University
1230 York Avenue, 10021 New York
USA
Thon, Angelika, Dr. med.
Kinderheilkunde I, Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg-Str.1, 30625 Hannover
Truckenbrodt, Hans, Prof. Dr. med.
Husarenweg 30, 82467 Garmisch-Partenkirchen
Wagner, Norbert, Prof. Dr. med.
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin,
RWTH Aachen
Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen
Weiß, Michael, Prof. Dr. med.
Pädiatrische Klinik
Amsterdamer Str. 59, 50735 Köln
Wersing, Kathrin, Dipl-Sozialpädagogin
St.-Josef-Stift
Westtor 7, 48324 Sendenhorst
Winkler, Peter, Prof. Dr. med.
Radiologie, Olgahospital Stuttgart
Bismarckstr. 8, 70176 Stuttgart
Niehues, Tim, Priv.-Doz. Dr. med.
Universitäts-Kinderklinik
Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf
Wulffraat, Nico, Prof. Dr.
Wilhelmina Children’s Hospital,
University Medical Center Utrecht
P.O. Box 85090, NL-3508 Utrecht
Niederlande
Nirmaier, Katharina, Physiotherapeutin
Olgahospital Stuttgart
Bismarckstr. 8, 70716 Stuttgart
Zepp, Fred, Prof. Dr. med.
Universitäts-Kinderklinik
Langenbeckstr. 1, 55131 Mainz
Olschewski, Heidi, Dr. med.
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Beurhausstr. 40, 44137 Dortmund
Zieger, Michael, Dr. med.
Radiologie, Olgahospital Stuttgart
Bismarckstr. 8, 70176 Stuttgart
Autorenverzeichnis
Grafiker
Annette Gack
Neuwiesenstr. 3
91564 Neuendettelsau
[email protected]
(Abb. 2.3, 2.4)
Peter Lübke
Waldstr. 104
67157 Wachenheim
(Abb. 2.19)
IX
XI
Inhaltsverzeichnis
1
Geschichte der pädiatrischen Rheumatologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
H. Truckenbrodt, R. Häfner
2
Grundlagen der Autoimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
2.1
T-Lymphozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
O. Frey, T. Kamradt
11
2.2
B-Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
N. Wagner, A. Tarakhovsky
23
2.3
Monozyten und Makrophagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
J. Roth
31
2.4
Genetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
J.-P. Haas
36
2.5
Zytokine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
G. Horneff
42
2.6
Autoimmunität und Infektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
T. Kamradt, F. Zepp
60
2.7
Zusammenfassung: Pathogenese der Autoimmunkrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
G. Dannecker, N. Wagner
64
3
Untersuchungstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
3.1
Körperliche Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
S. Benseler
70
3.2
Labor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
J. Brunner, T. Hospach, J. Kümmerle-Deschner
87
3.3
Bildgebende Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
P. Winkler, M. Zieger
95
4
Pharmakotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
129
N. Wagner, T. Niehues, H. Michels, J. M. de Kleer, N. M. Wulffraat
5
Juvenile idiopathische Arthritis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
175
5.1
Nomenklatur und Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
K. Minden
177
5.2
Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
K. Minden
179
5.3
Systemische Verlaufsform (Morbus Still) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
M. Frosch, J. Roth
181
5.4
Oligoartikuläre Verlaufsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
G. Ganser, K. Minden
194
5.5
Polyartikuläre Verlaufsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
G. Dannecker
211
5.6
Enthesitisassoziierte Arthritis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
H.J. Girschick
230
5.7
Psoriasisarthritis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
C. Huemer
236
5.8
Uveitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
A. Heiligenhaus, U. Neudorf
243
5.9
Knochenstoffwechsel und Osteoporose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
J. Roth
253
XII
Inhaltsverzeichnis
6
Reaktive und parainfektiöse Arthritiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
263
6.1
Reaktive Arthritis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
H.J. Girschick, H.I. Huppertz
264
6.2
Lyme-Arthritis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
H.J. Girschick, H.I. Huppertz, K. Latsch
277
6.3
Rheumatisches Fieber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
U. Neudorf
287
Systemischer Lupus erythematodes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
293
7
N. Wagner, D. Haffner, G. Dannecker
8
Dermatomyositis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
331
A. Thon, M. Gahr
9
Sklerodermie und Sharp-Syndrom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
347
I. Foeldvari
10
Vaskulitiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
363
10.1
Kawasaki-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
G. Dannecker
365
10.2
Purpura Schönlein-Henoch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
T. Hospach
375
10.3
Takayasu-Arteriitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
J. Kümmerle-Deschner, S. Benseler
378
10.4
Morbus Behçet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
R. Keitzer, T. Kallinich
386
10.5
Wegener-Granulomatose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
M. Frosch, J. Roth
393
10.6
Panarteriitis nodosa, Churg-Strauss-Syndrom und andere seltene Vaskulitiden bei Kindern . . . .
S. Benseler
398
Periodische Fiebersyndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
407
11
T. Kallinich, R. Keitzer
12
Nichtrheumatische Ursachen von Arthralgien und Arthritiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
435
12.1
Orthopädische Differenzialdiagnosen und häufige Krankheitsbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . .
K. Buckup
437
437
12.2
Akute transiente Arthritis des Hüftgelenks (Coxitis fugax) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
G. Horneff
459
459
12.3
Immundefekterkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
W. Mannhardt-Laakmann, F. Zepp
461
461
12.4
Stoffwechselerkrankungen, Skelettdysplasien und Bindegewebserkrankungen . . . . . . . . . . .
F. Zepp
476
476
12.5
Pseudorheumaknoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
F. Zepp
484
484
12.6
Wachstumsschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
F. Zepp
485
485
12.7
Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
M. Weiß
487
487
12.8
Nichtbakterielle Osteomyelitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
H.J. Girschick 494
494
12.9
Leukämien und maligne Knochentumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
S. Bielack
497
497
12.10 Hämophilie und Sichelzellkrankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
H. Olschewski 505
505
XIII
Inhaltsverzeichnis
13
Idiopathische muskuloskelettale Schmerzverstärkungssyndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
509
T. Hospach
14
Physiotherapie, Physikalische Therapie, Ergotherapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
521
14.1
Physiotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
D. Banholzer, K. Nirmaier 522
522
14.2
Physikalische Therapie bei juveniler idiopathischer Arthritis und Kollagenosen . . . . . . . . . . .
G. Ganser
549
549
14.3
Ergotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
W. Bureck
554
554
15
Krankheitsbewältigung im Alltag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
565
A. Illhardt, K. Wersing, G. Ganser
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
587
1
Evidenz-basierte Medizin (EBM)
„Die Praxis der EBM bedeutet die Integration individueller klinischer Expertise mit der bestmöglichen externen Evidenz aus systematischer Forschung“
(David L. Sackett, 1996)
Die Autoren haben sich bemüht, soweit verfügbar, das Evidenzniveau für die Therapieempfehlungen bei den im Buch behandelten Erkrankungen anzugeben. Auffallend ist das häufige Fehlen
kontrollierter Studien für viele Erkrankungen bzw. Medikamente im Kindesalter. Dies sollte zugleich Motivation sein, sich an entsprechenden Studien zu beteiligen, um die wissenschaftliche
Grundlage der Therapie zu verbreitern.
Die Graduierung des Evidenzniveaus ist im Buch einheitlich angegeben, die Wiedergabe an
dieser Stelle soll das Lesen erleichtern:
Ia
Ib
IIa
IIb
III
IV
Evidenz aufgrund von Meta-Analysen randomisierter, kontrollierter Studien
Evidenz aufgrund von mindestens einer randomisierten, kontrollierten Studie
Evidenz aufgrund von mindestens einer gut angelegten, kontrollierten Studie
Evidenz aufgrund von mindestens einer gut angelegten, quasi experimentellen Studie
Evidenz aufgrund gut angelegter, nicht experimenteller deskriptiver Studie (z. B. FallKontroll-Studie)
Evidenz aufgrund von Expertenmeinung
1
1.2 · Pionierzeit der deutschen Kinderrheumatologie: 1950–1975
Geschichte der pädiatrischen Rheumatologie
H. Truckenbrodt, R. Häfner
1.1
Erste Literaturberichte: 1848–1950
–2
1.2
Pionierzeit der deutschen Kinderrheumatologie: 1950–1975
1.3
Aufbruch der Kinderrheumatologie: 1975–2000
1.4
In Zukunft: Zusammenarbeit auf internationaler Ebene
–4
– 7
–3
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19
Kapitel 1 · Geschichte der pädiatrischen Rheumatologie
Unter dem Begriff Rheuma werden schmerzhafte, nichttraumatische Erkrankungen des Bewegungsapparates
zusammengefasst. Sie sind beim Kind und Jugendlichen
überwiegend entzündlicher Natur. Das klinische Bild wird
meist von der Arthritis bestimmt. Der Entzündungsprozess kann jedoch alle Organsysteme, vor allem die Muskulatur und Blutgefäße sowie die Haut einbeziehen. Bei
einigen Erkrankungen steht die Entzündung des Bindegewebes, der inneren Organe oder der Gefäße sogar im Vordergrund. Dazu kommen die schmerzverstärkenden Syndrome und periodische Fiebersyndrome. Immer ist das
gesamte Kind in seiner Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigt und in seiner Entwicklung bedroht.
Die relativ unscharfe Definition rheumatischer Erkrankungen beinhaltet eine breite differenzialdiagnostische
Überlappung mit kinderorthopädischen, onkologischen
und anderen pädiatrischen Erkrankungen, die sich mit
ähnlicher Symptomatik manifestieren.
Die Kinderrheumatologie steht historisch und inhaltlich auf zwei Fundamenten, der Kinderheilkunde und
der Erwachsenenrheumatologie. Sie erfordert umfangreiche pädiatrische und spezielle kinderrheumatologische
Kenntnisse. In den einzelnen europäischen Ländern entwickelte sie sich unterschiedlich aus beiden Fachbereichen
heraus. In Deutschland ging die Kinderrheumatologie aus
der Kinderheilkunde hervor, immer im Zwiegespräch
mit der Erwachsenenrheumatologie. Inzwischen stellt die
Kinderrheumatologie entsprechend ihrem Aufgabengebiet weltweit eine Subspezialität der Kinder- und Jugendmedizin dar. Sie erhält jedoch maßgebende Impulse von
der Erwachsenenrheumatologie einschließlich Rheumaorthopädie sowie der Immunologie. Es sind weit mehr
Veröffentlichungen zu kinderrheumatologischen Themen
in den rheumatologischen als in den pädiatrischen Fachzeitschriften zu finden.
Geht man von der Namensgebung aus, so ist Rheuma
mit Fluss zu übersetzen. Rheo bedeutet im Griechischen
»ich fließe«, katarrheo »ich fließe herab«. In der Zeit von
Hippokrates um 400 v. Chr. wurde postuliert, dass eine
träge, schleimige Flüssigkeit vom Gehirn bald gegen die
Schleimhäute der Atemwege, bald gegen die Gelenke und
Muskulatur herabfließt. In späteren Betrachtungen der
Terminologie steht der fließende, ziehende Schmerz als
gemeinsamer Nenner rheumatischer Erkrankungen im
Vordergrund.
20
21
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23
1.1
Erste Literaturberichte:
1848–1950
Klinisch ist die Kinderrheumatologie ein noch relativ junges Spezialgebiet, obwohl die ersten Mitteilungen über
150 Jahre zurückreichen. Zunächst war die Aufmerksamkeit vor allem auf das rheumatische Fieber gerichtet, das
bei allen Rassen und in allen Kontinenten weit häufiger
auftrat, als alle übrigen rheumatischen Erkrankungen
zusammengenommen. Die erste ausführliche Beschreibung erfolgte durch Thomas Sydenham im Jahr 1848. Etwa 100 Jahre später, ab den 50er Jahren des vergangenen
Jahrhunderts, änderte sich die epidemiologische Situation. Das rheumatische Fieber wurde seltener. Dadurch
traten andere rheumatische Erkrankungen mehr in den
Blickpunkt.
Die ersten Publikationen zur chronischen Arthritis
kamen aus Frankreich und England. A. V. Cornil aus Paris
berichtete bereits 1864 über eine Frau mit chronischer
Polyarthritis, die im Alter von 12 Jahren erkrankte. Ähnliche Beobachtungen veröffentlichten Bouchet 1875 und
Moncorvo 1880. Die erste umfangreiche Darstellung kam
von M. S. Diamant-Berger im Jahr 1891. Er beschrieb in
seiner Dissertation 38 Kinder mit noch heute gültigen
Details. Bereits vor über 100 Jahren erkannte er unterschiedliche klinische Manifestationen, das Überwiegen
von Mädchen, den Mitbefall der Halswirbelsäule und Kiefergelenke sowie der Augen.
Weit mehr Beachtung fand die Publikation von George
Frederic Still aus der Great Ormond Street in London
von 1896, in der er über 22 Kinder mit akuter und chronischer Arthritis berichtete. In Anerkennung seiner Verdienste wurden anschließend die verschiedenen Erscheinungsformen der chronischen Arthritis im angloamerikanischen Raum als »Still’s disease« zusammengefasst.
