Weiterbildungsstätte für Intensivpflege & Anästhesie und Pflege in der Onkologie Schmeddingstr. 56 D-48159 Münster Pr ostatacar cinom Die „kleinen“ Schwächen des „star ken“ Geschlechts - wenn Männer ängen gelassen wer den vorgelegt von Martin Beerhorst Abgabe: 07.11.2006 Martin Beerhorst Schapdettener Str. 21 D-48301 Nottuln Danksagung Mein größter Dank gebührt Elke Goldhammer, die diese Arbeit mit viel Mühe, Engagement und Ratschlägen betreut hat. Ebenso bedanke ich mich bei Hendrik Buhl, dass er uns die Ergebnisse seiner noch nicht veröffentlichen Doktorarbeit zur Verfügung gestellt hat. Des Weiteren gebührt mein Dank Nina von Prondzinski, die mit viel Geduld und Arbeitsaufwand diese Arbeit formatiert hat. Danke auch an Ulrich Tonk für die technische Unterstützung bei der Erstellung der PowerPoint-Präsentation. Ebenfalls danke ich Dr. Hartmut Bremer für die Überprüfung der schriftlichen Ausarbeitung mit medizinischen Ratschlägen. Zum Abschluss möchte ich mich noch ganz besonders bei Kornelia Kather für ihre Unterstützung während des Schreibens dieser Arbeit bedanken. Glieder ung 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2 Erkrankungen der Prostata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 3 Prostatacarcinom (PCa). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8 3.1 Entstehung des PCas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 3.2 Symptome des PCas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .10 4 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 5 Therapiemöglichkeiten bei PCa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 5.1 Radikale Prostatektomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 5.2 Strahlentherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15 5.3 Hormontherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .17 5.4 Chemotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .18 5.5 Kryotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 5.6 Hyperthermie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .19 5.7 Transurethrale Resektion der Prostata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .19 5.8 Watchfull waiting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .19 6 Pflege bei radikaler Prostatektomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 7 Mögliche Folgen nach Prostatektomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .22 7.1 Inkontinenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 7.2 Impotenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 7.3 Libido . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 8 Bedeutung der Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .34 9 Ernährung als Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 10 Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .37 11 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 12 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Vorwort 4 Vor wor t Im Jahr 1999 wurde mir eine Anstellung als Krankenpfleger in der Urologie, Station 16b Ost des Universitätsklinikums Münster (UKM) angeboten. Ich nahm dieses Angebot an, obwohl es mein Interesse nicht sonderlich weckte und dieses Fachgebiet neu für mich war. Dieses sollte sich jedoch schnell ändern, da die Urologie ein verständliches und sehr interessantes Fachgebiet ist. Die sich auf der Station befindenden Patienten haben zu ca. 80 % Carcinom-Erkrankungen der Nieren, Blase, Hoden, Penis und Prostata. Besonders die an einem Prostatacarcinom (PCa) erkrankten Männer, die selten ein Krankheitsgefühl hatten, weckten mein Interesse, da sie oft durch ihre Diagnose, die in der Regel bei der Vorsorgeuntersuchung festgestellt wurde, einen unerwarteten Schock erlitten. Jährlich werden ca. 250 Prostatektomien am UKM durchgeführt. Die Diagnose Krebs ist für die betroffenen Männer ein Schock und nach der überstandenen Operation muss sich das „starke Geschlecht“ der Angst vor der drohenden Impotenz und Inkontinenz stellen. Der vorher so starke Mann sieht sich nicht selten als Versager in Windeln. Da in unserer Gesellschaft diese Probleme eher ein Tabuthema sind, fühlen sich die betroffenen Männer häufig zum Schweigen verurteilt. Aus oben aufgeführten Gründen habe ich mich entschlossen, dieses umfassende Thema zu bearbeiten. Das Ziel ist es, auf die Probleme hinzuweisen, sie öffentlich darzustellen und gleichzeitig eine gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen. Zusammenfassung 5 Zusammenfassung Die nachfolgende Ausarbeitung befasst sich mit dem Prostatacarcinom und dessen Auswirkungen. Dieses Carcinom ist in der heutigen Zeit die dritthäufigste Krebserkrankung bei Männern in den westlichen Industrienationen. Nachdem die Anatomie und Physiologie der Prostata erklärt wird, wird auf die Entstehung des PCas mit seinen Symptomen eingegangen. Nach Aufführung der diagnostischen Möglichkeiten beschäftigt sich folgende Ausarbeitung mit den verschiedenen Therapiearten, die je nach Stadium der Erkrankung individuell und patientenabhängig eingesetzt werden. Da im Universitätsklinikum Münster die radikale Prostatektomie sowohl laparaskopisch als auch suprapubisch ca. 250 mal jährlich durchgeführt wird und somit die häufigste Therapieform ist, befasst sich ein großer Teil folgender Arbeit mit dieser Operation aus medizinischer und pflegerischer Sicht. Auf die möglichen Folgen wie Inkontinenz und Impotenz wird besonders intensiv eingegangen, da diese gesellschaftlichen Tabuthemen stark belastend auf die Psyche des Mannes einwirken können. Daher wurde in dieser Ausarbeitung auch versucht, auf die damit verbundene gesellschaftliche Problematik aufmerksam zu machen. Zum Abschluss wurde auf die Ernährung als Prävention hingewiesen, um einem PCa oder anderen Krebserkrankungen vorzubeugen. 1 Einleitung 6 1 Einleitung Das Carcinom der Prostata (PCa) ist die häufigste Krebserkrankung beim Mann. Jährlich erkranken 40.600 Männer neu an Prostatakrebs.[1] Die Prostata ist eine Drüse von der Größe einer Kastanie bei einem Gewicht von ca. 20 g. Sie liegt unterhalb der Blase, ca. 1 cm hinter der Symphyse, ca. 5 mm an der Darmwand des Rektums und oberhalb des Beckenbodens, in dem sich der äußere Schließmuskel befindet. Diese Drüse umschließt die so genannte prostatische Harnröhre sowie die beiden Spritzkanäle Ductuus ejaculatorii. Die äußere Begrenzung der Prostata ist eine fibröse Bindegewebskapsel, die aus etwa 40 getrennten Drüsen besteht. Diese münden mit ca. 20 Ausführungsgängen im Bereich des Samenhügels in die Harnröhre. Außer der Kapsel besteht die Prostata noch aus dem peripheren Bereich, dem Zentrum und dem ventralen Bereich (s. Abb. 1). Abb. 1: schematische Darstellung der Lage der Prostata[2] Die Drüsenflüssigkeit der Prostata ist trüb, dünnflüssig und, obwohl sie saure Phosphatasen enthält, schwach alkalisch (pH = 7,2-7,8).[3] Das Sektret ist notwendig, um sowohl das Ejakulat vor dem Kontakt mit dem sauren Milieu der Vagina zu schützen, als auch die Beweglichkeit der Spermien zu steigern.[4] Das Ejakulat besteht bei einem Samenerguss aus ca. 10-30 % der prostatischen Drüsenflüssigkeit. 1940 wurde erstmals vom kanadischen Chirurgen Charles Brenton Huggins in Tierversuchen ein Prostatakarzinom sowohl operativ entfernt als auch hormonell mit Östrogen be- 2 Erkrankungen der Prostata 7 handelt.[2] Somit war er ein Pionier der auch heute noch angewendeten Hormontherapie und wurde 1966 zusammen mit dem amerikanischen Pathologen Francis Peyton Rous mit dem Nobelpreis für Medizin und Physiologie ausgezeichnet. Zur Früherkennung und Behandlung des PCas wurden durch die medizinische Forschung ständig Fortschritte erzielt. Zum aktuellen Stand kann diese Arbeit nur einen groben Überblick geben. Bei der pflegerischen Betreuung der Patienten mit einem PCa stellen sich in dieser sensiblen Phase viele Fragen zu den Folgen der Erkrankung und deren Therapie. Auf die Probleme der häufigsten Folgen, wie Inkontinenz und Impotenz soll besonders eingegangen werden. 2 Er kr ankungen der Prostata Die drei häufigsten Erkrankungen der Prostata sind: 1 Prostatitis (Prostataentzündung) 2 Benigne Prostatahyperplasie BPH (gutartige Prostatavergrößerung) 3 Prostatacarcinom PCa Das PCa ist die dritthäufigste Erkrankung bei Männern, die zum Tode führt. In den Jahren von 1973 bis 1993 ist der Anteil der Patienten mit einem Prostatakrebs im lokalen Stadium von 56 % auf 74 % gestiegen.