Prävention der Depression im Kindes- und Jugendalter Gerhard G h d Lib Libal, l Mi Michael h l Köl Kölch h und Ulrike Schulze Affektive e t ve Stö Störungen u ge ((nach Schulte-Markwort und Forouher,, 2003)) • Affectus = Stimmung, krankhafter Gemütszustand, Leidenschaft, Begierde •Affektive Aff kti Störungen Stö g : durch anhaltende und/oder krankhafte Veränderungen der Stimmungslage definiert; im wesentlichen Depression und Manie •Melancholie: umgangssprachliche Bezeichnung einer Depressions-Vorform, subjektiver persönlichkeitskonformer Gemütszustand, eine Art fieberfreier Verrücktheit •Stimmung = subjektiv wahrgenommene Gefühlszustände, die sich zwischen den Polen d l Lust und d Unlust, l Trauer und d Freude, d Angst A und d Jubel, b l Liebe b und d Hass, Wut und Gleichgültigkeit ansiedeln lassen. Nicht zu allen Affekten gibt es Gegenaffekte. Sy pto e Symptome • 3 Ebenen: Affekt Denken Handeln Beii Kindern B Ki d und d JJugendlichen dli h SSymptomatik t tik vom Entwicklungsstand abhängig. Depressive ep ess ve Stö Störungen u ge ((ICD-10) C 0) • Prävalenz: 12-17% (Wittchen et al. 1994) – Zahlen schwankend, je nach Diagnosesystem – weiblich:männlich ibli h ä li h = 2 2:1 1 Kurpfalz-Studie (Mannheim, Ihle 2004): – 13jährige 4-8 % (6-12-Monats-Prävalenz), davon 44 % persistierend im Alter von 18 bzw.= .25 Jahren – 68 % entwickeln eine weitere p psychiatrische y Störung g ((i.G. zu 19 % der Kontrollgruppe) g pp ) • Manifestationsgipfel: 20.-40. Lj. – ungünstiger Verlauf bei frühem Erkrankungsalter, hohe Komorbidität u. p , Prädiktoren für Persistenz,, aber auch hohe Rate an Spontanremissionen, Folgekosten: Maudsley long-term follow up (Fombone et al. 2005): Alter bei Erstkontakt, Ängstlichkeit, Komorbidität mit SSV = wichtige Einflussfaktoren • Mortalitätsrate durch Suizid: – 15% im Erwachsenenalter h l – 18: 100.000 im Jugendalter • F 32 Depressive Episode (leicht, mittel, schwer; mit/ohne somatische S Symptome, t mit/ohne it/ h psychotische h ti h SSymptome; t Mi Mindestdauer: d td 2W Wochen h – DD: gemischte affektive Episode, Anpassungsstörung, Dysthymie, affektive Störung aufgrund einer somatischen Erkrankung) •F 33 Rezidivierende depressive Störung mit mindestens zwei Episoden •F 34.1 Dysthymia: Symptome schwächer, länger anhaltend •F 32.9 nicht näher bezeichnete depressive Episode •F F 33 33.9 9 nicht näher bezeichnete depressive Störung Depressive ep ess ve Sy Symptome pto e – altersbezogen (nach Eggers und Stage 1994) • Vorschulalter: Schreien, anhaltendes Jammern, Reizbarkeit, Anhänglichkeit, Appetitmangel, Umtriebigkeit Apathie Umtriebigkeit, Apathie, Spielunlust, Spielunlust gestörtes Essverhalten, psychomotorische Verlangsamung • Schulalter: Impulsdurchbrüche, Impulsdurchbrüche Frustrationsintoleranz Frustrationsintoleranz, nächtliche Angstzustände, Schulversagen, sozialer g, autodestruktives Verhalten,, Autostimulation Rückzug, • Adoleszenz: Gefühl innerer Leere, Freudlosigkeit, Selbstunsicherheit, Müdigkeit, diffuse, schwer einschätzbare Suizidalität, Antriebsmangel oder ungerichtete Steigerung des Antriebs, Verlust von I t Interesse, zielgerichteter i l i ht t Akti Aktivität, ität K Konzentration t ti und d Aufmerksamkeit, Verlangsamung der Denk- und Handlungsabläufe Verlaufsgeschichte Ve lau sgesc c te vo von Krankheiten a e te 1. Stadium der Disposition Risikofaktoren - nicht veränderbare: Geschlecht, Geschlecht genetische Faktoren, Familienanamnese g , Bindung g - veränderbare: Erziehungsstile, Eine starke statistische Assoziation zwischen Krankheiten und d Risikofaktoren Ri ik f kt b bedeutet d t t nicht, i ht d dass alle ll B Betroffenen t ff mit den Risikofaktoren die Krankheit entwickeln bei Fehlen von Risikofaktoren sich keine Krankheit entwickelt Resilienz – Salutogenese Was b bringt gt das Kind d de dennWas mit? t?bringt ein Kind denn mit? Charakter Temperament Bindungserfahrungen (Resilienz) genetische Ausstattung (Vulnerabilität) familiäres Umfeld (Rahmenbedingungen) Peers (Anlage-Umwelt-Debatte) Ressourcen protektive Faktoren Hochunsichere oc u s c e e Bindung du g u und d su suizidales dales Verhalten - Fallbeispiel (Jacobsen, Huss und Ziegenhain, 1994) • Vorstellung in einer kinderpsychiatrischen Ambulanz Peter, 7 Jahre, zwei Selbstmordversuche - Sprung vom Dach eines Spielhauses mit einem am Dach befestigten Strick um den Hals - Sprung in den Kanal auf dem Weg von der Schule nach Hause; wurde von einem Passanten herausgezogen, tauchte 4 Stunden später mit nassen Kleidern zu Hause auf • Stimmungsschwankungen: gedrückt, unglücklich („Mama, liebst Du mich überhaupt?