In Deutschland beschränkte sich die Bezeichnung Morbus Still auf die systemische Form mit hohem Fieber,
Exanthem und Mitbeteiligung der inneren Organe. Diese
nomenklatorischen Unterschiede führten zwangsläufig bis
weit ins 20. Jahrhundert hinein zu Missverständnissen.
In den USA erwähnte als Erster Lewis-Smith aus New
York 1871 einen 3½-jährigen Jungen mit Arthritis, der
bereits mit 9 Monaten erkrankte. Von H. Koplick ist die
Kasuistik eines 7-jährigen Mädchens aus dem 19. Jahrhundert bekannt.
Es dauerte dann bis nach dem Zweiten Weltkrieg,
bis sich 1948 in Taplow bei London eine erste Forschergruppe um E.G.L. Bywaters kinderrheumatologischer
Fragen annahm. 1952 stieß Barbara M. Ansell hinzu, die
weltweit berühmteste Kinderrheumatologin ihrer Zeit.
Von ihr gingen zahlreiche Impulse aus. Das Hauptaugenmerk war auch in Taplow zunächst auf das rheumatische
Fieber gerichtet. Von den 100 zur Verfügung stehenden
Behandlungsplätzen waren 1948 nur vier durch Kinder
mit chronischer Arthritis, die Übrigen mit rheumatischem
Fieber belegt. Erst mit dem Rückgang des rheumatischen
Fiebers trat die chronische Arthritis in den Mittelpunkt
des Interesses.
In Deutschland stammt die erste Darstellung der
chronischen Arthritis beim Kind von B. Leichtentritt.
Er veröffentlichte seine Beobachtungen im Rheumajahrbuch 1930/31 unter der Bezeichnung juvenile rheumatoide
Arthritis bzw. Morbus Still. Der Begriff der Subsepsis all-
1.2 · Pionierzeit der deutschen Kinderrheumatologie: 1950–1975
ergica von Wissler aus dem Jahr 1944, der eine systemische
Verlaufsform mit (noch) fehlender Gelenkentzündung
beschrieb, fand nur im deutschsprachigen Raum Eingang
in die Nomenklatur.
Auch für die kindlichen Kollagenosen liegen die Erstbeschreibungen über 100 Jahre zurück. Für den systemischen Lupus erfolgte sie beispielsweise durch W. Osler
im Jahr 1904. Ähnlich wie bei der chronischen Arthritis vergingen dann über 50 Jahre, bevor das Interesse neu
erwachte und weitere Details erforscht wurden.
1.2
Pionierzeit der deutschen
Kinderrheumatologie: 1950–1975
Die Geschichte der deutschsprachigen Kinderrheumatologie ist untrennbar mit Elisabeth Stoeber verbunden
(. Abb. 1.1). Von ihr ging der zündende Funke aus, nachdem ihr Interesse am rheumatischen Fieber durch die Tätigkeit am Pathologischen Institut in Freiburg/Breisgau
unter Ludwig Aschoff geweckt worden war. Unter der Trägerschaft der Rummelsberger Anstalten der Inneren Mission e.V. gelang es E. Stoeber bereits 1952, nur zwei Jahre nach Übernahme der ärztlichen Leitung, die erste kontinentaleuropäische Rheumakinderklinik in GarmischPartenkirchen einzuweihen. Glückliche äußere Umstän-
de kamen zu Hilfe. Die Frau des ersten amerikanischen
Hochkommissars McCloy vertraute sich dem gleichen
Skilehrer an wie E. Stoeber, ein Zufall, der mehr nach einer Fügung aussieht. Der Aufbau der Rheumakinderklinik wurde daraufhin seiner Bedeutung entsprechend als
Projekt mit Modellcharakter in den sog. Marshall-Plan
aufgenommen und in die Tat umgesetzt.
Ähnlich wie in Taplow war die neue Klinik eigentlich
für Kinder und Jugendliche mit rheumatischem Fieber
gedacht. Bald jedoch gehörten die meisten Patienten zu
3
einer ganz anderen Gruppe, nämlich den chronisch rheumakranken Kindern. Bereits Mitte der 50er Jahre wurden
immer mehr Kinder mit »primär chronischer Polyarthritis und Morbus Still« nach Garmisch-Partenkirchen überwiesen. Das »Herzrheuma« wandelte sich zum »Gelenkrheuma«. Die Klinik wurde vor völlig neue Aufgaben
gestellt, zumal die Kinder meist erst spät mit schweren
Kontrakturen, Fehlstellungen und Behinderungen bis
zur Verkrüppelung überwiesen wurden. Neue Ideen und
Strategien wurden notwendig. So wurde Elisabeth Stoeber nicht nur zur Initiatorin, sondern auch zum Motor der
deutschen Kinderrheumatologie. Zwei Mitstreiter bereiteten mit ihr den Weg. Gert Kölle war von Anfang an dabei;
Lore Sänger stieß 1955 dazu. Auf sie geht die psychosoziale Betreuung rheumakranker Kinder und ihrer Familien
zurück. Später erweiterte Wilhelm Beyer durch die Synovektomie das therapeutische Spektrum. Aus bescheidenen Anfängen wurde eine 130-Betten-Klinik aufgebaut,
die auch heute noch größte Rheumakinderklinik Europas.
Die wissenschaftliche Aktivität dieser Zeit spiegelt sich in
über 100 Publikationen wieder.
Wichtige Impulse und Erkenntnisse kamen auch
damals aus der Erwachsenenrheumatologie. Vor allem
zwei Persönlichkeiten bereicherten die Kinderrheumatologie. Fritz Schilling, der Erstbeschreiber zahlreicher rheumatischer Erkrankungen in Deutschland, erkannte bei seiner Liebe zur Nosomorphose bereits 1969 während seiner
Visiten in Garmisch-Partenkirchen die juvenile Form der
Spondarthritis, heute meist als Spondylarthritis bezeichnet. H. G. Fassbender ermöglichte als Rheumapathologe
detaillierte Einblicke in die morphologischen Besonderheiten der chronischen Synovialitis beim Kind.
Der Nestor der ostdeutschen Kinderrheumatologie ist Kurt Lorenz. Zusammen mit Joachim Oppermann
aus Halle baute er bereits 1969 eine Interessensvertretung
der pädiatrischen Rheumatologie auf. Von Dresden und
. Abb. 1.1. Elisabeth Stoeber, die Begründerin der Kinderrheumatologie in Deutschland, mit ihrem Schüler Gert Kölle und Gast
Eric Bywaters aus Taplow 1968
1
4
Kapitel 1 · Geschichte der pädiatrischen Rheumatologie
. Abb. 1.2. Kurt Lorenz (Mitte) und Joachim Oppermann (links), die Pioniere der Kinderrheumatologie in Ostdeutschland, und
Frau Dolgopolova (rechts) aus Moskau während einer Rheumatagung 1974
1
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23
Halle aus entwickelten sie enge Kontakte zu den osteuropäischen Zentren in Moskau, Warschau, Prag und Sofia
(. Abb. 1.2).
Medikamentös standen weltweit zunächst nur Aspirin
und Pyramidon zur Verfügung. Mit dem ersten Einsatz
des Cortisons durch Philipp Hench 1949, der dafür mit
dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, schien die chronische Arthritis besiegt. Schon bald zeigten sich jedoch
die Schattenseiten des Wundermittels. Es befreite zwar die
Kinder von der schmerzhaften Gelenkentzündung, richtete jedoch viel Unheil an.
Mitte der 60er Jahre wurden dann die nichtsteroidalen
Antirheumatika (NSAR) entdeckt, zunächst das Indometacin, kurz darauf das Diclofenac. Auch Tolmetin, Ibuprofen und Naproxen standen bald zur Verfügung. Sie lösten
das 1897 synthetisierte Aspirin zunehmend ab. Durch ihre
schmerz- und entzündungshemmende Wirkung konnten die Corticoide reduziert und teilweise ersetzt werden. Auch die sog. Basismedikamente wurden von der
Erwachsenenrheumatologie übernommen und fanden
ab Ende der 60er Jahre Eingang in die Behandlung rheumakranker Kinder. Es begann mit dem Hydroxychloroquin und dem parenteralen Gold. Später kam als erstes
Immunsuppressivum das Azathioprin hinzu, um den Entzündungsprozess zur Ruhe zu bringen.
Diese Gruppe der langsam wirkenden, die chronische
Arthritis modifizierenden Medikamente hielten z. T. auf
Um- und auch Irrwegen Einzug in die Therapie. Ein Beispiel dafür bilden die parenteral verabfolgten Goldsalze.
Ihr Einsatz in der Medizin geht letztlich auf Robert Koch
Ende des 19. Jahrhunderts zurück. Nach der Entdeckung
der Tuberkelbakterien lag es nahe, auch die chronische
Arthritis als bakterielle Erkrankung anzusehen. Goldsalze
hemmen in vitro das Wachstum von Tuberkelbakterien.
Deshalb wurden sie auch in der Behandlung der chronischen Arthritis eingesetzt, zunächst beim Erwachsenen,
später auch im Kindesalter.
1.3
Aufbruch der
Kinderrheumatologie: 1975–2000
Entwicklung auf internationaler Ebene
Im letzten Quartal des vergangenen Jahrhunderts ging es
mit der Kinderrheumatologie steil bergauf. Die Entwicklung in Deutschland wird mehr und mehr eingebunden
in die Fortschritte auf internationaler Ebene. Auf namentliche Hervorhebungen einzelner Leistungen muss im Folgenden leider verzichtet werden, da dies den Rahmen dieser Übersicht sprengen würde.
Wichtige Ereignisse der Kinderrheumatologie in
Deutschland, eingebunden in die europäische
Entwicklung
1952 Erste Rheumakinderklinik Garmisch-Partenkirchen (Elisabeth Stoeber)
1976 First European Workshop on Care in Rheumatic Children, anlässlich EULAR-Tagung Oslo
(Barbara Ansell, Philip Wood)
1979 EULAR Standing Committee of Pediatric Rheumatology, Wiesbaden (Barbara Ansell, AnneMarie Prieur)
1980 Selbsthilfegruppe Elternkreise rheumakranker
Kinder unter dem Dach der Deutschen Rheuma-Liga, Garmisch-Partenkirchen (Christel Becker, Claudia Grave)
1986 Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Rheumatologie in Ostdeutschland, Dresden (Kurt Lorenz,
Joachim Oppermann, Eva Döring)
1990 Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendrheumatologie, Hannover (bisherige Vorsitzende
Manfred Gahr, Günther Dannecker, Gerd Ganser)
1993 First European Conference on Pediatric Rheumatology, Paris (Anne-Marie Prieur)
1996 Pediatric Rheumatology International Trials
Organization (PRINTO), Pavia (Alberto Martini)
6
5
1.3 · Pionierzeit der deutschen Kinderrheumatologie: 1950–1975
1997 Fifth European Conference on Pediatric Rheumatology, Garmisch-Partenkirchen (Hans Truckenbrodt, Ekkehard Albert)
1999 Pediatric Rheumatology European Society
(PRES), Glasgow (Patricia Woo)
2004 Anerkennung der Kinder- und Jugendrheumatologie als Subspezialität des Fachbereichs
Kinder- und Jugendmedizin durch die Bundesärztekammer
Nachdem in den USA 1972 Klassifikationskriterien unter
der Bezeichnung juvenile rheumatische Arthritis (JRA)
veröffentlicht wurden, folgte 1976 unter dem Dach der
Amerikanischen Gesellschaft für Rheumatologie (ARA;
später American College of Rheumatology, ACR) das berühmt gewordene erste Park-City-Meeting. 1977, nahezu
gleichzeitig, trafen sich in Europa kinderrheumatologisch
tätige Ärzte anlässlich der EULAR-Tagung in Oslo zum ersten europäischen Workshop Care in Rheumatic Children.
Auf europäischer Ebene wurde erstmals eine gemeinsame Nomenklatur erarbeitet. Dem in den USA verwendeten Begriff der juvenilen rheumatoiden Arthritis bzw.
des Morbus Still wurde die juvenile chronische Arthritis
(JCA) entgegengesetzt. Damit wurde der prozesshaft fortschreitende Charakter der Gelenkentzündung zum Ausdruck gebracht. Gleichzeitig wurden Subgruppen definiert, eine pauciartikuläre, polyartikuläre und systemische
Beginnform unterschieden. Die gemeinsame Nomenklatur ermöglichte Vergleiche und Austausch über die Grenzen hinweg.
Schon 3 Jahre nach Oslo wurde in Wiesbaden das
EULAR Standing Committee of Pediatric Rheumatology gegründet. Die kinderrheumatologisch tätigen Ärzte
fühlten sich jedoch von EULAR unzureichend vertreten.
