www.neurologos.de Diagnostik und Therapie von Apraxien Stefanie Schulz copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 1 Diagnostik und Therapie von Apraxien Vorüberlegungen Definition der Apraxie Apraxieformen Imitationsstörung Störung kommunikativer Gesten Störung von Objekt- und Werkzeuggebrauch buccofaziale Apraxien Diagnostik und Behandlung einer schweren Apraxie: Patientenbeispiel Sprechapraxien copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 2 Diagnostik und Therapie von Apraxien Vorüberlegungen: warum sollen wir als LogopädInnen Apraxien diagnostizieren und behandeln? Apraxien treten sehr häufig auf Patienten können nur dann eine optimale Therapie bekommen, wenn wir ihr Störungsbild als Ganzes erfassen unerkannt können sie zu Fehldiagnosen führen sie beeinflussen das gesamte Handlungsfeld der Patienten, also auch unsere Therapie sie beeinträchtigen somit unseren Therapieerfolg innerhalb der Aphasietherapie müssen wir adäquat auf Apraxien reagieren können, um dem Patienten entsprechende Hilfen anbieten zu können ……. copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 3 Apraxien- Definition Definition der Apraxie griechisch Apraxia= Untätigkeit nach Lippert Anatomie: Handlungsunfähigkeit im motorischen Bereich wobei die Muskeln nicht gelähmt sind, sondern der Betroffene keine sinnvolle Bewegung mehr mit ihnen ausführen kann Poeck et al: Apraxie ist eine Störung der sequentiellen Anordnung von Einzelbewegungen zu Handlungsfolgen, während die elementare Beweglichkeit erhalten ist copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 4 Apraxien- Definition Im „Dschungel der Apraxie“ leider gibt es im Bereich der Apraxien eine Vielzahl von Definitionen und definierten Sonderformen wie Gangapraxie oder konstruktive Apraxie, ideokinetische, ideomotorische und ideatorische Apraxie diese Begriffe werden selbst in der Fachwelt nicht einheitlich benutzt gängig ist die Unterscheidung: ideomotorische (ideokinetisch) und ideatorische Apraxie mittlerweile durch neue Forschungen umstritten und in Fachkreisen heftig diskutiert copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 5 Apraxien -Definition Definition der Apraxie zugrunde liegt die veraltete Modellvorstellung eines von im Gehirn von posterior (hinten) nach anterior (vorne) verlaufenden Stroms der Handlungskontrolle zugrunde. Je nachdem, wo dieser Fluss unterbrochen ist, wird von einer ideatorischen oder ideomotorischen Apraxie gesprochen Ideatorisch: Handlungsplan (Ideation= Bewegungsentwurf) nicht intakt aber Umsetzung in motorische Aktion möglich Ideomotorisch: Handlungsplan intakt aber Umsetzung in motorische Aktion fehlerhaft copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 6 Handlungsstrom nach Liepmann copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 7 Apraxien - Patientenbeispiel Dies ist im Therapiealltag kaum unterscheidbar, ein Beispiel: Frau Z . hatte vor ihrer Berentung ein Restaurant, das mittlerweile der Sohn übernommen hat, sie hilft immer noch aus, wenn es nötig ist. Sie soll nun einen Tisch für zwei Personen eindecken mit Besteck, Servietten, Tellern sowie Gläsern und Wasser einschenken. Sie stapelt alles wild auf dem Tisch, teilweise versucht sie die Gabeln aufzustellen (wie Gläser?) und legt die Gläser (wie Besteck?) oder sie räumt bereits Angebrachtes wieder vom Tisch. Teilweise nimmt sie die Objekte in die Hand und dreht und wendet sie und sieht die Therapeutin fragend an. War nun der Handlungsplan intakt oder war dieser schon betroffen? Hatte Frau Z. bei intaktem Plan evtl. so große Probleme bei der Umsetzung, dass sie immer wieder den Faden verlor? Oder beides? copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 8 Apraxien - Definition • sinnvoll ist eine Einteilung nach Lokalisationsort der Symptomatik: Apraxien der Gliedmaßen (Arme und/ oder Beine) Apraxien des Rumpfes Apraxien der Gesichtsmuskulatur: buccofaziale Apraxien Apraxien der Sprechorgane: Sprechapraxien alle Apraxieformen können logopädisch relevant sein wichtig: welche Folgen entstehen für den Patienten und die Therapie? copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 9 Apraxien nach Goldenberg (aus „Apraxien Fortschritte der Neuropsychologie“, Hogrefe) Apraxie als… Störung des Imitierens copyright S.Schulz Störung bei der Ausführung kommunikativer Gesten Regionalgruppe Immenstaad 2015 Störung des Werkzeugs- und Objektgebrauches 10 Apraxien nach Goldenberg (aus „Apraxien Fortschritte der Neuropsychologie“, Hogrefe) Apraxie als… Störung des Imitierens copyright S.Schulz Störung bei der Ausführung kommunikativer Gesten Regionalgruppe Immenstaad 2015 Störung des Werkzeugs- und Objektgebrauches 11 Apraxien- Störung der Imitation Alltagsrelevanz von Imitation spontanes Imitieren vs. bewusstes Imitieren spontanes Imitieren erfolgt ständig unbewusst im Alltag, wir ahmen z.B. den Gesichtsausdruck oder die Körperhaltung anderer Menschen nach und drücken somit Sympathie oder Zugehörigkeit aus bewusste Imitation ist ein wichtiges Lernprogramm, wir erwerben motorisches Wissen durch Imitation bewusste Imitation:“ sieh her und mach es nach“ copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 12 Apraxien- Störung der Imitation Störungsrelevanz im Alltag im Alltag fallen bei hirnorganisch betroffene Patienten kaum Beeinträchtigungen auf, da diese Prozesse ja unbewusst ablaufen aber: kennen Sie nicht alle die Patienten, bei denen Sie das Gefühl haben, sie sind nicht so richtig empathisch oder sie wirken häufig seltsam unbeteiligt oder haben ein irritierendes Verhalten in der Interaktion? könnte dies eine Form der fehlenden sozialen Imitation sein? copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 13 Apraxien- Störung der Imitation Störungsrelevanz in der Therapie wir fordern und brauchen Imitation therapeutisch bei… schlechtem Sprachverständnis: wir versuchen über Vor- und Nachmachen ein Aufgabenverständnis zu erreichen sprachlichen Gesten, welche sprachersetzend wirken sollen (Daumen hoch für „mir geht es gut“) sprachliche Gesten, welche eine Handlungen darstellen wie z.B. mit Zeige- und Mittelfinger eine Schere imitieren für „schneiden“ der Therapie von Fazialisparesen, Dysarthrien und Dysphagien, wenn wir Patienten Übungen vormachen bei der Therapie von Sprechapraxien, wenn wir dem Patienten artikulatorische Bewegungen vormachen copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 14 Apraxien- Störung der Imitation Störungsrelevanz in der Therapie bei der Hälfte aller Patienten mit Aphasie ist initial das Imitieren gestört, bei 50% bildet sich dies in den ersten drei Monaten komplett zurück Testung ist wichtig: bessere Auswahl therapeutischer Hilfen wird Imitation therapeutisch gebraucht, muss dies evtl. explizit beübt werden(siehe Patientenbeispiel später) sie ist kurz und aussagekräftig: machen Sie 3 einfache Gesten und eine Gestenfolge und lassen Sie dies jeweils imitieren copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 15 Apraxien nach Goldenberg (aus „Apraxien Fortschritte der Neuropsychologie“, Hogrefe) Apraxie als… Störung des Imitierens copyright S.Schulz Störung bei der Ausführung kommunikativer Gesten Regionalgruppe Immenstaad 2015 Störung des Werkzeugs- und Objektgebrauches 16 Apraxien- Störung kommunikativer Gesten Relevanz kommunikativer Gesten in unserem Alltag Gestenformen: Lexikalisierte Gesten: funktionieren wie Wörter einer Lautsprache und stehen als Symbol für etwas z.B. Nicken für „ja“ und Kopfschütteln für „nein“, eine allgemein bekannte Geste wird Emblem genannt Zeigegesten (Deixis) Ikonische Gesten: bilden die Wirklichkeit ab, indem sie z.B. den Umriss eines Objekts darstellen oder eine Handlung darstellen (Pantomime des Objektgebrauchs) copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 17 Apraxien- Störung kommunikativer Gesten Störungsrelevanz für den Patienten im Alltag Patienten haben eine oftmals erhebliche Beeinträchtigung im Alltag, da sie den Gebrauch kommunikativer Gesten nicht nutzen können, um sprachliche Defizite auszugleichen betroffen sein können so z.B. der Gebrauch des Emblems „Nicken und Kopfschütteln“, die gestische Darstellung einer Handlung, das Zeigen auf ein Objekt wie ein Glas Gesten können fehlerhaft sein oder ergeben für das Gegenüber keinen eindeutigen Sinn copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 18 Apraxien- Störung kommunikativer Gesten Störungsrelevanz in der logopädischen Therapie für die logopädische Therapie ist die Betrachtung von Störung der Imitation und Störungen bei der Ausführung von kommunikativen Gesten gemeinsam sinnvoll, da sie sich in der Therapie meist überschneiden: gelingt es einem Patienten nicht eine kommunikative Geste umzusetzen, geben wir die therapeutische Hilfe des Vormachens und fordern somit die Imitation es zeigen sich leider bei einer Störung der Imitation und der kommunikativen Gesten signifikant weniger Spontanremissionen: dranbleiben! copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 19 Apraxien- Störung kommunikativer Gesten Störungsrelevanz in der logopädischen Therapie die Pantomime des Objektgebrauches häufig schwerer betroffen, dies muss beim Gestentraining unbedingt berücksichtigt werden Pantomime des Objektgebrauches ist bei > 50% der aphasischen Patienten betroffen Störungen des realen Objektgebrauches sind seltener als Störungen der darstellenden Pantomime: in der Therapie kann das genutzt werden, indem die pantomimische Darstellung zuerst als reale Bewegung mit dem entsprechenden Gegenstand geübt wird copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 20 Apraxien- Störung kommunikativer Gesten Störungsrelevanz in der logopädischen Therapie Testung wichtig, denn therapeutisch genutzt werden kommunikative Gesten sehr häufig: Beispiele sind das Gestentraining oder die Mediationstechnik (= lautspezifische Gesten unterstützen den Abruf) Testung: verbale Aufforderung zur gestischen Darstellung Zeigen Sie, wie Sie einen Nagel einschlagen Zeigen Sie, wie Sie den Hund streicheln Zeigen Sie, wie Sie eine Zigarette rauchen ergänzend mit Bild oder Schriftkarte bei Störung des SV beobachten in Sprechsituation („echte“ Kommunikation“) copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 21 Apraxien nach Goldenberg (aus „Apraxien Fortschritte der Neuropsychologie“, Hogrefe) Apraxie als… Störung des Imitierens copyright S.Schulz Störung bei der Ausführung kommunikativer Gesten Regionalgruppe Immenstaad 2015 Störung des Werkzeugs- und Objektgebrauches 22 Apraxien- Störung von Objekt- und Werkzeuggebrauch Störungsrelevanz im Alltag natürlich hoch: Objekt- und Werkzeuggebrauch prägen unseren Alltag: Zähne putzen: Gebrauch der Zahnbürste Essen und Trinken: Gebrauch von Esswerkzeug Messer, Gabel, Löffel und anderen Kaffee kochen: Gebrauch der Kaffeemaschine Kleidung anziehen usw. allerdings zeigen Studien, dass Patienten im häuslichen Umfeld Objekte oft besser gebrauchen als in der Klinik oder im Therapieumfeld copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 23 Apraxien- Störung von Objekt- und Werkzeuggebrauch Störungsrelevanz in der logopädischen Therapie Umgang mit Mundspatel oder anderem Therapiematerial wie vibrotaktiles Stimulationsgerät in der Dysphagie- oder Paresentherapie (Fazialis- und Hypoglossusparesen) Umgang mit Besteck und Trinkwerkzeug in der Dysphagietherapie