[5] Bis zum 50. Lebensjahr ist das PCa recht selten, ab dem 50. Lebensjahr ist die Tendenz zu erkranken steigend. Das größte Risiko, Prostatakrebs zu bekommen, ist zwischen dem 55. und 65. Lebensjahr. Innerhalb eines Jahres erkranken 0,20,3 % aller Männer. Dass die Erkrankung an einem PCa die Lebenserwartung herabsetzen kann, zeigt die folgende Tabelle 1: Tab. 1: verlorene Lebensjahre bei PCa-Erkrankung Erkrankung bis zum Alter Verlorene Lebensjahre 50 50 60 10 70 5 80 2 3 Prostatacarcinom 8 3 Prostatacarcinom Als Prostatakrebs wird das unbegrenzte und aggressive Wachstum der Prostatadrüsenzellen mit Infiltration, Zerstörung und Unterdrückung der umliegenden Gewebe und Neigung zur Absiedlung von Metastasen bezeichnet. Wie auch bei den anderen Carcinomerkrankungen wird das PCa in verschiedene Stadien eingeteilt, die sogenannte TNM-Klassifikation, wobei T die Größe des Tumors, N die Zahl und Lokalisation der befallenen Lymphknoten und M die Lokalisation und Auftreten von Fernmetastasen in anderen Organen bezeichnet (s. Tab. 4, Anhang). Die Malignität des PCas wird durch den Gleason-Score graduiert. Dieser 1966 vom amerikanischen Pathologen Donald Gleason benannte Gleason-Score (Score = Summe) ordnet den Malignitätsgrad von Prostatakrebszellen auf einer Skala von 1 bis 5 ein (1 = benigne, 5 = maligne) (s. Abb. 2, Tab. 3).[7] Durch mikroskopische Beobachtung entnommener Gewebeproben kann das Ausmaß der Malignität glandulärer Zellen (Drüsenzellen) bestimmt werden. Hierbei wird die Summe aus den überwiegend festgestellten Zelldifferenzierungen mit dem zweiten Summanden, der zweithäufigst beobachteten Differenzierung, addiert. Es kann daraus eine Summe zwischen 2 und 10 entstehen, wobei höhere Summen einen aggressiveren Krebs bestätigen. Wichtig ist, dass grundsätzlich nicht nur die Summe angegeben wird, sondern auch die Summanden mit aufgeführt werden, um eine Differenzierung des Gleason-Scores von z. B. 3+5=8 oder 5+3=8 zu ermöglichen. Bei diesem Beispiel ist die zweite Variante die deutlich schlechtere, da erheblich mehr Zellen mit aggressiverem Krebs befallen sind als im ersten Beispiel. Abb. 2: Differenzierung des Malignitätsgrades[8] 3 Prostatacarcinom 9 Tab. 2: Bestimmung des Malignitätsgrades (Grading)[8] Muster Drüsenform 1 einzeln, rund 2 einzeln, gerundet, variabler als Muster 1 Drüsengröße mittel mittel Drüsenabstand Herdgrenze dicht gepackt scharf 3 einzeln, unregelmäßig oder papilläres oder kribriformes Epithel 4 Verschmolzene glanduläre Massen oder „hypernephroid“ klein, mittel, klein groß mittel oder groß bis zu 1 mehr als 1 verschmolzen Drüsendurch- Drüsendurchmesser messer voneinander getrennt getrennt rundliche Masse mit glattem, scharfen Rand weniger schwer unscharf scharf erkennbar infiltrierend Stroma- minimal mild invasion schwer erkennbar mäßig ausgedehnt stark 5 einige winzige Drüsen, Siegelringzellen oder wenige, kleine Lumina in solidem Epithel, zentrale Nekrose klein klein anaplastische Epithelmassen rundliche Massen mit glatten, scharfen Rändern unscharf infiltrierend schwer erkennbar sehr stark ausgedehnt 3.1 Entstehung des PCas Es herrscht heutzutage trotz vielseitiger Forschung eine weitgehende Ungewissheit über das Entstehen eines PCas. Erwiesen ist, dass verschiedene Faktoren das Auftreten von Prostatakrebs stark begünstigen. Als gesichert gilt dabei die genetische Disposition, die 9 % aller Fälle ausmacht. Der Ausbruch der Krankheit wird durch Genveränderungen auf dem ersten Chromosom begünstigt. Es besteht für einen Sohn ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko, wenn der Vater oder der Bruder an Prostatakrebs erkrankt ist. Dieses Risiko steigt auf das 3 Prostatacarcinom 10 fünffache an, wenn sowohl Vater als auch Bruder davon betroffen sind. Wenn diese erblich vorbelasteten Männer an einem PCa erkranken sollten, so geschieht dies schon in jungen Jahren. Mit Gewissheit kann man auch heute sagen, dass der Einfluss von Testosteron ebenso eine große Rolle spielt. Ohne das männliche Sexualhormon Testosteron kann kein Prostatakrebs entstehen. Junge Männer, die vor oder unmittelbar nach der Pubertät einen Hodenverlust erlitten haben, erkranken später nicht an einem PCa. Testosteron fördert auch das Wachstum eines bereits vorhandenen PCas. Dieses erklärt auch, dass bei einem bereits entstehenden Prostatakrebs ein Hormonentzug von Testosteron erfolgt. Das steigende Alter ist ebenfalls ein großer Risikofaktor. Es wurde festgestellt, dass sogar junge Männer mikroskopisch kleine Krebsherde in der Prostata haben. Mit fortschreitendem Alter steigt bei diesen das Risiko, an einem PCa zu erkranken. Eine ebenso große Rolle spielen ethnische Gründe. Schwarze haben ein weitaus höheres Erkrankungsrisiko. Es ist bewiesen, dass schwarze Nordamerikaner doppelt so häufig an Prostatakrebs erkranken wie weiße Nordamerikaner. 3.2 Symptome des PCas Solange das PCa noch klein ist, verursacht es keinerlei Beschwerden. Ein Prostatakrebs kann ähnliche Beschwerden verursachen wie eine benigne Prostatahyperplasie. Warnzeichen für eine Erkrankung können sein: - Beimengungen von Blut im Urin und Ejakulat - Blasenentleerungsstörungen - Gewichtsverlust - Anämie - schwacher Harnstrahl - häufiger Harndrang - Nachtropfen von Urin nach der Miktion - Hexenschuss - Knochenschmerzen. Die beiden letzten Symptome sprechen für eine ossäre Metastasierung im fortgeschrittenen Stadium. 4 Diagnostik 11 4 Diagnostik Um ein PCa zu diagnostizieren gibt es verschiedene Untersuchungsmöglichkeiten: - Digitale, rektale Tastuntersuchung - Uroflowmetrie (Harnstrahlmessung) - Prostatabiopsie (6-12 Gewebeproben unter sonographischer Kontrolle) - Cystoskopie (Blasenspiegelung) - Blutuntersuchung (PSA) - Bildgebende Verfahren o Sonographie der oberen Harnwege o Computertomographie des Abdomens o Magnetresonanztomographie o transvesikaler Ultraschall o transrektaler Ultraschall o Skelettszintigraphie (zum Ausschluss von Knochenmetastasen bei fortgeschrittenem PCa) Der wirksamste Schutz vor einem PCa ist die Früherkennung. Es besteht bei einer regelmäßigen Kontrolle die Chance, dass ein Tumor im frühen Stadium entdeckt wird und so rechtzeitig geheilt werden kann. Wenige Männer nutzen jedoch die angebotenen Vorsorgeuntersuchungen der gesetzlichen Krankenkassen. Ab dem 45. Lebensjahr steht jedem gesetzlich versicherten Mann eine jährliche Früherkennungsuntersuchung der Prostata zu. Diese beinhaltet die Abtastung der Prostata durch den Mastdarm (digitale rektale Tastuntersuchung). Fachleute halten diese Vorsorgeuntersuchung aber nicht für ausreichend. Für sie ist die Bestimmung des PSA-Wertes (Prostata spezifisches Antigen) im Blut ein wichtiger Parameter. Dieser PSA-Test wird aber nicht von den gesetzlichen Krankenkassen als Teil der gesetzlichen Krebsvorsorge anerkannt und somit auch nicht finanziert. Eine Bestimmung des PSA-Wertes im Blut kostet für den Patienten ca. 25 €. Bei einer alleinigen Tastuntersuchung werden in 1 % der Fälle Prostatacarcinome gefunden. In 6 % der Fälle werden bei einer PSA-Bestimmung mit gleichzeitiger digitalen Abtastung PCas entdeckt. Das PSA ist ein Protein, welches in der Prostata produziert wird. Aus diesem Grund ist bei einer Frau auch kein PSA im Blut nachweisbar. Ein erhöhtes PSA im Blut kann auf ein Carcinom hin- 4 Diagnostik 12 weisen, beweist aber nicht die tatsächliche Existenz eines Prostatacarcinoms. Bei 10-15 % der erkrankten Männer ist der PSA Wert im Blut normal. Auch andere Prostataerkrankungen (wie BPH oder Prostatitis) können den PSA Wert beeinflussen wie auch die mechanische Irritation zum Beispiel Abtasten oder Fahrrad fahren unmittelbar vor der Blutabnahme sowie das Alter des Patienten. Der normale PSA Wert eines gesunden Mannes liegt unter 4 ng/ml, bei einem Mann unter 50 Jahren liegt der PSA Wert unter 2,5 ng/ml. Unterschiedliche Tests können jedoch verschiedene „Normalwerte“ haben. Daher sind nur Veränderungen innerhalb derselben Testvorrichtung aussagekräftig. Die Vor- und Nachteile eines PSA-Tests zur Früherkennung eines PCas sind in Tabelle 4 dargestellt. Tab. 3: Vor- und Nachteile eines PSA-Tests[9] Vorteile des PSA-Tests Nachteile des PSA-Tests empfindliche Methode, um PCa zu erkenen Behandlung nicht immer erfolgreich frühzeitige Entdeckung, so dass ein Be- Patient unnötigerweise verunsichert, wenn handlungserfolg wahrscheinlicher ist PSA-Wert erhöht ist, aber kein PCa vorliegt PCa kann diagnostiziert werden, bevor ein langsam wachsendes PCa hat nicht Symptome auftreten zwangsweise Symptome oder Einfluss auf Lebenserwartung bei gutem Testergebnis ist Patient beruhigt Nebenwirkungen der Therapie fortgeschrittenes Stadium durch erfolgrei- Patient zu Unrecht in Sicherheit, wenn trotz che Behandlung verhindert normalem PSA-Wert ein PCa vorliegt Nach einer Untersuchung im Jahre 1989 in den USA betrug die Häufigkeit metastasierter Prostatakrebserkrankungen vor einem PSA Screening 19,8 %. Der Wert ging auf 3,3 % im Jahr 1998 mit PSA Screening zurück.[10] Ab dem 50. Lebensjahr sollte jeder Mann betreffenden Alters die jährliche Vorsorgeuntersuchung nutzen, bei einer familiären Disposition jedoch schon ab dem 40. Lebensjahr. Bei normalem Tastbefund und einem PSA Wert unter 2 ng/ml reicht diese Untersuchung alle zwei Jahre. Sollte der Tastbefund normal sein, während das PSA jedoch über 2 ng/ml liegt, ist es dringend ratsam, jährliche Kontrollen durchzuführen. 