Herz C-6 A - e-Shop

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C-6
Herz
H. M. Piper
EINLEITUNG
Ein 50-jähriger Mann unternimmt mit seinem Sohn eine Fahrradtour. Beim Erklimmen einer
Steigung stöhnt er plötzlich auf, steigt vom Rad und fällt ins Gras. Er ist bleich, und sein Gesicht ist
schmerzverzerrt. Er fasst sich an die Brust und klagt über beklemmende Schmerzen. Der Sohn fühlt
den Puls. Dieser ist nur schwach zu tasten und hat eine hohe Frequenz. Mit seinem Handy ruft der
Sohn einen Notarzt, der dem Vater ein Beruhigungsmittel spritzt und ihn mit der Verdachtsdiagnose
¹akuter Myokardinfarktª ins nächste Krankenhaus bringt. In der dortigen kardiologischen Abteilung wird diese Diagnose mittels EKG und einer Blutanalyse bestätigt. Eine röntgenologische Darstellung (Koronarangiographie) der Herzkranzgefäûe zeigt einen Verschluss im Ramus interventricularis anterior. Dieser Verschluss wird mit einer in die Herzkranzgefäûe vorgeschobenen Sonde
mechanisch wiedereröffnet (perkutane transluminale Koronarangioplastie). Vom Auftreten der
Schmerzsymptome bis zu diesem Eingriff sind drei Stunden vergangen. Eine eingehende funktionelle Nachuntersuchung des Herzens zeigt nach einer Woche, dass der zeitweilige Gefäûverschluss keine bleibenden Schäden am Herzen hinterlassen hat.
p
A
6.1
Entwicklung des Herzens
l l l Das Herz entwickelt sich
aus einem S-förmigen Gefäûschlauch.
Zuerst werden ein Ventrikel und ein
Vorhof angelegt
Die Morphogenese des Herzens beginnt in der 3. Embryonalwoche mit einer schlauchartigen Herzanlage innerhalb der
schon gebildeten Perikardhöhle (Abb. 6-1 a, b). Das kraniale
Ende des Herzschlauchs (Truncus arteriosus) entspricht den
späteren arteriellen Ausflussbahnen, der kaudale Teil (Sinus
venosus) den Körpervenen. Der Herzschlauch wächst viel
schneller als die umgebende Perikardhöhle, dadurch nimmt
die Herzanlage eine S-Form an. Der Durchmesser einzelner
Anteile dieser Form weitet sich durch Wachstum aus. Dadurch deutet sich bereits ein mehrkammeriges System an
(Ende 3. Embryonalwoche). Am kranialen Gefäûpol liegt der
Bulbus cordis, auf den die Anlage einer einzelnen Herzkammer (Ventrikel) folgt. Daran schlieût sich ein einzelner Vorhof
Perikard
Bulbus
cordis
Perikardhöhle
Ventrikel
Sinus
venosus
Atrium
a
linkes
Atrium
Sulcus
bulboventricularis
Ventrikel
b
Aortenbogen
linkes
Atrium
Perikardhöhle
Truncus
arteriosus
rechtes
Atrium
linkes
Atrium
Conus
cordis
Bulbus
cordis
linker
Ventrikel
trabekulärer
Anteil des
rechten
Ventrikels
c
d
aortale
Ausflussbahn
c
Abb. 6-1. Entwicklung des Herzens. (a) Herzschleife zu Beginn
der 4. Embryonalwoche (Ansicht von links). (b) Differenzierung
der Herzschleife in Ventrikel, Atrien und Ausflusstrakt in der
Mitte der 4. Embryonalwoche (von links). (c, d) Herz zu Beginn
der 5. Embryonalwoche mit den Anlagen der beiden Atrien und
Ventrikel (c von links, d von vorn). Nach Langmann J. Medizinische Embryologie. 2. Aufl. Thieme Verlag, Stuttgart (1972).
(e) Schematische Darstellung der Teilung der Ausflussbahn
durch ein spiralig eingewachsenes Septum zu Beginn der
6. Embryonalwoche. Nach Goerttler K. In Bargmann W, Doerr W
(Hrsg) Das Herz des Menschen. Band 1. Thieme Verlag, Stuttgart
(1963)
Truncus
arteriosus
Bulbus
cordis
rechtes
Atrium
Truncus
arteriosus
Conus
cordis
rechter
Ventrikel
Sulcus
interventricularis
pulmonale
Ausflussbahn
linkes
Atrium
Atrioventrikularkanal
linker
Ventrikel
e
6.1 Entwicklung des Herzens
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139
(Atrium) an, der aus einem Teil der Anlage des Sinus venosus
entsteht. Der Herzschlauch macht bei dieser Schleifen- und
Segmententwicklung eine Linksdrehung, so dass der Bulbus
cordis nahe der Mittellinie, der embryonale Ventrikel linksseitig im Thorax liegt. Aus dem Truncus arteriosus und dem
oberen Anteil des Bulbus cordis (Conus cordis) differenzieren
sich später die Ausflussbahnen von rechtem und linkem Ventrikel. Der untere Anteil des Bulbus cordis stellt die Anlage
für den rechten Ventrikel dar, eine äuûere Einkerbung (Sulcus interventricularis) und eine korrespondierende innenseitige Wandvorwölbung am Übergang zum embryonalen Ventrikel präformieren die spätere Grenze zwischen linkem und
rechtem Ventrikel (Abb. 6-1 c, d). Eine Engstelle zwischen
embryonalem Ventrikel und Vorhof bildet den Atrioventrikularkanal (5. Embryonalwoche; Abb. 6-1 e). Die weitere
Herzdifferenzierung führt zur Entwicklung von Septen im
Bereich der Ventrikel- und Vorhofanlagen sowie zur Aufteilung der arteriellen Ausflussbahn in einen pulmonalen und
aortalen Anteil (Abb. 6-1 e).
Man kennt heute bereits einige Gene, die für Transkriptionsfaktoren codieren, deren zeitlich abgestufte Aktivierung essentiell
für eine geordnete und damit normale Herzentwicklung ist. Dazu
zählt z. B. GATA4, der für die Mittellinienverschmelzung des
S-förmigen Herzschlauchs erforderlich ist und an die DNA-Sequenz GATA bindet (Abschn. A-14.4). Für die Entwicklung der
Ventrikel wird z. B. der Faktor Nkx2.5 benötigt.
l l l Ventrikel und Ausflussbahn
sowie die Atrien der Herzanlage
teilen sich durch das Einwachsen
von Trennwänden in rechten
und linken Ventrikel, die pulmonale
und die aortale Ausflussbahn
sowie rechtes und linkes Atrium
Trennung der Ventrikel und der Ausflussbahn. Die Anlagen
des linken und rechten Ventrikels erweitern sich durch
Wachstum nach auûen. Am Sulcus interventricularis stoûen
diese Wachstumskräfte aufeinander, und zwischen ihnen bildet sich ein muskuläres interventrikuläres Septum, das aber
eine offene Verbindung übrig lässt (Foramen interventriculare; 6. Embryonalwoche). In der gemeinsamen Ausflussbahn
des rechten und linken Ventrikels, die vom Truncus arteriosus und Conus cordis gebildet wird, entsteht durch das Vorwachsen längs verlaufender Gewebeleisten eine zusammenhängende Trennwand, deren zwei Anteile als Truncus- und
Conusseptum bezeichnet werden (Abb. 6-1 e). Diese Trennwand hat einen spiralförmigen Verlauf, wodurch die Ausflussbahn für den rechten Ventrikel (Truncus pulmonalis)
frontal und die Ausflussbahn für den linken Ventrikel (Aorta)
dorsal zu liegen kommt (7. Embryonalwoche). Der untere
Abschnitt des Conusseptums wächst in Richtung der Ventrikel vor und verschlieût allmählich das Foramen interventriculare des Septum interventriculare. Später wird ein Teil dieses interventrikulären Septums bindegewebig ersetzt und bildet dann die fibröse Pars membranacea des Septum interventriculare.
In den frühen Embryonalstadien teilt sich die Ausflussbahn kranial von der Herzanlage in sechs Arterienpaare auf (Aortenbö140
Kapitel C-6 Herz
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Septum
secundum
Foramen
ovale
V. cava
superior
Vv. pulmonales
Septum
primum
Atrium
dextrum
Atrium
sinistrum
Ventriculus
sinister
V. cava
inferior
Sinus
coronarius
Ventriculus
dexter
Mm.
papillares
Septum
interventriculare
Abb. 6-2. Querschnitt durch das Herz eines Neugeborenen. Das
Septum interventriculare ist geschlossen. Im Septum primum
der Vorhöfe befindet sich eine sekundär entstandene Öffnung,
die durch das später entstandene Septum secundum bereits teilweise überdeckt wird. Der verbleibende Durchtrittsspalt heiût
wegen seiner Sichelform in seitlicher Ansicht Foramen ovale. Im
pränatalen Kreislauf flieût das Blut aus dem rechten Vorhof
(Pfeil) über diesen Weg in den linken Vorhof. Nach Ferner H.
Eingeweide und Kreislauf. In Ferner H, Staubesand J (Hrsg.)
Benninghoff/Goerttler. Lehrbuch der Anatomie des Menschen.
Band 2. 10. Aufl. Urban & Schwarzenberg, München (1975)
gen). Diese obliterieren teils schnell wieder (1., 2., 5.). Aus den
herznächsten 6. Aortenbögen entsteht die Anlage der Pulmonalstrombahn; nach Teilung der Ausflussbahn entspringen sie aus
dem Truncus pulmonalis. Aus den 4. Aortenbögen entwickeln
sich Teile des Arcus aortae und der rechten A. subclavia. Aus
den 3. Aortenbögen entstehen Teile der Karotiden.
Trennung der Atrien. Die zunächst einkammerige Anlage
des embryonalen Atriums dehnt sich hinter den Truncus arteriosus aus (4. Embryonalwoche). Aus einer mittelständigen
Faltung in der Wand dieses Hohlraums entsteht eine zunächst unvollständige Scheidewand, das Septum primum.
Die verbleibende Öffnung zwischen den beiden Atrien, das
Ostium primum (Abb. 6-2), wird langsam verschlossen. Im
embryonalen Kreislauf ist zu diesem Zeitpunkt die Lunge
noch nicht entwickelt. Das Blut muss vom rechten in den linken Vorhof flieûen. Dies wird dadurch ermöglicht, dass während des Zuwachsens des Ostium primum ein Durchbruch
des interatrialen Septums an anderer Stelle entsteht, das so
genannte Ostium secundum (5. Embryonalwoche; Abb. 6-2).
Am Ostium secundum wächst in der Folge eine Gewebefalte
(Septum secundum) vor, die es zunehmend wieder abdeckt.
Zum Zeitpunkt der Geburt ist vom Ostium secundum noch
ein sichelförmiger ovaler Spalt vorhanden, der als Foramen
ovale (Abb. 6-2) bezeichnet wird. Meistens schlieût sich dieses Foramen ovale durch die veränderten Druckverhältnisse
nach Einsetzen des Lungenkreislaufs nachgeburtlich recht
schnell, da die genannte Gewebefalte auf den Rand des Ostium secundum gedrückt wird. In 20 % der Fälle bleibt dieser
Verschluss aber aus. Ein persistierendes offenes Foramen
ovale ist hämodynamisch fast immer bedeutungslos, da der
Blutfluss durch diese kleine Öffnung nur sehr gering ist.
Bildung der Herzklappen. Mit der Ausbildung des interatrialen Septums geht auch eine Trennung des zunächst einheitlichen Atrioventrikularkanals in eine Doppelöffnung einher.
Die Atrioventrikularklappen entstehen in diesen Öffnungen
durch ein wulstartiges Vorwachsen des Mesenchyms an den
Öffnungsrändern (ab 6. Embryonalwoche). Diese Vorwölbungen werden dann teilweise unterhöhlt und ausgedünnt, so
dass am Schluss die brückenartigen Strukturen der Segelklappen mit ihren Verankerungen in den Papillarmuskeln
stehen bleiben (Abb. 6-2). Wenn die Mitteltrennung der zunächst gemeinsamen arteriellen Ausflussbahn weitgehend
abgeschlossen ist, bilden sich an ihrem oberen Ende höckerige Vorwölbungen der Gefäûwand, aus denen sich halbmondförmige Scheiben entwickeln. Diese wachsen aufeinander zu
und bilden in der aortalen und pulmonalen Ausflussbahn je
ein Klappensystem (6.±7. Embryonalwoche). Wegen ihrer
zum Ventrikel hin vorgewölbten Form werden diese Klappen
Taschenklappen oder Semilunarklappen genannt.
Verbindung im nachgeburtlichen Kreislauf führt einen Teil
des venösen Blutes an den Lungen vorbei und verhindert damit eine ausreichende Sauerstoffaufnahme. Als Folge haben
Kinder mit einem solchen Defekt wegen des hohen Anteils
von desoxygeniertem Hämoglobin im arteriellen System eine
bläuliche Hautfarbe (Cyanose, ¹Blue Babiesª).
Eine häufige Fehlbildung im Bereich der Ausflussbahn des Herzens ist die so genannte Fallot-Tetralogie. Sie beruht auf einer
ungleichen Teilung des Conus cordis durch eine zu weit nach
vorne gelagerte Bildung des Septums zwischen der Aorten- und
Pulmonalarterienanlage. Als Folge entstehen (1) eine Pulmonalarterienstenose; (2) ein Defekt des Ventrikelseptums, dessen obere Anteile einen Anteil des Conusseptums mit einschlieûen
müssten; (3) eine ¹reitende Aortaª, deren Einflussbahn zu weit
nach rechts, über den Ventrikelseptumdefekt, ausgedehnt ist;
und (4) eine Hypertrophie des rechten Ventrikels als Folge seiner
Druckbelastung. Bei dieser Konfiguration flieût Blut aus dem
rechten Ventrikel an der Lungenstrombahn vorbei direkt in die
Aorta. Es kommt deshalb auch hier zur Cyanose.
Box 6-1.
Helen Taussig und die Blue Babies
l l l Herzfehler bei Neugeborenen
lassen sich auf typische Störungen
der Herzentwicklung zurückführen
Störungen in der Herzentwicklung führen zu typischen
¹Herzfehlernª bei Neugeborenen (Tab. 6-1). Hier seien nur einige genannt. Wie oben bereits erläutert, ist ein Offenbleiben
des Foramen ovale zwischen den Vorhöfen eine meist harmlose Anomalie. Entwicklungsstörungen bei der Verkleinerung
des Ostium secundum hinterlassen hingegen groûe, hämodynamisch wirksame Defekte. Die verbleibende Rechts-Links-
Tabelle 6-1. Häufige angeborene Herzmissbildungen
Bezeichnung
Entstehung
Korrektur
Vorhofseptumdefekt (ASD)
Entwicklungsstörung des
Septum primum
oder des Septum
secundum
Entwicklungsstörung des
Septum
interventriculare
Entwicklungsstörung des
Conusseptums
Verschluss
Ausbleiben der
Spiraldrehung des
Conusseptums
Gefäûverlagerung
(Switch-Operation)
Verwachsungen
der Klappenanlagen
Klappensprengung, Klappenersatz
Ventrikelseptumdefekt (VSD)
Fallot-Tetralogie
(Pulmonalarterienstenose, VSD,
reitende Aorta)
Transposition der
groûen Arterien
(Aorta aus rechtem, A. pulmonalis
aus linkem
Ventrikel)
Stenosen der
Semilunarklappen
Die Amerikanerin Helen Taussig (1898±1986) gilt als Begründerin der Kinderkardiologie. Ihren Wunsch, an der Harvard Medical School Medizin zu studieren, konnte sie sich
nur mit Verzögerung erfüllen, da ihr als Frau zunächst der
Zugang verwehrt blieb. So studierte sie zuerst nur Anatomie,
wobei sie sich besonders mit Herz und Lunge befasste. Diese
besonderen Kenntnisse halfen ihr später, als sie sich als ¾rztin mit herzkranken Kindern beschäftigte. Es gelang ihr, als
erste die pathophysiologischen Zusammenhänge bei Kindern
mit einer Fallot-Tetralogie (Blue Babies) zu verstehen. Sie erkannte, dass für das Überleben dieser Kinder das Ausmaû der
pulmonalen Durchblutung von entscheidender Bedeutung
ist und entwickelte das Konzept für eine bahnbrechende
Operation, die eine künstliche Kurzschlussverbindung zwischen rechter A. subclavia und A. pulmonalis herstellt und
so der Lunge vermehrt Blut für den Gasaustausch zuführt.
Diese Operation wurde 1944 erstmals von dem Chirurgen Alfred Blalock durchgeführt. Von Taussig und Blalock wurde
immer wieder beschrieben, wie bewegend der Moment war,
als nach der Operation bei diesem ersten Kind die bläuliche
Hautfarbe einer rosigen Erscheinung wich. Die BlalockTaussig-Shunt-Operation hat Tausenden von Kindern ein
längeres Leben ermöglicht und wird auch heute noch in modifizierter Form durchgeführt.
Verschluss
VSD-Verschluss,
Erweiterung der
Pulmonalarterie
6.1 Entwicklung des Herzens
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141
é
p
A
6.2
Aus dem kranialen Teil des primitiven Herzschlauchs entstehen die Ausflussbahnen von
rechtem und linkem Ventrikel, aus dem
mittleren Teil der rechte Ventrikel, aus dem
kaudalen Teil der linke Ventrikel, und aus
der Anlage des Sinus venosus entstehen die
Vorhöfe. Während der Herzentwicklung
vollzieht der Herzschlauch im Thorax eine
Drehung nach links. Daher liegt die Anlage
des rechten Ventrikels nach vorn, die des linken Ventrikels etwas nach hinten versetzt.
Die Septen zwischen den Herzkammern und
Vorhöfen werden aus mehreren Entwicklungselementen gebildet. Wird deren Differenzierung gestört, kommt es zu Septumdefekten. Die ursprünglich gemeinsame Ausflussbahn des Herzens wird durch Einwachsen eines spiraligen Septums in einen vorderen pulmonalen und hinteren aortalen Teil
aufgeteilt.
Anatomie des Herzens
l l l Das Herz liegt, nach links ausladend,
mittig im Thorax. Über den Herzbeutel
ist es kaudal am Diaphragma fixiert.
Kranial liegt der Gefäûpol des Herzens
mit seinen Ausflussbahnen
Einbettung des Herzens. Das Herz ist ein intrathorakales Organ, das zwischen linker und rechter Lunge ins Mediastinum
eingebettet ist (Abschn. C-5.4). Etwa zwei Drittel des Herzens
liegen links von der Mittellinie. Von frontal betrachtet hat
das Herz in seiner Lage im Thorax die Form einer dreiseitigen
Pyramide, deren Spitze nach vorn unten links zeigt und deren Basis nach hinten oben rechts gerichtet ist (Abb. 6-3 a,
b). Man bezeichnet deshalb den unteren, konisch zulaufenden Anteil auch als den Apex des Herzens, den stumpfen
oberen Gefäûpol als seine Basis. Beim Erwachsenen ist das
Herz etwa faustgroû und 300 g schwer. Es stellt eine doppelte
Pumpe mit jeweils zwei muskulären Hohlkammern dar. Dabei gibt es auf der rechten und der linken Seite jeweils einen
Vorhof (Atrium) und eine Herzkammer (Ventrikel). Das Muskelgewebe des Herzens wird als Myokard bezeichnet. Das
Herz ist verschieblich in einen serösen Sack, den Herzbeutel,
eingebettet. Dieser ist mit ca. 20 mL einer serösen Flüssigkeit
gefüllt. Die Herzbeutelhöhle (Cavitas pericardialis) ist herzseitig durch das viszerale Serosablatt, das Epikard, begrenzt.
Das parietale Serosablatt bildet zusammen mit der darauf
aufliegenden Bindegewebsschicht, dem Pericardium fibrosum, die äuûere Wand der Herzbeutelhöhle, das Perikard.
Das Perikard ist am vorderen unteren Rand mit dem Centrum
tendineum des Zwerchfells fest verwachsen. Die Umschlaglinien zwischen dem viszeralen und dem parietalen Blatt des
Herzbeutels liegen den Gefäûen an, die in das Herz hineinund aus dem Herzen herausführen (Abb. 6-3 c). Sie liegen
deshalb an der hinteren und oberen Seite des Herzsitus. Kol142
Kapitel C-6 Herz
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lagenfaserbündel des perikardialen Bindegewebes bilden Faserringe um die groûen Gefäûe und fixieren so den Herzbeutel an diesen Stellen. Da das Herz kaudal über das Perikard
am Diaphragma verankert ist, während es mit den anderen
Anteilen des Perikards und den zuführenden Gefäûen im
Thorax elastisch aufgehängt ist, bewegt sich der Schwerpunkt des Herzens bei der Entleerung der Ventrikel auf das
Diaphragma zu (Ventilebenenmechanismus; s. u.). Die Festigkeit des Pericardium fibrosum begrenzt die Dehnung der
Ventrikel. Es enthält zwei bis drei sich überkreuzende Kollagenfaserschichten, die sich bei zunehmender Dehnung wie
ein Scherengitter gegeneinander verstellen. Durch dieses
Bauprinzip ist der Herzbeutel gut verformbar, solange er
nicht überdehnt wird. Überdehnungen treten z. B. auf, wenn
ein Ventrikel an Gröûe zunimmt oder wenn sich Flüssigkeit
in der Herzbeutelhöhle ansammelt. Letzteres kann bei Perikardentzündungen oder Blutungen auftreten. Groûe Volumenansammlungen komprimieren die Ventrikel und behindern damit ihre Pumpfunktion (Herzbeuteltamponade).
Einstrom- und Ausflussbahnen. Der kranial liegende Gefäûpol des Herzens enthält zu- und abführende Gefäûe. Der
Rücklauf des Blutes aus dem groûen Kreislauf erfolgt über
die Vv. cavae inferior und superior, die gemeinsam in den
rechten Vorhof münden. Von dort flieût das Blut in den rechten Ventrikel und wird von diesem über seine Ausflussbahn,
den Truncus pulmonalis, in den kleinen Kreislauf (Lungenkreislauf) ausgeworfen. Der Rückfluss des Blutes aus dem
kleinen Kreislauf erfolgt über vier Pulmonalvenen, die oxygeniertes Blut führen und paarig aus linker und rechter Lunge entspringen, in den linken Vorhof. Aus dem linken Vorhof
gelangt das Blut in den linken Ventrikel, um von hier über
die Aorta in den groûen Kreislauf ausgeworfen zu werden.
l l l In der Ventilebene besitzt das Herz
eine feste bindegewebige Stützstruktur,
die als Herzskelett bezeichnet wird.
Die Arbeitsmuskulatur ist aus zirkulär
und spiralig verlaufenden Muskelzügen
aufgebaut
Herzskelett. Neben den muskulären Anteilen enthält das
Herz auch Bindegewebe, das fein verteilt die Kammermuskulatur durchzieht und zwischen Vorhöfen und Ventrikeln eine
überwiegend bindegewebige Stützstruktur für das Gesamtorgan bildet, das so genannte Herzskelett. Das Herzskelett liegt
in der Ventilebene des Herzens (Abb. 6-3 e). Es umspinnt die
beiden Atrioventrikularklappen und die Wurzeln von Aorta
und Truncus pulmonalis. In die Tiefe setzt sich das Herzskelett noch ein Stück weit in die Pars membranacea des Kammerseptums fort, die am Faserring um die Aorta ansetzt. Die
Arbeitsmuskulatur von Vorhöfen und Kammern wird durch
Bindegewebszüge des Herzskeletts funktionell vollständig
voneinander getrennt, ist aber dennoch mechanisch fest miteinander verknüpft. Nur die speziellen Muskelfasern des Erregungsleitungssystems durchtunneln das Herzskelett.
Wandaufbau. Funktionell kann man bei rechter und linker
Herzhälfte einen Niederdruck- und einen Hochdruckanteil
Aorta
V. cava superior
Aorta
Truncus pulmonalis
V. cava superior
Aa. pulmonales
dextrae
Vv. pulmonales
sinistrae
Vv. pulmonales
dextrae
Aa. pulmonales
sinistrae
Atrium sinistrum
A. coronaria
sinistra
Atrium dextrum
Ramus circumflexus
A. coronaria
dextra
Ramus interventricularis anterior
V. cava inferior
Ventriculus
sinister
Ventriculus dexter
Aa.
pulmonales
dextrae
Vv. pulmonales
sinistrae
Vv.
pulmonales
dextrae
Atrium
sinistrum
V. posterior
Atrium
dextrum
Sinus
coronarius
V. cava inferior
Ventriculus
sinister
a
Ventriculus dexter
V. cardiaca media
b
Aorta
Truncus
pulmonalis
V. cava superior
Umschlagfalte
Perikard und
Plexus cardiacus
N. phrenicus:
A. V. pericardiacophrenica
Aorta
V. cava superior
A. pulmonalis
Vv. pulmonales
dextrae
Sinus transversus pericardii
Sinus obliquus
pericardii
Pleura parietalis
V. cava inferior
Vv. pulmonales
sinistrae
Vorwölbung
durch
Ösophagus
Pars
diaphragmatica pericardii
A. pulmonalis
sinistra
Vv. pulmonales
sinistrae
Vv.
pulmonales
dextrae
Atrium sinistrum
Valva aortae
Valva trunci
pulmonalis
Valva
atrioventricularis
sinistra
Atrium
dextrum
Mm. papillares
Valva atrioventricularis
dextra
Septum
interventriculare
V. cava inferior
Ventriculus dexter
c
Valvula
semilunaris
dextra
Cuspis anterior
Cuspis
posterior
Valvula
semilunaris
anterior
Cuspis
septalis
Valvula
semilunaris
sinistra
ventral
dorsal
A. coronaria sinistra
Valva aortae
Valva atrioventricularis dextra
Valvula semilunaris posterior
A. coronaria dextra
Conus arteriosus
Valva trunci pulmonalis
d
Valvula semilunaris dextra
Valvula semilunaris sinistra
Ventriculus sinister
Mündung der
V. cardiaca media
Cuspis anterior
Cuspis posterior
Sinus coronarius
Valva atrioventricularis dextra
e
Abb. 6-3. Anatomie des Herzens. (a) Ansicht von vorne, (b) Ansicht von hinten. (c) Umschlagfalten des Perikards bei herausgenommenem Herzen. (d) Querschnitt durch das Herz. Blick auf die hintere Hälfte, (e) Ansicht der Ventilebene des Herzens von oben
6.2 Anatomie des Herzens
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143
unterscheiden. Dem Niederdrucksystem gehören die jeweils
zuführenden Gefäûe und die Vorhöfe an, den Hochdruckanteil bildet der jeweilige Ventrikel. Entsprechend der Druckverteilung ist die Muskulatur in den Vorhöfen nur gering
ausgeprägt, viel stärker ist sie in den Ventrikeln. Der rechte
Ventrikel muss geringere Drücke aufbauen, da er das Blut
nur durch die Lungenstrombahn befördern muss, die einen
geringen Gesamtwiderstand hat. Die Muskulatur des linken
Ventrikels ist am stärksten ausgebildet (durchschnittlich ca.
fünfmal dicker als beim rechten Ventrikel). Dieser Ventrikel
muss die treibende Kraft für den Bluttransport durch den
ganzen Rest des Körpers aufbringen. Die Ventrikel erfüllen
ihre Pumpfunktion durch Kontraktion ringförmig verlaufender Muskulatur. Bei einem Schnitt durch die Ventrikelwand
kann man grob drei Verlaufsrichtungen der Muskelzüge unterscheiden. Unter dem Epikard liegen spiralig verlaufende
Muskelzüge, die von der Herzbasis zum Apex absteigen. Am
Apex ziehen sie nach innen in die Tiefe und bilden eine an
der Innenwand der Ventrikel spiralig aufwärts strebende Formation. Diese innerste und äuûerste Muskelschicht wird von
einer in etwa zirkulären Mittelschicht der Muskulatur getrennt, die aus Abzweigungen der beiden angrenzenden
Muskelschichten hervorgeht. Aufgrund dieser speziellen Anordnung der Muskulatur ergibt sich bei der Kontraktion der
Ventrikel nicht einfach eine pulsierende Einwärts-AuswärtsBewegung, sondern eine um die Herzachse leicht rotierende,
¹spiraligeª Bewegung der Ventrikelmuskulatur. Deformationen der Ventrikel, z. B. als pathologisches ¹Remodelingª
(Abschn. C-6.11), stören diesen Bewegungsablauf und damit
auch die Pumpfunktion. Auûen liegt der Muskelschicht des
Myokards das seröse Epithel des Epikards auf. Innen wird es
vom Endokard abgeschlossen, einem Plattenepithel mit einer
dünnen Unterschicht von Bindegewebe mit vereinzelten
glatten Muskelzellen. Das Endokard ist strukturell und biochemisch dem Gefäûendothel sehr ähnlich (z. B. hemmt es
die Blutgerinnung). Es überzieht auch die freien Flächen der
Herzklappen. Im rechten und linken Ventrikel springen einzelne endokardüberzogene Muskelstränge ins Lumen vor. In
den Einflussbahnen bilden diese ein balkenartiges Netzwerk
(Trabeculae carneae). Trotz der grundsätzlichen ¾hnlichkeiten im Wandaufbau ist die makroskopische Geometrie von
linkem und rechtem Ventrikel sehr verschieden. Die linke
Kammer hat in der Diastole eine länglich-konische Form. Im
Längsschnitt bilden äuûere Kammerwand und das Septum
etwa eine U-Form. Die rechte Kammer liegt diesem U als eine
halbmondförmige flache Tasche an. Die beiden Atrien sind
durch das interatriale Septum, die Ventrikel durch das interventrikuläre Septum getrennt. Die Septen werden vom Myokard gebildet. Die Trennung zwischen Atrien und Ventrikeln
liegt in der bindegewebsreichen Ventilebene. Sie wird hier
durch ringförmige Klappenstrukturen gebildet, die einen gerichteten Blutstrom erlauben (Abb. 6-3 d, e).
