Paraphilien / Störungen der Sexualpräferenz

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Praxis:
Rothenbaumchaussee 7, 20148 Hamburg
3. Internationales Symposium Forensische Psychiatrie
Zürich – 8.-10. Juni 2011
Paraphilien / Störungen der Sexualpräferenz
Diagnostik, Ätiologie, Behandlung & Prognose
PD Dr. med. Andreas Hill
Paraphilie (DSM-IV)
•! Wiederkehrende, intensive sexuell erregende
Phantasien, sexuell dranghafte Bedürfnisse od.
Verhaltensweisen, bezogen auf
–! nicht-menschliche Objekte
–! das Leiden oder die Demütigung von sich selbst
oder eines Partners
–! Kinder oder andere nicht-einwilligende bzw. nichteinwilligungsfähige Personen
•! Dauer: mindestens sechs Monate
•! Obligat oder episodisch
•! Leiden oder Beeinträchtigung in sozialen, beruflichen
oder anderen Lebensbereichen
Klassifikation DSM-IV
•!
•!
•!
•!
•!
•!
•!
•!
•!
Fetischismus
transvestitischer Fetischismus
Exhibitionismus
Voyeurismus
Pädophilie
sexueller Masochismus
sexueller Sadismus
Frotteurismus
nicht näher bezeichnete Paraphilie
DSM-V?
•! Hypersexual disorder
•! Coercive paraphilic disorder
•! Pedohebephilic disorder
Häufig liegen mehrere Paraphilien vor! (Abel et al. 1988)
Paraphilie
Kriterien für Schwere einer
Paraphilie
1. Progredienz
nach Giese u. Schorsch oder Paraphilie mit
Paraphilie-verwandter Störung (PRD)
2.! Sadismuskritierien
- sexueller Sadismus
- sadistische Persönlichkeitsstörung
- forensisch diagnostizierter Sadismus (Knight
& Prentky)
Progredienz
A.! Progredienz (nach Giese 1962 und Schorsch 1971)
–! Periodische Akzentuierung eines dranghaft
gesteigerten sexuellen Verlangens mit innerer Unruhe
–! Starke sexuelle Fantasiebesetzung
–! Progression im Längsschnitt
–! Kürzere Abstände zwischen Manifestationen
–! Signalhafte Auslöser der sexuellen Handlungen
–! Autoerotische Fixierung mit hoher
Masturbationsfrequenz
–! Wunsch nach Behandlung
Progredienz
B. Paraphilie mit paraphilie-verwandter Störung /
Hypersexualität (Kafka & Hennen 1999, Kafka 2010):
Nach Erscheinungsbild nicht-paraphile Sexualität, die durch
exzessive Manifestation und klinisch relevantes subjektives
Leiden bzw. psychosoziale Beeinträchtigungen
Störungscharakter erhält:
–! Masturbation
–! Promiskuität
–! Pornographie, Telefon- oder Cybersex
Wichtige Differenzierung
•! Sexualstraftäter haben häufig keine Paraphilie
(z.B. Pädophilie, Sadismus)
•! Patienten mit Paraphilien sind nicht gleichzusetzen
mit Sexualstraftätern.
•! Viele empirische Untersuchungen beziehen sich
auf Sexualstraftäter!
Andere psychische Störungen
bei bei sexueller Delinquenz
Lifetime prevalence
%
Substance use
60-85
Mood disorders
60
Anxiety disorders
esp. social phobia
25-65
Impulse control
30-38
ADHD (retrospecitive)
30
Personality disorders
–!Antisocial PD
50
–!Borderline PD
30
–!Avoidant PD
20
Ätiologie
Biologie: Gene,
Hirnschädigung, Hormone,
Neurotransmitter,
„Konstitution“
Sexuelle
Devianz u./o.
Gewalt
Proximale Ursachen:
Lebenskrisen (Arbeit, Partnerschaft); Stimulation bzw.
Enthemmung, z.B. Alkohol o.
Drogen, Pornographie
Distale Ursachen:
Frühsozialisation, Bindung,
Traumata u.
Identifizierungen / Lernen am
Modell (Pornographie?)
Methodische Probleme
•! Nahezu ausschließlich Untersuchungsstichproben
aus dem forensischen Kontext
•! Z.T. ungenaue Diagnostik
•! Kaum Vergleichbarkeit vieler Einflußgrößen (IQ,
Vorstrafenbelastung, Haftdauer ....)
–! Schlussfolgerungen hinsichtlich Paraphilien
kaum möglich
Familiäre Belastung Genetische Ursachen?
•! Nur eine Studie: Erhöhtes Risiko für Paraphilien
bei Angehörigen 1. Grades von Patienten mit
Pädophilie und anderen Paraphilien im Vgl. zu
depressiven Pat. (Gaffney et al. 1984)
•! Bei Männern mit XYY-Syndrom i.Vgl. zu Männern
mit XXY (Klinefelter-Syndrom) und einer
Normalgruppe häufiger unkonventionelle sexuelle
Aktivitäten und Phantasien (Krueger u. Kaplan
2001); bei sexuellen Tötungen in 3/166 Fällen
(Briken et al. 2006)
Neurotraumatologische
Befunde bei sexueller Devianz
•! Unfälle in der Kindheit mit Bewusstlosigkeit (vor 6 Lj.) sind
mit niedrigem Intelligenzniveau, schlechterem
Bildungsstand u. Pädophilie assoziiert (Blanchard et al.
2002).
•! Erklärungsmöglichkeiten:
–! Traumatische zentralnervöse Beeinträchtigungen in der
Kindheit führen zum Auftreten einer Pädophilie
–! Eine vorbestehende Entwicklungsstörung begünstigt
sowohl die Neigung zu Unfällen als auch zur Pädophilie
–! ADHD als mögliches Bindeglied zwischen
Entwicklungsstörung, Unfallneigung und Pädophilie
! ADHD gehäuft bei pädophilen Pat. (Kafka u. Hennen
2002) u. Sexualstraftätern (Blocher et al. 2001, VaihKoch et al. 2001) !
Cerebrale Bildgebung
Neurobiologische Erklärungsmodelle für Pädophilie bzw.
pädosexuelle Handlungen:
1.! Störungen der Exekutivfunktionen des Frontalhirns
(Disinhibition)
2.! Störungen des temporolimbischen Systems (z.B.
gesteigertes sexuelles Verlangen und verminderte
Hemmung durch Amygdala)
3.! Duale Dysfunktion des Frontalhirns und des
Temporolimbischen Systems
4.! Störungen der Verbindungen zwischen Hirnbereichen, die
für die Motivationsbildung, emotionale Verarbeitung und
Kontrolle über sexuelle Impulse wichtig sind
(Cantor et al. 2008, Briken et al. 2010)
Kognitiv-behaviorale
Erklärungsmodelle
•! Klassische Konditionierung: Paarung von sexueller
Stimuliertheit (=unbedingter Reflex) mit
ungewöhnlichen Reizen (=bedingter Reflex) !
empirisch nur selten nachweisbar
•! Positive Verstärkung durch Lustgefühl
•! Störung der Bindung (und damit von Intimität und
Empathie)
•! Sexualität als Copingmechanismus (Selbsttröstung)
•! Kognitive Verzerrungen (Selbsttäuschungen) tragen
zur Aufrechterhaltung bei (insbes. bei
Sexualstraftätern)
Fünf-Pfade Modell
(Ward & Siegert 2002)
Vergewaltigung
Kindesmissbrauch
Intimitäts-Defizit
sex. Erregungsmuster
Antisozialität
emotionale
Dysregulation
multiple
Dysfunktionen
Psychoanalytische Theorien
Integrierende, praxisnahe Übersicht bei Berner 2011:
Perversion nach Stoller (1978)
•! Perversion ist die erotische Form der
Feindseligkeit.