5 Therapiemöglichkeiten bei PCa 13 5 Ther apiemöglichkeiten bei PCa Bei einem gesichert diagnostizierten PCa stehen mehrere Möglichkeiten der Therapie zur Verfügung. Diese richten sich jedoch primär nach dem Stadium des Tumors. Auch sollte das Alter des Patienten, die Begleiterkrankungen und die damit verbundene Lebenserwartung individuell berücksichtigt werden. Die verschiedenen Therapiemöglichkeiten sind - Operation o radikale Prostatektomie (Bauchschnitt retropubisch) o laparaskopische Prostatektomie (minimal invasiv) o perineale Prostatektomie (Dammschnitt perineal) - Strahlentherapie o Teletherapie (Bestrahlung von außen) o Brachytherapie (Bestrahlung von innen) - HDR (high-dose-rate) Afterloading Therapie - LDR (low-dose-rate) Seeds - Hormontherapie - Chemotherapie - Kryotherapie - Hyperthermie 5.1 Radikale Prostatektomie Ziele der radikalen Prostatektomie sind eine vollständige Entfernung des bösartigen Tumors mit Erhalt der bisherigen Lebensqualität. Die Nachteile der radikalen Prostatektomie sind mögliche Harninkontinenz sowie eine wahrscheinliche Impotenz (erektile Dysfunktion). Nach abgeschlossener Diagnostik eines organbegrenzten PCas und einer daraus resultierenden Operationsentscheidung stehen einem Patienten in Absprache mit seinem operierenden Urologen drei verschiedene Operationstechniken zur Auswahl. Dennoch sollte erwähnt werden, dass nicht in allen Krankenhäusern alle Operationsmethoden durchgeführt werden, sondern dass der jeweilige Chirurg auch immer seine Operationstechnik favorisiert. Aus diesem Grund ist es für jeden erkrankten Mann ratsam, sich vor dem Eingriff ausreichend über diese verschiedenen chirurgischen Möglichkeiten zu informieren. 5 Therapiemöglichkeiten bei PCa 14 Hierzu könnte er Rücksprache mit seinem Urologen halten, das Internet als Informationsquelle nutzen oder sich mit einer Selbsthilfegruppe in Verbindung setzen. Bei der radikalen Prostatektomie werden über einen retropubischen Bauchschnitt vorrangig die benachbarten Lymphknoten der Prostata und Harnblase entfernt. Der intraoperativ durchgeführte Schnellschnitt (mikroskopische Untersuchung) ist entscheidend für das weitere Operationsverfahren. Wenn eine nachgewiesene Metastasierung der Lymphknoten vorliegt, wird möglicherweise das geplante OP-Verfahren geändert und nur eine pelvine Lymphadenektomie durchgeführt. Sollten die Lymphknoten frei von Metastasen sein, ist davon auszugehen, dass das PCa auf die Kapsel beschränkt ist. Somit schließt sich die Entfernung der Prostata mitsamt ihrer Kapsel und den hinter der Harnblase liegenden Samenblasen an. Im Anschluss daran muss eine Anastomose zwischen Blase und Harnröhre hergestellt werden (s. Abb. 3). Die neu angelegte Verbindung wird während der OP durch einen trans-urethralen-Dauerkatheter geschient, der gleichzeitig auch den Urinabfluss sichert. Auch wird eine Wunddrainage an der Anastomose eingelegt, die den Abfluss des Wundsekrets sicherstellt. Nach dieser OP kommt der Patient auf eine Überwachungsstation. Abb. 3: schematische Darstellung der Radikalen Prostatektomie[11] Der zweite Zugangsweg für diese Operation ist über den Damm (perineale radikale Prostatektomie). Diese OP-Methode hat jedoch den Nachteil, dass die benachbarten Lymphknoten nicht beurteilt werden können. Aus diesem Grund müssen durch Voruntersuchungen metastasenfreie Lymphknoten nachgewiesen sein, anderenfalls müssen diese in einer Voroperation laparaskopisch oder offen entfernt werden. 5 Therapiemöglichkeiten bei PCa 15 Die dritte Variante, die laparaskopische radikale Prostatektomie, hat in den letzten Jahren sehr an Bedeutung gewonnen. Hierbei werden über fünf kleine Schnitte im Unterbauch zuerst die Samenleiter dann die Samenblasen und anschließend die Prostata entfernt. Eine pelvine Lymphadenektomie ist ebenso mit dieser Operationstechnik machbar. Die minimal invasive laparoskopische radikale Prostatektomie zeichnet sich durch eine schnellere Wundheilung, einen kürzeren Krankenhausaufenthalt und einer damit verbundenen Kostenersparnis aus. Die radikale Prostatektomie mit retropubischem Bauchschnitt kann mit 80 % die höchste Erfolgsrate für eine Heilung des Krebsleidens aufweisen. Bei einem kurativen Ansatz kann eine Krebsfreiheit für eine Nachbeobachtungszeit von 10 Jahren erreicht werden. Aus diesen Gründen werden in der Urologie des Universitätsklinikums Münster unter Professor Hertle die chirurgischen Varianten (radikal und laparaskopisch) präferiert. 5.2 Str ahlenther apie Wenn der Patient auf Grund seines hohen Alters, Vorerkrankungen wie KHK, Niereninsuffizienz etc., seiner Religionszugehörigkeit (z. B. Zeugen Jehovas – keine Blutübertragung) usw. nicht operationsfähig ist bzw. eine Operation ablehnt, ist die Strahlentherapie eine weitere Behandlungsmöglichkeit. Hierbei wird zwischen Teletherapie und Brachytherapie unterschieden. Eine Bestrahlung kann je nach Erkrankungsstadium sowohl kurativ als auch palliativ sein. Die Teletherapie (tele griech. weit) ist eine perkutane Strahlentherapie. Die Bestrahlung wird mit Hilfe eines Linearbeschleunigers durchgeführt, in dem die Strahlung auch direkt erzeugt wird. Der Bestrahlungszeitraum liegt zwischen sieben und neun Wochen, während die einzelne Bestrahlung fünfmal pro Woche einmal täglich ambulant durchgeführt wird. Vor der ersten Bestrahlung findet eine Simulation statt, indem der Strahlentherapeut das genaue Bestrahlungsareal errechnet und bestimmt. Der Bestrahlungsplan wird festgelegt und das Bestrahlungsfeld wird auf die zu bestrahlende Körperregion eingezeichnet, damit nicht bei jeder erneuten Behandlung das Areal neu festgelegt werden muss. Mit welcher Strahlendosis der Patient bestrahlt wird, wird vom behandelnden Strahlentherapeuten individuell für jeden Patienten berechnet. Die Brachytherapie (brachy griech. kurz) ist eine Bestrahlung von innen. Hierbei besteht die Wahl zwischen einer After-loading Therapie oder einer Seedimplantation. 5 Therapiemöglichkeiten bei PCa 16 Abb. 4: schematische Darstellung der After-loading Therapie[12] Bei der After-loading Therapie (HDR, high-dose-rate) werden kleine Hohlnadeln in die Prostata unter Periduralanästhesie eingebracht. Über diese werden in der Regel zweimal im Abstand von einer Woche die Bestrahlung mit Iridium (192Ir) durchgeführt. Nach der Bestrahlung werden die Hohlnadeln wieder entfernt (s. Abb. 4). Abb. 5: schematische Darstellung der Seeds-Implantation[12] 5 Therapiemöglichkeiten bei PCa 17 Bei der permanenten Seedimplantation werden je nach Größe des PCas 25-80 radioaktive Metallstifte (Seeds), die nur wenige Millimeter groß sind, in die Prostata eingebracht. Die in der Prostata dauerhaft verbleibenden Seeds geben eine kontinuierliche radioaktive Strahlung ab (Iod oder Palladium), bis sie sich komplett entladen haben (s. Abb. 5). Bei kurativer Bestrahlung sinkt der PSA-Wert nicht so stark ab wie nach einer radikalen Prostatektomie. Die Strahlentherapie ist durch die modernen Verfahrensweisen für den Patienten wenig belastend. Selten kommt es zu einer Inkontinenz und nur in etwa 50 % der Fälle zu einer Störung der Erektionsfähigkeit. Bei ca. 20 % aller Patienten treten Strahlenschäden am Rectum und der Blase auf, die sich als Blutungen aus dem Analkanal und/oder Diarrhöen bzw. durch eine Reizblasensymptomatik bemerkbar machen. 5.3 Hor monther apie Bei einem lymphogen oder ossär metastasierten PCa kann die Hormontherapie angewendet werden. Hauptziel ist es hierbei, dem Patienten trotz fortgeschrittener Krankheit die Lebensqualität zu erhalten. Bei dieser Art von Therapie wird die Bildung des männlichen Sexualhormons Testosteron gehemmt, welches das Wachstum eines bereits vorhandenen PCas fördert. Dieses kann durch einen chirurgischen Eingriff oder durch eine medikamentöse Therapie erfolgen. Bei der operativen Ausschaltung der Testosteronbildung in den Hoden gibt es die so genannte totale Orchiektomie oder die so genannte kosmetische Orchiektomie. Bei der ersten Variante werden die Hoden mit den Nebenhoden beidseits chirurgisch entfernt. Bei der zweiten Operationstechnik wird das hormonbildende Gewebe in beiden Hoden herausgeschält. Der Nebenhoden und die Hodenhülle verbleiben. Vorteil beider Methoden ist, dass es ein einmaliger operativer Eingriff ist. Bei der chemischen Kastration werden LH-RH Analoga (Luteinisierungshormon-Releasing Hormon) mittels einer drei Monatsspritze subkutan oder intramuskulär verabreicht. Diese blockieren die gonadotrope Aktivität der Hypophyse, d. h. die Hypophyse wird blockiert und gibt nicht mehr die Hormone ab, die bisher in den Hoden die Produktion des Testosterons stimulierten. Dieses Behandlungsziel kann auch mit Östrogenen erreicht werden, wodurch ebenfalls die Produktion von Testosteron im Hodengewebe blockiert wird. Ein zweiter Ansatz der medikamentösen Therapie ist die Einnahme von Antiandrogenen. 