144
Kapitel C-6 Herz
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l l l In der Ventilebene befinden sich zwei
Arten von Klappen: Segelklappen für die
Trennung von Vorhöfen und Ventrikeln
und Taschenklappen in den
Ausflussbahnen der Ventrikel
Atrioventrikularklappen (Abb. 6-3 d, e). Auf der rechten Seite befindet sich zwischen Atrium und Ventrikel eine Klappe
mit drei segelartigen Strukturen (Cuspes), die Trikuspidalklappe. Auf der linken Seite gibt es eine Atrioventrikularklappe mit zwei Segeln, die Bikuspidalklappe (Mitralklappe).
In der Erschlaffungsphase der Ventrikel, d. h. bei entspannter
Arbeitsmuskulatur, geben die Atrioventrikularklappen der
Druckdifferenz zwischen Vorhof und Ventrikel nach und öffnen sich mit dem einströmenden Blut ins Cavum des jeweiligen Ventrikels (s. u.). Zu Beginn der Kontraktionsphase der
Ventrikel wird es wichtig, dass jedes der Klappensegel durch
Sehnenausläufer (Chordae tendineae) vorgespannt werden
kann. Die Chordae haften an konischen Ausläufern der Ventrikelmuskulatur, den so genannten Papillarmuskeln, an. Die
Anspannung der Papillarmuskeln erfolgt zu Beginn der Ventrikelkontraktion und verhindert, dass die Klappen durch den
Aufbau des intraventrikulären Drucks nach atrial durchschlagen, was zu einem Reflux von Blut aus dem Ventrikel in
den Vorhof führen würde (zur Klappenfunktion s. Abschn.
C-6.6).
Semilunarklappen (Abb. 6-3 d, e). An der Basis der groûen
aus dem Herzen entspringenden Gefäûe, der Pulmonalarterie
(Truncus pulmonalis) und der Aorta, liegen Klappen anderer
Bauart, nämlich so genannte Taschenklappen (Semilunarklappen), die Pulmonalklappe und die Aortenklappe (Abschn.
C-6.6). Sie haben ihre Namen von der taschenartigen, halbmondförmigen Gestalt ihrer jeweils drei Klappenblätter.
Diese sind gegen das Ventrikelinnere kuppelförmig vorgewölbt. Während der Diastole der Ventrikel drückt der höhere
Druck in der Ausflussbahn die drei Blätter zum Klappenschluss zusammen. Segel- und Taschenklappen bestehen im
Kern aus bindegewebigen Faserplatten, die an allen freien
Flächen vom Epithel des Endokards überzogen sind.
l l l Das Herz hat eine eigene nutritive
Gefäûversorgung, das Koronarsystem.
Es entspringt aus der Aorta und mündet
in den rechten Vorhof
Koronarsystem. Das Herz wird durch ein eigenes Gefäûsystem nutritiv versorgt (Abb. 6-4, Tab. 6-2). Unmittelbar oberhalb der Aortenklappe entspringen aus dem Stamm der Aorta
die rechte und linke Koronararterie. Diese verlaufen zunächst (von oben betrachtet) in der Einkerbung zwischen Atrien und Ventrikeln, dem Sulcus atrioventricularis. Von der
linken Koronararterie zweigt der Ramus anterior interventricularis ab, der an der Vorderseite des Herzens an der Grenzlinie zwischen rechtem und linkem Ventrikel absteigt, sowie
der Ramus circumflexus, der im Sulcus atrioventricularis am
äuûeren Rand der Ventilebene nach dorsal verläuft, um an
hintere Abschnitte des Ventrikels und das linke Atrium zu
gelangen. Die Koronararterien liegen an der Auûenseite des
Valva aortae
Tabelle 6-2. Die Koronargefäûe des Menschen
A. coronaria
sinistra
Arterien
V. cardiaca
magna
A. coronaria
dextra
Ramus
circumflexus
Sinus
coronarius
V. posterior
ventriculi sinistri
Ramus
interventricularis
anterior
V. cardiaca parva
Ramus
interventricularis
posterior
V. cardiaca
media
a
RV
LV
Normaltyp
RV
LV
Linkstyp
RV
LV
Rechtstyp
b
Abb. 6-4. Herzkranzgefäûe. (a) Schema der Anatomie (Arterien
rot, Venen blau). (b) Variabilität der arteriellen Gefäûversorgung.
Querschnitt durch die Ventrikel (RV ˆrechter Ventrikel; LV ˆ linker Ventrikel). Versorgungsgebiet der rechten Koronararterie:
schwarz; Versorgungsgebiet der linken Koronararterie: weiû.
Nach Leonhardt H. Innere Organe. In Kahle W, Leonhardt H,
Platzer W. Taschenatlas der Anatomie. Band 2. Thieme Verlag,
Stuttgart (1973)
Herzmuskels im epikardialen Fett- und Bindegewebe. Von
hier treten kleine Versorgungsarterien senkrecht in die Wand
ein und verästeln sich dort bis in Kapillaren. Der Rückstrom
des Blutes erfolgt über Koronarvenen, die dem Verlauf der
oberflächlichen Koronararterien folgen, sich aber an der
Rückseite des Herzens zu einem gemeinsamen Gefäû zusammenschlieûen, dem Koronarsinus (Sinus coronarius). Der Koronarsinus öffnet sich in den rechten Vorhof. Ein kleiner Anteil des venösen Blutes des Herzens (< 10 %) wird auch über
die Thebesi-Venen (Vv. cardiacae minimae) direkt in das Cavum der Ventrikel entlassen.
Variabilität des Koronarsystems. Die arterielle Versorgung
des Herzmuskels durch die zuführenden Koronargefäûe ist
sehr variabel. Beim so genannten Normaltyp der Koronarversorgung versorgt die rechte Koronararterie den überwiegenden Teil des rechten Vorhofs, den dorsalen und lateralen
Teil der rechten Kammer und die dorsale Hälfte des Ventrikelseptums (Abb. 6-4 b). Der Rest wird über die linke Koronararterie versorgt, wobei der Ramus circumflexus den linken Vorhof und die Hinterwand des linken Ventrikels durchblutet. Beim Rechtstyp ist die Versorgung durch die rechte
Koronararterie stärker ausgeprägt. Hier übernimmt die linke
Koronararterie nur die Vorderwand des linken Ventrikels und
kleine vordere Anteile von Septum und rechtem Ventrikel.
Beim Linkstyp der Koronarversorgung ist die Verteilung ge-
A. coronaria sinistra (entspringt aus Sinus aortae) gibt ab:
Ramus interventricularis anterior
Ramus coni arteriosi
Ramus lateralis
Rami interventriculares septales
Ramus circumflexus
Ramus atrialis anastomoticus
Rami atrioventriculares
Ramus marginalis sinister
Ramus atrialis intermedius
Ramus posterior ventriculi sinistri
Ramus nodi sinuatrialis
Ramus nodi atrioventricularis
Rami atriales
A. coronaria dextra (entspringt aus Sinus aortae) gibt ab:
Ramus coni arteriosi
Ramus nodi sinuatrialis
Rami atriales
Ramus marginalis dexter
Ramus atrialis intermedius
Ramus interventricularis posterior
Rami interventriculares septales
Ramus nodi atrioventricularis
Ramus posterolateralis dexter
Venen
Sinus coronarius (mündet in Atrium dexter) nimmt auf:
V. cardiaca magna
V. posterior ventriculi sinistri
V. cardiaca media
V. cardiaca parva
V. obliqua atrii sinistri
Direkt im Atrium dexter münden:
Vv. cardiacae anteriores
Vv. cordis minimae
rade umgekehrt. Hier ist die Versorgung der rechten Koronararterie im Wesentlichen auf kleinere Teile des rechten
Vorhofs und laterale und dorsale Anteile des rechten Ventrikels beschränkt. Die Versorgungsgebiete von linker und
rechter Koronararterie überlappen sich immer ein wenig. Für
die Pathophysiologie ist wichtig, dass Sinusknoten, AV-Knoten und das Erregungsleitungssystem (Abschn. C-6.4) in der
Regel nur durch die rechte Koronararterie versorgt werden.
Deshalb haben Gefäûveränderungen in der rechten Koronararterie auch häufig Erregungsleitungs- und Rhythmusstörungen (Abschn. C-6.4) zur Folge.
6.2 Anatomie des Herzens
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145
é
Das Herz besteht funktionell aus zwei doppelkammerigen Pumpen, die jeweils aus einem Atrium und einem Ventrikel bestehen.
Zwischen Atrium und Ventrikel liegt die
Ventilebene, die zwei Segelklappen für die
Trennung von Atrien und Ventrikeln und
zwei Taschenklappen für die Trennung der
Ventrikel von ihren Ausflussbahnen enthält.
Das Herz wird von einem eigenen Gefäûsystem versorgt, das rechts mit der rechten
Koronararterie und links mit der linken Koronararterie und deren Verzweigung in den
Ramus anterior interventricularis und den
Ramus circumflexus beginnt. Der Rückstrom
des Blutes aus dem Koronarsystem erfolgt
durch ein gemeinsames venöses Endgefäû,
den Koronarsinus, in den rechten Vorhof.
6.3
Bindegewebe
Kapillarendothel
Glanzstreifen
Zellkerne
(Herzmuskelzellen)
PH
Arbeitsmyokardzellen weisen eine groûe ultrastrukturelle
¾hnlichkeit zu Skelettmuskelfasern auf, auch wenn Letztere
als zelluläre Fusionsprodukte eine viel gröûere Längenausdehnung haben. Insbesondere ist der sarkomerische Myofibrillenapparat grundsätzlich so aufgebaut, wie in Abschn.
B-19.1 beschrieben. Die Muskulatur des Arbeitsmyokards besteht aus sehr groûen Einzelzellen (Abb. 6-5 a, b). Zellen des
ventrikulären und atrialen Arbeitsmyokards sind grundsätzlich sehr ähnlich aufgebaut, wobei die Muskelzellen der Vorhöfe allerdings schlanker und länger als die der Ventrikel
sind. Das Zellinnere (Abb. 6-5 c) ist zu 85 % mit Myofibrillen
Kapillarlumen
Erythrocyten
in Kapillaren
A
l l l Das Arbeitsmyokard besteht aus
quergestreiften Muskelzellen, die
Organellen der Energieproduktion
(Mitochondrien), der Calciumregulation
(sarkoplasmatisches Reticulum) und einen
sarkomerischen Kontraktionsapparat
enthalten
Erythrocyt
Zellkern
(Fibrocyt)
pp
p
Elektrische Eigenschaften
und zelluläre Funktionen
des Arbeitsmyokards
Nexus
Sarkolemm
sarkoplasmatisches
Reticulum
Glanzstreifen
Glanzstreifen
a
Sarkomer
A-Bande I-Bande
T-Tubulus
Kern
146
M-Linie
Z-Linie
Mitochondrien
Glanzstreifen
b
c
Abb. 6-5. (a) Lichtmikroskopische Darstellung der zellulären
Struktur des Herzmuskels. Die Einzelzellen bilden untereinander
ein enges Netzwerk, die strukturelle Basis des funktionellen Syncytiums. Bild von Prof. Minuth, Regensburg. (b) Schematische
Darstellung der Vernetzung von Herzmuskelzellen. (c) Schematische Darstellung der Ultrastruktur des Myokards (nach elektronenmikroskopischen Aufnahmen). Nach Berne RM, Levy MN.
Physiology. 2. Aufl. Mosby, St. Louis (1988)
Kapitel C-6 Herz
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BC
und Mitochondrien ausgefüllt. Letztere stellen unter Sauerstoffverbrauch das ATP für die Kontraktion der Myofibrillen
bereit (Abschn. B-19.3). Die Zellmembran der Herzmuskelzelle, das Sarkolemm, umhüllt die Zelle nicht nur, sondern
verästelt sich auch in Form kleiner Kanälchen (T-Tubuli) in
den Zellkörper. Die Oberfläche der T-Tubuli steht in engem
räumlichen Kontakt mit den Endstücken eines intrazellulären
tubulären Kanälchensystems, dem sarkoplasmatischen Reticulum (Abschn. B-19.3). Das sarkoplasmatische Reticulum
stellt einen groûen intrazellulären Speicher für Ca2+-Ionen
dar. Der enge räumliche Kontakt mit den T-Tubuli ist mit einer funktionellen Kopplung verbunden, da Erregung der
Zellmembran im Bereich der T-Tubuli zu einer Freisetzung
von Ca2+ aus dem sarkoplasmatischen Reticulum führt (s. u.).
Das so freigesetzte Ca2+ trägt wesentlich zur Kontraktion der
Myofibrillen bei. Die Myofibrillen der Herzmuskelzelle haben
eine Sarkomerenstruktur.
Wie beim Skelettmuskel (Abschn. B-19.3) ist ein Sarkomer
in Herzmuskelzellen aus parallel angeordneten dicken und
dünnen Filamenten aufgebaut. Das häufigste Protein in den
dicken Filamenten ist Myosin, das häufigste der dünnen Filamente Actin. Nach der Gleitfilamenttheorie von H. E. und
A. F. Huxley findet die Kontraktion in Form einer gleitenden
Parallelbewegung von Actin und Myosin statt. Man stellt
sich diese Translationsbewegung modellhaft wie eine Ruderbewegung der Myosinköpfe entlang der Actinfilamente vor.
Der Querbrückenzyklus, der aus dem Andocken des Myosins
am Actin, der Translationsbewegung und dem Loslösen des
Myosins vom Actin besteht, stellt den molekularen Antrieb
mit Myosin als Motor und ATP als Energiequelle dar
(Abschn. B-19.4).
l l l Herzmuskelzellen sind über
Zell-Zell-Verbindungen mechanisch und
funktionell eng gekoppelt. Sie bilden
daher ein funktionelles Syncytium
Zell-Zell-Verbindungen. Herzmuskelzellen sind an ihren Enden durch die so genannten Glanzstreifen (Disci intercalares)
verbunden. Diese Zell-Zell-Verbindungen verdanken ihren
Namen ihrer im polarisierten Licht doppelbrechenden
Membranstruktur. Hier stoûen die Zellenden aufeinander
(Abb. 6-5 a±c). Die Zellenden benachbarter Zellen sind dabei
stufenartig untereinander verzahnt. Besondere Kontaktstrukturen innerhalb der Glanzstreifen sorgen für mechanischen
Zusammenhalt und chemische und elektrische Kommunikation (Abschn. A-18.2). An den Strukturen vom Typ der Fascia adhaerens sind die dünnen Filamente der Myofibrillen
über verschiedene Zwischenproteine am Zellende verankert.
Die Macula adhaerens (Desmosom) stellt eine Verbindung
dar, die durch interzelluläre Kontaktproteine dem mechanischen Zusammenhalt benachbarter Zellen dient. Der funktionellen Kommunikation zwischen benachbarten Zellen dienen
die Gap Junctions (Nexus). Die darin enthaltenen zellverbindenden Connexone (Abschn. A-18.2) zeichnen sich nicht nur
durch hohe elektrische Leitfähigkeit aus, sondern sind auch
für niedermolekulare cytoplasmatische Substanzen durchlässig, z. B. Elektrolyte, Glucose, Lactat etc. Sie ermöglichen damit auch eine metabolische Kopplung von Nachbarzellen.
Durch diese Form von Kopplung bilden über Glanzstreifen
verbundene Herzmuskelzellen ein funktionelles Syncytium.
l l l Die Arbeitsmyokardzellen weisen unerregt
ein stabiles Ruhemembranpotential auf.
Das Aktionspotential der
Arbeitsmyokardzellen ist ± verglichen
mit dem anderer erregbarer Zellen ±
ungewöhnlich lang (200±400 ms)
Ruhepotential. Die Muskelzellen des Arbeitsmyokards sind
elektrisch erregbare Zellen, die aber ohne äuûere Erregung in
einem stabilen Ruhezustand bleiben. Unter diesen Ruhebedingungen ist das Zellinnere gegenüber dem Auûenraum negativ polarisiert, über dem Sarkolemm liegt ein Membranpotential, d. h. eine transmembranäre Spannung, von ca. 90
mV. Diese Spannung kann man messen, indem man eine
Mikroelektrode in das Zellinnere einsticht und eine Differenzmessung gegenüber einer extrazellulären Elektrode
durchführt. Dieses Ruhemembranpotential der Herzmuskelzelle entspricht etwa dem Nernst-Gleichgewichtspotential
für K+. Tatsächlich besitzt das Sarkolemm im Ruhezustand
eine groûe Leitfähigkeit für K+ und nur sehr geringe Leitfähigkeit für andere Ionen. Im ruhenden Herzmuskel sind die
Ionenaktivitäten für das intrazelluläre K+ ca. 140 mmol L±1,
für das extrazelluläre K+ ca. 4 mmol L±1. Beim Einsetzen dieser Werte in die Nernst-Gleichung (Abschn. A-9.2) ergibt sich
für das Kaliumgleichgewichtspotential:
EK ˆ 61 mV 4
ˆ 94 mV
140
Im Ruhezustand wird die Kaliumleitfähigkeit der Arbeitsmyokardzelle durch den so genannten Einwärtsgleichrichter
(iK1) bestimmt, einen Kaliumkanal, der bei Depolarisation
auf Werte positiver als 70 mV schnell inaktiviert wird. Einwärtsgleichrichter nennt man Kaliumkanäle, die um und unterhalb von EK die gröûte Leitfähigkeit aufweisen.
l l l Das Aktionspotential beginnt mit
Aktivierung eines Natriumeinstroms
(schnelle Depolarisation). Daran schlieûen
sich Aktivierungen eines Calciumeinstroms
(Plateauphase) und von
Kaliumausströmen (Repolarisationen) an
Aktionspotential. Wird die Nachbarzelle einer noch ruhenden Zelle elektrisch erregt, führt dies zu kleinen Ladungsverschiebungen zwischen den Oberflächen der beiden Zellen
und, über die Gap Junctions, auch zwischen den Zellinnenräumen, weil sich durch das Aktionspotential an der erregten
Zelle Ladungsveränderungen eingestellt haben. Die kleinen
Ströme zwischen den Nachbarzellen depolarisieren auch die
nicht-erregte Zelle ein wenig. Erreicht die Depolarisation einen Schwellenwert von ca. 70 mV, werden sehr schnell
spannungsabhängige Natriumkanäle geöffnet. Die K+-Einwärtsgleichrichter werden bei diesem Potential bereits inaktiviert. Durch Aktivierung des Natriumeinstroms kommt es zu
einer schnell zunehmenden weiteren Depolarisation (Abb. 6-
6.3 Elektrische Eigenschaften und zelluläre Funktionen des Arbeitsmyokards
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147
+50
Membranpotential (mV)
initiale Spitze (1)
Overshoot
Plateau (2)
0
Aufstrich (0)
Repolarisation (3)
– 50
Ruhepotential
– 100
– 100
0
100
a
200
Zeit [ms]
(4)
300
400
0
i Na
i Ca L
0
i to
0
i Cl
0
iK
0
i K1
0
– 100
0
b
100
200
Zeit [ms]
300
400
Abb. 6-6. Das Aktionspotential der Arbeitsmyokardzelle. (a)
Das Aktionspotential hat 4 Phasen. Phase 0 ist eine schnelle Depolarisation (Aufstrich). Eine teilweise Repolarisation nach dem
Aufstrich bestimmt die folgende Phase 1 (initiale Spitze), die in
Phase 2 (Plateau) übergeht. Die endgültige Repolarisation (Phase
3) führt zurück zum Ruhemembranpotential (Phase 4). (b) Relative Stromstärken der beteiligten Ionenkanäle: iNa ˆ Natriumstrom; iCa L ˆ Calciumstrom (L-Typ); ito ˆ transienter Kaliumauswärtsstrom; iCl ˆ Chloridstrom; ik ˆ verzögerter Gleichrichter;
iK1 ˆ Einwärtsgleichrichter. Die Pfeile geben die technische
Stromrichtung an: ¯ ˆ Einwärtsstrom; ­ ˆ Auswärtsstrom
6). Diese bildet den Aufstrich des Aktionspotentials (Phase 0
des Aktionspotentials). Der Natriumeinstrom heiût wegen
seiner raschen Kinetik auch ¹schneller Natriumeinstromª
(iNa). Da während dieser Phase das Plasmalemm fast nur von
dieser groûen Natriumleitfähigkeit bestimmt wird, strebt das
Membranpotential in Richtung des Natriumgleichgewichtspotentials. Die intrazelluläre Na+-Aktivität liegt bei etwa
10 mmol L±1, die extrazelluläre bei 140 mmol L±1. Daraus errechnet sich nach der Nernst-Gleichung für das Natriumgleichgewichtspotential ein Wert von ‡ 60 mV. Dieser Wert
wird aber beim Aufstrich des Aktionspotentials nicht er148
Kapitel C-6 Herz
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reicht, da die Natriumkanäle spannungsabhängig geschlossen und inaktiviert werden (Abschn. B-1.4, B-1.5). Dieser
Prozess beginnt bei einem Wert von etwa 40 mV und ist
innerhalb von ca. 1 Millisekunde beendet. Das Membranpotential erreicht noch einen leicht positiven Wert von ‡ 20
mV (Overshoot), dann schlieût sich eine frühe partielle Repolarisation an (Phase 1). Für die partielle Repolarisation während dieser initialen Spitze des Aktionspotentials sind ein
weiterer Kaliumausstrom (transienter Auswärtsstrom, ito) sowie ein Cl±-getragener Auswärtsstrom (iCl) verantwortlich.
(Cl±-Ionen flieûen in die Zelle hinein, wegen ihrer negativen
Ladung stellt dies aber elektrisch einen Auswärtsstrom dar!)
Plateauphase und Repolarisation. An die initiale, kurze Repolarisation schlieût sich eine lange Plateauphase (Phase 2)
an, während der das Membranpotential etwa bei 0 mV liegt.
Diese Phase ist durch ein Gleichgewicht zwischen den zuvor
genannten repolarisierenden Strömen und einem Einwärtsstrom bestimmt, dem langsamen Calciumeinstrom (iCa), der
auf der spannungsabhängigen Aktivierung von so genannten L-Typ-Calciumkanälen beruht. Diese Kanäle werden bei
einer Membranspannung oberhalb von ca. 40 mV aktiviert
und haben eine sehr lange Öffnungszeit. Sie bestimmen die
Plateauphase des Membranpotentials für etwa 300 Millisekunden (200±400 ms je nach Herzfrequenz und Lokalisation
der Zellen). Wenn die Calciumkanäle inaktivieren und die
Wirkung repolarisierender Ströme überhand nimmt, beginnt
die letzte Phase des Aktionspotentials (Phase 3), die endgültige Repolarisation. An der Repolarisation sind eine Reihe unterschiedlicher Ströme, vor allen Dingen Kaliumströme beteiligt. Besonders wichtig ist ein so genannter K+-Auswärtsgleichrichter (verzögerter Gleichrichter, iK), der im Gegensatz
zu dem Einwärtsgleichrichter (iK1) erst in der depolarisierten
Zelle und mit zeitlicher Verzögerung aktiviert wird. (Auswärtsgleichrichter nennt man Kaliumströme, die in Auswärtsrichtung, d. h. oberhalb von EK, gröûer sind als in Einwärtsrichtung, d. h. unterhalb von EK). Während der Repolarisationsphase überwiegt damit wiederum die Leitfähigkeit
der Zellmembran für K+. Folglich strebt das Membranpotential wieder dem K+-Gleichgewichtspotential von ca. 90 mV
entgegen. Dabei übernimmt zunehmend wieder der Einwärtsgleichrichter (iK1) die Führung. Dieser bestimmt das
Membranpotential auch nach Ablauf des Aktionspotentials,
d. h. unter elektrischen Ruhebedingungen (Phase 4).
Ionenverschiebungen. Im Verlauf eines Aktionspotentials
kommt es zu Verschiebungen von Na+-, K+-, Cl±- und Ca2+Ionen zwischen Intra- und Extrazellulärraum. Die Mengen
sind aber so klein, dass die transsarkolemmalen Konzentrationsdifferenzen von Na+, K+, Cl± und Ca2+ während eines
einzelnen Erregungszyklus kaum verändert werden. Für eine
langfristige Aufrechterhaltung der Ionenhomöostase müssen
dennoch Na+, Cl± und Ca2+ aus dem Zellinneren wieder heraustransportiert und K+ dem Zellinneren wieder zugeführt
werden. Für Na+ und K+ wird diese Aufgabe durch die Na+K+-ATPase (Natriumpumpe) des Sarkolemms übernommen,
die die beiden Ionen entgegen ihren jeweiligen Konzentrationsgradienten unter Energieaufwand über die Zellmembran
austauscht. Für Cl± ist der Weg des Auswärtstransports nicht
klar. Der durch die Natriumpumpe aufgebaute Na+-Gradient
stellt auch die treibende Kraft für den Na+-Ca2+-Austauscher
(Abschn. A-9.6) dar, der Ca2+ entgegen seinem Konzentrationsgradienten im Austausch gegen Na+ über die Zellmembran aus der Zelle heraustransportiert (s. u.).
l l l Während des Plateaus des
Aktionspotentials ist die
Arbeitsmyokardzelle nicht erneut erregbar
(Refraktärität). Die Länge der Refraktärität
bedingt, dass der Herzmuskel nur
Einzelkontraktionen durchführt
Refraktärperiode. Während der Plateauphase des Aktionspotentials ist die Herzmuskelzelle elektrisch absolut refraktär
(Abb. 6-7 a). Dies bedeutet, dass während dieser Zeit kein
weiteres Aktionspotential ausgelöst werden kann. Die Länge
der Plateauphase ist im Allgemeinen gröûer als die einer Einzelzuckung. Im Herzmuskel kann es deshalb nicht zur Superposition von Einzelzuckungen oder sogar zur Tetanisierung
kommen, was funktionell auch nicht sinnvoll wäre, da die
Ventrikel des Herzens ihre Pumpfunktion nur bei zeitlich abgesetzten Einzelkontraktionen erfüllen können (Abb. 6-7 b).
