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Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und
großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke
4. Sitzung vom 11. 11. 2009
II. 1) Kyros II. und die Anfänge (Forts.)
Kyros II. starb im Jahr 529 v. Chr. (she. auch Seite 32), sein Grabmal steht in
Pasargadae in der ehemaligen Persis, einer Region unweit des Zagrosgebirges
am Urmia-See. Der Name bedeutete sinngemäß „Land der Pferde“. Die
Landesbezeichnung Persien leitet sich davon ab.
Die Kenntnisse über Kyros II. konnten inzwischen durch verbesserte Lesungen
vorhandener Keilschriften verfeinert werden. Von seinem Volk wurde er schon
kurz nach seinem Tod als „idealer König“ legendenhaft verehrt. So galt er z.B.
auch als Befreier des Jüdischen Volkes aus dem sog. „Babylonischen Exil“. Und
König des Babylonischen Reiches konnte er nur werden, weil er – im Gegensatz
zu seinem Vorgänger – Marduk als obersten „Gott von Babylon“ anerkannte.
Durch diese (kluge) Politik kam es zwar nicht zu Aufständen in Babylonien, die
Machtbereiche in seinem riesigen Herrschaftsgebiet, das ja kein homogenes
Machtgebiet war, waren aber trotzdem noch nicht fest gefügt.
Kyros II. folgt sein Sohn Kambyses II. (um 558-522 v. Chr.) als 7. achämenidischer König nach. Dessen Regierungszeit dauerte nur 7 Jahre und zwar von
529 bis 522 v. Chr. In seiner Historiographie wird er in einem düsteren Licht
dargestellt, wobei - so Prof. Funke - „dieses Negativbild möglicherweise überzogen sei“. Und gibt zu bedenken, dass der „Herrschaftsverband“, den das
Perserreich damals darstellte, eben noch nicht fest gefügt war und nach dem Tod
Kyros`II. „ins Wanken geriet“. Nicht bewiesen ist die Aussage, Kambyses habe
im Jahr 525 v. Chr. seinen jüngeren Bruder Bardiya ermorden lassen.
Im Gegensatz zu seiner geringen Anerkennung in Babylonien, hatte er mit
einem Feldzug gegen Ägypten 525 v. Chr. Erfolg. Mit diesem, wie es heißt,
sorgfältig geplanten Feldzug, konnte er Ägypten durch die Schlacht bei Pelusion
im Jahr 525 v. Chr. unterwerfen und anschließend auch die Stadt Memphis
erobern. Sein „Weltherrschaftsanspruch“ nahm gestalt an (she. Karte Seite 34).
Weitere erfolglose Vorstöße in Nordafrika gegen Karthago und 523 gegen die
Oase Siwa - ein kultisches Zentrum - zeigen ihm aber seine Grenzen auf.
Herodot berichtet, dass Kambyses dieses heilige Orakel von Siwa 523 mit einem
50.000 Mann starken Heer angegriffen hat und es plündern wollte, weil es seinen
Niedergang prophezeit hatte. Bevor er jedoch sein Ziel erreicht hatte, wurden er
und sein Heer von einem Sandsturm überrascht und Kambyses erlitt eine
verheerende Niederlage. Kambyses II. blieb bis 522 v. Chr. in Ägypten.
Siwa war als kultisches Zentrum zwei Gottheiten geweiht – dem ägyptischen
Gott Amun, aber auch dem Griechengott Zeus und insofern „in der griechischen
Vorstellungswelt fest verankert - es war also nicht irgendein Ort“ (Prof. Funke).
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Die Oase Schiwa
Siwa liegt in der libyschen Wüste, hat eine Länge von 80 km und eine Breite von
2-20 km und liegt 18 – 24 m unter dem Meeresspiegel (Depression); Siwa hat
ca. 23.000 Einwohner.
Die Geschichte der Oase lässt sich bis in die 18. Dynastie (1500 v. Chr.)
zurückverfolgen. Der Haupttempel dieses Kultzentrums, der dem Gott Amun
geweiht wurde und die Sprüche seines Orakels waren weit über die Grenzen des
Reichs der Pharaonen bekannt. Lt. Herodot war der Ort auch dem Gott Zeus
geweiht.
Nahe der Oase Siwa kamen bei Ölbohrungen vor einigen Jahren menschliche
Knochen, Dolche und Speerspitzen unter dem Wüstensand zum Vorschein.
Ägyptologen glaubten, endlich das Geheimnis um die 50.000 Mann starke
persische Armee Kambyses II. zu lüften, die 523 vor Christus „spurlos
verschwunden war“.
Die Karte zeigt die Ausdehnung des Achaimenidenreiches unter Kambyses II.
um 520 v. Chr. Karthago konnte er nicht erobern, der Angriff auf das
Kultzentrum Siwa endete für ihn und sein Heer katastrophal. Er unternahm aber
auch noch mehrere Feldzüge gegen das Reich Kusch.
(Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung)
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Kambyses II. unternahm auch drei Feldzüge gegen das Reich Kusch (heutiges
Nubien), die nach Herodot aber erfolglos waren. Er scheint aber im nördlichen
Kusch – Reich Erfolge erzielt zu haben. Die Hauptstadt dieses Reiches war zu
dieser Zeit Napata, später dann Meroë.
Nach Herodot führte Kambyses II. einen Feldzug nach Nubien durch.
Dieser scheint Herodot zufolge erfolglos verlaufen zu sein, doch deuten
archäologische Funde darauf hin, dass die Perser wenigstens im nördlichen
Nubien einige Erfolge verbuchen konnten.
(Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung)
Kambyses II. hielt sich drei Jahre in Ägypten auf und seine außenpolitischen
Erfolge werden in dieser Zeit durch innere Unruhen im Reich „konterkariert“. Er
will zurück, stirbt aber auf diesem Weg in Syrien im Juli 522 v. Chr. an einer
Beinverletzung – oder war es Mord? Im Perserreich ist die ganze Situation „sehr
offen“,
besteht
dieses
„Reich“
doch
„aus
vielen
verschiedenen
Herrschaftsgebilden“ (Prof. Funke). Die wollen wieder selbständig werden und
auch die nicht zu unterschätzende finanzielle Belastung durch den
Ägyptenfeldzug – das alles ergibt eine „sehr labile Situation im Perserreich“.
Am 11. März 522 v. Chr. kommt es zum „Aufstand des Gaumata“, Kambyses'
Stellvertreter in Persien. Dieser nutze die Ermordung des Bardiya zur
Thronübernahme, indem er sich als Bardiya ausgab. Bei Herodot wird darüber
ausführlich berichtet, wobei aber wohl historische Belege fehlen:
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Herodot (3,64)
„Als er (Kambyses) geweint und über sein ganzes Unglück geklagt hatte, da
springt er auf sein Pferd, in der Absicht, schnellstens nach Susa gegen den
Mager (Gaumata) - ein Priester und Magier - zu ziehen. Doch als er
hinaufspringt, fällt ihm der Knauf von dem Schwertgriff ab, und das blanke
Schwert dringt ihm in den Schenkel.“
Mit dem Tod des Kambyses war die direkte Linie des Königshauses der
Teispiden ausgestorben. Gaumata ließ sich offenbar am 1. Juli 522 v. Chr. als
Kambyses´ Nachfolger zum König krönen. Aber auch Dareios I. beschloss nach
der Rückkehr aus Ägypten, selbst Herrscher zu werden. So kam es zu einer
Nachfolgekrise. Denn um als König regieren zu können, musste Dareios erst
Gaumata überwinden, der währenddessen als König regierte und auch großen
Zulauf aus der Bevölkerung erhalten hatte.
Zusammen mit sechs adligen Freunden begab sich Dareios zur Festung
Sikayāuvatiš in der sich Gaumata verschanzt hatte. Am 29. September 522 v.
Chr. gelang es Dareios, zusammen mit diesen sechs Gefolgsleuten, die Festung
zu stürmen und Gaumata zu töten. Zurück in Pasargadae ließ sich Dareios zum
"König der Könige" krönen. Bei Herodot ist auch zu lesen, dass er seinen Thron
angeblich einem listig errungenen Pferdeorakel verdankt, das er durch den Trick
seines Pferdeknechts gewinnt.
Doch damit war seine Herrschaft über das Persische Reich noch lange nicht
gesichert. Dareios zufolge mussten insgesamt 19 Schlachten geschlagen und 9
„Lügenkönige“ besiegt werden. Am 28. Dezember 521 v. Chr. waren die letzten
Kämpfe gegen die Aufständischen siegreich beendet worden. Dareios saß nun
endgültig fest auf dem Thron des Großkönigs.
Ekbatana war die
Hauptstadt des
Mederreichs und später
Königsresidenz im
persischen
Achämenidenreich.
(Bildquelle: Arbeitsmaterial zur
Vorlesung)
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Bei dem Ort Bisutun ließ Dareios I. in einem Felsmassiv in großer Höhe sich
selbst als König vor den gefesselten
„Lügenkönigen“ einmeißeln. Dazu ließ er
eine dreisprachige Tafel, in den Sprachen
altpersisch, elamisch und babylonisch
anbringen.
Der Text beschreibt Dareios' Version
seines Aufstieges: Als Verwandter seiner
Vorgänger Kyros II. und Kambyses I.
habe er sich gegen den Mager Gaumata,
der sich als Bruder des Kambyses
ausgegeben habe, erhoben; nach der
Ermordung des
Gaumata habe er
insgesamt acht „Lügenkönige“ besiegt und
sei so zum neuen „Großkönig“ geworden.
Die Inschrift dient offenkundig der
Legitimation des neuen Herrschers, der
möglicherweise ein Usurpator gewesen
war.
Bild links:
Das Bild verdeutlicht die Lage des Reliefs
in großer Höhe. (Arbeitsmaterial zur Vorlesung)
Die Behistun-Inschrift zeigt den Bericht über die Siege des Großkönigs
Dareios I. in drei Sprachen – in elamisch, babylonisch und altpersisch.
Die Lügenkönige werden im Monument von Behistun hintereinander stehend und
angekettet abgebildet und von Dareios namentlich erwähnt: "Gaumata, ein
Magier, revoltierte in Pars; Āschschina, ein Elamer, revoltierte in Elam; NidintuBel, ein Babylonier, revoltierte in Babylon; Martiya, ein Perser, revoltierte in
Elam; Phraortes, ein Meder, revoltierte in Medien; Tritantaechmes, ein
Sattagyde, revoltierte in Sattagydien; Frāda von Margiana, revoltierte in
Margiana; Vahyazdāta, ein Perser, revoltierte in Pars; Aracha, ein Armenier,
revoltierte in Babylon
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Diese Abbildungen verdeutlichen, wie Dareios I. (549-486 v. Chr.) seine
königliche Abstammung zu legitimieren versucht, indem er die ganze Reihe
seiner – angeblichen – königlichen Vorfahren aufführt – bis hin zu Achaimenes.
Dareios I. Regierungszeit ging von 521– 486 v. Chr.
(Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung)
Zu Darios I. Leistungen gehört u.a. die Erneuerung der Reichsstrukturen.
Seine Verwaltungsreformen wurden noch lange nach dem Ende des
Achämenidenreiches als vorbildhaft betrachtet. Außerdem förderte er
insbesondere die Architektur. Davon zeugen die Gründung von Persepolis und die
Bautätigkeit in anderen Residenzstädten, vor allem in Susa.
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Aischylos, Perser 759ff.
