Sichtbar anders und doch gleich

Werbung
§
¨
Sichtbar anders
und doch gleich!
Vielfalt
2011
Fotos:
Papierketten-Figuren: © Les Cunliffe – Fotolia.com
Frauenpaar Seite 10: © Ana Blazic – Fotolia.com
Männerpaar Seite 11 : © Felix Mizioznikov – Fotolia.com
Regenbogensteine Seite 12 : © Liddy Hansdottir – Fotolia.com
Weitere Bilder aus privaten Händen
Übersetzungen:
Alle Übersetzungen wurden nicht autorisiert.
Inhaltsverzeichnis
g
Grußwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Welcome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Grußwort an Sensei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Tägliche Ermutigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Studium I und II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Studium III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Studium IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Dichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Erfahrung I – David Carpenter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Experience I – David Carpenter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Erfahrung II – Manfred Dübelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Experience II – Manfred Dübelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Europride Juni 2011 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Frauenfußball – Blitzlichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
3
d
Grußwort
Liebe Vielfältige,
wir begrüßen Euch ganz herzlich zum 12. Vielfalt­
kurs in Bingen! Unter dem diesjährigen Motto
„Sichtbar anders und doch gleich“ freuen wir uns
darauf, mit Euch zu praktizieren, zu studieren,
anregende, bereichernde und ermutigende Gespräche zu führen und last but NOT LEAST mit
Euch zusammen zu feiern!
Vielleicht können wir diesen Kurs zudem auch
nutzen, um die „Vielfalt“ innerhalb der SGI europaweit näher zusammenrücken zu lassen und uns
dichter zu vernetzen. Denn uns ist es infolge der
vielen Gespräche letztes Jahr in Bingen mit den
Mitgliedern aus dem In- und Ausland sehr deutlich geworden, dass es einen großen Bedarf und
einen großen Wunsch der LGBT-Mitglieder gibt,
sich zu vernetzen und auch in der SGI anerkannt
und durch die SGI unterstützt zu werden, was
eben „Sichtbarkeit“ voraussetzt.
Einen sehr beeindruckenden „sichtbaren“ Beweis
für das große internationale Engagement der Vielfalt
für Kosen-rufu war die starke – und sehr fröhliche – Präsenz auf dem „Europride“ in Rom. Zusammen mit den italienischen Mitgliedern waren
Gäste aus Frankreich, Deutschland, Irland/Japan
und England auf und um den farbenfrohen SGIWagen auf der Parade versammelt, um unseren
Buddhismus und seine humanistischen Werte zu
vertreten.
4
Wenn wir es für wahr halten, was dort in Rom
auf einem Banner stand, nämlich „Gay Rights
are Human Rights“, dann ist es für uns als Buddhisten und mithin „radikale Humanisten“ unabdingbar, als profilierte Dialogpartner innerhalb
der SGI und in die Gesellschaft hineinwirkend,
auch dafür einzustehen. Nicht um sich zu isolieren und abzuspalten, sondern um im umfassenden Sinne von Kosen-rufu und als Bodhisattvas
bekräftigen zu können, was auf einem anderen
Banner zu lesen war, nämlich: „Human Rights are
my Pride.“
Dieses Jahr steht unter dem Motto: „Das Jahr
fähiger Menschen und der dynamischen Entwicklung“ und tatsächlich haben die italienischen
Vielfältigen und die sie unterstützenden Mitglieder
einen lebendigen und sehr ermutigenden Beweis
ihrer Fähigkeit(en) auf dem Europride abgelegt.
Es wäre bestimmt gut, wenn wir diese Aktivität
zugleich als Startschuss für eine internationale
dynamische Entwicklung der Vielfalt betrachteten
und wenn wir diesen Kurs dazu nutzten, uns zu
ermutigen, die Einheit in der Vielfalt und die Vielfalt in der Einheit sichtbar werden zu lassen.
In diesem Sinne freuen wir uns auf die kommenden Tage mit Euch!
Viele – norddeutsche - Grüße, „Hummel Hummel, Mors Mors“
Euer Orga-Team Vielfalt 2011
Bina, Martin, Michael, Nina, Norbert, Regina und Rolf
Welcome
g
Dear fellow LGTB SGI members,
A very warm welcome to the 12th diversity gathering (“Vielfalt-Kurs”) in Bingen! We are looking
forward to practicing, studying and having inspiring discussions with you under this year’s motto
“Visibly Different And Yet The Same“, and to celebrate with you!
Maybe we can also use this workshop to allow
the European LGTB SGI members to come together and make close connections. Last year at
the “Vielfalt-Kurs” in Bingen we learned through
discussions with various members from different
European countries that there is a huge demand
within the LGBT SGI members to connect and
to be acknowledged and supported by the SGI.
This requires visibility!
The huge – and very cheerful - presence at this
year’s Europride in Rome was very impressive
and showed visible proof of the international
commitment for Kosen-rufu by LGTB SGI members. During the parade members from UK,
France, Japan and Germany gathered on and
amongst the colourful SGI truck of the “gruppo
arcobalena” in order to represent our Buddhism
and its humanistic values.
If we believe in what was written on one of the
banners in Rome which said “Gay Rights Are Human Rights”, then for us as Buddhists and thus
“radical humanists” it is inevitable to stand up
for this as distinctive dialog partners within the
SGI and within society. Not in order to isolate or
separate us, but to affirm in the comprising sense of Kosen-rufu and also as Bodhisattvas what
was written on another banner: “Human Rights
Are My Pride”.
The motto of 2011 is “Year of Capable People
and Dynamic Development“, and indeed the Italian LGTB members and the members who were
supporting them provided vital and encouraging
evidence of their accomplishments at the Europride. It would surely be good if we viewed this
activity as a starting signal for an intentional dynamic development of the LGTB SGI community,
and if we used this gathering in Bingen to encourage us to let the unity within the diversity and
the diversity within the unity be visible.
On that note we are looking forward to the upcoming days with you all!
Kind regards from Hamburg,
“Hummel Hummel, Mors Mors”
Your orga team of Vielfalt 2011:
Bina, Martin, Michael, Nina, Norbert, Regina und Rolf
5
d
Grußwort an Sensei
Lieber Sensei!
Wir möchten dir sehr herzlich mitteilen, dass wir
nun unseren 12. SGI-D Vielfalt Kurs vorbereiten.
Diesmal findet der Kurs vom 21. bis zum 24.
Juli in der „Villa Sachsen“ in Bingen am Rhein
statt. Seit 1999 wächst nicht nur die Teilnahme
der SGI Mitglieder, sondern auch die Zahl unserer Gäste aus anderen Ländern. Für diesen Kurs
haben sich mehr als 50 Boddhisattvas angemeldet, darunter Gäste und SGI Mitglieder aus
der Schweiz, Österreich, Italien, England und der
Türkei. Wir begrüßen Mitglieder und Gäste aus
Deutschland und anderen Nationen und veranstalten das ganze Programm entsprechend in
zwei Sprachen: Deutsch und Englisch. Der Vielfalt Kurs wird jedes Jahr von GLBT Mitglieder n
der SGI-D für „alle“ Mitglieder und für „alle“ Gäste
organisiert. Wir freuen uns jedes Jahr über jeden
Gast, den wir dabei haben.
Im Itai-doshin
mit Dir möcht
en wir, dass alle Teiln
ehmerInnen
…zum Kurs
gut ankommen
,
…sich währe
nd des Kurses
sehr wohl fühl
…sich bereich
en,
ern und neu Au
fstehen,
…sich wieder
finden und sic
htbar machen
…mit der Si
chtbarkeit de
s Bohisattvas
daheim gut an
wieder
kommen.
Unser Thema für den
diesjährigen Kurs ist
„Sichtbarkeit“, das auf
dem Motto „Sichtbar
anders und doch gleich“
basiert. Es soll anre­gen,
sich über die Bedeu­
tung des Buddhismus für die Vielfalt und die
Bedeutung der Vielfalt für den Buddhismus auszutauschen. Das heißt, das eigene individuelle
Selbstverständnis durch die gemeinsame Praxis
des Chantens und das Studium zu vertiefen und
gleichzeitig den besonderen Beitrag und die
besondere Aufgabe der Vielfalt-Mitglieder für
unseren Buddhismus zu erfragen, sichtbar zu
machen und für die Sokka Gakkai insgesamt
produktiv werden zu lassen.
6
Lieber Sensei! Hier ein Zitat von Präsident Toda,
das wir unseren Gästen für diesen Kurs ans Herz
gelegt haben:
„Der Schlüssel ist also, sich selbst treu zu sein.
Sie müssen sich darüber klar werden, dass dies
der einzig mögliche Weg zum Glück ist. Wenn
man sein Leben abhängig macht von anderen
Menschen oder Umständen, indem man ständig
denkt: „Alles wäre gut, wenn nur dieser Mensch
sich so und so verhielte“ oder „Wenn die Welt
anders wäre, könnte ich glücklich sein“, dann ist
das ein Fehler, finden Sie nicht?“ (Präsident Toda
zitiert nach Ikeda, Daisaku: Vorlesung über das
Lotos-Sutra, S.241f.)
Wir, die Vielfaltgruppe Hamburg , haben in diesem Jahr die Verantwortung für den Kurs übernommen. Diese Verantwortung wechselt jährlich und wird durch einen Fächer symbolisiert,
der zur Zeit im Kaikan in Hamburg ausgestellt
ist (siehe FOTO: Vielfaltmitglieder und Freunde,
Foto: M. Winter.).
Mit herzlichen Grüßen aus Hamburg,
Durchführung des 2011 Vielfalt Kurses Sabine Neumann, Nina Thomsen, Norbert Hensel,
Rolf Peters, Michael Schwetasch, Martin Winter,
Thorsten Burchard
Sabine Neumann:
einen bessesem Kurs ist es,
Mein Anliegen in die
en und den
mm
ko
be
zu
ten
Chan
zu geben
ren Zugang zum
ck
rü
zu
SGI etwas
ben das
Vielfältigen der
ha
hr
tigen. Letztes Ja
altkurs
und sie zu ermu
elf
Vi
r
De
t.
ch
gema
bracht,
ge
andere für mich
g
un
eid
der Entsch
2010 hat mich zu
pfangen.