5 Therapiemöglichkeiten bei PCa 18 Das Tumorwachstum wird durch die Blockade der wachstumsstimulierenden Wirkung des männlichen Hormons Dihydrotestosteron gebremst. Sowohl bei der chirurgischen als auch bei der medikamentösen Senkung des Testosteronspiegels geht die Libido zurück und der Patient ist gleichzeitig zeugungsunfähig. Die Gliedsteife kann teilweise oder vollständig abnehmen. Gleichzeitig können als Nebenwirkungen Schweißausbrüche, Depressionen oder Hitzewallungen auftreten, ähnlich den Wechselsjahrsbeschwerden der Frauen. 5.4 Chemother apie Der Erfolg der medikamentösen Hormonentzugstherapie ist leider zeitlich begrenzt. Vielfach ist das PCa innerhalb von zwei Jahren gegen eine Hormontherapie resistent (das so genannte hormonrefraktäre PCa). Es wird als weiterer Behandlungsschritt eine Chemotherapie durchgeführt, um die Lebenszeit des Patienten zu verlängern und das Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern. Heute wird das Chemotherapeutikum Docetaxel (Taxotere®) in Verbindung mit Estramustin verwendet, wodurch die behandelten Männer im Schnitt 18 Monate länger leben. 5.5 Kr yother apie Die Kryotherapie wird häufig bei multimorbiden Patienten oder bei PCa-Patienten mit Lokalrezidiv nach Bestrahlung angewendet. Abb. 6: Einbringen von Kryosonden[13] 5 Therapiemöglichkeiten bei PCa 19 Der Eingriff ist minimal invasiv, wird in Spinalanästhesie oder in Intubationsnarkose durchgeführt und dauert ca. 20 Minuten. Die Prostata wird mit bis zu 25 Kryosonden über das Perineum punktiert, der nachfolgende Vereisungsvorgang wird unter sonographischer Kontrolle durchgeführt (s. Abb. 6). An jeder Spitze der Sonden sind kleine Eisbälle, die zu einem großen Eisball zusammenwachsen und die gesamte Prostata erfassen. Auch nach diesem Eingriff ist die erektile Dysfunktion die häufigste Komplikation. 5.6 Hyper ther mie Eine noch recht junge Therapieform in der Medizin ist der hoch intensive fokussierte Ultraschall (HIFU). Die bei Männern mit reduziertem Allgemeinzustand oder hohem Alter verwendete HIFU-Therapie kann sowohl palliativ als auch adjuvant angewendet werden. Das HIFU-Gerät wird transrektal eingeführt. Nach der Fokussierung der Tumormassen wird durch die dann entstehende Hitze das Tumorgewebe eingeschmolzen und größtenteils verdampft. Daraufhin werden die Reste des Tumors vom Körper resorbiert. Über diese Art der Therapie gibt es noch keine Langzeitstudien, daher sollte möglichst immer eine radikale Prostatektomie vorgezogen werden. 5.7 Tr ansurethr ale Resektion der Prostata (TUR P) Die TUR P ist eine Operation, bei der mittels eines Instruments, welches eine Drahtschlinge am Ende besitzt und durch die Harnröhre in die Prostata eingeführt wird, der Tumor aus dieser entfernt wird. Diese Operation wird häufig palliativ durchgeführt, um Beschwerden, die vom Tumor verursacht werden, zu lindern oder bei Männern, bei denen aus verschiedenen Gründen, zum Beispiel hohes Alter, Multimorbidität eine radikale Prostatektomie nicht möglich ist. 5.8 Watchfull Waiting Unter gewissen Bedingungen, zum Beispiel einem niedrigen PSA-Wert, günstiger Gewebsreife, höheres Alter des Patienten oder anderen ernsten Begleiterkrankungen ist das kontrollierte Zuwarten (watchfull waiting) angebracht. Diese Patienten stehen unter halbjährlicher urologischer Kontrolle, bei der der PSA-Wert jedes Mal wieder bestimmt wird. 6 Pflege bei radikaler Prostatektomie 20 6 Pflege bei r adikaler Prostatektomie Am Vorabend der Operation wird der Patient über den Ablauf des nächsten Tages aufgeklärt. Im Idealfall wird die Aufstehtechnik nach der Operation erklärt und geprobt. Er wird darauf hingewiesen, dass er ab 22 Uhr nicht mehr essen und ab 0 Uhr nicht mehr trinken und rauchen soll. Um den Patienten zu entlasten, findet die Rasur (vom Bauchnabel bis Mitte Oberschenkel) ebenfalls am Vorabend statt. Bei ausgeprägtem Schamgefühl wäre es wünschenswert, dem Patienten eine gleichgeschlechtliche Pflege anzubieten. In der Regel erhält der Patient nach Anästhesieanordnung eine Prämedikation zur Sedierung. Am OP-Tag wird der Patient zeitig geweckt, um in Ruhe Blase und Darm zu entleeren, sich zu duschen und die OP-Kleidung anzuziehen. Die Gabe von Laxantien wird klinikspezifisch gehandhabt. Er wird angehalten, evtl. Prothesen oder Schmuck abzulegen. Anschließend erhält er seine Prämedikation und wird aufgefordert, nicht mehr ohne Begleitung aufzustehen. Auf Wunsch des Patienten kann dieser seine Brille oder sein Hörgerät bis zur OPSchleuse mitnehmen, um ihm eine Kommunikation zu ermöglichen. Sollte sich der Patient ohne seine Zahnprothese unsicher fühlen, kann ihm ein Mundschutz angeboten werden. Der zu operierende Patient wird mit den angeforderten OP-Papieren (Anästhesie- sowie OP-Aufklärung, und den für die Operation benötigten Voruntersuchungsergebnissen) zur OP-Schleuse gebracht. Postoperativ wird der Patient auf eine Observationsstation gebracht. Über Monitoring werden seine Vitalzeichen überwacht, um eventuelle Komplikationen z.B. Nachblutung oder Blutdruckabfall frühzeitig erkennen zu können. Bei einem komplikationslosen Verlauf wird der Patient am ersten postoperativen Tag wieder zurück auf die urologische Station verlegt. Im Regelfall hat er einen transurethralen Dauerkatheter, eine Robinson Drainage, einen Venenkatheter (zentral oder peripher) und einen Periduralkatheter zur Schmerztherapie. Die Zu- und Ableitungen werden nach Standard der jeweiligen Klinik versorgt. Die Robinson Drainage wird je nach Fördermenge auch laborchemisch untersucht; erhöhte Wundsekretion kann auf eine undichte Anastomose zwischen Harnblase und –röhre hinweisen. Die Kreatininbestimmung ist richtungsweisend und das Ergebnis hat Einfluss auf den Zeitpunkt der Entfernung der Robinson Drainage. 6 Pflege bei radikaler Prostatektomie 21 Nach der Operation muss besonders auf Parasekretion am Dauerkatheter geachtet werden. Um diese aufzufangen wird eine Kompresse direkt am Harnröhreneingang um den Katheter gebunden. Bei stabilen Vitalzeichen wird der Patient am ersten postoperativen Tag zur Pneumonie- und Thromboseprophylaxe nachmittags aus dem Bett mobilisiert. Die Mobilisation durch das Pflegepersonal wird bis zur Selbständigkeit mindestens zweimal täglich durchgeführt. Wichtig ist eine Kontrolle der Urinmenge und Farbe. Bei einer verminderten Diurese wird dem Patienten nach ärztlicher Anordnung ein Diuretikum (z. B. Lasix®) verabreicht. Eine Erhöhung der Infusionen bzw. Flüssigkeitsaufnahme ist bei stark altblutigem und konzentriertem Urin erforderlich. Da eine Gefahr der Hämatom- und Ödembildung am Scrotum besteht, wird dieses mittels einer Zellstoffrolle (Hodenbänkchen) hochgelagert, gegebenenfalls sollte dieses noch intermittierend gekühlt werden. Der Patient bekommt leichte Kost bis zum dritten postoperativen Tag, an dem er nach Laxantiengabe abführen sollte. Nach der postoperativen Defäkation und geregelter oraler Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme kann der venöse Zugang gezogen werden. Der erste Verbandswechsel wird standardmäßig auch erst am dritten postoperativen Tag durchgeführt. Um die zunehmende Mobilität zu fördern, erhält der Patient ca. am vierten oder fünften postoperativen Tag einen Beinbeutel. Insgesamt verbleibt der transurethrale Dauerkatheter bis zum elften oder zwölften Tag, an dem ein Cystogramm mit Kontrastmittel durchgeführt wird, um die Dichtigkeit der Anastomose zwischen Harnröhre und Blase zu prüfen. 7 Mögliche Folgen der radikalen Prostatektomie 22 7 Mögliche Folgen der r adikalen Prostatektomie Wie bei jeder Operation können auch bei der Prostatektomie Komplikationen auftreten. Die allgemeinen aber eher seltenen Risiken, zu denen Thrombosen, Embolien oder Pneumonien gehören, werden durch entsprechende Prophylaxen wie z. B. Anti-Thrombose-Strümpfe, frühzeitige Mobilisation, Heparinisierung und Atemtherapie vorgebeugt. Weiterhin bestehen die Gefahren von Nachblutungen, Wundinfektionen und Lymphödemen, die mit entsprechenden Maßnahmen wie Erythrozytengabe, Antibiotikatherapie und eine eventuelle, zweite Operation behandelt werden. Die häufigsten und gravierendsten Folgen nach einer Prostatektomie sind jedoch die Harninkontinenz, Impotenz und fehlende Libido. Da ein Verlust der Potenz und eine Harninkontinenz operationsbedingt wahrscheinlich ist, sollte die pflegende Person aktiv zuhören können und Gesprächsbereitschaft anbieten. Ebenso sollte der oder die Pflegende über Inkontinenzversorgung und Pflegemittel beraten. 7.1 Inkontinenz „Unter Inkontinenz verstehen wir die Unfähigkeit, Harn oder Stuhl zurückzuhalten, um zu einem bestimmten Zeitpunkt willentlich zu entleeren.