So ward von jenen ja ein Werk zustandgebracht,
Gewaltig, höchst denkwürdig, das in Schicksals Lauf
Susa, die Stadt, entvölkerte, wie's nie geschah,
Seitdem uns Zeus der Herrscher solche Ehre gab,
Dass ein Mann nur ganz Asiens herdenreiche Flur
Regier' in seines Szepters herrschender Gewalt.
Medos war so der erste Führer unsres Heers,
Als zweiter schuf sein Sohn dann dieses Reiches Werk.
Denn hoher Geist war seiner Kühnheit Steuermann.
Der dritte nach ihm, Kyros, ein glückseliger Mann,
Bescherte waltend allen Freunden Friedenszeit.
Der Lyder wie der Phryger Volk gewann er zu,
Und Ionien auch, das ganze, beugt' er seiner Macht.
Die Gottheit haßt' ihn nicht, da gütigen Sinns er war.
Des Kyros Sohn als vierter führte dann das Heer.
Der fünfte, Mardos, herrschte, eine Schmach dem Land
Und Thron, dem altehrwürdgen; den nun traf voll List
Artaphrenes zu Tod, der edle, im Palast
Mit Hilfe treuer Männer, nach der Pflicht Gebot.
Und ich darauf erlangt' ein Los nach meinem Wunsch:
Auf Fahrten führt' ich groß an Zahl mein großes Heer.
Doch nie in Unheil solcher Art stürzt' ich die Stadt.
Text aus einem Werk des Dichters Aischylos.
Hier wird Mardos zu einem Vorfahr des Dareios.
(Quelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung)
2.) Konsolidierung und Expansion unter
Dareios I.
Am 29. September 522 v. Chr. wird Gaumata von
Dareios und 6 oppositionellen adligen Freunden
ermordet (she. auch Seite 50). Schon Gaumata hatte
vermutlich antiaristokratische Reformen begonnen.
Nach dessen Ermordung konnte Dareios innerhalb eines
Jahres alle Widerstände gegen sich beseitigen. Und
unternahm 519 einen letzten und erfolgreichen
Versuch, durch Reformen ein neues Staatsgefüge zu
erreichen, um so eine feste Reichsorganisation zu
schaffen.
Dareios I.
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Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen
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Dareios I. organisierte sein Land in einer groß angelegten Verwaltungsreform in
einheitliche Provinzen, sog. Satrapien. Diese hatten feste Abgaben an ihn zu
leisten, wobei Form und Höhe dieser Abgaben unklar sind.
An der Spitze einer Satrapie stand ein Satrape, der sein Amt i.d.R. bis zu
seinem Tod bekleidete.
(Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung)
Unter Dareios wurde auch das
Münzwesen reformiert und erstmals eine
für
das
ganze
Reich
einheitliche
Währung, der
Dareikos
eingeführt. Dies erwies sich vor allem für
den
Binnenhandel
als
förderlich.
Trotzdem herrschte vor allem der
Tauschhandel vor.
(Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesun
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Auch werden Herrschaftszentren geschaffen, so baute er die wichtigen
archämenidischen Residenzen auf - Persepolis, Pasargadae und Susa.
Die Archämenidenpaläste in Pasargadae (oben) und Persepolis (unten)
(Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung)
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Bild oben:
Persepolis – die Osttreppe des
Apadana
Bild links:
Der Palast in Susa
(Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung)
Ab 518 gibt es ein neues Steuer- und Abgabensystem, auch von Frondiensten
und Zwangsarbeit wird berichtet. Die Abgaben der Satrapien werden „thesaurierend“ gehortet – sogar Alexander d. G. findet noch Vorräte aus dieser Zeit vor.
Auffällig ist die Figur am rechten Bildrand des Reliefs von Behistun. Es ist ein
„Spitzhut“, also ein Skythe
Die Nordgrenze des Reiches war weiterhin durch die Saken bedroht. Nachdem
mehrere größer angelegte Militäraktionen in Zentralasien keine Entscheidung
brachten, wurde ein Feldzug gegen die an der Schwarzmeerküste lebenden
Skythen begonnen (she. Seite 43), der vielleicht das Ziel hatte, den
zentralasiatischen Saken in den Rücken zu fallen.
Obwohl der Skythenkrieg ein Fehlschlag war, konnte mit Thrakien und
Makedonien zwei neue Satrapien gewonnen und die Grenze des Reiches bis an
die Donau vorgeschoben werden.
Auch Ägypten war von 525 bis 404 v. Chr. eine persische Satrapie.
(Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung)
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Dareios`II. Skythenfeldzug 513 / 12 v. Chr.
(Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung)
Die Ausdehnung des Achämenidenreiches in den Jahren 512 / 11 v. Chr.
Die Perser sind jetzt „Nachbarn“ der Griechen.
(Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung)
Hier noch einmal Dareios` Maßnahmen zur Neuorganisation des Reiches
Reorganisation und Vereinheitlichung der Provinzverwaltung
Ausbau bzw. Schaffung eines umfassenden Verwaltungsapparates
Installation eines Steuerwesens
Einführung eines Währungssystems
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II.
Die Zeit der Perserkriege
Einerseits gibt es in dieser Zeit einen Umbruch in Griechenland, indem die
Poleis immer selbständiger werden. Andererseits ist da das riesige Perserreich
mit seinem „Weltherrschaftsanspruch“. Zunächst arrangieren sich Griechen und
Perser noch, aber es tauchen Probleme im Inneren Griechenlands auf und es
kommt zum
1.)
Ionischen Aufstand
Damit wird die Rebellion der kleinasiatischen und zyprischen Griechen gegen
die persische Oberherrschaft bezeichnet. Er begann 500/499 v. Chr. und endete
mit einem Sieg der Perser in der Seeschlacht bei Lade 494 v. Chr.