•! In der Perversion wird ein traumatisches
Kindheitserlebnis in einen lustvollen Triumph
umgewandelt.
•! Das Risiko dient zur Steigerung der Erregung
(Angstlust).
Kernkomplex (Glasser 1979,
1986)
Unerträglicher Konflikt zwischen
1.!tiefen Verschmelzungswünsche mit der
Mutter, die Auflösung des Selbst
(Identitätsverlust) bedeuten und
2.!Getrenntheit von Mutter, was unerträgliche
Einsamkeit und Angst bedeutet
Ausweg aus diesem „Mutterkomplex“:
!Sexualisierung der gegen die Mutter
gerichteten Aggression
Integrierte psychoanalytische
Perversionstheorie (Berner 2011)
Definitionselemente
Verlaufsmerkmale
Strukturmerkmale
Fetischbildung
Perversion als Plombe
Neurotische Struktur
Sadomasochistischer
Beziehungsmodus
Perversion als
Impulsdurchbruch
Borderline-Struktur
PartialtriebLustelemente
Perversion als Sucht
oder Zwang
Psychotische Struktur
(Realitätskontrolle,
Identitätsgefühl,
Abwehrmechanismen)
Bindungsstile bei sexueller Devianz
(Rathbone 2001, Marshall et al. 1999)
•! Bei (nicht-klinischen) Sadomasochisten:
0% sicherer Bindungsstil vs. 55% bei Kontrollen
(Leser einer Wirtschaftszeitung)
•! Sexualstraftäter insges. zeigen seltener sicheren
Bindungsstil
•! Kindesmissbrauchstäter: häufiger ängstlicher
und verstrickter Bindungsstil
•! Vergewaltigungstäter und Täter mit
gewalttätigeren Delikten: häufiger abweisender
Bindungsstil
Traumatisierungen:
selbst erlebter sexueller Missbrauch
•! Eigene sexuelle Missbrauchserfahrung erhöht das Risiko
später selbst Kinder zu missbrauchen
•! Aber: keineswegs zwingender Zusammenhang oder
notwendige Ursache!!!
•! Prospektive Studie: von 224 missbrauchten Jungen
wurden 12% selbst zu Missbrauchstätern ! im Vgl. zur
Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Risiko (Salter et
al. 2003)
Weitere Risikofaktoren waren:
–! Materielle Vernachlässigung und Mangel an
Beaufsichtigung
–! Eigener Missbrauch durch eine weibliche Person
–! Zeuge heftiger innerfamiliärer Gewalt
–! Grausamkeit gegenüber Tieren
Wann kann die paraphile Symptomatik
dekompensieren? (proximale
Ursachen)
•! Bei Reaktualisierung früherer, traumatischer
Erlebnisse (Ohnmacht, Entwertung, Zurückweisung,
z.B. Verlust von Arbeit, Partnerschaftskrisen, Geburt
eigener Kinder: Pat. wird an eigene Entbehrungen als
Kind erinnert und gleichzeitig wendet sich die
Partnerin vermehrt dem Kind zu ! Neid)
•! Einsamkeit, Langeweile
•! Selbsttröstende Phantasien mit Aspekten von Rache
und Dominanz (Narzisstischer Triumph)
•! Phantasie reicht nicht mehr aus. Elemente davon
„müssen“ realisiert werden.
•! Enthemmung durch Alkohol und Drogen,
Pornographie
Grundannahmen
Gründliche Diagnostik
Integration verschiedener therapeutischer Möglichkeiten
Diagnostik: (Sexual-)Anamnese
•! Umgang mit Sexualität in der Familie
•! Frühe Erfahrungen (Doktorspiele)
•! Körperliche Entwicklung (bes. Pubertät)
•! Sexuelle Praktiken, Wünsche u. Fantasien
•! Entwicklung von Geschlechtsidentität u. sexueller Orientierung
•! Partnerschaftliche Kontakte u. Beziehungen
•! Pornographiekonsum, Prostituiertenbesuche
•! Sexuelle Funktionsstörungen
•! Eigene traumatische Erlebnisse
•! Konsum von sexuellen Stimulantien, Alkohol, Drogen
•! Ggf. Sexuelle Übergriffe / Straftaten
•! Allgemeine biographische u. psychiatrisch-somatische Anamnese,
dissoziale Entwicklung? (Komorbidität!)
(Hill et al. 2005)
Weitere Diagnostik
•! Ggf. Fremdanamnese (Partner, Eltern)
•! Ggf. Akteninformationen (bei Sexualstraftätern, z.B.
Bundeszentralregister-Auszug)
•! Testpsychologische Untersuchungen: z.B. Multiphasic Sex
Inventory (MSI), Intelligenz- und Persönlichkeitstests,
Psychopathy Checklist (PCL-R), evtl. projektive Tests
(Rorschach, Picture-Frustration-Test)
•! Prognose-Instrumente zur Risikoabschätzung (z.B.
SVR-20, Static-99, HCR-20)
•! Penisplethysmographie zur Objektivierung sexueller
Devianz (umstritten)
•! Somatische Abklärung (körperliche Untersuchung, ggf.
Hormone, CCT/MRT, EEG, Chromosomen u.a.)
Diagnostik
Neuro-physiologische and neuro-psychologische Tests:
•! Penisplethysmographie
•! Visuelle Reaktionszeit (Visuelle Fixationszeit)
•! Stroop Test
•! Impliziter Associations-Test
•! ...
•! Zukunftig: functionelles MRI ??
Fragebogen:
•! Card Sort Test, Sexual Interest Card Sort Questionnaire
•! Clarke Sexual History Questionnaire
•! Multiphasic Sex Inventory
Risikobeurteilung / Prognose
•!
•!
•!
•!
•!
•!
•!
•!
Static99 (Hanson u. Thornton)
SORAG (Quinsey, Rice u. Cormier)
JSOAP und ASOAP (Prentky et al.)
SVR-20 (Boer et al.)
SONAR (Hanson u. Harris)
FOTRES (Urbaniok)
for antisocial personality traits: PCL-R (Hare)
SAPROF (de Vogel et al.)
Penisplethysmographie =
Phallometrie
•! Messung der sexuellen Erregung anhand des
Penisumfangs (Quecksilber oder Indium-Gallium
gefüllter Gummi-Ring) oder –volumens
(Druckmessung in Glaszylinder)
•! visuelle oder auditive sexuelle Stimuli
Penisplethysmographie =
Phallometrie
•! Volumetrie besser geeignet bei sog. lowrespondern (<10% einer vollen Erektion) (Kuban et al.