Die absolute Refraktärphase endet während der Repolarisationsphase bei einem Membranpotential von etwa 40 mV,
weil oberhalb dieses Werts die schnellen Natriumkanäle
durch ihre Spannungsabhängigkeit vollständig inaktiviert
+50
Membranpotential [mV]
Aktionspotential
0
– 50
– 100
0
100
200
300
Zeit [ms]
400
500
a
Aktionspotential
Kontraktion
0
200
Zeit [ms]
b
Abb. 6-7. (a) Refraktärperiode der Arbeitsmyokardzelle. Während der absoluten Refraktärperiode ist auch bei sehr hohen
Reizstärken kein weiteres Aktionspotential auslösbar. Während
der relativen Refraktärperiode sind verkleinerte Aktionspotentiale mit erhöhter Reizstärke auslösbar. (b) Schematischer Vergleich von Aktionspotentialdauer und Kontraktionsdauer im
Herzmuskel
bleiben (Abschn. B-1.5). Repolarisiert die Zelle über diesen
Wert hinaus zu negativeren Potentialen, werden die Natriumkanäle wieder teilweise aktivierbar. Aktionspotentiale
werden dann auch wieder auslösbar; diese haben aber zunächst eine geringere Anstiegssteilheit, sind von kürzerer
Dauer und werden auch zwischen Nachbarzellen nur langsam fortgeleitet (relative Refraktärphase). Während der relativen Refraktärphase ist die Erregbarkeit im Arbeitsmyokard
für kurze Zeit ziemlich inhomogen ausgeprägt. Dieser Umstand begünstigt zusammen mit der reduzierten Erregungsfortleitung die Entstehung von Arrhythmien vom Typ einer
kreisenden Erregung (Abschn. C-6.4).
l l l Das wesentliche Element der
elektromechanischen Kopplung in den
Zellen des Arbeitsmyokards ist die
Calciumfreisetzung aus dem
sarkoplasmatischen Reticulum
Calciummobilisierung. Als elektromechanische Kopplung
bezeichnet man den Signalmechanismus, der in einer Muskelzelle das Aktionspotential mit der Kontraktion verbindet
(Abschn. B-19.5). Wichtigster Signalstoff sind dabei Ca2+-Ionen, die in der ruhenden Zelle nur mit einem Zehntausendstel der extrazellulären Konzentration vorliegen (10±7 mol L±1
im Vergleich zu 10±3 mol L±1). Während der Plateauphase des
Aktionspotentials strömt Ca2+ in das Zellinnere ein (Abb. 68 a). Die eingeströmte Calciummenge ist relativ klein, sie
stellt aber einen Trigger für das nachfolgende Geschehen
dar. Innerhalb der Zelle gibt es einen an den T-Tubuli lokalisierten Verstärkermechanismus für das Calciumsignal. Die TTubuli haben engen Kontakt mit den terminalen Zisternen
des sarkoplasmatischen Reticulums. Zwischen beiden Membranen liegt nur ein enger Spalt. Werden die L-Kanäle in der
Membran der T-Tubuli geöffnet, strömt Ca2+ in diesen Spalt
und erhöht so lokal die Calciumkonzentration. Die angrenzende Membran des sarkoplasmatischen Reticulums enthält
Kanalmoleküle, die sich bei Anstieg der Calciumkonzentration öffnen. Die Kanäle werden Ryanodinrezeptoren genannt, da sie den Hemmstoff Ryanodin spezifisch binden.
Über diese Kanäle wird dann das im sarkoplasmatischen Reticulum in starker Anreicherung gespeicherte Ca2+ freigesetzt
(sog. calciuminduzierte Calciumfreisetzung). Das so freigesetzte Ca2+ trägt 75 % oder mehr zum Anstieg der cytosolischen Calciumkonzentration in der erregten Myokardzelle
bei.
Adrenerge Modulation der Calciumfreisetzung. Überträgerstoffe des Sympathikus (Noradrenalin aus den sympathischen Nervenendigungen im Herzen, Adrenalin aus dem
sympathisch stimulierten Nebennierenmark) stimulieren b1Adrenorezeptoren im Sarkolemm der Herzmuskelzellen (Abb.
6-8 b). Dies führt ± vermittelt durch stimulatorische G-Proteine ± zu einer Aktivierung der membranständigen Adenylatcyclase. Es wird vermehrt zyklisches AMP (cAMP) gebildet, das die Protein-Kinase A (PKA) aktiviert. PKA phosphoryliert verschiedene funktionell wichtige Proteine der Herzmuskelzelle. Phosphorylierung des L-Kanals erhöht dessen
Offenwahrscheinlichkeit und damit den Calciumstrom wäh-
6.3 Elektrische Eigenschaften und zelluläre Funktionen des Arbeitsmyokards
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149
Myofibrillen
SR
SR
bR
ATP
G
Sarkolemm
cAMP
Calciumpumpe
Troponin I
2+
2+
Ca
Ca2+
Calciumkanal
Troponin C
Na - Ca Austauscher
Kontraktion
Adrenalin
Noradrenalin
PKA
SR
2+
Ca - Freisetzungskanal
Troponin C
+
cAMP
PKA
P
Na+
AC
Sarkolemm
Calciumkanal
2+
Ca
P
T-Tubulus
Ca2+
cAMP
Ca
2+
Ca2+-
Aktionspotential
PKA
Freisetzungskanal
P
Ca2+
PL
SR-Terminalzisterne
Calciumpumpe
a
Abb. 6-8. (a) Schema der elektromechanischen Kopplung. (b)
¾nderung in der elektromechanischen Kopplung bei Stimulation
myokardialer b-Adrenorezeptoren (bR) durch Adrenalin oder
Noradrenalin. Rezeptorstimulation aktiviert über stimulatorische
G-Proteine (G) die Adenylatcyclase (AC). An der AC wird zyklisches AMP (cAMP) gebildet, das die Protein-Kinase A (PKA) ak-
tiviert. Die PKA phosphoryliert den L-Typ-Calciumkanal und aktiviert ihn damit. Die PKA phosphoryliert auch Troponin I, was
die Affinität von Troponin C für Ca2+ herabsetzt. Als weiteres
Zielprotein phosphoryliert die PKA Phospholamban (PL). Dadurch wird die Calciumpumpe des SR aktiviert, denn PL hemmt
im unphosphorylierten Zustand deren Aktivität
rend der Plateauphase des Aktionspotentials. Erhöhter Calciumeinstrom bewirkt sekundär auch eine erhöhte Calciumfreisetzung aus dem sarkoplasmatischen Reticulum. Die Ansprechbarkeit der Ryanodinrezeptoren durch cytoplasmatisches Ca2+ wird ebenfalls durch eine PKA-vermittelte Proteinphosphorylierung erhöht (Effekte der PKA auf die sarkoplasmatische Calciumrückspeicherung s. u.).
Affinität von Troponin C für Ca2+ und reduziert somit die
Calciumsensitivität der Myofibrillen. Deshalb ist bei Stimulation des Sympathikus die Calciumsensitivität des kardialen
kontraktilen Apparats reduziert. Dass dennoch unter Sympathikusstimulation eine gröûere Kraftentwicklung auftritt,
liegt an dem deutlich vergröûerten Calciumeinstrom (s. o.).
Elektromechanische Kopplung. Durch Freisetzung von Ca2+
aus dem sarkoplasmatischen Reticulum steigt die cytosolische freie Calciumkonzentration von einem Ruhewert von
10±7 mol L±1 in der erregten Myokardzelle auf maximal etwa
10±5 mol L±1 an. Dieser Anstieg erfolgt relativ gleichmäûig
im Cytosol und aktiviert den kontraktilen Apparat. Ca2+ bindet dort an das Regulatorprotein Troponin C, das mit Actin
assoziiert in den dünnen Filamenten vorliegt. Troponin C bildet zusammen mit Troponin I, Troponin T und Tropomyosin
einen kooperativen Komplex. Solange Troponin C kein Ca2+
gebunden hat, verhindert die Lage des Tropomyosins die
Ausbildung einer Querbrücke zwischen Myosin und Actin. Es
wirkt also gewissermaûen als Bremsklotz. In Gegenwart von
Ca2+ kommt es zu Konformationsänderungen in diesem Molekülkomplex, wodurch Tropomyosin so verlagert wird, dass
Myosin an Actin binden kann. Dadurch werden Querbrückenzyklen ermöglicht, die den molekularen Motormechanismus der Muskelkontraktion darstellen (Abschn. B-19.6).
Phosphorylierung von Troponin I durch PKA vermindert die
150
b
Kapitel C-6 Herz
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Box 6-2.
Künstlicher Herzstillstand
Bei chirurgischen Eingriffen am Herzen ist es häufig notwendig, das Herz mechanisch still zu stellen, um dann störungsfrei operieren zu können. Die Funktion von Herz und
Lunge muss dann von einer Herz-Lungen-Maschine übernommen werden, die das zentralvenöse Blut ansaugt, mit
Sauerstoff anreichert und in den groûen Kreislauf pumpt.
Neben der Stillstellung des Herzens ist es bei Herzoperationen häufig auch unvermeidlich, dass die Koronardurchblutung unterbrochen und so das Myokard ischämisch wird. Für
die Stillstellung des Herzens (Kardioplegie) und als Ischämieschutz werden nach Anschluss der Herz-Lungen-Maschine
so genannte kardioplegische (myokardprotektive) Lösungen
ins Herz perfundiert, die die elektromechanische Kopplung
unterbrechen und den Energiebedarf des Herzens senken. Zu
den Wirkprinzipien dieser Lösungen gehört es, die Kardiomyocyten durch Erhöhung der extrazellulären Kaliumkonzentration zu depolarisieren, um eine elektrische Refraktärität zu erreichen, und das konktraktionsauslösende Ca2+ aus
dem Extrazellulärraum auszuwaschen.
Diese Kraftsteigerung, die von der Vordehnung des Herzmuskels unabhängig ist, nennt man positive Inotropie.
rung des schnellen Natriumeinstroms initiiert. Es enthält eine Plateauphase, getragen
vom langsamen Calciumeinstrom und eine
abschlieûende Repolarisationsphase, bestimmt durch Kaliumausströme. Während
des Aktionspotentials ist die Zelle ca. 300 ms
lang elektrisch refraktär. Die lange Refraktärzeit bedingt, dass der Herzmuskel nur
Einzelzuckungen ausführt. Der Calciumeinstrom ins Zellinnere während der Plateauphase des Aktionspotentials triggert die
Freisetzung einer groûen Calciummenge aus
dem sarkoplasmatischen Reticulum ins Cytosol. Wenn Ca2+ an das Troponin C der dünnen Kontraktionsfilamente bindet, wird der
Kontakt zwischen Myosin und Actin ermöglicht und damit der Kontraktionsvorgang initiiert. Aktive Rückspeicherung von Ca2+ in
das sarkoplasmatische Reticulum beendet
die kontraktile Aktivierung. Stimulation der
myokardialen b-Rezeptoren (Sympathikuseffekt) erhöht den Calciumeinstrom und dadurch die Calciumfreisetzung aus dem sarkoplasmatischen Reticulum. Dies führt zu einer Kontraktionskraftsteigerung. Die resultierende Kontraktion ist aber wegen der beschleunigten Calciumrückspeicherung auch
verkürzt.
l l l Die Geschwindigkeit der
Calciumrückspeicherung in das
sarkoplasmatische Reticulum bestimmt
vor allem die Geschwindigkeit
der Relaxation des Herzmuskels
Der Aufbau einer hohen cytosolischen Calciumkonzentration
am Anfang eines Kontraktionszyklus erfolgt sehr schnell, da
es sich hier im Wesentlichen um Diffusionsprozesse entlang
von groûen Konzentrationsgradienten handelt. In der nachfolgenden Entspannungsphase der Herzmuskelzelle muss das
Ca2+ wieder aktiv entgegen einem Konzentrationsgradienten
in den Extrazellulärraum und zum gröûten Teil wieder in seinen zentralen Speicher, das sarkoplasmatische Reticulum,
zurückgepumpt werden. Das von extrazellulär eingeströmte
Ca2+ wird hauptsächlich über den Na+-Ca2+-Austauscher, in
geringerem Maûe auch über die Ca2+-ATPase (Calciumpumpe) des Sarkolemms hinaustransportiert.
Die Rückführung in das sarkoplasmatische Reticulum erfolgt über Calciumpumpen (Ca2+-ATPase des sarkoplasmatischen Reticulums, sog. SERCA), die in hoher Dichte in der
Membran des sarkoplasmatischen Reticulums vorliegen. Dieser energieaufwendige Vorgang ist vergleichsweise langsam.
Die Pumpen werden durch das Ansteigen des cytosolischen
Ca2+ aktiviert. Sie bestimmen die Nettorichtung der cytosolischen Calciumbewegung allerdings erst dann, wenn die
schnelle Entspeicherung des sarkoplasmatischen Reticulums
beendet ist. Durch Absenken der cytosolischen Calciumkonzentration auf 10±7 mol L±1 löst sich Ca2+ aus seiner Bindung
an Troponin C. Als Folge tritt Tropomyosin wieder in seine
blockierende Position zwischen Actin und Myosin, und der
Myofibrillenapparat relaxiert. Die Aktivität der SERCA wird
durch das Regulatorprotein Phospholamban reguliert. Dieses
stellt einen natürlichen Inhibitor der Pumpe dar, der durch
Phosphorylierung inaktiviert wird. Eine solche Phosphorylierung tritt z. B. auf, wenn unter b-Adrenorezeptorstimulation
(Sympathikus) die Protein-Kinase A der Herzmuskelzelle aktiviert wird. Deshalb ist bei Stimulation des Sympathikus die
Relaxation des Herzmuskels beschleunigt. Diesen Effekt
nennt man auch positive Lusitropie.
é
Herzmuskelzellen enthalten den kontraktilen Apparat der quergestreiften Muskulatur,
d. h. Actin und Myosin in Sarkomerenstruktur. T-Tubuli des Sarkolemms und das eng
assoziierte intrazelluläre sarkoplasmatische
Reticulum bilden einen Membranapparat,
der die cytosolische Calciumkonzentration
reguliert. Gap Junctions zwischen Nachbarzellen koppeln diese elektrisch und metabolisch. Dadurch wird das Arbeitsmyokard ein
funktionelles Syncytium. In Ruhe haben die
Arbeitsmyokardzellen ein Membranpotential von ca. 90 mV, nahe dem Gleichgewichtspotential für K+. Ein Aktionspotential
wird durch spannungsabhängige Aktivie-
6.4
Struktur und Funktion
des Erregungsbildungs- und
Erregungsleitungssystems
A
PH
l l l Gruppen von speziellen Muskelzellen
bilden im rechten Vorhof und den
Ventrikeln die Strukturen für
Erregungsbildung und Erregungsleitung
Strukturen. Die Muskulatur von Vorhöfen und Ventrikeln
des Herzens kontrahiert sich rhythmisch. Diese Kontraktionen sind auch dann zu beobachten, wenn das Herz, z. B. bei
einer Herztransplantation nach Entnahme aus dem Spender,
völlig denerviert ist. Die rhythmischen Kontraktionen beruhen darauf, dass spontane Schrittmacher das Herz in einen
geordneten Kontraktionsablauf versetzen. Neuronale und
humorale Einflüsse können die autonome Grundaktivität
dieses Schrittmachersystems modulieren. Die an diesem Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystem beteiligten
Zellen sind spezielle Muskelzellen, die sich von den Arbeitsmuskelzellen des Kraft entwickelnden Myokards (s. u.) abgrenzen lassen. Die Herzmuskelzellen des ventrikulären Erregungsleitungssystems besitzen deutlich weniger T-Tubuli,
kontraktile Elemente und Mitochondrien als die Zellen des
Arbeitsmyokards (Abschn. C-6.3). Sie enthalten dafür viel
Glycogen und Enzyme des anaeroben Energiestoffwechsels.
Die Zellen des ventrikulären Erregungsleitungssystems sind
breiter und voluminöser als die Zellen der Arbeitsmuskula-
6.4 Struktur und Funktion des Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystems
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p
p
151
Sinusknoten
Bündel (Truncus fasciculi atrioventricularis), das diese Bindegewebsbarriere durchdringt und die Erregung vom AVKnoten in die Herzkammern weiterleitet. Es verläuft im Ventrikelseptum zunächst auf der rechten Seite herzspitzenwärts
und verzweigt sich bald in einen rechten und einen linken
Schenkel (Kammerschenkel, Tawara-Schenkel, Crus dextrum,
Crus sinistrum). Der linke Schenkel teilt sich in ein vorderes
und ein hinteres Hauptbündel. Die Enden dieser Verzweigungen des His-Bündels gehen in netzartige Ausläufer über, die
so genannten Purkinje-Fasern. Über diese Ausläufer wird die
Erregung fein verteilt auf die Innenschicht der Ventrikelmuskulatur übertragen. Im Ventrikel wird die Erregung dann
durch die Arbeitsmuskelzellen selbst fortgeleitet. Die Papillarmuskeln werden über Ausläufer der Kammerschenkel als
erste erreicht und kontrahieren deshalb auch vor der übrigen
Kammermuskulatur. Dadurch werden die Segelklappen zu
Beginn der Systole fest verschlossen (s. u.).
AV-Knoten
His-Bündel
linker
Kammerschenkel
rechter Vorhof
hinterer Ast
rechter
Kammerschenkel
vorderer Ast
Purkinje-Fasern
a
60
Vorhöfe
60
AV-Knoten
His-Bündel
20
Ausbreitungszeit [ms]
Sinusknoten
Kammer-Schenkel
Purkinje-Fasern
60
Ventrikel
0
200
400
600
Zeit [ms]
b
Abb. 6-9. (a) Schematische Darstellung des Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystems. Die Pfeile zeigen die bevorzugten Verlaufsrichtungen der Erregung über das Vorhofmyokard an. Nach Antoni H. Electrophysiology of the heart at a
single cell level and cardiac rhythmogenesis. In Greger R, Windhorst U (Hrsg.) Comprehensive Human Physiology. Band 2.
Springer Verlag, Berlin (1996). (b) Fortleitung von Aktionspotentialen im Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystem.
Bitte beachten Sie, dass das Aktionspotential des AV-Knotens
dem des Sinusknotens ähnelt
tur, was zur schnellen Erregungsleitung dieser Strukturen
beiträgt. Noch geringer ist die Ausstattung mit kontraktilen
Elementen in den Schrittmacherzellen von Sinusknoten und
Atrioventrikularknoten. Der Sinusknoten (Nodus sinuatrialis)
besteht aus einigen Hundert Zellen und ist an der Innenseite
der hinteren Wand des rechten Vorhofs lokalisiert (Abb. 69 a). Die von ihm ausgehende Erregung (Aktionspotential)
wird über die Vorhofmuskulatur weitergeleitet, von wo sie
den Atrioventrikularknoten (AV-Knoten, Nodus atrioventricularis, Aschoff-Tawara-Knoten) erreicht, der auf der rechten
Seite des Septum interatriale an der Grenze von Vorhof und
Kammer lokalisiert ist. Die bindegewebigen Strukturen der
Ventilebene leiten die Erregung aus den Vorhöfen nicht weiter, da das Bindegewebe Aktionspotentiale nicht bilden und
weiterleiten kann. Am AV-Knoten entspringt ein dünner
Strang spezialisierter Muskelzellen, das so genannte His152
Kapitel C-6 Herz
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Rolle der Gap Junctions. Die Zahl und Funktion von Gap
Junctions (Abschn. A-18.2) zwischen den Zellen des Erregungsleitungssystems und zwischen diesen und Zellen des
Arbeitsmyokards bestimmen ganz wesentlich die Ausbreitung der elektrischen Erregung. Die wichtigsten Strukturelemente einer Gap Junction sind Connexone genannte, die Zellen verbindende Kanälchen, die aus transmembranären Proteinkomplexen (Connexine) zweier Nachbarzellen gemeinsam aufgebaut werden (Abschn. A-18.2). Die Connexone haben eine hohe elektrische Leitfähigkeit und dienen damit der
elektrischen Kopplung benachbarter Zellen. Im Erregungsleitungssystem des menschlichen Herzens sind vor allem die
Connexin-Gene Cx40 und Cx43 exprimiert, im ventrikulären
Arbeitsmyokard sind es vorwiegend Cx43 und Cx45, im Vorhof finden sich alle drei Connexine. Die Zellen des Erregungsleitungssystems sind untereinander mit einer gröûeren
Zahl von Gap Junctions verbunden als mit dem umliegenden
Arbeitsmyokard. Eine Ausnahme bilden die Zellen der Purkinje-Fasern, die direkt der Erregungsübertragung auf die
Arbeitsmyokardzellen dienen. Die Geschwindigkeit der Erregungsausbreitung wird durch die Dichte der Gap Junctions
innerhalb dieser Strukturen mitbestimmt. Kammerschenkel
und Purkinje-Fasern sind bezüglich der Erregungsausbreitung ¹Rennstreckenª. Zwischen den Zellen sind hier besonders viele Gap Junctions ausgebildet.
l l l Schrittmacherzellen bilden
selbstständig Aktionspotentiale.
Autonome Innervation moduliert
diese elektrische Spontanaktivität
Elektrische Automatizität. Die Schrittmacherzellen des Sinusknotens unterscheiden sich von Arbeitsmyokardzellen
dadurch, dass sie kein stabiles Ruhemembranpotential aufweisen, spontan depolarisieren und selbstständig Aktionspotentiale bilden (Abb. 6-10 a). Das maximale negative Potential von Schrittmacherzellen liegt bei etwa 60 mV, d. h.
bei deutlich geringerer Negativität als es dem Ruhemembranpotential in Arbeitsmuskelzellen ( 90 mV) entspricht.
Der bestimmende Kaliumstrom des Ruhemembranpotentials
der Arbeitsmuskelzellen, der Einwärtsgleichrichterstrom
Membranpotential [ mV ]
0
– 60
relative Stromstärke
0
i Ca L
0
i Ca T
if
0
iK
0
0
100
200
300
400
500
600
700
800
Zeit [ ms]
Membranpotential [ mV ]
a
Sympathikus
0
N. vagus
– 20
Schwelle
– 40
– 60
– 80
0
200
400
600
800
1000
Zeit [ ms]
b
Abb. 6-10. (a) Das Aktionspotential der Schrittmacherzellen
des Sinusknotens. Oberste Kurve: Das Aktionspotential weist anfangs einen langsamen Anstieg auf. Es gibt keine Plateauphase.
Nach Repolarisation auf einen tiefsten Wert von 60 mV depolarisiert die Zelle wieder spontan. Die anderen Kurven zeigen die
relativen Stromstärken der beteiligten Ionenkanäle: iCa L ˆ LTyp-Calciumstrom; iCa T ˆ T-Typ-Calciumstrom; if ˆ Schrittmacherstrom; iK ˆ verzögerter Gleichrichter. Die Pfeile geben die
technische Stromrichtung an: ¯ Einwärtsstrom ­ Auswärtsstrom. (b) Veränderung der Spontandepolarisation der Schrittmacherzellen des Sinusknotens unter Stimulation durch den
Sympathikus oder den N. vagus. Überträgerstoffe des Sympathikus (Noradrenalin, Adrenalin) beschleunigen die Spontandepolarisation. Dadurch wird die Schwelle für die Auslösung eines
Aktionspotentials früher als normal erreicht. Der Überträgerstoff
des N. vagus (Acetylcholin) hat eine entgegengesetzte Wirkung.
Als Folge ist die Schrittmacherfrequenz unter Sympathikusstimulation erhöht und unter Vagusstimulation vermindert
(iK1), und der schnelle Natriumstrom (iNa), der in Arbeitsmuskelzellen die schnelle Anfangsphase des Aktionspotentials
trägt, sind funktionell in Schrittmacherzellen unbedeutend.
Ohne den stabilisierenden IK1-Strom depolarisieren die Zellen nach Erreichen von ca. 60 mV langsam spontan. Hier-
an sind mehrere Einwärtsströme beteiligt. Am Anfang der
Depolarisationsphase wird ein unselektiver, hauptsächlich
von Na+ getragener Einwärtsstrom (if, ¹Schrittmacherstromª) aktiviert, der in ventrikulären Arbeitsmuskelzellen
gar nicht vorhanden ist. Auûerdem wird ein besonderer Calciumkanal (T-Kanal) aktiviert, der bereits bei negativeren
Spannungen als der L-Typ geöffnet wird. In Schrittmacherzellen trägt dieser Strom wesentlich zur Spontandepolarisation bei. Erreicht die Spontandepolarisation einen Schwellenwert von etwa 40 mV, wird der langsame Calciumstrom
(L-Typ) aktiviert. Dadurch depolarisiert die Zelle rasch weiter. Der langsame Calciumstrom ist somit Träger der ersten
Phase des Aktionspotentials der Schrittmacherzelle, das
einen Spitzenwert von ‡ 20 mV erreichen kann.
Die Aktivierung des verzögerten Gleichrichters (iK) in der
depolarisierten Zelle leitet dann eine langsame Repolarisation ein, die mit einer Inaktivierung des L-Typ-Calciumstroms verbunden ist. Eine Plateauphase wie in der Arbeitsmuskelzelle fehlt, da es hier nicht zu einem Gleichgewicht
zwischen depolarisierenden und repolarisierenden Strömen
kommt. Der iK deaktiviert bei zunehmend negativen Potentialen. Damit fällt am Ende eines Aktionspotentials die Kaliumleitfähigkeit der Schrittmacherzelle deutlich ab, und die
langsame Spontandepolarisation beginnt erneut.
Nervale Modulation der Schrittmacheraktivität. Die Frequenz der spontan entstehenden Aktionspotentiale in den
Schrittmacherzellen des Sinusknotens ist im Wesentlichen
von der Geschwindigkeit der Spontandepolarisation abhängig. Der Sinusknoten wird sowohl von Fasern des Sympathikus als auch des N. vagus innerviert (Abschn. C-6.10). Bei
Stimulation des N. vagus wird die Depolarisationsgeschwindigkeit deutlich vermindert, bei Stimulation des Sympathikus deutlich erhöht (Abb. 6-10 b). Dies wird durch antagonistische Wirkungen der Überträgerstoffe des N. vagus (Acetylcholin) und des Sympathikus (Noradrenalin, Adrenalin) auf
die Sinusknotenzellen bewirkt. Noradrenalin und Adrenalin
stimulieren b-Adrenorezeptoren an den Sinusknotenzellen.