Die Ionier gehörten bereits seit 547/547 zum persischen Vielvölkerreich und
besaßen eine gewisse Unabhängigkeit und weitgehende wirtschaftliche Selbständigkeit. Im Jahr 500 v. Chr. hatte sich Aristagoras von Milet mit seinem
persischen Herrscher überworfen, weil eine gegen die Insel Naxos gerichtete
Militäroperation fehlgeschlagen war. Aus Angst, dafür zur Verantwortung
gezogen zu werden, legt er seine Herrschaft nieder, um eine stärkere
Partizipation der ionischen Bürger zu erreichen. Er sorgte dafür, dass sich die
Ionier erhoben - man machte die persische Fremdherrschaft zum zentralen
Motiv des Aufbegehrens und wendete sich gegen die Perser, die ihren
Herrschaftsbereich inzwischen bis nach Thrakien und Makedonien ausgeweitet
hatten.
Das Naxos – Unternehmen des Aristagoras von Milet im Jahr 500 v. Chr.
(Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung)
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Der Aufstand der Ionier weitete sich wie ein Flächenbrand aus, aber natürlich
reagierten die Perser und man brauchte Unterstützung. Aristagoras bittet das
griechische Mutterland um Hilfe und die Athener, die sich inzwischen stark genug
fühlen, erklären sich dazu bereit – im Gegensatz zu Sparta, das ablehnt. Athen
sendet 20 Kriegsschiffe und das euboiische Eretria schließt sich mit weiteren 5
Schiffen dieser Unterstützung an. Beide, Athen und Eretria ziehen ihre Truppen
aber schon nach nur einem Jahr wieder zurück.
Hilfe im Ionischen Aufstand durch Athen (20 Kriegsschiffe) und Eretria (5
Kriegsschiffe).
Nach nur einem Jahr ziehen beide ihre Truppen aber schon wieder zurück.
(Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung)
Im Jahr 489 v. Chr. konnten die aufständischen Ionier und die Unterstützungstruppen aus Athen und Eretria bis zur Stadt Sardes vordringen und diese
zerstören, wobei auch die persischen Tempel – also Heiligtümer - zerstört
wurden. (Das sollte von den Persern später gerächt werden.) Danach aber
erleiden die ionischen Verbände auf ihrem Rückzug bei der Stadt Ephesos eine
schwere Niederlage – die Perser hatten sich inzwischen von dem
„Überraschungsangriff“ erholt.
Die Kampfhandlungen gingen noch drei Jahre weiter, solange konnten sich die
Aufständischen gegen die Perser behaupten. Im Jahr 494 v. Chr. wurde dann
aber ihre Flotte bei der Milet vorgelagerten Insel Lade vollständig vernichtet.
Anschließend wurde auch Milet von den Persern erobert und zerstört -
damit war der Ionische Aufstand beendet.
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Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und
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Im Jahr 494 v. Chr. wurde die Flotte der Ionier in einer Seeschlacht vor der
kleinen Insel Lade von den Persern vollständig vernichtet.
Die Stadt Milet wurde ebenfalls nach der Eroberung durch die Perser zerstört.
Das bedeutete das Ende des Ionischen Aufstandes.
(Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung)
Prof. Funke in „Athen in Klassischer Zeit“ / Seiten 30/31
„Die kleinasiatische Katastrophe stürzte die Athener aus dem Hochgefühl
eigener Stärke in eine tiefe Verunsicherung. Das Scheitern des Aufstandes
wurde auch in Athen als Niederlage empfunden. Es war die erste große
(außen)politische Schlappe der neu verfassten Bürgerschaft…..
Für die Athener konnte kein Zweifel daran bestehen, dass die Perser auf Rache
sinnen und sich nicht einfach mit der Wiederherstellung ihrer alten Vorherrschaft
begnügen würden.“ (Zitat Ende)
Zu dieser Niederlage beim Ionischen Aufstand schrieb der Dichter Phrynichos
492 v. Chr. eine Tragödie mit dem Titel „Der Fall Milets“ – dabei habe er aber an
ein „häusliches Unglück“ erinnert, was ihm eine hohe Geldstrafe und dem Stück
ein Aufführungsverbot einbrachte.
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Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und
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5. Sitzung vom 18. 11. 2009
Um die Ereignisse der nächsten Jahre richtig
einordnen zu können, muss man sich die Situation
im Jahr 494 v. Chr. noch einmal ansehen. Der
Ionische
Aufstand
hatte
die
gesamte
Kleinasiatische Westküste erfasst, die Perser
hatten den Konflikt zwar für sich entscheiden
können, sie mussten aber dafür sorgen, dass ihre
Machtstellung in Thrakien und Makedonien wieder
gefestigt wurde. Wie überhaupt davon auszugehen
war, dass man ihr großes Reich nicht als
Herrschaftsbereich bezeichnen konnte, sondern es
sich eher um einen Einflussbereich handelte.
Auch hier an dieser Randzone ihres Reiches
muss von einer destabilen Situation gesprochen
werden – wie auch in anderen Regionen – und was
auch nicht akzeptiert werden konnte, war die
Unterstützung der Ionier durch Athen und Eretria.
Beim Ionischen Aufstand
Was passiert konkret? Zunächst versuchen die
brannte es an der gesamten
Perser, diese Region zu beruhigen, indem sie demo- kleinasiatischen Westküste
kratische Herrschaften in den Städten einrichten.
(Arbeitsmaterial zur Vorlesung)
Neue, bisher oppositionelle Kräfte, erhalten mehr Rechte, um mehr „politische
Partizipation“ zu erreichen – allerdings unter der Voraussetzung, „dass ihr treue
Vasallen seid“. Nach Herodot sind hier erste Anfänge einer Demokratie zu sehen.
Das Ziel der Perser war aber eindeutig, die eigene Machtstellung zu stabilisieren!
2.) Die ersten Kriegszüge der Perser gegen Griechenland
Und schon 492 v.
Chr. kommt es zu
einem ersten Kriegszug
des Mardonios – einem
Schwiegersohn Dareios
– gegen Thrakien und
darüber
hinaus
bis
nach
Makedonien.