Man strebte nach Eigenständigkeit und rief 1993 in Paris
die European Conference on Pediatric Rheumatology als
unabhängige Jahrestagung ins Leben. Zu dieser Zeit war
das Interesse an der Kinderrheumatologie bereits erheblich gestiegen. Anläßlich der Jahrestagung des EULAR
Standing Committee of Pediatric Rheumatology kamen
1982 nur 30 Ärzte, 1997 bei der 5th European Conference
on Pediatric Rheumatology bereits über 350 Teilnehmer
nach Garmisch-Partenkirchen. Als nächste Stufe auf der
Leiter nach oben entstand die Pediatric Rheumatology
European Society (PRES) mit ihrer ersten Tagung in Glasgow 1999.
Auch gemeinsame wissenschaftliche Untersuchungen
und Studien wurden intensiviert. Unter dem Dach der
Pediatric Rheumatology International Trials Organization (PRINTO) werden seit 1996 länderübergreifende Stu-
dien organisiert. Das Ziel liegt vor allem in einer Verbesserung und Standardisierung der diagnostischen Zuordnung und medikamentösen Therapie. Als Beispiel sei die
Methotrexat-Studie angeführt: Es wurde nachgewiesen,
dass hohe Dosen (>20 mg/m2/Woche) zu keiner besseren Effektivität, aber zu mehr unerwünschten Wirkungen
führen.
Entwicklung in Deutschland
Auch in einem gemeinsamen europäischen Haus interessieren besonders die Ereignisse im eigenen Land. In der
ehemaligen Bundesrepublik hat sich die klinische Kinderrheumatologie in den 70er und 80er Jahren vor allem
durch neue Wege in der Physiotherapie, Einführen der
Ergotherapie und der Miteinbeziehung der psychosozialen Betreuung im Sinne einer umfassenden multidisziplinären Behandlung des rheumakranken Kindes und seiner Familie weiterentwickelt. Hier war erneut GarmischPartenkirchen federführend. Dort trafen sich mehrfach
Experten aus aller Welt, um Richtlinien für die Krankengymnastik und Ergotherapie zu erarbeiten.
Neue klinische Einrichtungen zunächst in Bad Bramstedt (1977), dann in Sendenhorst (1989) und später in
Neckargemünd (1998) kamen hinzu. Zusätzlich etablierten sich in der zweiten Hälfte der 80er und 90er Jahre an
Universitätskinderkliniken und an größeren städtischen
Kinderkliniken Abteilungen und Zentren für die Betreuung rheumakranker Kinder und Jugendlicher.
In Ostdeutschland war man zu dieser Zeit dem Westen voraus. Bereits 1969 wurde eine Arbeitsgemeinschaft
für Kinderrheumatologie gegründet, die ab 1986 bemerkenswerterweise sowohl ein Teilgebiet der Gesellschaft für
Pädiatrie wie der Gesellschaft für Rheumatologie bildete,
eine weltweit einmalige Konstruktion. Auch war die Kinderrheumatologie bereits als Spezialgebiet mit Zusatzbezeichnung anerkannt. Die Impulse gingen von Dresden
und Halle aus. Es folgten Berlin-Buch und Cottbus.
Nach der Wiedervereinigung 1989 fanden sich die
Kinderrheumatologen aus den alten und neuen Bundesländern rasch zusammen. 1990 wurde in Hannover die
Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (AgKJR) gegründet. Die erste Tagung der AgKJR fand
1991 in Göttingen statt (. Abb. 1.3). Inzwischen treffen sich
über 250 Mitglieder jährlich zum Erfahrungsaustausch,
erarbeiten in Kommissionen Richtlinien für die medikamentöse Therapie, entwickeln detaillierte Schulungsprogramme und verfolgen gemeinsame wissenschaftliche
Projekte. Dem Einsatz der Arbeitsgemeinschaft ist es in
erster Linie zu verdanken, dass die Bundesärztekammer
2004 die Kinderrheumatologie als Subspezialität der Kinder- und Jugendmedizin anerkannt hat.
Bereits 1980 wurde ein Arbeitskreis Eltern rheumakranker Kinder unter dem Dach der Deutschen RheumaLiga als Selbsthilfegruppe und Interessensvertretung ins
Leben gerufen. Ihre Öffentlichkeitsarbeit, die unmittelbare Hilfe für betroffene Familien in enger Kooperation
mit den kinderrheumatologisch tätigen Ärzten, bedeutete einen wichtigen Schritt nach vorne. Eltern erhalten vielfältigen und kompetenten Rat. Fünf Jahre spä-
1
6
Kapitel 1 · Geschichte der pädiatrischen Rheumatologie
. Abb. 1.3. Teilnehmer der ersten Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für
Kinder- und Jugendrheumatologie unter Leitung von Manfred Gahr, Göttingen 1991
1
2
3
4
5
6
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13
14
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16
ter kamen die Young-Rheumis, (heute Junge Rheumatiker), als Zusammenschluss von Jugendlichen und jungen
Erwachsenen hinzu, um den besonderen Belastungen dieser Altersgruppe das notwendige Gewicht zu verschaffen.
Die Gemeinschaft der Betroffenen vermittelt Vertrauen
und Geborgenheit, erleichtert die Krankheitsbewältigung
und fördert vor allem die Akzeptanz in der Gesellschaft.
Insgesamt ist in den letzten 20–30 Jahren ein Netzwerk von Versorgungsstrukturen für rheumakranke
Kinder und Jugendliche entstanden. In der ersten Reihe
steht der in der Praxis tätige Arzt, meist der Kinderarzt.
Er arbeitet eng mit einer Kinderrheumaambulanz zusammen, die meist an einer Universitäts- oder anderen großen
Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde angesiedelt ist.
Schwerer betroffene Kinder bedürfen einer stationären
Behandlung in einem Zentrum mit umfassender multidisziplinärer Kompetenz und entsprechenden Klinikstrukturen, einschließlich der Möglichkeit einer operativen rheumaorthopädischen Versorgung. Die weitaus besten Ergebnisse werden durch die Verbindung der ambulanten und
stationären Behandlung erreicht. Dieses duale System gilt
es auch für die Zukunft zu erhalten. Gleichzeitig erscheint
es dringend wünschenswert, dass die Meinung und Erfahrung der Patienten mehr als bisher in die Qualitätssicherung einbezogen wird.
17
Therapeutische Fortschritte
18
Medikamentös wurde die Behandlung in den letzten Jahren vor allem durch das Methotrexat bereichert. Die ers-
19
20
21
22
23
ten Ergebnisse in der Therapie der JCA wurden 1986 aus
Garmisch-Partenkirchen veröffentlicht. Aufgrund einer
großen kontrollierten Studie, die zu Beginn der 90er Jahre gemeinsam von Kinderrheumatologen der USA und
der UdSSR abgeschlossen wurde, konnte die Wirksamkeit
von Methotrexat bei der chronischen Arthritis im Kindesalter nachgewiesen werden. Diese Studie ist ein hervorragendes frühes Beispiel für die Bedeutung evidenzbasierter Medizin. Im Anschluss daran hat sich Methotrexat als
Goldstandard durchgesetzt. Später kamen als Immunsuppressiva Ciclosporin A und Leflunomid hinzu. Auch die
Kombination von Langzeitmedikamenten gewann erheblich an Bedeutung. Eine neue therapeutische Dimension
wurde durch die Biologika eröffnet, die die gezielte Hemmung definierter proinflammatorischer Zytokine ermöglichen. Die ersten positiven Ergebnisse für das Kindesalter
wurden im Jahr 2000 aus USA veröffentlicht. Inzwischen
sind diese Substanzen für die Behandlung schwerer Verlaufsformen von größter Bedeutung, weitere Fortschritte
sind zu erwarten.
Auch wissenschaftlich ging es in den letzten Jahrzehnten stetig voran. Neue immunologische Erkenntnisse fördern das Krankheitsverständnis und ermöglichen
neue therapeutische Strategien. Durch die enormen Fortschritte der Molekulargenetik wurde die Gruppe der periodischen Fiebersyndrome als »inborn errors of inflammation« mit unterschiedlichen genetischen Ursachen entlarvt. Ein Teil dieser Erkrankungen wurde dadurch einer
gezielten, der Pathogenese entsprechenden Behandlung
zugänglich. Auch auf dem Gebiet der Schmerzforschung
kam man ein großes Stück voran. Erst durch die Erkennung des komplexen Netzwerks der Schmerzverarbeitung und Schmerzbewertung wurden die verschiedenen
Schmerzzustände verständlich.
Durch diese Fortschritte und eine intensivierte und
multidisziplinär ausgerichtete Behandlung einschließlich Schulung und Einbeziehen der Eltern wurde in den
letzten Jahrzehnten die Prognose der meisten rheumatischen Erkrankungen beim Kind und Jugendlichen deutlich verbessert. Dies gilt vor allem für die verschiedenen
Formen der chronischen Arthritis. Durch eine frühzeitige und konsequente Therapie gelingt es häufig, den langwierigen Entzündungsprozess zur Ruhe zu bringen und
auch zu überwinden. Die Gefahr bleibender funktioneller
und morphologischer Gelenkschäden sowie Defekte an
den Augen wurde erheblich reduziert, den Kindern überwiegend ein normales körperliches Wachstum und eine
altersgemäße psychosoziale Entwicklung ermöglicht.
Für den Übergang von rheumakranken Jugendlichen
in das Erwachsenenalter, die sog. Transition mit ihren vielen Problemen, wurden neue Strategien und Konzepte
erarbeitet. Sie erfordern eine enge Kooperation von Kinder- und Erwachsenenrheumatologen. Die entscheidenden Impulse gehen von Sendenhorst und Berlin aus.
1.4 · Pionierzeit der deutschen Kinderrheumatologie: 1950–1975
Ein neues Aufgabengebiet stellen die Schmerz- bzw.
schmerzverstärkenden Syndrome dar. Sie treten zunehmend häufig auch bei Kindern und Jugendlichen mit oder
ohne vorausgegangene Schmerzerfahrung einer akuten
oder chronischen Arthritis auf. Die fibromyalgie-ähnlichen generalisierten Formen dieser weichteilrheumatischen Krankheitsbilder manifestieren sich beim Kind
und Jugendlichen mit weitaus größerer Vielfalt als im
Erwachsenenalter. Auch die lokalisierten Formen wie das
CRPS (Complex Regional Pain Syndrome), die frühere
Reflexdystrophie, haben zugenommen. Komplexe psychosoziale Zusammenhänge und Überforderungen bei
gleichzeitigem Bewegungsmangel werden ursächlich für
die tiefgreifende Störung des nozizeptiven und antinozizeptiven Systems diskutiert. Die aufwändige Behandlung erfordert ein multimodales Konzept mit den Schwerpunkten einer psychologisch ausgerichteten Bewegungsund Erlebnistherapie.
1.4
In Zukunft: Zusammenarbeit
auf internationaler Ebene
Die Kinderrheumatologie hat sich von 1950 bis 1975 zunächst in den einzelnen Ländern der alten Welt weitgehend selbständig entwickelt. In den folgenden 25 Jahren
überwog das Zusammenfinden auf europäischer Ebene. Die Zukunft wird vom Miteinander auf internationaler Ebene geprägt werden. Dies zeichnet sich beispielsweise bei der Nomenklatur ab. Etwa 20 Jahre nach der wichtigen Tagung der europäischen Kinderrheumatologen
in Oslo wurde unter der Schirmherrschaft der International League of Associations for Rheumatology (ILAR)
und der World Health Organisation (WHO) ein Expertengremium aus der alten und neuen Welt beauftragt, eine weltweit gültige Nomenklatur und Klassifikation der
verschiedenen Verlaufsformen der chronischen Arthritis
beim Kind und Jugendlichen zu erarbeiten. Auf der ersten
Sitzung in Santiago kam 1995 der Vorschlag, den Begriff
der juvenilen chronischen Arthritis (JCA) in Europa und
der juvenilen rheumatoiden Arthritis (JRA) in USA durch
die Bezeichnung juvenile idiopathische Arthritis (JIA) zu
ersetzen. Die früheren 5 Subgruppen der JCA wurden in
7 Kategorien der JIA umgestaltet, für deren Zuordnung
Ein- und Ausschlusskriterien erarbeitet wurden. 1997 in
Durban und 2001 in Edmonton wurden Korrekturvorschläge in die Klassifikation aufgenommen.
Der Begriff der JIA ist inzwischen bei allen europäischen Studien eingeführt. Auch in der klinischen Tätigkeit wird er in Europa immer häufiger verwendet. In den
USA hält man bislang überwiegend an der Bezeichnung
juvenile rheumatoide Arthritis fest. Es sollte möglichst
bald ein gemeinsamer Nenner gefunden werden.
Die Gründung einer internationalen Gesellschaft für
Kinder- und Jugendrheumatologie würde dazu beitragen,
7
den Austausch von Informationen zu beschleunigen und
die Durchführung von weltweiten Studien zu fördern.