Umgang mit Bildkarten und Legen von Buchstabenplättchen Schreiben copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 24 Apraxien- Störung des Schreibens Unterscheidung in: aphasische Agraphie: sprachsystematische Störung, agraphische Probleme sind mehr oder minder ein schriftliches Abbild der Aphasie apraktische Agraphie: Schreibgerät wird nicht richtig verwendet, Buchstabenform kann nicht konstruiert werden, mit Buchstabenplättchen können Wörter zusammengefügt werden, wenn der Umgang mit diesen nicht durch eine Apraxie beeinträchtigt ist (aus „Neurologie mit Repetitorium“, De Gruyter Lehrbuch 1991, Hrsg. Walter Fröscher) in der Praxis: Patienten mit schwerer Aphasie und Apraxie Mischform copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 25 Apraxien- Störung des Schreibens Testung: kein beschriebener Test bekannt, daher Symptomanalyse: hohe apraktische Komponente Patient dreht und wendet den Stift und setzt ihn falsch auf Patient beginnt planlos eine „Form“ zu zeichnen, in der Hoffnung, dass ein erkennbarer Buchstabe herauskommt Patient kann besser Legen als Schreiben klassisch aphasische Fehler copyright S.Schulz Auslassungen von Graphemen Ersetzungen von Graphemen Regionalgruppe Immenstaad 2015 26 Apraxien- Störung des Schreibens Therapie bei apraktischer Agraphie/ hohen apraktischen Anteilen (meist Mischform) Schreiben zumindest bis Besserung der apraktischen Störung erreicht ist nicht häufig in der Aphasietherapie nutzen, da nicht zur Deblockierung geeignet zusätzlich Ergotherapie notwendig, welche hier speziell üben kann copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 27 Apraxien- buccofaziale Apraxien Definition nonverbale Störung Störung der Imitation mimischer Bewegungen (Goldenberg) Programmierungsstörung orofazialer Bewegungen (Ziegler) tritt bei ca 80 % aller aphasischen Patienten zumindest initial auf zeigt sich fast nur bei Imitation, wenig im Alltag bildet sich meist rasch zurück copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 28 Apraxien- buccofaziale Apraxien Therapierelevanz gering, da kaum Alltagsbeeinträchtigung und meist rasche Rückbildung Testung einfach: Imitation von Gesichtsbewegungen nur therapierelevant bei der Behandlung von Fazialis- und Hypoglossusparesen bei buccofazialer Apraxie Bewegungen so anleiten, dass sie als möglichst spontane und natürliche Bewegung abgerufen werden können: gemeinsam Lachen sanftes Anpusten zum Augenschluss Ekelgesicht copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 29 Diagnostik und Therapie von Apraxien Definition Apraxieformen Imitationsstörung Störung kommunikativer Gesten Störung von Objekt- und Werkzeuggebrauch buccofaziale Apraxien Patientenbeispiel Sprechapraxien copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 30 Patientenbeispiel Herr B. 72 Jahre alt, türkisch, sprach sehr gut deutsch vor Apoplex, lebt mit Frau und Familie medizinische Anamnese: sehr schwerer Mediainfarkt links, welchen der Patient knapp überlebte, Folgen: arm- und beinbetonte Hemiparese rechts (Patient sitzt im Rollstuhl, rechter Arm und Hand nicht für die logopädische Therapie nutzbar, er ist Rechtshänder), Neglekt, fragliche Hemianopsie logopädische Übergabe-Diagnose: leichte Dysphagie, schwere flüssige Aphasie, schwere buccofaziale und Sprechapraxie, stark eingeschränkte Störungswahrnehmung copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 31 Patientenbeispiel Problem: Herr B. gilt als „Therapieverweigerer“, er führt ihm gegebene Aufgaben nicht aus, wirft das Therapiematerial herum, löst dann meist irgendwann unverständlich fluchend seine Rollstuhlbremse und fährt selbständig aus dem Therapiezimmer, dieses Verhalten tritt nur in der logopädischen Therapie auf. Zuerst wurde dies als Antipathie gegenüber der Logopädin interpretiert. Als es bei Therapeutenwechsel wieder auftrat wurde es als Zeichen einer niederen Frustrationstoleranz gedeutet (eine durchaus gut mögliche Erklärung) und die Therapie irgendwann in Absprache mit den Angehörigen abgebrochen. Die Angehörigen bitten um einen letzten Therapieversuch, da sie ihren Mann/ Vater so nicht kennen. copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 32 Patientenbeispiel Problemanalyse: haben Sie eine Idee, was das Verhalten von Herrn B. auslösen könnte? wie könnten Sie im Weiteren vorgehen? copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 33 Patientenbeispiel Film „Herr B. Test buccofaziale Apraxie und Imitation“ beobachten Sie die Umsetzung bei verbaler Anweisung, Imitation und Bewegungsinitiierung durch die Therapeutin beobachten Sie, ob Bewegungen fragmentarisch oder gar nicht ausgeführt werden? Perseveriert der Patient Bewegungen? beobachten Sie, ob bereits getestete Bewegungen später auftauchen? copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 34 Patientenbeispiel Video • ..\..\Filme\Herr Birinci Test buccofaziale Apraxie und Imitation.MOD copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 35 Patientenbeispiel- Diagnostik buccofaziale Apraxie: kaum verbal möglich wegen ASV /LSV , Imitation gelingt kaum- teilweise scheint ihn dies zu irritieren, auch mittels Bildkarten ist der Abruf schwierig, gelingt aber etwas besser Herr B. soll pfeifen, spitzt die Lippen und macht ein Kußgeräusch in meine Richtung, lacht dann verlegen und macht „ohoh“ (ist peinlich berührt) Herr B. soll den Mund öffnen und streckt dabei zusätzlich immer wieder die Zunge mit heraus und macht „ah“ (wie beim Arzt) Herr B. soll die Augen schließen, er grimassiert angestrengt und nährt sich der Bewegung an, er perseveriert „ah“ copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 36 Patientenbeispiel - Diagnostik therapierelevanter Objektgebrauch: Herr B. bekommt einen Bleistift in die Hand, schaut ihn genau an, dreht und wendet ihn und beißt schließlich hinein, erschrickt und lacht verlegen und macht „ahh“ Therapiekarten: Herr B. kann mir keine Therapiekarte vom Tisch geben, er schiebt sie herum, wirft sie herunter und lacht dann verlegen oder hebt sie auf und beißt hinein, er versucht sich mit einer Bildkarte zu kämmen Buchstabenplättchen: auch hier beißt er hinein oder schiebt sie sinnlos auf dem Tisch herum die Angehörigen erzählen von fehlerhaftem Objektgebrauch im Alltag copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 37 Patientenbeispiel -Diagnostik Störung bei der Ausführung kommunikativer Gesten Herr B. soll eine Zeigegeste (Deixis) auf eine Bildkarte ausführen, ich versuche ihm das über Imitation und drei Bildkarten zu verdeutlichen, von denen zwei identisch sind, er soll die identischen zeigen. Er schiebt die Karten umher, einmal gelingt ihm das Zeigen auf eine Karte (allerdings nicht die Korrekte) Herr B. soll eine Geste für Trinken machen, dies gelingt nicht, auch nicht mit Handführung copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 38 Patientenbeispiel Spontansprachanalyse zur Diagnostik der Sprechapraxie Spontansprache: völlig unverständliche Automatismen, flüssiger Jargon (nicht- türkisch sprachige Menschen denken, er spricht flüssig türkisch!) Prosodie: erhalten Sprechverhalten: eine Sprechanstrengung fällt nur beim Abruf auf Einzellautebene / Wortebene auf Fazit: ? copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 39 Patientenbeispiel Fazit: schwere Apraxie, welche die Arbeit an der Aphasie massiv behindert, da es für den Patienten erstens aufgrund seines schlechten SV kaum möglich ist, Anweisungen zu folgen und wenn er sich die Aufgabenstellung aus dem Kontext erschließt, steht ihm die Apraxie im Weg da flüssiger Jargon, vermutlich eher Aphasie im Vordergrund aber auffallende sprechapraktische Komponenten auf Laut- und Wortebene Therapie:? copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 40 Patientenbeispiel Therapieziel / Überlegungen: Herr B. muss für eine sinnvolle Aphasietherapie (und evtl. Sprechapraxietherapie) folgende notwendige Aufgaben können: Bildkarte zeigen Buchstabenplättchen legen Gesten imitieren und anwenden copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 41 Patientenbeispiel Therapieziel / Überlegungen: aufgrund der Schwere der Aphasie und Apraxie erscheint eine Abtrennung von der Sprache vorerst sinnvoll Beziehungsebene: aus dem nonverbalen Verhalten von Herrn B. lässt sich schließen, dass ihm seine Reaktionen peinlich sind. Die Töchter bestätigen dies, er war bisher stolzes Familienoberhaupt und sehr geschätzte Ratgeber in der türkischen Gemeinde. Es ist somit ein sehr wichtiger Therapiebaustein, angemessenes therapeutisches Verhalten zu finden, um ihm Verständnis zu signalisieren und somit seinerseits einen Therapieabbruch zu verhindern copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 42 Patientenbeispiel Therapeutische Umsetzung: mittels Farbkarten und Zahlenkarten (es zeigte sich eine gut erhaltene Zahlenverarbeitung), Puzzles, einfachen Steckaufgaben und Farbsteinen wurde konstant immer die gleiche Aufgabenstellung geübt: Imitation von Zeigen, Geben, Nehmen, Legen Herr B. liebt Spiele, er „freut sich diebisch“, wenn er gegen mich gewinnt (Interaktionsebene), zudem hat er einen starken Ordnungssinn und möchte leere Felder auf Spielfeldern stets ergänzen. Dies nutzen wir mit selbsterfundenen einfachen Ergänzungsspielen, wobei mittels Würfel die Zahl der ergänzenden Steine ermittelt wird (Üben der Handlungen Würfeln, Nehmen und Legen) copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 43 Patientenbeispiel Zuordnen in Leerfelder copyright S.Schulz Farbplättchen Regionalgruppe Immenstaad 2015 44 Therapiebeispiel • Würfeln mit Zahlenwürfel, Spielstein legen 1 2 3 4 5 6 copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 45 Patientenbeispiel Therapeutische Umsetzung: im nächsten Schritt wurde bei allen Aufgaben auf Ergänzung bzw. selbständige Ausführung übergegangen dies dauerte 1 Jahr allmählich wurden die Aufgaben durch Sprache ergänzt: Farbkarten mit Buchstaben, Zahlenkarten mit Zahlwörtern, Buchstabenpuzzle, Einführung von Bildkarten, Name legen, Name ergänzen usw. Therapiebeispiel hierarchischer Aufbau einer Aufgabensequenz mit dem Ziel: ASV /LSV Wortebene zuordnen copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 46 Patientenbeispiel Zuordnen Objekte: ASV-Nehmen-Legen copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 47 Patientenbeispiel Zuordnen Objekte ASV- LSV- Nehmen-Legen Sonne Stern Stern copyright S.Schulz Mond Regionalgruppe Immenstaad 2015 Sonne 48 Patientenbeispiel Zuordnen Objekte ASV- LSV- Nehmen-Legen Sonne Stern Stern copyright S.Schulz Mond Regionalgruppe Immenstaad 2015 Sonne 49 Patientenbeispiel Zuordnen Objekte ASV: Zeigen Sie SONNE-dann direktes Zeigen, Referenzkarte wird nur zur Kontrolle genutzt und ansonsten verdeckt Stern Sonne Stern Stern copyright S.Schulz Mond Regionalgruppe Immenstaad 2015 Sonne 50 Patientenbeispiel nun Arbeit am ASV und LSV möglich Sprechapraxie und Aphasietraining mit einfachen Wörtern (Familiennamen, „Hallo“, „Allah“ usw.) mittels „touch cues und unter Zuhilfenahme der Schriftsprache möglich Patient gelingt es innerhalb der Therapie zunehmend schneller neue Aufgaben zu erfassen, da er nicht mehr so stark durch die Apraxie gehemmt, neues Material ist kein Problem mehr copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 51 Patientenbeispiel Erfolge und Grenzen der Therapie: ASV und LSV Training