Dabei wurde gleichzeitig die Insel Thasos
erobert,
die
wegen
ihres Festlandbesitzes
(Peraiabesitz) und den
dortigen Bodenschätzen
wichtig war.
Die Insel Thasos wurde von Mardonios erobert,
aber später zerschellte seine Flotte im Sturm am
Berg Athos
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Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und
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Beim Feldzug im Jahr 492 v. Chr. dehnte der Feldherr Mardonios die persische
Einflusssphäre erneut über Thrakien bis nach Makedonien aus. Die persische
Flotte zerschellte im Sturm am Berg Athos, wobei sich die Frage stellt, aus
welcher Richtung sie kam – von Osten oder – schon auf dem Heimweg – von
Westen.
(Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung)
Es stellt sich, so Prof. Funke, nun die Frage, ob es Ziel dieses Feldzuges war,
schon ganz Griechenland zu erobern. Herodot bejaht diese Frage, und vielleicht
wäre es auch dazu gekommen, wenn nicht die gesamte persische Flotte am Berg
Athos im Sturm zerschellt und untergegangen wäre. 20.000 Menschen sollen
dabei ihr Leben verloren haben. Stellt sich weiter die (grundsätzliche) Frage,
woher diese Flotte kam – von Osten, also von Kleinasien her oder schon –
gewissermaßen auf dem Heimweg – von Westen. Wo die Perser ja ihren
Einflussbereich in Thrakien und Makedonien festigen wollten.
Das Athos – Fiasko hält die Perser aber nicht davon ab, weiter ihren Rachefeldzug gegen Griechenland zu verfolgen. Im Jahr 491 v. Chr. macht Dareios den
Griechen ein letztes Angebot: sie sollen ihm „Erde und Wasser als Zeichen ihrer
Unterwerfung“ schicken und einige griechische Staaten fügen sich auch. Nicht
dagegen Sparta und Athen, das ein solches Ansinnen schon 506 v. Chr. nach
dem Sturz der Tyrannis abgelehnt hatte. Im Gegenteil – die persischen Boten
werden sogar umgebracht, womit Sparta und Athen
eindeutig gegen das
Gesandtenrecht verstießen.
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Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und
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Beim 2. Feldzug unter den Feldherren Datis und Artaphernes 490 v. Chr.
wählten diese den Seeweg quer durch die Ägäis. Ziel war zunächst die Stadt
Eretria, später erlitten ihre Truppen eine Niederlage gegen die Griechen
bei der Stadt Marathon.
Später kehrte die persische Flotte nach Kleinasien zurück.
(Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung)
Im Jahr 490 v. Chr. kommt es zum zweiten Kriegszug der Perser gegen
Griechenland. Eingedenk des Fiaskos am Berg Athos wählt man jetzt aber die
Seeroute quer durch die Ägäis. Eine riesige Flotte, mit der mehr als 20.000
Krieger und Hunderte von Reitern unter dem Befehl der Feldherren Datis und
Artaphernes transportiert werden, bewegt sich zunächst auf die Stadt Eretria auf
der Insel Euböa zu. Die Stadt wird 6 Tage lang belagert, ehe sie fällt und
niedergebrannt wird – Rache für die Beteiligung am Ionischen Aufstand. Die
Bevölkerung wird zur Versklavung auf Schiffe gebracht, bei der Weiterfahrt nach
Marathon kurz auf Griechenland vorgelagerten Inseln „zwischengelagert“ und
danach nach Kleinasien deportiert. Wie es heißt, habe Alexander d. G. später
noch Nachfahren dieser Menschen vorgefunden.
Euböa liegt so nah am griechischen Festland (Luftbild Seite 50), dass die
Athener die Vorgänge um Eretria mit ansehen können – eine dramatische
Situation, sahen sie doch, was auch ihnen bevorstand. Im Spätsommer des
Jahres 490 v. Chr. landen die Perser dann in der weiten Bucht bei der Stadt
Marathon. Diesen Landeplatz hatte der mitgefahrene Hippias den Persern als
günstig für eine Schlacht mit Reiterei empfohlen. Hippias war zwar inzwischen im
Greisenalter, er sollte aber für die Perser in Athen wieder eine Tyrannis
aufbauen.
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Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und
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Die Perser errichteten ihr Lager im
Nordosten der Bucht, währen die Athener
im Süden aufmarschierten, um den Weg
nach Athen zu sichern. Sie standen unter
dem Oberbefehl des Miltiades d.J. und
hatten einen Boten nach Sparta geschickt
und dort um Unterstützung nachgesucht.
Die aber konnten wegen eines religiösen
Festes nicht schnell genug ausrücken und
kamen, als Alles vorbei war. Denn die
Perser begannen die Schlacht, aber trotz
einer
zahlenmäßigen
Überlegenheit
(20.000 gegen 10 – 12.000 Krieger)
konnten sie dem griechischen Gegenangriff
nicht standhalten und wurden zu ihren
Schiffen zurückgedrängt. Die Athener
hatten Unterstützung von der boiotischen
Stadt Plataiai erhalten; diese Stadt unter Das Bild zeigt, wie nah
hielt seit der Tyrannenzeit enge Verbin –
Euböa beim Festland liegt.
dung zu Athen. Während die Perser mehrere
(Bildquelle: Arbeitsmat. Z. Vorlesung)
tausend Gefallene zu beklagen hatten, gab
es auf griechischer Seite „nur“ etwa 200 Tote.
Ob die spartanischen Truppen wirklich zu spät kamen oder ob es sich hier nur
um eine Legende handelt, um den griechischen Sieg noch größer scheinen zu
lassen, ist unklar. Klar ist, dass sich durch den Sieg bei Marathon eine
„Kriegstradition“ bildete, durch die die spartanische „Vorherrschaft“ abgelöst wird
durch die Größe und den Erfolg Athens. Unklar bleibt, welche Seite den Kampf
begonnen hat.