1999), aber umständlicher, wenig gebräuchlich
•! Pädophilie-Index
max. Erregung auf pädosex. Stimuli
= ___________________________________
max. Erregung auf erwachsene sex. Stimuli
Penisplethysmographie =
Phallometrie
Test-Retest-Reliabilität:
0.53-0.88 (Launay 1994); 0.29-0.53 (Kalmus & Beech 2005)
Sensitivität / Spezifität:
•! Täter mit (sex.) Kindesmissbrauch:
bei 98% Spezifität ! 50% Sensitivität (Seto 2001)
•! Täter mit intrafamiliärem Kindesmissbrauch:
bei 95% Spezifität ! 68% Sensitivität
•! Täter mit extrafamiliärem Kindesmissbrauch:
bei 95% Spezifität ! 65% Sensitivität
(Barsetti et al. 1998, Launay 1999)
Penisplethysmographie =
Phallometrie
•! Sensitivität geringer bei Missbrauchstätern, die
pädosexuelles Interesse leugnen (61%), im Vgl. zu
Missbrauchstätern, die pädosexuelles Interesse
einräumen (92%) (Seto 2008)
•! Bsp. für Problematik der Spezifität:
In einem Vergleich von Kindesmissbrauchern mit
gesunden Kontrollprobanden zeigen 28% der
Kontrollgruppe einen Pädophilie-Index von ! 1
(Firestone et al. 2000)
Penisplethysmographie =
Phallometrie
Prädiktive Validität (bzgl. neues Sexualdelikt):
•! Phallometrisch gemessene sexuelle Präferenz für
Kinder als bester einzelner Prädiktor (r=0.32) für
neues Sexualdelikt in Meta-Analyse (Hanson & Bussière
1998, Hanson & Morton-Bourgon 2004, 2005)
•! Aber: Wiederholungsmessungen korrelieren nicht
mit Rückfälligkeit ! Gewöhnungs- oder
Manipulationseffekt? (O’Donohue und Letourneau 1992,
Launay 1999)
Penisplethysmographie =
Phallometrie
Im Rahmen von Therapie:
•! Aufdeckung und Bearbeitung von Leugnungs- und
Bagatellisierungstendenzen (Travin et al. 1988, O’Donohue
& Letourneau 1992)
•! Aber: falsch negatives Ergebnis könnte
Abwehrmechanismen noch bestärken.
Penisplethysmographie =
Phallometrie
Probleme und Kritik:
•! Fehlende Standardisierung (Stimuli, Prozeduren,
Datenanalyse) (Howes 1995)
•! Relativ niedrige Reliabilität
•! Manipulationsmöglichkeit („faking“, Unterdrückung von
genitaler Reaktion einfacher als Steigerung) ! Kontrolle
bzw. Reduktion von faking durch Eyetracking, Semantic
tracking task (z.B. Knopf drücken bei sexuellem Inhalt)
•! Intrusive Prozedur (Genitalbereich)
•! Ethische Probleme:
–! Benutzung von kinderpornographischem Material (! digital erstellte
visuelle Stimuli, auditive Stimuli)
–! Stimulierung pädosexueller Tendenzen bei Probanden
Rollenspiel Sexualanamnese
Psychotherapie bei
Paraphilien und
sexueller Delinquenz
Schmuckers Metaanalyse:
Behandlungseffekte insgesamt
% 50,0
Behandlungsgruppen
Kontrollgruppen
40,0
32,5
30,0
22,4
17,5
20,0
11,8
11,1
6,6
10,0
0,0
sexuell (74)
Gewalt (20)
jede Straftat (49)
Rückfallbereich (Anzahl der Vergleiche)
Schmucker 2007, Lösel und Schmucker 2005)
Wirksamkeit
kognitiv-behavioral (35)
1.45
rein behavioral (7)
2.17
einsichtsorientiert (5)
0.98
therap. Gemeinschaft (8)
0.85
andere (5)
0.93
hormonal (6)
3.13
chirurg. Kastration (8)
0.1
14.29
1
10
100
Odds Ratio
Metaanalyse (n=22.181, Lösel und Schmucker, 2005)
Paradigmenwechsel in der
Sexualstraftäterbehandlung?
Rockwood Psychological Services Program (Marshall et al. 2011):
•! positive therapeutische Haltung: Therapeuten zeigen
Wärme, Empathie und Unterstützung für die Pat./Straftäter
•! Unterstützung für gesunde, prosoziale Lebensführung:
Förderung von Selbstwertgefühl, Reduzierung von Scham,
Aufbau persönlicher Stärken und Resilienz (Good Life
Model, positive Psychologie, Ressourcenorientierung)
•! Abkehr von Fokussierung auf Deliktbearbeitung und
Rückfallvermeidungsplänen
•! Kritik an zu starker kognitiver Ausrichtung von CBT
•! Ziele: nicht nur Reduzierung von Kriminalität, sondern
Förderung von Wohlbefinden
Veränderungsfördernde Therapeutenmerkmale (Marshall et al. 2011)
•! Empathie
•! Wärme
•! Aufrichtigkeit / Echtheit /
Ehrlichkeit
•! Respekt
•! Unterstützung
•! Zuversicht
•! Emotionale Ansprechbarkeit / Expressivität
•! Selbstoffenbarung
•!
•!
•!
•!
•!
•!
•!
•!
Offene Fragen
Direktiv
Flexibilität
Förderung aktiver Mitarbeit
Belohnend / ermutigend
Humor
Unterstützend fordernd
Interesse
Good Lives Model
1.!
2.!
3.!
4.!
Gesundheit - Ernährung und Bewegung
„Meisterhaftigkeit“ (Beherrschung) – in Arbeit & Spiel
Autonomie – Selbstbestimmung
Beziehungen – Intimbeziehung, Familie, Freunde,
Verwandtschaft, Gemeinde
5.! Innerer Friede – Freiheit von Unruhe, Stress; Gefühl von
zweck- und sinnvollem Leben
6.! Wissen und Kreativität – Befriedigung durch Lernen und
Erschaffen von Dingen (Arbeit, Hobbies, Musik,
Schreiben ...)
