UPDATE: NIERENZELLKARZINOM 41 rning.de cme.medlea MkteE CPun sammeln Zielgerichtete Therapie des Nierenzellkarzinoms Jens Bedke, Arnulf Stenzl, Klinik für Urologie, Eberhard Karls Universität Tübingen Die Entdeckung und das Verständnis der molekularen Mechanismen in den Signalwegen der Zellproliferation und Angiogenese des Nierenzellkarzinoms (NZK) haben zur Entwicklung neuer zielgerichteter Medikamente zur Behandlung des metastasierten NZK geführt. Aktuellen Erkenntnissen zufolge können nicht nur die molekularen Mechanismen der Tumorprogression, sondern auch das Immunsystem zielgerichtet gegen den Tumor aktiviert werden. Der Beitrag gibt einen Überblick über die Möglichkeiten der Erst- und Zweitlinientherapie beim metastasierten NZK und gibt einen Ausblick auf mögliche zukünftige Therapien der spezifischen Immuntherapie. (mNZK) eines der Zielmoleküle, das die Angiogenese und auch die Tumorprogression steuert. Basierend auf diesen Ergebnissen eines fundierten Verständnisses der Biologie des Nierenzellkarzinoms und seiner Metastasenentwicklung konnten zielgerichtete Tyrosinkinaseinhibitoren (TKIs) und Inhibitoren des mammalian-target of Rapamycin (mTOR) entwickelt werden. Die auf diese Weise gehemmten Zielmoleküle führen zu einer Inhibition der in der Progression des mNZK beteiligten Signalwege. Dabei werden durch die TKIs Sunitinib, Sorafenib, Pazopanib und Axitinib VEGF-assoziierte Signal- wege gehemmt, während hingegen der humanisierte monoklonale Antikörper Bevacizumab das im Plasma gelöste VEGF bindet. Im Gegensatz dazu führen die mTOR-Inhibitoren Everolimus und Temsirolimus zu einer Hemmung des Proteinkinase B/Aktabhängigen Signalweges. Diese neuen zielgerichteten Therapien haben überwiegend die Interferon-α- und Interleukin-2-basierten Algorithmen der unspezifischen Immuntherapie ersetzt und werden heutzutage als Standardtherapien in der Erst- und Zweitlinientherapie in den Guidelines der Fachgesellschaften weltweit empfohlen. Alle neuen Quelle: BSIP/_Cavvallini – Your Photo Today Das Nierenzellkarzinom (NZK) (Abb. 1) ist der häufigste Nierentumor. In Deutschland werden jährlich ca. 12.000 Patienten mit einem Nierenzellkarzinom neu diagnostiziert; weltweit sind es ca. 60.000 neue Fälle. Rund 13.000 Patienten versterben an der Tumorerkrankung. Neuere Publikationen berichten über einen signifikanten Anstieg der Inzidenz des NZK zwischen 1975 und 2007. Das NZK ist allgemein bekannt als aggressiver Tumor, der im metastasierten Stadium eine hohe Resistenz gegenüber Medikamenten zeigt. In den Zeiten der unspezifischen Immuntherapie war die Prognose für Patienten mit einem metastasierten klarzelligen NZK schlecht, das mittlere Überleben betrug 10 bis 12 Monate. Diese mit den Zytokinen Interleukin-2 oder Interferon-α durchgeführte unspezifische Immuntherapie war bis zum Jahr 2006 die bestverfügbare Therapiemodalität bei Patienten im metastasierten Stadium. Prospektive Ergebnisse aus Phase-III-Studien mit Zytokinen ergaben Ansprechrate von 6 bis 15% mit einem medianen progressionsfreien Überleben (PFS) von durchschnittlich 5 Monaten [1,2]. Die Entdeckung des von Hippel-Lindau-Gens hat das Verständnis der molekularen Mechanismen in der Tumorprogression, Proliferation und Angiogenese des Nierenzellkarzinoms deutlich verändert [3]. Der vascular endothelial growth factor (VEGF) ist beim metastasierten NZK Abb. 1: Nierenzellkarzinom (CT-Scan) 07/2013 ONKOLOGIE heute 42 rning. cme.medlea UPDATE: NIERENZELLKARZINOM de