Da die Perser einen großen Teil ihrer
Flotte und auch der Krieger retten
konnten, versuchten sie, Attika am Kap
Sunion zu umsegeln und Athen von
Westen her anzugreifen. Die Griechen
hatten ihre Truppen aber in Eilmärschen
von Marathon zurückeilen lassen, sodass
diese die Perser „wie Hase und Igel“ in
Empfang nehmen konnten - der geplante
Angriff schlug fehl und die persische
Flotte zog sich nach Kleinasien zurück.
Aber in Thrakien und Makedonien hatten
sie ihre Einflußspähre behalten und diese
auch
auf
die
ägäische
Inselwelt
ausgedehnt.
Bild rechts:
Zeigt die Lage der Bucht von Marathon.
Die Perser lagerten im NO, die Griechen
im SW. Ganz unten liegt das Kap Sunion
(Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung)
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Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen
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Die weit ausladende Bucht von Marathon
Die persischen Truppen hatten ihr Lager im Nordosten der Bucht
aufgeschlagen. Landeinwärts befand sich ein ausgedehntes Sumpfgelände.
Die Athener und Plataier lagerten im Südwesten nahe dem Heiligtum
Herakleion. Hier lassen die Ausläufer des Pentelikongebirges nur einen
schmalen Durchgang für den Weg nach Athen.
(Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung)
oben:
Reste eines mittelalterlichen Turms
mit Spolien (hier: ionisches Kapitell) des Tropaions
links:
Ein Tropaion, wie es in Marathon gefunden wurde
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Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und
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Tropaion
Der altgriechische Begriff Tropaion (Plural: Tropaia) wurde von den Wörtern
trépein („wenden; fliehen“) und tropé („Wende; Flucht“) abgeleitet. Er
bezeichnete ursprünglich ein Symbol, das an genau der Stelle aufgestellt
wurde,
an der die Feinde sich vom Schlachtfeld abgewandt und die Flucht ergriffen
hatten.
2.) Marathon und die Folgen: Athen in den 80er Jahren
Das politische Selbstbewusstsein der Athener war durch Marathon weiter
gestärkt worden. „Weiter“ insofern, als es schon in Jahr 506 v. Chr. bei der
Beseitigung der Tyrannis erheblich gestiegen war. Damals wurden die
Kleisthenischen Reformen nach 50 Jahren der Tyrannei eingeführt und diese
hatten sich jetzt, in der Stunde der Gefahr, bewährt. Miltiades d. J. – der im
Sommer 493 vor den Persern nach Athen geflohen war – war durch seinen Erfolg
bei Marathon zum Protagonisten avanciert und nutzte jetzt „die Gunst der
Stunde“. Er überredet die Athener zu einem Kriegszug gegen die Insel Paros,
indem er ihnen reiche Beute verspricht. Wahrscheinlich hatte er aber noch eine
eigene alte Rechnung mit den Pariern zu begleichen, persönliche Gründe waren
also wohl ausschlaggebend. Athen – so ist zu vermuten - war insofern
interessiert, als sich hier eine Gelegenheit bot, den persischen Einflussbereich in
der Ägäis durch ein solches außenpolitisches Engagement zu verringern. Die
persische Präsenz „vor ihrer Haustür“ bedeutete eine ständige Gefahr.
Das Unternehmen scheitert aber, nach 26 Tagen Belagerung muss es
ergebnislos abgebrochen werden. Miltiades` Ansehen hat durch diesen Misserfolg
stark gelitten, man macht ihm sogar den Prozess und er wird zu einer hohen
Geldstrafe verurteilt. Da er aber kurz darauf an einer Verletzung, die er sich bei
dem Paros – Abenteuer zugezogen hat, stirbt, muss sein Sohn Kimon diese
Strafe abzahlen.
Insgesamt werden die 480er Jahre v. Chr. zu einer Bewährungsprobe für die
Kleisthenischen Reformen. Sie hatten ja zum Ziel, gleiche politische Rechte für
alle Bürger einzuführen. Was passiert also jetzt – man führt u.a. ein neues
Abstimmungsverfahren ein –
den Ostrakismós (das Scherbengericht /griech. ὁ ὀστρακισµός).
Das zugrunde liegende Gesetz wurde wahrscheinlich schon durch Kleisthenes
im Jahre 507 v. Chr. erlassen (es wären dann aber 20 Jahre bis zur ersten
Anwendung vergangen, obwohl es nicht gerade eine politisch ruhige Zeit war),
lag damals aber noch beim Rat der 500. Jetzt wird es in die Ecclesia, also in die
Hände der Gesamtbürgerschaft, verlegt und damit aufgewertet. Man wollte damit
unliebsame Politiker von der politischen Bühne verbannen, ohne ihnen aber ihren
persönlichen Besitz oder ihr Vermögen zu nehmen. Für eine erfolgreiche
Abstimmung war ein Quorum von mindesten 6000 Stimmen nötig.
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Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und
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Immerhin müsste für ein solches Scherbengericht eine Lese- und Schreibfähigkeit bei den Menschen vorhanden gewesen sein. Man hat aber auch
Scherben gefunden, die die gleiche „Handschrift“ aufwiesen – möglicherweise
also schon „vorgefertigt“ waren. Und auch solche, bei denen hinter dem Namen
des ungeliebten Politikers auch noch „Beschimpfungen“ eingeritzt waren.
Welche politischen Neuerungen gab es in 487 v. Chr.:
Der Ostrakismós liegt in den Händen der Gesamtbürgerschaft
Die 9 Archonten werden nicht mehr gewählt, sondern per Los bestimmt.
Die Zufälligkeit des Losverfahrens schmälerte den politischen Stellenwert
der Archonten und damit auch den des Areopags, denn dieser setzte sich
aus ehemaligen Archonten zusammen.
Daraus resultiert aber eine Stärkung der Stellung der Strategen, für die
eine jährliche Wiederwahl möglich war und die so mehr und mehr zu
politischen Führungskräften werden.