Gohonzon zu em
Martin Win
ter:
Ich verbinde
mit dem Kurs
nach einer
vertieften P den Wunsch
raxis; zugl
möchte ich
eich
die Grundla
ge dafür le
dass eine
gen,
stärkere w
el
tw
zung zwisch
ei
en den LGBT te Vernetunserem Bu
-Gruppen in
ddhismus er
möglicht w
ird.
Tägliche Ermutigung
g
Hindergroßes chuh
ist ein
s
it
m
e
k
m
h
ßte He
ngstlic
ts
sagt: „Ä heit ist der grö können nich
in
la
A
Kraft
.“ Feig
chüler
osoph
il
is
S
te
h
rn
ß
n
P
e
e
rö
e
d
ir
g
h
h
in
nzösisc as einzige H schreibt: „Nic er Mut ist die Taten kriDer fra
als d
gute
1). D
onin
r
m
8
h
ft
4
fü
is
o
,
ere
a
n
1
d
D
a
nis un
um uns t
hiren
(WND
enn m
ck. Nic
enn es
e sind“ zu klagen, w
Ta
lü
w
ig
G
,
te
fe
it
s
e
e
m
ie
b
zu
enn s
Grund
r Wahrh ählen - die
w
e
,
n
d
n
wir
e
e
r
in
n
h
h
e
n
e
erreic
gibt k
so m
en, we
s zu erz
lück. Es entspricht um Buddhismu ns freuen soll
G
m
u
z
m
s
u
ird. Die
eren vo
ass wir
tisiert w gen geht, and sagt auch, d ai - Geist.
k
n
9)
in
k
u
n
a
er G
NL 506
Bemüh t. Der Daisho
as ist d
2002 (
D
p
.
u
rz
n
a
e
ä
n
rh
M
g
übe
ege
om 3
issen b
Rede v
Hindern
21. Juli
23. Juli
22. Juli
Die Soka Gakkai
ist ein Reich de
s Glaubens. Die
tigsten Dinge in
wichdiesem Reich sin
d der Glaube un
Charakter. Wir
d der
studieren, wenn
Sie so wollen,
„Menschenuniver
an der
sität“ der Soka
Gakkai. Diese „G
Universität“ ist die
akkaibeste Universitä
t auf der Welt, an
wir lernen, wie m
der
an sein Leben als
Mensch lebt.
eißt
gen, h
Rede vom 3 Mä
rz 2002 (NL 50
zu brin s bloße
e
h
a
69)
n
a
d
s
u
m
m
u
is
s
e
e
dh
g
d
t
it
u
h
M
B
e
s
g
a
n
h
e
d
c
,
d
o
m
n
n
ru
Andere
attieren
geht da , des Buddha
zu deb r Schule. Es
ben
e
g
e
u
weder
s
rz
r Stelle
ie
s weite nd an seine
hsen d
c
in
n
a
o
w
h
n
u
A
,
ais
esetzes
hiren D
fühl Nic n Tag des G
te
ä
24. Juli
S. 36
des Sp
, Bd. 1,
deln.
ishonins
a
zu han
D
n
e
ichir
Das Wichtigste ist, auf and
hriften N
ere zuzugehen und sie zu
inspirielt der Sc
ren, unsere Sehnsucht nac
Die We
h Weltfrieden mit uns zu teile
n. Dazu
müssen wir eine Allianz des
Guten schmieden, die sich
ganz
dieser Sache widmet. Um
die grundlegende Unwisse
nheit zu
vertreiben, müssen wir den
Radius von Dialog und geg
enseitigem Verständnis vergrößern
und allen Menschen ermögli
chen,
ihre erleuchtete Dharmanatu
r hervorzubringen, damit
sie im
Innersten ihres Lebens eine
Wandlung vollziehen können
.
Die Welt der Schriften Nich
iren Daishonins, Bd. 2, S. 166
7
d
Studium I und II
„Das wahre Wesen des Daseins“
„Ein gewöhnlicher Sterblicher ist die Wesenheit der drei Körper und damit ein wahrer Buddha. Ein
Buddha ist die Wirkweise der drei Körper und damit ein vorläufiger Buddha. Zwar denkt man, dass
Shakyamuni Buddha zum Wohl von uns Lebewesen die drei Tugenden von Herrscher, Lehrer und
Eltern besitzt, doch das ist nicht der Fall. Im Gegenteil. Es sind die gewöhnlichen Sterblichen, die
ihn mit den drei Tugenden ausstatten.“
Gosho, Ausgewählte Schriften, Bnd. 1, S. 74f.
Zitat: „Brief an Niike“
„Das Ei eines Vogels enthält nichts als Flüssigkeit, aber ganz von alleine entwickelt sie sich zu
einem Schnabel, zwei Augen und all den anderen Teilen, die einen Vogel bilden, und der in den
Himmel fliegen kann. Wir sind auch wie dieses Ei, unwissend und in keiner Weise außergewöhnlich, aber wenn wir mit dem Chanten von Nam-Myoho-Renge-Kyo genährt werden, entwickeln
wir den Schnabel der zweiunddreißig Merkmale des Buddhas und das Gefieder seiner achtzig
Eigenschaften und sind frei, um in den Himmel der letztendlichen Wirklichkeit aufzusteigen.“
Gosho Bnd.1, Brief an Niike, S.131
8
Studium III
Der Buddha in Dir
„Folglich sind die beiden Buddhas Shakyamuni und
Juwelenreich Wirkweisen [von Myoho Renge
Kyo]. Myoho-Renge-Kyo ist tatsächlich der wahre
Buddha. Im Sutra wird dies als „Das Geheimnis
und die übernatürliche Kraft des Tathagata“
beschrie­ben.
„Das Geheimnis des Tathagata“ bezieht sich auf
die Wesenheit des Buddha der drei Körper* und
verweist auf den wahren Buddha. „Seine überirdischen Kräfte“ verweist auf die Wirkweisen der
drei Körper* und bezieht sich auf vorläufige Buddhas
ein gewöhnlicher Sterblicher ist die Wesenheit
der drei Körper* und damit ein wahrer Buddha.
Ein Buddha ist die Wirkweise der drei Körper*
und damit ein vorläufiger Buddha. Zwar denkt
man, dass Shakyamuni Buddha zum Wohl von
uns allen Lebewesen die drei Tugenden von
Herrscher, Lehrer und Eltern besitzt, doch das ist
nicht der Fall. Im Gegenteil: Es sind die gewöhnlichen Sterblichen, die ihn mit den drei Tugenden
ausstatten. (…)
„Wahrer Buddha bedeutet hier „gewöhnliche Sterb­
liche“; „vorläufige Buddhas“ bedeutet hingegen
Buddhas. Doch zwischen gewöhnlichen Sterblichen und Buddhas gibt es einen Unterschied:
Gewöhnliche Sterbliche leben in Illusionen und
Buddhas sind erleuchtet. Und so erkennt der gewöhnliche Sterbliche nicht, dass er sowohl mit
der Wesenheit als auch mit den Wirkweisen der
drei Körper ausgestattet ist.‘‘
AS, S. 74f1
g
Zunächst ein paar Anmerkungen zu Sairen-Bo,
dem Adressaten dieser Gosho. Er war – wie
auch einst Nichiren – Priester der Tendai-Schule
und wie Nichiren war auch er nach Sado in die
Verbannung geschickt worden, auch wenn wir
heute leider nicht mehr wissen, aus welchen
Gründen. Er hatte Nichirens Debatte in Tsukahara mitbekommen und sich bald danach zum
Buddhismus Nichirens bekehrt.
Da es sich hier um einen Priester-Kollegen handelt, spricht hier Nichiren sozusagen von Fachmann zu Fachmann. Das macht sicher auch die
Komplexität von Nichriens Gedankengängen aus.
Sairen-Bo ist auch Empfänger solcher wichtiger
Gosho wie „Das Erbe des letztendlichen Lebensgesetzes“ und „Das Wesen des Mystischen Gesetzes“. Um Zugang zu den Aussagen zu bekommen, die Nichiren in dem Gosho-Ausschnitt trifft,
ist es von entscheidender Bedeutung, zu verstehen, was mit „Vorläufiger Buddha“ und was mit
„Wahrer Buddha“ gemeint ist und worin sich die
beiden unterscheiden. Als vorläufigen Buddha
betrachtet Nichiren alle äußerlichen Phänomene,
die den Anschein („die Wirkungsweisen“) des
Buddha verkörpern bzw. repräsentieren. Das
können also nach außen projizierte religiöse Vorstellungen sein, wie sie sich dann zum Beispiel
im großen Bronzebuddha manifestieren, der zu
Lebzeiten Nichirens in Kamakura errichtet wird.
Etwa zur selben Zeit wurden in Mitteleuropa die
großartigen gotischen Kathedralen errichtet, als
Sinnbilder des himmlischen Jerusalems und Gott
zu Ehren. Im Grunde sind aber diese architektonischen Meisterwerke vor allem Beweise für die
Unermesslichkeit des menschlichen Potentials
und der menschlichen Erfindungsgabe. Nichiren
sprach von seinem Buddhismus als einem der
Sonne gegenüber den anderen Schulen die er
als Buddhismus des Mondes bezeichnete. Damit wollte er deutlich machen, dass alle anderen
Manifestationen des Buddha, die nicht von dem
allen Lebewesen zugrundeliegenden mystischen
Gesetzes ausgingen, sozusagen lediglich unvollkommene Reflexionen der allem Leben innwohnenden Buddhanatur waren.