MkteE CPun sammeln Medikamente werden bis zur Tumorprogression verabreicht, die fast unausweichlich in allen mNZK-Patienten aufgrund von intrinsischen oder erworbenen extrinsischen Chemoresistenzen auftritt. Die zu Verfügung stehenden therapeutischen Optionen in der Therapie des mNZK sind von palliativer Natur und eine definitive Heilung von Patienten kann auch mit den neuen Medikamenten nur in seltenen Fällen erreicht werden. Ziel der Therapien ist eine Krankheitsstabilisierung oder ein Zurückdrängen mit einer deutlichen Verlängerung des PFS und des Gesamtüberlebens (OS). Aufgrund der Erfolge der TKIs und mTOR-Inhibitoren kann ein sehr langer Krankheitsverlauf mit einer Verlängerung des OS von im Mittel 29 bis 32 Monaten erreicht werden. In bestimmten Subgruppen wird von Überlebenszeiten von über 40 Monaten und länger berichtet. Nachfolgend werden die einzelnen in der Therapie des mNZK zugelassenen Substanzen vorgestellt, sowie ein Ausblick auf neue Therapieformen gegeben [1]. Zielgerichtete Medikamente Mehrere neue Medikamente wurden für die Therapie des mNZK in den letz- ten Jahren entwickelt und für die Behandlung zugelassen (Abb. 2). Dieses sind die Substanzen Sunitinib, Sorafenib, Axitinib und Pazopanib, welche kleinmolekulare kompetitive Inhibitoren von Rezeptortyrosinkinasen (RTKs) sind. Diese haben extrazelluläre Ligandenbindungsdomänen und eine intrazelluläre Domäne, welche die Tyrosinkinase beinhaltet. Die RTK ist verantwortlich für die Phosphorylierung und Aktivierung weiterer verschiedener intrazellulärer Signalproteine „downstream“ in der Transduktionskaskade. RTKs erhöhen den Plasmalevel proangiogener Faktoren, welche zum Wachstum von Kapillaren und für die Neoangiogenese des Tumors verantwortlich sind – mit der Folge eines gesteigerten Tumorwachstums. So führt z.B. eine erhöhte Konzentration des Hypoxia-Inducible-Faktors (HIF-α) zu einer verstärkten VEGF-Produktion und einer Neubildung von Gefäßen. Eine VEGF-induzierte Angiogenese ist ein zentraler Faktor für die Tumorprogression und Metastasierung. Der monoklonale Antikörper Bevacizumab bindet VEGF und blockiert somit die Interaktion zwischen den verschiedenen Wachstumsfaktoren und Rezeptoren Therapie des VEGF- und PDGF-Signalweges Sunitinib Sunitinib SorafenibSorafenib mTOR-Inhibitor Temsirolimus Anti-VEGF-Antikörper Bevacizumab m-TOR-Inhibitor Therapie des VEGF- und PDGF-Signalweges Selektive Therapie des VEGF-Signalweges Abb. 2: Zeitlicher Überblick über die erfolgten Zulassungen ONKOLOGIE heute 07/2013 Everolimus Pazopanib Axitinib auf den Endothelzellen. VEGF-Rezeptoren aktivieren ebenso die PI3K/Akt/mTOR-Signalachse. Weitere Substanzen sind die mTORInhibitoren. Der erste mTOR-Inhibitor Rapamycin wurde zunächst in der Immunsuppression von Organtransplantaten eingesetzt. Rapamycin wurde aus dem Bakterium Streptomyces hygrosophicus isoliert. Später zeigte sich, dass Rapamycin neben einer immunsuppressiven Wirkung auch eine antiproliferative Aktivität in zahlreichen menschlichen Krebserkrankungen aufwies. Dementsprechend wurde die Forschung der mTOR-Signalwege intensiviert und führte zur Entwicklung von mTORInhibitoren. Das mTOR-Protein ist ein in der Signalkaskade über HIF-1 und weiterer intrazellulärer Kinasen stehender Aktivator. mTOR ist ein zentraler Integrationsfaktor innerhalb des Zellstoffwechsels, der in seiner Hemmung eine vielversprechende Alternative in der Behandlung des metastasierten NZK darstellt. Die neueren mTOR-Inhibitoren