Das politische Selbstbewusstsein schlägt sich durch diese Neuerungen auch in
Innern nieder, die Bürger partizipieren an politischen Entscheidungen. Ging es
bei den Ostrakismosentscheidungen der Sache nach doch sowohl um den innenwie auch um den außenpolitischen Kurs Athens. Am Ende steht eine radikale
Demokratie.
Der Ostrakismós - das „Scherbengericht war eine Volksabstimmung über die nicht als ehrenrührig geltende und nicht mit
Rechts- oder Vermögenseinbuße verbundene Verbannung von Bürgern, die
angeblich die Gemeinde gefährdeten, oft aber auch nur missliebig waren. Jeder
Teilnehmer musste den Namen des zu Verbannenden auf eine Scherbe
(Ostrakon) schreiben.
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6. Sitzung vom 2. 12. 2009
2.)
Marathon und die Folgen: Athen in den 80er Jahren (Forts.)
Im Zusammenhang mit den geschilderten institutionellen Veränderungen in
den 480er Jahren wird Themistokles (525-459 v. Chr) als einer der Protagonisten
genannt. Während die Athener in diesen Jahren die Tragweite der Veränderungen
wahrscheinlich noch nicht absehen konnten, bedeuteten sie doch (Zitat)
„wichtige Weichenstellungen für die weitere Ausformung der athenischen
Verfassung“ – so Prof. Funke. Themistokles hat dabei sowohl den innen-, wie
auch den außenpolitischen Kurs entscheidend beeinflusst.
Eine der Maßnahmen, die auf sein Konto gingen, war die Initiierung eines
umfangreichen Flottenbauprogrammes in den Jahren 483/2 v. Chr. Das er
allerdings erst gegen erbitterte Widerstände durchsetzen konnte. Er strebte
damit eine Stärkung der griechischen Seemacht an, um der Übermacht der
gegnerischen Perser begegnen zu können. Nachdem er im Jahr 493 v. Chr. zum
Archonten gewählt worden war, veranlasste er nicht nur die Erweiterung des
Hafens in Piräus, sondern auch den Bau von 200 Kriegsschiffen, so genannten
Trieren. Diese Maßnahmen kosteten viel Geld und da war es eine glückliche
Fügung, dass 483 v. Chr. im Süden Attikas sehr ergiebige Silbervorkommen
erschlossen werden konnten, die Athen großen finanziellen Handlungsspielraum
ließen.
Kernstück der athenischen Flotte waren die erwähnten Trieren. Das waren
nicht nur schnelle, sondern auch wendige Boote von 37 Metern Länge und nur
5,5 Meter Breite. Am Bug besaßen sie einen bronzenen Rammsporn, mit dem
feindliche Schiffe außer Gefecht gesetzt und versenkt werden konnten. Der Erfolg
dieser Trieren bestand darin, dass sie sehr schnell eine hohe Geschwindigkeit
erreichen konnten und geschickt zu manövrieren waren.
Athenische Triere des
späten 5.Jahrhunderts
(410 - 400 v. Chr.)
(Fragment eines
Basreliefs, Athen)
(Bildquelle: Arbeitsmaterial zur
Vorlesung)
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Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und
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TRIEREN
Die Triere - Dreiruderer - war ein Kriegsschiff des Altertums mit drei
gestaffelt angeordneten Reihen von Rudern / Ruderern als „Antrieb“. Sie war
vom 6. bis zum 3. Jahrhundert v. Chr. das wichtigste Kriegsschiff der Seemächte
im Mittelmeer. Vorgänger dieser Schiffe waren sog. Dieren, also Schiffe mit nur
2 Ruderreihen. Mit drei Ruderreihen konnten die Schiffe größere
Geschwindigkeiten erzielen, was für die damals mächtigste Waffe im Seekampf,
den Rammsto, von Vorteil war.
Schon Herodot erwähnt solche Trieren in Flotten des 6. Jahrhunderts und
tatsächlich besiegten die Etrusker im Jahr 537 v. Chr. zusammen mit den
Karthagern eine griechische Flotte vor Korsika mit solchen Schiffen. Die nur für
den unmittelbaren Kriegseinsatz konstruiert waren und z.B. keine Lebensmittelvorräte an Bord nehmen konnten.
Zur Besatzung einer attischen Triere gehörten 170 Ruderer, 10 bis 20
Matrosen und etwa 10 Soldaten, sog. Hopliten (für den Enterkampf und als
Bogenschützen). Diese Hopliten waren in Athen Angehörige der wohlhabenderen
Schichten, aber auch Kleinbauern. Da die Größe der Flotte und der jeweiligen
Schiffsbesatzung einen hohen Mannschaftsbedarf bedeutete, wurden in Athen
auch sog. Theten (kleine Handwerker und Tagelöhner ohne Grundbesitz) als
Ruderer verpflichtet und gut besoldet.
Die Eigenheiten der Triere, deren 170 Ruderer jeweils an einem eigenen
Riemen saßen, verlangten ein Höchstmass an Disziplin und Konzentration
seitens der Ruderer. Die Trierenbesatzungen mussten deshalb hart und ständig
trainieren. Die Flotte wurde so zum Rückgrat athenischer Herrschaftspolitik.