1
9
2.1 ·
Grundlagen der Autoimmunität
G. Dannecker, O. Frey, J.-P. Haas, G. Horneff, T. Kamradt, J. Roth, A. Tarakhovsky, N. Wagner,
F. Zepp
2.1
T-Lymphozyten
– 11
2.1.1
2.1.2
2.1.3
2.1.4
2.1.5
Entwicklung von T-Zellen – 11
Antigenpräsentation und Aktivierung von T-Zellen – 14
Effektormechanismen von T-Zellen – 17
T-Zell-Toleranz – 20
T-Zellen und Autoimmunität – 22
Weiterführende Literatur
– 23
2.2
B-Zellen
2.2.1
2.2.2
2.2.3
2.2.4
Entwicklung von B-Zellen – 23
Struktur und Funktion von Immunglobulinen
Funktion von B-Zellen – 27
Toleranz und Autoimmunität – 29
Literatur
– 23
– 25
– 31
2.3
Monozyten und Makrophagen
2.3.1
2.3.2
2.3.3
Differenzierungswege und Aktivierungsmechanismen von Makrophagen – 31
Effektorfunktionen von Makrophagen – 32
Die Rolle von Makrophagen in entzündlichen Arthritiden und Autoimmunerkrankungen – 33
Literatur
– 31
– 36
2.4
Genetik
– 36
2.4.1
2.4.2
2.4.3
Juvenile idiopathische Arthritis – 36
Andere Autoimmunerkrankungen des Kindes- und Jugendalters – 40
Erberkrankungen mit Autoimmunphänomenen – 40
Literatur
– 42
2.5
Zytokine
– 42
2.5.1
2.5.2
2.5.3
2.5.4
2.5.5
2.5.6
2.5.7
2.5.8
Grundlagen – 42
Zytokine und die natürliche, unspezifische Immunität – 44
Zytokine und die erworbene, spezifische Immunität – 45
Interleukine – 46
Die Tumor-Nekrose-Faktor-Familie und ihre Rezeptoren – 52
Interferone – 54
Chemokine – 54
Zytokine in der Immunpathogenese der rheumatoiden Arthritis
Literatur
– 59
– 55
2
10
1
2
Kapitel 2 · Grundlagen der Autoimmunität
2.6
Autoimmunität und Infektion
2.6.1
2.6.2
2.6.3
Pathogenese von Autoimmunkrankheiten – 60
Von der Infektion zur Autoimmunität? – 61
Können Infektionen vor Autoimmunkrankheiten schützen?
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
Weiterführende Literatur
– 60
– 62
– 64
2.7
Zusammenfassung: Pathogenese der Autoimmunkrankheiten
2.7.1
2.7.2
2.7.3
2.7.4
2.7.5
2.7.6
Genetische Grundlagen (7 Kap. 2.4) – 64
T-Zellen und B-Zellen (7 Kap. 2.1; 7 Kap. 2.2) – 64
Infektionen und Autoimmunerkrankungen (7 Kap. 2.6)
Zytokine (7 Kap. 2.5) – 66
Monozyten und Makrophagen (7 Kap. 2.3) – 66
(Spekulatives) Fazit – 66
Literatur
– 67
– 66
– 64
11
2.1 · T-Lymphozyten
2.1
T-Lymphozyten
O. Frey, T. Kamradt
T-Lymphozyten (T-Zellen) nehmen bei der Bildung von
Immunantworten eine wesentliche Rolle ein, da sie einerseits wichtige Effektorzellen des Immunsystems sind und
andererseits bedeutende Aufgaben bei der Initiation, der
Aufrechterhaltung und der Regulation von Immunantworten erfüllen. Wohl am deutlichsten wird die zentrale
Rolle dieser Zellpopulation am Beispiel der HIV-Infektion
illustriert, in deren Folge es aufgrund eines zunehmenden
Mangels an T-Helferzellen zu opportunistischen Infektionen kommt, die letztendlich tödlich verlaufen.
Alle T-Zellen besitzen einen Antigenrezeptor, den TZell-Rezeptor (TZR), und exprimieren zusätzlich Korezeptoren, anhand derer sich eine erste funktionelle Unterteilung vornehmen lässt. Es gibt T-Zellen, die den Korezeptor CD8 exprimieren. Diese werden auch als zytotoxische
T-Zellen bezeichnet. Diese CD8-positiven (CD8+) zytotoxischen T-Zellen sind darauf spezialisiert, infizierte Körperzellen zu erkennen und zu töten. Ihr T-Zell-Rezeptor
erkennt Antigene im Kontext mit MHC-Klasse-I-Molekülen. MHC-Klasse-I-Moleküle werden auf der Membran aller kernhaltigen Zellen exprimiert. Sie präsentieren
Antigene, die aus dem Zytosol stammen, also von der Zelle
selbst produziert wurden. Dabei handelt es sich normalerweise um zelleigene Proteine, bei Infektionen mit Viren
oder anderen intrazellulären Erregern werden jedoch
auch virale bzw. mikrobielle Proteine von der infizierten
Zelle produziert und gelangen mit den MHC-Klasse-IMolekülen auf die Zellmembran, wo sie von CD8+-T-Zellen erkannt werden können. Durch die Zerstörung der
infizierten Zellen verhindern zytotoxische T-Zellen die
Bildung neuer viraler Partikel.
CD4-positive T-Zellen werden als T-Helferzellen (TH)
bezeichnet. Sie erkennen Antigene, die von MHC-KlasseII-Molekülen präsentiert werden. MHC-Klasse-II-Moleküle werden ausschließlich von professionellen antigenpräsentierenden Zellen, dazu zählen dendritische Zellen, Makrophagen und B-Zellen, exprimiert. Bezüglich
ihrer Effektorfunktion stellen CD4+-T-Zellen eine heterogene Zellpopulation dar. So können sie u. a. Makrophagen und andere Effektorzellen des angeborenen Immunsystems aktivieren und die Bildung von Immunglobulinen
durch B-Zellen steuern. Diese vielfältigen und hocheffektiven Funktionen ermöglichen die erfolgreiche Abwehr
fast aller Pathogene durch das Immunsystem. Eine inadäquate oder fehlregulierte T-Zell-Antwort ist an der Entstehung von Autoimmunerkrankungen wie Typ-1-Diabetes, multipler Sklerose oder rheumatoider Arthritis, aber
auch von allergischen Erkrankungen beteiligt.
2.1.1
Entwicklung von T-Zellen
T-Zellen entwickeln sich wie alle Zellen des Immunsystems aus undifferenzierten Vorläufern, den hämatopoetischen Stammzellen. Die lymphoiden Vorläuferzellen
entstehen im Knochenmark aus pluripotenten Stammzellen. Während die B-Lymphozyten im Knochenmark
ausreifen und als funktionsfähige Zellen ins Blut gelangen, wandern unreife T-Zell-Vorläufer aus dem Knochenmark über das Blut in den Thymus ein. Dort finden alle wesentlichen Entwicklungsschritte vom T-Zell-Vorläufer bis hin zur reifen T-Zelle statt. Eine Aplasie des Thymus, beispielsweise beim DiGeorge-Syndrom führt zu einer drastisch verringerten Anzahl der peripheren T-Zellen und damit der zellulären Immunantwort und der TZell-abhängigen Antikörperproduktion. Ein wesentlicher
Teil der intrathymischen Entwicklung und Reifung von TZellen ist die Generierung der T-Zell-Rezeptoren sowie
die positive und negative Selektion der T-Zell-Vorläufer.
Entstehung der Diversität der T-Zell-Rezeptoren
Die Antigenrezeptoren der T-Zellen (oder T-Zell-Rezeptoren, TZR) bestehen aus zwei Ketten, entweder einer αund einer β-Kette oder einer γ- und einer δ-Kette. T-Zellen mit einem αβ-TZR stellen mit über 90% den Hauptanteil der T-Zellen im Organismus. T-Zellen mit einem
γδ-TZR kommen vorwiegend als intraepitheliale T-Zellen vor und unterscheiden sich in Antigenspezifität und
Funktion deutlich von αβ-T-Zellen. Die physiologische
Funktion der γδ-T-Zellen ist immer noch nicht sicher bekannt. Deshalb werden im Folgenden nur die αβ-T-Zellen besprochen.
Eine weitere Zellpopulation, die einen T-Zell-Rezeptor
exprimiert, sind natürliche Killer-T- (NKT-)Zellen. Diese
Zellen exprimieren sowohl T-Zell- als auch NK-Zell-Marker. Auch ihre Rolle in der Pathogenese von Autoimmunerkrankungen ist noch so unklar, dass auf ihre nähere
Beschreibung hier verzichtet wird.
Wie Immunglobuline sind auch T-Zell-Rezeptoren
nicht durch ein einzelnes Gen im Erbgut kodiert, sondern entstehen durch Rekombination (auch als Rearrangement bezeichnet) einzelner Gensegmente während der
Entwicklung jeder T-Zelle. Diese Gensegmente werden
als V- (»variable«), D- (»diversity«), J- (»joining«) und C(»constant«) Gene bezeichnet. Jede TZR-β-Kette besteht
also aus jeweils einem V-, D-, J- und C-Element; die TZRα-Ketten weisen keine D-Elemente auf, bestehen also aus
jeweils einem V-, J- und C- Element. Die Segmente, aus
denen die α-Kette entsteht, liegen auf Chromosom 14 und
bestehen aus 70–80 Vα, 61 Jα und einem C-Gen, während
die für die β-Kette kodierenden Gensegmente (52 Vβ, 13 Jβ,
2 Dβ und 2 Cβ) auf Chromosom 7 liegen (. Abb. 2.1).
Der erste Schritt in der Generierung eines TZR besteht
in der erfolgreichen Rekombination der Gene für die βKette. Diese erfolgt zunächst durch die Zusammenlage-
2
12
1
Kapitel 2 · Grundlagen der Autoimmunität
Vα1-80
Jα1-61
Cα
α-Ketten-Gene der Keimbahn-DNA
2
rearrangierte DNA für α-Kette
3
variable konstant
T-Zell-Rezeptor (Protein)
4
. Abb. 2.1. Schematische Darstellung der
Rekombination der T-Zell-Rezeptor- (TZR-)
Ketten. Während der Entwicklung jeder TZelle kommt es zur Rekombination der
Keimbahn-DNA der einzelnen Gensegmente
für die α- und die β-Kette des TZR. An den
Verbindungsstellen der einzelnen Gensegmente werden noch Nukleotide eingefügt.
Nach der Transkription und Translation der
einzelnen Ketten wird der komplette TZR
aus beiden Ketten gebildet
5
rearrangierte DNA für β-Kette
6
β-Ketten-Gene der Keimbahn-DNA
7
Vβ1-52 Dβ1 und 2 Jβ1-13
Cβ1 und 2
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22
23
rung eines Vβ- mit einem Jβ-Segment zu einem VJβ-Segment. Im zweiten Schritt lagert sich dieses VJβ-Segment
mit einem D-Segment zu einem VDJβ-Gen zusammen.
Dieses rearrangierte VDJβergibt zusammen mit einem
Cβ-Segment die komplette TZR-β-Kette. Durch die hohe
Anzahl verschiedener V-, D- und J-Gene können allein
durch die Rekombination dieser Gene mehr als 2000 verschiedene β-Ketten generiert werden. Diese Diversität
durch Rekombination wird noch dadurch erhöht, dass
an den Verbindungsstellen der einzelnen Gensegmente
zufällig Nukleotide eingefügt werden können.
Die rearrangierte TZR-β-Kette wird zunächst zusammen mit einer invarianten Surrogat-α-Kette (und dem
CD3-Komplex, s. unten) auf der Zelloberfläche exprimiert.
Die Expression dieses Prä-T-Zell-Rezeptors hat mehrere
Konsequenzen: Erstens wird eine weitere Rekombination der für die β-Kette kodierenden Gene unterdrückt, so
dass jede T-Zelle nur eine β-Kette exprimieren kann. Dies
bezeichnet man als »allelische Exklusion«. Zweitens führt
die Aktivierung des Prä-TZR zu einer Proliferation der TZell-Vorläufer. Dadurch kommt es zu einer Expansion der
T-Zell-Vorläufer mit diesem erfolgreich rekombinierten
TZR-β-Ketten-Lokus. Nach dem Ende der proliferativen
Phase ist jede dieser T-Zellen mit gleichartig rearrangierter β-Kette in der Lage, individuell die Gene für die α-Kette
zu rearrangieren. Das bedeutet, dass beliebige Kombinationen aus der rearrangierten β-Kette mit einer rearrangierten α-Kette gebildet werden können. Dies bezeichnet man
als kombinatorische Diversität. Die Rekombination der
TZR-α-Kette erfolgt genauso wie die Rekombination der
β-Ketten-Gene, mit der Ausnahme, dass für die α-Kette
keine D-Gensegmente existieren.
Bemerkenswert an der Rekombination der TZR-Gene
ist die enorme Anzahl der möglichen T-Zell-Rezeptoren,
die hierdurch entstehen können. Allein die Kombination
der verschiedenen Gensegmente erlaubt knapp 6 Millio-
nen verschiedene TZR. Durch das zufällige Einfügen von
Nukleotiden an den Verbindungsstellen der einzelnen
Gensegmente wird die Anzahl der theoretisch denkbaren
T-Zell-Rezeptoren auf über 1x1014 erhöht.