Temsirolimus und auch Everolimus haben beide ihre Antitumoraktivität in PhaseIII-Studien erfolgreich aufgezeigt [1]. Inhibition des VEGF-Signalwegs Sorafenib ist ein MultityrosinkinaseInhibitor, der die Tumorzellproliferation durch die Inhibition intrazellulärer und sich auf der Zelloberfläche befindlicher RTKs (u.a. Raf-1/B-Raf und KIT, FLT-3, RET, VEGFR-1, -2 und -3 und PDGF Rezeptor-?) vermindert. Im Juli 2006 wurde Sorafenib durch die EMA für die Behandlung des mNZK nach einem Therapieversagen von Interleukin-2 oder Interferon-α als Erstlinientherapie zugelassen. Die randomisierte Phase-III-Studie TARGET untersuchte Sorafenib (2 x 400mg pro Tag p.o.) vs. Plazebo in 903 vorbehandelten Patienten [4]. Obwohl keine Verlängerung des OS in der primären Intent-totreat-Analyse erzielt wurde (17,8 vs. 15,2 Monate; Hazard Ratio [HR] 0,88; p=0,146) zeigten die Ergebnisse der UPDATE: NIERENZELLKARZINOM 43 rning.de cme.medlea MkteE CPun sammeln sekundären OS-Analyse unter dem Zensieren von plazebobehandelten Patienten einen Überlebensvorteil für Patienten, die Sorafenib erhielten (17,8 vs. 14,3 Monate; HR 0,78; p=0,029). Hier wurde für diese Studie ein nicht unwichtiger Cross-overEffekt postuliert [5]. Die empfohlene Dosis für Sorafenib ist 2 x 400 mg pro Tag, einzunehmen 1 bis 2 Stunden vor der Nahrungsaufnahme. Sunitinib ist ein oraler TKI, der mit den VEGF-1-, -2- und-3-Rezeptoren, den PDGF-Rezeptoren, c-KIT, FLT-3 und RET ebenfalls mehrere RTKs inhibiert (siehe auch Abb. 3, S. 44). Im Jahre 2006 wurde Sunitinib durch die FDA und die EMA für die Erstlinienbehandlung des mNZK zugelassen. Die Zulassung basierte auf Ergebnissen einer Phase-III-Studie, in der Sunitinib 1 x täglich 50 mg im 4-WochenBehandlungsalgorithmus mit 2 Wochen Pause (4/2-Schema) verabreicht wurde. In dieser Studie wurde Sunitinib mit dem Komparator Interferon-α in 750 Patienten verglichen. Im Sunitinib-Arm konnte eine signifikante Verbesserung des medianen PFS (11 vs. 5 Monate; HR: 0,42; p < 0,000001) erzielt werden [6]. In der finalen Analyse ergab sich ein verlängertes OS für Sunitinib im Vergleich zu Interferonα (26,4 vs. 21,8 Monate; HR 0,821; p=0,051) [7]. Die finale objektive Ansprechrate betrug 47 % für Sunitinib und 12 % für Interferon-α (p<0,001). Die häufigsten Nebenwirkungen (Grad ≥3) waren Blutdruckerhöhung (12 %), Fatigue (11 %), Diarrhö (9 %) und das Hand-Fuß-Syndrom (9%). Pazopanib ist ebenfalls ein oraler Multityrosinkinaseinhibitor, der die VEGF-1-, -2- und -3-Rezeptoren, den PDGF-Rezeptor-α und -? sowie c-KIT inhibiert. Pazopanib (800 mg pro Tag p.o.) wurde im Mai 2010 durch die EMA bedingt zugelassen. Im Jahr 2013 erhielt Pazopanib die endgültige Zulassung für die Therapie des fortgeschrittenen mNZK, nachdem zunächst ein so genanntes Conditional Approval erfolgt war. In der initialen Phase-III-Studie mit 435 Patienten wurde Pazopanib im Vergleich zu Plazebo gegeben [8]. Es ergab sich eine signifikante Verbesserung im medianen PFS (9,2 vs. 4,2 Monate; HR 0,46; p<0,0001). Der Anteil der behandlungsnaiven Patienten am Gesamtkollektiv betrug 54 %. In dieser Gruppe ergab sich eine medianes PFS von 11,1 vs. 2,8 Monaten (HR 0,40; p<0,001), während hingegen in der mit Zytokinen vorbehandelten Gruppe (46 %) der Unterschied 7,4 vs. 4,2 Monate betrug (HR 0,54; p< 0,001). Ein Ansprechen des Tumors auf die Pazopanib-Therapie war bei 30 % der Patienten zu beobachten (vs. 3 % Plazebo). Insgesamt wurden 435 behandlungsnaive und mit Zytokinen