Allgemeine Information zur transkornealen Elektrostimulation Für die meisten degenerativen Netzhaut- und Sehnervenerkrankungen existiert bislang keine zufriedenstellende Therapie, welche den Degenerationsverlauf umkehren oder auch nur aufhalten kann. Als Folge erblinden jährlich weltweit einige Millionen Menschen –allein in Deutschland leben beispielsweise 30-40.000 Patienten mit Retinitis pigmentosa. Seit einigen Jahren wird verstärkt versucht, elektrische Ströme zur Wiederherstellung verloren gegangener neuronaler Funktion oder zur Verlangsamung einer üblicherweise fortschreitenden Degeneration therapeutisch einzusetzen. Forschungen zeigten zweifelsfrei einen zellerhaltenden Effekt transkornealer Elektrostimulation (EST) auf absterbende Netzhautzellen. Wie funktioniert die Elektrostimulation? Die Wirksamkeit von Elektrostimulation bei Augenerkrankungen verschiedener Ursache ist bisher sehr eindrücklich in zahlreichen Tierversuchen belegt worden. Der Effekt der Elektrostimulation wird auf die Aktivierung mehrerer neuroprotektiver Systeme und Faktoren zurückgeführt – insbesondere das insulin-like growth factor-1System, eine erhöhte Ausschüttung von fibroblast growth factor-2, B-Zelllymphoma2 Protein, des ciliary neurotrophic factor (CNTF) und des brain derived neurotropic factor. Bisherige Erfahrungen mit der transkornealen Elektrostimulation bei Patienten mit Retinitis pigmentosa Die positiven Ergebnisse aus den Tierversuchen konnten bisher auch am Menschen reproduziert werden. Eine durch die Arbeitsgruppe Elektrostimulation des Departments für Augenheilkunde unter Leitung von Prof. Florian Gekeler durchgeführte Pilot-Studie mit 24 an Retinitis pigmentosa erkrankten Patienten konnte die Sicherheit der transkornealen EST und positive Effekte zeigen. Es wurden in dieser Studie 24 Patienten mit einer relativ frühen Form klassischer Stäbchen-Zapfen-Dystrophie (Retinitis pigmentosa) eingeschlossen. Um auch eine objektive Untersuchung zu ermöglichen, beinhalteten die Einschlusskriterien unter anderem eine auswertbare Elektroretinographie und Gesichtsfelduntersuchung, sowie eine Sehschärfe zwischen 0,02 und 0,9. Die Patienten wurden zufällig einem von 3 Studienarmen zugeteilt: 1. Scheinstimulation mit Anlage der Elektrode jedoch ohne Stromfluss, 2. Stimulation mit 66 % der individuell ermittelten elektrischen Phosphenschwelle, 3. Stimulation mit 150 % der individuellen Phosphenschwelle (8 Patienten pro Gruppe). (Die sogenannte Phosphenschwelle ist die Stromstärke, bei der Lichtblitze im Auge entstehen. Sie ist bei jedem Menschen etwas unterschiedlich.) Die Stimulation wurde mittels DTL-FaserElektroden einmal wöchentlich für 30 min in 6 aufeinander folgenden Wochen durchgeführt. Die Kontrolluntersuchungen beinhalteten subjektive Parameter Allgemeine Information zur transkornealen Elektrostimulation, STZ eyetrial, Version vom 15.11.2011 1 (Sehschärfe, statisches und kinetisches Gesichtsfeld, Zapfen- und StäbchenEndschwelle, Farbsinnuntersuchungen) und objektive Parameter (Ganzfeld- und multifokale Elektroretinographie, optische Kohärenztomographie). In der Gruppe der Patienten, die mit 150 % ihrer Schwelle stimuliert wurden, blieben 8 der 18 untersuchten Parameter konstant, weitere 8 zeigten eine deutliche , statistisch aber nicht signifikante Tendenz zur Besserung. Die Fläche des Gesichtsfeldes (Goldmann III/4e) und die skotopische b-Wellen-Amplitude besserten sich signifikant. In der Gruppe der mit 66 % stimulierten Patienten und bei den scheinstimulierten Patienten zeigte sich keine Tendenz. Unerwünschte