Vermittelt über stimulatorische G-Proteine führt dies zu einer
Aktivierung der Adenylatcyclase und dadurch zur Bildung
von cAMP. Acetylcholin stimuliert muscarinische Rezeptoren in den Sinusknotenzellen. Dies bewirkt eine durch inhibitorische G-Proteine vermittelte Hemmung der Adenylatcyclase. Der Schrittmacherstrom if wird bei Erhöhung der zellulären cAMP-Konzentration aktiviert, was die Depolarisation
der Zellen beschleunigt. Acetylcholin hat noch einen weiteren Effekt an Schrittmacherzellen. Es aktiviert einen rezeptorgesteuerten Kaliumkanal (Strom iKach; Abschn. A-9.5,
B-1.5), was ebenfalls über ein G-Protein vermittelt wird. Vergröûerung der Kaliumleitfähigkeit verschiebt das Membranpotential der Schrittmacherzellen zu stärker negativen Werten. Dadurch wird das Erreichen der Schwelle für das Aktionspotential verzögert. Die frequenzsteigernde bzw. -senkende Wirkung von Sympathikus und N. vagus nennt man
positive bzw. negative Chronotropie.
Nervale Modulation der Erregungsleitung. Die Schrittmacherzellen des AV-Knotens haben sehr ähnliche elektrische
Eigenschaften wie die Zellen des Sinusknotens. Insbesondere
weisen sie auch ein vom L-Typ-Calciumstrom getragenes
6.4 Struktur und Funktion des Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystems
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153
Aktionspotential auf. Stimulation der AV-Knotenzellen über
den Sympathikus vergröûert den Calciumstrom und damit
die initiale Steilheit des Aktionspotentials. Dieses bedingt
eine schnellere Fortleitung der Erregung, eine so genannte
positive Dromotropie. Stimulation der AV-Knotenzellen über
den N. vagus hat einen gegenteiligen Effekt (negative Dromotropie). Die AV-Knotenzellen besitzen auch den iKachStrom, dessen Aktivierung bei starker Vagusstimulation die
Auslösung eines Aktionspotentials in den AV-Knotenzellen
verhindern und damit eine vollständige Unterbrechung der
Erregungsüberleitung durch den AV-Knoten (AV-Block) auslösen kann. Die Aktionspotentiale des ventrikulären Erregungsleitungssystems ähneln denen der Arbeitsmyokardzellen. Insbesondere bestimmt der schnelle Natriumkanal die
Auslösung auch dieser Aktionspotentiale. Die Zellen des
ventrikulären Erregungsleitungssystems weisen aber auch einen diastolischen Schrittmacherstrom (if) auf, der langsame
Spontandepolarisationen hervorruft. Daher stellen sie potentielle Schrittmacher dar.
Formvariationen kardialer Aktionspotentiale. In einer systematischen Übersicht über die charakteristischen Formen von
Aktionspotentialen in verschiedenen Teilen des Herzens
(Abb. 6-9 b) lassen sich folgende Unterschiede festhalten:
· Zellen des Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystems weisen diastolische Spontandepolarisationen und
eine geringe initiale Anstiegssteilheit des Aktionspotentials auf.
· Arbeitsmyokardzellen der Vorhöfe und der Ventrikel haben ein stabiles diastolisches Ruhemembranpotential, und
das Aktionspotential steigt anfangs sehr steil an; die Aktionspotentiale im Vorhof sind allerdings deutlich kürzer
als im Ventrikel.
· Die Aktionspotentiale in den terminalen Purkinje-Fasern
haben eine besonders lange Plateauphase und damit auch
Refraktärität, so dass sie als ¹Frequenzfilterª für die Erregungsübertragung auf die Ventrikel wirken.
· Im ventrikulären Myokard gibt es ebenfalls groûe Unterschiede in der Dauer von Aktionspotentialen. Die Aktionspotentiale im subendokardialen Myokard sind
manchmal zweimal so lang wie die im subepikardialen
Myokard.
l l l Eine Hierarchie in der spontanen
Erregungsbildung bestimmt die
Erregungsleitung
Erregungsbildung. Unter Normalbedingungen ist der Sinusknoten der bestimmende Taktgeber für die elektrische Automatizität im Herzen: In ihm erfolgt die Spontandepolarisation am schnellsten, und die von ihm ausgehende Erregung
kommt in den tiefer gelegenen Anteilen des Erregungsleitungssystems an, bevor diese die eigene Schwelle für die
spontane Bildung eines Aktionspotentials erreichen. Auf
diese Weise entsteht eine Hierarchie der Schrittmacher (Abb.
6-9 b). Ist die Überleitung zwischen den verschiedenen Anteilen des Erregungsleitungssystems unter pathophysiologischen Bedingungen unterbrochen, lässt sich die Eigenfre154
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quenz dieser Schrittmacher beobachten. Die Eigenfrequenz
des nicht innervierten Sinusknotens liegt bei 60±80 min±1,
die des AV-Knotens bei 40±50 min±1 und die von His-Bündel
und Kammerschenkeln bei 30±40 min±1. Den Sinusknoten
nennt man den primären Schrittmacher, den AV-Knoten den
sekundären Schrittmacher, und eine spontane Erregungsbildung unterhalb des AV-Knotens wird als tertiärer Schrittmacher bezeichnet.
Erregungsleitung. Bei einer normalen Erregung des Herzens
durch den Sinusknoten dauert es etwa 60 ms, bis die Erregung das Vorhofmyokard durchlaufen hat und den AV-Knoten erreicht (Leitungsgeschwindigkeit ca. 0,5 m s±1). Der AVKnoten stellt ein Verzögerungsglied in der Erregungsleitung
dar (ca. 0,1 m s±1), die Überleitung durch den AV-Knoten beträgt wiederum etwa 60 ms. Wegen dieser Verzögerung kann
die Kontraktion des Vorhofs zum Abschluss kommen, bevor
die Erregungswelle das ventrikuläre Myokard zur Kontraktion bringt. Die Strecke vom His-Bündel bis zu den PurkinjeFasern wird sehr schnell durchlaufen, in ca. 20 ms (ca. 1±3
m s±1). Die Ausbreitung der Erregung über die ventrikuläre
Arbeitsmuskulatur braucht wieder ca. 60 ms (ca. 0,5 m s±1).
Dadurch, dass die Erregungsausbreitungszeit im Arbeitsmyokard deutlich kürzer als die Refraktärzeit der Arbeitsmuskelzelle ist, führt die über das Leitungssystem übergeleitete Erregung nur zur einmaligen Aktivierung des Arbeitsmyokards. Die Refraktärzeit der atrialen Herzmuskelzellen beträgt ca. 200 ms, die der ventrikulären Muskelzellen ca. 300
ms. Diesen Zeiten stehen jeweils ca. 60 ms für die Zeit der Erregungsausbreitung in Atrien und Ventrikeln gegenüber.
l l l Störungen des normalen Herzrhythmus
nennt man Arrhythmien.
Sie können in Form von Extrasystolen,
bradykarden oder tachykarden
Rhythmusstörungen vorkommen
Störungen des Herzrhythmus. Zellen des Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystems bilden auch beim Gesunden gelegentlich atypische Einzelerregungen, die man
Extrasystolen nennt, wenn sie eine Ventrikelkontraktion auslösen. Vorübergehende oder anhaltende Störungen des Herzrhythmus unterteilt man in bradykarde (Herzschlag zu langsam) und tachykarde Rhythmusstörungen (Herzschlag zu
schnell). Bradykarde Störungen haben ihre Ursache entweder
in den Schrittmachern oder in der Erregungsausbreitung. Bei
einem starken Vagotonus kommen sogar beide Arten von Ursachen einer Bradykardie zusammen. Störungen der Erregungsausbreitung im Erregungsleitungssystem nennt man
¹Blockª (z. B. AV-Block, Kammerschenkelblock). Tachykarde
Störungen unterteilt man nach der Herzfrequenz in (Kammer- oder Vorhof-) Flattern (200±350 min±1) und Flimmern
(> 350 min±1). Ventrikuläre Tachykardien sind mit einer normalen Pumpfunktion des Herzens nicht vereinbar, da die
Zeiten zur Kammerfüllung und -entleerung zu kurz werden.
Ein flimmernder Ventrikel steht hämodynamisch still.
Folgende Ursachen von Tachyarrhythmien lassen sich unterscheiden:
· Tachyarrhythmien, die durch erhöhte Automatizität ausgelöst werden. Ursache ist in der Regel eine zu hohe automatische Spontanaktivität von Schrittmacherzellen des Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystems. Therapeutisch kommen deshalb Substanzen zum Einsatz, die die
Spontandepolarisation von Schrittmacherzellen verlangsamen und ihr Schwellenpotential für das Entstehen eines
Aktionspotentials erhöhen. Dies sind beides antagonistische
Wirkungen zum Sympathikus. Deshalb stellen b-Blocker,
Antagonisten an den myokardialen b-Adrenorezeptoren,
wirksame Antiarrhythmika dar.
· Tachyarrhythmien, die durch kreisende Erregung ausgelöst
werden. Kreisende Erregung in der Ventrikelmuskulatur kann
entstehen, wenn die Ausbreitung der elektrischen Erregung
in Teilen der Ventrikelmuskulatur verzögert ist, so dass sie
nach Durchlaufen dieses Myokardareals auf bereits wieder
erregbares, d. h. nicht-refraktäres Myokard trifft. Eine Strategie, solche Arrhythmien zu verhindern, besteht darin, die Refraktärzeit des normalen Myokards zu verlängern. Dies lässt
sich z. B. durch Substanzen erreichen, die den repolarisierenden Kaliumstrom des Aktionspotentials hemmen.
· Tachyarrhythmien, die durch getriggerte Aktivität ausgelöst
werden. Wenn die normale Repolarisation am Ende eines Aktionspotentials in Arbeitsmuskelzellen verzögert ist, kann es
zu spontanen Schwankungen des Membranpotentials am Ende oder im Nachlauf des Aktionspotentials kommen, die in
der betroffenen Zelle oder in Nachbarzellen ein erneutes Aktionspotential auslösen. Auf diese Weise können einzelne
oder auch ganze Serien irregulärer Erregungen ausgelöst
werden. Damit wird die gestörte Arbeitsmuskelzelle zu einem
irregulären Schrittmacher. Eine pharmakologische Therapie
dieser Tachyarrhythmien ist schwierig. Das therapeutische
Vorgehen wird sich zunächst darauf konzentrieren, mögliche
Ursachen der Zellstörung (z. B. Elektrolytstörungen, Medikamententoxizität) zu beseitigen.
é
Box 6-3.
Elektrotherapie von Herzrhythmusstörungen
Elektrische Schrittmacher nennt man Geräte, die das Herz
durch abgegebene Stromstöûe erregen, um einen gestörten
Herzrhythmus zu normalisieren. Bei dauerhaft getragenen
Schrittmachern wird normalerweise die kleine elektronische
Steuereinheit subkutan implantiert und der Reiz über eine
transvenöse Elektrode auf das Myokard des rechten Ventrikels übertragen. Bei bradykarden Rhythmusstörungen übernimmt der elektrische Schrittmacher die Rolle des herzeigenen Schrittmachers. Eine elektrische Stimulation des Herzens kann auch Tachyarrhythmien unterbrechen. Die Elektrostimulation erzeugt eine homogene Depolarisation des
Myokards, nach deren Abklingen häufig wieder ein normaler
Erregungsablauf einsetzt. Bei Kammerflattern wird der depolarisierende Strompuls gleichzeitig mit dem EKG-Signal der
Kammererregung (Abschn. C 6-5) appliziert (Kardioversion).
Bei Kammerflimmern ist keine Triggerung durch das EKG
möglich. Dann ist ein gröûerer Stromplus nötig, um eine
möglichst homogene Myokarddepolarisation zu erreichen
(Defibrillation). Bei Patienten mit pharmakologisch nicht beherrschbaren Tachyarrhythmien wird heute häufig ein
schrittmacherartiger Stimulator implantiert, der bei Auftreten von Tachyarrhythmien automatisch einen depolarisierenden Strompuls abgibt (implantierbarer Kardioverterdefibrillator, ICD). In Notfallsituationen kann auch ein ¹Elektroschockª (Defibrillation) über extern angelegte Elektroden
transthorakal appliziert werden.
6.5
Sinusknoten und AV-Knoten im rechten
Vorhof sowie das ventrikuläre Erregungsleitungssystem steuern die elektrische Herzerregung. Schrittmacherzellen bilden spontan Aktionspotentiale (Automatizität). In
Schrittmacherzellen wird das Aktionspotential vom langsamen Calciumstrom getragen,
der schnelle Natriumstrom wird nicht aktiviert (Calciumaktionspotential). Es gibt kein
stabiles Ruhemembranpotential; nach einem Potentialminimum von 60 mV depolarisieren die Zellen spontan wieder. Die Geschwindigkeit der Spontandepolarisation
bestimmt den Eigenrhythmus des Schrittmachers. Sympathikusaktivierung beschleunigt
den Eigenrhythmus durch eine Beschleunigung der Spontandepolarisation, Parasympathikusaktivierung bremst den Eigenrhythmus durch eine entgegengesetzte Wirkung.
Die Erregung des Herzens entsteht normalerweise im Sinusknoten und erreicht über
die Vorhofmuskulatur den Atrioventrikularknoten. Im Ventrikelseptum läuft sie über
das His-Bündel in die Kammerschenkel. Über
die Purkinje-Fasern greift sie auf das Arbeitsmyokard über. Im Erregungsbildungs- und
-leitungssystem gibt es eine durch die Geschwindigkeit der Zellen bestimmte Hierarchie potentieller Schrittmacher. Normalerweise dominiert als schnellster Schrittmacher der Sinusknoten. Die Erregungsausbreitung wird zwischen Vorhöfen und Ventrikeln im AV-Knoten stark verzögert, um deren Kontraktionen zeitlich zu trennen. Die
Zeit für die Erregungsausbreitung in der
Kammermuskulatur ist deutlich kürzer als
deren Refraktärzeit. Dadurch wird jeder Erregungszyklus spontan beendet.
Das Elektrokardiogramm
PH
l l l Die Erregung des Herzmuskels
erzeugt ein veränderliches elektrisches
Feld im Extrazellulärraum.
Dies wird mit dem EKG aufgezeichnet
Ursprung des EKGs. Bei der elektrischen Erregung der Herzmuskelzellen verändert sich deren Membranpotential (transmembranäre Spannung), wenn ein Aktionspotential entsteht.
Um das Membranpotential einer Zelle zu messen, muss man
eine intrazelluläre Ableitung durchführen, bei der eine Ableitungselektrode in das Zellinnere geschoben wird und die
Spannung gegenüber einer extrazellulären Referenzelektrode
bestimmt wird. Bei elektrokardiographischen Aufzeichnungen wird eine grundsätzlich andere Messgröûe erfasst. Hier
werden Veränderungen im Extrazellulärraum oder an der
Körperoberfläche aufgezeichnet, d. h. die Elektroden, zwischen denen eine Spannung registriert wird, liegen extrazel6.5 Das Elektrokardiogramm
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p
155
Spannung
Feld-
+
vektor
elektrische
Feldlinien
+
+
+
+
+
+
+
+
+
Zelle
nicht
erregt
+
+
+
Zelle
erregt
(depolarisiert)
+
+
+
+
+
Gap Junction
+
a
nicht erregt
erregt
Teilvektor
linker Ventrikel
Teilvektor
rechter Ventrikel
Summationsvektor
b
Spannung in Ableitelinie 1
Ableitelinie 1
Spannung
in Ableitelinie 2
Summationsvektor
Ableitelinie 2
c
lulär. Zwischen der elektrokardiographischen und der intrazellulären Ableitung von Erregungsvorgängen im Herzen besteht allerdings ein indirekter Zusammenhang. Bei der Erregung einer Herzmuskelzelle flieûen Kationen, d. h. positive
Ladungen, von der Zelloberfläche in das Zellinnere ab. Dadurch wird die elektrisch erregte Herzmuskelzelle an ihrer
Oberfläche im Vergleich zu einer benachbarten, noch nicht
erregten Zelle relativ negativ geladen. Durch diese Ladungsunterschiede entsteht im extrazellulären Raum ein elektrisches Feld.
156
Abb. 6-11. (a) Entstehung eines elektrischen Dipolfelds im
Extrazellulärraum an der Grenze zwischen einer erregten und
einer nicht-erregten Myokardzelle. Die Auûenseite der erregten
Zelle ist im Vergleich zu einer nicht-erregten Nachbarzelle negativ geladen (unten). Dadurch entsteht auf kurzer Distanz ein
elektrischer Ladungsunterschied im Extrazellulärraum, der sich
vereinfacht als Dipol betrachten lässt (oben). (b) Vektoraddition
von Teilvektoren der elektrischen Herzerregung. Bei Ausbreitung der Erregungsfront über das Ventrikelmyokard kann man
den elektrischen Vektor, der bei Erregung des linken Ventrikels
entsteht, getrennt von dem Vektor für den rechten Ventrikel betrachten. Zusammen ergeben sie nach den Regeln der Vektoraddition von Kräften einen gemeinsamen Summationsvektor
beider Ventrikel. (c) Die Spannung zwischen zwei Messpunkten
(Ableitungslinie) ist proportional zu der senkrechten Projektion
des Summationsfeldstärkevektors auf die jeweilige Ableitungslinie
b
Kapitel C-6 Herz
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l l l Eine Erregungsfront im Myokard bildet
eine Front elementarer Dipole, deren
Feldstärkevektoren sich zu einem
Summationsvektor addieren
Summationsvektor der elektrischen Feldstärke. Betrachtet
man die Oberflächenladung einer erregten Zelle und einer
nicht-erregten Nachbarzelle, so handelt es sich um das elektrische Feld eines Dipols (Abb. 6-11 a, Abschn. A-1.5). Auf
eine Punktladung, die in das elektrische Feld eines Dipols
eingebracht wird, wirkt eine gerichtete Kraft (Kraftvektor),
die so genannte elektrische Feldstärke (Feldstärkevektor).
Der Feldstärkevektor ist auf der räumlichen Verbindungsgeraden zwischen den beiden Ladungen des Dipols am gröûten.
In der Elektrokardiographie wird die Richtung von der negativen zur positiven Ladung positiv gezählt (Pfeilspitze des
Vektors). Der elektrische Feldvektor zwischen einer erregten
und einer nicht-erregten Zelle zeigt deshalb in Richtung der
nicht-erregten Zelle. Die Spannung zwischen zwei Punkten
(Elektroden), die sich im Raumfeld eines solchen elektrischen
Dipols befinden und damit ein elektrisches Potential besitzen, ist proportional zur senkrechten Projektion des elektrischen Feldvektors auf die Verbindungsgerade der beiden
Punkte. Physikalisch synonym zu ¹Spannungª ist der in der
Physiologie gebräuchliche Ausdruck ¹Potentialdifferenzª.
Steht also der Feldstärkevektor senkrecht zur Verbindungsgeraden der beiden Punkte, so besitzen beide das gleiche elektrische
Potential, die Spannung (Potentialdifferenz) ist daher Null. Verläuft der Feldstärkevektor parallel zur Verbindungsgeraden, so
ist die Potentialdifferenz zwischen beiden Punkten maximal.
Allgemein gilt, dass die Spannung zwischen den beiden Punkten
proportional ist zum Produkt aus Feldstärke und dem Cosinus
des Winkels, den die Verbindungsgerade zwischen den Punkten
und der Feldstärkevektor miteinander einschlieûen.
Die Erregung breitet sich über die verschiedenen Strukturen
des Herzens in einer geordneten Welle aus. Dadurch werden
einander seitlich benachbarte Zellen etwa gleichzeitig erregt
und bilden so mit ihren jeweils noch nicht erregten weiteren
Nachbarzellen eine Front nebeneinander liegender Dipole.
Die elektrischen Feldstärkevektoren dieser einzelnen Dipole
addieren sich nach der Vektoraddition von Kräften zu einem
elektrischen Summationsvektor. Dieser ist umso gröûer, je
mehr Myokardzellen in die Erregungsfront eingeschlossen
sind, da dann umso mehr einzelne Dipole in die Summation
eingehen. Nach der Vektoraddition ist der Summationseffekt
dann besonders groû, wenn die Erregungsfront gerade verläuft und so über die gesamte Erregungsfront die Elementarvektoren der einzelnen Dipole alle in die gleiche Richtung
weisen. Deshalb ergibt sich immer dann ein groûer elektrischer Summationsvektor bei der Ausbreitung der elektrischen Erregung, wenn ein groûer Myokardbereich (viele Zellen) mit einer möglichst gradlinig ausgerichteten Erregungsfront erregt wird. Der resultierende Summationsvektor fällt
damit für groûe Strukturen wie die Vorhöfe und Ventrikel
gröûer aus als für die relativ zellarmen Teile des Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystems. Werden zwei
Strukturen gleichzeitig erregt wie der linke und rechte Ventrikel, wird die Erregung des zellreichen linken Ventrikels die
Gesamtrichtung des resultierenden gemeinsamen Summationsvektors sehr viel deutlicher bestimmen als die gleichzeitige Erregung des zellarmen rechten Ventrikels (Abb. 6-11 b).
Störungen der Erregungsausbreitung, z. B. in Narbenoder Ischämiearealen, verhindern die Erregungsausbreitung
in einer gradlinigen Front. Deshalb kommt bei Erregung solcher geschädigten Gewebsanteile meist nur ein kleinerer
Summationsvektor als normalerweise zustande. Die zeitliche
Koinzidenz von vollständig erregten Vorhöfen und noch unerregten Ventrikeln erzeugt nicht das elektrische Feld eines
Dipols, da die Ladungsunterschiede in Vorhöfen und Ventrikeln durch die bindegewebige Ventilebene elektrisch voneinander isoliert sind.
l l l In EKG-Ableitungen werden verschiedene
Projektionen des elektrischen
Summationsvektors des erregten Herzens
auf die Körperoberfläche in Form von
Spannungsmessungen registriert
Projektionen des elektrischen Summationsvektors. Zu jedem
Zeitpunkt der Erregungsausbreitung und -rückbildung geht
vom Herzen ein elektrischer Summationsvektor aus, dessen
Richtung und Gröûe im dreidimensionalen Raum zeitlich variiert. Die für die Routine-Elektrokardiographie gebräuchlichen Konfigurationen von Ableitungselektroden greifen
dieses räumlich veränderliche elektrische Feld entweder in
der Frontalebene oder in der Horizontalebene ab. Mit den
Ableitungselektroden wird die Spannung zwischen den jeweiligen Ableitungspunkten gemessen. Diese Spannung ist
proportional zur Projektion des dreidimensionalen elektrischen Summationsvektors auf die Verbindungslinie zwischen den Ableitungspunkten (s. o., Abb. 6-11 c). Planar angeordnete Elektrodenkonfigurationen können nur die Projektionen des dreidimensionalen Vektors in der jeweiligen
Ableitungsebene registrieren. Da die verschiedenen EKG-Ableitungen nur verschiedene Projektionen des gleichen veränderlichen dreidimensionalen Summationsvektors darstellen,
enthalten sie zeitgleiche Anteile, die der Erregung der Vorhöfe, der Ventrikel und der Repolarisation des Herzens entsprechen.
l l l Im EKG-Signal kann man die Erregung
von Vorhöfen und Kammern und deren
zeitliche Kopplung differenzieren
EKG-Signal. Im EKG-Signal (Abb. 6-12 a) eines normalen Erregungsablaufs unterscheidet man rein formal folgende Abschnitte: Ausschläge von der Nulllinie in Form von Wellen
oder Zacken und Abschnitte der Nulllinie zwischen benachbarten Wellen oder Zacken, die Strecken genannt werden.
Zeitliche Abschnitte, die Wellen oder Zacken und Strecken
zusammenfassen, nennt man Intervalle. Die Nulllinie nennt
man auch ¹die Isoelektrischeª. Im EKG wird die elektrische
Erregung des Herzens als erstes in der P-Welle sichtbar, die
durch Erregung der Vorhöfe zustande kommt. Da nur während der Erregungsausbreitung ein signifikanter elektrischer
Feldvektor zustande kommt, wird nach vollständiger Erregung des Vorhofs die Nulllinie wieder erreicht und es schlieût
sich die PQ-Strecke an. Während der Zeit der PQ-Strecke
durchläuft die Erregung den AV-Knoten und das His-Bündel.
Ein Übergreifen der Erregung auf Teile des Septums führt zur
Q-Zacke. Der normale Erregungsaufbau in der Ventrikelmuskulatur drückt sich in Form von drei aufeinander folgenden
Zacken im EKG aus (Q, R und S). Das unterschiedliche Vorzeichen dieser drei Zacken ist darin begründet, dass die Richtung des elektrischen Summationsvektors bei der Ventrikelerregung mehrfach seine räumliche Orientierung wechselt.
Die Q-Zacke spiegelt wider, dass zu Beginn der Erregungsausbreitung Teile des Septums in Richtung zur Herzbasis erregt werden. Wird die Masse der Ventrikelmuskulatur erregt,
erfolgt dies von den Innenschichten zu den Auûenschichten.
Der Summationsvektor weist im Normalfall zunächst in
Richtung der Herzspitze (R-Zacke), am Ende kurzzeitig in
Richtung der Herzbasis (S-Zacke). Ist der gesamte Ventrikel
elektrisch erregt, wird der elektrische Summationsvektor
wiederum Null und das EKG-Signal verläuft auf der isoelektrischen Linie. Dieser folgende Abschnitt heiût ST-Strecke.
Eine Erregungsfront im Ventrikelmyokard entsteht erst
wieder bei der Rückbildung der Erregung, bedingt durch die
Repolarisation der Einzelzellen. Diese Rückbildung verläuft
ebenfalls in einer recht geordneten Weise. Die Zellen, die als
letzte erregt wurden, haben in der Regel die kürzesten Aktionspotentiale, d. h. sie repolarisieren als erste. Das liegt an
Unterschieden in der Expression der beteiligten Ionenkanäle.
Die Rückbildung der Erregung beginnt in den Auûenschichten des Myokards und läuft auf die Innenschichten zu. Es
entsteht die T-Welle. In den meisten Ableitungen hat die TWelle das gleiche Vorzeichen wie die R-Zacke, was darauf
zurückzuführen ist, dass der Weg der Repolarisation ungefähr den Weg des Erregungsaufbaus zurückverfolgt. Manchmal wird nach der T-Welle noch eine weitere Auslenkung
(U-Welle) registriert, deren Entstehung der Repolarisation in
den Purkinje-Fasern zugeschrieben wird. Es ist zu beachten,
dass bei Störungen der Erregungsausbreitung in den Ventrikeln die Hauptausbreitungsrichtung der Erregung verändert
sein kann, so dass Q- bzw. S- Zacken deutlich gröûer als die
zugehörige R-Zacke werden können.