vorbehandelte Patienten mit mNZK eingeschlossen. Aufgrund der Auswahl der Kontrollgruppe, in der mit Plazebo behandelt wurde, erfolgte zunächst nur eine bedingte Zulassung durch die EMA – mit der Auflage, eine Vergleichsstudie (COMPARZStudie) durchzuführen. In der COMPARZ Studie wurde Pazopanib vs. Sunitinib bei Patienten mit mNZK in der Erstlinienbehandlung verglichen [9]. Die Studie war als eine Nicht-Unterlegenheits-Studie angelegt. Die finalen Studiendaten ergaben einen vergleichbaren Überlebensbenefit für beide Substanzen. Aufgrund der positiven Ergebnisse der Nicht-Unterlegenheit des Pazopanibs erfolgte die „vollständige“ Zulassung für die Behandlung in der Erstlinie im Mai 2013. Axitinib ist ein kleinmolekulares Indazolderivat, das oral bioverfügbar ist. Es gehört zu der Klasse der sog. Zweitgenerations-TKIs, welche sich durch ihre Eigenschaft der hochselektiven bzw. nanomolekularen Bindung an die VEGF-Rezeptoren 1–3 auszeichnen. Axitinib wird als orales Medikament mit der Standarddosierung von 2 x 5 mg pro Tag p.o. gegeben. Hierbei zeigte Axitinib eine Antitumoraktivi- tät bei einem günstigen Toxizitätsprofil in einer Phase-II-Studie bei Patienten mit einem vorangeschrittenen mNZK [10]. Diese multizentrische Phase-II-Studie bei zytokinrefraktären Patienten ergab eine objektive Ansprechrate von 44,2 %, mit einer medianen Zeit bis zur Progression von 15,7 Monaten und einem medianen OS von 29,9 Monaten. Interessanterweise war die diastolische Blutdruckerhöhung in dieser Studie ein prospektiver Biomarker (≥90 mm Hg), welcher mit dem Ansprechen der Effektivität von Axitinib korrelierte. Die Ergebnisse der großen Phase-III-Studie AXIS, in der Axitinib und Sorafenib in der Zweitlinientherapie des mNZK verabreicht wurden, ergab ein medianes PFS von 8,3 Monaten vs. 5,7 Monaten im Sorafenib-Arm [11]. Basierend auf diesen Daten erfolgte die Zulassung von Axitinib für die Zweitlinienbehandlung nach vorheriger Zytokin- oder Sunitinib-Therapie. Tivozanib ist ebenfalls ein Zweit-Generations-TKI, der selektiv die Rezeptoren VEGF 1-3 inhibiert. Er ist nicht zugelassen. Tivozanib wurde zunächst in einer randomisierten Phase-II-Studie plazebokontrolliert in einem sog. Diskontinuitäts-Versuchsdesign mit 272 Patienten mit einem mNZK in der Erstlinienbehandlung untersucht. Hierbei waren sowohl Patienten mit als auch ohne Nephrektomie und vorheriger Zytokintherapie eingeschlossen worden. Tivozanib zeigte eine objektive Ansprechrate von 27 % bei einem medianem PFS von 11,8 Monaten. Kürzlich sind die Ergebnisse der Phase-III-Studie TIVO1 publiziert worden [12]. Darin wurden Tivozanib (1,5 mg pro Tag im 3/1 Wochen Behandlungsschema p.o.) und Sorafenib in der Erstlinienbehandlung verglichen. Das mediane PFS betrug 11,9 vs. 9,1 Monate zugunsten von Tivozanib (p=0,042). Die Studie erlaubt eine weitere Zweitlinienbehandlung mit Tivozanib der Patienten des Sorafenib-Armes bei 07/2013 ONKOLOGIE heute 44 rning. cme.medlea UPDATE: NIERENZELLKARZINOM de MkteE CPun sammeln Progress (Cross-over-Design). Das OS beider Behandlungsarme unterschied sich mit 29,3 vs. 28,8 Monate (Sorafenib vs. Tivozanib) nicht signifikant, wobei zu erwähnen ist, dass die Studie auch in Ländern durchgeführt wurde, in denen keine etablierte Zweitlinientherapie zur Verfügung stand, so dass ein möglicher Effekt des Cross-overs nicht ausgeschlossen werden kann. Trotz des verlängerten PFS wurde in dieser Studie das primäre Studienziel der Annahme einer 3-monatigen