ist möglich, bisher aber nur auf Wortebene aber Angehörige berichten von einem deutlich verbessertem ASV im Alltag die Apraxie in Form der Störung des Objektgebrauches tritt im Alltag kaum mehr auf (Ausnahme Schreiben), in der Therapie nur nach langen Pausen Imitation ist adäquate Hilfe bei der Sprechapraxietherapie Pantomime des Objektgebrauchs gelang nicht der Wortabruf der 3 Wörter „Hava“ „ Hallo“ und „Allah“ mit therapeutischer Hilfe dauerte fast 2 Jahre! der Patient ruft selbständig bis heute nur sehr selten verständliches Wortmaterial ab aber: als Herr B. in Anwesenheit seiner Tochter Hava in der Therapie erstmals seit 2 Jahren wieder ihren Namen artikuliert, weint seine Tochter vor Freude und auch Herr B. freut sich sehr! copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 52 Diagnostik und Therapie von Apraxien Vorüberlegungen Definition der Apraxie Apraxieformen Diagnostik und Behandlung einer schweren Apraxie: Patientenbeispiel Sprechapraxien copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 53 Sprechapraxien Theoretische Grundlagen Lokalisation Prävalenz Definition Symptome der Sprechapraxie Befunderhebung Therapiemethoden Umsetzung an konkreten Therapiebeispielen Diskussion, Patientenbeispiele der Teilnehmer copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 54 Sprechapraxien- Theoretische Grundlagen Lokalisation Sprechapraxie ohne Aphasie wird selten beschrieben, dies macht eine eindeutige Lokalisation schwierig, Wertz 1985: Sprechapraxie tritt nur in 10% isoliert auf Duffy 1995: ca. 60% aller Sprechapraxien entstehen durch zerebrovasculäre Ursachen (Apoplex) betroffenen Areale linkshemisphärisch: Frontal- und Parietallappen, Insel und Verbindungen zu den Basalganglien copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 55 Sprechapraxien- Theoretische Grundlagen Quelle:Lippert, Anatomie copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 56 Sprechapraxien- Lokalisation Quelle: Schulz-Kirchner, Ratgeber Aphasie copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 57 Sprechapraxien- Theoretische Grundlagen Prävalenz Sprechapraxie und Aphasie treten meist gemeinsam auf (ca. 85%), häufig tritt eine Sprechapraxie in Kombination mit einer Broca-Aphasie auf (allerdings sind Angaben hierzu unsicher, da die Symptome der Broca-Aphasie der Sprechapraxie am nächsten kommen) ca. 10.000- 20.000 Neuerkrankungen pro Jahr buccofaziale Apraxie tritt häufiger auf: 8 von 10 Patienten mit Aphasie sind zumindest initial betroffen copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 58 Sprechapraxien Definition: eine Sprechapraxie ist… …eine Störung der sprechmotorischen Programmierung (Springer 1995) … eine Veränderung, Entstellung, Ersetzung, Hinzufügung oder Auslassung von Bewegungen des Sprechens (aus Forum Logopädie „Sprechapraxien im Kindes- und Erwachsenenalter) …keine Störung der Sprachwahrnehmung und der darauf basierenden Sprachverarbeitung (Sprachverständnis intakt) …eine Störung der sequentiellen Anordnung von Einzelbewegungen zu Bewegungsfolgen, während die elementare Beweglichkeit erhalten ist (Poeck et al) copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 59 Sprechapraxien Sprachverarbeitungsmodelle zum Verständnis der betroffenen Verarbeitungsstufe sind Modelle wichtig, es gibt unterschiedliche Modellvorstellungen und eine Vielzahl von Erklärungsansätzen! fast alle Modellvorstellungen beruhen auf dem Sprachproduktionsmodell von Levelt copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 60 Sprechapraxie im Modell nach Levelt Aphasie Aphasie Sprechapraxie Dysarthrie copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 61 Sprachproduktionsmodell nach Huber: Einteilung in Sprach- und Artikulationssystem copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 62 Sprechapraxien was passiert bei der sog. phonetischen Encodierung? eine abstrakte linguistische Einheit wird mit Hilfe von sog. artikulatorischen Gesten weiter verarbeitet , welche das Wort bezüglich seiner speziellen phonetischen Zusammensetzung spezifizieren diese artikulatorischen Gesten enthalten u.a. dialektale oder persönlichkeitsspezifische Merkmale (individuelle Betonung), es werden die zeitlichen und räumlichen Aspekte der Artikulationsvorgänge geplant (räumlich-zeitliche Muster Browman und Goldstein 1992) artikulatorische Gesten sind wie Bedienungsanleitungen für die Artikulation dabei gibt es zwei mögliche Routen: das Wort wird entweder segmental=lautlich oder / und silbisch zusammengesetzt copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 63 Phonetische Encodierung nach Ziegler Annahme: es gibt ein Silbenlexikon (siehe Levelt: mentales Silbenlexikon) es gibt 2 mögliche Verarbeitungsrouten: silbisch und segmental beide Routen sind auch parallel möglich und schließen sich nicht aus copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 64 Sprechapraxien Definition Zusammenfassung der Sprechapraxie liegt die Störung einer bestimmten Verarbeitungsstufe der Sprachproduktion zugrunde: der sog. phonetische Encodierung dabei kommt es zu einer Störung bei der Zusammensetzung sprachlicher Lautfolgen aus artikulatorischen Gesten (Goldenberg) die Aphasie tritt vor dieser Verarbeitungsstufe auf, die Dysarthrie nach dieser Verarbeitungsstufe dabei liegt keine Wahrnehmungsschwäche für die Sprachlaute vor (vgl. phonologische Störung bei Kindern) copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 65 Sprechapraxien Theoretische Grundlagen Symptome der Sprechapraxie Befunderhebung Therapiemethoden Umsetzung an konkreten Therapiebeispielen Diskussion, Patientenbeispiele der Teilnehmer copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 66 Sprechapraxien Symptome Ebenenmodell nach Ziegler Segmentale Ebene Lautbildung / Artikulation Suprasegmentale Ebene Prosodie Sprechverhalten copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 67 Sprechapraxien-Symptome 3 Ebenenmodell nach Ziegler: segmentale Ebene= Lautbildungsebene Lautentstellungen / phonetische Fehlleistungen Phonematische Fehler/ phonologische Fehlleistung Mischform Suprasegmentale Ebene= Ebene der Prosodie Akzentuierung und Redefluss Sprechverhalten Sprechanstrengung, Suchverhalten, Initiierungsstörung copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 68 Sprechapraxien-Symptome segmentale Ebene= Lautbildungsebene Lautentstellungen / Artikulationsfehler: Ziellaut ist noch erkennbar aber klanglich verändert durch: copyright S.Schulz unpassende Lautdehnung Vor- und Rückverlagerungen vor allem lingualer Konsonanten Nasalierung, Denasalierung Entstimmung unscharfe Frikativbildung usw. Regionalgruppe Immenstaad 2015 69 Sprechapraxien- Symptome segmentale Ebene= Lautbildungsebene phonologische Fehler: 2 Kategorien: umgebungsunabhängig u. umgebungsabhängig umgebungsunabhängig: Beispiel Nase copyright S.Schulz 1. Addition Nadse 2. Substitution Lase Regionalgruppe Immenstaad 2015 3. Elision _ Ase 70 Sprechapraxien- Symptome umgebungsabhängige phonologische Fehler sogenannte sequenzielle Fehler, Fehler wird durch Lautumgebung im Wort beeinflusst Antizipation=regressive Assimilation (von rechts nach links) progressive Assimilation (von links nach rechts) Metathese=Lautumstellung copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 71 Sprechapraxien-Symptome Antizipation / regressive Assimilation (von rechts nach links) Nase-Sase progressive Assimilation (von links nach rechts) Nase-Nane Metathese / Lautumstellung Nase-Sane copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 72 Sprechapraxien-Symptome segmentale Ebene= Lautbildungsebene Mischform von phonetischen und phonologischen Fehlleistungen phonetisch-phonologische Fehlleistungen, häufigste Form bei der Sprechapraxie segmentale Fehler/Artikulationsfehler gelten als inkonstant und inkonsequent, doch verschiedene Autoren beschreiben eine Regelhaftigkeit Ziel- und Ersatzlaut haben häufig eine starke Ähnlichkeit copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 73 Sprechapraxien- Symptome Einflussfaktoren für Artikulationsfehler: Fehlersystematik sprechmotorische Komplexität: je komplexer desto fehleranfälliger Wortkategorieneffekt: Verben sind fehleranfälliger als Substantive Lexikalität: Bedeutungsträger sind häufiger korrekt artikuliert, bei Pseudowörtern treten eher Fehler auf (umstritten) Wortlängeneffekt: je länger das Wort desto wahrscheinlicher treten Fehler auf copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 74 Sprechapraxien Fehlersystematik Konsonanten sind eher betroffen als Vokale Konsonantenverbindungen sind fehleranfälliger stimmhafte Konsonanten sind eher betroffen als stimmlose Fehlerhierarchie distinktiver Merkmale: copyright S.Schulz Ort Bsp.: dental, labial Art Bsp.: plosiv, frikativ Stimmhaftigkeit Bsp.: stl. vs. sthft. nasal-oral Regionalgruppe Immenstaad 2015 75 Sprechapraxien Symptome Ebenenmodell nach Ziegler Segmentale Ebene Lautbildung / Artikulation Suprasegmentale Ebene Prosodie Sprechverhalten copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 76 Sprechapraxien-Symptome suprasegmentale Ebene= Prosodie Redefluss und Akzentuierung sind betroffen Redeflussstörungen: Hauptsymptom: silbische (skandierende) Sprechweise durch Pausen zwischen den Silben Pausen innerhalb der Silben insgesamt Sprechtempo reduziert unpassende häufige Sprechpausen Iteration (Wiederholung) von Lauten und Silben (klingt wie Stottern) vorallem initial Betonung und Längung von Nebensilben Koartikulationsprobleme an Silbengrenzen copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 77 Sprechapraxien-Symptome Wichtiges Kennzeichen einer Sprachapraxie ist das skandierende silbenweise Sprechen, aber….. Ziegler: Silbisches Sprechen könnte keine Funktionsstörung sein, sondern ein Anpassungsversuch daran siehe Sprachverarbeitungsmodell phonologisch-phonetische Enkodierung (silbisches Lexikon) copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 78 Sprechapraxien Symptome Ebenenmodell nach Ziegler Segmentale Ebene Lautbildung / Artikulation Suprasegmentale Ebene Prosodie Sprechverhalten copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 79 Sprechapraxien-Symptome suprasegmentale Ebene= Prosodie Akzentuierungsstörungen copyright S.Schulz Überakzentuierung, verminderter Akzent alle Silben gleich akzentuiert /Akzentnivellierung Akzent wird verschoben, d.h. es werden Silben akzentuiert, die sonst ohne Akzent sind Regionalgruppe Immenstaad 2015 80 Sprechapraxien-Symptome Sprechverhalten Sprechanstrengung: gepresstes Sprechen, Reaktion auf die Anstrengung oft nonverbal sichtbar (Gesicht verzieht sich, Hände verkrampfen sich usw.) artikulatorisches Suchverhalten Korrekturversuche Mitbewegungen im Gesicht aber auch Körper Veränderung der Sprechstimmlage copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 81 Sprechapraxien-Symptome Wie unterscheidet sich eine Aphasie von einer Sprechapraxie? Das Wichtigste in Kürze: bei einem reinen Sprechapraktiker finden sich außerhalb der Störung der Sprechprogrammierung keine weiteren Symptome auditives und Lesesinnverständnis, Schreiben usw. sind intakt es tritt bei sprechapraktischen Fehlleistungen artikulatorisches Suchverhalten auf typische skandierende verlangsamte Sprechweise bei Sprechapraxie Regionalgruppe Immenstaad 2015 copyright S.Schulz 82 Sprechapraxien-Symptome Aphasische phonematische