“[14] Die Urinkontinenz wird vor der Operation durch drei Mechanismen gewährleistet: den unwillkürlichen inneren Schließmuskel im Blasenhalsbereich, die passive Kompression durch die Prostata und den willkürlichen äußeren Schließmuskel im Beckenbodenbereich. Nach einer Prostatektomie muss der willkürliche äußere Schließmuskel alleine sicherstellen, dass der Urin gehalten wird. Dieser Schließmuskel benötigt aber einige Zeit, um seine erweiterte Funktion vollständig und sicher übernehmen zu können. Im Aufklärungsgespräch sollte dem Patienten diese Information unbedingt zugetragen werden. Durch ein Cystogramm mit Kontrastmittelgabe in die Blase wird ca. am zwölften postoperativen Tag die Dichtigkeit der Anastomose überprüft. Wenn diese gut verheilt, und somit kein Paravasat sichtbar ist, kann der Dauerkatheter gezogen werden. Bei einem Paravasat muss der Dauerkatheter entsprechend länger verbleiben. Die anschließend auftretende, meistens vorübergehende Unfähigkeit, den Urin zu halten, ist nicht ungewöhnlich. Diese sollte sich aber durch regelmäßige Beckenbodengymnastik nach einigen Monaten zurückgebildet haben. Der Patient erhält nach Entfernen des Dauerkatheters vom Pflegepersonal 7 Mögliche Folgen der radikalen Prostatektomie 23 eine Vorlage, um den unwillkürlichen Urinabgang aufzufangen. Er wird über das anschließende Toilettentraining informiert, so dass er beispielsweise alle zwei Stunden die Toilette zur Miktion aufsuchen sollte. Hierbei ist es nicht maßgebend, ob er einen Harndrang verspürt. Diese zeitlichen Abstände werden je nach Kontinenz individuell für den jeweiligen Patienten angepasst. Tagsüber wird dem Patienten die übliche Trinkmenge von zwei Litern empfohlen, die zum Abend reduziert werden kann, um den nächtlichen Harndrang zu verringern. Unterstützend sollte sich der Patient für die Nacht ein bis zweimal einen Wecker stellen, um die Blase zu entleeren, damit ein ungewollter Harnabgang in der Nacht vermieden wird. Die wichtigste unterstützende Maßnahme ist das Beckenbodentraining. Der operierte Patient wird schon ab dem dritten postoperativen Tag physiotherapeutisch begleitet. In der ersten Phase nach der radikalen Prostatektomie steht die Mobilisation im Vordergrund. Sobald der Patient aber mobiler wird, steht das Beckenbodentraining an erster Stelle. In der nachfolgenden Anschlussheilbehandlung wird dieses gezielt weitergeführt (s. Anhang). In der Regel liegt das Risiko, für den Patienten nach einer radikalen Prostatektomie durch eine Verletzung des willkürlichen äußeren Schließmuskels dauerhaft inkontinent zu bleiben, bei einem erfahrenen Chirurgen unter 5 %. Im Rahmen einer Studie wurden 130 Männer, bei denen eine radikale Prostatektomie durchgeführt wurde, nach ihrer Kontinenzfähig-keit befragt (s. Anhang).[15] Bei der Auswertung der Umfrage kam es zu vergleichbar ähnlichen Ergebnissen. Die Befragung der betroffenen Männer wurde jeweils am dritten, siebten, dreißigsten und neunzigsten postoperativen Tag nach Entfernung des Harnblasenkathe-ters durchgeführt, wobei eine kontinuierliche Steigerung der Kontinenz festzustellen ist. Diese Ergebnisse werden in den im Anhang aufgeführten Grafiken dargestellt, aus denen hervorgeht, dass die Inkontinenz mit zunehmender Zeit nach der Entfernung des Harnröhrenkatheters abnimmt. Bei dauerhafter Inkontinenz kann ergänzend zur Beckenbodengymnastik ein Biofeedback Training angewendet werden. Die Aktivität der Beckenbodenmuskulatur wird hierbei durch eine Sonde im Analkanal (Analsensor) beim Training akustisch oder optisch angezeigt. Sollte diese Maßnahme ohne Erfolg bleiben, so ist die operative Einpflanzung eines künstlichen Schließmuskels möglich, der sehr zuverlässig funktioniert. Diese Operation sollte aber erst frühestens ein Jahr nach der Prostatektomie durchgeführt werden. Der Nachteil 7 Mögliche Folgen der radikalen Prostatektomie 24 dieses künstlichen Sphinkters ist die höhere Infektanfälligkeit aufgrund des Einpflanzens eines Fremdkörpers. Bei einer bleibenden Inkontinenz gibt es mittlerweile geeignete Hilfsmittel, die ein weitgehend gewohntes Leben ohne Einschränkungen der Aktivitäten möglich machen. Die Auswahl des „ passenden“ Hilfsmittels richtet sich nach der Stärke des Harnverlustes. Diese reichen von so genannten Tropfenfängern für das Glied, die in die Unterhose geklebt werden, bis zu Kondomurinalen mit Beinbeutelversorgung. Sie können somit in Sanitätshäusern individuell für jeden Patienten ausgewählt werden. Die heutigen Inkontinenzhilfsmittel sind so konzipiert, dass eine Geruchsbildung durch den im Urin enthaltenen Harnstoff, der Ammoniak freisetzen kann, durch spezielle Substanzen in den Vorlagen gebunden wird. Die Flüssigkeit wird schnell und vollständig aufgenommen, im Kern gebunden und als Gel gespeichert. Dadurch wird eine hautfreundliche Hygiene gesichert. Wenn Patienten allerdings aus Schamgefühl oder falscher Sparsamkeit diese professionellen Hilfsmittel nicht in Anspruch nehmen und Textilien aus dem eigenen Haushalt zweckentfremden, ist diese hautfreundliche Hygiene nicht gegeben. In solchen Fällen neigen die Patienten durch das ständig feuchte Milieu zu Hautirritationen und Pilzinfektionen. Zum Schutz der Haut ist es generell unerlässlich, eine gute Intimhygiene und Hautpflege durchzuführen, um diese intakt zu halten. Die oben aufgeführten Hilfsmittel sind auf Rezept erhältlich, die anfallenden Kosten werden von den Kassen erstattet. Am 07.03.1990 begründete das Bundessozialgericht diese Entscheidung damit, dass die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben bei Blasenschwäche überhaupt erst durch diese Hilfsprodukte möglich ist. Bei der Rezeptausstellung muss diese Begründung auf dem Rezept vermerkt sein. Seit dem 01.01.2004 ist normalerweise eine Zuzahlung von zehn Prozent auf jede Packung erforderlich. Die maximale Eigenbeteiligung für die Hilfsmittelzuzahlung liegt aber pro Monat bei 10 €. Nach dem ersten Schock der Diagnose Krebs und der nachfolgenden Angst vor der Operation, entwickelt sich die ebenso große seelische Belastung aufgrund einer wahrscheinlichen Inkontinenz. Das Symptom Harninkontinenz empfinden die betroffenen Männer als schweren Schicksalsschlag, der durch Schamgefühl, Minderwertigkeitskomplexe und Ekel geprägt ist. Dieses Gefühl potenziert sich noch, da dem Betroffenen durch seine Inkontinenz seine gewohnte Sexualität nicht mehr möglich erscheint. Es entsteht eine Störung der 7 Mögliche Folgen der radikalen Prostatektomie 25 Sexualfunktion, welche psychische Folgen für den Betroffenen haben kann. Aufgrund der veränderten Sexualität wird auch das Selbstwertgefühl negativ beeinflusst. Die Sexualität darf nicht isoliert als reiner Geschlechtsakt gesehen werden, sondern muss als Komplex aus Zärtlichkeiten, Gefühlen, Phantasien, Liebe, Hemmung und Befreiung betrachtet werden. Sie steht in einem engen Zusammenhang mit dem Erleben des eigenen Selbstwertgefühls. Ein Teil dieses verschwundenen Selbstwertgefühls kann durch ein einfühlsames Gespräch mit dem Partner wiedererlangt werden. Da einige Männer unter einem unwillkürlichen Urinverlust beim Orgasmus leiden, sollte die Blase vor dem Austausch von Intimitäten entleert werden. Auch kann ein Kondom hilfreich für alle Arten der gelebten Zärtlichkeiten sein, um einen eventuellen Harnabgang aufzufangen. Nur so kann der Betroffene in einem langen Prozess lernen, seine veränderte Sexualität zu akzeptieren. Wie viel und wie selbstverständlich wird heutzutage über die eigene und die Erkrankung anderer gesprochen, währenddessen das Thema Inkontinenz, mit den sich daraus ergebenden Folgeproblemen, leider heute immer noch gesellschaftlich tabuisiert wird. In der Bevölkerung ist das Thema mit Vorurteilen behaftet und dient gerne auch als belustigender Gesprächsstoff in Männerrunden. Dieses gesellschaftliche Verhalten zwingt den betroffenen Mann oft, sich in Schweigen zu hüllen und seine Probleme zu verheimlichen. Insofern ist die Harninkontinenz nicht nur ein pflegerisch/medizinisches sondern auch ein psychologisches und soziales Problem. Die Betroffenen empfinden oft ihre Inkontinenz als „Rückschritt in die Kindheit“, fühlen sich schmutzig und unsicher aus Angst vor Geruch und befürchten ebenso, feuchte Spuren an Kleidung oder Sitzmöbeln zu hinterlassen. Daraus erfolgt häufig, dass sich die Betroffenen in die eigenen vier Wände zurückziehen. Sie glauben, nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Durch diese selbst auferlegte Isolation verschlechtert sich erneut ihre Situation. Die Angst vor dem Hinausgehen wächst stetig je mehr sich diese eingeredet wird. Es kann sogar soweit kommen, dass der Harndrang beim Verlassen der Wohnung fast unbeherrschbar ist, obwohl die Entleerung der Blase kurz vorher erfolgte. Aus diesen hier aufgeführten