Verlängerung des PFS durch Tivozanib nicht erreicht, so dass keine Zulassung durch die FDA erfolgte. mTOR-Inhibitoren Temsirolimus ist ein intravenös zu verabreichender mTOR-Antagonist, der an das Protein FKBP12 bindet. Dieser Protein-Medikamenten-Komplex degradiert die Funktion von mTOR und blockiert so den PI3K/Akt/mTOR-Signalweg, was zu einem Stopp der Zellproliferation in der G1-Phase führt. Temsirolimus reduziert ebenfalls den Spiegel der proangiogenetischen Wachstumsfaktoren HIF-1, HIF-2α, VEGF und PDGF. Die empfohlene Dosis beträgt 25 mg, welche über einen Zeitraum von 30 bis 60 min 1 x pro Woche intravenös verabreicht werden soll. Eine Prämedikation mit intravenösen Antihistaminika wird empfohlen, um allergische Reaktionen zu minimieren. Temsirolimus wurde als Erstlinientherapie in der Behandlung von Poor-Prognosis-Patienten 2007 zugelassen. In dieser Studie wurden 626 Patienten mit mNZK in die Arme Temsirolimus (25 mg), Interferon-α alleine und Temsirolimus (15 mg) plus Interferon-α randomisiert [15]. Das mediane OS in der Interferon-α-, der Temsirolimus- und der Kombinationstherapie war 7,3, 10,9 und 8,4 Monate. Die Behandlung mit Temsirolimus resultierte in einem verlängerten OS (HR 0,73; p=0,008) und einem verlängerten PFS (p<0,001) im Vergleich zu Interferon-α. Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied im Gesamtüberleben zwischen Interferon-α alleine und dem Kombinationsarm von Temsirolimus/Interferon-α, so dass Temsirolimus 25 mg 1 x pro Woche, basierend auf diesen Daten, zur Zulassung kam. Eine Subgruppen-Analyse zeigte auch keine Differenz im OS zwischen klarzelligem und nicht-klarzelligem NZK, so dass Temsirolimus eine empfohlene Bilder: Klinik für Urologie, Universität Tübingen Bevacizumab ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der sehr potent VEGF neutralisiert und somit die Signalinteraktion zu den VEGFRezeptoren-1 und -2 inhibiert. Die empfohlene Dosis ist 10 mg pro kg Körpergewicht alle 2 Wochen, in der Kombination mit Interferon-α 9 Mio. I.E. 1 x pro Woche. Bevacizumab hat die Zulassung als Erstlinientherapie in Kombination mit Interferon im Dezember 2007 in der EU erhalten. In der randomisierten AVOREN-Studie wurden 649 behandlungsnaive Patienten mit mNZK mit Bevacizumab plus Interferon-α (n=327) vs. Plazebo plus Interferon-α (n=322) behandelt [13]. Das PFS war unter Bevacizumab/Interferon im Vergleich zu Plazebo/Interferon signifikant verlängert (10,2 vs. 5,4 Monate; HR 0,60; p<0,0001). Von 595 Patienten mit messbaren Metastasen war die objektive Ansprechrate im Bevacizumab-Arm signifikant höher (30 % vs. 1 2%, p<0,0001). Letztendlich wurde jedoch über keine Verlängerung des OS berichtet. In der finalen Datenanalyse lag das mediane OS bei 23,3 Monaten im Bevacizumab(Interferon-Arm und 21,3 Monaten im Plazebo/Interferon-Arm. Die vom Studiendesign her gleich aufgebaute CALGB-90206-Studie randomisierte ebenfalls behandlungsnaive Patienten zu Bevacizumab/Interferon vs. Interferon allein [14]. Es zeigten sich eine objektive Ansprechrate von 25,5 % vs. 13,1 %; p<0,0001 und ein verlängertes PFS von 8,5 vs. 5,2 Monaten (HR: 0,71; p < 0,0001). Patienten im Kombinationsarm zeigten hier ein verlängertes OS (18,3 vs. 17,4 Monate; HR: 0,86; p=0,69), jedoch war diese Differenz ebenfalls nicht signifikant. Aufgrund dieser Ergebnisse erfolgte die Zulassung in der Erstlinientherapie. Abb. 3: Therapieansprechen eines Patienten mit klarzelligem NZK und pulmonalen Metastasen. Therapieverlauf