Die einzelnen Ruderreihen hatten diese Bezeichnungen:
obere Reihe - thranitai - Thraniten
mittlere Reihe - zygioi - Zygiten
untere Reihen – thalamioi - Thalamiten
Rammsporn einer Triere mit kupferner Spitze
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Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und
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Das Riemensystem einer Triere
Die Ruderer der obersten Reihe waren die Thraniten, in der Mitte saßen die
Zygiten und in der unteren Reihe saßen die Thalamiten
(Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung)
Moderner Nachbau einer Triere
(Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung)
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Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und
großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke
4. Der Kriegszug des Xerxes
Der Ausgang der Schlacht von Marathon wurde von den beiden Kriegsgegnern
ganz unterschiedlich beurteilt. Während das Selbstvertrauen der Griechen in die
eigene Stärke enorm gewachsen war, sahen die Perser ihre Niederlage nicht so
negativ, wie man annehmen könnte. Immerhin hatten sie ihren Einfluss in
Thrakien und Makedonien behalten und den in der Ägäis ausbauen und festigen
können. Trotzdem blieb bei ihnen – und das musste Athen klar sein – der
Gedanke an Vergeltung. Im Spätsommer 481 v. Chr. war es dann soweit, dass
eine erneute Konfrontation mit den Persern unmittelbar bevorstand. Diese hatten
die innenpolitische Lage in ihrem Gebiet stabilisiert und nach dem Tod des
Großkönigs Darios im Jahr 486 v. Chr. war ihm sein Sohn Xerxes (519 - 465 v.
Chr) auf dem Thron gefolgt.
Der Persische Einflussbereich in den 480er Jahren und
der Helenenbund (Hellenische Eidgenossenschaft) von 481 v. Chr.
Im Herbst 481 v. Chr. schlossen sich etwa 30 Staaten auf Anregung Athens in
Korinth zum sog. Helenenbund zusammen (she. Seite 58).
(Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung)
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Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und
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Das Aufmarschgebiet des Xerxes
Die Perser hatten unter Xerxes inzwischen ihre mehrere Jahre dauernden
Kriegsvorbereitungen abgeschlossen.
Dazu gehörte auch der Bau eines Kanals quer durch die Athoshalbinsel, um die
gefährliche Schiffspassage um die Südspitze zu vermeiden.
Zusätzlich wurden an den Dardanellen Brücken gebaut und in Makedonien
Vorratslager für die Versorgung der Landtruppen angelegt.
(Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung)
In Sardes stand ein Heer von mehr als 100.000 Mann bereit und die Flotte
verfügte über mehr als 600 Schiffe, die an der kleinasiatischen Küste in
Bereitschaft lagen. Xerxes schickte auch diesmal wieder seine Gesandten an die
griechischen Staaten – ausgenommen Athen und Sparta - und forderte von
diesen „Wasser und Erde als Zeichen der Unterwerfung“. Die griechischen
Staaten reagierten auch diesmal wieder – wie schon 491 v. Chr. - sehr
unterschiedlich, was die Zerrissenheit der Interessen im griechischen Mutterland
zeigte.
Trotzdem fanden sich im Herbst 481 v. Chr. etwa 30 Staaten auf Anregung
Athens in Korinth zusammen und schlossen sich – unter spartanischer Führung –
zum
sog.
Helenenbund,
einem
antipersischen
Verteidigungsbündnis
(Hellenische Symmachie), zusammen (Abb. Seite 57). An dem sich die
Westgriechen in Süditalien und auch das sizilische Syrakus nicht beteiligten,
obwohl auch sie um Unterstützung gebeten worden waren. Und obwohl
Westgriechen und die Polis Syrakus nicht dem Helenbund beigetreten waren,
wurden sie zeitgleich von Karthago angegriffen. Wie kam es dazu?
Die phönizische Stadt Tyros gehörte ab 539 zum Persischen Reich und die
Phönizier stellten mit ihren Schiffen einen großen Teil der persischen Kriegsflotte. Karthago nun war eine phönizische Gründung, Tyros war sozusagen die
„Mutterstadt“. Und von der erhielt Karthago den Befehl zum Angriff auf die
Westgriechen.
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Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und
großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke
Im Vorgriff auf die 7. Sitzung hören wir von einem Dreifuss und einer
Schlangensäule - einer Weihegabe der Griechen, die diese nach den Siegen über
die Perser in den Schlachten von Salamis im Jahr 480 v. Chr. (Seeschlacht) und
Plataiai (Landschlacht) im darauf folgenden Jahr 479 v. Chr. dem Gott Apollon
widmeten.
Auf dem Leib der Schlange ist eine Inschrift eingetragen, die die Namen der
am Krieg gegen die Perser beteiligten 31 griechischen Poleis trägt (einige fehlen,
einige waren ursprünglich nicht beteiligt). Die Inschrift zur Erinnerung an den
Sieg über die Perser war der wesentliche Zweck der Säule.
Diese haben im Krieg gekämpft:
Bild rechts:
Die Schlangensäule - die Säule selbst steht bis heute auf dem ehemaligen
Hippodrom-Platz - besteht aus einer Bronzesäule mit drei einander
umschlingenden Schlangen.
Ursprünglich trugen deren Köpfe einen goldenen Dreifuß.
Da sich das Straßenniveau im Laufe der Zeit erhöht hat,
steht die Säule heute in einer kleinen Vertiefung.
(Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung)
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Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und
großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke
Dieser Rekonstruktionsversuch zeigt, wie die Säule
ursprünglich ausgesehen haben könnte
Im mittleren Bild sind die Namen der beteiligten Poleis eingeschlagen
(Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung)
Der Dichter Herodot (Hdt.) und der spartanische König und Heerführer
Pausanias (Paus.) berichten über die Säule und den Dreifuss:
Hdt. 9, 81
Als die Schätze gesammelt waren, teilte man den
Zehnten davon dem Gott in Delphi zu. Daraus wurde
jener eherne Dreifuß aufgestellt, der auf der
dreiköpfigen ehernen Schlange ruht und ganz in der
Nähe des Altares vor dem Tempel steht.
Paus. 10,13,9
Gemeinsam weihten die Griechen aus der Schlacht
bei Plataiai einen goldenen Dreifuß, der auf einer
bronzenen Schlange stand. Was an dem
Weihgeschenk aus Bronze war, war auch zu meiner
Zeit noch unversehrt; vom Gold aber haben die
Führer der Phoker nichts übrig gelassen.
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