6.5 Das Elektrokardiogramm
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157
U-Welle
inkonstant
T-Welle
ST-Strecke
QRS-Gruppe
PQ-Strecke
P-Welle
Abb. 6-12. (a) Nomenklatur und Zeitdauer der Abschnitte des
EKG-Signals. Gezeigt ist eine Registrierung, wie sie typischerweise in Ableitung II nach Einthoven auftritt. (b) Elektrodenschaltung und exemplarische Ableitungen I, II, III nach Einthoven. (c) Elektrodenschaltung und exemplarische Ableitungen
aVR, aVL, aVF nach Goldberger. (d) Brustwandableitungen und
exemplarische Ableitung V1±V6 nach Wilson
b
R
l l l Die verschiedenen Standard-EKGAbleitungen repräsentieren
Teilprojektionen des dreidimensionalen
elektrischen Feldvektors in der Frontaloder Horizontalebene des Körpers
T
(U)
P
Q
S
< 0,1 s
< 0,1 s
QT-Intervall
frequenzabhängig
bei 70 min–1 0,32–0,39 s
PQ-Intervall
< 0,2 s
a
Ableitungen nach Einthoven
I
I
II
III
II
III
b
Ableitungen nach Goldberger
aVR
R
L
aVL
aVF
F
aVR
aVL
aVF
Ableitungen nach Wilson
c
V1
V2
V3
V4
V1
V2
V5
V3
V4
V5
V6
Medioklavikularlinie
V6
d
158
Kapitel C-6 Herz
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100 ms
Ableitung nach Einthoven (Abb. 6-12 b). Dabei wird die
Spannung zwischen je zwei Elektroden bestimmt, die an drei
Extremitäten angelegt werden (Ableitung I: linker gegen
rechten Arm; Ableitung II: linkes Bein gegen rechten Arm;
Ableitung III: linkes Bein gegen linken Arm). Zum Verständnis dieser Ableitungsformen kann man sich die Extremitäten
als elektrolytgefüllte Leiter vorstellen, die die Konfiguration
des elektrischen Felds von drei Eckpunkten des Rumpfs (oben
rechts, oben links, unten) auf die Ableitungspunkte übertragen, an denen die Elektroden angebracht sind. Noch weiter
vereinfacht definieren diese Eckpunkte ein gleichseitiges
Dreieck, das so genannte Einthoven-Dreieck (Abb. 6-13 a), in
der Frontalebene des Körpers. In den Ableitungen I, II und III
werden die jeweiligen linearen Projektionen der Bewegung
des elektrischen Summationsvektors in der durch das Dreieck
definierten frontalen Ableitungsebene des Körpers bestimmt.
Am rechten Bein wird bei dieser Ableitungsform und den im
Folgenden genannten Ableitungen eine Erdungselektrode
am Körper angelegt, die nicht der Registrierung dient.
Ableitung nach Goldberger (Abb. 6-12 c). Bei dieser Ableitungsform wird die Spannung zwischen jeweils einem Eckpunkt des Einthoven-Dreiecks und der Zusammenschaltung
der zwei anderen Eckpunkte bestimmt (sog. pseudounipolare
Ableitungen). Durch den Zusammenschluss wird ein virtueller zweiter Ableitungspunkt in der Mitte des Dreieckschenkels gebildet, der dem abgeleiteten Eckpunkt gegenüberliegt.
Damit ergeben sich wiederum lineare Projektionen für den
elektrischen Summationsvektor in der Frontalebene. Die Projektionsrichtungen, die durch die Goldberger-Ableitungen
definiert werden, kann man sich als Winkelhalbierende im
Einthoven-Dreieck vorstellen, wobei ein elektrischer Summationsvektor, der auf die jeweilige Extremität zuläuft, in
der dazugehörigen Ableitung einen positiven Ausschlag gibt
(Abb. 6-13 b). Dies hat zur Namensgebung des Ableitungstyps geführt. Sie werden als aVR (Ableitung vom rechten
Arm), aVL (Ableitung vom linken Arm) und aVF (Ableitung
vom linken Fuû) bezeichnet, wobei ¹aVª für ¹augmented voltageª (verstärkte Spannung) steht. Die Verstärkung besteht
dabei in der speziellen Elektrodenverschaltung, durch die die
jeweilige Spannung um den Faktor 1,5 gröûer wird als bei
einer Messung gegen eine echte Nullelektrode als Bezugselektrode.
Einthoven
Goldberger
aVR
aVL
I
II
III
a
aVF
b
Cabrera-Kreis
–90°
–120°
–60°
aVL
aVR
–30°
–150°
+180°
0°
+30°
+150°
Linkstyp
I
– aVR
+ 60°
+120°
III
Rechtstyp
Horizontaltyp
+ 90°
II
aVF
Normaltyp
Steiltyp
c
Abb. 6-13. (a) Darstellung der Projektionen der Einthoven-Ableitungen als Einthoven-Dreieck. (b) Darstellung der Projektionen
der Goldberger-Ableitungen als Winkelhalbierende im Einthoven-Dreieck. (c) Polarographische Darstellung der Extremitätenableitungen (Cabrera-Kreis). Den Ableitungsrichtungen werden Winkel der Abweichung von der Horizontalen zugeordnet
Cabrera-Kreis. In der Frontalebene ergeben die sechs einzelnen Ableitungen nach Einthoven und Goldberger Informationen über sechs Richtungsprojektionen des elektrischen
Summationsvektors in dieser Ebene. Man kann die sechs Ableitungsrichtungen parallelverschoben auch in einem gemeinsamen Mittelpunkt zusammenfassen. Dann ergibt sich
ein Polarogramm mit einer Unterteilung in Winkel von 30,
der so genannte Cabrera-Kreis (Abb. 6-13 c). Viele Sechskanal-EKG-Geräte besitzen eine Funktion, in der die Ableitungen nach Einthoven und Goldberger dem Cabrera-Kreis im
Uhrzeigersinn folgend aufgezeichnet werden. Den Ableitungen wird dabei eine Winkelabweichung von der Horizontalen
(I) zugeordnet. Diese Zuordnung sieht dann wie folgt aus:
30 ˆ aVL; 0 ˆ I; ‡ 30 ˆ aVR; ‡ 60 ˆ II; ‡ 90 ˆ aVF;
‡ 120 ˆ III. Die Richtung des maximalen elektrischen Summationsvektors nennt man elektrische Herzachse. Wenn das
Maximum des elektrischen Summationsvektors in einen dieser Winkelbereiche fällt, ist dies dadurch erkennbar, dass auf
den jeweils benachbarten Ableitungen die gröûten QRS-Zacken auftreten. Den Winkelbereich, auf dem sich die elektrische Herzachse in der Frontalebene projiziert, charakterisiert
man auch durch so genannte Lagetypen (Abb. 6-13 c). Die
elektrische Herzachse wird ganz wesentlich von der Masse
des zu erregenden Ventrikelmyokards und der relativen Lage
des Herzens im Körper bestimmt. Die Bestimmung des Lagetyps ist deshalb ein wichtiger diagnostischer Parameter der
EKG-Analyse. Am häufigsten findet man bei jungen Herzgesunden einen so genannten Normal- oder Indifferenztyp (30
bis 60). Eine Linksherzhypertrophie kann z. B. Ursache für
einen Horizontaltyp (0 bis 30) bzw. Linkstyp ( 30 bis 0)
sein. Ein Linkstyp kann auch physiologischerweise in der
Schwangerschaft entstehen, wenn bei hochgestelltem
Zwerchfell das Herz angehoben wird. Ein Steiltyp (60 bis
90) oder Rechtstyp (90 bis 120) kann Folge einer Rechtsherzhypertrophie sein. Es gibt auch pathologische Lagetypen
(überdrehter Linkstyp, überdrehter Rechtstyp), bei denen die
gröûten R-Zacken im Winkelbereichen < 30o oder > 120o
auftreten.
Ableitung nach Wilson. Da sich der elektrische Summationsvektor im Raum bewegt, werden weitere Ableitungen gebraucht, um seine Projektion in der Horizontalebene zu registrieren. Die hierfür verwendeten Brustwandableitungen
nach Wilson (Abb. 6-12 d) sind unipolar. Von einer differenten Elektrode wird gegen die Zusammenschaltung von drei
Extremitätenableitungen (Nullelektrode) registriert. Durch
die Zusammenschaltung ergibt sich ein virtueller Referenzpunkt in der Mitte des Einthoven-Dreiecks und d. h. auch in
der Mitte des Thorax. Diese Ableitungen zeigen daher einen
positiven Ausschlag, wenn der Summationsvektor vom Thoraxmittelpunkt auf ihren Ableitungspunkt zuläuft, einen negativen Ausschlag, wenn er davon wegläuft. Es werden sechs
Ableitungen (V1±V6) um den vorderen und linkslateralen
Thorax in Herzhöhe platziert. Sie liegen damit an der Körperwand vor dem rechten Ventrikel (V1, V2), der Vorderwand
des linken Ventrikels (V3, V4, V5) und der Hinterwand des
linken Ventrikels (V6). Da der elektrische Summationsvektor
seinen gröûten Ausschlag im Raum normalerweise in einer
Ausrichtung von hinten oben rechts nach vorne unten links
einnimmt, findet man für die horizontale Projektion die
gröûte R-Zacke normalerweise in V4.
Vektorkardiographie. Fasst man zwei Ableitungen aus der Frontalebene mit einer Ableitung aus der Horizontalebene zusammen, kann man ein dreidimensionales Bild des elektrischen
Summationsvektors konstruieren (Vektorkardiographie). Ein
rechtwinkliges Koordinatensystem ergibt sich angenähert bei
Verwendung der Ableitungen I, aVF und V2.
l l l Eine einfache Analyse des EKG-Signals gibt
bereits Auskunft über mögliche Störungen
des Schrittmachers, der atrioventrikulären
Erregungsüberleitung und der
Erregungsausbreitung in den Ventrikeln
Grundlagen der Interpretation des EKG. Aus der Auswertung
einer einzigen EKG-Ableitung (z. B. Einthoven II, wie in Abb.
6-14) lässt sich häufig schon Wichtiges lernen: Aus der zeitlichen Abfolge der QRS-Komplexe lässt sich feststellen, ob
diese mit einem regelmäûigen Rhythmus erscheinen oder ob
Rhythmusstörungen (Arrhythmien) vorliegen. Wenn regelmäûig jedem QRS-Komplex eine positive P-Welle in konstantem Abstand vorausgeht, handelt es sich um einen Sinusrhythmus. Wenn keine P-Wellen auftreten oder wenn
6.5 Das Elektrokardiogramm
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159
1 mV
–1
Sinusrhythmus (65 min )
a
P
P
0,2 s
P
P
P
P
AV-Block 2. Grades
b
P
P
P
P
P
P
P
P
AV-Block 3. Grades
c
Abb. 6-14. EKG-Registrierung (II nach Einthoven). (a) Sinusrhythmus (65 min±1). (b) Atrioventrikularblock 2. Grades, d. h.
bei regelmäûigem Sinusrhythmus (P-Wellen in konstantem Abstand) fallen einzelne Kammererregungen aus (QRS-Komplexe
fehlen). (c) Atrioventrikularblock 3. Grades, d.h. bei regelmäûigem Sinusrhythmus findet keine Erregungsüberleitung auf die
Ventrikel statt. Der Kammerrhythmus (35 min±1) ist unabhängig
vom Sinusrhythmus (65 min±1). Die Kammerkomplexe des EKGSignals sind verformt
P-Wellen und QRS-Komplexe zeitlich nicht synchronisiert
sind, dann folgt der Ventrikel einem anderen Schrittmacher.
Ist die P-Welle verformt oder über 0,1 s verlängert, gibt es
Überleitungsstörungen im Vorhofmyokard. Das PQ-Intervall
± gerechnet vom Beginn der P-Welle bis zum Beginn des
QRS-Komplexes ± sollte nicht länger als 0,2 s sein. Gröûere
PQ-Intervalle deuten auf Überleitungsstörungen im Bereich
der Vorhöfe oder, sehr viel häufiger, auf Überleitungsstörungen im Bereich des AV-Knotens hin. Die Aufspaltung des
QRS-Komplexes in weitere Zacken und Verlängerung über
eine Gesamtdauer von 0,1 s weisen auf Störungen der Erregungsausbreitung im ventrikulären Myokard hin, die entweder durch Störungen in den Kammerschenkeln des Erregungsleitungssystems oder durch Leitungsstörungen im Arbeitsmyokard begründet sein können. Die ST-Strecke liegt
normalerweise auf der Isoelektrischen.
Eine transmurale Myokardischämie führt häufig zu einer Anhebung der ST-Strecke. Dies ist darauf zurückzuführen, dass unter
diesen Umständen keine gleichmäûige Depolarisation des Ventrikelmyokards während der Kammererregung erreicht wird, da
die Bildung der Aktionspotentiale im ischämischen Gewebe gestört ist. Nach vollständiger Erregung des gesunden Anteils im
Kammermyokard bleibt ein Ladungsunterschied und damit ein
elektrischer Feldvektor übrig. Daher erreicht das EKG-Signal
nicht die Nulllinie.
Das QT-Intervall, gerechnet vom Beginn des QRS-Komplexes
bis zum Ende der T-Welle, sollte bei einer Herzfrequenz von
60 min±1 nicht mehr als 0,4 s betragen. Das QT-Intervall
nimmt mit steigender Frequenz ab. Das liegt daran, dass sowohl die Herzfrequenz als auch die ventrikuläre Erregungs160
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ausbreitung unter der Kontrolle des Sympathikus stehen. Ein
verlängertes QT-Intervall weist auf Erregungsbildungs- oder
Erregungsrückbildungsstörungen in den Ventrikeln hin.
Arrhythmien. Störungen des normalen Herzrhythmus können ganz unterschiedliche Formen aufweisen, die sich anhand des EKG unterscheiden lassen. Nach Ort der Entstehung
der Arrhythmie unterscheidet man supraventrikuläre und
ventrikuläre Arrhythmien. Auch ohne besonderen Krankheitswert treten gelegentlich Extrasystolen auf. Hierbei handelt es sich um Extraschläge, deren Erregungsursprung im
Vorhof (supraventrikulär) oder im Ventrikel (ventrikulär) liegen kann. Auf ventrikuläre Extrasystolen folgt wegen der
Refraktärzeit des Ventrikels häufig eine postextrasystolische
Pause, nach der dann ein ganz normaler Rhythmus fortgesetzt wird. Krankheitswert haben atrioventrikuläre Überleitungsstörungen. AV-Block ersten Grades nennt man eine
Verlängerung der normalen atrioventrikulären Überleitungszeit, die an einer Verlängerung des PQ-Intervalls zu erkennen
ist (> 0,2 s). Beim AV-Block ersten Grades ist der Herzrhythmus normal. Eine Arrhythmie tritt beim AV-Block zweiten
Grades (Abb. 6-14 b) auf. Hierbei kommt es zu gelegentlichen
Ausfällen der Erregungsüberleitung aus den Vorhöfen mit
einer begleitenden Pause der Ventrikelerregung. Beim AVBlock dritten Grades (Abb. 6-14 c) besteht eine völlige elektrische Dissoziation zwischen Vorhöfen und Ventrikeln. Dies
kann nur dann überlebt werden, wenn ein tertiärer Schrittmacher die ventrikuläre Erregung übernimmt. Deshalb findet
man hierbei P-Wellen und QRS-Komplexe ohne zeitliche
Kopplung.
é
Mit dem EKG werden Veränderungen des
extrazellulären elektrischen Felds registriert,
die durch Ladungsunterschiede zwischen erregtem und nicht-erregtem Myokard hervorgerufen werden. Die Erregungsausbreitung in den Vorhöfen erzeugt im EKG die PWelle, die in den Ventrikeln den QRS-Komplex. Die Erregungsrückbildung in den Ventrikeln führt zur T-Welle. Extremitätenableitungen nach Einthoven und Goldberger zeigen Projektionen des veränderlichen elektrischen Summationsvektors des Herzens auf
Richtungsgeraden in der Frontalebene des
Körpers. Diese Richtungsgeraden lassen sich
in einem Strahlenkranz mit 30-Winkelteilung zusammenfassen (Cabrera-Kreis). Aus
der Lage der gröûten R-Zacken ergibt sich
der elektrische Lagetyp des Herzens. Die
Wilson-Ableitungen stellen die elektrischen
Projektionen in der Horizontalebene dar.
Durch zwei Ableitungen aus der Frontalebene und eine Ableitung aus der Horizontalebene kann man den dreidimensionalen
elektrischen Summationsvektor rekonstruieren. Eine einfache EKG-Analyse der Standardableitungen ergibt bereits Informationen über: (1) Ursprung der Erregung; (2)
Rhythmusstörungen; (3) Leitungsstörungen;
und (4) elektrische Herzachse.
p
PH
6.6
Mechanik der Herzaktion
l l l Linkes und rechtes Herz sind jeweils
diskontinuierlich arbeitende Pumpen,
deren Hauptkammern (Ventrikel) in der
Diastole gefüllt und in der Systole entleert
werden
Phasen des Herzzyklus in den Ventrikeln. Die Ventrikel
durchlaufen in jedem Herzzyklus eine Folge verschiedener
Funktionsphasen (Abb. 6-15). Hier soll mit dem Ende der
Füllung der Ventrikel begonnen werden. Während der Ventrikelfüllung sind die Taschenklappen der Ausflussbahnen
(Pulmonalklappe, Aortenklappe) geschlossen, die Atrioventrikularklappen sind geöffnet. Durch die Ausbreitung einer
ventrikuläre Systole
120
Aortendruck
Druck [mmHg]
100
80
ventrikulärer
Druck
60
40
Vorhofdruck
20
0
Ventrikelvolumen [mL]
AB
C
D
120
100
80
60
1
2
3
Herzschall
4
R
EKG [mV]
1
T
P
0
Q
0
P
S
0,1
neuen elektrischen Erregungswelle wird die Arbeitsmuskulatur zur Kontraktion gebracht, und der intraventrikuläre
Druck beginnt zu steigen. Mit Beginn des Druckanstiegs und
Kontraktion der Papillarmuskeln schlieûen sich die Atrioventrikularklappen. Die Kontraktion der Ventrikelmuskulatur erfolgt dann bei konstantem Füllungsvolumen. Diese Phase
wird deshalb als isovolumetrische Anspannungsphase bezeichnet.
Überschreitet der Ventrikelinnendruck den Druck in der
Ausflussbahn, öffnen sich die Taschenklappen, und der sich
kontrahierende Ventrikel wirft einen Teil des enthaltenen
Blutvolumens in die Ausflussbahn aus (Schlagvolumen).
Beim Erwachsenen beträgt das Schlagvolumen in körperlicher Ruhe ca. 70 mL von 130 mL Füllvolumen. Das Verhältnis von Schlagvolumen zu Füllungsvolumen wird als Ejektionsfraktion bezeichnet (hier: 54 %). Die Austreibung des
Schlagvolumens geht mit einer Verkürzung der Muskelzellen
einher. Der Druck im Ventrikel steigt noch weiter leicht an.
Eine Kontraktion, bei der sich Kraft (Druck) und Länge (Volumen) gleichzeitig ändern, nennt man nach den Begriffen der
Muskelphysiologie eine auxotone Kontraktion (Abschn.
B-19.4). Deshalb heiût diese Phase die auxotone Austreibungsphase.
Noch während der Austreibungsphase wird das Maximum
der kontraktilen Aktivierung überschritten und die Relaxation setzt ein. Das führt zu einem Druckabfall im Ventrikel.
Wenn der ventrikuläre Druck denjenigen in der Ausflussbahn
unterschreitet, entsteht kurzzeitig ein Reflux von Blut in den
Ventrikel. Dieser zieht die Taschenklappen zurück in eine geschlossene Position. Danach sind Ventrikel und Ausflussbahn
hämodynamisch getrennt. Die Muskulatur der Ventrikel relaxiert weiter, das Ventrikelvolumen bleibt dabei zunächst
konstant. Diese Phase nennt man die isovolumetrische Erschlaffungsphase. Unterschreitet der Ventrikeldruck den
Druck in dem zugehörigen Vorhof, öffnen sich die Atrioventrikularklappen und die Ventrikel füllen sich erneut. Damit
beginnt die nächste Füllungsphase. Anspannungs- und Austreibungsphase bilden zusammen die Systole des Ventrikels,
Erschlaffungs- und Füllungsphase die Diastole des Ventrikels. Bei einem ruhigen Herzschlag von 60 min±1 entfallen
zwei Drittel der Zyklusdauer auf die Diastole und ein Drittel
auf die Systole.
0,2 0,3 0,4 0,5 0,6
0,7 0,8
Zeit [ms]
Klappeninsuffizienz. Bei Insuffizienz von Herzklappen wird die
Abfolge der Arbeitsphasen der Ventrikel gestört. Bei unvollständigem Klappenschluss einer Atrioventrikularklappe kommt es
während der Ventrikelsystole zum Reflux von Blut in das Niederdrucksystem (Abschn. C-7.11) vor dem Ventrikel. Während
der folgenden Diastole vergröûert sich dann die Ventrikelfüllung. Bei Insuffizienz der Klappen in den Ausflussbahnen
kommt es zum diastolischen Reflux von bereits ausgeworfenem
Schlagvolumen in den jeweiligen Ventrikel. In beiden Fällen ist
das vorwärts transportierte Blutvolumen effektiv reduziert. Über
der insuffizienten Klappe wird ein Blutvolumen pendelnd hinund hergeschoben. Im zeitlichen Mittel bedingt dies eine Volumenbelastung des Ventrikels.
Abb. 6-15. Synopse von hämodynamischen Parametern des
linken Ventrikels, Herzschall und EKG über einen Herzzyklus.
A ˆ Beginn der isovolumetrischen Anspannung; B ˆ Beginn der
auxotonen Austreibung; C ˆ Beginn der isovolumetrischen Entspannung; D ˆ Beginn der Ventrikelfüllung. Markierungen 1±4
beim Herzschall entsprechen den Herztönen 1±4
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161
Systole
Aorta
Diastole
Lungenvenen
linker
Vorhof
Sog
Ventilebene
Druck
linke
Kammer
Diaphragma
Abb. 6-16. Schematische Darstellung des Ventilebenenmechanismus. Während der Systole entsteht durch Tiefertreten der
Ventilebene ein Sog im Vorhof. Während der Diastole schiebt
sich der Ventrikel durch Anheben der Ventilebene dem Volumen
im Vorhof bei geöffneter Atrioventrikularklappe entgegen
l l l Heben und Senken der Ventrikelebene
während des Herzzyklus wirkt wie eine
Pumpe zur diastolischen Füllung
der Ventrikel
Die diastolische Ventrikelfüllung ist stark von der vorausgehenden Ventrikelkontraktion und nur wenig von der Vorhofkontraktion abhängig (Abb. 6-16). Während der Systole verkleinern sich die Ventrikel durch den Auswurf des Schlagvolumens. Da sie am Apex des Herzens über das Perikard am
Diaphragma fixiert sind, die Herzbasis aber im Thorax beweglich ist, bewegt sich die Ventilebene systolisch auf das
Diaphragma zu. Durch die Verschiebung der Vorhöfe entsteht in ihnen ein Unterdruck, und es wird Blut aus den zuführenden Venen in sie hineingesaugt. Bei der diastolischen
Erschlaffung nehmen die Ventrikel wieder eine längliche
Form an, die Ventilebene rückt vom Diaphragma fort. Bei
Öffnung der Atrioventrikularklappen stülpt sich so ein Teil
der Ventrikel über das in den vorgeschalteten Vorhöfen bereitliegende Blutvolumen. Ein weiterer Teil des Blutes folgt
passiv der atrioventrikulären Druckdifferenz. Erst im letzten
Drittel der Diastole kontrahieren sich die Vorhöfe. In Ruhe
entfallen ca. zwei Drittel der Ventrikelfüllung auf den Ventilebenenmechanismus und den passiven Volumenfluss, nur
ein Drittel auf die Vorhofkontraktion.
l l l Die mechanischen Vorgänge am Herzen
rufen akustische Signale (Herzschall)
hervor, die man mit einem Stethoskop
an der Brustwand hören kann
Herztöne. Registriert man EKG, Aortenpulskurve (Abschn.
C-7.6) und die vom Herzen ausgehenden Schallwellen
gleichzeitig, kann man den verschiedenen Phasen der Ventrikelkontraktion charakteristische Abschnitte in diesen Registrierungen zuordnen (Abb. 6-15). Der QRS-Komplex, der
im EKG den Ablauf der Ventrikelerregung widerspiegelt,
162
Kapitel C-6 Herz
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überlappt zeitlich den Beginn der Anspannungsphase. Die
Anspannung des Ventrikels erzeugt im Herzschall den ersten
Herzton. Dieser entsteht während der Frühphase der Kontraktion durch eine Schwingungen auslösende Umformung
des Ventrikels: Am Ende der Füllungsphase ist der Ventrikel
länglich; kontrahiert er sich, nimmt er eine rundere Form
ein. Beginnt die Austreibungsphase, steigt der Aortendruck
an, da jetzt Volumen zusätzlich in die Ausflussbahn ausgeworfen wird. Am Ende der Austreibungsphase erscheint die
T-Welle im EKG, die die Repolarisation des Kammermyokards reflektiert. Der kleine Reflux am Ende der Austreibungsphase führt zu einem kurzzeitigen Absinken des Aortendrucks, der so genannten Inzisur in der Druckpulskurve.
Dem Minimum der Inzisur entspricht der Klappenschluss,
dessen Schwingungen den zweiten Herzton hervorrufen. Zu
Beginn der Füllungsphase entsteht ein leiser dritter Herzton,
der durch das Auftreffen des einströmenden Blutes auf die
entspannten Ventrikelwände zustande kommt. Am Ende der
P-Welle kann mit Mikrophonverstärkung manchmal noch
ein vierter Herzton registriert werden, der durch Schwingungen bei der Vorhofkontraktion zustande kommt.
Herzgeräusche. Herztöne entstehen durch zeitlich begrenzte mechanische Schwingungen verschiedener Anteile des Herzens.