Gründen isoliert die Inkontinenz die betroffenen Personen. Viele inkontinente Männer versuchen, durch eine geringere Trinkmenge die anfallende Urinmenge zu reduzieren, um die Inkontinenz zu verringern. Dies ist jedoch nicht möglich, da die Blasenmuskulatur durch ihre Füllung trainiert wird. Das Training entfällt jedoch bei gering gefüllter Blase. Dadurch verringert sich das Fassungsvermögen der Blase, und die 7 Mögliche Folgen der radikalen Prostatektomie 26 Inkontinenz wird noch verstärkt. Eine geringe Trinkmenge ist ebenso für den ganzen Organismus nicht förderlich. Außer den bekannten Nebenwirkungen wie Exsikkose und den daraus entstehenden Verwirrtheitszuständen, Steinleiden sowie Thrombosen etc. ist die Entgiftungsfunktion der Nieren nicht mehr gegeben. Harnleiter, Blase und Harnröhre werden bei geringen Urinmengen nicht mehr ausreichend gespült, so dass Infektionen entstehen, die wiederum die Inkontinenz verstärken. Aus diesem Grund sollte bei bestehender Inkontinenz die Mindesttrinkmenge von 1,5-2 l Flüssigkeit nicht reduziert werden. Ein in diesem Zusammenhang weiteres logistisches Problem sind die fehlenden Behälter zur Entsorgung der Vorlagen auf Herrentoiletten, während auf Damentoiletten Abwurfbehälter für Hygieneartikel selbstverständlich sind. Dies ist ebenfalls ein Indiz, dass das Thema Inkontinenz bei Männern in der Gesellschaft weiter verschwiegen wird. Der Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe e.V. (BPS) hat aus diesem Grund auf seiner Mitgliederversammlung im Jahr 2005 sowohl den Deutschen Hotel- und Gaststättenverband als auch den Städte- und Gemeindeverband angeschrieben. Während der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband in seiner Mitgliederinformation auf dieses Problem hingewiesen hat, antwortete der Städte- und Gemeindeverband nicht. In der Zeit des Krankenhausaufenthaltes hat der Patient zu jeder Zeit einen Ansprechpartner für entstehende medizinische oder pflegerische Probleme. Nach der Entlassung gibt es diese Sicherheit nicht mehr, mit dem Resultat, dass sich der Patient in seiner Situation einsam und auch häufig überfordert fühlt. Die von ihm empfundene, eingeschränkte Lebensqualität ist ihm in dieser Form unbekannt und kann sich oft in Unsicherheit äußern. Zu diesem Zeitpunkt ist es unumgänglich, in einem pflegerischen Entlassungsgespräch den betroffenen Männern verschiedene Möglichkeiten aufzuzeigen, so dass sie sich trotz der neuen Lebenssituation wieder in den Alltag integrieren können. Die Inhalte dieses Gesprächs sollten sein: - weiterhin kontinuierliche Beckenbodengymnastik - Einhaltung der Mindesttrinkmenge und Weiterführen des Toilettentrainings - Verweis auf Sanitätshäuser wegen Hilfsmittel - Zuspruch geben, um bei Misserfolgen nicht in Resignation zu verfallen - Information über Selbsthilfegruppen (Sitz der Selbsthilfegruppe in Münster: Gesundheitshaus (Gasselstiege 12) Informationszentrum für Pflege und mehr) 7 Mögliche Folgen der radikalen Prostatektomie 27 Die Mitglieder einer Selbsthilfegruppe sind Menschen mit gleichen oder ähnlichen Problemen. Der Gesellschaft für Inkontinenzhilfe e.V. sind zahlreiche Gruppen angegliedert, die über die gesamte Bundesrepublik verteilt sind. Aus diesem Grund verliert der Einzelne die Scheu, offen über sein eigenes Defizit zu sprechen, ohne dabei Angst haben zu müssen, belächelt zu werden. Sie erfahren Akzeptanz und Hilfestellung von den Gruppenmitgliedern und profitieren häufig vom Selbstbewusstsein der Anderen. Da Selbsthilfegruppen in der Regel über ihr eigenes Thema sehr gut informiert sind, erfährt der unsichere Mann praktische Tipps für sein Leben mit der Harninkontinenz. Auch Neuerungen im hygienischen oder medizinischen Bereich werden in der Gruppe diskutiert und nach eigener Anwendung beurteilt. Nicht zuletzt bietet diese Gruppe auch Anknüpfungspunkte für neue soziale Kontakte und die Möglichkeit, der selbstauferlegten Isolation zu entfliehen. 7.2 Impotenz Eine weitere unerwünschte Folge nach der radikalen Prostatektomie ist der Verlust der spontanen Erektion. Bei sexueller Stimulation wird diese durch Blutgefäße und Erektionsnerven reguliert, die unmittelbar neben der Prostata an beiden Seiten in die Schwellkörper des Penis verlaufen. Die vermehrte Bluteinströmung, die für die Versteifung des Penis eine Voraussetzung ist, wird von diesem Gefäß-Nerven-Bündel gesteuert. Bei der radikalen Prostatektomie kann dieses Gefäß-Nerven-Bündel sowohl unbeabsichtigt verletzt oder aufgrund der Tumorlage bewusst entfernt werden. Zwar sind die Operationstechniken in den letzten Jahren deutlich verbessert worden, so dass nervenerhaltend operiert werden kann, jedoch neigt das PCa dazu, sich im Randbereich der Prostata anzusiedeln und somit über die Kapsel hinaus in das Gefäß-Nerven-Bündel zu infiltrieren. Aus diesem Grund wird dieses Gefäß-Nerven-Bündel an der carcinombefallenen Seite absichtlich entfernt. Sollte die andere Seite der Prostata krebsfrei sein, kann hier nervenerhaltend operiert werden. Wenn sehr kleine Prostataherde vorhanden sind, können die Blutgefäße und Erektionsnerven auch auf beiden Seiten erhalten werden. Allerdings kann es auch nach einer nervenerhaltenden Operation zu einer Erektionsstörung kommen, die bis zu einem Jahr oder länger anhalten kann. Bei einem Teil der Patienten kommt es jedoch nicht zu einer für einen Geschlechtsverkehr ausreichenden Erektion. Diese These wird durch eine Umfrage an dem UKM von 130 radikal prostatektomierten Männern bestätigt (s. Anhang). 7 Mögliche Folgen der radikalen Prostatektomie 28 Die Entstehung der Erektion beginnt im Kopf. Das sich im limbischen System befindende Sexualzentrum ist in der Lage, wie ein Transformator sexuelle Reize wie Berührungen, Phantasien, Gerüche etc. in Botenstoffe umzusetzen. Diese Neurotransmitter werden über das Rückenmark und über das o. g. Gefäß-Nerven-Bündel als Information an den Penis weitergegeben. Die Nervenimpulse bewirken eine Erschlaffung der Muskulatur in den Schwellkörpern, so dass das Blut in die Schwellkörperhohlräume strömt. Hier staut es sich nun an, da in diesem Zustand der Abfluss des Blutes vermindert wird. Damit nimmt der Penis an Umfang und Länge zu, wird steif und stellt sich auf. Es können aber nicht nur Lust oder Erregung sondern auch Störfaktoren wie Angst, Stress oder Unlust transportiert werden, so dass es zu keiner Erektion kommen kann. Auch organische Ursachen wie Gefäßerkrankungen bei Bluthochdruck, Diabetes oder chirurgische Eingriffe können den Erektionsverlauf negativ beeinflussen. In der Vergangenheit wurde diese Diagnose als Impotenz bezeichnet. Heute wird diese Störung als erektile Dysfunktion (ED) eingestuft. „Unter erektiler Dysfunktion versteht man die Unfähigkeit, eine Erektion zu erreichen oder aufrecht zu erhalten, die für einen befriedigenden Geschlechtsverkehr ausreicht. Der Begriff ED umfasst also alle Abstufungen von der gelegentlichen Erektionsstörung bis zur kompletten Unfähigkeit, Geschlechtsverkehr durchzuführen.“[15] Nachdem die radikal prostatektomierten Patienten ihre Anschluss-Heil-Behandlung beendet haben und der Alltag sie wieder eingeholt hat, wird bei einem Teil der Männer und deren Partnerinnen der Wunsch nach Sexualität wieder thematisiert. Da aber nach der radikalen Prostatektomie eine spontane Erektion in der Regel nicht möglich ist, wendet sich ein Teil der Männer, die offen über dieses Problem sprechen können, an ihren behandelnden Urologen. Ein großer Teil der Betroffenen jedoch schweigt aus Scham, obwohl Sexualität auch für sie weiterhin wichtig ist. Die modernen Therapieverfahren sind medikamentöser, mechanischer oder operativer Art. Bei der medikamentösen Therapie handelt es sich bei allen auf dem Markt erhältlichen Präparaten, wie Viagra®, Levitra®, Cialis®, um Phosphodiesterase-Typ-V-Hemmer. Dieses Enzym sorgt für eine Vasodilatation der Blutgefäße, so dass mehr Blut in den Penis strömen kann, und dadurch eine für den Geschlechtsverkehr ausreichende Erektion entsteht. Während Viagra® und Levitra® ca. 30 min vor dem geplanten Geschlechtsverkehr eingenommen werden müssen und die Wirkdauer 4-8 h anhält, kann die Einnahme von Cialis® im 7 Mögliche Folgen der radikalen Prostatektomie 29 Zeitraum von 0,25-12 h vor dem Verkehr erfolgen. Die Wirkungsdauer beträgt bei diesem Präparat bis zu 36 h. Alle drei Medikamente sind verschreibungspflichtig und weisen keine Unterschiede im Preis auf (12 € pro Tablette). Die Nebenwirkungen wie zum Beispiel Kopfschmerzen, Hautrötungen und Verdauungsstörungen sind bei allen Präparaten gleich. Diese Tabletten dürfen auf keinen Fall bei einer bekannten Herz-Kreislauf-Erkrankung, einer Einnahme von Nitraten und einem kürzlichen Apoplex oder Herzinfarkt eingenommen werden. In einigen südlichen Ländern werden diese Präparate in vielen Apotheken