9
d
Mit einem anderen Gleichnis spricht Nichiren von
dem Mond, der sich im Wasser spiegelt. Während der Mond für den wahren Buddha steht,
so sind die Ideen eines über die Menschen hinausgehenden oder gar von ihnen unabhängigen
Buddha wie die Reflexionen des Mondes im See,
den aber viele für den Mond selbst halten. Man
bedenke wie der Mond ganze Landstriche zu erhellen in der Lage ist (der Vollmond zumal), wie
viel Licht aber kommt aus der Reflexion des Mondes in einem See oder gar einer Pfütze? Hinzu
kommt, dass, sobald das Wasser bewegt wird,
die Reflexion verschwindet. Der grundliegende
Irrtum der Menschen seiner Zeit lag für Nichiren
darin, dass sie die Spiegelung des Mondes im
See für bare Münze nahmen statt des Mondes
selbst.
Wir kennen die Aussagen Nichirens zum Gohonzon, der nur im Fleische sterblicher Menschen zu
finden sei, aus anderen Gosho und wir erinnern
uns auch, dass er seinen Schülern zuruft: „Suchen Sie den Gohonzon niemals außerhalb Ihrer
selbst“. In dieser Gosho über das wahre Wesen
der Phänomene allerdings scheint er mir noch
einen Schritt weiter zu gehen, noch radikaler das
zu formulieren, was die Basis seines - unseres
Glaubens ist: nämlich dass es ohne sterbliche
Menschen gar keine (manifeste) Buddhaschaft
gäbe. Das drückt er aus, in dem er sagt, dass
es die gewöhnlichen Sterblichen sind, die den
Buddha mit seinen drei Tugenden (Eltern, Lehrer,
Herrscher) ausstatten.
10
Sobald man diesen Punkt verstanden hat, wird
man aber durch die darauf folgende Bemerkung Nichirens wieder komplett aus der Bahn
geworfen: Nachdem er festgestellt hat, dass der
gewöhnliche Sterbliche der Buddha ist und der
Buddha nur ein vorläufiger Buddha ist, verwirrt
er uns heutige Leser mit folgender Aussage:
„Doch zwischen gewöhnlichen Sterblichen und
Buddhas gibt es einen Unterschied: Gewöhnliche Sterbliche leben in Illusionen und Buddhas
sind erleuchtet.“ Wie Hanns Dieter Hüsch (der
inzwischen verstorbene Kabarettist vom Niederrhein) in einem anderen Zusammenhang
gesagt hätte: Nichiren ist ein ‚ausgesprochener
dialektischer Schlickefänger‘...
Bin ich nun ein Buddha oder nicht?
Die Auflösung kommt einen Satz später:
„Und so erkennt der gewöhnliche Sterbliche nicht,
dass er sowohl mit der Wesenheit als auch mit
den Wirkweisen der drei Körper ausgestattet ist.“
Hierzu schreibt Präsident Ikeda in seiner Goshoerläuterung: „Der gewöhnliche Sterbliche bildet
sich ein, dass der wahre Buddha der Buddha,
der in den Sutras vorkommt, ist, weil er nicht
erkennt, daß er selbst in Wirklichkeit der Buddha ist. Die Bedeutung von „Wesen und Funktion“ heißt, das Wesen hat ganz sicher Funktion,
und die Funktion hat das Wesen. Das Wesen im
Buddhismus bedeutet, daß das Wesen nicht nur
Wesen ist, sondern auch bestimmt die Funktion
beinhaltet. Man kann nicht die Funktion wegnehmen und das Wesen allein herausnehmen.“2
Ein gewöhnlicher Sterblicher allein hat also die
Chance, die Buddhaschaft aktiv zu verwirklichen,
solange er aber nicht zum mystischen Gesetz
erwacht ist, befindet er sich meist in der Illusion,
nicht der Buddha zu sein. Das ist die Funktion
der fundamentalen Dunkelheit. Das ist ein wenig
wie in dem Gleichnis aus dem Lotos-Sutra, wo
der Buddha einem alten Bekannten wiederbegegnet und ihm sagt, ‚merkst Du denn die Perle
nicht, die ich schon vor langer Zeit in Dein Gewand eingenäht habe?‘
Nam Myoho Renge Kyo ist das mystische Lebensgesetz, das allen Phänomenen zugrunde
liegt, wir als Menschen, als gewöhnliche Sterbliche, haben nicht nur die einmalige Chance unsere Buddhaschaft zu erkennen, sondern auch sie
aktiv zu kultivieren.
Und damit sind wir beim Leitthema unseres Kurses angelangt: Sichtbarkeit. Das Bewusstsein
der Buddhaschaft kann sich nur durch den konkreten Beweis verbreiten, das heißt, indem wir
unser Leben manifest revolutionieren und dadurch andere inspirieren. Nichiren ging es immer
um den sichtbaren Beweis, denn nur der ist seiner Meinung nach ausschlaggebend für die Gültigkeit einer Religion. Der dokumentarische Beweis läuft über die Schrift, also in unserem Falle
das Lotossutra, der theoretische Beweis ist die
theoretische Beweisführung für die Richtigkeit
der religiösen Grundannahmen. Der konkrete Beweis aber ist das auf diesem Glauben basierende gelebte Leben. Deswegen hat Nichiren sich
auch nie gescheut z. B. mit anderen Priestern
um die Wette zu beten - für Regen zum Beispiel.
Weil er absolut von der Überlegenheit des mystischen Gesetzes überzeugt war. Für ihn hatte eine
Religion nur dann einen Wert, wenn sie im Hier
und Jetzt ihre Richtigkeit im konkreten Leben der
Menschen, in ihren konkreten Erfahrungen unter
Beweis stellen konnte. Der Buddhismus Nichirens ist darüber hinaus die einzige Religion, die
ich kenne, bei der sich aufgrund der philosophischen bzw. spirituellen Grundlage eine Diskrimi-
nierung von Schwulen, Lesben, Transgender und
Bisexuellen von selbst verbietet. Niemand wird
hier ausgeschlossen, wie es die Geschichte von
der achtjährigen Tochter des Drachenkönigs im
Lotossutra im Kapitel Devadatta beweist: sie verwirklicht trotz der großen Zweifel Devadattas ihre
Buddhaschaft unmittelbar.
g
Nachdem die meisten von uns wahrscheinlich
ihr sexuelles und Identitäts-Coming Out gehabt
haben, können wir nun unser Coming Out als
Buddhisten einleiten, nämlich die Buddhaschaft
ohne Trennung zu leben, ob wir uns nun auf unserer Arbeit begegnen oder in unserer Subkultur.
Egal, wo wir sind (ich darf hier mal als Schwuler
sprechen), ob in einer festen Beziehung oder gerade auf dem Parkplatz oder in der Sauna, wir
können in jedem Moment Werte schaffen, sofern
wir uns auf das Prinzip der absoluten Wertschätzung gegenüber uns selber und gegenüber den
anderen basieren.
Die menschliche Revolution sollte dabei nicht
als Druckmittel empfunden werden oder gar als
Pflicht, sondern ich denke, sie kann eine großartige Chance sein, ein wirklich erfülltes und
erfüllendes Leben zu führen. Präsident Ikeda sichert uns zu: „Ihr werdet Stürmen und heftigem
Regen begegnen und zu Zeiten Niederlagen erleiden. Die Essenz des kreativen Lebens ist aber,
im Angesicht der Niederlage nicht aufzugeben,
sondern dem Regenbogen zu folgen, der in
Eurem Herzen existiert. Kreativität bedeutet, die
schwere knarrende Tür zum Leben aufzustoßen.
Das ist kein leichter Kampf. Die Tür zu Deinem
eigenen Leben ist letzten Endes schwieriger zu
öffnen als die Tür zu den Mysterien des Universums. Gleichzeitig macht gerade dies das
Leben lebenswert. Mensch Sein bedeutet nicht
nur, dass man aufrecht steht und Intelligenz oder
Wissen zeigt. Der Kampf, ein neues Leben zu erschaffen, ist wirklich etwas Wunderbares. Darin
wirst Du zum ersten Mal eine Weisheit bilden,
die Deine Intelligenz zum Strahlen bringt. Ich
selbst betrachte dieses kreative Leben als eine
menschliche Revolution. Diese menschliche Revolution ist jetzt Eure Aufgabe, und sie wird es
Euer ganzes Leben hindurch sein.“
11
d
*drei Körper (jap. San-jin)
Drei Arten von Körpern, die dein Buddha haben
kann. Eine Einteilung im Mahayana-Buddhismus,
um die verschiedenen Sichtweisen auf die Buddhas zu klären, die in den Sutras erscheinen.
Die drei Körper sind:
1) Der Gesetzeskörper – er ist die letztendliche
Wahrheit oder das Gesetz, zu dem der Buddha erleuchtet ist.
2) Der Verdienstkörper – er steht für die Weisheit, das Gesetz zu erkennen. Er wird als
Verdienst für die Vervollständigung der Boddhisattva-Ausübung erlangt. Der Verdienstkörper ist im Gegensatz zum Gesetzeskörper
nicht immateriell, aber transzendenter Natur
und deshalb unsichtbar für gewöhnliche
Menschen.
3) Der Handlungskörper – er ist die physische
Gestalt, die ein Buddha annimmt, um die
Menschen zu retten. Er entspricht den mitfühlenden Handlungen, durch die der Buddha die Menschen zur Erleuchtung führt.
Ursprünglich standen die drei Körper für drei
ver­schiedene Arten von Buddhas. Ein Buddha
konnte nur einen der drei Körper annehmen.
Tiantai jedoch argumentierte auf der Grundlage
des Lotos-Sutra, dass die drei Körper keine getrennten Wesenheiten sind, sondern drei Aspekte
eines einzigen Buddha.