(Marshall et al. 2011, Ward & Mann 2004)
RPS Primary Program
Phase 1: Engagement
•! Überblick über Behandlung
•! Schweigepflicht
•! Hintergrundfaktoren
•! Förderung von Selbstwertgefühle, Reduzierung
von Scham
•! Verbesserung von Coping und
„Stimmungsmanagement“ (Emotionsregulation)
•! Erweiterung von Empathie
RPS Primary Program
Phase 2: Modifizierung kriminogener Faktoren
Modifizierung kriminogener
Faktoren I
1. Einstellungen, Kognitionen
•! deliktfördernde
Einstellungen (Männer
sollen Frauen dominieren,
feindselige Einstellungen
gegenüber Frauen; Kinder
als sexuelle Personen)
•! Emotionale Identifikation
mit Kindern
•! Antisoziale Einstellungen
•! Selbsteinschätzung als
nicht-rückfallgefährdet
•! Anspruchshaltung
2. Selbst-Regulation
•! defizitäre
Verhaltensregulation
•! defizitäres Coping /
Problemlösung
•! Emotionale Dysregulation
Modifizierung kriminogener
Faktoren II
3. Beziehungsprobleme
•! Intimitätsdefizite
•! Fehlende BeziehungsFähigkeiten
•! Maladaptive Bindungsstile
•! Emotionale Einsamkeit
4. Sexuelle Faktoren
•! Mangelndes sexuelles
Wissen
•! Deviantes / paraphiles
sexuelles Interesse
•! Sexuelle
Anspruchshaltung
•! Sexuelle Preokkupation
RPS Primary Program
Phase 3: Lebensförderung & Selbstmanagement
•! Good Live Model
•! Vermeidungsstrategien (eingeschränktes
Repertoire)
•! Aufbau von Unterstützungsgruppen
•! Entlassungsplan
Wirksamkeit des Rockwood Psychological
Services ( RPS) Primary Programs
Follow-Up 8,4 J. (n=535)
Rückfälle bei
Behandelten
Erwartete
Rückfälle
(Static-99, RRASOR)
Sexualdelikte
5,6 %
23,8 %
Andere
Gewaltdelikte
8,4 %
34,8 %
(Marshall et al. 2011)
Behandlungsziele im SOTP!
•! Die Übernahme von Verantwortung für das eigene Verhalten,
insbesondere die Straftat
•! Die Stärkung der Motivation des Gefangenen, aktiv an der
Vermeidung von Rückfällen mitzuarbeiten
•! Die Verbesserung der Empathiefähigkeit für das / die Opfer
seiner Tat(en)
•! Die Entwicklung sozialer und kognitiver Fähigkeiten, die der Täter
für ein Leben ohne Sexualstraftaten benötigt
Wirksamkeit des Sex Offender
Treatment Program (SOTP)
•! SOTP wurde seit 1990 in England entwickelt und in 25
Gefängnissen gleichzeitig erprobt. 647 Behandelte wurden
mit 1910 Unbehandelten aus früheren Jahren verglichen.
Rückfälle bei
Behandelten
Rückfälle bei
Unbehandelten
Medium low risk
2,7 %
12,7 %
Medikum high
risk
5,5 %
13,5 %
Risikolevel
Zentrale Behandlungsmethoden
im SOTP
•! Kognitive Umstrukturierung
•! Modelling
•! Positive Verstärkung
Kognitive Umstrukturierung
Wichtig:
•! Angemessene Form der Fragenformulierung
•!
Ein ermutigender und unterstützender
Behandlungsstil
Kognitive Umstrukturierung
Das sokratische Fragen ist nicht feindlich und
unterstützt das „Selberdenken“.
Zu vermeiden sind:
–! Geschlossene Fragen
–! Fragen, die Annahmen beinhalten
–! Suggestivfragen
–! Konfrontationen
Modelling
•! Angemessen mit Kritik umgehen, nicht vom Thema
ablenken oder unterbrechen
•! Nicht vor unangenehmen Aufgaben zurückschrecken
•! Fehler zugeben
•! Angemessenes Lob akzeptieren
•! Andere angemessen loben
•! Nicht über das eigene Leben, die Gesellschaft im
allgemeinen oder den Job lamentieren. Stattdessen
deutlich machen, dass man selbst für das eigene
Leben verantwortlich ist.
•! Versprechungen sind einzulösen
Umgang mit Verleugnung
Es wurden insgesamt fünf Faktoren identifiziert, die das
Aufgeben von Verleugnungen erleichtern:
"
1.! Ein vertrauensvolles Klima
2.! Ex-Verleugner als Rollenmodelle
3.! Beseitigung der Angst von Negativkonsequenzen, wenn
die Straftat eingestanden wird
4.! Herausarbeiten der positiven Konsequenzen, wenn das
Delikt eingestanden wird
5.! Ermutigung, das Delikt einzugestehen
Kognitive Verzerrung
Beispiel: Geschwindigkeitsübertretung
Ich fahre mit einem neuen, schnellen Auto auf einer
wenig befahrenen, gut ausgebauten Straße. Die Sicht
ist hervorragend.
Ich überschreite die Geschwindigkeitsbegrenzung
erheblich.
Definition:
Ich lege mir die Dinge so zurecht, dass sie für mich
passen, damit ich mein Verhalten rechtfertigen
kann und es nicht ändern muss.
Kognitive Verzerrung
Ziele:
•! Vermitteln des Konzeptes kognitiver Verzerrungen
•! Gruppenmitglieder erkennen eigene charakteristische
kognitive Verzerrungen.
•! Gruppenmitglieder stellen einen ersten
Zusammenhang her zwischen Verleugnung und
Minimalisierung als verzerrte Denkweisen in
Verbindung mit Sexualstraftaten.
Beispiele kognitiver Verzerrungen
Kindesmissbrauch
Vergewaltigung
Ich hätte aufgehört, wenn sie „nein“
gesagt hätte.
Im Gerichtssaal war sie völlig ruhig
und gelassen. Wenn sie die Tat
wirklich belasten würde, dann wäre sie
mehr durcheinander gewesen.
Sie war sexuell sehr erfahren. (über
ein 13-jähriges Mädchen)
Ich bin selbst als Kind durch meinen
Onkel sexuell missbraucht worden.
Es hat mir nicht geschadet.
Ich hab´ viele Sachen gemacht, mit
denen die Frauen anfangs nicht
einverstanden waren. Später haben
sie es dann alle genossen. Nur diese
beiden Frauen haben das falsch
verstanden. Wo ist das Problem mit
meinem Verhalten, wenn es den
meisten Frauen gefällt?
Sie war immer sehr aufreizend
gekleidet und hatte zahllose
Bekanntschaften. Normalerweise war
sie nicht so zimperlich.
Bearbeitung kognitiver Verzerrungen
Ziele:
•! Dem Täter Erklärungen für kognitive Verzerrungen bei
Sexualdelikten liefern (allgemeine Beispiele, z.B.
Geschwindigkeitsübertretungen)
•! Den Täter über die Auswirkungen von Sexualdelikten
auf die Opfer informieren (auf neutrale, nicht
verurteilende Art und Weise)
•! Den Täter beim Erkennen eigener kognitiver
Verzerrungen unterstützen
•! Übungen, die den Täter beim Erkennen und Beseitigen
kognitiver Verzerrungen unterstützen
Bearbeitung kognitiver Verzerrungen
Wie werden kognitive Verzerrungen bearbeitet?
•!
•!
•!
•!
•!
•!
Alternativen darstellen / modellieren
Alternative / realitätsgerechtere Aussagen des Täters
verstärken
Im Rollenspiel die Argumente der Gegenseite
vertreten
Den Selbstwert steigern
Selektive Reflektion nutzen
Unterstützung der Gruppe nutzen
Bearbeitung kognitiver Verzerrungen
Wie kann die Gruppe zur Bearbeitung kognitiver Verzerrungen
genutzt werden?