Paraphasie oder sprechapraktisch bedingter phonologischer Fehler? bei der Einzelwortanalyse ist dies nicht zu 100% möglich aber: oft haben Patienten eine bessere Wahrnehmung für die Fehlleistungen der Sprechapraxie und versuchen diese häufiger zu korrigieren, die Korrekturversuche sind aber weniger erfolgreich als bei der aphasischen Störung es tritt bei sprechapraktischen Fehlleistungen artikulatorisches Suchverhalten auf liegt noch eine Lautentstellung vor (phonetisch-phonologischer Fehler=Mischform) Sprechapraxie therapeutisches Bauchgefühl!!! copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 83 Sprechapraxien-Symptome Wie unterscheidet sich eine Dysarthrie von einer Sprechapraxie? Das Wichtigste in Kürze: die dysarthrische Störung tritt nicht bei der Sprechprogrammierung auf, sondern ist eine neuromuskuläre Störung, sie ist daher hypo- oder hypertoner Natur (ohne Sonderformen zu nennen) bei der Dysarthrie gibt es keine störungsfreien Inseln das Störungsbild der Dysarthrie ist konstant, auftretende Fehler sind vorhersehbar copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 84 Sprechapraxien-Symptome Zusammenfassung der Symptome bei einer Sprechapraxie bei einer Sprechapraxie treten Symptome im Bereich der Artikulation, der Prosodie und beim Sprechverhalten auf im Bereich der Artikulation treten Lautentstellungen und phonologische Fehler auf bei der Sprachapraxie gibt es sogenannte störungsfreie Inseln die typische Sprechweise ist skandierend und verlangsamt die Patienten haben eine Wahrnehmung für ihre Fehlleistungen Spontansprachebeispiel: copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 85 Sprechapraxien-Symptome C:\Therapie\MOV0FA.MOD copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 86 Sprechapraxien Theoretische Grundlagen Befunderhebung Therapiemethoden Umsetzung an konkreten Therapiebeispielen Diskussion, Patientenbeispiele der Teilnehmer copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 87 Sprechapraxie - Befundung 10 Punkte Checkliste (nach Liepold et. al) copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 88 Sprechapraxien- Befundung Befunderhebung Befundmaterial orientiert sich an Einflussfaktoren die Fehler begünstigen, sog. Fehlersystematik ( siehe Einflussfaktoren Artikulation, Symptome ) befundet werden buccofaziale und Sprechapraxie, beides kann kombiniert und getrennt auftreten es gibt außer der logopädischen Befundung noch apparative Verfahren wie die Zungensonografie und EMG Verfahren copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 89 Sprechapraxien- Befundung Befunderhebung Vorgehen: Spontansprachbewertung hinsichtlich folgender Kriterien (bei jedem Test Vorgaben leicht unterschiedlich): Verständlichkeit Artikulation Prosodie Sprechverhalten copyright S.Schulz z.B. : Skala 1-10 welche Fehlerart fällt auf: phonetisch oder phonologisch skandierende Sprechweise Akzentuierung, Sprechtempo Sprechanstrengung, Korrekturversuch, Suchbewegungen Regionalgruppe Immenstaad 2015 90 Sprechapraxien- Befundung Befunderhebung Vorgehen: Test auf Wortebene (manche Tests beginnen bereits auf Lautebene) mit Steigerung der Artikulationsschwierigkeit bis hin zu Mehrsilbern Pseudowörter zum Ausschluss der lexikalischen Route (Logogenmodell) evtl. Lesetext copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 91 Sprechapraxien- Befundung Befundung ist häufig nur auf die Defizite der Patienten ausgerichtet, aber genauso wichtig ist: was bietet der Patient bereits selbst als effektive Hilfen an? was kann der Patient bereits und was davon können Sie therapeutisch nutzen? copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 92 Sprechapraxien Befunderhebung praktische Übung 10 Minuten machen Sie sich mit dem Material zur Befunderhebung vertraut: KUSS, Hierarchische Wortlisten, ideomotorische und buccofaziale Apraxie, Apraxien nach Goldenberg, Sprechapraxiebefundung nach Norina Lauer evtl. Befundungsvideos copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 93 Sprechapraxien- Fachwortliste Parapraxie: fehlerhafte Ausführung d. Bewegung Substitution: Ersetzung durch andere aber vollständige Bewegung Addition Überschussbewegung: Zusatzbewegung Elision Auslassung oder Unvollständigkeit Conduit d` approche Annährung Perseveration Wiederholung bereits ausgeführter Bewegung Perseveration Index wie weit geht Perseveration zurück fragmentarisch nur ein Teil der Bewegung wird ausgeführt amorph nicht eindeutig zuzuordnen copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 94 Sprechapraxien Theoretische Grundlagen Befunderhebung Therapiemethoden Therapieziele Auswahl des geeigneten sprachlichen Materials Auswahl der geeigneten Therapiemethode(n) Vorstellung von Therapiemethoden Umsetzung an konkreten Therapiebeispielen Diskussion, Patientenbeispiele der Teilnehmer copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 95 Sprechapraxien- Therapie Therapieziele Aufklärung über das Störungsbild von Patient u. Angehörigen Verbesserung der 3 Ebenen Artikulation, Prosodie und Sprechverhalten Unterstützung und Erarbeitung des Selbstkorrekturverhaltens bzw. effektiver Hilfen mit dem Ziel, dass Patient sich auch ohne Therapeut helfen kann immer orientiert am Schweregrad des Patienten Apraxien sind zäh und eine hohe Belastung, Zitat eines Patienten: „Zum Verzweifeln“ Mut machen und motivieren!!! ggf. Erarbeitung alternativer Kommunikationsmittel erarbeiten copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 96 Sprechapraxien- Therapie Auswahl des geeigneten sprachlichen Materials: orientiert an Fehlersystematik (siehe Symptome) orientiert an artikulatorischer Komplexität, Hilfe: hierarchische Wortlisten EKN Ziegler/Jaeger Alltagsrelevanz orientiert an Befundung Hypothesenbildung copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 97 Sprechapraxie- Therapie Hypothesenbildung, hilfreiche Überlegungen: auf welcher Stufe der Sprachbildung befindet sich der Patient? keine (verständliche) Äußerung möglich, Laute, Wörter, Sätze? auf welcher Ebene steigt die Therapie ein? gibt es einen Störungsschwerpunkt im 3 Ebenenmodell: segmental=Artikulation /Lautbildung, mehr phonetisch oder phonematisch? suprasegmental=Prosodie? Sprechverhalten? finden Sie eine Fehlersystematik / Regelmäßigkeiten bei auftretenden Fehlern? wendet der Patient schon alleine effektive Taktiken an? copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 98 Sprechapraxien Auswahl der geeigneten Therapiemethoden orientiert an Zusatzsymptomatik: Aphasie, Apraxie? kognitive Defizite: Aufmerksamkeit, Gedächtnis usw. ? visuelle Einschränkung (Hemianopsie)? motorische Defizite (Hand, Haltung, Fußgänger, Rollstuhl))? Wahrnehmungseinschränkung (Neglekt)? copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 99 Sprechapraxie -Therapie SMART (Whitmore u. Grötzbach) specific measurable achievable relevant timed copyright S.Schulz spezifisch Spezifizierung welche Leistung verbessert werden soll Ist die Leistung die verbessert messbar werden soll quantitativ messbar? erreichbar Ist das Ziel erreichbar? wichtig Ist das Ziel für den Patienten relevant? In welchem Zeitraum soll das Ziel terminierbar erreicht werden? Regionalgruppe Immenstaad 2015 100 Sprechapraxien Therapiemethoden Ziel: Aktivierung des Sprechens Studien zeigen, dass eine individuelle Mischung von Therapiemethoden am effektivsten ist welche Vermittlungstechniken stehen uns zur Verfügung ? copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 101 Sprechapraxien-Therapiemethoden Welche Vermittlungstechniken stehen uns zur Verfügung ? Phonetic placement nach Engl-Kaspr: verbal: Erläuterung und Beschreibung des Artikulationsablaufes (Artikulationsort, Artikulationsart, Ablauf der Bewegung) visuell: Mundbilder und Sagitallschnitte zur Verdeutlichung taktil-kinästhetisches Führen: mit Fingern und Hilfsmitteln setzt der Therapeut Hinweisreize copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 102 Sprechapraxien-Therapiemethoden Welche Vermittlungstechniken stehen uns zur Verfügung ? alles was uns als Therapeuten einfällt und dem Patienten hilft visuell: Spiegel, Mundbild als Darstellung / Zeichnung, Mundbild d. Therapeuten, Schriftkarten,Gesten, Symbole… auditiv: Vorsprechen, akustische Signale setzten (klatschen, singen, summen usw.), erklären….. taktil: Stimulationstechniken aus der FDT, Finger- und Handhilfen, Reize setzen an Körper / Gesicht / Zunge, Spürhilfen wie Mundspatel oder Vibrationsgeräte, Eisstimulation… copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 103 Sprechapraxien-Therapiemethoden Wichtige Prinzipien da motorisches Lernen Wiederholung braucht, sollten häufige Wiederholungen in der Therapie stattfinden, nach Mc. Neil sind ca. 20 Wiederholungen sinnvoll!!! Therapie von Sprechapraxien dauert lange und sollte konsequent und hochfrequent durchgeführt werden der Patient sollte frühzeitig ans Eigenüben herangeführt werden, um nach dem Prinzip des motorischen Lernens auch außerhalb der Therapie viele Wiederholungen gewährleisten zu können copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 104 Sprechapraxien Therapiemethoden in der Praxis zeigt sich, dass aus vielen Therapiemethoden ein oder mehrere gute Teilaspekte gefiltert werden können und dann im „Eigenmix“ eine gute Therapie ergeben in der Praxis zeigt sich, dass jede Apraxie anders ist und jeder Patient anders auf angewandte Therapiemethoden anspricht copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 105 Sprechapraxien Therapiemethoden in der Fachliteratur werden Therapieansätze in rhytmischmelodische, segmentbasierte und wortstrukturelle Ansätze, sowie Cueingverfahren und alternative Kommunikationsstrategien eingeteilt die hier vorliegende Einteilung weicht hiervon ab und bezieht sich auf den Hauptschwerpunkt der angewandten Methoden aufgrund praktischer Erfahrungen copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 106 Sprechapraxien Für die Therapie nutzen wir… …die Bewegung der Sprache: Sprachmelodie, Sprechrhythmus und Atmung: MIT, Metronom, Fingertapping, Pacing Board, Akzentmethode nach Svend Smith … was der Patient schon kann: die Ableitungsmethoden phonetische Ableitung und progressive Approximation (van Riper, Irvin) copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 107 Sprechapraxien Für die Therapie nutzen wir…: …den hierarchischen Aufbau von Sprache und Hilfen Phonemdrill, 8 Schritte Kontinuum, Minimalpaartechnik ….sprachliche Kontraste Minimalpaartherapie …das bewusstes Sprechen und die Hemmung von Fehlerquellen Luzzatti u. Springer copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 108 Sprechapraxien Für die Therapie nutzen wir…: …die Koartikulation der metrischer Ansatz ….taktile Hilfen und sprachunterstützende Gesten Mediationstechnik und Prompt / Taktkin ….Silbenstrukturen: eigene Ideen/ Ansatz copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 109 Sprechapraxien MIT: melodische Intonationstherapie nach Nancy Helm Idee: Unter Einbezug der rechtshirnorganisch lokalisierten rhythmisch-melodischen Fähigkeiten soll die linke sprachdominante Hemisphäre aktiviert werden: Sprachmelodie einer Äußerung und Tonhöhenwechsel im Wort werden genutzt, um das Sprechen zu aktivieren Beispiele von Tonhöhenvariationen, einfache Wechsel hoch tief Hallo : HA LLO hoch tief Aufstehen: AUF STE HEN hoch tief tief (gleich) copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 110 Sprechapraxien MIT: melodische Intonationstherapie 3 Stufenprogramm: Elementare Sprachstufe: jede Äußerung nachintoniert und nachgeklopft, wenig Tonhöhenvariation (Terz) Mittlere Sprachstufe: Abstand wird erhöht, sog. zeitliche Verzögerung Obere Sprachstufe: Übergang in Sprechgesang, mehr Tonhöhenvariation Bsp. siehe Anlage MIT copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 111 Sprechapraxien- Therapiemethoden MIT: eigene Erfahrungen Anwendbarkeit in der Praxis: auf einfacher Wortebene mit Alltagsäußerungen sehr effektiv, bei höheren Sprachstufen wenig Akzeptanz der Patienten Aspekt des Mitsingens und Mitsummens durch den Therapeuten als Einstiegshilfe und Hilfe zur Längenangabe einer Äußerung (Silbensegmentierung) gut geeignet Wortmaterial ist auf Übungsmaterial begrenzt, äußert der Patient spontan etwas und man möchte therapeutisch helfen, ist es schlecht anwendbar und wirkt aufgesetzt Mitklopfen schwierig bei ideomotorischer Apraxie, zudem sind die meisten Menschen Rechtshänder, bei einem linksseitigen Insult ist genau diese Seite des Körpers betroffen!!! copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 112 Sprechapraxien- Therapiemethoden Rhythmushilfen Metronom (nach Dworkin et al): externer Taktgeber als Hilfe für Rhythmus und Geschwindigkeit, Patient spricht parallel zum Schlag eines Metronoms ausgewähltes Wort- und Satzmaterial Pacing Board und Fingertapping (Simmons, Rosenbeck): Finger wird über ein Sprechbrett mit Einbuchtungen als Taktgeber parallel zum Sprechen mitgeführt Variation ohne Board als Fingertapping von Daumen und Zeigefinger oder über Mitklopfen des Zeigefingers auf Unterlage der Patient bestimmt bei beiden Methoden den Takt selbst copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 113 Sprechapraxien- Therapiemethoden eigene Erfahrungen: taktgebende Hilfen sind nur dann effektiv, wenn der Patient ein gewisses Taktgefühl hat, doch dann sind sie sehr effektiv meist kann der Patient sich keinen hilfreichen Takt ohne therapeutische Hilfe geben, so wie beim Fingertapping oder Pacing Board gefordert gute Takthilfen sind Mitklatschen und Mitklopfen mit der flachen Hand (mehr Reiz und lauter) copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 114 Sprechapraxien Therapiemethoden Akzentmethode nach Svend Smith aus der Stimmtherapie entlehnt ist eine Therapiemethode die Bewegungsübungen in verschiedenen Tempi mit Stimm- und Betonungsübungen verbindet Voraussetzungen: Patient sollte Fußgänger ohne starke Einschränkungen sein, da der Ansatz viel Bewegung erfordert Patient sollte kognitiv fit sein, keine visuellen oder wahrnehmungsbezogenen Einschränkungen haben „einigermaßen“ gutes Rhythmusgefühl copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 115 Sprechapraxien Akzentmethode nach Svend Smith 3 Bereiche: Entspannung – Atmung - Stimme Vorgehen: über Atem- und Stimmübungen wird das Sprechen einfacher Vokalisen in bestimmten Takten geschult, dies soll das Sprechen deblockieren. Allmählich wird der Schwierigkeitsgrad auf Wort und Satzebene erhöht die Akzentmethode ist eine komplexe aber effektive Therapiemethode, das Konzept ist geschützt und darf nicht durch unzertifizierte Therapeuten geschult werden, weshalb der Ansatz hier nur kurz vorgestellt und erwähnt werden soll später Patientenbeispiel in Anlehnung an diese Methode copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 116 Sprechapraxien Eigene Erfahrungen: generell lassen sich Methoden aus der Stimmtherapie gut verwenden, ein Beispiel findet sich im Teil „Patientenbeispiele“ wichtig: Entspannung im Ansatzrohr als auch ganzkörperlich / die Atmung betreffend es gibt immer wieder vereinzelte Patienten, die auf ihre Symptome mit starkem Spannungsaufbau reagieren Bewegungen im Körper, die das Sprechen unterstützen, lenken den Fokus weg von den eigentlichen Sprechorganen, dies hat bei manchen Patienten einen positiven Effekt copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 117 Sprechapraxien- Therapiemethoden Ableitungsmethode: phonetische Ableitung und progressive Approximation (van Riper, Irvin) Phonetische Ableitung: Laute die der Patient nicht abrufen kann werden über nichtsprachliche Gesten aktiviert nichtsprachliche Gesten sind: Mundstellungen orale Geräusche lautmalerische Assoziationen Beispiele: Mundstellung: Mund öffnen als Ableitung des /a/, Mund fest schließen für /m/, Mund spitzen /o/ orale Geräusche: „gurgeln“ Ableitung des /r/ Lautmalereien: Zischen wie eine Schlange Ableitung /s/, Erstaunen /ah/ /oh/ copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 118 Sprechapraxien- Therapiemethoden Ableitungsmethode: progressive Approximation Laute die der Patient bereits abrufen kann, werden genutzt, um nicht abrufbare Laute zu aktivieren. Dabei wird der Ziellaut unter Veränderung der phonetischen Merkmale des bereits abrufbaren Lautes abgeleitet. Beispiele: Patient kann /t/ aber kein /s/: /t/ über/ts/zu /s/ Dehnung von /p/ zu /ph/,behaucht zu affriziert /pf/ und dann wieder deaffriziert zu /f/ /w/ aus Rückverlagerung des /m/ wird nicht als eigene Methode genutzt sondern in andere Konzepte eingebaut copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 119 Sprechapraxien- Therapiemethoden Ableitungsmethode: eigene Erfahrungen unter Einbezug taktiler Hilfen können Laute sehr gut voneinander abgeleitet werden Beispiel einer Ableitung mit taktiler Hilfe: • • Patient kann /p/ abrufen: von /p/ zu /f/ Unterlippe andrücken (oder von /m/ zu /w/) bei Rückverlagerung von Lauten am Mundboden nach hinten streichen copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 120 Sprechapraxien- Therapiemethoden Phonemdrill (Darley et al.): stufenweiser Aufbau mit einfach zu artikulierendem Laut (gut stimulierbar, visuell gut sichtbar) gut sichtbar und stimulierbar sind Laute der ersten AK Zonen die stimmhaft sind: /m/ /b/ /w/ was ist für den betreffenden Patienten leicht zu artikulieren?.... copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 121 Sprechapraxien- Therapiemethoden Phonemdrill (Darley et. al) Einzellautebene b einfache Silbenebene: Anhängen von Vokalen und Diphtongen (ei, eu ,au..) ba Silbenverdoppelung baba bobo baubau Endung anhängen (Ziellaut) bab einfache Wörter mit Ziellaut im Anlaut Ball Bob Bauch Ball - Bauch Steigerung auf zwei Wörter im direkten Wechsel Sprechen von zwei Wörtern mit Ziellaut im Auslaut bo bob ab - bau baub ob zwei Wörter mit Anlaut und Auslaut im Wechsel Ball- ab Regionalgruppe Immenstaad 2015 kurze Mehrsilber, Minimalpaare usw. copyrightPhrasen, S.Schulz Gib den Ball ab!!! 122 Sprechapraxien- Therapiemethoden Phonemdrill: eigene Erfahrungen sehr gute Therapiemethode, vor allem kann der Patient frühzeitig zu Eigenübungen angeleitet werden Sinn für den Patienten gut nachvollziehbar erfordert bei mittelschwer-schwer betroffenen Apraktikern eine hohe Frustrationstoleranz, da immer wieder das Gleiche geübt wird copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 123 Sprechapraxien- Therapiemethoden Acht-Schritte Kontinuum (Rosenbeck et al.): Prinzip: über Vor- und Nachsprechen werden schrittweise die therapeutischen Hilfen abgebaut, die Zielstruktur ist mindestens ein Wort, besser einfache Sätze. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. Therapeut spricht vor, dann sprechen Patient und Therapeut gemeinsam Therapeut spricht vor-kurze Pause- Patient und Therapeut sprechen gemeinsam u. Therapeut blendet sich über leises Mitartikulieren aus. Therapeut spricht vor, Patient spricht nach. Therapeut spricht vor-kurze Pause- Patient spricht mehrmals nach. Patient liest Zielstruktur laut vor. Patient liest leise-kurze Pause-wiederholt das Gelesene (ohne es abzulesen). Therapeut stellt Fragen-Patient antwortet mit geübter Zielstruktur. Transfer ins Rollenspiel mit alltagsnahen Situationen. copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 124 Sprechapraxien- Therapiemethoden Acht-Schritte Kontinuum: eigene Erfahrungen klar strukturierter und stufenweiser Aufbau, ist sehr leicht umzusetzen. Unklar ist allerdings, wie das Vorgehen bei nicht bewältigen einzelner Stufen ist (weglassen? wiederholen?) das Ausblenden über „Schattensprechen“ ist sehr effektiv eignet sich erst ab Wortebene bzw. auf Satzebene, ist also für sehr schwer betroffenen Patienten ungeeignet, da sie meist mehr Hilfen zum Abruf bedürfen, als dieser Ansatz vorgibt copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 125 Sprechapraxien- Therapiemethoden Minimalpaartechnik (Wambaugh et al. u. Wertz) Idee: durch den direkten Kontrast von Minimalpaaren soll die Phonemprogrammierung geschult und verbessert werden 1. es werden die zu kontrastierenden Phoneme ausgewählt, dabei wird zuerst jedes Phonem einzeln auf Wortebene geübt. Achtung: Wortmaterial wird so gewählt, dass es für die Minimalpaararbeit mit den zu kontrastierenden Phonemen durchgehend benutzt werden kann. Beispiel: Zielphoneme /m/ geübt mit : Mann, mein, Mauer /d/ geübt mit: dann, dein, Dauer copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 126 Sprechapraxien- Therapiemethoden Minimalpaartechnik (Wambaugh et al. u. Wertz) 2. Im nächsten Schritt werden die Minimalpaare direkt gegenüber gestellt: Beispiel: Mann-dann mein-dein Mauer-Dauer Hilfen: die Schriftsprache soll unterstützend eingesetzt werden copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 127 Sprechapraxien- Therapiemethoden Minimalpaartechnik: eigene Erfahrungen laut den Autoren ist das Programm nicht geeignet bei stark perseverierenden Patienten, aber: unterschiedliche Erfahrungen bei einigen hemmt es die Perseverationen, bei anderen steigert es sie gute Möglichkeit für bewusstes Artikulieren und erklären was bei einer Sprechapraxie sprachlich passiert, da den Patienten gut klar gemacht werden kann, wie die Minimalpaare sich unterscheiden und wie stark es auf den Ziellaut ankommt gut geeignet in Kombination mit dem NAT Material Anlautergänzung, Reimwörter finden mögliches Therapiesetting /Anwendung: copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 128 Sprechapraxien- Therapiemethoden Eigene Erfahrungen Minimalpaararbeit: konkrete Umsetzung __AUS H M L R copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 129 Sprechapraxien- Therapiemethoden Sprechapraxietraining nach Luzatti u. Springer basiert auf Perfetti: geht davon aus, dass pathologische Bewegungsmuster erst gehemmt werden müssen, bevor die Zielbewegung fazilitiert werden kann. Dabei soll diese Hemmung unter anderem über den Aufbau eines „bewussten Wissens“ über die motorischen Abläufe erfolgen. Beim Gesunden laufen die Bewegungsmuster unbewusst ab, der Kranke braucht die bewusste kognitive Steuerung derselben. bei Luzatti u. Springer soll der Patient lernen, artikulatorische Vorgänge bewusst wahrzunehmen mit allen dafür zur Verfügung stehenden Sinnen copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 130 Sprechapraxien- Therapiemethoden Sprechapraxietraining nach Luzatti u. Springer Aufbau des Übungsmaterials: 1. nonverbale Übungen: Einzelübungen und Bewegungsfolgen von Bewegungen im Mund- und Gesichtsbereich • • • Mund öffnen / schließen Zunge hoch / runter / links / rechts Backen aufblasen …….. 