rezeptfrei zum Verkauf angeboten. Hiervon ist aber ausdrücklich abzuraten, da es durch unsachgemäße Einnahmen schon zu vereinzelten Todesfällen gekommen ist. Da diese Tabletten nur bei den Patienten wirken, die nervenerhaltend operiert werden konnten, sind sie für einen Großteil der operierten Männer wirkungslos. Eine weitere Behandlungssäule ist die Schwellkörper-Autoinjektions-Therapie (SKAT). Hierbei wird mit sehr dünnen Nadeln vom betroffenen Mann oder seiner Partnerin eine geringe Menge des Medikaments seitlich in den Penisschwellkörper gespritzt, so dass nach 15 min für circa 1 h eine Erektion entsteht und somit ein normaler Geschlechtsverkehr möglich wird (s. Abb. 7). Abb. 7: schematische Darstellung der SKAT-Therapie[16] Ein mechanisches Hilfsmittel ist die Vakuumpumpe. Hierbei wird der Penis in einen Glaszylinder eingeführt. Durch die eingebaute Pumpe wird in diesem Zylinder ein Unterdruck erzeugt, so dass mehr Blut in den Penis fließen kann. Bei einer ausreichenden Gliedsteife wird anschließend mittels eines Spannungsrings, der über den Penis gestülpt wird, das Blut im Schwellkörper gehalten. Dieser sollte aber nach circa 30 min entfernt werden. Da diese 7 Mögliche Folgen der radikalen Prostatektomie 30 Methode keinen Eingriff in den Körper darstellt, ist sie eine gute und einfache Methode, wenn sich ein Paar an diese Handhabung gewöhnt hat (s. Abb. 8). Abb. 8: schematische Darstellung des Funktionsprinzips der Vakuumpumpe[16] Erst wenn alle Hilfsmittel nicht zum gewünschten Erfolg führen, ist die hydraulische Penisprothese die letzte Konsequenz, da dieser Eingriff die Zerstörung der natürlichen Schwellkörper zur Folge hat. Hierbei wird operativ ein Implantat in den Penis eingesetzt und mittels einer ebenfalls implantierten Pumpe im Scrotalfach eine Flüssigkeit in den künstlichen Schwellkörper eingebracht, so dass eine Erektion entsteht. Diese Operation birgt ein hohes Infektionsrisiko und nicht selten muss ein infiziertes Implantat wieder explantiert werden (s. Abb. 9). Abb. 9: schematische Darstellung der hydraulischen Penisprothese[16] Im Zuge der Recherche für diese Arbeit stellte ich bei einem Besuch der Prostata Selbsthilfegruppe Münster im Sommer 2006 durch intensive Gespräche mit den anwesenden Mitgliedern (28 Männer, 1 Frau) fest, dass entweder von einigen die Hilfsmittel nicht genutzt 7 Mögliche Folgen der radikalen Prostatektomie 31 werden oder der Einsatz derselben nicht erfolgreich war. Bei genaueren Nachfragen, warum diese Hilfsmittel nicht angewandt wurden, wurden Meinungen geäußert wie z. B.: „Das klappt sowieso nicht!“ „Das ist mir zu blöd!“ „Bevor man damit anfängt ist die Lust weg.“ Durch diese Aussagen gewann ich den Eindruck, dass die betroffenen Männer im Alter von 60-80 Jahren durch ihre Erziehung kein unbeschwertes Verhältnis zur Sexualität haben. Zu der Zeit ihrer Jugend war Sexualität ein Tabuthema. Weder wurde es in der Schule unterrichtet, noch wurde im Elternhaus ausführlich darüber gesprochen. Ebenso hemmte die sexualfeindliche Haltung der Kirche mit ihrem damaligen großen Einfluss eine offene natürliche sexuelle Entwicklung. Aus oben aufgeführten Gründen ist die Akzeptanz von Hilfsmitteln bei betroffenen Männern dieser Generation gering. Während in jungen Jahren die Sexualität einen hohen Stellenwert hatte, verändert sich mit steigendem Alter ihre Bedeutung. Für ein erfülltes Leben treten andere Aktivitäten (z.B. Restaurant- oder Theaterbesuche) in den Vordergrund. Nach diesen öffentlichen Gesprächen in der Gruppe kamen aber drei Männer auf mich zu und äußerten im Einzelgespräch, doch den Wunsch nach Sex zu haben. Interessant war, dass es gerade die Männer waren, die in der Gesprächsrunde andere Aktivitäten für wichtiger hielten und ihren Standpunkt auch verbal vertreten hatten. In einem Fernsehbericht wurde ebenso auf die psychischen Probleme der ED bei radikal prostatektomierten Männern hingewiesen.[17] Bezeichnend für die Probleme sind, dass es trotz der in Deutschland 4,5 Mio. betroffener Männer nur eine Selbsthilfegruppe ED gibt. Sitz derselben ist München und ihr Gründer – Günter Steinmetz – ist selber ein betroffener Mann. Die Gruppe trifft sich seit ihrer Gründung monatlich. Erfahrungsaustausch unter den Mitgliedern und gegenseitige Hilfe spielen eine wichtige Rolle, jedoch ist die Aufklärung die Hauptintention. Nach den Aussagen des Gründers kommen 25 % der Kontaktaufnahme (per Telefon oder E-Mail) von betroffenen Frauen, die das Problem frühzeitig erkennen. Die Veränderungen in sexuellen Gewohnheiten spürt die Partnerin viel eher, als es sich die Männer eingestehen. Während die Frauen die Initiative ergreifen, verstummen die Männer eher und ziehen sich zurück. Ihr Gemütszustand pendelt zwischen depressiv und aggressiv. Ziel ist es, dass die betroffenen Männer lernen, über ihr Problem zu sprechen, erst dann 7 Mögliche Folgen der radikalen Prostatektomie 32 kann versucht werden, den Zustand zu verändern. Da aber wie oben aufgeführt Sexualität häufig ein Tabuthema ist, sprechen viele Paare erst über ihre Sexualität, wenn Probleme aufgetreten sind. Für viele Männer ist ihre Potenz (Potentia lat. = Kraft) das wichtigste Thema überhaupt. Sie sind fixiert auf ihre eigene Sexualität und schweigen bei „Impotenz“ (Impotentia lat. = Schwäche) aus Scham. ED stellt bei vielen Männern eine größere Bedrohung als der eigene Tod dar. Aus diesem Grund nehmen Männer eine tödliche Krankheit eher in Kauf, als sich mit dem Problem der ED auseinanderzusetzen. Frauen leiden mehr unter der männlichen Sprachlosigkeit und fühlen sich in der Partnerschaft alleine gelassen. Oft beziehen sie dieses Problem wegen angeblich fehlender Attraktivität auf sich selber und fühlen sich schuldig. Sie sind nicht so wie Männer auf den Geschlechtsverkehr fixiert. Für viele steht im Alter die Penetration nicht mehr im Vordergrund. Ihnen ist körperliche Nähe und Zärtlichkeiten, wie schmusen oder kuscheln, wichtiger. Sie können auch ohne männliche Erektion einen Orgasmus bekommen. Männer denken hier eindimensionaler. Ihrer Meinung nach ist die Frau bei ED des Mannes schwer bestraft. Jedoch ist Sexualität mehr als ein eregiertes Glied! Sowohl von der Gesellschaft als auch von Ärzten erhalten betroffene Paare wenig Hilfe. Sex als Motor der Fortpflanzung ist in diesem Alter nicht mehr an erster Stelle sondern die Lust. Diese Akzeptanz fehlt gesellschaftlich völlig. Seit 2004 werden in Bad Liebenstein am Rande des Thüringer Waldes in der Heinrich-Mann-Klinik Repotenzkurse angeboten, die vom Chefarzt Dr. Hartwig entwickelt wurden.[17] Das Motto dieser Kurse ist pro cupido (lat. – für die Lust). Diese 6-tägigen Kurse kosten 1400 € und erfreuen sich, trotz ihrer relativ hohen Kosten, großen Zuspruchs. Bis April 2006 haben ca. 600 Männer die Kurse besucht. Das Angebot umfasst Entspannungstherapie, Meditation, Tanztherapie, Beckenbodengymnastik durch Aquajogging mit Gürtel, Spaziergänge und Einzel- oder Gruppengespräche. Ziel dieser Repotenzkurse ist, dass die betroffenen Männer zu sich selber finden. Auch hier ist die Ablehnung in der Bevölkerung des Ortes groß. Die Kommentare reichen von: „Alles Schweinskram“, „Schmuddelkram“, „Was wollen die Schlappschwänze denn in dem Alter“ bis zu verschämten Schweigen. Vielleicht sollten sich diese Personen, die darüber empört sind, dass andere Menschen ihre Sexualität und Zärtlichkeiten auch im Alter noch ausleben möchten, vor den Spiegel stellen, und sich selber hinterfragen warum sie damit ein Problem haben. 7 Mögliche Folgen der radikalen Prostatektomie 33 7.3 Libido Die Libido ist nach Siegmund Freud ein wesentlicher Grundantrieb des menschlichen Lebens. „Als sexuelle Triebkraft (…) liegt sie allen Lebensäußerungen zugrunde, die auf Lustgewinn ausgerichtet sind (…).“[18] Bei Männern mit fortgeschrittenem PCa, die eine Hormontherapie erhalten, wird durch den stark abgesenkten Testosteronspiegel die Libido drastisch reduziert. Ein deutlich reduzierter Testosteronwert kann sogar zu einem völligen Verlust des sexuellen Interesses führen. Bei Männern mit Erektionsstörungen kann z. B. das mangelnde sexuelle Verlangen eine Art Selbstschutz sein, der den Mann davor bewahrt, in eine Situation zu geraten, die er als extrem peinlich und erniedrigend empfindet. Es kann aber auch der umgekehrte Fall sein, dass Männer nach radikaler Prostatektomie weiterhin ihr sexuelles Verlangen verspüren, dieses aber aufgrund ihrer ED nicht ausleben können. 