Was ist die optimale Sequenz?

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PHARMA
FORTGESCHRITTENES NIERENZELLKARZINOM
Was ist die optimale Sequenz?
Mit Sequenztherapien lässt sich ein Fortschreiten der Erkrankung häufig verzögern
und das Überleben verlängern. Welche Reihenfolge zielgerichteter Substanzen
am günstigsten ist, hängt auch vom Alter der Patienten ab, wie Studien belegen.
ährlich wird bei circa 15 100
Menschen in Deutschland ein
Nierenzellkarzinom diagnostiziert,
die Erkrankungsraten sind bei Männern höher als bei Frauen. Häufig
werden die Tumoren in frühen Stadien erkannt, die Fünf-Jahres-Überlebensraten liegen für alle Stadien
gesamt nach Angaben des Robert
Koch-Instituts in Berlin (2012) bei
circa 75 Prozent. In fortgeschrittenen Stadien ist die Prognose ungünstiger, sie hat sich aber durch
die Neuentwicklung von Substanzen deutlich verbessert: „Zielgerichtete Therapien wie Sorafenib
haben beim metastasierten Nierenzellkarzinom eine deutliche Verlängerung des Überlebens ermöglicht“, berichtete Priv.-Doz. Dr.
med. Hubert Rudolf Kübler, Leitender Oberarzt an der Urologischen
Klinik und Poliklinik am Klinikum
rechts der Isar der Technischen
Universität München.
J
Überlebenszeiten wurden
deutlich verlängert
Lagen in der früheren Ära der Zytokintherapie die Überlebenszeiten
beim metastasierten Nierenzellkarzinom (mRCC) bei circa 13 Monaten, lassen sich nun durch die Anwendung „zielgerichteter“ Substanzen oft Überlebenszeiten von mehr
als zwei Jahren erzielen. Therapiesequenzen können eine Dauertherapie der Patienten ermöglichen
und damit die Erkrankung stabilisieren. „Allerdings ist gegenwärtig
unklar, welche Sequenzen der sieben verfügbaren Substanzen in dieser Hinsicht optimal wirksam sind“,
sagte Kübler.
Die Frage der bestmöglichen Behandlungssequenz wurde in der offenen, randomisierten SWITCH1-Studie (JCO 2014; 32 [Suppl. 4]:
Abstr. 393) geprüft: die Sequenz
Sorafenib in der Erstlinie und Suni-
A 1894
tinib in der Zweitlinie (So-Su) und
die umgekehrte Reihenfolge, Sunitinib in der Erst- und Sorafenib in
der Zweitlinie bei Progression oder
intolerabler Toxizität (Su-So). 365
unvorbehandelte mRCC-Patienten,
für die eine Zytokintherapie nicht in
Frage kam, wurden 1:1 randomisiert und erhielten in sechswöchigen Zyklen entweder zweimal täglich 400 mg Sorafenib oder einmal
täglich 50 mg Sunitinib für vier
Wochen, gefolgt von einer Woche
Pause. Bei Krankheitsprogress oder
Unverträglichkeit der Therapie wurde auf den jeweils anderen Wirkstoff gewechselt.
Weder im primären Studienendpunkt, dem Gesamt-Progressionsfreien Überleben (tPFS), noch im
Gesamtüberleben (OS) gab es einen statistisch signifikanten Unterschied zwischen beiden Sequenzen,
also auch keine Überlegenheit der
Sequenz Sorafenib als Erstlinientherapie und Sunitinib als Zweitline. Eine retrospektive, hypothesen-generierende Subgruppenanalyse der finalen Daten zum OS ergab jedoch, dass Patienten älter als
65 Jahre unter So-Su im Median
11,7 Monate länger lebten, nämlich
median 31,5 Monate, als unter der
umgekehrten Sequenz Su-So (OS:
19,8 Monate; p = 0,04). Jüngere Patienten (≤ 65 Jahre) profitierten hingegen offenbar eher von der Sequenz Su-So (OS: 43,5 Monate; SoSu: 25,8 Monate; p = 0,07).
Warum das Alter der Patienten
unter der jeweiligen Sequenz das
Gesamtüberleben beeinflusst, sei
zurzeit unklar, sagte Kübler. Ältere
Patienten ließen sich aber mit der
Sequenz So-Su um 4,2 Monate länger behandeln als bei umgekehrter
Reihenfolge Su-So.
„Diese längere Therapiedauer
der So-Su-Sequenz bei Patienten
über 65 Jahren könnte eine Folge
der besseren Verträglichkeit von
Sorafenib in der Erstlinie und der
sehr guten Krankheitskontrollrate
von Sunitinib in der Zweitlinie
sein“, so Küblers Einschätzung.
Immuntherapien rücken stark
in den Fokus der Forschung
Sorafenib ist beim Nierenzellkarzinom zur Behandlung von Patienten
mit fortgeschrittener Erkrankung indiziert, wenn es unter der Behandlung
mit Interferon alpha oder mit Interleukin 2 zum Progress kam oder eine
Zytokintherapie nicht indiziert ist.
Zytokinbehandlungen gehören
zu den „frühen“ Immuntherapien. In
den Fokus der aktuellen Forschung
rücken zunehmend auch weitere immunologische Strategien, bei denen
zum Beispiel eine gegen Tumorzellen gerichtete Immunantwort von
T-Zellen stimuliert wird. BayerHealthCare entwickelt für die Erforschung solch neuer Strategien eine Plattform in Kooperation mit
dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Der
Biologe und Arzt Prof. Dr. med.
Rienk Offringa ist Leiter des gemeinsamen Forschungslabors am
DKFZ. Besonders vielversprechend
seien eine Aktivierung von T-Zellen
gegen Tumorzellen durch Antikörper, die hemmende Signale (Immun-Checkpoints) antagonisieren,
bispezifische Antikörper, die T- und
Tumorzellen miteinander verbinden
und die Lyse der Krebszellen auslösen, tumorinfiltrierende Lymphozyten (TIL) aus Biopsien, die ex vivo
vermehrt und dem Patienten reinfundiert werden, und die Infusion
autologer T-Zellen, die Antigenrezeptoren mit Spezifität für Tumor▄
zellen exprimieren.
Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze
Quelle: Presse Campus Onkologie in Berlin:
„Klinische Praxis und Trends in der OnkologieForschung“, Bayer HealthCare.
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 112 | Heft 45 | 6. November 2015
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