(zit. n. AS, S.425f)
von Michael Schwetasch
12
Quellen:
Nichiren Daishonin, Ausgewählte Schriften (AS),
Berlin 2008
Daisaku Ikeda, Das wahre Wesen des Lebens;
Gosho-Erläuterung, Walldorf-Mörfelden 2000
Dizionario del Buddismo, Mailand 2006
Das Abschlusszitat stammt aus einer Erfahrung
der Schweizer Studentenabteilungsverantwortlichen.
Studium IV
SOKUSHIN JOBUTSU
(Verwirklichung der Buddhaschaft in seiner gegenwärtigen Gestalt)
„Die Buddhaschaft zu verwirklichen ist nichts Außergewöhnliches. Wenn Sie von ganzem Herzen
Nam-Myoho-Renge-Kyo chanten, dann werden
Sie natürlich mit den 32 Merkmalen und 80 Eigenschaften des Buddhas ausgestattet werden.“
Nichiren Daishonin lehrt, dass man die Buddhaschaft „in seiner gegenwärtigen Gestalt“ (sokushin
jobutsu) verwirklichen kann, wenn man einfach
Nam-Myoho-Renge-Kyo chantet und andere lehrt.
Dadurch - ohne seine Identität aufzugeben - kann
man Buddha werden, „so wie man ist“. Diese sogenannten besonderen und edlen „Merkmale und
Eigenschaften“ eines Buddhas sind ungewöhnliche
menschliche Qualitäten, wie Weisheit, Fähigkeit,
barmherziges Mitgefühl und die Entschlossenheit,
andere Menschen vor einem unglücklichen Leben
zu erretten, das aus ihrer Ignoranz über das Wesen
des Lebens herrührt. Im Hinayana-Buddhismus
praktizierte man ausschließlich für sich, und es
gibt noch einige Praktiken wie den Zen, der auf die
Erleuchtung anderer keine Rücksicht nimmt. In den
Vor-Lotos-Lehren musste man, so heißt es, „100
Millionen Äonen lang“ die Tätigkeit des Bodhisattwas ausüben, bis man endlich die Buddhaschaft
verwirklichen konnte. Nichiren Daishonin jedoch
stellt klar, dass jeder Mensch durch die konzentrierte Ausübung von Nam-Myoho-Renge-Kyo die
Buddhaschaft „in dieser Existenz“ erlangen kann.
Viele denken, es sei eine Art Ziel des Lebens die
Buddhaschaft zu verwirklichen und diese sei daher erst nach vielen, vielen Jahren buddhistischer
Praxis zu erreichen. Aber das entspricht nicht dem
Geist Nichiren Daishonins. Er sagt, jeder kann
die Buddhaschaft sofort verwirklichen und zwar
so wie er jetzt ist. In dem Moment, in dem wir
Nam-Myoho-Renge-Kyo chanten, holen wir unsere
Buddhanatur (unseren höchsten Lebenszustand)
hervor. Das ist das buddhistische Prinzip von
Ursache und Wirkung. So gesehen, ist es nichts
Außergewöhnliches, die Buddhaschaft zu verwirklichen, wie Nichiren Daishonin in der Gosho „Brief an
Niike“ schreibt. Die tägliche Herausforderung liegt
g
darin, mit ganzem Herzen vor dem Gohonzon zu
chanten. Manchmal wird das Gongyo zur Routine,
und wir chanten eben nicht mit ganzem Herzen,
sondern nur halbherzig und wundern uns, dass
wir nicht die gewünschte Wirkung erzielen. Aber
wenn Nichiren Daishonin sagt, es sei nichts Außergewöhnliches, die Buddhaschaft zu verwirklichen,
dann gilt das nur unter der Voraussetzung, sich
im Augenblick des Daimoku wirklich voll und ganz
der buddhistischen Ausübung zu widmen. Daisaku
Ikeda, Präsident der buddhistischen Laienorganisation, hat das in seinem Vortrag an der Harvard
Universität, Bosten (USA), einmal so formuliert: „Im
Augenblick höchster Konzentration erscheint die
Buddhaschaft.“ Das ist stets aufs Neue ein Kampf,
aber es ist gleichzeitig die tägliche Chance, den
eigenen Glauben zu vertiefen.
„Wenn Sie von ganzem Herzen Nam-Myoho-Renge-Kyo chanten, dann werden Sie natürlich mit den
32 Merkmalen und 80 Eigenschaften des Buddhas ausgestattet werden“, heißt es in dem Brief
an Niike. Diese Äußerung geht auf den Buddhismus Shakyamunis, auf die vorläufige Lehre also,
zurück. Nichiren dagegen sagt: „Der wahre Buddha
hat keine Merkmale“. Damit meint er, es sind nicht
bestimmte äußere Kennzeichen, die einen Buddha
ausmachen. Sondern in dem Augenblick, in dem
jemand chantet, verwirklicht er die Buddhaschaft
und „wunderbare“ Eigenschaft wie Menschlichkeit,
Mut und Kraft treten hervor.
Das gilt für alle Menschen, ohne Unterschied. Der
Buddhismus lehrt, dass alle Menschen einander
ebenbürtig sind. Früher, im Kastensystem Indiens,
war dies eine revolutionäre Aussage. Doch verkommt sie zu reiner Theorie, wenn die Menschen
sie nicht auch leben. Wenn sie von Gleichheit reden, aber in der nächsten Minute das „Gegenüber“
verachten.
„Das Ei eines Vogels enthält nichts als Flüssigkeit“, die sich im Laufe der Zeit zu einem neuen
Lebewesen entwickelt. Dieser Prozess ist mit unserem Potential, das allmählich heranreift zu einem
dauerhaften tief „erleuchteten“ Lebenszustand
vergleichbar. Im Unterschied zum Hervorbringen
13
d
der Buddhaschaft im Augenblick des Chantens
von Nam-Myoho-Renge-Kyo, braucht es Zeit, bis
„Schnabel, zwei Augen und all die anderen Teile,
die einen Vogel bilden, und der in den Himmel
fliegen kann“ ausgebildet sind. Niemand würde
erwarten, dass der Vogel von heute auf morgen
ausgewachsen ist. Wie könnte man also einen
derartigen Anspruch an „unser inneres Wachstum“
stellen. Auch wenn wir bestimmte Entwicklungen
nicht immer sofort sehen können, bewegt sich etwas. Dessen sicher zu sein, das ist Glaube.
Wir sind in der ‚Schale des Unwissens eingeschlossen‘ und uns fehlt der ‚Schnabel der Weisheit‘, weil wir von Habgier, Ärger, Dummheit (im
Buddhismus die drei Gifte) ‚‘vergiftet‘ sind. Deshalb sind wir nicht in der Lage, das Wesen des
Lebens wirklich zu erfassen. Wir verstehen nicht,
warum etwas in unserer Umgebung oder mit uns
geschieht. Wenn wir das Prinzip von Ursache und
Wirkung jedoch zutiefst begreifen, können wir in
dem Moment, in dem wir etwas tun schon sagen,
was sich daraufhin ereignen wird. Und auch wenn
wir die Folge einer Tat jetzt noch nicht sehen, so
ist sie doch sicher. Dieser Prozess ist lediglich eine
Frage der Zeit. Karma heißt Tat. Worunter wir in
diesem Leben zu leiden haben, ist sozusagen die
Bilanz einer Summe von vergangenen Taten.
Dieses Lebensgesetz wirklich zu verstehen, heißt,
in der Gegenwart die „Ewigkeit“ zu sehen.
14
Im 12. Kapitel des Lotos-Sutras wird die Buddhaschaft der Frau erläutert. Die achtjährige (‚acht‘
bedeutet ‚öffnen‘) Tochter des Drachenkönigs namens Ryunyo hatte die Predigt des Bodhisattwas
Monjushiri (er repräsentiert Weisheit) gehört und
dabei tiefe Barmherzigkeit (bodai shin - „Buddhas
Herz“) entwickelt. Sie hatte dann bei der Zeremonie
am Adlergipfel teilgenommen und dort geschworen, die Ausübenden des Lotos-Sutras mit ihrem
Leben zu beschützen. Im gleichen Augenblick
verwirklichte sie die Buddhaschaft und zeigte sie
allen Umstehenden. Dieses Prinzip zeigt, dass die
Frau die Buddhaschaft erlangen kann, wenn sie
ihre Schwäche überwindet, sich und ihre Kinder
als Wichtigstes im Leben zu betrachten („kleines
Ego“). Das geschieht in der Tiefe ihres Lebens,
wenn sie den Gohonzon annimmt und durch Ausübung des Mystischen Gesetzes die Barmherzigkeit („großes Ego“) entwickelt, andere Menschen
wie ihre eigenen Kinder zu verehren, zu beschützen
und zu erretten.
Nichiren Daishonin schreibt in seiner Gosho: „Aber
obwohl alle weiblichen Lebewesen in den verschiedenen Sutras so sehr verachtet wurden, war eine
Frau sofort fähig, ein Buddha zu werden, als Bodhisattwa Monjushiri das einzelne Schriftzeichen
myo aussprach.“
Auf der Grundlage der augenblicklichen Erleuchtung der Drachentochter formulierte die T‘ien-t‘ai
Schule das Prinzip „Die Verwirklichung der Buddhaschaft in der gegenwärtigen Form“ (jap. sokushin
jobutsu). Es heißt, dass man die Buddhaschaft als
gewöhnlicher Sterblicher verwirklichen kann, ohne
seine gegenwärtige Identität verändern zu müssen.
Dies steht im Gegensatz zu solchen Auffassungen,
wie die Buddhaschaft durch Transformierung (kaiten no jobutsu) zu erlangen, derzufolge eine Frau
erst als Mann wiedergeboren werden muss, oder
dass ein schlechter Mensch zunächst ein guter
Mensch werden muss, um die Buddhaschaft zu
verwirklichen.