Der extrazelluläre Teil der α- und der β-Kette besitzt
eine konstante und eine variable Region. Für die variablen Regionen kodieren die V- und J-Segmente (und
D-Segmente bei der β-Kette) der rearrangierten Keimbahn-DNA, während die C-Gene für den konstanten
Anteil der Ketten kodieren. Die variable Region beider
Ketten zusammen bildet den antigenbindenden Teil des
TZR. Beide Ketten sind kovalent miteinander verbunden. Sie besitzen beide eine Transmembranregion und
einen kurzen zytoplamatischen Teil. Der zytoplasmatische
Teil der TZR-Ketten selbst besitzt keine Bindungsstellen
für Signaltransduktionsmoleküle. Die αβ-Kette ist daher
immer gemeinsam mit einem Komplex verschiedener
invarianter Moleküle exprimiert, die die Signaltransduktion in die Zelle vermitteln. Dieser Komplex wird als CD3Komplex bezeichnet und besteht aus zwei ε-, einer γ- und
einer δ-Kette, die auf der Zelloberfläche exprimiert werden, sowie zwei intrazellulären ζ-Ketten. Alle diese Ketten besitzen sog. ITAM (»immunoreceptor tyrosine-based
activation motif«), an denen durch Phosphorylierung von
Tyrosinresten die Signaltransduktionskaskade in Gang
gesetzt wird.
! Die Diversität der T-Zell-Rezeptoren entsteht durch drei
Mechanismen:
5 In jeder T-Zelle werden die Gene für die α- und β-Untereinheiten rearrangiert (Diversität durch Rekombination).
5 Dabei können an den Verbindungsstellen der einzelnen Gensegmente noch zufällig Nukleotide eingefügt
werden (junktionale Diversität).
2.1 · T-Lymphozyten
5 Die zufällige Kombination der rearrangierten α- und
β-TZR-Ketten wird als kombinatorische Diversität bezeichnet.
MHC-Restriktion von T-Zellen
Im Gegensatz zu B-Zellen können T-Zellen keine löslichen Antigene erkennen. Prinzipiell können T-Zellen
durch Pathogene oder deren Bestandteile nicht direkt aktiviert werden. Außerdem erkennen T-Zellen ausschließlich Peptide, sind also »blind« für alle anderen chemischen
Substanzklassen. Jedes Antigen muss also zunächst in der
Zelle in Peptide zerlegt werden und wird dann von bestimmten Molekülen gebunden, die sie schließlich den TZellen präsentieren. Diese für die Antigenpräsentation
spezialisierten Moleküle werden als MHC- (»major histocompatibility complex-«)Moleküle bezeichnet.
Die Gene, die für die MHC-Moleküle kodieren, sind
beim Menschen auf dem Chromosom 6 lokalisiert. Man
unterscheidet drei Klassen von MHC-Genen: Klasse-Iund Klasse-II-Gene kodieren u. a. für die Moleküle, mit
denen Antigene präsentiert werden, während KlasseIII-Gene für verschiedene andere Moleküle, die für die
Immunabwehr wichtig sind, kodieren (z. B. Komplementfaktoren, Tumor-Nekrose-Faktor). Beim Menschen werden diese Gene als HLA (»human leukocyte antigen«)
bezeichnet. Klasse-I-Moleküle sind Heterodimere, die
aus einer α-Kette und einer konstanten β-Kette, dem β2Mikroglobulin, bestehen. Sie werden auf der Oberfläche
aller kernhaltigen Zellen exprimiert. Beim Menschen existieren drei unterschiedliche Genorte für MHC-I-α-Ketten, die zusammen mit der β2-Mikroglobulin HLA-A-, -Boder -C-Moleküle formen. Die Klasse-II-Moleküle werden
normalerweise nur auf Zellen exprimiert, die auf die Präsentation von Antigenen spezialisiert sind. Solche professionellen antigenpräsentierenden Zellen (APZ) sind beispielsweise B-Zellen, Makrophagen und dendritische Zellen. HLA-Klasse-II-Moleküle bestehen aus einer α- und
einer β-Kette. Diese Ketten werden kodominant exprimiert. Jeder Mensch exprimiert deshalb für jeden Genort
der MHC-Klasse-II-Moleküle (DR, DP, DQ) zwei α- und
zwei β-Ketten (je eine von Vater und Mutter). Diese bilden
dann die αβ-Heterodimere der MHC-Klasse-II-Moleküle.
Die Tatsache, dass in jedem Menschen verschiedene Genorte existieren, die für unterschiedliche Proteine mit gleicher Funktion kodieren, wird als Polygenie bezeichnet.
HLA-Moleküle sind hochpolymorph. So existieren
beispielsweise in der menschlichen Population mehr als
500 verschiedene Allele, die für die α-Kette von HLA-B
kodieren. Die HLA-Moleküle werden kodominant exprimiert. Ungeachtet der verschiedenen allelen Varianten der
HLA-Moleküle in der Gesamtpopulation exprimiert jeder
einzelne Mensch also je zwei HLA-A, -B oder -C und zwei
HLA-DR, -DP und -DQ. Durch den enormen Polymorphismus der HLA-Gene in der Population sind die meisten
Menschen heterozygot an jedem dieser Genorte. Deswe-
13
gen exprimiert jeder Mensch 6 verschiedene HLA-KlasseI-Moleküle (je ein HLA-A, -B oder -C von Vater und von
Mutter). Da die HLA-Klasse-II-Moleküle aus einer α- und
einer β-Kette bestehen, für die jeweils allele Formen existieren, wird die Diversität dieser Moleküle noch gesteigert, indem Kombinationen aus α- und β-Ketten mütterlicher und väterlicher Herkunft gebildet werden.
Trotz ihrer unterschiedlichen Zusammensetzung
aus entweder einer polymorphen α- und einer konstanten β-Kette (HLA-Klasse I) oder zwei polymorphen Ketten (HLA-Klasse II) sind sich beide Moleküle äußerlich
sehr ähnlich. Beide Klassen von HLA-Molekülen besitzen an ihrer Oberfläche eine Grube, in die das antigene
Peptid gebunden wird. Diese Bindungstasche wird bei
den Klasse-I-Molekülen von der α-Kette allein und bei
den Klasse-II-Molekülen gemeinsam von der α- und der
β-Kette gebildet. Diese Struktur aus Antigenbindungsgrube und dem daran gebundenen Antigenpeptid ist die
eigentliche Struktur, die Kontakt mit dem T-Zell-Rezeptor hat und von diesem erkannt wird. Die allelen Formen
der HLA-Moleküle unterscheiden sich hauptsächlich in
dem Bereich der einzelnen Ketten, die diese Bindungstasche für das Antigen bilden. Das bedeutet, dass die allelen
Formen der Moleküle unterschiedliche Spezifitäten für
die Bindung von Peptiden besitzen. Jeder Mensch verfügt also über ein individuelles Repertoire an antigenbindenden Molekülen, die unterschiedliche Peptide binden
können.
Der Polymorphismus der HLA-Moleküle in der Population und die Polygenie im Individuum vergrößern also
das Repertoire von Peptiden, die gebunden und den T-Zellen präsentiert werden können. So wird verhindert, dass
sich Pathogene durch Mutation der Bindung ihrer Peptide an die HLA-Moleküle der Immunantwort entziehen
können. Andererseits macht dies ein genau auf die exprimierten HLA-Moleküle abgestimmtes TZR-Repertoire
notwendig. Diese Abstimmung findet durch Selektionsprozesse im Thymus statt. Diese Selektionsprozesse sorgen dafür, dass eine T-Zelle ein Peptid nur im Kontext mit
einem bestimmten HLA-Molekül erkennen kann. Wenn
das gleiche Peptid von einem anderen HLA-Molekül präsentiert wird, kann die gleiche T-Zelle dadurch nicht aktiviert werden. Dieses Phänomen wird als MHC-Restriktion von T-Zellen bezeichnet.
Antigenpräsentation ist die einzig bekannte Aufgabe
von HLA-Molekülen. Die Häufung bestimmter HLAAllele bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen und
deren Assoziation mit schweren Verläufen ist also ein
gewichtiger Hinweis auf eine Beteiligung von T-Zellen in
der Pathogenese von Autoimmunität (7 2.1.5).
T-Zellen können nur durch an HLA-Moleküle gebundene Peptide aktiviert werden. Diese HLA-Moleküle
sind:
5 polygen, d. h. es existieren mehrere unterschiedliche
Moleküle mit gleichartiger Funktion, und
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23
Kapitel 2 · Grundlagen der Autoimmunität
5 polymorph, d. h. von jedem Gen existieren in der
Population allele Varianten.
Die T-Zellen eines Individuums erkennen nur Antigene,
die von MHC-Molekülen des Individuums präsentiert
werden. Dies wird als MHC-Restriktion von T-Zellen bezeichnet.
Positive und negative Selektion
Die mehr oder weniger zufällig verlaufende Rekombination der TZR-Gene und die Diversität der HLA-Moleküle,
die durch deren Polygenie und Polymorphismus verursacht wird, garantiert, dass ein möglichst breites Spektrum
an Antigenen durch die T-Zellen erkannt werden kann.
Andererseits ist es dadurch auch möglich, dass TZR entstehen, die keine Peptid/HLA-Moleküle erkennen können, also für die Immunantwort nutzlos sind. Die andere
mögliche Konsequenz aus der zufälligen Zusammensetzung der TZR ist, dass solche TZR entstehen, die körpereigene Antigene erkennen und so Autoimmunität verursachen können. Durch die Selektion der T-Zellen im Thymus soll verhindert werden, dass solche nutzlosen oder
potenziell gefährlichen T-Zellen in das periphere Immunsystem entlassen werden. Diese Prozesse sind sehr effizient: Nur ca. 5% der T-Zell-Vorläufer verlassen jemals als
reife T-Zelle den Thymus. Die Selektionsprozesse verlaufen in zwei Stufen, die als positive oder negative Selektion bezeichnet werden.
Während der positiven Selektion interagieren die TZell-Vorläufer mit kortikalen Epithelzellen des Thymus,
auf denen sowohl MHC-Klasse-I- und -Klasse-II-Moleküle exprimiert werden. In diesem Stadium werden von
den T-Zellen beide Korezeptoren (sowohl CD4 als auch
CD8) exprimiert. Falls der TZR also entweder ein KlasseI- oder ein Klasse-II-Molekül erkennt, erhält die T-Zelle
ein Aktivierungssignal und differenziert sich weiter. T-Zellen, die MHC-Klasse-I-Moleküle erkennen, exprimieren
dann nur noch CD8 und entwickeln sich zu zytotoxischen
T-Zellen. Diejenigen T-Zellen, die Klasse-II-Moleküle
erkennen, exprimieren später nur noch CD4 und differenzieren sich zu T-Helferzellen. T-Zellen, deren TZR überhaupt nicht sinnvoll mit den MHC-Molekülen des Individuums interagieren kann, werden durch Apoptose eliminiert. Bei der positiven Selektion werden also die T-Zellen
ausgewählt, die überhaupt in der Lage sind, selbst MHCMoleküle zu erkennen und gleichzeitig ihre Zugehörigkeit
zu den funktionell unterschiedlichen T-Zell-Subpopulationen festgelegt. Insgesamt sind nur jeweils ca. 2% aller
T-Zell-Vorläufer in der Lage, MHC-I- oder -II-Moleküle
zu erkennen, so dass über 95% aller Zellen eliminiert werden.
Die überlebenden T-Zellen wandern tiefer in das
Mark des Thymus ein und »scannen« dort professionelle
antigenpräsentierende Zellen, die über das Blut einwandern, und Stromazellen des Thymus. Diese Zellen expri-
mieren Selbstpeptid/MHC-Moleküle. Die T-Zellen, deren
TZR mit hoher Avidität diese Selbstantigen/MHC-Komplexe erkennt, sterben durch Apoptose. Somit werden TZellen eliminiert, die körpereigene Antigene erkennen
und damit potenziell gefährlich sind. Im Thymus werden
dazu eine Reihe von Autoantigenen exprimiert, die normalerweise nur in bestimmten Organen oder Geweben
exprimiert werden. Diese promiskuitive Genexpression in
den Stromazellen des Thymus wird u. a. durch das Molekül AIRE (»autoimmune regulator«) gesteuert. Ein durch
Mutationen verursachter Funktionsverlust des AIRE-Proteins ist die Ursache des APS-1 (»autoimmune polyglandular syndrome 1«), auch als APECED (»autoimmune
polyendocrinopathy, candidiasis, ectodermal dystrophy«)
bekannt. Diese monogene Autoimmunerkrankung ist
gekennzeichnet durch Autoimmunattacken besonders der
endokrinen Organe und erhöhte Titer organspezifischer
Autoantikörper. Die Elimination von T-Zellen, die körpereigene Strukturen sehr gut erkennen können, ist ein
wesentlicher Mechanismus, mit dem Autoimmunität verhindert wird. Das Nichterkennen körpereigener Strukturen wird als immunologische Toleranz bezeichnet. Da der
Thymus ein primäres oder zentrales lymphatisches Organ
ist, wird die Elimination autoreaktiver T-Zellen als zentrale Toleranz bezeichnet.