“ „Warum bin ich überhaupt geboren worden“) versus clownhaftes und manieriertes Verhalten Hochunsichere oc u s c e e Bindung du g u und d su suizidales dales Verhalten - Fallbeispiel Bi d g Bindungsmessungen g • 12. 12 Monat: unsicher unsicher-vermeidend vermeidend (Fremde Situation) • 18. Monat: unsicher-vermeidend (Fremde Situation) • 6 Jahre: hochunsicher-kontrollierend (Fremde Situation) - hochunsicher h h i h (Separation Anxiety Test) - hochunsicher (Zeichnung der Familie) Hochunsichere oc u s c e e Bindung du g u und d su suizidales dales Verhalten - Fallbeispiel • hochunsichere Bindung • körperliche und psychologische Schutzlosigkeit • Gefühle des Alleingelassenseins • hohe emotionale Verletzbarkeit Æ suizidales Verhalten: Angst und (selbstgerichteter) Ärger über die (emotionale) Unerreichbarkeit der Bindungsperson Resilienzforschung es l e o sc u g ((Rutter 2000)) •eine Schlüsselerklärung für interindividuelle Unterschiede in Reaktionen auf psychosoziales Risiko betrifft die Anzahl der Risikofaktoren und die Dauer, der ein Mensch diesen Risiken ausgesetzt ist (resiliente Kinder – weniger Risikofaktoren für eine kürzere Zeit) • genetische Einflüsse funktionieren über ihren Einfluss auf individuelle Unterschiede in der Empfindsamkeit gegenüber Umweltbelastungen • einer der Gründe, warum psychiatrische Störungsbilder persistieren, liegt darin, dass auch die schädigenden Umweltbedingungen fortbestehen • einige Risiko- und Schutzfaktoren funktionieren über einen breiten Bereich,, andere sind sehr spezifisch p in ihrer Wirkung Prävention äve t o • sollte all diese Einflussfaktoren berücksichtigen • Überschneidungen mit dem Salutogenese Salutogenese-Modell Modell gegeben: Ressourcenorientierung • begrenzt in ihrem Erfolg, z.B. durch noch unzureichende Interdisziplinarität beteiligter Berufsgruppen Verlaufsgeschichte Ve lau sgesc c te vo von Krankheiten a e te 2. Stadium der vorsymptomatischen Krankheit (Prodromalstadium) Keine manifeste Krankheit, aber beginnende Veränderungen durch Einfluß von pathogenetischen Faktoren Frage des klinischen Schwellenwerts (cut-off in Tests) von Symptomen • Bsp: Ermüdbarkeit, Erschöpfung, Energieverlust, Konzentrationsprobleme Gereiztheit, Konzentrationsprobleme, Gereiztheit Schmerzen Verlaufsgeschichte Ve lau sgesc c te vo von Krankheiten a e te 3. Stadium der klinischen Erkrankung Organveränderungen (biochemische und morphologische) eingetreten Eindeutige Zeichen der Krankheit und Schweregrad bestimmbar Klassifikation (kategorial und dimensional) und Schweregradeinteilung Bedeutung für Therapie und Prognose 4. Stadium der Behinderung Körperliche, Kö li h geistige i i und d seelische li h B Behinderung hi d Drohende seelische Behinderung Bio-psycho-soziales o psyc o so ales Modell Krankheiten sind ein multifaktorielles Geschehen, sie kö können nicht i ht monokausal k l erklärt klä t werden. d A der An d E Entstehung t t h g einer i E Erkrankung k k gh haben b – biologische Faktoren – psychische hi h F Faktoren kt – soziale Faktoren Anteil. Jeder Faktor allein, aber auch im Zusammenspiel, kann eine Depression auslösen. Bio-psycho-soziales o psyc o so ales Modell • Beispiel: Depression hohe genetische Komponente • Beispiel: negatives Denken, Entkoppelung von Gefühl gp prophecy, p y, Becks Kognitive g und Verhalten,, self-fulfilling Triade (negatives Selbstbild , Neigung, Erfahrungen ständig negativ zu interpretieren, negative Zukunftserwartungen) • Beispiel: Arbeitslosigkeit, Partnerverlust Depression ep ess o - Ätiologie t olog e •g genetische Prädisposition p ((affektive Störungen g insgesamt, g , 70%ige Konkordanz bei monozygoten Zwillingen) • Dysbalance im Neurotransmittersystem (Reduktion des Serotonin- und Dopaminstoffwechsels) • unspezifische psychosoziale Auslöser (schwere psychische Belastungen wie sexueller Missbrauch Missbrauch, körperliche und seelische Misshandlung, Partnerschaftskonflikte, andere kritische Lebensereignisse) • Verstärker-Verlust-Hypothese (Lewinsohn et al., 1994): depressive Personen werden zu wenig durch positive Erfahrungen bestärkt, sie bewerten stattdessen negative Erfahrungen über BDI 2 Name: Geburtsdatum: Geschlecht: Dieser Fragebogen enthält 21 Gruppen von Aussagen. Aussagen Bitte lesen Sie jede Gruppe (von A bis U) sorgfältig durch. Suchen Sie dann die eine Aussage in jeder Gruppe heraus die am besten beschreibt heraus, beschreibt, wie Sie sich die letzten zwei Wochen über einschließlich heute gefühlt haben und kreuzen Sie die dazugehörige Ziffer (0, 1, 2 oder 3) an. Falls mehrere Aussagen in einer Gruppe gleichermaßen zutreffen, können Sie auch mehrere Ziffern markieren. Lesen Sie auf jeden Fall alle Aussagen pp , bevor Sie Ihre Wahl treffen. in jjeder Gruppe, Übersetzung und Bearbeitung: Hautzinger, Keller, Kühner, Bürger 2004, Copyright Hans Huber Verlag BDI 2 A. Traurigkeit Ich bin nicht traurig ich bin häufig traurig ich bin die ganze Zeit traurig ich bin so traurig oder unglücklich, dass ich es kaum noch ertrage B. Pessimismus ich sehe nicht mutlos in die Zukunft ich sehe mutloser in die Zukunft als sonst ich bin mutlos und erwarte nicht, dass meine Situation besser wird ich glaube glaube, dass meine Zukunft hoffnungslos ist und nur noch schlechter wird C. Versagensgefühle ich fühle mich nicht als Versager ich habe häufiger Versagensgefühle wenn ich zurückblicke, sehe ich eine Menge Fehlschläge i h habe ich h b das d G Gefühl, fühl als l M Mensch h ein i völliger öllig V Versager g zu sein i BDI 2 D. Verlust an Freude ich kann die Dinge genauso gut genießen wie früher ich kann die Dinge nicht mehr so genießen wie früher Dinge, die mir früher Freude gemacht haben, kann ich kaum mehr genießen Dinge, die mir früher Freude gemacht haben, kann ich überhaupt nicht mehr genießen E Schuldgefühle E. ich habe keine Schuldgefühle ich habe oft Schuldgefühle wegen Dingen, die ich getan habe oder hätte tun sollen ich habe fast immer Schuldgefühle ich habe immer Schuldgefühle F B F. Bestrafungsgefühle f fühl ich habe nicht das Gefühl, bestraft zu sein ich habe das Gefühl, vielleicht bestraft zu werden ich erwarte, bestraft zu werden ich habe das Gefühl, bestraft zu sein Diagnose(n) ag ose( ) nach ac ICD-10 C 0 (Klinisch-psychiatrisches Syndrom) Mittelgradige depressive Episode (F32.1) Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens (F90.1) Achse-II keine umschriebene Entwicklungsstörung Achse-I (Umschriebene Entwicklungsstörungen) Achse III Achse-III Durchschnittliche Intelligenz (Intelligenzniveau) Achse-IV Achse IV keine (Relevante körperliche Symptomatik) Achse-V (Abnorme psychosoziale Umstände) Achse-VI (Globales psychosoziales Funktionsniveau) Psychische Erkrankung der Eltern inadäquate oder verzerrte intrafamiliäre Kommunikation Streitbeziehung mit Schülern Ernsthafte soziale Beeinträchtigung in den meisten Bereichen (4) Prävention äve t o • Primäre Prävention Prävention des Auftretens einer Erkrankung Generelle Gesundheitsvorsorge Spezifische Vorsorge • Sekundäre Prävention Früherkennung Risikogruppen • Tertiäre Prävention Verhinderung des Wiederauftretens und der Behinderung Rehabilitation Primäre ä e Prävention äve t o Belastungssituationen: g – Trennungen/Scheidungen – Überforderung/Unterforderung – Bindungsaspekte Sekundäre Se u dä e Prävention äve t o • Aufgabe A fgabe von on allgemeinen Lebensbereichen wie ie Sch Schule, le Kindergarten • Programme wie Lars und Lisa (Hautzinger (Hautzinger, Pössel) • Identifizierung von individuellen Risikofaktoren und