Im traditionellen Verständnis des jobutsu (BuddhaWerden) steht der Buddhazustand, der erlangt
wurde für die Wirkung, während der BodhisattwaZustand, den Status der Ursache dafür darstellt. Im
Gegensatz dazu deutet Nichiren Daishonin, dass
Shakyamuni nicht etwa eine Verwandlung von einem Bodhisattwa zum Buddha herbeiführte, sondern in seinem eigenen Leben die Buddhaschaft
erkannte. Die Buddhaschaft ist das, was dem Leben eigen und als solches zeitlos, also ewig ist.
Diese ewige Wesensstruktur, ein Bodhisattwa und
zugleich im Wesen Buddha zu sein, ist das Mystische Gesetz, die „Gleichzeitigkeit von Ursache und
Wirkung“.
In diesem Fall geht es dann nicht mehr darum,
nach der Erlangung der Erleuchtung oder des Buddha-Zustandes als Ziel der buddhistischen Ausübung zu streben, sondern um das Erwachen zur
Wahrheit, dass jeder in deinem Wesen Buddha ist.
Von dieser Sicht aus erscheinen nun alle Buddhas,
die irgendwie als transzendentes Wesen dargestellt werden, als vorläufige, schattenhafte Symbolfiguren, während der real existierende Mensch
allein die Möglichkeit besitzt, die Buddhaschaft zu
verwirklichen.
Weil das Mystische Gesetz das Prinzip der Gleichzeitigkeit von Ursache und Wirkung darstellt,
macht sich jeder, der es annimmt und beibehält,
d.h. es ausübt, dies zu eigen und zu seiner manifesten Wesensstruktur. Das heißt konkret, dass alles, was man in seinem Leben (der Neun Welten)
erlebt, zugleich durch die Buddhaschaft begründet
ist. Daher vermag man sich durch bewusste Ausübung und Handlung in jeder Situation in die Lage
versetzen, sofort und so wie man ist, die Buddhaschaft zu aktivieren. Wer das Daimoku chantet,
verwirklicht die Buddhaschaft in dem Sinne, dass
sie aktiviert wird. Dieses Konzept wird „unmittelbare Erleuchtung“ genannt.
Es ist an dieser Stelle von Bedeutung, auf den
Doppelaspekt des Begriffs ‚jobutsu‘ im NichirenBuddhismus hinzuweisen. Die eine betrifft die
unmittelbare Erleuchtung, die in sich schon immer
vollendet ist, während sich der andere, die „Verwirklichung der Buddhaschaft in diesem Leben“,
auf einen lebenslangen Prozess der fortgesetzten Bemühungen bezieht, der auch im Sinne der
Selbstverwirklichung stets unvollendet bleiben
muss und kein Ende kennt. Im Sinne der Grundeinstellung zur buddhistischen Ausübung bedeutet
der erste Aspekt, dass wir mit der Überzeugung
zum Gohonzon chanten sollten, dass unser Leben
in sich vollkommen und unser absolutes Glück
bereits gewährleistet ist. Es gibt nichts, was unser
Leben von außen her noch reicher machen könnte.
Andererseits jedoch leben wir konkret in der Realität, in der wir mit verschiedenen Schwierigkeiten
konfrontiert sind und uns mit useren eigenen Unzulänglichkeiten auseinandersetzen müssen. Die
Buddhaschaft muss konkret in unserem Alltagsleben erscheinen - in ihrer aktiven Form als starke
Lebenskraft, die die negativen Kräfte überwindet,
oder auch in positive transformiert, und als Weisheit, die die Dunkelheit durchbricht und uns zu richtigen Entscheidungen und Handlungen führt. [18]
„Ein Buddha hat persönlich hundert, tausend, zehntausend, einer Millionen - einer unendlich großen
Anzahl Buddhas gedient und unzählige religiöse
Ausübungen durchgeführt.“
g
Wir sollten uns vor Augen halten, dass es sich hier
nur um eine wörtliche Auslegung der Ursachen
(Ausübung) und ihrer Wirkungen (Tugenden) handelt, wie der Buddha sie wahrnimmt und wie sie in
der theoretischen Lehre des Lotos-Sutras beschrieben sind. Josai Toda erläuterte die Bedeutung des
Abschnitts folgendermaßen:
„Nach der Lehre Nichirens ist der Buddha (der Gohonzon) von Nam-Myoho-Renge-Kyo das allen zugrunde liegende Gesetz, aus dem hundert, tausend,
zehntausend oder eine Million Buddhas hervorgehen. Aus diesem Grunde können wir durch das
einfache Rezitieren von Nam-Myoho-Renge-Kyo
mehr Wohltaten erlangen, als wenn wir persönlich
so vielen Buddhas dienen würden. Die Wirkung aus
dieser einzigen Ausübung ist gleichzusetzen mit
der unermesslichen Menge strenger Ausübungen,
die alle Buddhas durchgeführt haben.“
Nam-Myoho-Renge-Kyo ist das allem zugrunde liegende Gesetz, aus dem alle Buddhas hervorgehen.
Entscheidend ist bei der Erkenntnis des fundamentalen Gesetzes, das die Ursache zur Erleuchtung
aller Buddhas ist, also nicht die strenge Ausübung
über zahllose kalpas, sondern die Tatsache, dass
die Buddhas zu dem allem zugrunde liegenden
Gesetz von Nam-Myoho-Renge-Kyo erleuchtet
wurden. Die buddhistische Ausübung des Späten Tages bedeutet, unmittelbar das Gesetz von
Nam-Myoho-Renge-Kyo anzunehmen und auszuüben. Im Buddhismus Nichirens ist es daher nicht
erforderlich, über zahllose kalpas hinweg strenge
Ausübungen durchzuführen, um die Buddhaschaft
zu erlangen.
Nichiren sagt in der Gosho „Das Wahre Objekt der
Verehrung“: „ ... aber in der Essenz bedeutet sie,
dass Shakyamunis Ausübungen und Tugenden,
die er dadurch erlangte, alle in dem einen Satz
Myoho-Renge-Kyo enthalten sind. Wenn wir an diesen Satz glauben, werden wir natürlich dieselben
Wohltaten erlangen wie er.“ [20] Alle Ausübungen
15
d
Shakyamunis und aller Buddhas (über Zeit und
Raum) zur Erlangung der Buddhaschaft und die
Tugenden, die sie dadurch erlangten, sind in NamMyoho-Renge-Kyo enthalten. Wenn wir daher die
fünf Schriftzeichen des Mystischen Gesetzes annehmen, erlangen wir auf natürliche Weise die positiven Wirkungen sowohl der Ausübung als auch
der Tugenden von Shakyamuni und allen Buddhas
- somit ist es sicher, dass wir die Buddhaschaft
erlangen. Das ist das Prinzip „Den Gohonzon anzunehmen, ist bereits Erleuchtung“. Es wird auch
als „Verwirklichung der Buddhaschaft, so wie man
ist“ und als „unmittelbare Erleuchtung“ bezeichnet.
Nichiren sagt, dass es für einen Menschen, der
das Mystische Gesetz annimmt, „nicht schwer ist,
Buddha zu werden“. Durch die Lehren Nichirens
ist für alle der Weg zur Buddhaschaft offen. Die
Verwirklichung der Buddhaschaft liegt also nicht in
der Zukunft oder in weiter Ferne. Der Buddhismus
Nichirens ermöglicht allen Menschen, die Buddhaschaft in diesem Leben zu erlangen.
Die Lehre „Den Gohonzon anzunehmen, ist bereits Erleuchtung“ ist eine revolutionäre Sicht der
Erlangung der Buddhaschaft. Josai Toda sagt: „Im
Gegensatz zu den Buddhas des Hoben-Kapitels,
die viele Millionen Jahre lang strenge Ausübungen
durchgeführt haben, besteht unsere Ausübung
zur Erlangung der Buddhaschaft darin, dass wir
einfach an den Gohonzon glauben und den einen
Satz Nam-Myoho-Renge-Kyo rezitieren.“
Selbst wenn man Nam-Myoho-Renge-Kyo nur ein
einziges Mal rezitiert, liegt darin unvorstellbares
Glück. In dem Augenblick erhalten wir sämtliche
Wohltaten, die alle Buddhas durch ihre Ausübung
über viele Existenzen und einen sehr langen Zeitraum hinweg erlangt haben. So großartig ist das
mystische Gesetz.
„Wenn die Menschen wirklich treu, ehrlich und aufrichtig geworden sind, wenn sie in ehrenwerter Absicht und von ganzem Herzen den Buddha sehen
wollen und nicht zögern, selbst wenn es ihr Leben
kostet, dann werden ich und die Menge der Mönsche zusammen auf dem Adlergipfel erscheinen.“
16
In beiden Sätzen steht das „dann“. Das legt dar,
dass, wenn unser Herz ganz darauf gerichtet ist,
„den Buddha zu sehen“, wir ohne jeden Zweifel von
dem immensen Mitgefühl des Buddhas umgeben
sind.
Das „dann“ heißt nicht „irgendwann“ oder „in der
Zukunft“. Es bedeutet das Erlangen der Buddhaschaft durch das Prinzip von „Das Gesetz annehmen ist Erleuchtung“. Wenn wir mit starkem Glauben an den Gohonzon aufstehen, dann - zu dem
Zeitpunkt, genau in dem Augenblick - tritt das Leben des Buddhas in uns zutage. Der Platz, an dem
wir sind, wird zum Adlergipfel, zum Land des Buddhas. Das ist der Ort, an dem der Buddha wohnt.
Nichikan (Shonin) sagt: „Wenn man Nam-MyohoRenge-Kyo im Glauben an den Gohonzon chantet,
wird das Leben sofort zum Objekt der Verehrung
von ichinen sanzen: es wird das Leben Nichirens.“
Das Leben des Gohonzon, das Leben Nichirens,
manifestiert sich sofort in uns. Es gibt keine größere Wohltat!