Den ersten und zweiten Herzton kann man immer leicht mit einem Stethoskop hören, das an die Brustwand angelegt wird. Das
Abhören akustischer Phänomene nennt man Auskultation. Es ist
klinisch üblich, die Herztöne auch über Mikrophon zu registrieren (Phonokardiographie). Bei Störungen der Blutflüsse in den
verschiedenen Phasen der Herzaktion kann es zu turbulenten
Strömungsformen kommen, die breitbandige Herzgeräusche
hervorrufen. Ursachen für systolische Geräusche sind z. B. Einengungen in den ventrikulären Ausflussbahnen (z. B. Aortenklappenstenose) oder Reflux über insuffiziente Atrioventrikularklappen. Ursachen für diastolische Geräusche sind z. B. Einengungen in den Atrioventrikularklappen oder Reflux über eine
insuffiziente Aorten- oder Pulmonalklappe. Für die an den verschiedenen Klappen entstehenden akustischen Ereignisse gibt es
Punkte an der Körperoberfläche, an denen sie sich meist besonders gut hören lassen: Für die Aortenklappe liegt ein solcher
Auskultationspunkt im 2. Interkostalraum am rechten Sternalrand, für die Pulmonalklappe im 2. Interkostalraum am linken
Sternalrand, für die Trikuspidalklappe liegt er im 4. Interkostalraum am linken Sternalrand, für die Mitralklappe in der Herzspitzenregion links medioklavikulär im 5. Interkostalraum. An
Engstellen entstehende Strömungsgeräusche werden mit dem
Blutstrom fortgeleitet. So ist z. B. das systolische Geräusch einer
Aortenklappenstenose auch noch in den Karotiden zu hören.
l l l In einem Druck-Volumen-Diagramm
umschreibt ein Herzzyklus ein Viereck,
das so genannte Arbeitsdiagramm
Arbeitsdiagramm des Herzens. Die Hohlkörper des Herzens
(Atrien, Ventrikel) werden bei ihrer Füllung durch den Füllungsdruck gedehnt. Die Kurve, die Füllungsdrücke und Füllungsvolumina bei entspannter Wandmuskulatur in Beziehung setzt, nennt man die Ruhedehnungskurve des jeweiligen Hohlkörpers. Die Steigung der Ruhedehnungskurve
dP/dV kennzeichnet die Steifheit (engl. stiffness), ihr Kehrwert dV/dP die Dehnbarkeit (engl. compliance) des Hohlkörpers. Die Ruhedehnungskurven von Atrien und Ventrikeln
Druck
isovolumetrische
Maxima
U-K
urv
e
Mv
isobare
Maxima
C
Pd
B
Ruhedehnungskurve
ÄA
IA
Mb
A
E
D
Volumen
Vd
SV
a
0
120
CD
Druck [mmHg]
Druck [mmHg]
120
Volumen [mL]
AB
80
60
C
120
B
80
60
D
0
0
80
AB
0
A
40 80 120
Volumen [mL]
CD
0,5
Zeit [s]
1,0
b
Abb. 6-17. (a) Schema eines ventrikulären Druck-VolumenDiagramms mit Darstellung der Ruhedehnungskurve, der Kurve
der isovolumetrischen Maxima und der Kurve der isobaren Maxima. Die U-Kurve verbindet das zum enddiastolischen Arbeitspunkt A gehörige isobare Maximum Mb und das isovolumetrische Maximum Mv. Das Viereck ABCD ist das Arbeitsdiagramm
des Ventrikels. Vd stellt das enddiastolische ventrikuläre Volumen, Pd den enddiastolischen Aortendruck dar. SV ist das
Schlagvolumen. Der Flächeninhalt von ABCD entspricht der äuûeren Arbeit des Ventrikels (¾A), der Flächeninhalt des Dreiecks
CDE der inneren Arbeit (IA). (b) Zeitverlauf von Druck und Volumen im linken Ventrikel während eines Herzzyklus (links) und
das daraus berechnete Druck-Volumen-Diagramm (rechts)
sind nicht linear, sondern werden bei zunehmendem Volumen steiler (Abb. 6-17 a), d. h. dass die Steifheit dieser Hohlkörper bei zunehmender Füllung zunimmt. Trägt man für jeden Zeitpunkt während eines Herzzyklus den intraventrikulären Druck und das intraventrikuläre Volumen des linken
Herzens in einem zweidimensionalen Diagramm gegeneinander auf, so entsteht ein Viereck, das Arbeitsdiagramm
des linken Herzens (Abb. 6-17 b). Der Kurvenabschnitt der
Füllungsphase bildet bei vollständiger Relaxation der Ventrikelmuskulatur einen Teil der Ruhedehnungskurve des Ventrikels. Wie im Skelettmuskel ist auch im Herzmuskel die isometrische Kraftentwicklung von der Vordehnung abhängig
(Abschn. B-19.4). Daher gibt es für jeden Punkt auf der Ruhedehnungskurve ein spezifisches isovolumetrisches Maximum des Ventrikeldrucks, das experimentell beobachtet werden kann, wenn durch starke Erhöhung des Drucks in der
Ausflussbahn die Öffnung des Ventrikels verhindert wird. Bei
rein isovolumetrischer Kontraktion leistet der Ventrikel keine
äuûere Arbeit, da er kein Volumen abgibt. Experimentell
lässt sich auch das isobare bzw. isotonische Maximum für
diesen Punkt der Ruhedehnungskurve bestimmen. Es stellt
das Auswurfvolumen dar, das der Ventrikel bei einem vorgegebenen Druck in der Ausflussbahn maximal auswerfen
kann.
Die systolische Kontraktion der Ventrikel stellt eine Unterstützungszuckung (Abschn. B-19.4) dar, weil zunächst isometrisch Kraft aufgebaut wird (Druckanstieg im Ventrikel)
und es dann zu einer Muskelverkürzung bei nur noch wenig
veränderlicher Kraft (Volumenverkleinerung während der
Austreibungsphase) kommt. Die Endpunkte dieser Unterstützungszuckung liegen im pV-Diagramm auf einer leicht gebogenen Kurve, der Kurve der Unterstützungsmaxima
(U-Kurve), die eine Verbindungslinie zwischen dem zugehörigen isotonischen Maximum und dem isovolumetrischen
Maximum darstellt (Abb. 6-17 a). Die Lage der U-Kurve ist
für die Ventrikelfunktion von entscheidender Bedeutung, da
alle von einem gegebenen Punkt A auf der Ruhedehnungskurve (von einer bestimmten diastolischen Füllung) ausgehenden Arbeitszyklen den Endpunkt ihrer Austreibungsphase auf einem Punkt der U-Kurve finden. Die U-Kurve begrenzt somit den möglichen Operationsbereich des Ventrikels
für einen gegebenen Punkt der enddiastolischen Füllung auf
der Ruhedehnungskurve.
¾uûere Arbeit. Der Durchmesser des Arbeitsdiagramms parallel zur x-Achse entspricht dem Schlagvolumen des abgebildeten Herzzyklus (Abb. 6-17 a). Der Anstieg des Drucks während der Austreibungsphase (B±C) ist ein Maû für die Dehnbarkeit der Ausflussbahn. Steifere Ausflussbahnen erfordern
einen gröûeren Druckanstieg, um ein gegebenes Schlagvolumen in die Ausflussbahn hineinzudrücken. Da physikalisch
betrachtet das Produkt aus Druck und Volumen Energie (Arbeit) entspricht (Abschn. A-1.2), ist das Integral der vom Arbeitsdiagramm umschriebenen Fläche ein Maû für die äuûere
Arbeit, die das Herz beim Fördern eines Schlagvolumens bei
gegebenem äuûeren Druck leistet. Da der rechte Ventrikel ein
gegebenes Schlagvolumen nur gegen den geringen Druck in
der Pulmonalstrombahn auswirft, ist seine Arbeitsleistung
gegenüber der des linken Ventrikels deutlich geringer, der
gegen den hohen Druck in der Aorta auswirft.
Ein Zahlenbeispiel macht dies deutlich: Das Schlagvolumen (SV)
der beiden Ventrikel sei 70 mL (70 ´ 10±6 m3), der mittlere Aortendruck 100 mmHg (100 ´ 133 N m±2), der mittlere Pulmonalisdruck
15 mmHg (15 ´ 133 N m±2). Daraus ergibt sich für den linken
Ventrikel die Arbeit ALV ˆ P ´ SV ˆ 0,93 Nm und für den rechten
Ventrikel ARV ˆ 0,14 Nm.
Innere Arbeit. Die Energiebilanz des Ventrikels beschränkt
sich aber nicht auf die äuûere Arbeit. Der durch U-Kurve und
Ruhedehnungskurve definierte Arbeitsbereich des Ventrikels
umschlieût links vom Arbeitsdiagramm (ABCD) noch eine
dreieckige Fläche (CDE), die ebenfalls eine Energiegröûe dar6.6 Mechanik der Herzaktion
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163
stellt. Das Restvolumen unter dieser Fläche könnte vom
Ventrikel zusätzlich ausgeworfen werden, wenn man den
Druck in der Ausflussbahn am Punkt C des Arbeitsdiagramms schnell reduzierte. Die Fläche CDE stellt also eine
potentielle Energie dar, die in der übrigbleibenden Volumenfüllung des Ventrikels auf Höhe der Linie CD gespeichert ist.
Im geschlossenen Kreislauf hat der Ventrikel diese Energie
zuvor selbst über äuûere Schlagarbeit aufgebracht: Da diese
das Blut durch den Kreislauf treibt und damit auch den
Rückstrom des Blutes zum Herzen bewirkt, bestimmt sie so
letztlich die Volumenfüllung des Herzens. Die in der Restvolumenfüllung des Ventrikels gespeicherte potentielle Energie
bezeichnet man als ¹innere Arbeitª. Der Stoffwechsel des
Ventrikels muss im zeitlichen Mittel immer die Gesamtbilanz
aus äuûerer und innerer Arbeit decken.
Volumenbelastung
DV
Druck [mmHg]
300
U
U’
200
120
80
Pd
SV2
SV1
A
0
Frank-Starling-Mechanismus. Es gehört zu den elementaren
Eigenschaften der quergestreiften Muskulatur, dass die entwickelte Kraft von der Vordehnung des Muskels abhängig ist
(Abschn. B-19.4). Zwei Mechanismen sind wesentlich hierfür
verantwortlich: Zum einen gibt es bei einer mittleren Sarkomerenlänge von 2,2 mm eine optimale Überlappung von Actin und Myosin, bei der sich ein Maximum von Querbrücken
ausbilden kann. Wird das Sarkomer weiter gedehnt, finden
nicht alle Myosinköpfchen an den dünnen Filamenten einen
korrespondierenden Angriffspunkt. Ist das Sarkomer kürzer,
kommt es zu räumlichen Behinderungen bei der Ausbildung
von Querbrücken (Abschn. B-19.6). Zum anderen variiert die
Calciumsensitivität der Myofibrillen auch längenabhängig,
so dass ein gegebener Anstieg des cytosolischen Ca2+ bei
sehr kurzen Sarkomerenlängen eine geringere kontraktile
Aktivierung auslöst als in einer Myokardzelle mit vorgedehnten Sarkomeren.
Im pV-Diagramm (Abb. 6-17 a, Abb. 6-18 a) erkennt man
die längenabhängige Kraftsteigerung des Herzmuskels am
Verlauf der Kurve der isovolumetrischen Maxima. Die Differenz zwischen dieser Kurve und der Ruhedehnungskurve
stellt den maximal entwickelten Druck (in der Systole) in Abhängigkeit von der Vordehnung dar. Im linken Ventrikel
nimmt diese Gröûe bis zu Füllungsvolumina von ca. 180 mL
stetig zu, danach fällt sie ab. Die Vordehnung des Herzens,
d. h. der Ausgangspunkt des Arbeitsdiagramms auf der Ruhedehnungskurve, ist indirekt abhängig vom enddiastolischen
Füllungsdruck des Ventrikels, da durch diesen Druck das entsprechende Volumen in den Ventrikel hineingedrückt wird.
Diesen enddiastolischen Füllungsdruck nennt man klinisch
auch Vorlast des Herzens. Man kann deshalb sagen, dass der
Frank-Starling-Mechanismus die Abhängigkeit der systolischen Druckentwicklung von der Vorlast beschreibt.
In der Darstellung im pV-Diagramm (Abb. 6-18 b) wird
deutlich, dass der Frank-Starling-Mechanismus auch einer
kurzfristigen Anpassung des Schlagvolumens an einen veränderten Druck in der Ausflussbahn, der so genannten Nachlast (aortaler Mitteldruck, pulmonaler Mitteldruck) dient.
164
Kapitel C-6 Herz
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0
60
130
200
Volumen [mL]
a
Druckbelastung
300
Druck [mmHg]
l l l Bei Zunahme der diastolischen Füllung
erhöht sich unabhängig von der
Innervation das Schlagvolumen
des Herzens
A’
U
U’
200
Pd’
SV2
120
Dp
Pd
80
SV3
SV1
A
A’
0
0
60
130
200
Volumen [mL]
b
Abb. 6-18. Ventrikelaktion bei gleichbleibender Inotropie.
(a) Erhöhung des Schlagvolumens nach Vergröûerung der enddiastolischen Ventrikelfüllung. Durch die Volumenbelastung
wird A nach A0 auf der Ruhedehnungskurve verschoben. Zu diesem neuen enddiastolischen Arbeitspunkt A0 gehört die veränderte U0 -Kurve. Das Arbeitsdiagramm, das bei gegebenem enddiastolischen Aortendruck Pd von A0 ausgeht, hat ein gröûeres
Schlagvolumen als das vorige Arbeitsdiagramm (SV2 > SV1).
(b) Verkleinerung des Schlagvolumens durch Druckbelastung
und Kompensation dieser Störung. Steigt der enddiastolische
Aortendruck von Pd auf Pd0 , verkleinert sich das Schlagvolumen
bei gegebener enddiastolischer Füllung des Ventrikels (Arbeitspunkt A) von SV1 auf SV2
Wird in einem ersten Herzzyklus die Nachlast plötzlich erhöht, wird das nachfolgende Schlagvolumen vermindert
(SV2 < SV1) und das im Ventrikel zurückbleibende Volumen
erhöht. Wenn für den nächsten Schlag das diastolisch aufgenommene Volumen etwa gleich bleibt, wird nun das enddiastolische Volumen erhöht, d. h. der Ventrikel besitzt eine gröûere Vordehnung. Zu diesem neuen enddiastolischen Ar-
beitspunkt A0 gehört eine neue U-Kurve U0 im pV-Diagramm,
deren Steilheit sich aber nur wenig von der der ursprünglichen U-Kurve unterscheidet. Das von diesem Punkt A0
ausgehende Arbeitsdiagramm kann deshalb mit einem wieder vergröûerten Schlagvolumen durchgeführt werden
(SV3 ˆ SV1). Es ergibt sich also eine Kompensation für einen
Verlust von Schlagvolumen durch Erhöhung der Vordehnung. Die Anpassung des Schlagvolumens durch Variation
der Vordehnung ist von Schlag zu Schlag wirksam. Sie stellt
einen sehr schnellen und effizienten autonomen Mechanismus des Herzens zur Stabilisierung der Auswurfleistung dar.
Insbesondere dient sie der engeren Kopplung zwischen Auswurfleistung von rechtem und linkem Ventrikel.
den Zellen der Arbeitsmuskulatur stimulieren, führen zu
einer längenunabhängigen Kraftsteigerung. Im pV-Diagramm kommt dies wesentlich darin zum Ausdruck, dass die
Kurven der isovolumetrischen Maxima zu gröûeren Druckwerten hin verschoben sind (Abb. 6-19 a; vgl. Mv und Mv0 ).
Bei einer gegebenen Vordehnung kann damit ein gröûerer
höheres Schlagvolumen
Mv’
Box 6-4.
400
U’
Angeregt durch Untersuchungen von Magnus Blix (1892)
über die Kontraktionsmöglichkeiten des Skelettmuskels
führte Otto Frank (1895) am isolierten Froschherzen die ersten systematischen Untersuchungen zu den Kontraktionsmöglichkeiten dieses Hohlmuskels durch. Die in Abb. 6-17
dargestellten Gesetzmäûigkeiten entsprechen seinen Erkenntnissen. Ernest Starling und Mitarbeiter (1914) analysierten an einem isolierten Herzlungenpräparat des Hundes,
wie sich ein erhöhter venöser Zustrom oder eine Druckerhöhung in der Ausflussbahn auf das geförderte Schlagvolumen
auswirkt (ähnlich wie in Abb. 6-18). Die Regulation der
Schlagarbeit des Herzens durch das enddiastolische Füllungsvolumen wurde unter dem Eindruck seiner Darstellung
häufig auch als ¹Starling-Gesetzª bezeichnet. Starlings Befunde stellen eine Bestätigung der von Frank bereits beschriebenen Prinzipien für das Warmblüterherz dar. Die Vordehnungsabhängigkeit der Herzarbeit wird heute im deutschen Schrifttum überwiegend als Frank-Starling-Mechanismus bezeichnet. Die Erkenntnis, dass dieser Mechanismus
ganz wesentlich auf der längenabhängigen Interaktion von
Actin und Myosin beruht und insofern auch identisch mit
der vordehnungsabhängigen Kraftsteigerung im Skelettmuskel ist, wurde erst Mitte des 20. Jahrhunderts gewonnen.
Druck [mmHg]
Geschichte des Frank-Starling-Mechanismus
U
300
Mv
200
120
Pd
80
A
0
0
60
130
200
Volumen [mL]
SV
SV’
a
höherer Druck
Mv’
l l l Als positive Inotropie
(erhöhte Kontraktilität) bezeichnet man
Kraftsteigerungen des Herzmuskels,
die unabhängig von der diastolischen
Ventrikelfüllung sind
400
U’
Druck [mmHg]
U
Positive Inotropie. Der Überträgerstoff des Sympathikus,
Noradrenalin, und das unter Sympathikusstimulation adrenal freigesetzte Adrenalin, die die b-Adrenorezeptoren an
300
Mv
200
c
Abb. 6-19. Ventrikelaktion bei vergröûerter Inotropie. (a) Erhöhung des Schlagvolumens durch positive Inotropie. Für einen
gegebenen Arbeitspunkt A der enddiastolischen Füllung wird
die zugehörige U-Kurve steiler (U 0 -Kurve). Dadurch verbreitert
sich das Arbeitsdiagramm, d. h. das Schlagvolumen wird gröûer
(SV 0 > SV). (b) Beibehaltung des Schlagvolumens bei Erhöhung
des Aortendrucks ermöglicht durch eine positive Inotropie. Bei
steilerer U0 -Kurve (durch positive Inotropie) kann der Ventrikel
sein bisheriges Schlagvolumen auch nach Erhöhung des enddiastolischen Aortendrucks auswerfen (SV0 ˆ SV)
Pd’
Dp
120
Pd
80
A
0
0
60
130
200
Volumen [mL]
b
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165
maximaler Druck erzeugt werden. Damit verläuft auch die
U-Kurve im pV-Diagramm (U0 -Kurve) steiler. Dies führt dazu,
dass bei einem gegebenen enddiastolischen Arbeitspunkt (A)
und gegebener Nachlast (Pd) ein gröûeres Schlagvolumen
gefördert wird (SV0 > SV). Die Steilheit der U-Kurve kann
man als Maû für die Inotropie (Kontraktilität) ansehen.
Der Mechanismus der kontraktilen Aktivierung durch positive Inotropie beruht im Wesentlichen darauf, dass die bei
der elektromechanischen Kopplung ins Cytosol freigesetzte
Calciummenge erhöht wird. Auslöser hierfür ist eine Vergröûerung des Calciumeinstroms (L-Typ), die sekundär zu einer
gröûeren Freisetzung von Ca2+ aus dem sarkoplasmatischen
Reticulum führt (Abschn. C-6.3). Gröûere Spitzenkonzentrationen des cytosolischen Ca2+ führen dann zu einer stärkeren
Aktivierung der Kontraktion.
Noradrenalin und Adrenalin stellen die wichtigsten physiologischen inotropen Stimuli dar, es gibt aber noch eine Vielzahl anderer Faktoren, die die Herzkraft auf ähnliche Weise steigern
können. Digitalisglycoside sind die bekanntesten Pharmaka, um
eine positiv inotrope Wirkung zu erzielen. Diese Stoffe hemmen
die sarkolemmale Na+-K+-ATPase. Das dann im Zellinneren zurückgehaltene Na+ führt über eine Verminderung der treibenden
Kraft des Na+-Ca2+-Austauschers zu einem Anstieg der zellulären Calciumkonzentration. Eine erhöhte Füllung des sarkoplasmatischen Reticulums ist Grundlage für den positiv inotropen
Effekt (s. o.).
Bei einer akuten arteriellen Widerstandserhöhung (Abb. 619 b; vgl. Pd und Pd0 ) wird dem linken Ventrikel eine erhöhte
Schlagarbeit abverlangt. Die hierzu notwendige Kraftvermehrung wird zunächst durch den Frank-Starling-Mechanismus, d. h. durch stärkere Vordehnung, gewonnen. Reicht dieser Mechanismus nicht aus und fällt das Herzminutenvolumen daher ab, kommt es zu einer reflektorischen Sympathikusaktivierung (Barosensorenreflex, Abschn. C-7.10), die
durch Stimulation kardialer b-Rezeptoren die Herzfrequenz
erhöht und die Inotropie steigert. Abb. 6-19 b zeigt, dass eine
Erhöhung der Inotropie ausreicht, um ein gegebenes Schlagvolumen gegen einen erhöhten Aortendruck (vgl. Pd mit Pd0 )
zu fördern, auch ohne dass die Vordehnung erhöht ist.
é
166
Ein Herzzyklus teilt sich in vier Phasen:
(1) die isovolumetrische Anspannungsphase;
(2) die auxotone Austreibungsphase; (3) die
isovolumetrische Erschlaffungsphase; und
(4) die Füllungsphase. Phase 1 und 2 bilden
die Systole, 3 und 4 die Diastole der Ventrikel. Im Druck-Volumen-Diagramm umschreibt ein Herzzyklus ein geschlossenes
Viereck. Die Lage dieses Arbeitsdiagramms
ist durch den Verlauf der Ruhedehnungskurve und das enddiastolische Füllungsvolumen
bestimmt. Wichtige Parameter der Ventrikelfunktion sind die isovolumetrischen und
die isotonischen Maxima. Die in der Systole
entwickelte Kraft des Herzmuskels ist von
seiner Vordehnung und damit von der enddiastolischen Ventrikelfüllung abhängig.
Dieses Phänomen wird Frank-Starling-Mechanismus genannt. Er stellt einen autonomen Mechanismus des Herzens zur Stabili-
Kapitel C-6 Herz
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sierung der Auswurfleistung dar. Als positive
Inotropie bezeichnet man Kraftsteigerungen des Herzmuskels, die unabhängig von
der Vordehnung sind. Physiologisch am
wichtigsten ist der durch Sympathikusaktivierung ausgelöste positiv inotrope Effekt.
6.7
Herzstoffwechsel und Energetik
der Pumpfunktion
l l l Der Herzmuskel kann bei ausreichender
Sauerstoffzufuhr Glucose, Lactat und
Fettsäuren zur Energiegewinnung nutzen
Der Herzmuskel gehört zu den stoffwechselaktivsten Geweben des menschlichen Körpers. Der Energiebedarf ist bereits
unter Ruhebedingungen so groû, dass er nur durch oxidative
Energiegewinnung gedeckt werden kann. Die wichtigsten
Energie liefernden Substrate sind Glucose, Fettsäuren und
Lactat, die in variablen relativen Anteilen zur oxidativen
Energiegewinnung herangezogen werden können (Abb.
6-20, Abschn. A-6.7, A-10.3). Ist die Sauerstoffzufuhr zu
gering und sinkt deshalb der pO2 im Gewebe ab, wird die
vollständige Oxidation dieser Substrate eingeschränkt. Bei
Sauerstoffmangel wird der myokardiale Stoffwechsel auf
anaerobe Glycolyse umgestellt, d. h. auf den Abbau von
Glucose zu Lactat, wobei pro umgesetztem Glucosemolekül
nur etwa 7 % der Energiemenge entstehen wie beim vollständigen oxidativen Abbau. Die Steigerung des anaeroben Glucoseabbaus ist aber für eine energetische Kompensation
nicht ausreichend. Daher entsteht im Sauerstoffmangel ein
Energiedefizit. Bei der anaeroben Glycolyse entstehen auch
Protonen (Lactat; Abschn. A-6.2), so dass das anaerobe Myokard angesäuert wird.
l l l Glucose wird aerob vollständig oxidiert.
Es ist das einzige Substrat des Herzens,
das auch anaerob Energie liefert
Die Aufnahme von Glucose in die Herzmuskelzelle erfolgt
über spezielle Glucosetransporter (GLUT4, GLUT1; Abschn.
A-9.5), deren Anzahl durch Einbau von präformierten Transportermolekülen aus dem Zellinneren in die Zellmembran
unter Insulin erhöht wird. Ein groûer transsarkolemmaler
Gradient wird dadurch aufrechterhalten, dass die in das Zellinnere gelangte Glucose sofort von der Hexokinase unter
ATP-Verbrauch phosphoryliert wird. Das so entstandene
Glucose-6-phosphat wird über Glycolyse zu Pyruvat abgebaut. Der geschwindigkeitsbestimmende und damit entscheidende Schritt für den Abbau ist die durch Phosphofructokinase katalysierte Reaktion (Abschn. A-6.2). Diese wird durch
hohe cytosolische Citrat- und ATP-Spiegel gehemmt, wie sie
bei guter aerober Substratversorgung im Cytosol vorliegen.
Bei Sauerstoffmangel wird Pyruvat nicht weiter oxidiert,
sondern ± getrieben durch ein hohes NADH/NAD+-Verhältnis
p
p
BC
PH
Glucose
Pyruvat
PFK
CrP
Glycolyse
ADP
Substratkettenphosphorylierung
CK
ATP
Cr
Lactat
Pyruvat
oxidative
Phosphorylierung
ADP
PDH
Fettsäuren
Acetyl-CoA
Citratzyklus
Elektronentransport
O2
Mitochondrien
CO2
Herzmuskelzelle
± in der durch Lactat-Dehydrogenase katalysierten Gleichgewichtsreaktion zu Lactat reduziert. Lactat wird über ein spezifisches Carriersystem aus der Zelle ausgeschleust. Pyruvat
gelangt über einen Carrier in die Mitochondrien, in denen es
letztendlich zu CO2 und H2O verstoffwechselt wird (Abschn.
A-6.2, A-7.6).
l l l Lactat, das nach starker Muskelarbeit im
Blut zirkuliert, kann vom Herzen als
Energieträger weiter abgebaut werden.
Bei hohem Fettsäureangebot nützt das
Herz bevorzugt Fettsäuren zur aeroben
Energiegewinnung
Lactat. Bei hohen Lactatplasmaspiegeln, wie sie im Blut z. B.
nach starker körperlicher Leistung vorliegen, wird Lactat in
die Herzmuskelzellen aufgenommen. Unter aeroben Verhältnissen, d. h. bei niedrigem NADH/NAD+-Quotienten, entsteht
an der Lactat-Dehydrogenase (LDH) Pyruvat, das dann als
Substrat auf dem oben beschriebenen Weg weiter abgebaut
wird. Es entsteht also auf Ebene des Pyruvats eine Konkurrenz zwischen den Substratquellen Lactat und Glucose, die
bei hohen Lactatspiegeln zu einer präferentiellen Nutzung
des externen Lactats führt. Die Herz-LDH (LDH-Isoform H4)
katalysiert damit die Rückreaktion der Skelettmuskel-LDH
(LDH-Isoform M4) (Abschn. A-6.2).
Fettsäuren. Im Plasma zirkulieren langkettige Fettsäuren, die
als Nahrungsbestandteile in den Kreislauf gelangen, vorwiegend in veresterter Form in Chylomikronen und Lipoproteinkomplexen (Abschn. A-8.5, A-10.5). Lipasen am Gefäûendothel setzen aus diesen Transportkomplexen Fettsäuren frei,
die eine hohe Affinität zu Albumin haben und in der Assoziation mit Albumin an der Herzmuskelzelle binden. Aus die-
Abb. 6-20. Substratquellen für die
Energieproduktion der Herzmuskelzelle.
PFK ˆ Phosphofructokinase; PDH ˆ Pyruvat-Dehydrogenase; CK ˆ Creatin-Kinase;
CrP ˆ Creatinphosphat; Cr ˆ Creatin
ser Bindung erfolgt die Aufnahme in die Zellen. Freie Fettsäuren werden durch den Prozess der b-Oxidation oxidativ
zu Acetyl-CoA abgebaut (Abschn. A-10.3). Bei jedem Verkürzungszyklus entstehen FADH2 und NADH, die dann der oxidativen ATP-Synthese dienen. Unter anaeroben Bedingungen kommt die b-Oxidation zum Stillstand, da freies NAD+
und FAD fehlen. Fettsäuren liefern somit nur unter aeroben
Bedingungen Energie. Die genaue Bilanz der oxidativen
Energiegewinnung aus Fettsäuren hängt von deren Kettenlänge und Sättigungsgrad ab. In der Bilanz entstehen bei
vollständiger Oxidation von Palmitinsäure 106 Moleküle
ATP pro Molekül oxidierter Palmitinsäure (Abschn. A-10.3).
Bei hohem Plasmaspiegel von Fettsäuren, z. B. nach einer
fettreichen Mahlzeit, gewinnt das Herz oxidative Energie bevorzugt aus dem Fettsäureabbau. Der hohe Anfall von NADH
durch die b-Oxidation wirkt hemmend auf die Pyruvat-Dehydrogenase und damit auf den Glucosestoffwechsel (s. o.).
l l l Circa 90 % des Energiebedarfs
des Herzens dient der Kontraktion
Für die Kontraktion des Herzmuskels wird Energie in Form
von ATP gebraucht. Ungefähr 70 % des umgesetzten ATP
werden direkt an den Myofibrillen durch die Myosin-ATPase
verbraucht. Circa 20 % des Energiebedarfs entfallen auf die
ATPasen der zellulären Ionenpumpen, ohne die das Aktionspotential, die elektromechanische Kopplung und die Aufrechterhaltung der zellulären Ionenhomöostase nicht möglich ist. Damit entfallen insgesamt etwa 90 % des Energiebedarfs ± direkt oder indirekt ± auf die kontraktile Funktion.