•! Modellieren, wie Fragen gestellt werden
•! Das Fragen von Gruppenteilnehmern verstärken
•! Diejenigen Gruppenteilnehmer loben, die sich aufrichtig mit
ihren kognitiven Verzerrungen auseinandersetzen
•! Falls keine Beiträge von der Gruppe kommen, kognitive
Verzerrungen direkt bearbeiten
Die Bearbeitung von kognitiven Verzerrungen funktioniert am
besten nach der sokratischen Methode:
Wir sind eher bereit, Erkenntnisse zu akzeptieren und zu
integrieren, die durch eigenes logisches Denken erworben
wurden.
Das heißt: Belehren und Streiten funktioniert eher schlecht.
Bearbeitung kognitiver Verzerrungen
Ich hab´ es nicht getan.
Gehen Sie im Detail mit dem Täter durch, was er bereit ist zuzugeben.
Wieweit war er tatsächlich involviert?
Konfrontation mit der Aktenlage (ohne dass der Täter das Gesicht verliert).
Warum ist der Tatablauf im Urteil anders dargestellt? Warum hat das
Opfer andere Angaben gemacht?
Es ist wichtig, so viel Informationen wie möglich über die Tat zu haben.
Es kann auch hilfreich sein zu explorieren, was genau hinter der
Aufrechterhaltung der Verleugnung steht, z.B. die Angst, die Partnerin zu
verlieren.
Das Kind hat mich darum gebeten, es zu tun.
Fragen Sie den Täter, ob er einem Kind eine Flasche Schnaps oder eine
geladene Pistole geben würde, wenn es ihn darum bäte.
Fragen Sie ihn, warum er so etwas nicht machen würde.
Lassen Sie ihn Parallelen zum sexuellen Missbrauch ziehen.
Aktive Deliktdarstellung
•! Erklärung des Entscheidungsketten–Modells
•! Wichtig: Gruppenmitglieder sollen richtige
Zusammenhänge zwischen Situationen, Gedanken
sowie Gefühlen und Verhaltensweisen erkennen:
Gedanken steuern Gefühle und Verhaltensweisen,
nicht Situationen.
•! Die Straftaten werden anhand dieses Modells
exploriert, die Teamer erstellen am Flipchart die
Entscheidungskette.
Passive versus aktive
Deliktdarstellung: Vergewaltigung
1.!
2.!
3.!
4.!
5.!
6.!
7.!
8.!
9.!
Meine Frau hat wieder mal Zoff angefangen, und da bin ich in die Kneipe
gegangen...
Meine Kumpels waren am Feiern und haben sich ganz schön was
eingeschenkt.
Es waren auch einige Mädels da, die offensichtlich Spaß haben wollten.
Als die Kneipe zugemacht hat, wollte ich noch was essen gehen, eins der
Mädels ging in dieselbe Richtung.
Ich sprach sie an, sie war sehr freundlich.
Sie hat es wirklich nötig gehabt, und so landeten wir hinter dem nächsten
Gebüsch.
Ich zog sie aus. Sie hat nichts dagegen gesagt.
Ich hatte Sex mit ihr. Sie hat es genossen. Sie wollte mich wieder treffen.
Als ich sie das nächst mal in der Kneipe sah, hat sie die Polizei gerufen
und mich der Vergewaltigung bezichtigt. Es war unfassbar.
1.!
2.!
3.!
4.!
5.!
6.!
7.!
Meine Frau wollte nicht, dass ich in die Kneipe gehe. Wir hatten Streit
deswegen und ich bin aus dem Haus gestürmt. Ich wusste, dass ich auf
diesem Wege so oder so in die Kneipe komme.
Ich habe stark getrunken. Ich dachte, ich würde es meiner Frau schon
zeigen.
Als die Kneipe schloss, beschloss ich, einer der Studentinnen zu folgen.
Ich wählte die, die stadtauswärts ging.
Ich fragte sie nach der Uhrzeit, doch sie war sehr abweisend, was mich
verärgert hat.
An der nächsten einsamen Ecke hab ich ihr an die Kehle gefasst und
ihr eine reingehauen, sie wurde ganz benommen, ich begann sie
auszuziehen.
Dann hatte ich Sex mit ihr. Sie bat mich, sie nicht zu verletzen. Ich
fühlte mich gut. Ich ließ sie gehen, als sie mir bestätigte, dass ich ihr
nicht weh getan hatte.
Als ich das nächste Mal in der Kneipe war, erzählte ich, wie leicht es
war, die Kleine rumzukriegen. Als die Polizei erschien dachte ich, ihre
Aussage steht gegen meine, ich brauche die Vergewaltigung nur zu
leugnen.!
“Altes Ich” versus “Zukünftiges Ich”!
Altes Ich
Zukünftiges Ich
•! Herausarbeiten devianter
sexueller Interessen /
Erregungsmuster
•! Vertieftes Verständnis über
Defizite und unrealistische
Erwartungen in Beziehungen
•! Vertieftes Verständnis über
einen problematischen
impulsiven Lebensstil
•! Herausarbeiten
selbstrechtfertigender und
deliktrechtfertigender kognitiver
Verzerrungen und Ersetzen
durch prosoziale Ansichten
•! Verstärken der Motivation, nichtdeviante sexuelle Interessen zu
entwickeln.
•! Unterstützung bei der
Bewertung der Entwickeln
realitätsgerechter BeziehungsErwartungen
•! Erarbeitung neuer, funktionaler
Denkmuster
•! Gelegenheit geben zur
Neubewertung und
Neuformulierung von
Lebenszielen
Die Hamburger ambulante Gruppe
•! Warming-up: Jeder Patient erzählt, was in der letzten
Woche geschah.
•! Therapeuten wählen ein oder zwei Themen, die
relevant scheinen entsprechend einer Hierarchie von
Gefährlichkeit oder aufgrund einer Affektlage, die die
Gruppenmitglieder verbindet.
•! Durcharbeiten
•! Schlussrunde: Wie habe ich mich heute gefühlt?
Priorität der Themen in der
Gruppentherapie!
•! Gedanken die Therapie abzubrechen
•! Gefährdungssituationen (z.B. Nähe zu Kindern
suchen)
•! Arbeit am Deliktszenario
•! Arbeit an der Empathie mit dem Opfer
•! Soziale Selbstbehauptung und Einbindung
•! (sexuelle) Beziehungen zu PartnerInnen unter
Berücksichtigung des Intimitätserlebens
•! Eigene Opfer- und Missbrauchserfahrung (der
Weg vom Opfer zum Täter)
Pharmakotherapie
Wirksamkeit von Therapie
1.45
2.17
0.98
0.85
0.93
3.13
14.29
Meta analysis (n=22.181, Lösel und Schmucker, 2005)
Ideale Pharmakotherapie für
Sexualstraftäter und Patienten
mit Paraphilien
•! Behandlung der beteiligten Störungen (z.B.