Alle Menschen besitzen ausnahmslos diesen
höchsten Schatz der Buddhaschaft. Diese Gleichheit ist das „Herz des Lotos-Sutras“. Das Herz des
Daishonin hat allen Menschen des Späten Tages
tatsächlich den Zugang zu diesem Schatz ermöglicht. Der Schlüssel dazu ist der Glaube von
Menschen, die sich von ganzem Herzen danach
sehnen, den Buddha zu sehen, und den Glauben
so auszuüben, dass sie „nicht zögern, selbst wenn
es ihr Leben kostet“. Die Voraussetzung, die Buddhaschaft zu erlangen, ist also, dass man den
Buddha aufrichtig sucht. Hinzu kommt die ernsthafte Ausübung.
Josai Toda sagte in einer Vorlesung: „Wenn sich
der Buddha feierlich in unserem Leben manifestiert, sind wir zweifellos frei von allem Leiden.
Wenn wir also den Gohonzon verehren, wird der
Gohonzon in uns erscheinen, auch wenn wir uns
dessen nicht bewusst sind. Unser Körper wird zum
Adlergipfel. Die Kraft des Dai-Gohonzon, die Kraft
des Daishonin, füllt unser Leben.“
Dichtung
ONE
g
EURO
PE W
ITH S
ENS
E
One
Euro
pe w
One
ith S
mind
ense
and
One
i
one h
Euro
e
art
p
e wit
I vow
h Se
to p
nse
lay m
y par i
t
One
Euro
pe un
One
Euro
ited
pe Our
stro
p
a
ssio
ng
Read
n ign
y to
ited
right
the w
rong
One
Euro
pe w
One
ith S
mind
ense
and
One
i
one h
Euro
e
art
p
e wit
I vow
h Se
to p
nse
lay m
y par i
t
One
Euro
pe o
Our
ne vis
goal
ion
In th
is in
e lan
sight
d of
We‘re
our
read
miss
y to
ion
fight
the f
ight
And
win And
One
win Euro
pe w
One
ith S
Euro
ense
pe w
i
ith S
ense
i
I!
;
the earth
e rest of
th
f
o
hole
of the w
attacks
ds;
e
n
th
ie
r
to
st,
vincible new City of F ve it led the re
in
y
it
c
lo
a
e
t
s
w
th
u
a
s
s
b
I
city,
f ro
t wa
dream,
m‘d tha n the quality o e men of that
I drea
a
th
m‘d in a
a
th
f
e
o
r
e
d
r
900).
s
e
n
I
lished 1
b
reater th our in the actio nd words.
u
g
p
s
/
a
n
w
te
Nothing as seen every h ll their looks a , poem 32, writ
a
)
It w
And in l. 3 (Calamus
Vo
Grass,
eaves of
L
,
n
a
hitm
(Walt W
m‘d
I Drea
eam
in a Dr
17
d
Erfahrung I – David Carpenter
Dies ist nun mein sechster Besuch in der Villa
Sachsen und ich möchte euch gern erklären,
was mich hierher gebracht hat: Ich bin in den
1930ern auf dem Land geboren worden. In der
Schule wurde uns beigebracht, unsere Feinde
während des 2. Weltkriegs (vor allem die Deutschen, die Italiener und die Japaner) zu fürchten
und zu hassen – während zur selben Zeit der
Ruhm Großbritanniens und seines Imperiums
propagiert wurde.
Ich bin in einem liebevollen Elternhaus groß
geworden und wurde im christlichen Glauben
erzogen. Ich habe sogar jeden Abend mein
Gebet gesprochen, bis in meine späten 60er
hinein, obwohl ich der althergebrachten Church
of England wegen ihrer Einstellung zum Thema
Homosexualität schon in meiner Jugend den Rücken gekehrt hatte. Jetzt erkenne ich, dass diese
oft unerfüllten Gebete meistens nichts anderes
waren als das Weitergeben meiner eigenen Verantwortungen.
Nach der Schule machte ich Karriere bei einer
Bank, wo ich insgesamt fast 40 Jahre arbeitete.
Mit 20 hatte ich mein Zuhause verlassen und
war nach Oxford gezogen, eine der drei einzigen
Städte außerhalb Londons, die einen schwulen
Pub hatten. Ich Glückspilz! Damals war alles
sehr geheim, verschwiegen und „underground”
aus der Angst heraus, erpresst, geächtet, zusammengeschlagen, gekündigt oder – noch
schlimmer – ins Gefängnis geworfen zu werden.
18
Ich traf meinen ersten Partner, einen Ungarn,
und wir ließen uns nieder. Wir waren gezwungen, unsere Beziehung vor allen zu leugnen, sogar vor uns selbst – aber trotz allem hielt diese
Beziehung 11 glückliche Jahre. Eine kurze Zeit
später traf ich meinen zweiten Partner, einen
Deutschen, und wir hatten für die nächsten 14
Jahre eine starke Beziehung. Als diese endete,
wurde mir klar, dass ich aktiv werden, rausgehen und einen neuen Mann finden musste, da
ich zum ersten Mal in meinem Leben allein war.
Das ist gar nicht so einfach im Alter von 45 Jahren, wenn man nie Teil der Szene war - und nun
auch noch Falten und lichtes Haar hatte!!
Fünf Jahre später, immer noch allein und fast
jeden Abend auf Achse, entschloss ich mich, von
all dem eine kleine Pause einzulegen – und fuhr
in den Urlaub nach Gran Canaria. In der ersten
Nacht traf ich dann diesen Menschen, der fand,
dass dieser unmögliche, tuntige Mann sehr lustig war. Und der sich entschloss, den Rest des
Urlaubs mit mir zu verbringen. Am Ende der vierzehn Tage war klar, dass unsere Freundschaft
länger dauern würde als nur einen Urlaub lang.
Und ich bin stolz sagen zu dürfen, dass Martyn
und ich mittlerweile fast 25 glückliche Jahre zusammen erlebt haben. Er war es auch, der vorschlug, dass wir eine buddhistische „ceremony
of commitment“ beantragen sollten, nachdem
das Lebenspartnerschaftsgesetz verabschiedet
worden war. Infolgedessen waren wir das erste
gleichgeschlechtliche Paar, das sein Versprechen vor dem UK-Gohonzon im Taplow Court
(ein Rittergut nahe London, das der SGI UK gehört) abgelegt hat. Unser Bekenntnis zueinander
ist vollkommen.
2003 traf ich einen Mann, den ich „Amazing Mr
Brown No. 1“ nenne. Er war es, der mich mit dieser buddhistischen Ausübung bekannt machte.
Er lebte nur 15 km von mir entfernt und schlug
vor, dass ich doch einmal mit zum Taplow Court
kommen sollte. Und am darauf folgenden Sonntag tat ich es! Zwei Wochen später nahm ich an
meinem ersten Diskussionstreffen teil und drei
Wochen danach fuhr ich mit zum Sommerkurs
der Männerabteilung an der Warwick University.
Nachdem ich 350 Männer in einer solchen Harmonie und mit einer solchen Entschlossenheit
hatte chanten hören, gab es kein Zurück mehr.
Zum ersten Mal in meinem Leben war ich mit
Menschen zusammen, die mich so akzeptierten,
wie ich bin. Es war den SGI-Mitgliedern egal,
dass ich schwul bin - und ich war endlich frei,
mein wirkliches Ich zu leben.
Beim Kosen-rufu Gongyo gegen Ende des Jahres 2004 sagte die Leiterin der Frauenabteilung
zu mir: „Hey David, hier ist jemand, von dem
ich weiß, dass du ihn gern treffen würdest“ –
und es stellte sich heraus, dass das „Amazing
Mr Brown No. 2“ war. Und so kam es, dass ich
nun bei der Absolute Freedom Group (AFG)
beteiligt bin und den Buddhismus in die LGBTGemeinschaft eingebracht habe. Dadurch, dass
ich ihn getroffen hatte, konnte ich ihn im März
2005 in Berlin zu einem Treffen mit anderen
europäischen LGBT-SGI-Mitgliedern begleiten.
Das Highlight des Treffens war für mich der Besuch des Berliner Kaikans, wo wir als Gruppe
zusammen chanten konnten. Weitere Treffen von
SGI-LGTB-Mitgliedern fanden in Bologna, London
und in Köln statt. Von Köln aus hatten wir dann
auch das Glück, die Villa Sachsen besuchen zu
dürfen und wir wurden eingeladen, vor dem SGID-Gohonzon zu chanten. Später konnte ich dann
sogar noch nach Island reisen, um mit isländischen Mitgliedern zusammen an der Reykjavik
Pride teilzunehmen und mit den einheimischen
Mitgliedern zu chanten. Später reiste ich auch
noch nach Wien, wo ich zusammen mit anderen
LGTB-Mitgliedern im Kaikan chantete.
Es ist angemessen, mit einem Auszug aus einer
Nachricht von Sensei an eine GLTB-Konferenz in
Florida zu enden:
g
„Der Buddhismus ermöglicht es uns, unsere innerste, großartige Menschlichkeit vollkommen
hervorzubringen. Er ermöglicht es uns, sie durch
unser bescheidenes, natürliches Verhalten als
aufrichtige Menschen zu manifestieren. Was
zählt, sind dein Herz, deine Ernsthaftigkeit und
deine Aufrichtigkeit, nicht deine Stellung oder
dein Ansehen. Derjenige, der sich für Kosen-rufu
und die SGI einsetzt, ist des Respekts würdig.
Solch ein Individuum ist wahrhaftig großartig.
Im Oktober 2006 versammelten sich mehr als
200 SGI LGTB-Mitglieder in Rom. Eine wahrhaft
großartige, inspirierende und aufschlussreiche
Erfahrung. Für mich war allerdings das größte
Geschenk, vor dem SGI Gohonzon chanten zu
dürfen. Nach meiner Rückkehr wurde mir klar,
was die SGI zurück in mein Leben gebracht hatte: Würde, Stolz und Selbstvertrauen in mich und
in meine Beziehung zu Martyn; unterstützt von
der unaufhörlichen Liebe, Fürsorge, dem Mitgefühl und der Weisheit meines Mentors, Präsident
Ikeda.