Ereignisse betrafen Symptome des trockenen Auges nach der Stimulation; schwerwiegendere unerwünschte Ereignisse traten nicht auf. Die Ergebnisse dieser weltweit ersten wissenschaftlichen Kriterien genügenden Studie sind ermutigend aber in ihrer Aussagekraft noch begrenzt, da die positiven Ergebnisse nach nur 6-wöchiger Stimulation gefunden wurden. Weiterführende Studien mit einer deutlich höheren Patientenzahl und über einen deutlich längeren Zeitraum hinweg müssen nun klären, ob dieser Effekt auch über einen längeren Zeitraum anhält und sich ggf. verstärkt aber auch, ob eventuell bisher nicht beobachtete Nebenwirkungen auftreten. Daher führen wir derzeit eine länger dauernde Folgestudie an einem größeren Patientenkollektiv durch, um herauszufinden, ob die Elektrostimulation am Auge den Krankheitsverlauf bei RP auch bei länger dauernder Anwendung verlangsamen oder stoppen kann und welche Dosis hierfür am besten geeignet ist. Auf Wunsch senden wir Ihnen gerne eine Kopie unserer Veröffentlichung zu. Derzeit laufende Studien zur Therapie mit transkornealer Elektrostimulation EST2 In die EST2 genannte Studie werden 60 Patienten mit Retinitis pigmentosa eingeschlossen. Für die Dauer von einem Jahr werden die Probanden einmal wöchentlich für 30 Minuten, teils zu Hause, teils in der Klinik, stimuliert. Die Patienten werden in drei Gruppen unterteilt. Eine Gruppe soll mit 150 % der Stromstärke der Wahrnehmungsschwelle stimuliert werden; eine weitere Gruppe mit 200 %. Die dritte Gruppe soll nur eine Scheinstimulation erhalten. Die Scheinstimulation dient als Kontrolle; nur hierdurch kann eine tatsächliche Wirksamkeit der Elektrostimulation zweifelsfrei nachgewiesen werden. Da Retinitis pigmentosa eine sehr langsam fortschreitende Erkrankung ist, entstehen für Patienten sehr wahrscheinlich praktisch keine Nachteile, falls sie in der Gruppe mit Scheinstimulation eingeteilt werden. Nach Abschluss der Stimulation kann bei entsprechendem Studienergebnis eine regelmäßige Elektrostimulation angeboten werden. Die Zuteilung zu einer der drei Gruppen geschieht nach dem Zufallsprinzip. Allgemeine Information zur transkornealen Elektrostimulation, STZ eyetrial, Version vom 15.11.2011 2 Die Studie wird finanziert von der Firma Okuvision GmbH, Reutlingen. Die Teilnahme an dieser Studie ist mit keinen Kosten verbunden, ein Honorar wird nicht bezahlt. Für wen kommt eine Studienteilnahme in Frage (Auszug aus dem Prüfplan der Ethikkommission der Universität Tübingen): - einwilligungsfähige, erwachsene Patienten mit Retinitis pigmentosa (StäbchenZapfen-Dystrophie) Sehschärfe von 0,02-0,9 auswertbare Gesichtsfelduntersuchung auswertbare elektroretinographische Antworten Kontakt Wenn Sie an einer Teilnahme an der Studie EST II in Tübingen interessiert sind, wenden Sie sich an das Info-Center: Tel.: 07071 29-87423 Fax: 07071 295-021 E-Mail: [email protected] oder direkt an die Prüfärzte unter Tel.: 0175 26 21 660. Daneben beginnt in Kürze eine offene Anwendungsbeobachtung mit dem Titel „TESOLA“. Offen heißt in diesem Zusammenhang, dass jeder Patient stimuliert wird und zwar mit der in der ersten Studie wirksamen Dosierung. Diese Anwendungsbeobachtung wird an mehreren Augenkliniken durchgeführt. Die Stimulation in beiden, derzeit laufenden Projekten findet mit dem System OkuStim® der Firma Okuvision GmbH statt (www.okuvision.de). Sowohl EST II als auch TESOLA werden von der Okuvision GmbH finanziell unterstützt. Wenn Sie sich für die Teilnahme interessieren, beachten Sie bitte die im Folgenden beschriebenen