Angststörung, depressive Störung,
Persönlichkeitsstörungen)
•! Selektive Unterdrückung von paraphilen
Bedürfnissen, Fantasien und Verhalten
•! Nicht-Beeinträchtigung der nicht-paraphilen
Sexualität
•! Keine unerwünschten Nebenwirkungen
Überblick
SSRI
Naltrexon
CPA
LHRH Agonisten
Was, wann, für wen?
Sexualdelinquenz!
•!Paraphilien
•!Angststörungen
•! emotional instabile Serotonerges
Persönlichkeitsst.
Defizit?!
•!Impulskontrollstörungen!
Selektive
SerotoninWiederaufnahmehemmer
(SSRI)!
SSRIs bei Paraphilien
Wirksamkeit
•! keine doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studien
•! Eine kontrollierte Untersuchung zu „Compulsive Sexual
Behavior“
•! keine längeren Katamnesen
•! keine Unterschiede zwischen verschiedenen SSRIs (Greenberg
u.a. 1996)
•! Wirkung nach 2-4 Wo. (Maximum nach 2-3 Mo.)
SSRIs bei Paraphilien
Häufigkeit von Masturbation mit paraphilen Fantasien
in Abhängigkeit von der Behandlungsdauer
mit SSRI (n = 16).
Depressivität und Selbstwert im Behandlungsverlauf
(n = 16).
Kraus et al. , Fortschr Neurol Psych 2007
Sexuelle Funktionsstörungen,
Behandlungszufriedenheit
Sexuelle
Funktionsstörungen
•! gesamt: 12 (75 %)
•! Lustlosigkeit: 11
•! Erektionsstörung: 6
•! Verzögerte
Ejakulation/
Orgasmus: 6
Kraus et al. , Fortschr Neurol Psych 2007
Naltrexon (Ryback 2004)
•! langwirksames Opioid
•! Anwendung bei
–! Alkohol/Drogenabhängigkeit
–! Impulskontroll- und Borderline-Pers.stör.
•! Bestimmte endogener Opioidspiegel notwendig für sexuelle
Erregbarkeit
•! Aber: hohe Dosen von Opioiden hemmen die
Dopaminausschüttung!
•! Offene, prospektive, unkontrollierte Studie mit 21 jugendlichen
Sexualstraftätern (Sex. Missbrauchstäter) mit Hypersexualität
(~PRD)
•! Naltrexon: Ø 170 mg/d (100-200 mg, einschleichend mit 50 mg/d)
•! Erfolg (30% Reduktion sex. Fantasien u. Masturbation über
mindestens 4 Monate)
•! Am ehesten für Patienten mit komorbider Suchterkrankung?
Cyproteronacetat (Androcur#)
Wirkmechanismus
1.! blockiert Androgen-Rezeptoren an Zielorganen
(kompetitiver Inhibitor von Testosteron u. DHT)
2.! reduziert die Sekretion von LHRH, dadurch:
"
Reduktion des Plasma-Testosterons
"
Reduktion von Sexualität (Fantasien, Verlangen,
Erregbarkeit, Erektionen, Ejakulation, Masturbation
und Koitus) und Spermaproduktion
Wirksamkeit von
Cyproteronacetat
•! Reduktion von sexuellem Interesse, Aktivität
und Erregbarkeit (auch in
Penisplethysmographie) in kontrollierten
Studien (z.B. Bradford u. Pawlak 1993), aber:
keine längeren Katamnesen
•! keine spezifische Reduktion der paraphilen
Sexualität
•! Angeblich Reduktion der Rezidivrate bzgl.
Sexualstraftaten (z.T. auch nach Absetzen);
aber: bisher nur unkontrollierte Studien
LHRH-Agonisten
Wirkmechanismus
Pharmakotherapie LHRH
Studie I
Treatment of paraphilia with LHRH Agonists;
Briken et al., J Sex & Marital Ther 2001
4
3,5
Intensität
3
2,5
Erektion
Masturbationshäufigkeit
deviante Phantasien
2
1,5
1
0,5
0
baseline
3 Monate
6 Monate
12 Monate
Zeit
#$%$!&'()*+,-)!-.+,/01*'!01+!230./04(,3-.02-5,*+63-!&1,-.)0,*7-!85!
&)9.(65.!:;<&=!*/!9-5,+63+2.063*'-)!%05/>!
Rezidivraten
•! CPA: keine kontrollierten Untersuchungen, Rezidive
0-33% (MW 6%); 10 Studien (N=127) (Meyer & Cole 1997)
•! MPA (Medroxyprogesteronacetat):
z.B. Maletzky et al. 2006
–! Mit Medikation
0% (0/79)
–! Abbrecher/Verweigerer
18% (10/55)
–! Kein Angebot
15% (21/141)
•! LHRH: "1%; N=119 (Briken et al. 2003, 2004),
1 kontrollierte Untersuchung (Schober et al. 2006), aber nicht
bezogen auf Rezidivrate
•! Cave: Heterogene Gruppen (Diagnose, Setting,
Behandlung, Komorbidität, Follow-up Dauer)
•!(Methoden-)Kritik: Eher et al. 2007
Wirkungen antihormoneller
Therapie
;8-.)?@!A.*4-)!B!A-.)-.>!C5.!<+?63*0,.?!DEED!
Nebenwirkungen
•! Osteoporose
•! Gewichtszunahme
•! Damit verbunden erhöhtes
Risiko für metabolisches
Syndrom
•! Infertilität
F)!&G3H)'*'4-*,!7()!9-.!
A-30)915)'+905-.!
Nebenwirkungen
antihormoneller Therapie
A-30)915)'+905-.I!;<&!DD@J!KL!#$%$!ME@N!K!!!
;8-.)?@!A.*4-)!B!A-.)-.>!C5.!<+?63*0,.?!DEED!
Risikofaktoren für Osteoporose
•!
•!
•!
•!
•!
•!
Alter
Rauchen
Alkoholkonsum
Antiepileptika wie Carbamazepin
Nutritive Faktoren
Körperliche Aktivität"
Behandlungsalgorithmus
leicht!
Bei starken devianten Phantasien/Impulsen oder Risiko
von Sexualstraftaten!
Alle!
SSRI!
mittel!
Patienten:!
Bei unzureichender Wirksamkeit und mittlerem bis hohen Risiko
für „Hands-on“-Delikte, starker Impulsivität, Aggressivität, !
„Psychopathy“, gefährlicheren Paraphilien (Pädophilie, Sadismus)!
CPA!
oral, bei problematischer Compliance:!
! intramuskuläre Applikation (i.m.)!
schwer!
Bei unzu-!
reichender Wirksamkeit oder
Leberfunktionsstörungen unter CPA !
LHRH (i.m./s.c.)!
Bei einem Risiko für gleichzeitigen !
Anabolokamissbrauch!
LHRH (i.m./s.c.) + CPA i.m.!
+ SSRI!
Insbesondere !
Bei unzu-!
bei !
reichender
depressiver, !
Wirksamkeit
ängstlicher und !
zwanghafter !
Symptomatik!
Psychotherapie
(supportiv
oder
intensiv)!
!
+!
Pharmakotherapie
komorbider
Störungen!
A.*4-)@!$*11@!A-.)-.>!O!;1*)!<+?63*0,.?!DEEN
!