Ich habe viele Freunde in Europa gewonnen und
ich bin stolz, ein europäisches Mitglied der SGI
zu sein. Durch die SGI ist es mir möglich, viele
Städte Europas zu besuchen und vor ihrem nationalen Gohonzon zu chanten. Dies ermöglicht
es mir, mich des schlechten Karmas des letzten
Jahrhunderts zu entledigen – den Gräueltaten
des 2. Weltkriegs und die Obszönitäten, die Menschen zugefügt wurden, weil sie aufgrund ihrer
Sexualität kriminalisiert und schikaniert wurden.
Ich glaube, dass ich durch all dies meine Mission
erkannt habe: durch Kosen-rufu für die Würde
und den Respekt eines jeden Individuums zu
kämpfen, komme, was da wolle.
19
d
Experience I – David Carpenter
Through meeting SGI-UK – Absolute Freedom
Group – LGBTE (Lesbian, Gay, Bi-sexual, Trans
Europe)
This is now my 6th visit to Villa Sachsen and I
would like to explain to you how I came to get
here. I was born in the 1930’s in the countryside. At school we were taught to fear and hate
our enemies during World War II, (i.e. Germans,
Italians and Japanese mostly) whilst at the
same time we were given propaganda about the
glories of Great Britain and its Empire.
I grew up with loving, caring parents who
brought me up according to the Christian faith. I
even said my prayers every night up to my late
60’s, although I had dropped the established
Church of England in my youth because of its
attitude towards homosexuality. I now realise
that, those often unfulfilled prayers were often no
more than passing on my own responsibilities.
20
On leaving school I joined and made a successful career with a Bank for nearly 40 years. At 20
I left home and moved to Oxford, which was one
of only three cities outside of London that had
a gay pub – lucky me! In those days everything
was very secretive and underground for fear of
being blackmailed, ostracised, queer-bashed,
sacked from work or worse sent to prison. I
met and settled down with my first partner, a
Hungarian, but we were obliged to deny our relationship to everyone, including ourselves – but
despite that the relationship lasted for 11 happy
years. A short time later I met my second lover,
A German, and we had a strong relationship for
the next 14 years. When this ended, I realised
that I had to get out and find myself another
man, because for the first time in my life I was
alone. That’s not easy at the age of 45 and not
having been on the scene, because my wrinkles
had arrived and the hair had gone!! Five years
later, still on my own and after being out almost
every night, I decided to take a break from all this
and went on holiday to Gran Canaria. On the
first night I met a man who thought this outrageous, camp, old guy was fun so he decided to tag
along for the rest of the holiday – but by the end
of the fortnight it was clear our friendship would
last longer than a holiday. I am proud to say that
Martyn and I have now enjoyed nearly 25 years
of bliss. And it was he who suggested that we
should request a Buddhist Ceremony of Commitment after the passing of the Civil Partnership
legislation. As a result, we had the honour and
privilege of being the first same sex couple to
make our commitment vows in front of the UK
Gohonzon at Taplow Court. Our commitment to
each other is complete.
In 2003 I met a man who I call Amazing Mr
Brown No.1” and it was he who introduced me
to this practice he suggested that I should get
along to Taplow Court because we live about
15km away and so, the following Sunday – I
did. Two weeks later I attended my first Discussion Meeting and three weeks after that I attended the Men’s Division Summer Course at Warwick University. After hearing 350 Men chanting
in such harmony and with such determination
there was certainly no turning back for me. For
the first time in my life I was with people who
accepted me as I am – it didn’t matter to SGI
members that I was gay – at last I was free to
be my real self.
Towards the end of 2004 at Kosen Rufu Gongyo my HQ Women’s Division Leader said “Hey
David, here is a guy I know you would like to
meet” – that turned out to be the “Amazing Mr
Brown No.2” and that is how I came to be involved with the Absolute Freedom Group (AFG)
and taking Buddhism into the LGBT Community.
It was through meeting him that I was able to
join him in Berlin in March 2005 for a meeting
with other European LGBT SGI members. The
highlight of that meeting for me was our visit
to the Kaikan in Berlin where we were able to
chant as a Group. Further meetings of SGI LGBT
members took place in Bologna, London and Cologne and whilst there we had the good fortune
to visit Villa Sachsen where we were invited to
chant in front of the SGI-D Gohonzon. Subsequently I have also been able to join Icelandic
members to celebrate Reykjavik Pride with SGI
and chant with local members and also been
able to chant at the Kaikan in Vienna, with other
LGBT members
g
In October 2006 over 200 SGI LGBT members
were able to gather in Rome. A truly amazing, inspiring and enlightening experience - but for me
the greatest gift was again being able to chant
in front of the SGI Gohonzon.
Returning home, I could reflect on what SGI had
brought back into my life – dignity, pride and
confidence in myself and my relationship with
Martyn, supported by the unceasing love, care,
compassion and wisdom of my Mentor, President Ikeda.
I have made many friends in mainland Europe
and I am proud to be a European member of
SGI having a great realisation that through SGI,
I have been able to visit Continental European
cities and chant in front of their national Gohonzon, allowing me to shed the bad karma from
the last century - the atrocities of World War II,
and the obscenities enacted upon people who
were criminalised and victimised because of
their sexuality. I believe that through all of this I
have discovered my mission and that is to fight
through kosen-rufu for the dignity and respect of
every individual no matter what.
It is appropriate to end with an extract from a
message sent by Sensei to a GLBT conference in
Florida, when he wrote:
“Buddhism makes it possible for us to bring forth
our innate, brilliant humanity to the fullest enabling us to manifest it through our unpretentious,
natural behaviour as genuinely human beings.
What counts is your heart, your earnestness and
your sincerity, not your position or your status.
One is worthy of respect who fights for kosenrufu and the SGI. Such an individual is great
indeed.”
21
d
Erfahrung II – Manfred Dübelt
Ich gehöre erst seit kurzer Zeit zu den Laienbuddhisten der Soka Gakkai und hatte vor zwei
Jahren meinen Gohonzonempfang. Bis dato war
ich ein Mensch, der auf der Suche war und nicht
wusste, was ich denn suche. Jahre um Jahre
ließ ich mich treiben von diesem und jenem,
immer nur nach vorne schauend, um ja nichts
zu verpassen und alles mitzunehmen, was ich
mitnehmen konnte. Ich merkte überhaupt gar
nicht, wie viel Energien mich das gekostet hatte. Fernsehdokumentationen über Buddhisten in
den verschiedensten Ländern hatten mich zwar
begeistert und ich war oftmals traurig, dass ich
nicht zu ihnen gehören konnte. Nun ich wurde
halt in unserer abendländischen Kultur mit ihrem
Kirchenwesen geboren, aber es war nicht das,
was zu mir mich passte. Eines Tages kam ich
mit meiner heutigen Shakubuku-Mutter zusammen. Sie berichtete mir von Nichiren Daishonins
Buddhismus und von Myoho–Renge-Kyo. Sie
führte mich an ihren Gohonzon und chantete.
Schnell begriff ich, dass hier etwas ganz Außergewöhnliches geschah. Sie widmete sich nicht
einer Statue oder an eine Abbildung eines Heiligen sondern zu Schriftzeichen die einst Nichiren
eingeschrieben hatte. Obwohl ich zu dieser Zeit
noch nichts verstehen konnte, wollte ich doch
wissen, wer dieser Daishonin denn war und welche Bedeutung er für seine Anhänger hat. Ich las
den „Buddha des Alltags“, das Lotus Sutra, die
Gosho „Das Öffnen der Augen“ sowie Nichirens
Schriften und konnte nur noch dankbar sein, von
meiner Shakubuku-Mutter darauf hingewiesen
worden zu sein.
22
Seitdem hat sich mein Leben sehr zum Guten
verändert. Im Hier und Jetzt zu leben, weder der
Vergangenheit noch der Zukunft übermäßige
Bedeutung zuzumessen, sondern stattdessen
Ursachen zu setzen für positive Wirkungen, erfüllen mich mit Glück. Alleine der Gedanke sich
für das Glück des anderen einzusetzen hat mich
zu einem anderen, nicht mehr getriebenen Menschen gemacht. Ich denke mein Glauben an das
Lotus Sutra ist auch Grund dafür, dass ich eine
lebenslange Betreuung für meinen kranken Verlobten übernehmen durfte. Es gibt noch so viel
zu lernen für mich und ich wünsche mir, dass
ich aus meinem Herzen heraus genau so viel
Glauben entwickeln kann, wie General Steintiger,
der es fertig brachte, seinen Pfeil in einen Fels zu
setzen, weil er dachte es wäre ein Tiger.
Ich wünsche Euch allen in Bingen erfahrungsreiche Tage, neue Freundschaften und neues Glück.
Nam Myoho Renge Kyo
Experience II – Manfred Dübelt
I am a pretty new a member of the SGI. I received my Gohonzon two years ago. Until then I had
been a person who didn’t know what he was
looking for. Year after year I was drifting from this
to that, always looking ahead because I didn’t
want to miss anything. I didn’t realize at all how
much energy this drained from me.
Whenever I watched TV documentaries on Buddhists in various countries I got excited and also
a bit sad because I couldn’t be one of them. Well,
I had been born into our occidental culture with
its own church – and it didn’t suit me.
One day I met with my later Shakubuku-mother.
She told me about Nichiren Daishonin’s Buddhism and about Myoho – Renge – Kyo. She
led me to her Gohonzon and then she chanted.