Wichtig Start
! Durch Selektionsprozesse im Thymus wird das durch Rekombination zufällig generierte T-Zell-Rezeptor-Repertoire an das individuelle Muster von HLA-Molekülen des
Organismus angepasst:
5 Durch positive Selektion werden T-Zell-Vorläufer eliminiert, die nicht mit den HLA-Molekülen des Körpers interagieren können.
5 Durch negative Selektion werden T-Zellen eliminiert,
die eine zu hohe Affinität zu Selbstpeptid/MHC-Molekülen aufweisen.
Die negative Selektion ist ein wichtiger Mechanismus der
Verhinderung von Autoimmunität. Sie wird auch als zentrale Toleranz bezeichnet.
2.1.2
Antigenpräsentation und Aktivierung
von T-Zellen
Generierung von MHC/Peptid-Komplexen
HLA-Klasse-I- und -Klasse-II-Moleküle unterscheiden
sich durch die Herkunft der Antigene, die sie T-Zellen
präsentieren. HLA-Klasse-I-Moleküle, die auf allen kernhaltigen Zellen exprimiert werden, präsentieren normalerweise Antigene, die von der Zelle selbst synthetisiert
werden. Dies können beispielsweise virale Proteine sein,
die im Zytoplasma synthetisiert werden. Diese Proteine werden von einem Proteinkomplex, dem Proteasom,
2.1 · T-Lymphozyten
in Peptidfragmente degradiert. Die Antigenpeptide werden vom Transportprotein TAP (»transporter associated
with antigen processing«) in das Lumen des endoplasmatischen Retikulums transportiert und dort mit der α-Kette
des HLA-Klasse-I-Moleküls und β2-Mikroglobulin zum
kompletten Klasse-I-Molekül komplexiert. Der komplette
Komplex aus HLA-Klasse-I-Molekül und Peptid wird
dann auf der Oberfläche der Zelle exprimiert.
HLA-Klasse-II-Moleküle werden normalerweise nur
von professionellen antigenpräsentierenden Zellen, also
Makrophagen, dendritischen Zellen und B-Lymphozyten, exprimiert. Diese Zellen nehmen exogene Antigene
durch Phagozytose auf. Die dadurch entstandenen Vesikel, sog. Phagosomen, fusionieren dann mit Lysosomen.
Dadurch sinkt der pH-Wert in den Vesikeln ab, was zur
Aktivierung verschiedener Proteasen führt. Durch diese
Proteasen werden dann die aufgenommenen Antigene
degradiert. Die MHC-Klasse-II-Moleküle werden wie
die Klasse-I-Moleküle im endoplasmatischen Retikulum
(ER) generiert. Im Gegensatz zum Klasse-I-Präsentationsweg werden die Antigenpeptide jedoch nicht dorthin
transportiert, sondern die MHC-Klasse-II-Moleküle werden in speziellen Vesikeln (»MHC class II compartment«,
MIIC) mit den antigenen Peptiden beladen. Dabei ist es
essenziell, dass die MHC-Klasse-II-Moleküle nicht bereits
bei ihrer Bildung im ER mit Peptiden binden, die dorthin transportiert oder von der Zelle selbst gebildet werden. Dies wird durch eine invariante Kette verhindert, die
die antigenbindende Grube des MHC-Klasse-II-Moleküls
blockiert. Auf ihrem Weg zur Zelloberfläche fusionieren
die Phagosomen, die das prozessierte Antigen enthalten,
mit den MIIC-Vesikeln. Durch die aktivierten Proteasen wird dann die invariante Kette vom MCH-II-Molekül
entfernt und dieses mit dem Antigenpeptid beladen. Der
Komplex aus Peptid und MHC-II wird dann auf der Zelloberfläche exprimiert.
! Die Antigene, die von HLA-Klasse I oder -Klasse II präsentiert werden, unterscheiden sich in ihrer Herkunft:
5 HLA-Klasse I präsentiert Peptide, die von der Zelle
selbst synthetisiert werden.
5 HLA-Klasse II präsentiert Peptide, die von APZ aufgenommen werden.
In beiden Fällen kann es sich um körpereigene oder von
Pathogenen stammende Peptide handeln.
T-Zell-Aktivierung
Nachdem sie den Thymus über den Blutstrom verlassen
haben, erreichen naive T-Zellen sekundäre lymphatische
Organe wie Lymphknoten und Milz. Dort verlassen sie
die Blutbahn, wandern durch das lymphatische Gewebe
und erreichen dann wieder den Blutstrom. Naive T-Zellen rezirkulieren also ständig durch die sekundär-lymphatischen Organe. Nur in den sekundären lymphatischen
Organen sind die Bedingungen gegeben, die zur Aktivie-
15
rung naiver T-Lymphozyten notwendig sind. Demzufolge
müssen die Antigene auch in diese Organe transportiert
werden. Dies geschieht im Wesentlichen durch antigenpräsentierende Zellen (APZ). Besonders effiziente APZ
sind dendritische Zellen (DZ). Diese sind strategisch an
allen Eintrittspforten des Körpers für Mikroorganismen
lokalisiert, also in der Haut und in den oberen Schichten von der Schleimhaut von Atmungs-, Verdauungs- und
Urogenitaltrakt. Die DZ patroullieren durch diese Gewebe und phagozytieren ständig Antigene. Dies können einerseits körpereigene Antigene aus abgestorbenen Zellen
oder aber Antigene von Pathogenen sein.
Seit einiger Zeit weiß man, dass die lebenswichtige
Unterscheidung zwischen harmlosen Selbstantigenen und
Fremdantigenen, die eine adaptive Immunantwort notwendig machen, nicht von den Lymphozyten mit ihren
klonalen Antigenrezeptoren getroffen wird. Die sog.
Fremd/Selbst- Unterscheidung wird von den Zellen des
angeborenen Immunsystems, z. B. den phagozytierenden
DZ getroffen. DZ und andere Zellen des angeborenen
Immunsystems besitzen sog. Toll-like-Rezeptoren (TLR).
Diese TLR entstehen nicht, wie T-Zell-Rezeptoren, durch
die Rekombination bestimmter Gensegmente im Individuum. Sie sind demnach keine klonalen Rezeptoren,
sondern sind evolutionär hochkonserviert. Sie sind deswegen auch nicht in der Lage, ein breites Spektrum von
Antigenen zu erkennen, sondern nur bestimmte molekulare Muster, die bei Mikroorganismen, aber nicht beim
Menschen vorkommen. Diese molekularen Muster werden auch als »pathogen-associated molecular pattern«
(PAMP) bezeichnet. Ein Beispiel dafür ist Lipopolysaccharid (LPS, Endotoxin), ein Bestandteil gramnegativer Bakterien. LPS bindet an den TLR4 und induziert eine massive Aktivierung der Zelle. Andere Beispiele für PAMP,
die von spezifischen TLR erkannt werden, sind doppelsträngige RNA (spezifisch für Viren, bindet an TLR3),
bestimmte Lipoproteine (spezifisch für grampositive Bakterien) und Zymosan (spezifisch für Hefen, binden TLR2)
und CpG-Motive in der DNA (spezifisch für Bakterien,
binden TLR9). Insgesamt sind 11 unterschiedliche TLR
mit Spezifität für unterschiedliche PAMP bekannt. Hier –
und nicht bei den Lymphozyten – findet die immunologische Selbst/Fremd-Unterscheidung statt!
Die Aktivierung von Toll-like-Rezeptoren auf DZ führt
zu einer Reihe von Veränderungen, die für die Induktion
einer T-Zell-Antwort notwendig sind. Dies wird als Ausreifung der DZ bezeichnet.
5 Es kommt zu einer vermehrten Präsentation von Peptid/MHC-Komplexen und von Molekülen, die für
eine T-Zell-Aktivierung notwendig sind.
5 Reife DZ sind nicht mehr in der Lage, weiter Antigene zu phagozytieren. Dies soll verhindern, dass
Autoantigene von bereits durch TLR-Signale aktivierten DZ aufgenommen und präsentiert werden
können.
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Kapitel 2 · Grundlagen der Autoimmunität
5 Aktivierte DZ migrieren in die jeweiligen drainierenden Lymphknoten, den Ort der T-Zell-Aktivierung.
Rezirkulierende naive T-Zellen wandern über »high endothelial venules« aus dem Blutstrom in die Lymphknoten ein. Dort haben sie viele transiente Kontakte mit DZ.
Man geht davon aus, dass eine DZ pro Stunde mit ca. 500–
5000 verschiedenen T-Zellen interagieren kann. T-Zellen,
die auf ihrem Weg durch den Lymphknoten nicht auf eine APZ treffen, deren Peptid/MHC-Komplexe sie erkennen können, verlassen den Lymphknoten wieder und zirkulieren durch andere sekundär-lymphatische Organe.
Diese ständige Rezirkulation der Lymphozyten durch den
Körper erhöht die Wahrscheinlichkeit des Zusammentreffens einer T-Zelle mit einer bestimmten TZR-Spezifität mit einer DZ mit dem entsprechenden Peptid/MHCKomplex. Es wird angenommen, dass die Frequenz von
naiven T-Zellen, die spezifisch für ein bestimmtes Antigen sind, nur zwischen 0,0001 und 0,000001% aller T-Zellen beträgt. Deswegen sind die DZ, die Antigene aus peripheren Geweben in die Lymphknoten transportieren, in
den Bereichen der Lymphknoten lokalisiert, in denen die
rezirkulierenden T-Zellen aus dem Blut in diese Organe
eintreten.
Erkennt eine T-Zelle mit ihrem TZR den entsprechenden Peptid/MHC-Komplex, kommt es zur Ausbildung einer komplexen Struktur, die aus Peptid/MHC/
TCR-Komplexen sowie Adhäsionsmolekülen besteht,
dem sog. »supramolecular activation cluster« (SMAC).
Dieser SMAC stabilisiert die Interaktion mit der APZ
und sorgt gleichzeitig für eine Konzentration der für die
Signalübermittlung ins Zellinnere notwendigen Moleküle.
Die Bindung des TZR und der entsprechenden Korezeptoren (CD4 oder CD8) am Peptid/MHC-Komplex setzt
eine komplizierte Signaltransduktionskaskade in Gang,
die hier nur in den Grundzügen dargestellt werden kann.
Diese Kaskade beginnt mit der Aktivierung der Tyrosinkinasen Lck und Fyn. Lck ist mit dem zytoplasmatischen
Teil der CD4- oder CD8-Korezeptoren assoziiert. Die Bindung dieser Korezeptoren zusammen mit dem TZR am
Peptid/MHC-Molekül bringt Lck in die Nähe bestimmter
Regionen in den invarianten Ketten des TZR/CD3-Komplexes. Solche Regionen findet man an einer ganzen Reihe
von aktivierenden Rezeptoren im Immunsystem, sie werden daher als »immunreceptor tyrosine-based activation
motif« (ITAM) bezeichnet. Lck (und Fyn, das durch die
TZR-Aktivierung mit der ε- und ζ-Kette des TZR/CD3Komplexes assoziiert) beginnen nun, die Tyrosinreste
der ITAM zu phosphorylieren. Diese Phosphorylierung
erlaubt die Bindung des Moleküles ZAP-70 (»zeta-associated protein«) an der ζ-Kette des TZR/CD3-Komplexes.
ZAP-70 aktiviert dann weiter Adaptermoleküle, die im
Wesentlichen drei Signaltransduktionskaskaden in Gang
setzen.
5 Zunächst kommt es zur Aktivierung von Phospholipase C-γ. Dieses Enzym spaltet Phosphatidylinositolbisphosphat (PIP2) in Diacylglycerol (DAG) und Inositoltrisphosphat (IP3).
5 DAG führt dann zur Aktivierung der Proteinkinase C, die daraufhin den Transkriptionsfaktor NF-κB
aktiviert.
5 IP3 erhöht die intrazelluläre Kalziumkonzentration,
was zur Aktivierung der Phosphatase Calcineurin
führt, die wiederum den Transkriptionsfaktors NFAT
(»nuclear factor of activated T cells«) aktiviert.
5 Weiterhin kommt es zur Aktivierung einer Kaskade
von MAP-Kinasen, die AP-1, einen weiteren Transkriptionsfaktor, aktivieren. Diese aktivierten Transkriptionsfaktoren setzen schließlich die Genexpression
in Gang.
Verschiedene Immunsuppressiva blockieren die Signaltransduktion des T-Zell-Rezeptors: Ciclosporin A und
Tacrolimus binden an die intrazellulären Proteine Cyclophilin beziehungsweise FK-bindendes Protein. Beide
Komplexe binden an Calcineurin und verhindern dessen
Aktivierung durch die gestiegene intrazelluläre Kalziumkonzentration, was dann die Aktivierung von NFAT verhindert.