WFSBP Guidelines
(Thibaut et al. 2010)
LEVEL 1
•!
Aim: control of paraphiliac sexual fantasies, •!
compulsions and behaviors without impact on
conventional sexual activity and on sexual desire
Psychotherapy (preferentially cognitive behavioral therapy
if available (Level C), no level of evidence for other forms
of psychotherapy)
LEVEL 2
•!
•!
•!
Aim: control of paraphiliac sexual fantasies,
compulsions and behaviors with minor impact on
conventional sexual activity and on sexual desire
•!
May be used in all mild cases (“hands off” paraphilias
with low risk of sexual violence, i.e. exhibitionism
without any risk of rape or pedophilia)
SSRIs: increase the dosage at the same level as
prescribed in OCD (e.g. fluoxetine 40 to 60 mg/day or
paroxetine 40 mg/day) (Level C)
No satisfactory results at level 1
LEVEL 3
•!
Aim: control of paraphiliac sexual fantasies,
compulsions and behaviors with a moderate reduction
of conventional sexual activity and sexual desire
•!
‘Hands on’ paraphilias with fondling but without •!
penetration
•!
Paraphliac sexual fantasies without sexual sadism
•!
No satisfactory results at level 2 after 4-6 weeks of
SSRIs at high dosages
Add a low dose antiandrogen (e.g. cyproterone acetate
50-100 mg/day) to SSRIs (Level D)
•!
•!
•!
•!
•!
•!
•!
•!
•!
•!
•!
•!
•!
•!
•!
•!
•!
•!
•!
•!
LEVEL 4
Aim: control of paraphiliac sexual fantasies,
compulsions and behaviors with a substantial reduction
of sexual activity and desire
•!
First choice: full dosage of cyproterone acetate (CPA):
oral, 200-300 mg/day or i.m. 200-400 mg once weekly or
Moderate and high risk of sexual violence (severe
every 2 weeks ; or use medroxyprogesterone acetate:
paraphilias with more intrusive fondling with limited
LEVEL 1 50-300 mg/day if CPA is not available (Level C)
number of victims)
WFSBP Guidelines
(Thibaut et al. 2010)
If co-morbidity with anxiety, depressive or obsessive
No sexual sadism fantasies and/or behavior (if present: •!
Aim:
control
of
paraphiliac
sexual
fantasies,
•!
Psychotherapy
(preferentially
cognitive
behavioral
compulsive
symptoms,
SSRI’s might
be associated
with
go to level 5)
compulsions and behaviors without impact on
therapy if available
cyproterone
acetate (Level C), no level of evidence for
Compliant
patient,
if
not:
use
i.m.
form
or
go
to
level
5
conventional sexual activity and on sexual desire
other forms of psychotherapy)
No satisfactory results at level 3
LEVEL 2
LEVEL 5
•!
Aim: control of paraphiliac sexual fantasies,
compulsions
with sexual
minor impact
on
Aim:
controlandof behaviors
paraphiliac
fantasies,
conventional
activity and
on an
sexual
desire
compulsions sexual
and behaviors
with
almost
complete •!
suppression
desire
and(“hands
activity off” paraphilias •!
May
be usedofinsexual
all mild
cases
with risk
low ofrisk
of violence
sexual and
violence,
exhibitionism
High
sexual
severei.e.
paraphilias
without any risk of rape or pedophilia)
Sexual sadism fantasies and/or behavior or physical •!
No
satisfactory results at level 1
violence
Long acting GnRH agonists, i.e. triptorelin or leuprolide
acetate 3 mg/month or 11,25 mg i.m. every 3 months
(Level C)
SSRIs: increase
dosage at may
the same
level
asto
Testosterone
levelsthe
measurements
be easily
used
prescribed in OCD (e.g. fluoxetine 40 to 60 mg/day or
control the GnRH agonist treatment observance if
paroxetine 40 mg/day) (Level C)
necessary
Cyproterone acetate may be associated with GnRH
agonist treatment (one week before and during the first
month of GNRHa) to prevent a flare up effect and to
No compliance or no satisfactory results at level 4
LEVEL 3 control the relapse risk of deviant sexual behaviour
associated with the flare up effect
Aim: control of paraphiliac sexual fantasies,
LEVEL 6
compulsions and behaviors with a moderate reduction
of conventional sexual activity and sexual desire
Use antiandrogen treatment, i.e. cyproterone acetate
Aim: control of paraphiliac sexual fantasies, •!
‘Hands on’ paraphilias with fondling but without •!
(50-200
mg/day
per os or 200-400
mg once weekly
Add a low
dose antiandrogen
(e.g. cyproterone
acetateor
compulsions and behaviors with a complete
penetration
50-1002mg/day)
SSRIs
D)
every
weeks toi.m.)
or, (Level
medroxyprogesterone
acetate
suppression of sexual desire and activity
(300-500 mg/week i.m if CPA not available) in addition to
Paraphliac sexual fantasies without sexual sadism
Most severe paraphilias (catastrophic cases)
GnRH agonists (Level D)
No satisfactory results at level 2 after 4-6 weeks of
No satisfactory results at level 5
•!
SSRIs may also be added (No level of evidence)
SSRIs at high dosages
Verlauf & Prognose
Integrierte psychoanalytische
Perversionstheorie (Berner 2011)
Definitionselemente
Verlaufsmerkmale
Strukturmerkmale
Fetischbildung
Perversion als Plombe
Neurotische Struktur
Sadomasochistischer
Beziehungsmodus
Perversion als
Impulsdurchbruch
Borderline-Struktur
PartialtriebLustelemente
Perversion als Sucht
oder Zwang
Psychotische Struktur
(Realitätskontrolle,
Identitätsgefühl,
Abwehrmechanismen)
Delinquenz-Rückfälligkeit
Meta-Analyse (Hanson & Morton-Bourgon 2004, 2005)
•! 95 Studien mit 31.216 Sexualstraftätern
•! „Time at risk“: 5-6 J
•!
•!
•!
•!