Resilienzfaktoren • Beispiel: Scheidungskindergruppen Leitlinien – internationaler Vergleich (Kölch und Fegert, Fegert 2007) Guidelines unterscheiden sich in der Therapieempfehlung hinsichtlich konkreter Angaben über Stoffgruppen/Substanzen und Hierarchisierung der E Entscheidung h id üb über Einsatz Ei von AM USA: AACAP (1998), Deutschland (2003), UK NICE (2005) – 26 klinische Studien 17 publiziert, 9 nicht publ., 1987-2004 – Daten über 3.874 3 874 St Studienteilnehmer dienteilnehmer – präzise Algorithmen zur Behandlungsentscheidung Treatment of Adolescents with Depression Study (TADS) 2004 & 2005 Whittington et al. 2004: nur Fluoxetin zeigt positives Kosten-Nutzen-Verhältnis Hammad et al. 2006: SSRI ↑ Risiko suicide-related-behaviour, aber kein Beleg für Suizide aufgrund g SSRIs Klein 2006: ist der Surrogatmarker Suizidalität sinnvoll? ► Pharmakotherapie nicht bei leichter MDD, nicht bei moderate to severe MDD as first fi t li line ► kein Hinweis, dass Pharmakotherapie positiven Effekt auf psychosoziales Funktionsniveau hat ► einzig Fluoxetin ausreichend wirksam bei schwerer und langdauernder Depression ► andere SSRI nicht ausreichend wirksam bzw. cost-benefit Verhältnis negativ, TCA keine Wirkung Tertiäre e t ä e Prävention äve t o - Behandlung e a dlu g Psychopharmamakologische Behandlung: seit 2003 bezüglich des Einsatzes von SSRIs Verwirrung bzw. Unklarheiten – Bestehen spezifische Nebenwirkungen bei Minderjährigen, die durch klinische Prüfungen bei E Erwachsenen h nicht i ht erkannt k t werden? d ? – Bestehen neben bekannten physiologischen Besonderheiten („Kinder ( Kinder sind keine kleinen Erwachsenen“) auch auf Verhaltensebene Besonderheiten ? – „Behavioural toxicity“ „Behavioural „ e av ou al to toxicity“ c ty The behavioural toxicity of antidepressants: effects on cognition and sexual function by Boyce P, Judd F, Hindmarch I ,Human Psychopharmacology Research Unit, University of Surrey, Milford Hospital, Godalming, UK. I t Cli Int Clin Psychopharmacol P h h l 1998 Jul; J l 13 S Suppll 6 6:S5-8 S5 8 ABSTRACT The cognitive system is structured from sets of schema, patterns of neural activity that allow the assimilation or accommodation of new experiences and so, by a process of consolidation, the gradual development of knowledge and understanding. As well as schema for purely cognitive processes, there are similar structures that enable individuals to deal with sexual behaviour and affectual relationships (e.g. hedonia, self-esteem, personal preferences and body image). In depression, there is a well established disruption of cognitive function that results in anhedonia and a loss of pleasure, including that from sexual activities. activities Many antidepressants also have a direct pharmacological action on the central nervous system and disrupt cognitive function, so increasing anhedonia and impairing sexual function. Drug actions on cognitive structures, which in turn increase anhedonia and reduce sexual libido, are over and above any direct pharmacological effects on the more overt behavioural activities associated with sex, including orgasm, erectile function, potency and ejaculation. The tricyclic antidepressants, antidepressants for example example, destroy the cognitive structures that are vital to maintain normal libido as well as disturbing overt sexual behaviours. Some selective serotonin reuptake inhibitors (SSRIs; paroxetine and sertraline) are associated with behavioural activation that is also responsible for an impairment of sexual function. However, there are clear differences between the SSRIs, and fluvoxamine (relative to the other SSRIs) has little effect on objective measures of cognition or on cerebral and behavioural components of sexual function function. „ „Behavio oural tox xicity“ II Noch Fragen? Klinik für Kinder Kinder- und Jugendpsychiatrie / Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm Steinhövelstraße 5 89075 Ulm www.uniklinik-ulm.de/kjpp Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Jörg M. Fegert