Pädiatrische Neurochirurgie von Priv.-Doz. Dr. med. K.H. Krähling (1947 – 1999) Ehemaliger Leiter der Pädiatrischen Neurochirurgie an der Westfälischen Wilhelms-Universität aktualisiert von H.W. Bothe (2002) und A. Brentrup (2005) Fehlbildungen des Zentralnervensystems (dysraphische Störungen) Ursache: Verschlussstörungen des Neuralrohres zwischen dem 18. und 24. Schwangerschaftstag. Deshalb liegen ontogenetisch entstandene Verschlussstörungen immer dorsal in der Mittellinie. Häufig lumbosacral, aber auch am Kopf. Schwere Fehlbildungen sterben noch während der Schwangerschaft und werden nicht lebend geboren. Formen: Sackartige Vorwölbungen der ebenfalls veränderten Haut (Zelen). Je nach Inhalt der Vorwölbung werden diese als Meningozelen oder Myelomeningozelen bezeichnet oder im Bereich des Kopfes als Enzephalozelen. Das Rückenmark und die Cauda equina kann in unterschiedlicher Weise von der Fehlbildung betroffen sein. Klinisch unterschiedliche Ausprägung neurologischer Herdsymptomatik bis hin zur Querschnittlähmung. Okkulte Dysraphien zeigen eine Einsenkung oder Vorwölbung der Haut mit auffälliger Behaarung. Dermalsinus: Puktförmige Öffnung an der Haut, teilweise mit Verbindung zum intraspinalen Kompartiment (dann dringend OP bedürftig, da Gefahr der Infektion wie zum Beispiel Meningitis). Therapie: Operation baldmöglichst nach der Geburt (oder in Zukunft pränatal-endoskopisch): Versorgung de Zele, Rückverlagerung des Nervengewebes in den Spinalkanal, Mobilisierung des fixierten Rückenmarkes, Rekonstruktion des Myelons und der Dura, Verschluss des Spinalkanals mit Faszie, Deckung des Defektes mit intakter Haut aus der Umgebung. Komplikationen: In 60 – 80% besteht gleichzeitig ein Hydrozephalus, oftmals auch eine Fehlbildung der hinteren Schädelgrube (z.Β. Arnold-Chiari-Malformation). Verlauf: Interdisziplinäre Weiterbehandlung in Zusammenarbeit mit Urologe (Blasenfüllung und Blasenentleerung gestört), Nephrologie (durch Blasenstörung Infektion von Harnleiter und Nierenbecken), Orthopädie (Korrektur und Prothesenversorgung der meist fehl gebildeten Füße und Beine, Herstellung von Sitz-, Geh- und Stehfähigkeit), Krankengymnastik und Neurochirurgie. Spätkomplikationen: Fixierung des Rückenmarkes im Conusbereich (ehemaliger OP Bereich) oder der Cauda equina im Spinalkanal: Die wachstumsbedingte Aszension des Rückenmarkes findet nicht statt: Tethered-cord Syndrom mit Sensibilitätsstörungen, Schmerzen, Lähmungen, Blasenstörungen: Operatives releasing des fixierten Rückenmarkes indiziert. Hydrozephalus internus occlusus und communicans aresorptivus -2- Anatomie und Pathophysiologie: Vier Ventrikel (innere Liquorräume) sind verbunden durch die Foramina Monroi uns den Aqueductus cerebri (= Engstellen, Liquorpassagestörungen). Liquor wird in allen Ventrikel im Plexus choroideus produziert (Liquorproduktion wird im Gegensatz zum Liquordruck in engen Grenzen konstant gehalten: 20 – 30 ml/h oder etwa 500 ml/d beim Erwachsenen). Der Liquor verlässt die inneren Liquorräume über die Foramina Luschkae des 4. Ventrikels. Er wird in den äußeren Liquorräumen über die Pacchionischen Granulationen resorbiert. Engstellen können bei Verschluss (z.B. durch Blut, Tumor, Verklebung nach Endzündung) zu Passagestörungen führen: Hydrozephalus internus occlusus. Bei Resorptionsstörungen im Bereich der Pacchionischen Granulationen (z.B. durch subarachnoidales Blut) entsteht ein Hydrozephalus communicans aresorptivus mit Erweiterung der inneren und äußeren Liquorräume. Therapie: Herstellung eines Liquorabflusses in ein Liquor resorptionsfähiges Kompartiment. Ventrikulo-peritonealer Shunt: Ableitung des Liquors in die Bauchhöhle (Resorptionsfähigkeit des Peritoneums ist gegeben ab einem Mindestgewicht des Säuglings von 2500 g). In Ausnahmefällen (z.B. bei peritonealer Narbenbildung) wird der Liquor n den rechten Vorhof über die obere Hohlvene abgeleitet (Nachteil: Verschlussgefahr des distalen Katheteranteils durch Thrombenbildung, Endokarditisgefahr!). Den Liquorabfluss regelt ein in das Schlauchsystem integriertes Ventil, welches bei einem voreingestellten Öffnungsdruck den Liquorabflussweg öffnet und bei einem niedriger liegenden Verschlussdruck den Abflussweg wieder verschließt. Komplikationen: Infektion und Verstopfung des Drainagesystems. Bei Frühgeborenen bis zu 50% Komplikationen. Bei älteren Kindern deutlich weniger Probleme. Besonderheiten: Durch Wachstum des Kindes wird der Drainageschlauch zu kurz. Der distale Schenkel des Katheters (der z.B. aus dem Bauchraum durch Wachstum herausgerutscht ist) muss verlängert werden, etwa nach 4-6 Jahren. Ein Hydrozephalus internus occlusus (z.B. bei Aquäduktverschluss) kann bei erhaltener Resorptionsfähgkeit mit Hilfe einer endoskopische durchgeführetn Ventrikulostomie behandelt werden: Endoskopische Öffnung des Bodens des 3. Ventrikels. Dadurch Abfluss des Liquors in die äußeren Liquorräume unter Umgehung des Aquäduktes und des 4. Ventrikels. Resorption des Liquors in den äußeren Liquorräumen auf natürlichen Weg über die Pacchionischen Granuationen.