Very soon I realized that something extraordinary
was happening. She didn’t dedicate herself to a
statue or a picture of a saint, but to graphic characters that had once been inscribed by Nichiren
Daishonin. Although I didn’t make much sense of
all this back then, I still wanted to know who Daishonin was and what importance he had to his
followers. I read the book “The Buddha in daily
Life”, the Lotus Sutra, the Gosho “The Opening of
the Eyes” as well as Nichiren’s writings. I was
just so thankful that my Shakubuku-mother had
told me about all this.
g
Since then my life has changed to very good account. To be living in the here and now and not
to let the past or the future have too much of an
impact, but to set causes for positive effects this makes me very happy. Just the very thought
of committing to someone else’s happiness has
changed me into a completely different person
who is not restless anymore. I think my belief in
the Lotus Sutra has also allowed my to take on
the life-long care of my sick fiancé. There still is
so much to learn for me and I really wish I could
develop such a strong belief right out of my heart
just like general Steintiger did when he managed
to send an arrow into a rock because he thought
it was a tiger.
I wish you all days full of experience, new friendships and new happiness in Bingen.
Nam Myoho Renge Kyo
23
d
Europride Juni 2011
Eindrücke von der Europride-Parade
in Rom (11.6.2011)
Auf die freundliche Einladung der italienischen
Vielfaltgruppe (Arcobalena-Group) sind zwei
unserer deutschen Mitglieder (Nina und Martin)
nach Rom zum Europride gereist, wo die SGI auf
der Parade mit einem eigenen Wagen und unter
dem Motto: „diversi corpi stessa mente“ („many
in body one in mind) zahlreich, farbenfroh und
lebendig vertreten war. Von den vielen, vielen
starken Eindrücken sollen hier nur ein paar als
Vorschau herausgegriffen werden, da wir uns
sehr darauf freuen dürfen, im Rahmen unseres
Treffens einen (Film-)Bericht über die Arcobalena-Gruppe auf der Parade von einer der Organisatorinnen selber zu hören.
24
Frauenfußball – Blitzlichter
Sichtbar anders und doch gleich?
Aus aktuellem Anlass: Homosexualität im Frauen Fußball – ein paar Blitzlichter
„Ja, die Lesben in unserer Mannschaft waren
wirklich ein großes Problem. Aber seitdem ich
Trainerin der Falcons bin, hat sich das erledigt.
Es gibt keine lesbische Spielerin mehr in meinem
Team. Ich kann diese dreckige Lebensweise
nicht tolerieren.“
Das „Sommermärchen 2011“ hat bereits in der
Vorrunde einen Skandal. Ausgelöst wurde er von
Nigerias Nationaltrainerin Eucharia Uche durch
extrem scharfe Äußerungen gegen lesbische
Spielerinnen. Mit Verzögerung hat die FIFA nun
gegen diese Diskriminierung protestiert.
Uche, als Kreuzzüglerin gegen Homosexualität
bekannt, hatte im Zusammenhang mit der WM
den Ausschluss lesbischer Spielerinnen aus ihrem Team bestätigt. „Ja, die Lesben in unserer
Mannschaft waren wirklich ein großes Problem.
Aber seitdem ich Trainerin der Falcons bin, hat
sich das erledigt. Es gibt keine lesbische Spielerin mehr in meinem Team. Ich kann diese
dreckige Lebensweise nicht tolerieren“, soll sie
gegenüber der New York Times gesagt haben.
Späte FIFA-Reaktion
Die FIFA, die sich in ihren Statuten gegen jede
Form von Diskriminierung stellt und bei der beim
Thema Rassismus alle Alarmglocken schrillen,
scheint sich mit Homophobie jedoch schwer zu
tun. Anders lässt sich nicht erklären, warum es
Tage brauchte für eine offizielle Reaktion. „Die
FIFA ist gegen jede Form von Diskriminierung“,
sagte nun Tatjana Haenni, Frauenfußball-Chefin
beim Weltverband. „Jedes Land hat eine eigene
Gesetzgebung und jede Person hat eine eigene
Meinung. Das ist auch richtig so. Wir werden
aber in einem Gespräch auf die FIFA-Statuten
und das Reglement hinweisen und versuchen zu
helfen, dass so etwas nicht mehr passiert.“
g
Auch DFB-Präsident Theo Zwanziger, der große
Förderer und Fan von Frauenfußball. äußerte
sich nur vorsichtig zu dem Thema. „Wir stehen ja
nicht auf dem Standpunkt, dass es keine Homophobie mehr gäbe“, sagte er. „Die gibt es weltweit, die gibt es auch bei uns.“ Umso wichtiger
sei es, Flagge zu zeigen. Aber: „Dass wir nicht
Homophobie in allen Teilen dieser Erde von einem Tag auf den anderen beenden können, das
ist eine andere Sache.“
Homosexualität auch im deutschen
Fußball ein Tabu
Tatsächlich ist das Thema Homosexualität im
Fußball auch hierzulande immer noch stark tabuisiert. Das beschreibt nicht zuletzt die ehemalige Bundesliga-Spielerin Tanja Walther-Ahrens in
ihrem Buch Seitenwechsel. Coming out im Fußball. Die Aktivistin gegen Homophobie im Sport
fordert zusammen mit anderen ein Ende des
Versteckspiels für homosexuelle FußballerInnen
und andere LeistungsportlerInnen. Die Ex-Nationalspielerin Nia Künzer wünscht sich ein Outing
auch bei den Männern, um es auch den homosexuellen Frauen einfacher zu machen. „Vielleicht
sollten sich einfach mal ein paar Spieler zusammentun und an die Öffentlichkeit gehen, dann
wäre das Thema mit einem Ruck vom Tisch“,
wird die 31-Jährige vom Sport-InformationsDienst (sid) zitiert.
Das Thema Homosexualität im Fußball hat durch
die Frauen-WM und den vermuteten bzw. in internen Kreisen bekannten hohen Anteil von Lesben
in den Teams neue Aufmerksamkeit gewonnen.
Doch als lesbisch oder bisexuell hat sich bislang noch so gut wie keine geoutet. Die aktiven
Spielerinnen halten sich, aus nachvollziehbaren
Gründen, weiterhin sehr bedeckt, was ihr Privatleben betrifft. Trotz der hierzulande inzwischen
erkämpften Rechte für Lesben und Schwule.
25
d
Nigeria:
Strenge Strafen für Homosexualität
In Nigeria hingegen ist Homosexualität wie in
vielen anderen Ländern (nicht nur in Afrika) verboten und kann mit hohen Strafen sanktioniert
werden. Daher verwundert es nicht, dass die nigerianische Nationaltrainerin Eucharia Uche zunächst mit Unverständnis auf die Kritik reagierte
und darauf verwies, dass jedes Land seine eigenen Gesetze und Gebräuche habe. Inzwischen
hat sie sich, offenbar aufgrund des öffentlichen
Drucks, entschuldigt für die Aufregung um ihre
angeblichen Äußerungen, die sie gar nicht gemacht habe.
Unbestritten sind Uches fundamentalistische
Methoden, mit der sie ihre Spielerinnen von Homosexualität „heilt“: Sei es durch „Hexerei“ oder
mit der Hilfe Gottes. „Wir haben nun sehr viele Spielerinnen, die nach den Worten von Gott
dürsten. Dadurch sind sie viel konzentrierter und
wissen, dass der Fußball ihnen Ruhm, Glück und
Spaß bringen kann. Homosexualität zerstört all
diese Hoffnungen“, soll Uche kürzlich gesagt haben. Und: „Lesbische Spielerinnen sind in Nigeria
ein Bild aus der Vergangenheit. Die Spielerinnen
haben zu Gott gefunden“.
Die Verfolgung und die regelmäßigen Hasskampagnen gegen Homosexuelle in Nigeria gehen
nicht unbedingt von fundamentalistischen Muslimen aus, sondern vor allem von christlichen
Sekten, viele davon inspiriert oder angeführt von
US-amerikanischen Missionaren. Ein Phänomen,
das sich auch in anderen afrikanischen Ländern
– zum Beispiel in Uganda – zeigt.
26
Weitere Informationen:
Mit dem Thema Homosexualität im Fußball befasst sich auch der Schwerpunkt Frauen – Fußball – Emanzipation der Ausgabe 2/2011 von
FrauenRat. Darin schreibt u.a. auch eine Autorin
aus Uganda über die Situation von Fußballerinnen in ihrem Land.
(http://www.frauenrat.de/deutsch/infopool/
informationen/informationdetail/article/lesbenfeindlichkeit-auf-der-frauen-wm.html)
Victoria Svensson
Martina Voss
Die schwedische Fußball-Rekordinternationale
gab im Sommer 2008 bekannt, dass sie seit März
mit ihrer Partnerin verheiratet ist. Das Paar hat eine
Tochter.
Die deutsche Ausnahmefußballerin wurde fünf
Monate vor den Olympischen Spielen 2000 in
Sydney aus der Nationalmannschaft geworfen,
weil sie ein Verhältnis mit einer Mitspielerin hatte. 2003 meinte die heutige Trainerin des FCR
Duisburg in einem „Spiegel“-Interview: „Die sechs
Jahre, die ich mit meiner Partnerin zusammen
war, bereue ich nicht. Heute weiß ich, dass ich
nie mehr mit einer Frau zusammenleben werde.
Ich stehe auf Männer. Aber es ist doch so: Wenn
ich Fußball spiele, zählt die Leistung auf dem
Platz und nicht, mit wem ich Händchen halte.“
Natasha Kai
Die amerikanische Profi-Kickerin hätte 2007 beinahe die WM verpasst, weil sie die Trennung von
ihrer Freundin sehr mitgenommen hatte. 2008
holte sie mit den USA Olympia-Gold.
g
Inka Grings
Voss‘ Freundin war damals Inka Grings. Grings
ist heute noch aktiv und die erfolgreichste Torjägerin Deutschlands. In der Dokumentation
„Tabubruch - Der neue Weg von Homosexualität
im Fußball“ berichtete sie 2009 über ihre extrem
unangenehmen Erfahrungen mit der Boulevardpresse, als vor ein paar Jahren sehr private
Details ihrer damaligen Beziehung an die Öffentlichkeit kamen.
27
h
Herunterladen