nach 3, 6 und 9 Monaten nach Beginn einer Sunitinib -Therapie ONKOLOGIE heute 07/2013 UPDATE: NIERENZELLKARZINOM 45 rning.de cme.medlea MkteE CPun sammeln Therapie in der Behandlung von nicht-klarzelligen NZK ist. Everolimus ist ein synthetisches oral bioverfügbares Analogon des mTORInhibitors Rapamycin, das ebenfalls die Signalwege des PI3K/Akt/mTORSignalwegs durch die Reduktion der Aktivität der S6-ribosomalen Proteinkinase und des eukaryotischen Elongationsfaktors 4E-Binding-Protein inhibiert. Everolimus ist seit 1996 in der Entwicklung und wurde offiziell im März 2009 durch die EMA für die Behandlung des mNZK in der Zweitlinientherapie zugelassen. Everolimus ist verfügbar in 5- und 10-mg-Tabletten, wobei die empfohlene Dosis für die Behandlung von Patienten mit mNZK 1 x tägl. 10 mg p.o. beträgt. Die Zulassung erfolgte aufgrund der Ergebnisse der RECORD-1-Studie, in der 416 Patienten mit vorheriger anti-VEGFgerichteter Therapie in die Behandlungsarme Everolimus vs. Plazebo randomisiert wurden [16]. Die Patienten im Everolimus-Arm vs. Plazebo hatten ein verlängertes PFS (5,5 vs. 1,9 Monate; HR 0,32; p<0,001). Die finalen Ergebnisse zeigten in der untersucherunabhängigen Auswertung des zentralen Reviews ein verlängertes PFS von 4,9 vs. 1,9 Monaten (HR 0,33; p<0,001). Die häufigsten Nebenwirkungen der Everolimus-Therapie waren Übelkeit (38,5 %) Anorexie (38,5 %), Diarrhö (30,8 %) sowie eine Stomatitis (30,8 %). Substanzspezifische Nebenwirkungen von Everolimus sind Pneumonitis (18 %) und erhöhte Transaminasen (10 %). Aktueller Therapiealgorithmus Basierend auf den Daten der oben genannten Studie, die zur Zulassung der einzelnen Medikamente führten, ergeben sich momentan folgende Therapieempfehlungen (Tab. 1): Die Medikamente Sunitinib, Pazopanib als auch Bevacizumab plus Interferon-α sind in der Erstlinienbehandlung sowie Sorafenib nach vorheriger Zytokinbehandlung bzw. bei bestehen- Therapiesituation therapienaiv (Erstlinie) vorbehandelt (Zweitlinie) Phase-III-Daten, Leitlinienempfehlungen good/intermediate risk* Bevacizumab + IFN-α, Pazopanib, Sunitinib poor risk* Temsirolimus, Sunitinib nach Zytokinen Sorafenib nach VEGFR-TKI Everolimus, Axitinib nach mTOR-Inhibitor experimentell Tab. 1: Therapiealgorithmus für die Behandlung des metastasierten NZK, basierend auf EAU-Guideline-Empfehlungen (*nach Motzer-Kriterien: ECOG, Nx, LDH, Hb, Ca2+) den Kontraindikationen für eine Zytokintherapie empfohlen. Für Patienten der Poor-Prognosis Gruppe werden Temsirolimus und Sunitinib in der Erstlinienbehandlung empfohlen. Als etablierte Zweitlinientherapien sind Everolimus und Axitinib nach vorheriger Sunitinib- oder Zytokinvorbehandlung empfohlen [17]. Um die Therapie mit den derzeit zur Verfügung stehenden Substanzen zu optimieren, werden Sequenzstudien durchgeführt. Ziel ist es, eine optimale Therapiereihenfolge in der Erstund Zweitlinienbehandlung abzubilden. So ist die Empfehlung für eine Sequenz TKI/TKI oder TKI gefolgt von mTOR-Inhibitoren derzeit offen. Zur Beantwortung dieser Sequenzfrage wurde die SWITCH-I Studie initiiert, in der Sorafenib gefolgt von Sunitinib und vice versa verabreicht wurde. Die Ergebnisse sind ausstehend. Ferner läuft derzeit die Rekrutierung der Studie SWITCH-II mit der Sequenz Pazopanib/Sorafenib und umgekehrt. Eine klare Empfehlung für die Drittlinientherapie ist derzeit aufgrund fehlender Studiendaten nicht zu geben. Es werden die Daten der GOLDStudie erwartet, in der Dovitinib – auch ein oraler RTK-Inhibitor – in der Drittlinientherapie nach einem VEGFTKI in der Erstlinie sowie einem mTOR-Inhibitor in der Zweitlinie gegeben wurde. Aktuelle Entwicklungen Nachdem die unspezifische Immuntherapie mit Zytokinen durch die erfolgreichen Studienergebnisse der TKIs und mTOR-Inhibitoren abgelöst wurde, werden derzeit in Studien verschiedene Ansätze einer spezifischen Aktivierung bzw. Modulation des Immunsystems untersucht. Die entsprechenden Substanzen befinden sich allesamt in klinischer Entwicklung und sind derzeit nicht zugelassen. Nivolumab ist ein voll humanisierter Antikörper, der an den „programmed death“ Rezeptor (PD-1) bindet. PD-1 ist ein Ko-Rezeptor, der auf aktivierten T-Zellen exprimiert wird und dort eine immunsuppressive Funktion hat und somit einer überschießenden Immunantwort entgegenwirkt. Eine Aufhebung dieser inhibitorischen Achse durch den PD-1-Antikörper Nivolumab führt zu einer verstärkten TZell-Aktivierung. Der Ligand des PD-1 Rezeptors PD-L1 wird selektiv durch NZK-Zellen exprimiert, wodurch das NZK in der lokalen Tumorumgebung (Microenvironment) die gegen den Tumor gerichtete Immunantwort hemmen kann. Eine Antitumoraktivität von Nivolumab konnte bei 296 Patienten mit soliden Tumoren gezeigt werden [18], davon 33 mit mNZK. Die objektive Ansprechrate betrug bei ihnen 27% (9 von 33 Patienten), wobei diese 9 Patienten das Bild einer stabilen Erkrankung nach 24 Wochen aufzeigten. Von allen behandelten Patienten hatten 14 % medikamentenassoziierte Nebenwirkungen. Dabei traten typische immunvermittelte Nebenwirkungen wie eine Hypophysitis oder Pneumonitis auf. Basierend auf diesen Daten wird derzeit eine große Phase-III-Studie durchgeführt, in der 07/2013 ONKOLOGIE heute 46 rning. cme.medlea UPDATE: NIERENZELLKARZINOM de MkteE CPun sammeln Nivolumab vs. Everolimus in der Zweitlinienbehandlung nach vorheriger TKI-Gabe verglichen werden. Die Ergebnisse stehen noch aus. Grundlage für eine zielgerichtete Immuntherapie ist vor allem die Entdeckung, dass bestimmte Proteinpeptid-Fragmente, sog. tumorassoziierte Antigene (TAAs), auf den HLA-Komplexen an der Oberfläche der Tumorzelle abgebildet werden. Tumorproteine können so für das Immunsystem sichtbar gemacht werden und die TAAs stellen Ziele dar, um die Aktivierung der spezifischen Immunabwehr zu fördern. Sind die Peptidesequenzen dieser TAAs bekannt, kann eine spezifische Aktivierung des Immunsystems gegen die TAAs erfolgen. Der Vakzine-Cocktail IMA901 besteht aus insgesamt 9 solcher TAA-Peptiden. In einer Phase-II-Studie mit 68 Patienten wurden Patienten mit mNZK, die bereits mit Zytokinen oder TKIs vorbehandelt waren, bei Progress ihrer Erkrankung mit IMA901 vakziniert [19]. Zudem wurde eine Vorbehandlung mit der Einmalgabe einer Niedrigdosis Cyclophosphamid (Cy) durchgeführt – mit dem Ziel, die Immunantwort zu boostern. In einer ersten Phase-I-Studie mit IMA901 korrelierte eine niedrige prätherapeutische Anzahl regulatorischer T-Zellen mit einer vor der Vakzinierung verabreichten Cy-Gabe, so dass durch Cy eine Verstärkung der immunologischen Antwort erzielt werden konnte. Die Rate der Patienten (64 %) mit einer Immunantwort gegen die Vakzine IMA901 wurde durch die Cy-Gabe zwar nicht erhöht, jedoch hatten alle Cy-behandelten Patienten ein deutlich verlängerten medianes OS von 23,5 Monaten im Vergleich zu den Patienten ohne Cy (14,8 Monate). Ebenfalls wurde in dieser Studie erstmals demonstriert, dass eine induzierte Immunantwort