Möglicherweise sind Mutationen von Molekülen, die
an der Signaltransduktion von T-Zellen beteiligt sind,
genetische Faktoren, die die Suszeptibilität für Autoimmunerkrankungen erhöhen. Zumindest in Tiermodellen
ist gezeigt worden, dass das Fehlen bestimmter Moleküle,
die die Signaltransduktion regulieren, zu einem Lupusähnlichen Krankheitsbild führt. Eine veränderte Signaltransduktion kann nicht nur zu einer verminderten oder
verstärkten T-Zell-Aktivierung führen, sondern auch
die Selektion der T-Zell-Vorläufer im Thymus beeinflussen, weil in diesen Selektionsprozessen auch TZR-Signale
beteiligt sind. So kommt es in Mäusen mit einer ZAP-70Mutation zum Auftreten einer spontanen Arthritis, die der
Rheumatoiden Arthritis in vielen Aspekten ähnlich ist.
! Die Aktivierung naiver T-Zellen erfolgt in den sekundären lymphoiden Organen durch professionelle antigenpräsentierende Zellen. Diese besitzen Rezeptoren, mit denen
sie molekulare Muster von Pathogenen erkennen können. Nur wenn sie über diese Rezeptoren aktiviert wurden, können antigenpräsentierende Zellen zur T-Zell-Aktivierung und damit zur Initiation einer adaptiven Immunantwort führen.
Kostimulation
Ein Signal über den T-Zell-Rezeptor allein ist nicht ausreichend für die Aktivierung von T-Zellen. Für eine vollständige Aktivierung brauchen T-Zellen ein zweites, sog.
kostimulatorisches Signal. Die am besten charakterisierten kostimulatorischen Moleküle sind CD80 und CD86,
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2.1 · T-Lymphozyten
die auch als B7.1 oder B7.2 bezeichnet werden und auf antigenpräsentierenden Zellen exprimiert werden. Beide Moleküle interagieren mit CD28 auf den T-Zellen, das ein aktivierendes Signal in die T-Zelle vermittelt. CD28 ist auf
naiven T-Zellen konstitutiv exprimiert und essenziell für
deren Aktivierung. Die Aktivierung von T-Zellen über ihren TZR ohne Kostimulation über CD28 führt zur funktionellen Inaktivierung der T-Zellen. Diese funktionelle Inaktivierung wird als Anergie bezeichnet und ist einer der
Mechanismen, mit denen Toleranz im Immunsystem aufrechterhalten wird.
Nach ihrer Aktivierung können T-Zellen noch eine
Reihe andererer kostimulatorischer Moleküle exprimieren, die die Aktivierung und Effektorfunktionen von TZellen modulieren. Eines dieser Moleküle ist »cytotoxic
t lymphocyte antigen 4« (CTLA-4) oder CD152. CD152
vermittelt im Gegensatz zu CD28 inhibitorische Signale
in die Zelle. Durch seine im Vergleich zu CD28 1000fach
höhere Affinität zu CD80/CD86 kann CD152 das CD28Molekül von seinen Interaktionspartnern verdrängen und
so inhibierend auf die T-Zellen wirken. Die kompetitive
Inhibition der CD28/B7-Interaktionen wird therapeutisch
für die Therapie von Autoimmunerkrankungen ausgenutzt. Durch die Injektion eines Fusionproteins aus dem
extrazellulären Teil des CTLA-4-Moleküles und dem FcTeil von humanen Immunglobulinen (CTLA-4Ig) wird
die Bindung von CD28 an B7-Molekülen und damit die
Kostimulation verhindert. Erste klinische Studien haben
gezeigt, dass dieses immunmodulatorische Therapieprinzip bei der rheumatoiden Arthritis hochwirksam ist.
Ebenfalls nach ihrer Aktivierung wird von T-Zellen
das Molekül »inducible costimulator« (ICOS) exprimiert.
ICOS gehört wie CTLA-4 zur CD28-Familie. Der Ligand
für ICOS (wird als ICOS-Ligand, LICOS, B7h oder B7RP1
bezeichnet) wird auf antigenpräsentierenden Zellen, aber
auch in nichtlymphoiden Geweben (wie beispielsweise
Fibroblasten) exprimiert. Kostimulatorische Signale über
ICOS können T-Zell-Effektorfunktionen somit nicht nur
in Lymphknoten, sondern auch in peripheren Geweben
regulieren. Alle Funktionen der ICOS/ICOS-LigandInteraktionen sind noch nicht bekannt. Sie scheinen insbesondere entscheidend für T-Zell-vermittelte B-ZellAntworten und für die Aufrechterhaltung immunologischer Toleranz zu sein.
Zwei weitere Mitglieder der CD28-Familie sind PD1 (»programmed cell death-1«) und BTLA (»B and T lymphocyte attenuator«), die wie CTLA-4 inhibitorische
Signale in die T-Zellen vermitteln. Die Liganden für diese
Moleküle gehören zur B7-Familie und werden als PD-L1
(B7-H1), PD-L2 (B7-DC), B7-H3 oder B7-H4 (B7x/B7-S1)
bezeichnet. Es wird angenommen, das PD-1 mit PD-L1 und
PD-L2 interagieren kann. Der Ligand für BTLA ist noch
nicht näher charakterisiert. Sowohl PD-1 als auch BTLA
werden von B-Zellen exprimiert und scheinen somit eine
breite immunregulatorische Funktion zu haben.
Weitere kostimulatorischer Signale werden über
Rezeptor/Liganden-Paare vermittelt, die zur TumorNekrose-Faktor- (TNF-)Familie gehören. Eines dieser
Moleküle ist CD40-Ligand, das mit CD40 auf APZ interagiert. CD40-CD40-Ligand-Interaktionen sind bidirektional, das bedeutet, dass Signale über diese Moleküle nicht
nur die T-Zellen, sondern auch die APZ aktivieren können. Weitere wichtige Mitglieder der TNF-Familie sind
OX40 (CD134), 4-1BB (CD137) und GITR (»glucocorticoid-induced TNF-receptor«).
Interessanterweise vermitteln die konstitutiv exprimierten kostimulatorischen Moleküle (CD28 und andere,
hier nicht erwähnte) ausnahmslos aktivierende Signale in
die T-Zelle, während die durch T-Zell-Aktivierung exprimierten Moleküle sowohl aktivierende (ICOS, OX40, 41BB) als auch hemmende (CTLA-4, PD-1) Signale vermitteln können. Von allen bekannten kostimulatorischen
Liganden sind nur B7.1 und B7.1 ausschließlich auf APZ
exprimiert. Alle anderen können auch von anderen Zellen
wie Endothel- oder Epithelzellen und Fibroblasten exprimiert werden. Die koordinierte Expression der aktivierenden oder inhibierenden kostimulatorischen Moleküle
und ihrer jeweiligen Liganden zu bestimmten Zeitpunkten und in bestimmten Geweben erlaubt eine exakte zeitliche und räumliche Modulation der Immunantwort. Es
ist daher zu erwarten, dass eine Blockade solcher kostimulatorischer Signale neue therapeutische Optionen für die
Therapie von Autoimmunerkrankungen bietet.
! Ein Signal über den Antigenrezeptor allein ist nicht ausreichend zur Aktivierung von T-Zellen, sondern führt zu
deren funktioneller Inaktivierung, der Anergie. Daher werden zur T-Zell-Aktivierung immer kostimulatorische Signale benötigt. Die Moleküle, über die diese Signale vermittelt werden, werden entweder konstitutiv oder aktivierungsabhängig exprimiert. Die koordinierte Expression der Liganden zu bestimmten Zeitpunkten und an bestimmten Orten kann regulierend auf die Immunantwort
einwirken.
2.1.3
Effektormechanismen von T-Zellen
Nach ihrer Aktivierung über den TZR und kostimulatorische Moleküle beginnen T-Zellen das Zytokin Interleukin-2 (IL-2) zu sezernieren. Gleichzeitig beginnen sie, den
IL-2-Rezeptor zu exprimieren. Dieser Rezeptor besteht
aus der α-Kette (CD25) und zwei weiteren Ketten. Die Aktivierung dieses Rezeptors durch die autokrine oder parakrine IL-2-Sekretion führt zur Proliferation dieser T-Zellen. Diese Proliferation, die über mehrere Tage andauern
kann, führt zu einer massiven Expansion der T-Zellen mit
der gleichen Antigenspezifität, die pathogene Mikroorganismen effizient bekämpfen können. Während dieser Proliferation beginnen die T-Zellen Rezeptoren für Chemoki-
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Kapitel 2 · Grundlagen der Autoimmunität
ne und Adhäsionsmoleküle zu exprimieren, die sie für den
Eintritt in periphere Gewebe, den Ort der Effektor-T-ZellAntwort, benötigen.
Effektorfunktionen von CD8+-T-Zellen
Obligat intrazellulär lebende Mikroorganismen oder Viren sind für Antikörper und andere Moleküle des Immunsystems nur schwer zu erreichen. Um solche Pathogene zu
eliminieren, muss die Wirtszelle mit beseitigt werden. Auf
diese Aufgabe sind CD8-positive, sog. zytotoxische T-Zellen spezialisiert. Sie erkennen körperfremde Antigene, die
aus dem Zytoplasma stammen und die im Kontext mit
MHC-Klasse-I-Molekülen präsentiert werden. Zu einer
solchen Antigenpräsentation sind im Prinzip alle kernhaltigen Zellen des Körpers befähigt, da sie alle MHC-I exprimieren. Die Aktivierung von CD8+-T-Zellen erfolgt jedoch ausschließlich durch antigenpräsentierende Zellen
im Lymphknoten. Dafür gibt es verschiedene Gründe:
5 Den MHC-I-exprimierenden Zellen fehlen kostimulatorische Moleküle, die für die T-Zell-Aktivierung
essenziell sind.
5 Naive T-Zellen sind aufgrund ihres Expressionsmusters von Chemokinrezeptoren und Adhäsionsmolekülen gar nicht in der Lage, in andere Gewebe als die
sekundär lymphatischen Organe einzuwandern.
5 Die Effektorfunktion von zytotoxischen T-Zellen,
nämlich die Zerstörung von Zielzellen, ist für den
Körper potenziell gefährlich. Deswegen sind CD8+Zellen für ihre Aktivierung auf die Hilfe von CD4+T-Zellen angewiesen. CD4+-T-Zellen, die Antigen/
MHC-Komplexe auf der gleichen APZ wie die CD8+Zelle erkennen, stimulieren die Expression von kostimulatorischen Molekülen durch CD40-Ligand/
CD40-Interaktionen auf dieser Zelle. Erst diese vermehrte Kostimulation ist dann ausreichend für eine
vollständige Aktivierung von CD8+-T-Zellen.
Wenn die zytotoxische T-Zelle vollständig aktiviert wurde,
ist sie in der Lage, in die infizierten Organe einzuwandern.
Dort tötet sie nach erneuter Erkennung des Peptid/MHCKomplexes die jeweilige Zielzelle ab. Die erneute Erkennung stellt sicher, dass nur infizierte, nicht aber nichtinfizierte Zellen in der Nachbarschaft abgetötet werden.
Zytotoxische T-Zellen können Zielzellen über verschiedene Mechanismen abtöten. Durch die Freisetzung von Perforin können sie Poren in der Membran der
Wirtszelle verursachen. Durch diese Poren gelangt dann
eine Reihe von Proteasen in das Zytoplasma der Zielzelle
und setzt dort die Apoptose in Gang. Außerdem können zytotoxische T-Zellen auch Fas-Ligand exprimieren.
Fas-Ligand (CD178) ist ein Mitglied der Tumor-NekroseFaktor-Familie. Die Ligation von Fas (CD95) auf Zielzellen durch Fas-Ligand induziert in der Zielzelle Apoptose.
Eine weitere Effektorfunktion von CD8-positiven T-Zellen ist die Sekretion von Zytokinen, wie beispielsweise
Interferon-γ und TNF-α, die die Expression von MHCKlasse-I-Molekülen erhöhen und Makrophagen aktivieren können.
Die Rolle von CD8+-T-Zellen für Autoimmunerkrankungen ist lange unterschätzt worden. Fast alle Körperzellen exprimieren MHC-Klasse-I-Moleküle und können daher von zytotoxischen T-Zellen zerstört werden.
In der Tat sind beim Typ-1-Diabetes CD8+-Zellen wichtige Effektorzellen bei der Zerstörung der insulinproduzierenden β-Zellen des Pankreas. Bei multipler Sklerose
sind CD8+-T-Zellen, möglicherweise durch ihre Fähigkeit
Neurone zu zerstören, wichtige Effektorzellen. Auch die
Assoziation der ankylosierenden Spondylitis mit HLAB27, einem Klasse-I-HLA-Molekül, ist ein Hinweis auf
eine Beteiligung dieser Zellen an der Pathogenese dieser
Autoimmunerkrankung.