2. Erarbeitung von Einzelbewegungen ohne Stimme • • zuerst Vokale dann Konsonanten copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 131 Sprechapraxien- Therapiemethoden Aufbau des Übungsmaterials: 3. Erarbeitung von Bewegungsfolgen stimmlos • • CV- Verbindungen VC- Verbindungen ma am 4. Einführung der Grapheme und der Stimme • • • die Stimme wird eingeführt, wenn die Artikulationsbewegungen ohne Stimme möglich sind Stimmhaftigkeit wird über Aspiration von Plosiven und Flüstern von Vokalen eingeführt Stimmhaftigkeit wird bis auf Ebene 3 stabilisiert (einfache CV und VC Verbindungen), dann wird die Silbenkomplexität gesteigert copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 132 Sprechapraxien- Therapiemethoden 5. Kontrastierungen von Bewegungsfolgen • • 6. 7. Kontrast Kontrast stimmhaft-stimmlos ku: oral-nasal mu: stls. k sthft. u nasal m oral u Wortebene Satzebene…… Vier Prinzipien der Therapie: Entspannung als Voraussetzung für bessere Wahrnehmung Vermittlung der Artikulationsbewegung bezüglich Art, Ort usw. Gedankliche Planung der Bewegung Kontrollierte Ausführung der Bewegung unter Hemmung ungezielter Bewegung copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 133 Sprechapraxien- Therapiemethoden Sprechapraxietraining nach Luzatti u. Springer Durchführung: (Setting vor dem Spiegel) • • • • Vorbereitungsphase: Entspannungsübungen und Körperwahrnehmung (Spannung wichtiges Thema, siehe später) Instruktion und Bewegung mit Spiegel (visuelle Kontrolle): Patient führt Bewegungen vor dem Spiegel durch, Therapeut beschreibt verbal/ mit Bildern die Bewegung hinsichtlich Spannung und Stellung (Art u.Ort). Instruktion und Bewegung mit geschlossenen Augen (ohne visuelle Kontrolle): Patient artikuliert Zielstruktur und konzentriert sich auf das taktile Feedback gedankliche Bewegungsplanung: Patient stellt sich vor, wie es sich anfühlt/aussieht usw. das Zielitem zu artikulieren, der Therapeut beschreibt zusätzlich copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 134 Sprechapraxien- Therapiemethoden Sprechapraxietraining nach Luzatti u. Springer Durchführung: • • Bewegungsausführung der geplanten Bewegung mit geschlossenen Augen: Patient führt Bewegung aus, möglichst langsam und soll Spüren wie Bewegung sich anfühlt und ob dies mit dem übereinstimmt, was im Vorschritt gedanklich erarbeitet wurde. Der Therapeut gibt ein Feedback zu der Bewegungsausführung. Kontrolle im Spiegel und Selbsteinschätzung: Bewegung wird nochmals mit visueller Kontrolle durchgeführt und Patient beurteilt selbst copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 135 Sprechapraxien- Therapiemethoden Sprechapraxietraining nach Luzatti u. Springer: eigene Erfahrungen erfordert kognitiv fitte Patienten, bei SprachverständnisProblemen kaum durchführbar Schritt „gedankliche Planung“ : bisher bei meinen Patienten nicht der Schlüssel zum Erfolg, sondern eher bewusstes Spüren und Sehen im Spiegel effektiver Phase der stimmlosen Übungen schwer umzusetzen copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 136 Sprechapraxien- Therapiemethoden Sprechapraxietraining nach Luzatti u. Springer: Rollenspiel Erproben Sie die Therapieform in Zweiergruppen anhand einer Therapiesituation vor dem Spiegel mit den Lauten /a/, /p/ , /k/ und /w/ unter folgenden Aspekten: wie kann eine entsprechende Laut / Mundbildkarte aussehen wie kann das Zielitem gespürt werden bezüglich seiner Lautmerkmale und wie kann es somit möglichst gut beschrieben werden.. .. und wie sieht es dann am Spiegel aus was sind entsprechende Kontrastlaute, die Sie zur Kontrastierung nutzen können Zeit 10 Minuten copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 137 Sprechapraxien- Therapiemethoden Metrischer Ansatz (Jaeger u. Ziegler) Idee: beim Sprechen werden nicht Einzellaute aneinandergereiht sondern es kommt zu einer „parallelen Programmierung artikulatorischer Gesten“, d.h. beim metrischen Ansatz wird der Aspekt der Koartikulation mit einbezogen. Deshalb setzt der Ansatz sofort auf Wortebene an. Auswahl des Therapiematerials: richtet sich nach sprechmotorischer Anforderung (siehe Fehlersystematik, hierarchische Wortlisten usw.) copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 138 Sprechapraxien- Therapiemethoden Metrischer Ansatz (Jaeger u. Ziegler) Durchführung: Zusammenstellung einer Wortliste nach genannten Kriterien Vorsprechen auf Einzelwortebene, artikuliert der Patient das Zielwort inkorrekt erfolgt der Einsatz der metrischen Technik metrische Technik: das Zielwort wird anhand der Äußerung des Patienten schrittweise abgeleitet, der Therapeut richtet sich in jeder weiteren Stufe nach dem, was der Patient ihm zurückgibt dabei wird ein Logatom erstellt, das in seiner Struktur dem Zielwort ähnelt ist hinsichtlich Silbenzahl und Akzent copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 139 Sprechapraxien- Therapiemethoden (Quelle Sprechapraxie im Kindes- und Erwachsenenalter) copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 140 Sprechapraxien- Therapiemethoden Metrischer Ansatz (Jaeger u. Ziegler) klingt kompliziert, ist am Beispiel aber gut erklärbar: Zielwort: Wagen Patient: Baten Überlegung: was macht der Patient auf artikulatorischer Ebene?: der Patient vereinfacht die Artikulation durch folgende Prozesse: a. bilabiales kurzes /b/ anstatt eines labiodentalen langen /w/ b. Verlagert den Ziellaut /g/nach vorne zu /t/ c. entstimmt das stimmhafte /g/ Schlussfolgerung: Therapeut greift Prozess a. auf und gibt das gedehntere /m/ vor : „Maten“ copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 141 Sprechapraxien- Therapiemethoden Metrischer Ansatz (Jaeger u. Ziegler) Therapeut: Maten Patient: Maten Überlegung: was macht der Patient auf artikulatorischer Ebene?: der Patient artikuliert korrekt, es bleibt aber noch Prozess b. (Vorverlagerung) und Prozess c. (Entstimmung) Schlussfolgerung: Therapeut greift Prozess c. auf und überführt das stimmlose /t/ in ein stimmhaftes /d/ „ Maden“ copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 142 Sprechapraxien- Therapiemethoden Therapeut: Maden Patient: Maden Überlegung: was macht der Patient auf artikulatorischer Ebene?: der Patient artikuliert korrekt, es bleibt aber noch Prozess b. (Vorverlagerung) und Prozess a. ist noch nicht vollständig abgeschlossen Schlussfolgerung: Therapeut greift nochmals Prozess a. auf, d.h. ein labialer Laut wird in einen labiodentalen überführt: „Waden“ copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 143 Sprechapraxien- Therapiemethoden Metrischer Ansatz (Jaeger u. Ziegler) Therapeut: Waden Patient: Waden Überlegung: was macht der Patient auf artikulatorischer Ebene?: der Patient artikuliert korrekt, es bleibt aber noch Prozess b. (Vorverlagerung des /g/ ) Schlussfolgerung: Therapeut greift nochmals Prozess b. auf und erreicht das Zielwort „Wagen“ copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 144 Sprechapraxien- Therapiemethoden Metrischer Ansatz: eigene Erfahrungen einige Übung notwendig, ist wenig planbar, da es sich nach den Äußerungen der Patienten richtet, die nicht vorhersehbar sind funktioniert dann aber gut, Beispiel aus der Praxis mit einer schwer betroffener Patientin: Bildkarte mit „MÜTZE“ Patient: Mucke Therapeut: Mücke Patient: Mücke Therapeut: Münze Patient: Münze Therapeut: Mütze Patient: MÜTZE copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 145 Sprechapraxien- Therapiemethoden Mediationstechnik (Romero, Shell, Willbold et al) : Idee: Sprechbewegungen werden durch lautspezifische Gesten unterstützt. Die Gesten werden mit einer Hand durchgeführt, sie sind daher auch für hemiparetische Patienten geeignet. Erarbeitungsschritte: Laut und Geste werden miteinander trainiert bis eine Automatisierung erfolgt Training mit sinnfreiem Material zur Erhöhung der Automatisierung: Unsinnssilben u. Pseudowörter copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 146 Sprechapraxien- Therapiemethoden Mediationstechnik (Romero, Shell, Willbold et al) : Erarbeitungsschritte: reale Wörter, dabei wird nur der Anlaut mit einer Geste belegt Trainingssteigerung bis in die Spontansprache Training mit den Angehörigen, damit auch sie hilfegebende Geste vorgeben können copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 147 Sprechapraxien- Therapiemethoden Mediationstechnik: eigene Erfahrungen siehe Patientenbeispiel Herr St. später auch selbst erarbeitete /erfundene (oft durch spontane Ideen in der Therapie entstehende) Gesten sind für Patienten eine gute Hilfe, einer meiner Patienten hat als Hilfe der Lautdehnung bei den stimmhaften Phonemen l, w, m und n die Geste „Indianergruss“ aus den alten Karl May Filmen effektiv genutzt (lange Bewegung=langer Laut) copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 148 Sprechapraxien- Therapiemethoden PROMPT / TAKTKIN (Chumpelik, Birner -Janusch) : PROMPT: prompts for restructuring oral muscular phonetic targets; in Gesicht, Kiefer und am Mundboden werden taktil-kinästhetische Hinweisreize gesetzt Übertrag ins Deutsche von Birner-Janusch als TAKTKIN = taktil- kinästhetische Hinweisreize, ist ein geschütztes Therapieprogramm und darf (wie F.O.T.T., Akzentmethode oder Bobath) nur von speziellen Therapeuten geschult werden aber: taktile Hilfen kann sich jeder selbst logisch und im Ausprobieren mit dem Patienten erarbeiten!!! copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 149 Sprechapraxien- Therapiemethoden Ideensammlung für taktile Hilfen Laut mögliche Hilfe a m f o k sch l t pcopyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 150 Sprechapraxien- Therapiemethoden Silbenstruktureller Ansatz (nach Schulz et al. ) Therapie auf Silbenebene: Material: Silbenkarten (2 Grapheme) mit den häufigsten und wichtigsten Silben der deutschen Sprache Silbenkarten für Silben mit 3-4 Graphemen (z.B. für „Mut“ oder „Tuch“), welche aber am Anfang möglichst noch nicht genutzt werden (artikulatorische Komplexität) Silbenklappbuch copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 151 Sprechapraxien- Therapiemethoden Silbenstruktureller Ansatz (nach Schulz et al. ) 1. Vorgehen: „Banane“ Erarbeitung auf Silbenebene mit allen zur Verfügung stehenden Hilfen (taktil, visuell, auditiv) • Einzelerarbeitung: einzelne Erarbeitung der Silbenkarten ne na ba ohne dass Patient die Silben als Wort erkennen kann im Sinne des Phonemdrills • Doppelerarbeitung: zwei Silben ba-na oder na-ne oder… 2. Überführung auf Wortebene: Silben zusammenlegen ba-na-ne Bei Problemen zurück zur Einzel oder Doppelerarbeitung 3. Übung auf Satzebene: lautes silbisches Lesen mit Mitklopfen zu jeder Silbe, kurze freie Phrasen mit Silbentrennung üben (evtl. mit Taktgeber) : ich kau-fe ei-ne ba-na-ne copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 152 Sprechapraxien- Therapiemethoden 3. Übung auf Satzebene: Voraussetzung: jedes Wort des Zielsatzes kann einzeln korrekt artikuliert werden (ich kaufe eine Banane) lautes silbisches Lesen des Zielsatzes mit Mitklopfen zu jeder Silbe kurze freie Phrasen mit Frage-Antwort mit Silbentrennung üben (evtl. mit Taktgeber) : Therapeut: Was kaufen Sie? Patient :ich kau-fe ei-ne Ba-na-ne 4. Abbau des silbischen Sprechens copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 153 Sprechapraxien- Therapiemethoden Silbenstruktureller Ansatz (nach Schulz et al. ) Besonderheiten, Hilfen: sprachliche Vereinfachung: Umgang mit komplexen Wörter wie „Handtuch“ unter Auslassung unwichtiger