Unterschiede. TESOLA Zusätzlich wird eine Anwendungsbeobachtung mit dem Namen TESOLA zur Sicherheit der Elektrostimulation an mehreren Augenkliniken in Deutschland und Nachbarländern durchgeführt. Diese Anwendungsbeobachtung erfasst Patienten, denen die Elektrostimulation fachärztlich verordnet wurde. Beobachtungen zur Sicherheit der Elektrostimulation an 100 Patienten mit Retinitis pigmentosa sollen ausgewertet werden. Alle Patienten werden mit 150 % der Allgemeine Information zur transkornealen Elektrostimulation, STZ eyetrial, Version vom 15.11.2011 3 Stromstärke der Wahrnehmungsschwelle für die Dauer von 6 Monaten einmal wöchentlich für 30 Minuten stimuliert. Dies ist die gleiche Stromstärke, die in der ersten Studie bei einer sechswöchigen Anwendung erfolgversprechend war. Wer kann in die Anwendungsbeobachtung TESOLA aufgenommen werden? - einwilligungsfähige, erwachsene Patienten mit Retinitis pigmentosa (StäbchenZapfen-Dystrophie) - Sehschärfe von 0,02 oder besser Für wen kommt eine Teilnahme an EST II und TESOLA nicht in Frage Patienten mit folgenden Erkrankungen sind für beide Vorhaben nicht geeignet: - andere Netzhautdegenerationen als Retinitis pigmentosa - altersbedingte Makuladegeneration - Makulaödem (Wasseransammlung unter der Netzhaut) - Netzhautdurchblutungsstörungen - Netzhautveränderungen bei Zuckerkrankheit (diabetische Retinopathie) - Netzhautablösung - Glaukom (sog. Grüner Star) - Hornhautdegeneration Kontakt Die folgenden Kliniken und Prüfärzte sind derzeit an einer Einbindung in TESOLA interessiert. Wenn Sie teilnehmen möchten, wenden Sie sich am besten an ein Zentrum und die verantwortlichen Ärzte in Ihrer Nähe: Department für Augenheilkunde, Tübingen, Prof. Dr. med. Florian Gekeler Dr. med. Johanna Pach, [email protected] Marya Gosheva, [email protected] Universitäts-Augenklinik Bonn Prof. Dr. med. Frank Holz, Prof. Dr. med. Peter Charbel Issa [email protected] Sankt Gertrauden-Krankenhaus Berlin Prof. Dr. med. Klaus Rüther [email protected] Zentrum für seltene Netzhauterkrankungen, AugenZentrum Siegburg, MVZ ADTC Siegburg GmbH Prof. Dr. U. Kellner, Frau Silke Weinitz, [email protected] Allgemeine Information zur transkornealen Elektrostimulation, STZ eyetrial, Version vom 15.11.2011 4 Universitäts-Augenklinik Regensburg Prof. Dr. med. Herbert Jägle [email protected] Augenklinik Merheim, Köln Prof. Dr. med. Norbert Schrage [email protected]; [email protected] Tel.: 0221 8907-3809 Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde, Justus-Liebig-Universität Gießen, UKGM Standort Giessen Prof. Dr. med. Birgit Lorenz [email protected] ; [email protected]; Tel.: 0641 9854-3803 (Frau Kerstin Lenz, Studiensekretariat ) Department of Ophthalmology, Glostrup Hospital and Kennedy Center - National Eye Clinic, University of Copenhagen , Dänemark Prof. Dr. Michael Larsen [email protected] [email protected] University of Copenhagen Department of Ophthalmology, Oslo University Hospital, Ragnheiður Bragadóttir MD. PhD Associate professor, Josephine Prener MD [email protected] Tel.: +47 221 18546 Fax: +47 221 19989 Oxford Eye Hospital, Oxford University Hospitals NHS Trust, Oxford OX3 9DU Prof. Robert MacLaren [email protected] Tel.: +441865 234796 (Büro) oder +441865 231578 (Klinik) Von uns verwendetes Stimulationsgerät Die Stimulation in den beiden derzeit laufenden Studien findet mit dem System OkuStim® der Firma Okuvision GmbH statt (www.okuvision.de) statt. Dieses Gerät berücksichtigt alle in der Vorstudie erarbeiteten Parameter. 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