! Die Aufgabe von zytotoxischen Effektor-T-Zellen besteht
vor allem darin, infizierte Zielzellen abzutöten. Dies erfolgt durch die Freisetzung von Perforin oder durch eine
Apoptoseinduktion über Fas-Ligand/Fas-Interaktionen.
Die Aktivierung von CD8+-T-Zellen wird von CD4+-T-Zellen kontrolliert.
Effektorfunktionen von CD4+-T-Zellen
CD4+-T-Helfer- (TH-)Zellen aktivieren und steuern verschiedene Arme der Immunantwort und können auch
selbst Effektorfunktionen besitzen. Die Aktivierung und
Steuerung der Immunantwort erfolgt hauptsächlich über
die Wirkung von Zytokinen. CD4+-T-Zellen können eine Vielzahl unterschiedlicher Zytokine produzieren. Dazu gehören u. a. die Interleukine (derzeit sind mehr als 30
bekannt), Interferon, Tumor-Nekrose-Faktor (2 bekannt)
und Transforming growth factor (TGF). Dazu kommen
noch Chemokine und Chemokinrezeptoren, mit denen
das Migrationsverhalten von Zellen gesteuert wird.
Naive TH-Zellen können vor allem IL-2 und TNF-α
produzieren. Effektor/Gedächtnis-TH-Zellen sind bezüglich ihrer Zytokinproduktion eine heterogene Zellpopulation. Keine ausdifferenzierte TH-Zelle exprimiert alle
Zytokine und Chemokine, die von TH-Zellen prinzipiell produziert werden könnten. Stattdessen exprimieren unterschiedliche TH-Zellen unterschiedliche Sets von
Zytokinen, von denen manche auffallend häufig koexprimiert werden. Anhand der Zytokinproduktion unterscheidet man auch heute noch gelegentlich nach einem
sehr vereinfachten Schema T-Helfer-1-Zellen, die hauptsächlich Interferon- (IFN-)γ und TNF-β sezernieren, von
T-Helfer-2-Zellen, die hauptsächlich IL-4, IL-5 und IL13 sezernieren. Die Entscheidung, ob sich eine proliferierende T-Zelle in eine TH1- oder eine TH2-Zelle differenziert, wird ihr hauptsächlich vom Zytokinmilieu während
der Differenzierung diktiert. Die Entwicklung von TH1Zellen wird von IL-12 gefördert und von IL-4 gehemmt,
während die Entwicklung von TH2-Zellen von IL-4 geför-
2.1 · T-Lymphozyten
dert und von IFN-γ gehemmt wird. Die beiden Subpopulationen können sich also gegenseitig hemmen. Nach
erfolgter Differenzierung von TH1- oder TH2-Zellen ist
es ab einem bestimmten Punkt nicht mehr möglich, das
Muster ihrer Zytokinproduktion zu beeinflussen. Das
bedeutet, dass sich eine ausdifferenzierte TH1-Zelle nicht
mehr in eine TH2-Zelle umpolarisieren lässt. Dies wird
durch epigenetische Modifikationen der entsprechenden
Zytokingene und die Überexpression bestimmter Transkriptionsfaktoren in den Zellen der jeweiligen Subpopulationen verursacht. Dieses »Einrasten« der Zellen in ein
stabiles Zytokinproduktionsmuster macht therapeutische
Ansätze, die eine Veränderung der Polarisation der T-Zellen zum Ziel haben, sehr schwierig.
Die wichtigste Funktion von TH1-Zellen ist die Aktivierung von Makrophagen. Dies erfolgt durch die IFN-γSekretion und Signale über CD40-Ligand/CD40-Interaktionen. Aktivierte Makrophagen sind essenziell für die
zellvermittelte Immunität und damit für die Abwehr intrazellulär lebender Mikroorganismen, wie Mykobakterien.
TH2-Zellen sind dagegen essenziell für die Aktivierung
der humoralen Immunantwort. Sie können über CD40Ligand/CD40-Interaktionen B-Zellen die Produktion von
Immunglobulinen aktivieren und gleichzeig durch ihre
Zytokinproduktion den Isotypenswitch induzieren. Die
humorale Immunantwort und damit die TH2-Zellen sind
von entscheidender Bedeutung für die Abwehr extrazellulärer Erreger.
Lange Zeit wurde vermutet, dass sich die Pathogenese
verschiedener entzündlicher Erkrankungen wie beispielsweise chronischer Arthritiden, multipler Sklerose oder
Allergien mit einem Ungleichgewicht zwischen TH1- und
TH2-Zellen erklären lässt. In der Tat scheinen bei Autoimmunerkrankungen TH1-vermittelte Effektorfunktionen
wie z. B. die Makrophagenaktivierung eine große Bedeutung zu besitzen. Ebenso sind TH2-Zellen für die Pathogenese allergischer Entzündungen essenziell. Überraschenderweise sind aber Mäuse, die genetisch defizient für
IFN-γ sind, sehr viel suszeptibler für die Induktion von
Autoimmunität im Tiermodell. Das Fehlen von IL-4 hingegen kann den Verlauf experimenteller Arthritiden entweder hemmen oder lässt ihn unbeeinflusst, was gegen
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eine protektive Rolle von TH2-Zellen spricht. Im Modell
der experimentellen autoimmunen Enzephalomyelitis, einem Tiermodell für die multiple Sklerose, lässt sich
allein mit TH2-Zellen auch die Krankheit induzieren. Mit
einem einfachen Ungleichgewicht zwischen den einzelnen T-Zell-Subsets lässt sich die Pathogenese chronischentzündlicher Erkrankungen also nicht erklären.
Erst in jüngerer Zeit ist gezeigt worden, dass T-Helferzellen existieren, die sich nicht als TH1- oder TH2-Zellen klassifizieren lassen. Diese Zellen produzieren die proinflammatorischen Zytokine TNF-α, IL-6 und IL-17. Diese
Zytokine, insbesondere IL-17, haben entzündungsfördernde Wirkungen nicht nur auf hämatopoetische Zellen,
sondern auch auf Stromazellen wie Fibroblasten. Im adoptiven Transfer sind diese Zellen extrem gut in der Lage,
Autoimmunerkrankungen zu induzieren. Es scheint sich
also hierbei um ein T-Zell-Subset zu handeln, das besonders wichtig für die Entstehung von Gewebsentzündungen
und damit in der Pathogenese von gewebsdestruktiven
Autoimmunerkrankungen ist (. Abb. 2.2).
T-Zellen können nicht nur Immunantworten initiieren und aufrechterhalten, sondern auch herunterregulieren. Seit wenigen Jahren erst weiß man, das T-Zellen existieren, die funktionell auf die Suppression von Immunantworten spezialisiert sind (7 2.1.4., Abschn. »Regulatorische
T-Zellen«).
T-Zellen können also in Abhängigkeit vom Aktivierungszustand, der von kostimulatorischen Molekülen,
Zytokinen etc. bestimmt wird, unterschiedliche transkriptionelle Programme aktivieren, die zu unterschiedlichen
Effektorfunktionen führen. Die einfache Einteilung in
TH1- und TH2-Zellen hat sich lange bewährt, heute muss
aber davon ausgegangen werden, dass es sich um eine zu
starke Vereinfachung der komplexen Abläufe während
einer Immunantwort handelt.
Eine bemerkenswerte Eigenschaft von T-Zell-Antworten ist, dass sich ein immunologisches Gedächtnis ausbilden kann. Durch dieses immunologische Gedächtnis wird
gewährleistet, dass bei einem erneuten Kontakt mit dem
gleichen Antigen eine schnellere und effektivere Immunantwort ausgeprägt wird. Diese sog. sekundäre Immunantwort basiert darauf, dass es im Verlauf jeder T-Zell. Abb. 2.2. Funktionelle Subpopulationen
von T-Helfer-Zellen. Die Differenzierung der
verschiedenen Subsets erfolgt nach der Aktivierung der naiven T-Zellen unter der Mitwirkung typischer Zytokine. Die von den
einzelnen Subpopulationen produzierten
Zytokine können jeweils die Differenzierung
der anderen Subsets hemmen. DZ dendritische Zelle, IL Interleukin, TH T-Helferzelle,
IFN Interferon
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Kapitel 2 · Grundlagen der Autoimmunität
Antwort zur Bildung von Gedächtnis-T-Zellen kommt.
Man kann zwei unterschiedliche Arten von GedächtnisT-Zellen unterscheiden:
5 So genannte Effektor-Memory-T-Zellen sind nach
ihrer Aktivierung sehr schnell in der Lage, große
Mengen von Zytokinen zu produzieren und in entzündete Gewebe einzuwandern.
5 Zentrale Memory-Zellen rezirkulieren durch sekundär-lymphatische Organe.
Beide Typen von Gedächtniszellen reagieren empfindlicher auf TZR-Stimulation und sind weniger auf Kostimulation angewiesen. Durch die Bildung von GedächtnisT-Zellen ist die Frequenz von antigenspezifischen T-Zellen ca. 100- bis 1000fach höher als vor einer Immunantwort. Demzufolge sind sowohl quantitative als auch qualitative Veränderungen der T-Zell-Population verantwortlich für das immunologische Gedächtnis.
! Die Effektorfunktionen von TH-Zellen werden hauptsächlich über Zytokine vermittelt. Anhand der Zytokinproduktion lassen sich die TH-Zellen in verschiedene Subpopulationen einteilen, die verschiedene Arme der Immunantwort aktivieren können. Die Bildung von Gedächtnis-TZellen erlaubt bei erneutem Kontakt mit dem Antigen
eine schnellere und effizientere Immunantwort.
Periphere Toleranz
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T-Zell-Toleranz
Zentrale Toleranz
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von T-Zellen, die körpereigene Antigene erkennen können. Diese autoreaktiven T-Zellen können dann wiederum die Grundlage für Autoimmunerkrankungen sein. Diese Zellen zu eliminieren ist somit für den Körper essenziell und erfolgt durch die negative Selektion. Dabei werden den sich entwickelnden T-Zell-Vorläufern von Stromazellen und APZ Selbstantigen/MHC-Komplexe präsentiert. Die T-Zellen, die diese Autoantigene sehr gut erkennen, sterben durch Apoptose ab und werden so eliminiert
(. Abb. 2.3). Dieser Prozess ist eine Erklärung für die Assoziation bestimmter HLA-Moleküle mit Autoimmunerkrankungen: Möglicherweise sind bestimmte HLA-Moleküle schlechter als andere in der Lage, bestimmte Autoantigene zu präsentieren, was zu einer mangelhaften Elimination bestimmter autoreaktiver T-Zellen führen kann.
Die Präsentation der Autoantigene wird durch den Transkriptionsfaktor AIRE reguliert. AIRE sorgt dafür, dass normalerweise organ- oder gewebsspezifisch exprimierte Antigene auch in den Stromazellen des Thymus exprimiert
werden. Ein Funktionsverlust des AIRE-Genes hat beim
Menschen ein katastrophales Autoimmunsyndrom (APS1 oder APECED), das verschiedene Organe befällt, zur
Folge. Dieses schwere Krankheitsbild, das durch eine beeinträchtigte negative Selektion verursacht wird, unterstreicht die Bedeutung der zentralen Toleranz.
Der Antigenrezeptor der T-Zellen wird zufällig durch die
Rekombination bestimmter Gensegmente generiert. Dies
stellt einerseits sicher, dass das Repertoire der T-Zell-Rezeptoren ausreicht, um alle Erreger effektiv erkennen und
bekämpfen zu können, und verhindert, dass sich Erreger durch Anpassung an ein bestimmtes TZR-Repertoire
der Immunantwort entziehen können. Andererseits bietet dieser Mechanismus die Möglichkeit zur Entstehung
Die Elimination der autoreaktiven Zellen im Thymus ist
unvollständig. Deswegen muss man davon ausgehen, dass
in den meisten Individuen autoantigenspezifische T-Zellen existieren. In der Tat kann man bei gesunden Menschen T-Zellen nachweisen, die klinisch relevante Autoantigene erkennen. Eine Aktivierung dieser Zellen kann
zu Autoimmunerkrankungen führen. Dies wird am besten durch die gebräuchlichen Tiermodelle demonstriert,
bei denen eine Immunisierung von Mäusen bestimmter
Stämme mit Kollagen Typ II oder Myelinantigenen zu einer chronischen Arthritis oder einem der multiplen Sklerose ähnlichen Krankheitsbild führt. Da klinisch evidente
. Abb. 2.3. Positive und negative Selektion
im Thymus. Unreife T-Zellen wandern in den
Thymus ein, wo ihnen Antigen präsentiert
wird. T-Zellen, deren TZR eine sehr niedrige
Affinität zu den MHC-Selbstpeptid-Komplexen haben, erhalten kein Überlebenssignal
und sterben durch Apoptose ab. Zellen mit
einer sehr starken Affinität werden ebenfalls
durch Apoptose eliminiert. Nur T-Zell-Vorläufer mit einer mittleren Affinität für diese Komplexe reifen im Thymus aus und wandern in die Peripherie, wo sie aktiviert werden können
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