Laute bei der Erarbeitung: Han-tuch Klanganpassung: teilweise gelingt es Patienten besser ein Wort lautlich zu Erarbeiten mit den entsprechenden Silbenkarten Beispiel: Patient war in Paris im Urlaub und möchte mir dies erzählen, das Wort “Eiffelturm“ gelingt nicht, als wir das Wort silbisch trennen. Wir probieren herum und es gelingt mit den Silbenkarten ai- fel- tu-am gezielte Erarbeitung wichtiger Wörter wie „ich“ oder Namen, damit diese auf Satzebene in Reihensätzen funktionieren copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 154 Therapie Sprechapraxie – weiterführende Fortbildungen alle Fortbildungen finden Sie im Internet, wenn Sie den jeweiligen Titel der Therapiemethode eingeben Taktkin (Beate Birner- Janusch) SpAt (Karin Lorenz) SIPARI (Monika Jungblut) Sprechapraxietraining nach Luzatti und Springer Akzentmethode Svend Smith (z.B. Logopädische Praxis Karl-Heinz Stier) copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 155 Fortbildungen Therapie Sprechapraxie SpAT® (Karen Lorenz, 2012) ist ein Therapieverfahren zur Behandlung von Patienten mit einer schweren Sprechapraxie. Viele schwer betroffene Aphasiepatienten leiden zusätzlich unter einer Sprechapraxie. Sie benötigen eine parallele Therapie der Aphasie und Sprechapraxie. SpAT® kombiniert visuelle, gestische, verbale, graphische und taktil-kinästhetische Hilfen beim Wiederaufbau der Sprechmotorischen Programme und lässt sich optimal mit dem Aphasietherapiekonzept MODAK®(Dr. Luise Lutz, 2009) verbinden. copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 156 Fortbildungen Therapie Sprechapraxie SIPARI® ist eine Methode zur musikunterstützten Sprachanbahnung für chronisch kranke Aphasiepatienten, die von Dr. Monika Jungblut entwickelt und in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Fakultät der Universität Witten-Herdecke erprobt wurde. Die Wirksamkeit dieser Therapie konnte in mehreren Studien für Aphasiepatienten nachgewiesen werden. Eine Studie für Sprechapraktiker liegt nicht vor. Singen Intonation Prosodie Atmung Rhythmus und Improviastion werden über Summen, Singen, Trommeln usw. erarbeitet das Konzept darf nur von zertifizierten Therapeuten angewendet werden copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 157 Sprechapraxien Theoretische Grundlagen Befunderhebung Therapiemethoden Umsetzung an konkreten Therapiebeispielen Diskussion, Patientenbeispiele der Teilnehmer copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 158 Patientenbeispiele Herr St. 45 Jahre alt, Kühltechniker, verheiratet, 2 Kinder medizinische Anamnese: schwerer Mediainsult links 2010, Schädeleröffnung zur Druckentlastung mit Deckelentfernung, mehrere Wochen im Akutkrankenhaus, dann fast drei Monate in Reha in der Schmiederklinik, seitdem dreimal wöchentlich ambulante Logo, Deckelung 03/2011 aktuelle logopädische Diagnose: Sprechapraxie, leichte buccofaziale keine ideomotorische Apraxie, Brocaaphasie mit gutem Sprachverständnis, Wortfindungsstörungen, Dysgraphie copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 159 Patientenbeispiele Auf welcher sprachlichen Ebene befindet sich der Patient ? Praktische Übung: Spontansprache: beurteilen Sie die Spontansprache des Patienten anhand der kurzen Videosequenz!!! copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 160 Patientenbeispiele C:\Therapie\MOV0FC.MOD copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 161 Patientenbeispiele Spontansprache: unflüssig stark stockend, effektive Ein- und Zweiwortäußerungen, meist Nomen oder Redefloskeln, wenige Verben Artikulation: wortinitial stärkste Probleme, Fehlerhäufung bei /s/, /l/, /k/ und /d/ (AK-Ort), häufige Bildung von stimmlosen zu stimmhaften Lauten, deutlicher Wortlängeneffekt Prosodie: bei Übungen auf Silbenebene häufige Verlagerung der Betonung auf die Initialsilbe, vermutlich aufgrund des erschwerten Einstiegs in das Wort Sprechverhalten: deutliche Reaktion auf Störung, „verkneift“ sich im Alltag das Sprechen copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 162 Patientenbeispiele Welche Hilfen wendet der Patient selber an und wie effektiv sind diese: selbständig: Schreiben auf Wortebene zur Initiierung des Wortes, teilweise effektiv bereits trainiert in ambulanter Therapie: Gesten EMS , bei einzelnen Lauten sehr effektiv orientiert sich stark am Mundbild der Therapeutin, kann visuelle Hilfen gut umsetzen copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 163 Patientenbeispiele Planung einer Therapiestunde Ziele und Vorüberlegungen: Kombination von Sprechapraxie- und Aphasietherapie möglichst multimodal unter Einbezug der Schriftsprache, da Patient Schreiben selbst als teilweise effektive Hilfe anwendet alltagsorientiert mit dem Ziel eines kleinen Dialoges zwischen Patient und Therapeutin copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 164 Planung einer Therapiestunde Auswahl der Zielwörter: Eigennamen Dieter, Lebensalter 45, Namen und Alter Familie Silke (Frau), Maik (Sohn 14 Jahre alt), Sven (Sohn 10), Wohnort D., Lebenssituation Haus in einer Sackgasse, Beruf der Frau Verkäuferin, eigener Beruf Kühltechniker Auswahl der Satzstruktur für den Dialog: SVO (Ich bin Kühltechniker, Ich bin 45 Jahre alt) Einzellauttraining unter Einbezug der Schriftsprache Silbentraining Worttraining unter Einbezug der Schriftsprache Training der Satzstruktur Dialog copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 165 Patientenbeispiele Material: Einzellautkarten /l/, /s/ /k/und /d/ Silbenkarten /di/, /si/, /ha/, /sa/ Spiegel DIN A4 Schriftkarte mit Namen der Frau Satzkarten mit Zielsätzen DIN A4 Arbeitsblatt Lückensätze copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 166 Planung einer Therapiestunde Einzellauttraining wichtiger Laute: Zeit ca. 10 Minuten, Vorgehen: Laute werden zuerst als Graphem- / Lautkarte vorgegeben, kann der Patient den Ziellaut nicht alleine abrufen erfolgt die auditive Vorgabe /l/ mit Eigenstimulation Taktkin und therapeutischem Mundbild /s/ EMS breite Finger /k/ Eigenstimulation Hinterzunge über Mundboden /d/ und /l/ im direkten Vergleich /im Wechsel da gleicher AK- Ort, Hilfe: /l/ langziehen und bei /d/ kräftig auf den Tisch klopfen copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 167 Planung einer Therapiestunde Silbentraining: Zeit ca. 10 Minuten Überlegung: Herr St. zeigte meist wortinitial Probleme, so dass eine Aktivierung der Anfangssilbe genügte ausgewählte Silben Dieter= /di/ Silke /si/ Haus /ha/ Sackgasse /sak/ copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 168 Planung einer Therapiestunde Training auf Wortebene: Zeit ca.10 Minuten Silke: Patient eliminiert das /l/, artikuliert Sike Problem: bei isoliertem Üben des Ziellautes findet kein Transfer auf Wortebene statt Ansatz: Stoppen üben vor dem /l/ und bewusste Wahrnehmung des /l/ in Silke mit Spiegel und getrenntem Schriftbild Si- l- ke, Therapeut geht das Zielwort auf dem Blatt vor dem Patienten mit dem Finger mit und stoppt optisch sichtbar vor dem /l/ , Anweisung: /Si/ Stopp-Zunge hoch /l/ sehr lang halten, spüren und schauen- weiter mit /ke/ copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 169 Planung einer Therapiestunde STOP Zunge lang hoch Si copyright S.Schulz l Regionalgruppe Immenstaad 2015 ke 170 Planung einer Therapiestunde Training auf Wortebene: Sven: /s/ in Sven, Patient artikuliert meist /wen/ hier genügte es, dass /s/ mehrmals isoliert mit Geste zu üben, es fand ein direkter Transfer auf das Zielwort statt Zahlen: alle Zahlen über 10 als Nomina composita fallen Herrn St. schwer in der Übung als direkte Hilfe: mit den Fingern einer Hand (Hemiparese!) als unterstützende Geste Zahlen getrennt einzeln mit den Fingern anzeigen und sprechen , Therapeutin macht parallel mit Bsp. 45 zuerst die fünf dann die vier (erfordert gute Kognition des Patienten!), als Voraktivierung übt Herr St. die Verschriftlichung von Zahlen als Eigenübung (14= vierzehn usw.) copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 171 Planung einer Therapiestunde Training auf Satzebene: Erarbeitung der wichtigsten Satzstrukturen über lautes Lesen mit Satzkarten: Ich bin Dieter St.-. Ich bin 45 Jahre alt- Ich bin Kühltechniker Maik ist 14 Jahre alt –Sven ist 10 Jahre alt-Silke ist 45 Jahre alt Ich wohne in D.-Ich wohne in einer Sackgasse- Ich… nächster Schritt: Dialog Frage-Antwort (zur Lenkung der gezielten Satzstruktur) mit entsprechendem Arbeitsblatt mit Lückensatzstrukturen: copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 172 Planung einer Therapiestunde Satzstruktur Ich bin….. Zielstruktur Dieter St. 45 Jahre alt Kühltechniker …..ist…..Jahre alt Maik, Silke, Sven 10, 14, 45 Ich wohne…. in D., in einem Haus in einer Sackgasse im Grünen copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 173 Planung einer Therapiestunde Training auf Satzebene im Frage-Antwort Dialog: Th.: „Hallo, ich bin Frau Sch.-und Sie sind?“ Pat.: „Ich bin Dieter S.“ Th.: „ Sie sind von Beruf?“ Pat.: „ Ich bin Kühltechniker“ Th.: „Wie alt ist Sven?“ Pat.: „Sven ist 10 Jahre alt.“ Th.: „Und Sie sind?“ Pat.:“ Ich bin 45 Jahre alt.“ Th.: „ Wohnen Sie in der Stadt?“ Pat.: „Ich wohne im Grünen“ … copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 174 Planung einer Therapiestunde Dialog ohne Hilfsmittel: Frage-Antwort Dialog orientiert an der geübten Satzstruktur ohne Satzblatt Erweiterung durch Fragen die außerhalb der erarbeiteten Satzstruktur liegen, aber die erarbeiteten Zielwörter als Antwort voraussetzen ( Wie viele Kinder haben Sie ? Sind Sie verheiratet? Wie heißt Ihre Frau?….) als Hilfe kann das erarbeitete Blatt mit der Satzstruktur wieder hinzu gezogen werden und der Dialog wird wieder enger an das Übungsblatt angeglichen copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 175 Patientenbeispiele Frau Sch. 66 Jahre alt, Rentnerin, verheiratet Aufenthalt in Rehaklinik 12.03.2007- 15.04.2007 medizinische Anamnese: Mediainsult mit Herdsymptomatik (mehrere kleine Bereiche), keine sonstige körperliche Symptomatik logopädische Diagnose: schwere Sprechapraxie, Restaphasie mit Einschränkungen des Sprachverständnis auf komplexem Niveau (Textebene), leichte Dysgraphie bisher keine logopädische Therapie, Akutphase copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 176 Patientenbeispiele Sprachliche Ebenen: Spontansprache sehr wechselhaft: Phasen mit nahezu keinen vollständigen Äußerungen bereits auf Wortebene wechseln mit fast völlig störungsfreien Inseln mit Mehrwortäußerungen Artikulation: kein klares Muster erkennbar, Patientin bleibt wortinitial oder im Wort stecken Prosodie: sehr auffallende Lautdehnungen, evtl. als Kompensationsversuch, Überakzentuierung Sprechverhalten: sehr gepresste Stimme, erhöhte Tonlage Zusatzsymptome: sehr starke Reaktion der Atmung, gepresste Atmung (als Kompensationsversuch?) fast wie Sekundärsymptomatik beim Stottern copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 177 Patientenbeispiele Suche nach geeignetem Therapieverfahren: Festlegung des Schwerpunkts im Bereich der Artikulation und Prosodie Versuch der Erarbeitung rhythmischer Hilfen: Klopfen, rhythmisches Sprechen, silbenweise Sprechen nicht effektiv in Anlehnung an MIT: summen, melodisches Sprechen effektiver aber noch nicht „der Durchbruch“ Problem und Überlegungen: bei allen Verfahren nahm