gegen den Tumor mit einem verlängerten OS korreliert. Das mediane PFS, gemessen an RECISTKriterien, blieb durch die Vakzinierung unbeeinflusst, was erneut auf- ONKOLOGIE heute 07/2013 zeigt, dass die Messung eines Ansprechens auf eine Tumorimpfung besonderer Evaluationskriterien in der Bildgebung bedarf, bzw. dass ein Effekt einer spezifischen Immuntherapie vor allem anhand eines verlängerten Gesamtüberlebens zu messen ist. Aktuell läuft die Phase-III-Studie IM-PRINT, in der IMA901 plus Sunitinib vs. Sunitinib allein in der Erstlinienbehandlung verglichen wird. Die Rekrutierung dieser Studie ist beendet und erste Ergebnisse werden für die ASCO-Jahrestagung 2014 erwartet [20]. Zusammenfassend ergibt sich beim mNZK derzeit folgendes Bild: Durch die Einführung neuer zielgerichteter Therapien, die den VEGF- und den mTOR-Signalweg inhibieren, konnte eine signifikante Verlängerung des PFS und des Gesamtüberlebens im Vergleich zu den früheren Ergebnissen einer unspezifischen Immuntherapie mit Zytokinen erreicht werden. Für einzelne Patientengruppen – Good-Prognosis-Gruppe nach den Heng- bzw. Motzer-Kriterien – werden Überlebenszeiten von 40 Monaten und mehr berichtet. Durch die Vielzahl der heute zur Verfügung stehenden Medikamente sowohl in der Erst- als auch der Zweitlinienbehandlung könnte von einer beginnenden Chronifizierung mit der Stabilisierung der Erkrankung gesprochen werden, wobei die Frage nach der optimalen Sequenz noch nicht endgültig geklärt ist. Letztendlich kommt es auch nach dauerhafter Behandlung zu einer Resistenz gegenüber diesen VEGF- und mTOR-gerichteten Medikamenten, was sich auch darin ausdrückt, dass sehr lang anhaltende Therapieantworten oder Komplettremissionen nur äußerst selten beobachtet werden. Eine weitere zukünftige Therapie im Focus der Behandlung ist die spezifische Immuntherapie. Die neuesten Entwicklungen kennzeichnen sich durch eine zielgerichtete Aktivierung der spezifischen Immunabwehr ge- gen sog. tumorassoziierte Antigene. Hierbei kann sowohl eine gegen den Tumor gerichtete zytotoxische CD8Antwort als auch eine CD4- Helferzell-Antwort provoziert werden. Vorreiter dieses TAA-basierten Mechanismus ist die Peptidvakzine IMA901, aber auch Immunmodulatoren wie der PD-1-Antikörper, der zentrale Hemm- bzw. Aktivierungsmechanismen der T-Zell Antwort beeinflusst, Beide sind in klinischer Erprobung. Fazit: Die Entdeckung und das Verständnis der molekularen Mechanismen in den Signalwegen der Zellproliferation und Angiogenese des NZK haben zu der Entwicklung neuer zielgerichteter Medikamente geführt, mit denen das mNZK behandelt werden kann. Diese zukünftigen Entwicklungen zeigen, dass nicht nur die molekularen Mechanismen der Tumorprogression, sondern auch das Immunsystem zielgerichtet gegen den Tumor aktiviert werden kann. Diese spezifische Immuntherapie ist daher sehr vielversprechend, da bereits in der Zytokintherapie mit der ungezielten Beeinflussung des Immunsystems langanhaltende Remission bzw. Komplettremission erzielt wurden. Mit Spannung werden daher Ergebnisse zukünftiger Studien erwartet, die eine zielgerichtete molekulare Therapie mit TKIs und mTORInhibitoren mit einer zielgerichteten Immuntherapie kombinieren. Literatur: www.onkologie-heute.info Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Jens Bedke Klinik für Urologie, Universität Tübingen Hoppe-Seyler-Str. 3, 72076 Tübingen [email protected] Prof. Dr. med. Jens Bedke Klinik für Urologie Universität Tübingen