Nur etwa 10 % des Energiebedarfs des Herzmuskels werden
für Vorgänge aufgewendet, die der Aufrechterhaltung der
zellulären Integrität dienen (reiner Erhaltungsstoffwechsel).
Der Herzmuskel enthält neben ATP als weiteres energierei6.7 Herzstoffwechsel und Energetik der Pumpfunktion
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167
ches Phosphat auch Creatinphosphat (Abschn. B-19.6). Die
energiereiche Phosphatbindung von Creatinphosphat entsteht in einer von Creatin-Kinase katalysierten Gleichgewichtsreaktion durch Übertragung einer Phosphatgruppe
von ATP auf Creatin. Creatin-Kinase ist in verschiedenen
Isoformen im cytoplasmatischen Raum verteilt und scheint
den intrazellulären Transport von Energieäquivalenten zu
beschleunigen. Dazu passt, dass Mäuse, in denen die CreatinKinase gentechnisch ausgeschaltet wurde, zwar in Ruhe eine
normale Herzfunktion zeigen, nicht aber bei einer Leistungssteigerung.
l l l Das Herz hat im Vergleich zu anderen
Organen einen hohen Sauerstoffund Energieverbrauch
Der Sauerstoffbedarf des Herzens VO2 errechnet sich als
VO2 ˆ AVDO2 KBF
wobei AVDO2 die arteriovenöse Konzentrationsdifferenz von
Sauerstoff, KBF den koronaren Blutfluss bezeichnet.
Bei einem Erwachsenen misst man in körperlicher Ruhe
etwa 25 mL O2 min±1 (ca. 1 mmol O2 min±1) als Sauerstoffverbrauch des Herzens. Bei einer O2-Gesamtaufnahme des
Körpers von etwa 300 mL bedeutet dies, dass unter Ruhebedingungen auf das Herz knapp 10 % des gesamten Sauerstoffverbrauchs des Körpers entfallen. Auf die Gewichtseinheit bezogen (Herzgewicht 300 g) verbraucht das Myokard in
Ruhe 8 mL min±1 pro 100 g Gewebe. Unterbricht man künstlich die Kontraktionen des Herzmuskels, wie es z. B. in der
Herzchirurgie durch so genannte Kardioplegieverfahren üblich ist, reduziert sich der Sauerstoffverbrauch auf etwa ein
Zehntel dieses Werts. Dieses Verhältnis entspricht recht gut
den oben genannten Abschätzungen über den Energiebedarf
des zellulären Erhaltungsstoffwechsels. Bei körperlicher Arbeit steigt der Sauerstoffbedarf des Herzens je nach Intensität
der Arbeit auf das 2- bis 5fache des Ruhewerts, bei maximaler Leistung kann kurzfristig fast der 10fache Sauerstoffbedarf auftreten.
schen Grundumsatz der Myokardzelle, werden die metabolischen Kosten der Herzarbeit vor allem von der Ventrikelgeometrie bestimmt. Eine vereinfachte Überlegung zeigt bereits,
dass die Kraftentwicklung in den myokardialen Muskelfasern
nicht nur von der zu überwindenden Nachlast, sondern auch
von der Ventrikelgeometrie abhängt: Wenn sich die Muskelfasern in der Ventrikelwand während der isovolumetrischen
Anspannungsphase anspannen, um einen Druck (p) zu erzeugen, muss eine bestimmte Kraft pro Muskelquerschnitt
(Spannung s) aufgewendet werden. Bei Annahme eines kugelförmigen Ventrikels ergibt sich nach dem Laplace-Gesetz
die Beziehung:
r
sˆp
2d
wobei r den Ventrikelradius und d die Wanddicke des Muskelmantels bezeichnet (Abb. 6-21). Die Kraftentwicklung in
den Muskelfasern des Ventrikelmyokards muss demnach ansteigen, wenn der aufzubringende Druck p (Ausflussbahnverengung, Erhöhung des peripheren Widerstands) oder der
Ventrikelradius r (Ventrikeldilatation) zunehmen oder wenn
das Dickenwachstum hinter der Radiuszunahme zurückbleibt
(z. B. bei einer exzentrischen Hypertrophie, s. u.).
Ventrikelgeometrie und Energiebedarf. Die äuûere Arbeit
(Kraft ´ Weg), die die Muskelfasern leisten müssen, hängt von
der Spannung und der Verkürzungsstrecke ab, die sie beim
Auswerfen des Schlagvolumens zurücklegen. Um ein gegebenes Schlagvolumen zu fördern, ist bei einem Ventrikel mit
groûem enddiastolischen Füllungsvolumen (Ventrikeldilatation) nur eine kleine Verkürzungsstrecke der Muskelfasern
notwendig. Dadurch kann in der Bilanz der äuûeren Arbeit
die höhere Faserspannung kompensiert werden. Im pV-Diagramm arbeitet ein dilatierter Ventrikel weit rechts auf der
Ruhedehnungskurve (Abb. 6-17, Abb. 6-18). Er wird in diesen Arbeitsbereich gezwungen, wenn die myokardiale Inotropie reduziert ist (insuffizientes Myokard), was sich in einer flachen U-Kurve ausdrückt. Fördert der dilatierte VentriRadius
r
Die Sauerstoffaufnahme von 8 mL min±1 pro 100 g Gewebe in
körperlicher Ruhe entspricht bei einem Herzgewicht von 300 g
und auf den Tag hochgerechnet einem ATP-Gesamtumsatz von
etwa 5 kg, d. h. einer ATP-Masse von etwa 6 % des Körpergewichts eines Erwachsenen. (Diese wird nicht vollständig aufund abgebaut, da beim ATP-Umsatz immer nur eine Phosphatgruppe abgespalten wird.) Bei Verrichtung körperlicher Arbeiten
kann der ATP-Umsatz des Herzens auch 20 kg pro Tag betragen.
Diese Extrapolation macht deutlich, wie energieintensiv die
Herzarbeit im menschlichen Körper ist.
l l l Der Energiebedarf des Herzens steigt,
wenn das Schlagvolumen bei vergröûerter
enddiastolischer Füllung gefördert wird
Ventrikelgeometrie und Kraftentwicklung. Die Stoffwechselenergie, die von einem Ventrikel für ein bestimmtes Auswurfvolumen aufgebracht werden muss, ist keine konstante
Gröûe. Neben einer Reihe von Faktoren, z. B. dem metaboli168
Kapitel C-6 Herz
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Druck
p
Wandspannung
σ
Kugelmodell
Dicke
d
LaPlace: σ = p • r
2d
Abb. 6-21. Schema der Laplace-Gleichung für ein kugelförmiges Ventrikelmodell
kel in diesem Arbeitsbereich ein normales Schlagvolumen,
ist die äuûere Arbeit (¾A) hierfür sogar kleiner als normal
(Flächeninhalt des Arbeitsdiagramms). Die innere Arbeit (Inhalt der Dreiecksfläche, IA) ist aber stark angestiegen. Da
auch hierfür metabolische Energie aufgewendet werden
muss, ist der Wirkungsgrad zwischen Stoffwechselleistung
und äuûerer Arbeit im Fall eines dilatierten Ventrikels deutlich verschlechtert. Für eine bestimmte Auswurfleistung wird
also bei Zuhilfenahme des Frank-Starling-Mechanismus
(Ventrikeldilatation) mehr Sauerstoff gebraucht. Dies ist deshalb besonders ungünstig, weil bei erhöhten diastolischen
Drücken der Koronarwiderstand vergröûert ist und sich somit
eine Schere zwischen Zunahme des Sauerstoffbedarfs und
Verminderung des Sauerstoffangebots auftun kann. Das Risiko ischämischer Schädigungen ist daher bei einer deutlichen
Rechtsverschiebung des Arbeitsdiagramms erhöht.
l l l Myokardischämie führt
nur kurzfristig zur Aktivierung
anaerober Energieproduktion,
da die zunehmende Acidose
im Gewebe die Glycolyse hemmt.
Zellnekrose ist die Folge
Reicht die Koronardurchblutung nicht aus, um den Sauerstoffbedarf des Myokards zu decken, spricht man von einer
Myokardischämie. Ursache für einen Durchblutungsmangel
ist in der Regel eine Einengung oder ein Verschluss einer Koronararterie. Im ischämischen Myokard fehlt Sauerstoff für
den aeroben Stoffwechsel. Zur Energiegewinnung wird die
anaerobe Glycolyse aktiviert. Die anaerobe Energieproduktion deckt aber von Anfang an nicht den Energiebedarf des
arbeitenden Myokards. Das ischämische Areal stellt deshalb
innerhalb kurzer Zeit (bei kompletter Ischämie in weniger als
1 min) seine Kontraktionsfunktion ein und trägt deshalb
auch nicht mehr zur Pumpfunktion des Organs bei. Selbst die
anaerobe Energieproduktion kommt bald zum Erliegen, da
die hierbei entstehenden Protonen nicht aus dem ischämischen Gewebe ausgeschwemmt werden und eine Säurehemmung der Glycolyse bewirken (Abschn. A-6.2). Damit entfällt
auch die Energiebereitstellung für den zellulären Erhaltungsstoffwechsel und als Folge sterben die Myokardzellen ab. So
entsteht ein Myokardinfarkt. (Im klinischen Sprachgebrauch
bezeichnet man häufig auch schon eine Myokardischämie
mit noch reversibler Zellschädigung als ¹akuten Myokardinfarktª.) Nekrotische Herzmuskelzellen setzen cytoplasmatische Proteine frei, die sich als Infarktindikatoren verzögert
(Beginn nach 3±6 Stunden, unterschiedlich für die verschiedenen Indikatorproteine) im Blutplasma nachweisen lassen
(z. B. Lactat-Dehydrogenase, Creatin-Kinase, Troponin T). Bei
ausgedehnten Infarkten finden sich meist auch im EKG charakteristische Veränderungen (Abschn. C-6.5). Rhythmusstörungen und Pumpversagen können als akute Folgen einer
Myokardischämie zu einem plötzlichen Herztod führen. Wird
der Myokardinfarkt überlebt, entsteht im infarzierten Gewebe eine bindegewebige Narbe, die Muskulatur regeneriert
sich nicht.
Klinisch wird heute immer versucht, einen Koronarverschluss
innerhalb der ersten Stunden wiederzueröffnen (s. Einleitung).
Solche ¹Revaskularisationenª können sich bis zu 8 h nach Verschluss infarktreduzierend auswirken; bei früher Intervention
und guter Versorgung des betroffenen Myokardareals durch
schon bestehende Kollateralgefäûe kann sogar oft ein vollständiger Gewebserhalt erzielt werden.
Box 6-5.
Der Herzkatheter
Der Deutsche Werner Forssmann führte 1929 zum ersten Mal
in mutigen Selbstversuchen Rechtsherzkatheterisierungen
durch. Diese blieben lange unbeachtet. 1956 wurde er allerdings für diese bahnbrechenden Versuche mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Heute gehören Katheterisierungen der
Herzhöhlen und der Kranzgefäûe zu den Routinemethoden
in der kardiologischen Klinik. Sie dienen entweder der Diagnostik, z. B. wenn über einen Herzkatheter Röntgenkontrastmittel in ein Koronargefäû gespritzt wird, um dies selektiv
darzustellen (Koronarangiographie), oder die Katheterisierung wird für einen lokalen Eingriff verwendet, z. B. wenn
ein verengtes oder verschlossenes Koronargefäû über einen
vorgeschobenen Katheter mechanisch geweitet oder wieder
eröffnet wird (PTCA von perkutane transluminale koronare
Angioplastie). Der Pioneer der PTCA war ebenfalls ein Deutscher, Andreas Gruentzig, der 1977 erstmals mit einem Katheter, der an der Spitze einen kleinen aufblasbaren Ballon
trug, eine PTCA am Menschen durchführte (Ballondilatation). Heute wird das Prinzip des Ballonkatheters auch für
den Zweck erprobt, lokale Wandveränderungen in Koronargefäûen durch das örtliche Einbringen von Genmaterial
einer lokalen somatischen Gentherapie zu unterziehen.
é
Das Herz kann je nach Substratangebot Glucose, Fettsäuren oder Lactat zur oxidativen
Energiegewinnung verwenden. Bei Sauerstoffmangel ist der Herzmuskel auf anaerobe Glycolyse angewiesen, die pro umgesetztem Glucosemolekül nur ca. 7 % der oxidativ
gewonnenen ATP-Menge produziert. In Ruhe beträgt der Sauerstoffbedarf des Herzens
ca. 8 mL min±1 pro 100 g Gewebe. Der Sauerstoffbedarf für den Erhaltungsstoffwechsel
beträgt etwa ein Zehntel hiervon. Bei starker körperlicher Belastung steigt der Sauerstoffbedarf etwa auf das Fünffache. Der
Auswurf eines gegebenen Schlagvolumens
ist bei einem dilatierten Ventrikel energetisch ungünstiger als bei einem kleinen
Ventrikel, da ein dilatierter Ventrikel mehr
innere Arbeit aufbringen muss, die ebenfalls
Stoffwechselenergie verbraucht. Bei Ischämie aktiviert der Herzmuskel die anaerobe
Energieproduktion. Es entwickelt sich aber
trotzdem schnell ein zellulärer Energiemangel, der bei Andauern der Ischämie zum Infarkt führt.
6.7 Herzstoffwechsel und Energetik der Pumpfunktion
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169
l l l Die Koronardurchblutung variiert
in enger Kopplung mit dem
Sauerstoffbedarf des Herzens
Diastole
Aorta
100
50
linker
Ventrikel
0
linke
Koronararterie
100
0
–1
In Ruhe beträgt die Koronardurchblutung ca. 80 mL min±1
pro 100 g Herzgewebe. Sie kann maximal etwa 5fach gesteigert werden. Die Koronardurchblutung regelt das Sauerstoffangebot für das Herz. Generell gilt, dass das Sauerstoffangebot gleich dem Produkt aus arterieller Sauerstoffkonzentration (caO2) und koronarem Blutfluss (KBF) ist. Der Sauerstoffbedarf des Herzens VO2 spiegelt sich in der tatsächlich extrahierten Sauerstoffmenge pro Zeit wider:
Systole
Druck [mmHg]
Regulation
der Koronardurchblutung
–1
6.8
Fluss [mL min ]
PH
Fluss [mL min ]
p
l l l Der Blutfluss im Koronarsystem
ist phasisch: Er ist hoch während
der Diastole und sehr niedrig
während der Systole der Ventrikel
Die Widerstandsregulation im Koronarkreislauf weist gegenüber anderen Stromgebieten eine Besonderheit auf (Abb.
6-22). Diese besteht darin, dass die intramuralen Anteile des
koronaren Strombetts mit jeder Systole durch den Anstieg
der Spannung in der Muskulatur extern komprimiert werden.
170
Kapitel C-6 Herz
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rechte
Koronararterie
100
0
200
–1
wobei E die Extraktionsrate des Herzens für Sauerstoff darstellt, d. h. den Anteil, der von der antransportierten Sauerstoffmenge tatsächlich entnommen wird. Im Koronarkreislauf beträgt die Extraktionsrate bereits unter Ruhebedingungen ca. 70 %. Deutliche Steigerungen der Sauerstoffversorgung zur Deckung eines gewachsenen Sauerstoffbedarfs sind
deshalb über eine Erhöhung der Extraktionsrate für Sauerstoff nicht zu erreichen, sie müssen immer durch eine Steigerung des koronaren Blutflusses erbracht werden. Deshalb besteht zwischen Sauerstoffbedarf des Herzens und koronarer
Durchblutung eine proportionale Beziehung, d. h. bei Steigerung des Energiebedarfs des Herzens um den Faktor 5 steigt
auch die Durchblutung um diesen Faktor. Treibende Kraft für
die koronare Durchblutung ist nach dem Ohmschen Gesetz
die Druckdifferenz über dem Koronarkreislauf. Da der Druck
in den Koronararterien etwa gleich dem Aortendruck und im
Koronarsinus angenähert Null ist, entspricht diese Druckdifferenz im zeitlichen Mittel dem aortalen Mitteldruck (pA),
d. h. es gilt: KBF ˆ 1/R ´ pA, wobei R den Koronarwiderstand
bezeichnet. Bleibt der Aortendruck konstant, hängt die Flussregulation im Koronarkreislauf allein vom Koronarwiderstand ab. Wegen der umgekehrten Proportionalität von Fluss
und Widerstand gilt dann auch, dass es eine umgekehrte
Proportionalität zwischen Koronarwiderstand des Herzens
und Sauerstoffbedarf gibt: 1/R VO2 . Diese Proportionalität
reflektiert eine kausale Beziehung, denn der Stoffwechsel des
Herzmuskels steuert tatsächlich die Widerstandsregulation
(s. u.).
Fluss [mL min ]
VO2 ˆ E ´ caO2 ´ KBF
100
Koronarsinus
0
0
0,5
Zeit [s]
1,0
Abb. 6-22. Synopse der Drücke im linken Ventrikel und in der
Aortenwurzel sowie der Blutflüsse im Koronarsystem
Die Wandspannung des Ventrikels ist zu Beginn der Systole
so groû, dass Blut aus den intramuralen Gefäûen sogar in die
Koronararterien zurückgedrückt wird. Erst mit Nachlassen
der Wandspannung während der Auswurfphase kommt es zu
einem geringen Blutfluss in arteriovenöser Richtung. Zu Beginn der Diastole steigt der Koronarfluss sprunghaft an, weil
jetzt die Wandspannung gering ist und gleichzeitig die treibende Kraft des arteriellen Mitteldrucks in der Aorta einen
hohen Wert aufweist. Im rechten Ventrikel ist die intramurale
Spannungsentwicklung in der Systole deutlich geringer, deshalb ist die Behinderung des koronaren Blutflusses hier kleiner. Groûe Anteile des Myokards werden also während eines
Herzzyklus nur zeitweilig perfundiert, nämlich nur während
der Diastole. Deshalb ist es für die Koronarperfusion von Bedeutung, dass sich der Anteil der Diastolendauer an der Herzperiode mit steigender Herzfrequenz verkürzt. Bei einem ruhigen Herzschlag von 60 min±1 entfallen zwei Drittel der
Zyklusdauer auf die Diastole, ein Drittel auf die Systole (Abb.
6-23). Bei einer Herzfrequenz von 100 min±1 verteilt sich die
Zyklusdauer bereits 1: 1 auf Diastole und Systole. Bei hohen
Herzfrequenzen kann deshalb ein Mangel der Sauerstoffversorgung des Myokards auftreten. Der durch die Kontraktion
es weist Vasokonstriktion bei steigendem Druck und Vasodilatation bei fallendem Druck auf. Die Folge ist eine weitgehende Konstanz der Perfusion bei ¾nderungen des Perfusionsdrucks.
1,5
1:1
Zeit [s]
2:1
1,0
Sy
Di
0,5
a st
sto
ol e
le n
nda
d au e
r
ue r
0
50
75
100
125
150
–1
Herzfrequenz [min ]
Abb. 6-23. Systolendauer und Diastolendauer in Abhängigkeit
von der Herzfrequenz
bestimmte Anteil des Koronarwiderstands wird als extravasale Komponente bezeichnet. Dem steht die vasale Komponente des Koronarwiderstands gegenüber, die durch Regulation der Widerstandsgefäûe während der Diastole bestimmt
ist.
l l l An der vasalen Regulation der
Koronardurchblutung sind in erster Linie
lokale ± metabolische, myogene
und endothelvermittelte ±
Mechanismen beteiligt.
Zusätzlich spielt auch die nervale
Regulation eine Rolle (Abschn. C-7.10)
Metabolische Kontrolle. Die Arbeit der Herzmuskelzelle setzt
abhängig von ihrer Aktivität Metaboliten frei, die vasodilatierend wirken können. Eine wichtige Rolle spielt dabei Adenosin, das bei starkem Abbau von ATP entsteht und auch
von den Herzmuskelzellen freigesetzt wird. Adenosin stimuliert spezielle Adenosinrezeptoren (A2) an den Gefäûmuskelzellen, die intrazellulär an die Adenylatcyclase koppeln. Der
vermehrt gebildete Second Messenger cAMP wirkt in Glattmuskelzellen relaxierend. Auch das bei starker aerober Arbeit entstehende CO2 und die bei anaerober Arbeit freigesetzte Milchsäure wirken durch ihren ansäuernden Effekt vasodilatierend, da die Gefäûmuskelzellen in saurem Milieu erschlaffen. Stark arbeitende Muskulatur setzt auch Kalium
und anorganisches Phosphat frei, die beide ebenfalls eine
Vasodilatation bewirken (Abschn. C-7.8).
Eine mäûige Erhöhung der extrazellulären Kaliumkonzentration
führt über einwärts gleichrichtende Kaliumkanäle an den Glattmuskelzellen zu einer Hyperpolarisation der Zellmembran
(Abschn. B-1.5) und damit zu einer Relaxation der glatten Muskelzellen. Anorganisches Phosphat hat eine direkt relaxierende
Wirkung auf den kontraktilen Apparat der Gefäûmuskelzellen.
Myogene Kontrolle. Die myogene Vasoregulation beruht darauf, dass sich arterioläre Glattmuskelzellen bei intraluminalem Druckanstieg kontrahieren und bei Druckabfall relaxieren (Bayliss-Effekt; Abschn. C-7.8). Ein Strombett, dessen
Widerstandsverhalten von diesem myogenen Mechanismus
bestimmt wird, zeigt Eigenschaften der Autoregulation, d. h.
Endotheliale Kontrolle. Der dritte wichtige Mechanismus der
lokalen Regulation der Koronardurchblutung ist die Freisetzung vasoaktiver Substanzen aus dem Endothel. Die wichtigsten sind Stickstoffmonoxid (NO) und Prostacyclin (PGI2).
Diese endothelialen Mediatoren werden unter einer Reihe
von Stimuli freigesetzt. Mit am wichtigsten ist die Freisetzung durch Veränderung der Wandschubspannung, die an
der Endotheloberfläche zunimmt, wenn die Flieûgeschwindigkeit des Blutes ansteigt, und abfällt, wenn die Flieûgeschwindigkeit abnimmt.
Nervale Einflüsse. Die Koronardurchblutung wird auch
durch neuronale Einflüsse gesteuert. Dabei steht die sympathische Innervation ganz im Vordergrund. Es gibt zwar auch
einzelne parasympathische Fasern an den Koronararterien,
funktionell haben diese aber keine Bedeutung. Bei Sympathikusstimulation wird lokal Noradrenalin freigesetzt. Zusätzlich kann aus dem Nebennierenmark Adrenalin freigesetzt
werden und über den Blutweg ins Koronarsystem gelangen.
Noradrenalin und Adrenalin stimulieren an Glattmuskelzellen a- und b-Rezeptoren. Die Stimulation von a-Rezeptoren
führt zur Vasokonstriktion, die Stimulation von b-Rezeptoren zur Vasodilatation. Die Dichte der a- und b-Rezeptoren
ist entlang der Koronarstrombahn heterogen. Groûe Koronargefäûe besitzen meist mehr b-Rezeptoren, die kleinen Arteriolen überwiegend a-Rezeptoren. b-Rezeptoren finden
sich zudem auf den Herzmuskelzellen und üben dort einen
positiv inotropen Effekt aus. Bei Stimulation des Sympathikus ergibt sich ein Bild, das überwiegend dem einer b-adrenerg vermittelten Vasodilatation entspricht. Dies ist aber nur
zu einem geringeren Teil auf eine direkte neuronale Wirkung
auf die Arteriolen zurückzuführen, zum gröûeren Teil beruht
es auf einer metabolisch bedingten Dilatation als Folge des
inotropen Effekts.
Anpassung der Koronardurchblutung. In der Koronarstrombahn ist die relative Bedeutung der drei bisher diskutierten
Vasoregulationsmechanismen unterschiedlich verteilt. Die
endothelabhängige Vasoregulation spielt vor allem im Bereich der Arterien und groûen Arteriolen (> 100 mm) eine
Rolle, die myogene Antwort ist besonders ausgeprägt im Bereich mittlerer Arteriolen (50±100 mm) und die metabolische
Regulation im Bereich kleiner Arteriolen (< 50 mm). Abb.
6-24 zeigt schematisch die Anpassung der Koronardurchblutung an einen steigenden Bedarf bei inotroper Stimulation.
Die erhöhte Stoffwechselaktivität bei steigender Herzarbeit
setzt metabolische Faktoren frei, die vorwiegend im Bereich
kleiner Arteriolen vasodilatatorisch wirken. Dies wird durch
eine b-adrenerge Dilatation unterstützt. Wenn in den kleinen
Arteriolen eine Gefäûerweiterung stattfindet, verläuft der
Druckabfall in den vorgeschalteten Gefäûabschnitten steiler,
d. h. hier sinkt der mittlere Druck. Der Druckabfall führt in
den mittleren Arteriolen zu einer myogenen Vasodilatation,
was zusammen mit der Dilatation im Endstrombereich eine
Steigerung des Blutflusses bewirkt. Im Bereich der vorge6.8 Regulation der Koronardurchblutung
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171
große Arteriolen
> 100 µm
mittlere Arteriolen
50–100 µm
endothelvermittelte
Dilatation
myogene Dilatation
NO-Freisetzung
Druck
kleine Arteriolen
< 50 µm
metabolische Dilatation
Schubspannung
Stromstärke
Adenosin
Herzarbeit
Abb. 6-24. Zusammenspiel verschiedener vasodilatatorischer
Mechanismen in der koronaren Mikrostrombahn
schalteten Arterien erzeugt die Zunahme des Volumenstroms
eine gröûere Strömungsgeschwindigkeit und zunehmende
Wandschubspannung. Diese setzt aus dem Endothel vasodilatierende Substanzen, z. B. NO, frei, die nun auch die Arterien erweitern. Der erhöhte Sauerstoffbedarf in der Mikrostrombahn wirkt deshalb über diese Signalkaskade stromaufwärts auf das gesamte zuführende Gefäûbett.
é
p
PH
6.9
Der Herzmuskel hat nur eine Bedarfsperfusion über die Koronararterien. Bei Erhöhung
des Sauerstoffbedarfs steigt auch die Koronarperfusion an. An dieser Perfusionsanpassung sind myogene, metabolische (z. B. Adenosin, Milchsäure), endothelvermittelte
(z. B. NO, Prostacyclin) und nervale Mechanismen (Sympathikus) der Vasoregulation
beteiligt. Im linken Ventrikel ist die Koronarperfusion diskontinuierlich. Sie sistiert während der Systole.
Funktionelle Kopplung
von Herz und Kreislauf
l l l Herz und Kreislaufsystem
sind funktionell eng gekoppelt.
Der Blutdruck im arteriellen System
ist abhängig von der Pumpleistung;
die Pumpleistung hängt wiederum
vom venösen Rückstrom ab.
Beim aufrechten Stehen (Orthostase)
wird das Venensystem in der unteren
Körperhälfte gedehnt.
Als Folge sinkt der venöse Rückstrom
Vorwärts- und Rückwärtskopplung des linken Ventrikels.