die Atemsymptomatik nicht ab, dies erschien zunehmend als Hemmung, evtl. lag eine laryngeale Apraxie vor, bei der die Initiierung zur Stimmgebung gehemmt wurde??? copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 178 Patientenbeispiele Auswahl des geeigneten Therapieverfahrens: liegende Acht im Viervierteltakt: Laute mit viel Luftanteil oder Vibranten zur Entspannung der Atmung /wu/ , /schu/ und /mu/oder einfache Zweisilber mit stimmhaften Lauten oder /h/ wortinitial ha-llo, wa-nne, sehr effektiv pro „halbe Acht“ (Schwungbogen) eine Vokalise, Silbe usw. copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 179 Patientenbeispiele Auswahl des geeigneten Therapieverfahrens: Steigerung auf Mehrsilber und Kurzsätze mit rhythmischem Gehen mit „starkem Schritt“ bei Betonung in Anlehnung an Akzentmethode im Viervierteltakt: Geh 2-3-4-, Geh weg-3-4 usw. rasche Steigerung auf Satzebene und Texte (Gedichte), je nach Material im Gehen oder mit liegender Acht sehr ungewöhnlicher Fall mit (leider) nicht üblicher rascher Verbesserung der Symptomatik copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 180 Patientenbeispiele Herr B. 72 Jahre alt, ambulanter Patient seit 2009, türkisch mit guten Deutschkenntnissen, lebt mit Frau und Familie medizinische Anamnese: schwere Mediainfarkt links 2008 mit arm- und beinbetonter Hemiparese rechts, Neglekt, schwere Aphasie, schwere Apraxie( bzgl. Imitation, Werkzeuggebrauch und Gestenausführung) und Sprechapraxie aktuelle logopädische Diagnose: die oben genannten Diagnosen bestehen im Wesentlichen weiter, wobei der Patient bezüglich der ideomotorischen Apraxie und des Sprachverständnis deutliche Fortschritte gemacht hat sonstiges: stark eingeschränkte Störungswahrnehmung copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 181 Patientenbeispiele Spontansprache: völlig unverständliche Automatismen, Jargon Prosodie erhalten Sprechverhalten: eine Sprechanstrengung fällt nur im Training auf Einzellautebene / Wortebene auf Zielwörter: aufgrund der Schwere der Apraxie nur vereinzelte Vokale und Konsonanten möglich, welche gut sicht- und stimulierbar sind Hallo, Allah, Hava (Tochter) copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 182 Patientenbeispiele Arbeit am Spiegel oder mit Lautkarten / Gesten ist nicht möglich Therapieaufbau: Einzellauterarbeitung mit prompts, auditiver Vorgabe und visueller Hilfe Mundbild der Therapeutin FILM Erarbeitung „Allah“ copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 183 Patientenbeispiele C:\Therapie\MOV109.MOD copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 184 Patientenbeispiele Herr I., 68 Jahre alt, pensionierter Handwerker, Italiener mit passablen Deutschkenntnissen, klinischer Patient mit Rehaaufenthalt 4 Wochen, tägliche Therapie Medizinische Diagnose: mittelschwerer Mediainfarkt mit Nachblutungen, nahezu kaum körperliche Einschränkungen nur leichte Hemiparese des linken Beines Logopädische Diagnose: schwere Sprechapraxie und (vermutlich) leichte-mittelschwere Aphasie mit Einschränkung des SV auf komplexer Satzebene (evtl. auch Deutschkenntnisse?), das SV ist für die Therapie der Sprechapraxie aber ausreichend Spontansprache: ist aufgehoben, der Patient produziert nur tonlose undeutliche Lautfolgen oder pustet verzweifelt und deutet gestisch an, dass er nicht sprechen kann, er öffnet den Mund und haucht tonlos „hahaha“ zu der Mundstellung des /a/ copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 185 Patientenbeispiele Problemanalyse: Patient kann keine Stimme produzieren, sehr flache Atmung, teilweise paradoxe Atmung, ein zuverlässiger Abruf des Pustens oder des spontanproduzierten stimmlosen Laute /a/ gelingt kaum Ziel der Therapie: gezielte Lautproduktion stimmhafter und stimmloser Sprachlaute mit dem Fernziel des Wortabrufs Atmung: paradoxe Atmung abbauen, Atem vertiefen, Atemkontrolle im Hinblick auf Sprechatmung copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 186 Patientenbeispiele Therapieaufbau: Lockerung und Anregung der Atemmuskulatur: leichte Bewegungsübungen des Rumpfes wie Rumpfdrehungen, Schulter kreisen, Schultern an- und entspannen Atemübungen: tief atmen und spüren, mit der Hand kontrollieren ob Atmung paradox oder regelrecht den Atem kontrollieren: tief ausatmen und gegen die Hand pusten: gelingt nicht tief ausatmen und gegen eine Feder pusten: gelingt nicht tief ausatmen und durch einen Trinkhalm in ein Wasserglas pusten: gelingt durch den Strohhalm ohne Wasserglas pusten: gelingt nach drei Stunden in ständigem Wechsel Wasserglas / ohne Wasserglas copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 187 Patientenbeispiele Therapieaufbau: vom Pusten zum gezielten /f/ mit taktiler Hilfe: zuerst in gleichbleibendem Rhythmus in den Strohhalm pusten, dann wegziehen und rasch mit taktiler Hilfe im gleichen Rhythmus weiterpusten taktile Hilfe: Daumen drückt an Unterlippe, Handdruck stimuliert kräftiges Ausatmen am Bauch Kontrastierungsversuch mit stimmhaften /w/ misslingt, alle Versuche der Stimmproduktion sind frustran und scheitern (Summen, Vibrationsreize, fühlen bei sich und bei mir…) copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 188 Patientenbeispiele Therapieaufbau: weiterer stimmloser Aufbau unter Zunahme des geflüsterten /a/ (kann Patient ja schon stimmlos): / fa/, /sa/, /ha/ dann mit geflüstertem /o/ weiter zu /fo/, /so/, /ho/, kontrollierter Abruf nach ca 10 h deutlich besser Zunahme des Vibrationslautes /m/ in der Hoffnung einen Übergang zur Stimmgebung zu finden: Patient gelingt Mundbild, er presst stark und es gelingt ein geräuspertes /m/ das halb nach Stimme und halb nach Luft klingt copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 189 Patientenbeispiele Therapieaufbau: nach eine weiteren Woche klopft der Patient nachmittags an meine Tür und summt ein ihm vertrautes ital. Lied über das Summen verbunden mit einem schnellen Mund öffnen gelingt nach weiteren 5 Stunden der stimmhafte Abruf von /ma/, dann die Silbenfolge ma-ma das mittlerweile gut abrufbare /m/ benutzen wir als Einstieg in die Stimmgebung bei anderen Lauten: über Mundbild und Spiegel werden zuerst stumm /l/ und /n/ sowie /o/ und /a/ erarbeitet dann erfolgt die stimmhafte Produktion, klappt dies nicht, wird das gesummte /m/ vorangestellt copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 190 Patientenbeispiele Therapieaufbau: durch bessere Kontrolle über Stimmgebung Kontrastierung von stimmhaften und stimmlosen Lauten möglich: /f/ vs. /w/ /s/ stl. und /s/ sthft. /b/ vs. /p/ usw. Übergang auf einfache Wortebene copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 191 Patientenbeispiele Therapieaufbau: bei Entlassung kann der Patient stimmhaft /si/ und /no/, der Abruf der gezielt erarbeiteten Vokale /a/ und /o/ gelingt meist, auch in Verbindung mit /m/, die Kontrastierung stimmhaft vs. stimmlos gelingt meist nach ca. zwei Monaten ruft der Patient mit seiner Therapeutin an und meldet sich mit seinem Namen, er ist so aufgeregt, dass er dann allerdings nur noch Ja- Nein Fragen beantworten kann die Therapeutin übernimmt den Hörer und erzählt, er können nahezu alle Namen seiner Familie artikulieren sowie wichtige Alltagsfloskeln, sie müsse aber immer wieder an der Stimmgebung arbeiten und er brauche noch viele taktilen Hilfen copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 192 Patientenbeispiele Herr U., 72 Jahre alt, pensionierter Unternehmer, ambulanter Patient mit zweimal /Woche Therapie Medizinische Diagnose: leichter frontomedialer Insult mit initial leichter Schwäche der rechten Körperhälfte und Störungen der Merkspanne und des Gedächtnisses Logopädische Diagnose: leichte Sprechapraxie und leichte flüssige Aphasie mit leichter Dysgraphie und Dyslexie, enorm starkes Störungsbewusstsein und starke emotionale Reaktion mit Sprechängsten im öffentlichen Leben Spontansprache: bei komplexen Konsonantenclustern kommt es zu in Übungen und in der Spontansprache zu Stockungen, Korrekturversuchen, Auslassungen und Ersetzungen auf die der Patient stark emotional reagiert copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 193 Patientenbeispiele Therapieziele Sprechverhalten: Herr U. ist Schnellsprecher, er war (und ist es im Geiste noch!) Unternehmer und war es gewohnt, (Zitat) „schnell zu denken und viel zu reden“, das Sprechtempo ermöglicht ihm kaum unauffällige Korrekturversuche oder bewusstes Sprechen Konsonantencluster sind ein Problem, diese sollen gezielt beübt werden therapeutische Umsetzung der Patient soll im Alltag alle Wörter sammeln, an denen er hängen bleibt wir analysieren diese gemeinsam in der Therapie und schreiben Wörter mit denselben oder artikulatorisch ähnlichen Clustern als Übungsmaterial auf copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 194 Patientenbeispiele Therapeutische Umsetzung schwierige Konsonantencluster werden durch bewusstes Spüren der Sprechbewegung analysiert das Sprechtempo wird innerhalb gesteuerter Übungssequenzen (Begriffe erklären, Text nacherzählen) reduziert und mittels Tonbandaufnahme überprüft die Tonbandaufnahme dient auch der bewussten Konfrontation mit dem eigenen Sprechen (Patient hat große Angst die erste Aufnahme anzuhören, als er sie angehört hat, ist sein überraschter Kommentar in etwa: „Das ist ja doch nicht so schlimm, wie ich gedacht habe“) copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 195 Patientenbeispiele Therapeutische Umsetzung in freien Sprechsituationen über aktuelle Themen übt Herr U. den Umgang mit auftretender Symptomatik: seine in der Therapie erarbeitete Taktik hierfür ist tiefes ruhiges Luft holen und langsames bewusstes Wiederholen des gesamten Wortes, an welchem er Probleme hat und nicht wie bisher ein Wiederholen der gesamten Äußerung (denn dabei bleibt er meist wieder an derselben Stelle hängen) ähnlich wie in der Stottertherapie erstellen wir eine hierarchische Angstliste mit 10 Sprechsituationen, dabei ist Situation 1 leicht angstbesetzt(einen alten Freund anrufen, der schon lange auf den Rückruf wartet) und Situation 10 (laut Patient) der „absolute Supergau“ (Sprechen in der Vorstandssitzung der Bank) der Patient soll nach jeder Therapiewoche möglichst eine Stufe wagen, wir besprechen wie dies geklappt hat und ob Herr U. bereit ist für die nächste Stufe copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 196 Patientenbeispiele Fazit: Herr U. hat alle Stufen überwunden, er hat größtenteils seine Sprechängste abgebaut, die Symptomatik ist nahezu unauffällig er kommt immer noch mindesten einmal wöchentlich zu einer Kollegin in die Therapie, da er das Gefühl hat, er wird sofort wieder schlechter in Therapiepausen der Schwerpunkt der Therapie liegt weiterhin an der dauerhaften Reduktion des Sprechtempos, ansonsten liegt der Schwerpunkt mittlerweile im Bereich der Dysgraphie sowie im Bereich des kognitiven Trainings (Kollegin ist hierin fortgebildet) copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 197 Sprechapraxien Theoretische Grundlagen Befunderhebung Therapiemethoden Umsetzung an konkreten Therapiebeispielen Diskussion, Patientenbeispiele der Teilnehmer copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 198 Apraxien 2015 Regionalgruppe Imenstaad Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! copyright S.Schulz Regionalgruppe Immenstaad 2015 199