Neues Sexualdelikt:
Neues nicht-sexuelles Gewaltdelikt:
Irgendein neues Gewaltdelikt:
Irgendein neues Delikt:
13.7 %
14.0 %
25.0 %
36.9 %
Meta-analysis: Sexual recidivism
(Hanson, Morton-Bourgon & Harris, 2003)
Follow-up (time at risk)
%
(95 % CI)
< 5 yrs
14
(13-15)
< 10 yrs
20
(19-21)
< 15 yrs
24
(22-26)
< 20 yrs
27
(24-30)
Risk factor categories (Hanson
& Morton-Bourgon 2004)
Risk factor category
effect size d
sexual
recidivism
effect size d
violent
recidivism
Sexual deviancy
Antisocial orientation
.30
.23
-.05
.51
Sexual attitudes
Intimacy deficits
.16
.15
.17
.12
Adverse childhood
environment
General psychological
problems
Clinical presentation
.09
-.02
.02
.21
-.02
.16
Hanson & Morton-Bourgon, 2005:
Relevant „dynamic“ risk factors
Risk factors
effect size d
n
Deviant sexual preference
.31
2769
Sexual preoccupation
.39
1119
Dissocial personality disorder
.21
3267
Psychopathy (PCL-R)
.29
2783
Selfregulation problems
.37
2411
Unstable occupational history
.22
5357
Hostility
.17
1960
21.01.2010
Bewährungshilfe
97/43
Hanson & Morton-Bourgon, 2005:
Possible relevant „dynamic“ risk factors
„risk factors“
effect size d
n
Coercion & physical violence at
the offence
Victim of physical child abuse
.09
7221
.10
5490
Victim of sexual child abuse
.09
5711
Loneliness, isolation
.03
1810
Low self esteem
.04
1424
21.01.2010
Bewährungshilfe
98/43
Hanson & Morton-Bourgon, 2005:
Questionable „dynamic“ risk factors
„risk factors“
effect size d
n
Lack of victim empathy
-.08
1745
Denial of sexual offence
.02
1780
Low motivation at the
beginning of treatment
Slow treatment progress
-.08
1786
.14
1118
21.01.2010
Bewährungshilfe
99/43
Rückfälligkeit von Sexualstraftätern
in Deutschland (Elz 2001, 2002)
time at risk: 6 Jahre
Sexuelle
Gewaltdelikte
(n = 181)
Sexueller
Missbrauch
(n = 77)
8 % $ 13 J.
25 % 14-17 J.
Alle $ 13 J.
(Auch) einschläg. Rückfall
19 %
22 %
Nur sonstiger Rückfall
49 %
31 %
Alter des Opfers bei
Anlassdelikt
Risikofaktoren bei Sexualstraftätern
(Elz 2001, 2002)
•!
•!
•!
•!
•!
•!
•!
•!
•!
Fremdes Opfer
Mehrere Opfer
Kindliche Opfer
Bei sex. Missbrauch: extrafamiliäre, fremde und
männliche Opfer
Einschlägige Vorstrafen
Dissoziale Entwicklung (v.a. bei Sex. Gewaltdelikten)
1. Sexualdelikt als Jugendlicher/Heranwachsender
Exhibitionismus
Gewalterfahrung in der Kindheit, nur selten eigene
sexuelle Missbrauchserfahrung
Alter und neues
Sexual- oder Gewaltdelikt
16%!
28%!
**!
**!
Alter bei Entlassung"
(n=27)
58%!
(n=40)
p<.01!
(n=23)
Hill, Habermann, Klusmann, Berner, Briken;
International Journal of Offender Therapy and
Comparative Criminology 2007 (im Druck)
Alter: ein protektiver Faktor
(Harris et al. 2003)
Prognoseinstrumente
•! Static99 (Hanson u. Thornton): 10 Items ausschließlich statischer
Natur, Weiterentwicklung: Static2002
•! SORAG (Quinsey, Rice u. Cormier) 15 Items ausschließlich statisch
•! JSOAP und ASOAP (Prentky et al.): 26 bzw. 21 Items statisch und
dynamisch,
•! SVR-20 (Boer et al.): 20 Items, statische und dynamisch-veränderbare
Faktoren
•! SONAR (Hanson u. Harris): ausschließlich dynamische Faktoren
(einschließlich Therapieeffekte): Intimitäts-Defizite, negative soziale
Einflüsse, Einstellungen, Selbstkontrolle (im sexuellen und nicht
sexuellen Bereich), akute Risikofaktoren (Substanzgebrauch, negative
Stimmungslage, Wut, leichte Verfügbarkeit von möglichen Opfern)
•! FOTRES (Urbaniok et al.): computergestütze (online) Beurteilung.
Integriert „strukturelles“ Risiko und prinzipiell veränderbare Faktoren
einschließlich Therapieeffekten. Sehr komplex und umfangreich
•! In der Praxis meist Kombination von aktuarischer/ statistischer und
klinischer Prognosebeurteilung
Leitlinien für das Assessment von
protektiven Faktoren beim Risiko
zu gewalttätigem Verhalten
Vivienne de
Vogel
Corine de Ruiter
Yvonne Bouman
Michiel de Vries
Robbé
Aranke Spehr, Peer Briken
•! Strukturiertes
Assessment von
PROtektiven
Faktoren
Struktur
Internale Items٨
•! Struktur des SAPROFs
-! 17 Items:
Internale Items
Motivationale
Items Externale Items
-! 3-Punkten-skala:
0 = Nein
1 = Vielleicht
2 = Ja
1.
2.
3.
4.
5.
Intelligenz٨
Sichere Bindung in der Kindheit٨
Empathie٨
Coping٨
Selbstkontrolle٨
Motivationale Items٨
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
Arbeit٨
Freizeitaktivitäten٨
Finanzmanagement٨
Behandlungsmotivation٨
Einstellung gegenüber Autoritäten٨
Lebensziele٨
Medikation٨
Externale Items٨
13.
14.
15.
16.
17.
Netzwerk٨
Intimbeziehung٨
Professionelle Hilfe٨
Wohnsituation٨
Aufsicht٨
Integration der Risikofaktoren in das
Prognosegutachten I (Nedopil 2000, 2007)
A. Prädeliktische Persönlichkeit
1.! Frühere Gewaltanwendung
(H1)
2.! Alter bei 1. Gewalttat (H2)
3.! Stabilität von
Partnerbeziehungen (H3)
4.! Stabilität von
Arbeitsverhältnissen (H4)
5.! Alkohol-/Drogenprobl. (H5)
6.! Psychische Störung (H6)
7.! Frühe Anpassungsstörung /
Eigene Opfererfahrung (H8)
8.! Persönlichkeitsstörung (H9)
9.! PCL-Wert
10.! Frühere Verstöße gegen
Bewährungsauflagen (H10)
B. Ausgangsdelikt
1.! Statistische
Rückfallwahrscheinlichkeit
2.! Bedeutung situativer Faktoren
für das Delikt
3.! Einfluss vorübergehender
Krankheit
4.! Zusammenhang mit einer
Persönlichkeitsstörung
5.! Erkennbarkeit motivationaler
Zusammenhänge
Integration der Risikofaktoren in das
Prognosegutachten II (Nedopil 2000, 2007)
C. Postdeliktische Persönlichkeitsentwicklung
1.!
2.!
3.!
4.!
5.!
6.!
7.!
Krankheitseinsicht und
Therapiemotivation
Selbstkritischer Umgang mit
bisheriger Delinquenz
Besserung psychopathologischer Auffälligkeiten
Pro-/antisoziale
Lebenseinstellung (C2)
Emotionale Stabilität (C4)
Entwicklung von CopingMechanismen
Widerstand gegen Folgeschäden durch
Institutionalisierung
D. Sozialer Empfangsraum
1.!
2.!
3.!
4.!
5.!
6.!
7.!
8.!
Arbeit
Unterkunft
Soziale Beziehungen
Offizielle
Kontrollmöglichkeiten
Verfügbarkeit von Opfern
Zugangsmöglichkeiten zu
Risiken (R2)
Compliance (R4)
Stressoren (R5)
E. Prognostische
Gesamtbeurteilung
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !
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