Kleiner und groûer Kreislauf bilden zusammen ein geschlossenes System mit zwei in Serie geschalteten Pumpen, dem
172
Kapitel C-6 Herz
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rechten und dem linken Herzen. Die Kopplung des linken
Ventrikels an das arterielle System erfolgt durch die Abhängigkeit des Schlagvolumens von der Nachlast (aortaler Mitteldruck). Bei sinkender Nachlast steigt das Schlagvolumen,
da sich die Aortenklappe früher öffnet und mit geringerem
Kraftaufwand Blut ausgeworfen werden kann. Die Erhöhung
des Schlagvolumens führt zu einem Anstieg des mittleren
Aortendrucks (Abschn. C-7.6), d. h. sie erhöht kompensatorisch wieder die Nachlast. Eine enge funktionelle Kopplung
zwischen rechtem und linkem Ventrikel wird durch den
Frank-Starling-Mechanismus ermöglicht. Der rechte Ventrikel bestimmt durch seine Förderleistung die diastolische Füllung des linken Ventrikels und damit auch dessen Förderleistung. Die Pumpfunktion des rechten Ventrikels ist wesentlich
vom venösen Rückstrom bestimmt. Nach dem Ohmschen
Gesetz ist der venöse Rückstrom abhängig vom Widerstand
des Venensystems und der Druckdifferenz zwischen Peripherie und den herznahen, zentralen Anteilen des Venensystems.
Die Widerstände im venösen Systems sind verglichen mit denen im arteriellen System sehr gering, deshalb gibt es auch
zwischen venöser Peripherie und den zentralen Venen nur
eine geringe Druckdifferenz.
Kopplung von Herz und venösem Rückstrom. Für die Kopplung von venösem Rückstrom und Pumpfunktion des Herzens besteht eine gegensätzliche Abhängigkeit vom zentralen Venendruck (Abschn. C-7.6). Steigt dieser an, vermindert
sich der venöse Rückstrom, die Pumpfunktion verbessert sich
aber wegen der gröûeren Vordehnung des rechten Ventrikels.
Diese Abhängigkeiten lassen sich als zwei unabhängige Kurven darstellen, die aber nur experimentell so zu trennen sind.
Im gekoppelten System eines intakten Kreislaufs ist der
Schnittpunkt dieser beiden Kurven der einzige mögliche Arbeitspunkt (Abb. 6-25 a). Verschiebungen des Arbeitspunkts
sind möglich durch Veränderung der Kurven des venösen
Rückstroms, durch Veränderungen des peripheren Venendrucks oder durch Veränderung der Funktionskurve des
Herzens, d. h. durch Veränderung des Inotropiezustands.
Normalerweise beträgt im Liegen der periphere Venendruck ca. 7 mmHg, der zentrale Venendruck nur 0±1 mmHg.
Diese Druckdifferenz stellt die treibende Kraft dar, mit der
während der Diastole der rechte Ventrikel gefüllt werden
kann. Steigt der zentrale Venendruck (ZVD), vermindert sich
die Druckdifferenz und damit auch der Rückstrom von Blut
zum Herzen (Abb. 6-25 a). Wird der ZVD im Extremfall
gleich dem peripheren Venendruck, kommt der Rückstrom
zum Stehen. Auch eine Verminderung des peripheren Venendrucks, z. B. als Folge eines venösen Tonusverlusts oder einer
verminderten venösen Füllung (Blutverlust), reduziert den
venösen Rückstrom. Als Folge einer Verminderung des Rückstroms nimmt dann das vom rechten und linken Herzen geförderte Herzzeitvolumen ab (Abb. 6-25 a, A ® B). Umgekehrt nimmt das Herzzeitvolumen zu, wenn der periphere
Venendruck durch Steigerung des Venentonus oder vergröûerte venöse Füllung ansteigt (Abb. 6-25 a, A ®C).
Veränderungen des zentralen Venendrucks werden im
Wesentlichen durch ¾nderung des Inotropiezustands des
Herzens bestimmt. Vermindert sich die Inotropie, bleibt am
Ende der Austreibungsphase ein gröûeres Restvolumen im
rechten Herzen liegen. Dies behindert den Einstrom von Blut
Herzzeitvolumen oder
–1
venöser Rückstrom [L min ]
12
HZV
8
Venenkonstriktion
C
A
Normalsituation
B
4
Venendilatation
0
–2
0
2
4
6
8
10
zentraler Venendruck [mmHg]
a
–1
Herzzeitvolumen oder venöser Rückstrom [L min ]
(Abb. 6-25 b, D ® E). Auf diese Weise beeinflusst der Inotropiezustand des Herzens den venösen Rückstrom, d. h. die
beiden hämodynamischen Parameter sind miteinander gekoppelt.
24
Sympathikusaktivierung
(positive Inotropie)
20
16
Herz-Kreislauf-Kopplung bei Orthostase. Beim Lagewechsel
aus dem Liegen in das Stehen addiert sich zu den hämodynamisch erzeugten Drücken noch der Einfluss der Schwerkraft.
Dies führt dazu, dass sich die arteriellen und venösen Drücke
im Fuûbereich um etwa 130 mmHg erhöhen, während sie im
Kopfbereich um etwa 50 mmHg abnehmen (Abschn. C-7.12).
Da die Venen sehr dehnbar sind, führt die Druckerhöhung
beim Aufstehen zu einer akuten Speicherung von Blut in den
Beinvenen (ca. 0,5 L). Als Akutreaktion sinken dadurch der
venöse Rückstrom und folglich das Herzzeitvolumen ab
(Abschn. C-7.12).
l l l Mechanosensoren in den Vorhöfen
vermitteln eine reflektorische Kontrolle
des venösen Rückstroms
12
Normalsituation
E
VR
8
D
C
Herzinsuffizienz
(negative Inotropie)
A
4
B
Sympathikus
0
–2
0
2
4
6
8
10
zentraler Venendruck [mmHg]
b
Abb. 6-25. (a) Abhängigkeit des venösen Rückstroms zum Herzen vom zentralen Venendruck. Der Rückstrom ist bei Venenkonstriktion oder erhöhter venöser Füllung (Hypervolämie,
Transfusion) gesteigert und bei Venendilatation oder Blutverlust
vermindert. Die gestrichelten Kurven zeigen die Abhängigkeit
des Herzzeitvolumens (HZV) vom zentralen Venendruck. Die
schwarzen Kreise zeigen die möglichen Arbeitspunkte eines geschlossenen Kreislaufsystems (venöser Rückfluss ˆ Herzzeitvolumen). (b) Abhängigkeit des Herzzeitvolumens (HZV) vom zentralen Venendruck. Unter Sympathikusstimulation ist die HZVKurve steiler (positive Inotropie), unter Herzinsuffizienz abgeflacht (negative Inotropie). Die gestrichelten Kurven zeigen die
Abhängigkeit des venösen Rückstroms (VR) vom zentralen Venendruck. Punkt A ist der Arbeitspunkt des Herzens unter Kontrollbedingungen. Unter Sympathikusstimulation zeigt das Herz
positive Inotropie und das Venensystem wird tonisiert. Damit
wird der Arbeitspunkt von A nach E verlagert. B stellt den Arbeitspunkt des insuffizienten Herzens ohne Venentonisierung
durch den Sympathikus dar. C stellt eine hämodynamisch kompensierte Situation bei Herzinsuffizienz dar, die durch sympathische Venentonisierung erreicht wird
aus den zentralen Venen während der nachfolgenden Diastole, und der zentrale Venendruck steigt an. Als Folge nimmt
der venöse Rückstrom ab (Abb. 6-25 b, A ® B). Tonisierung
der Venen durch Sympathikusaktivierung verbessert den venösen Rückstrom wieder (Abb. 6-25 b, B ® C). Umgekehrt
kommt es bei positiver Inotropie zu einem Absinken des
zentralen Venendrucks und damit zu einer Vergröûerung des
venösen Rückstroms (Abb. 6-25 b, A ® D). Tonisierung der
Venen durch Sympathikusaktivierung verstärkt diesen Effekt
Mit dem N. vagus (Abschn. B-3.7, C-4.2) verlaufen afferente
Fasern, die ihren Ursprung in Mechanosensoren in den beiden Vorhöfen haben. Die so genannten A-Sensoren werden
durch Zunahme der aktiven Muskelspannung im Vorhof, die
so genannten B-Sensoren durch passive Dehnung aktiviert.
Die durch stärkere Vordehnung der Vorhöfe erzeugten afferenten Impulse hemmen im ZNS die Kerne des Sympathikus
und aktivieren die des Parasympathikus. Daraus resultiert ein
Absinken des Herzzeitvolumens, eine periphere arterielle Vasodilatation und eine Verminderung des venösen Tonus
(Abschn. C-7.10). Zusätzlich wird auch die Ausschüttung
von antidiuretischem Hormon vermindert, was zu einer Volumenausscheidung über die Niere führt (Henry-Gauer-Reflex). Diese reflektorischen Effekte wirken der Volumenfüllung des rechten Vorhofs entgegen.
l l l Herzmuskelzellen des rechten Vorhofs
bilden Peptidhormone (ANP, BNP),
die bei Wanddehnung freigesetzt werden
und in der Niere die Wasserund Natriumausscheidung stimulieren
Endokrine Funktion von Herzmuskelzellen. Herzmuskelzellen können auch Peptidhormone bilden. Die bekanntesten
sind die eng verwandten Peptide ANP (atriales natriuretisches Peptid) und BNP (brain natriuretic peptide). Das im
gesunden Herzen mengenmäûig dominierende ANP wird als
Vorform (Pro-ANP) in den Kardiomyocyten vor allem der
Vorhöfe gebildet und in Vesikeln gespeichert (Abschn. C7.11). Wird der Vorhof gedehnt (z. B. als Folge einer Zunahme
des zentralvenösen Volumens), wird ANP ± ein aus 28 Aminosäuren bestehendes Peptid ± abgespalten und gelangt in
die Zirkulation. In der Niere bewirken natriuretische Peptide
eine Erhöhung der Wasser- und Natriumausscheidung
(Abschn. C-7.11, C-14.10). Dieser Effekt reduziert das Blutvolumen. Dadurch nimmt die Dehnung des rechten Vorhofs
wieder ab. Dieser endokrin gesteuerte Regelkreis unterstützt
6.9 Funktionelle Kopplung von Herz und Kreislauf
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173
den Henry-Gauer-Reflex, der die Vorhofdehnung über Nervenendigungen registriert und die renale Wasserausscheidung über das antidiuretische Hormon (ADH) steuert
(Abschn. C-3.2, C-14.6). Im fetalen Herzmuskel exprimieren
auch ventrikuläre Muskelzellen natriuretische Peptide.
N. sympathicus
N. vagus
Ganglion
cervicale superius
N. cardiacus superior
Dieses fetale Muster der Genexpression findet sich auch im insuffizienten Herzmuskel wieder. Deshalb wird häufig die ventrikuläre Expression von ANP, hauptsächlich aber von BNP als
molekularer Marker der Herzinsuffizienz verwendet.
Ganglion
cervicale medium
Ganglion stellatum
N. cardiacus medius
N. recurrens
é
Herz und Kreislauf arbeiten in enger hämodynamischer Kopplung. Der venöse Rückstrom bestimmt die Füllung und vermittelt
über den Frank-Starling-Mechanismus auch
die Auswurfleistung des rechten Herzens.
Rechter und linker Ventrikel sind ebenfalls
über den Frank-Starling-Mechanismus gekoppelt, so dass der venöse Rückstrom indirekt auch das Schlagvolumen des linken Herzens mitbestimmt. Ein akuter Effekt von Orthostase ist die Reduktion des venösen Rückstroms.
N. cardiacus inferior
Ganglion cardiacum
Plexus
cardiacus superficialis
Plexus
cardiacus profundus
Plexus
coronarius sinister
Plexus
coronarius dexter
p
p
A
6.10
Innervation des Herzens
a
PH
Anatomie. Das Herz wird von sympathischen und parasympathischen Anteilen des autonomen Nervensystems innerviert (Abb. 6-26, Kap. C-4). Die Zellkörper der präganglionären sympathischen Fasern liegen im zweiten bis vierten Thorakalsegment (Th2±Th4) des Rückenmarks. Die Zellkörper
des zweiten efferenten Neurons liegen zum gröûten Teil in
den Ganglien des Grenzstrangs, von denen sie in Form gebündelter Herznerven, Nn. cardiaci, zum Plexus cardiacus
ziehen. Diese postganglionären Neuronen erreichen alle Substrukturen des Herzens und seiner Gefäûe. Insbesondere werden Sinus- und AV-Knoten sowie das ventrikuläre Erregungsleitungssystem, das Arbeitsmyokard von Ventrikeln
und Vorhöfen und das Koronarsystem sympathisch innerviert. Aus axonalen Verdickungen, den so genannten Varikositäten, setzen die postganglionären Neurone Überträgerstoffe frei. Der wichtigste Überträgerstoff ist das Noradrenalin.
Viele setzen auch Neuropeptid Y (NPY) frei. NPY wirkt vasodilatierend und kontraktionskraftsteigernd, da es in Glattmuskelzellen und Herzmuskelzellen rezeptorvermittelt die
Adenylatcyclase aktiviert.
Das Herz wird auch durch parasympathische Fasern des
N. vagus innerviert. Die Vagusfasern des ersten efferenten
Neurons der Rami cardiaci des N. vagus entstammen dem
Nucleus dorsalis des N. vagus in der Medulla oblongata. Die
meisten parasympathischen Fasern verlaufen zum Sinusund AV-Knoten und zur Muskulatur der Vorhöfe. Spärlicher
174
Sympathikus
l l l Das Herz wird durch sympathische
Herznerven und durch den N. vagus
innerviert
Kapitel C-6 Herz
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N. vagus
Sinusknoten
Vorhofmyokard
AV-Knoten
Kammerschenkel
Kammermyokard
Koronarterien
b
Abb. 6-26. Autonome Innervation des Herzens. (a) Makroskopischer Verlauf der Herznerven. (b) Schema der Innervation einzelner Herzstrukturen durch sympathische Herznerven oder den
N. vagus
kommen sie auch an ventrikulären Blutgefäûen und sehr selten im ventrikulären Myokard vor. Der wichtigste Überträgerstoff des zweiten Neurons ist Acetylcholin. Es werden aber
auch andere Überträgerstoffe (z. B. vasoaktives intestinales
Polypeptid (VIP) und Substanz P) in vagalen Nervenendigungen des Herzens gefunden, deren physiologische Funktion in
dieser Lokalisation unklar ist. Sympathische und parasympa-
thische Nervenfasern bilden auûerhalb des Herzbeutels am
oberen Gefäûpol des Herzens ein dichtes Geflecht, den Plexus
cardiacus.
l l l Die sympathische Innervation
steigert die Herzfunktion auf Vorhofund Ventrikelebene (Frequenz-,
Kraftsteigerung), Innervation durch den
N. vagus antagonisiert die sympathischen
Vorhofwirkungen (Frequenzsenkung)
Funktionelle Effekte. An den Schrittmachern steigert der
Sympathikus die Spontanfrequenz (positiv chronotrope Wirkung). Die Fortleitung der Erregung im Erregungsleitungssystem wird beschleunigt (positiv dromotrope Wirkung), was
sich besonders deutlich im AV-Knoten auswirkt. Im Bereich
der Vorhof- und Kammermuskulatur steigert der Sympathikus die Kraftentwicklung unabhängig von der Vordehnung
(positiv inotrope Wirkung). Die Relaxation des Herzmuskels
wird ebenfalls beschleunigt (positiv lusitrope Wirkung).
Durch direkte und indirekte Effekte erweitert Sympathikusstimulation auch das Koronarsystem (vasodilatatorische Wirkung). Am Herzen wirkt der Sympathikus vor allem über bAdrenorezeptoren (Abschn. C-4.1). Ein Teil der inotropen
Wirkung am Herzen wird auch über a-Adrenorezeptoren
(Abschn. C-4.1) vermittelt. Bei einer zentralen Sympathikusaktivierung kommt es nicht nur über die lokale Freisetzung
von Noradrenalin zu den genannten Wirkungen auf das
Herz. Eine zentrale Aktivierung des Sympathikus stimuliert
auch die Freisetzung von Adrenalin aus dem Nebennierenmark. Dieses auf dem Blutweg zum Herzen transportierte
Neurohormon unterstützt die lokale Wirkung des Sympathikus. Adrenalin hat bei gleicher Konzentration eine stärkere
Wirksamkeit als Noradrenalin auf b-Adrenorezeptoren und
eine geringere auf a-Adrenorezeptoren. Die lokale Wirkung
von Noradrenalin auf b-adrenerg vermittelte Effekte ist dennoch ausgeprägt, da es im Gewebe in hoher Konzentration
freigesetzt wird. Entsprechend seiner begrenzten Verteilung
ist die Wirkung des Parasympathikus fast ausschlieûlich auf
die Strukturen des Vorhofs begrenzt. Hier wirkt er negativ
chronotrop am Sinusknoten, negativ inotrop an der Vorhofmuskulatur und negativ dromotrop am AV-Knoten. Die Wirkung wird über so genannte muscarinische Rezeptoren für
Acetylcholin an den Zielzellen vermittelt.
l l l Im Herzen befinden sich auch
sensorische Nervenendigungen
für die Schmerzrezeption
Schmerzempfindungen aus dem Herzen. Im Myokard und
an den Koronargefäûen finden sich auch sensorische Nervenfasern, die auf unterschiedliche chemische Reize ansprechen. Sie verlaufen afferent mit den sympathischen Herznerven oder mit den Ausläufern des N. vagus. Mit den sympathischen Nerven verlaufen die chemosensitiven Afferenzen
zum Rückenmark, die Schmerzempfindungen im Herzen,
z. B. bei Myokardischämie oder Myokardinfarkt, vermitteln.
Das bei Ischämie freigesetzte Adenosin stellt einen wichtigen
chemischen Schmerzauslöser dar. Diese nozizeptiven kardialen Afferenzen konvergieren im Tractus spinothalamicus des
Rückenmarks mit somatosensorischen Afferenzen aus der
Brustwand, der Schulter und dem Arm der linken Körperseite. Dies erklärt vermutlich, warum vom Herzen ausgelöste
Schmerzempfindungen häufig in diesen Körperregionen lokalisiert werden (Head-Zonen; Abschn. B-11.4, C-4.4).
é
6.11
Das Herz wird sympathisch und parasympathisch innerviert. Sympathisch innerviert
sind das Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystem, das Vorhof- und Ventrikelmyokard sowie das Koronarsystem. Parasympathisch innerviert ist nur der Vorhof mit Sinusknoten und AV-Knoten. Sympathische
Innervation wirkt positiv chronotrop, dromotrop, inotrop und lusitrop. Parasympathische Innervation wirkt im Vorhof negativ
chronotrop und dromotrop. Im Herzen finden sich auch sensorische, chemosensitive
Nervenfasern. Solche Afferenzen aus dem
Myokard können bei Myokardischämie
Schmerzempfindungen vermitteln.
Pathophysiologie
des insuffizienten Herzens
PH
l l l Ein Versagen der physiologischen
Pumpfunktion, die so genannte
Herzinsuffizienz, geht meist mit einer
Ventrikeldilatation einher
Ursachen und Progredienz. Herzinsuffizienz ist in den westlichen Industrieländern statistisch betrachtet die häufigste
Todesursache. Herzinsuffizienz, d. h. ein Versagen der Pumpfunktion unter physiologischen Belastungsbedingungen,
kann eine Vielzahl von Ursachen haben. Funktionell versagen kann sowohl die linke als auch die rechte Herzkammer.
Drei wichtige Gruppen von Ursachen sollen hier genannt
werden:
1. Myokardiale Zellschädigung durch ischämische oder entzündliche Prozesse. Ursachen, die direkt die myokardiale
Zellfunktion stören, reduzieren die Inotropie, häufig wirken sie auch proarrhythmogen. Ein Ventrikel mit reduzierter Inotropie dilatiert. Unter Umständen erlaubt dies
eine partielle Kompensation der Pumpfunktion durch den
Frank-Starling-Mechanismus, der energetische Wirkungsgrad des Ventrikels wird allerdings ungünstig beeinflusst.
2. Lang anhaltende Druckbelastung. Eine lang anhaltende
Druckbelastung der Ventrikel entsteht bei pulmonaler
oder systemischer Widerstandserhöhung, meistens aufgrund chronischer Gefäûerkrankungen. Das Myokard antwortet in der Regel mit einer Hypertrophie der Ventrikelmuskulatur. Dies stellt zunächst einen Vorgang der Adaptation dar. Insuffizienz tritt auf, wenn das Ventrikelwachstum mit der Druckbelastung nicht Schritt hält.
6.11 Pathophysiologie des insuffizienten Herzens
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p
175
3. Chronische Volumenbelastung. Bei Störungen der
Schlieûfunktion der Herzklappen kommt es zu pendelnden Blutvolumina und zur Volumenüberlastung der Ventrikel. Durch Erhöhung des diastolischen Volumens wird
dem Herzen eine energetisch ungünstige Geometrie aufgezwungen.
Funktionell unterscheidet man zwischen systolischem und diastolischem Herzversagen. Als systolisches Herzversagen bezeichnet man eine Einschränkung der systolischen Auswurfleistung
des Herzens, d. h. eine Einschränkung des Schlagvolumens.
Diastolisches Herzversagen bezeichnet eine Einschränkung der
Herzentleerung, was zu einem Anstieg der diastolischen Füllungsdrücke führt.
Bei Widerstandserhöhung im Ausflusstrakt, d. h. bei Erhöhung
der Nachlast, erhöht sich die systolische Wandspannung im Herzen, da jetzt ein gröûerer mittlerer Druck (p) zur Austreibung des
Schlagvolumens aufgebracht werden muss. Nach dem LaplaceGesetz (s ˆ p r/2 d; Abschn. C-6.7) kann die Wandspannung (s)
normalisiert werden, wenn die Wanddicke (d) ohne Vergröûerung des Ventrikelradius (r) zunimmt. Eine solche konzentrische
Hypertrophie wird in der Regel in Frühstadien der Drucküberlastung beobachtet. Für die Herzökonomie bleibt die Wachstumszunahme aber nicht ganz folgenlos, da die erhöhte Steifheit
eines hypertrophierten Ventrikels auch schon erhöhte Füllungsdrücke bedingt. Überschreitet das Herz (normal ca. 300 g) ein
Gewicht von etwa 500 g (kritisches Herzgewicht), so kommt es
in der Regel zu einer zunehmenden Dilatation. Diese ist mit einer
Radiusvergröûerung des Ventrikelcavums und mit einer Ausdünnung der Wand durch die Verschiebung von Gewebsschichten (Gefügedilatation) verbunden. Beide Veränderungen erhöhen die Wandspannung. Die erhöhte endsystolische Restfüllung
des Herzens bedingt einen Anstieg des diastolischen Füllungsdrucks. Auf diese Weise wird im zeitlichen Mittel die Wandspannung in der Diastole erhöht, was einer normalen Koronarperfusion entgegensteht. Es entwickeln sich daher zunehmend ischämische Gewebsschäden, die den Prozess des Organversagens
weiter beschleunigen. Volumenüberlastungen des linken Herzens führen sehr viel früher in eine solche dilatative Phase, sie
rufen deshalb auch schneller eine manifeste Insuffizienz hervor.
Nach Myokardinfarkt kommt es häufig zu einer völlig ungleichmäûigen Formveränderung des Ventrikels. Die Narbenareale
werden durch den intraventrikulären Druck zunehmend gedehnt, während das verbleibende vitale Myokard hypertrophiert.
Insgesamt resultiert eine ungünstige Geometrie, die ebenfalls in
eine Gesamtdilatation des Ventrikels mündet. Prozesse, die mit
einer zunehmend ungünstigen Ventrikelgeometrie verbunden
sind, nennt man im klinischen Sprachgebrauch Remodeling.
Unabhängig von der konkreten auslösenden Ursache ähneln
sich die terminalen Stadien der Herzinsuffizienz häufig sehr.
Mechanische oder humorale Faktoren beeinflussen im Laufe des
Krankheitsgeschehens die Herzmuskelzellen so, dass sie ihren
normalen Phänotyp verändern. Typischerweise treten Veränderungen in der Expression von Genen auf, die die cytosolische
Calciumkontrolle beeinflussen. Ein Beispiel ist eine verminderte
Expression der Ca2+-ATPase des sarkoplasmatischen Reticulums
(SERCA). Andere Veränderungen betreffen die Expression von
Genen für Proteine des kontraktilen Apparats. Häufig finden
sich Gene und Isoformen von Genen exprimiert, die für die Fetalentwicklung charakteristisch sind (z. B. die Gene von ANP,
BNP im ventrikulären Myokard). Zum Teil als Folge einer veränderten Genexpression, aber auch durch direkte Zellschädigung
kommt es zu Störungen der elektromechanischen Kopplung, der
kontraktilen Aktivierung sowie der Relaxation. Diese zellulären
Veränderungen beschleunigen die Entwicklung der Insuffizienz.
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Kapitel C-6 Herz
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l l l Die Therapie des insuffizienten Herzens
versucht vor allem, die Ventrikeldilatation
zu begrenzen
Therapeutisches Eingreifen und Kompensationsmechanismen.
Die therapeutische Intervention zielt in erster Linie darauf ab,
die auslösende Ursache eines Herzversagens zu beseitigen (z. B.
Senkung von Bluthochdruck, Korrektur eines Klappenfehlers).
Oft ist dies aber nicht möglich. Dann muss therapeutisch versucht werden, die Progredienz der Ventrikeldilatation aufzuhalten. Kurzfristig kann man eine Verkleinerung des Ventrikels
durch eine positiv inotrope Stimulation erreichen. Klinische Studien haben aber gezeigt, dass dies in der langfristigen Therapie
das Überleben der Patienten nicht verbessert. Für die langfristige
Therapie scheint es entscheidend zu sein, die zelluläre Wachstumsstimulation zu begrenzen. Hier greifen z. B. Hemmstoffe des
Angiotensin-Converting-Enzyms (ACE) ein, da diese die Bildung
des Wachstumsfaktors Angiotensin II hemmen. (Angiotensin ist
ein vasokonstriktorisches Peptid, das auch das hypertrophierende Wachstum von Gefäûen und Herz begünstigt; Abschn. C7.11.)
é
Eine Einschränkung der physiologischen
Pumpfunktion des Herzens, d. h. Herzinsuffizienz, ist häufig die Folge von Myokardischämie, Druck- oder Volumenbelastung
des Herzens. Der insuffiziente Ventrikel akkumuliert zunehmend diastolisches Volumen, ohne den Frank-Starling-Mechanismus
nutzen zu können. Als Folge dilatiert er.
Ventrikeldilatation verschlechtert die metabolische Ökonomie und leistet einer Progredienz der Insuffizienz weiter Vorschub.
Im insuffizienten Herzen ändert sich die
Genexpression. Auch dies trägt zur Progredienz bei.
USB
dA
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Das Herz ist eine beeindruckend leistungsfähige und langlebige biologische Pumpe. Im Laufe eines
70-jährigen Lebens kontrahiert es sich 2±3 Milliarden Mal. Dies wird über die Lebensspanne von den
immer gleichen Herzmuskelzellen durchgeführt, da diese sich nicht mehr teilen. Veränderung der
Zellfunktion durch unphysiologische mechanische Dauerbelastung, etwa bei Druck- oder Volumenbelastung des Herzens, durch Zellverlust, wie beim Myokardinfarkt, oder durch Störungen der elektrischen Herzerregung sind die häufigsten Ursachen für lebensbedrohliche Herzerkrankungen. Erkrankungen des Herzens gehören neben den Krebskrankheiten zu den häufigsten Todesursachen in den
Industrieländern. In den meisten Fällen leitet sich ein Verständnis der Pathophysiologie von Herzerkrankungen und der therapeutischen Eingriffsmöglichkeiten unmittelbar aus den physiologischen
Grundprinzipien ab.
6.11 Pathophysiologie des insuffizienten Herzens
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