8 Bedeutung der Ernährung 34 8 Bedeutung der Er nähr ung In der vorindustriellen Zeit hatten unsere Vorfahren große Probleme, die nötigen Nahrungsmittel zu beschaffen. Im Laufe der Zeit wurde durch den „Fortschritt” vieles einfacher. Trotzdem war die Ernährung unserer Vorfahren natürlicher und damit für den Organismus gesünder. In vergangener Zeit wurde der Hauptbedarf der Ernährung durch Kohlehydrate abgedeckt und zwei Drittel der Energie bestand aus Brot, Gemüse und Obst mit seinen hohen Anteilen an natürlichen Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen. Früher stammte ein Großteil der Nahrungsmittel aus eigenem Anbau, ohne dass Pestizide und künstlicher Dünger verwandt wurden. Gleichzeitig wurde Wert darauf gelegt, dass die Mahlzeiten im Familienverbund zu festen Zeiten eingenommen wurden. Nur an Sonntagen und kirchlichen Feiertagen wurde die Nahrung durch Fleisch ergänzt. In der heutigen Zeit hat sich sowohl die Nahrungsbeschaffung als auch die Nahrungsaufnahme komplett verändert. Durch den schnellen Verzehr von Kantinenessen, Fertiggerichten und Fast Food, bei denen das Fleisch zum größten Teil aus Masttierhaltung stammt, und mit Pestiziden, Antibiotika, Hormonen und Insektiziden belastet ist, nimmt der Körper die aufgeführten Schadstoffe gleichzeitig mit dem Fleisch auf. Obst und Gemüse stammen aus ausgelaugten und überdüngten Ackerböden. Gleichzeitig wird der gemeinsamen Nahrungsaufnahme in den Familien keine große Bedeutung mehr zugemessen. Durch die Veränderung der gesellschaftlichen Strukturen wie zum Beispiel Berufstätigkeit beider Elternteile, wechselnde Arbeitszeiten oder die zunehmende Anzahl von Singlehaushalten entfallen auch die gemeinsamen Mahlzeiten. Verglichen zu heute wurden in der Nachkriegszeit fünfmal weniger Tütensuppen, zehnmal weniger Gemüsekonserven, zwölfmal weniger verpackte Kartoffelerzeugnisse und zwanzigmal weniger Früchte aus der Dose verzehrt.[8] Dreiviertel der heutigen Nahrungsmittel, die wir verspeisen, werden industriell gefertigt. Diesen “unnatürlichen Müll” soll der Körper verarbeiten, und daraus Energie und Abwehrstoffe für das Immunsystem gewinnen. Anstatt, dass sich diese körpereigene Immunabwehr ihrer Hauptaufgabe widmet, nämlich geschädigte Zellen zu reparieren, muss sie vielmehr fremden Aggressoren, Giften und Erregern entgegentreten. Die Schädigung des Immunsystems, welche wir durch unsere falsche Ernährung herbeiführen, spiegelt sich in dem Schweregrad der Erkrankungen wieder, wie zum Beispiel Arteriosklerose, Allergien, Infektanfälligkeiten und nicht zuletzt Krebs. 9 Ernährung als Prävention 35 9 Er nähr ung als Pr ävention Zahlreiche Untersuchungen haben ergeben, dass die Ernährung zur Prävention eines Carcinoms eine große Bedeutung hat. Zwischen 10-70 % aller Krebserkrankungen sind wahrscheinlich auf Ernährungseinflüsse zurückzuführen. Das PCa wird häufig als Erkrankung westlicher Industrienationen beschrieben. Durch die niedrige Inzidenz des PCas in China und Japan wurden in den 90er Jahren die Unterschiede der asiatischen und westlichen Ernährung analysiert. Die asiatische Ernährung ist wesentlich ballaststoffreicher, gemüsereicher sowie fleisch- und fettärmer. Im Gegensatz dazu ist die Ernährung in den westlichen Ländern gekennzeichnet durch den hohen Gehalt an tierischen Fetten und Proteinen. Außerdem ist sie ballaststoffarm. In einer publizierten Studie von Giovannoucci konnte eine direkte Verbindung zwischen dem Verzehr tierischer Fette und dem Auftreten eines fortgeschrittenen PCas nachgewiesen werden. Diese Ergebnisse wurden in einem Tierversuch bestätigt. Das Wachsen von Tumoren konnte jedoch deutlich durch das Verpflanzen dieser Tumore auf Tiere, die eine fettarme Diät erhielten, verlangsamt werden. Die Aufnahme fleischlicher Fette erhöht somit das Risiko zur Entstehung eines PCas, während der Verzehr pflanzlicher Fette und Fettsäuren einen protektiven Effekt aufweist. Die traditionelle Ernährungsweise in Japan enthält ebenfalls zahlreiche aktive Phytoöstrogene. Diese finden sich in verschiedenen Gemüsearten und Getreiden. Sie werden unterteilt in Isoflavonide, Flavonide und Lignane. Während Soja reich an Isoflavoniden ist, sind Flavonide hochkonzentriert in Äpfeln, Zwiebeln und Teeblättern enthalten. Ein großer Anteil an Lignanen befindet sich in zahlreichen Getreidepflanzen wie zum Beispiel in Leinsamen und Sesam. Interessanterweise ist im Nordosten Finnlands, wo die Ernährung einen hohen Bestandteil von Roggen aufweist, die PCa-Rate deutlich erniedrigt. Aktive Phytoöstrogene können an den entsprechenden Rezeptoren die Synthese des Sexualhormonbindenden Globulins (SHBG) der Leber erhöhen. Somit ergibt sich durch die Zunahme des SHBG-Spiegels eine Senkung des freien Plasmatestosteronspiegels. Daher bewirkt diese phytoöstrogenhaltige Ernährung eine Senkung des Testosterons-Spiegels und wirkt in geringen Maßen wie die medikamentöse Hormonentzugstherapie. Eine ausreichende und ausgewogene Aufnahme von Vitaminen ist ebenfalls unerlässlich, um die Gesundheit sowie die Funktionstüchtigkeit unseres Körpers zu erhalten und das Krebsrisiko zu senken. Speziell die Vitamine D und E haben eine große Bedeutung bei der 9 Ernährung als Prävention 36 Prävention eines PCas. Die im Anhang aufgeführte Tabelle 5 beinhaltet verschiedene Nahrungsmittel mit ihrem jeweiligen Vitamingehalt, des Weiteren wird eine Ernährungsempfehlung zur Senkung des Krebsrisikos der Deutschen Gesellschaft für Nährstoffmedizin und Prävention e.V. beigefügt. 10 Schlussfolgerung 37 10 Schlussfolger ung Das Fazit nach Abschluss dieser Facharbeit ist, dass die Männer, die mit der Diagnose PCa stationär aufgenommen werden, sich in einer extremen Lebenskrise befinden. Die lähmende Angst, resultierend aus der Diagnose Krebs und die ebenso große seelische Belastung aufgrund der drohenden Operationsfolgen wie Inkontinenz und Impotenz lassen bei den betroffenen Männern unterschiedlichste Gefühle aufkommen, die über Hilflosigkeit, Resignation bis hin zu Aggression reichen. Das Pflegepersonal muss sich dessen bewusst sein und auf die jeweilige Gefühlslage empathisch eingehen können. Nur professionelles Fachwissen der Pflegenden in Verbindung mit Einfühlsamkeit kann den Patienten helfen, ihre Ängste abzubauen. Daher sind Beratungsgespräche sowohl prä- als auch postoperativ mit dem Patienten für seine Krankheitsbewältigung sehr wichtig. Sie sollten mit einer natürlichen Offenheit geführt werden, um bestehende Tabus abzubauen und den Patienten gleichzeitig eventuell vorhandene Hemmungen zu nehmen. Nur so wird der Patient ermutigt, offen mit seiner Problematik umzugehen. Leider zwingt die Routine des Stationsablaufes mit ihren zahlreich wachsenden administrativen Aufgaben das Pflegepersonal, die Prioritäten ihrer Arbeit neu zu setzen. Diese veränderte Zielsetzung lässt bei den Patienten das subjektive Empfinden aufkommen, dass sie nicht im Mittelpunkt des pflegerischen Handelns stehen. Im Zuge der geänderten Berufsbezeichnung von der Krankenschwester, dem Krankenpfleger zum(r) Gesundheits- und Krankenpfleger(in) muss unserem Berufsstand ermöglicht werden, gesundheitserzieherisch tätig zu werden, denn intensive Beratung nimmt Zeit in Anspruch 11 Anhang 11 Anhang 11.1 Tabellenver zeichnis Tab. 1: verlorene Lebensjahre bei PCa-Erkrankung Tab. 2: TNM-Klassifikation Tab. 3: Bestimmung des Malignitätsgrades (Grading) Tab. 4: Vor- und Nachteile eines PSA-Tests 11.2 Abbildungsver zeichnis Abb. 1: schematische Darstellung der Lage der Prostata Abb. 2: Differenzierung des Malignitätsgrades Abb. 3: schematische Darstellung der radikalen Prostatektomie Abb. 4: schematische Darstellung der After-loading Therapie Abb. 5: schematische Darstellung der Seeds-Implantation Abb. 6: Einbringen von Kryosonden 38 11 Anhang 39 11.3 Zusätzliche Mater ialien Tab. 4: TNM-Klassifikation[6] T – Primärtumor Tx Primärtumor kann nicht beurteilt werden T0 kein Anhalt für Primärtumor T1 der Primärtumor lässt sich nicht erkennen T1a im Rahmen einer Prostataoperation wegen erschwerten Wasserlassens findet der Pathologe im entfernten Drüsengewebe Krebsanteil in bis zu 5 % T1b in mehr als 5 % T1c trotz unauffälligen Tast- und Ultraschallbefundes übersteigt der PSA-Spiegel den Schwellenwert (meist 4 ng/ml), so dass eine Biopsie erfolgt, die Krebs nachweist T2 Tumor auf die Prostata begrenzt T2a Tumor infiltriert nur einen Lappen T2b Tumor infiltriert beide Lappen T3 Tumor breitet sich über die Prostatakapsel hinaus aus T3a extrakapsuläre Ausbreitung (ein- und/oder beidseitig) T3b Tumor infiltriert Samenblase(n) T4 Tumor infiltriert benachbarte Strukturen (Blasenhals, Sphinkter externus, Rektum, Levator-Muskulatur, Beckenwand) N – Regionäre Lymphknoten Nx benachbarte Lymphknoten können nicht beurteilt werden N0 kein Anhalt für benachbarte Lymphknotenmetastasen N1 Befall benachbarter Lymphknoten M – Fernmetastasen Mx Fernmetastasen können nicht beurteilt werden M0 kein Anhalt für Fernmetastasen M1 Fernmetastasen M1a extraregionärer Lymphknotenbefall M1b Knochenmetastasen M1c andere Manifestation 11 Anhang Abb. 9: Kontinenzprogramm des Universitätsklinikums Münster 40 11 Anhang 41 11 Anhang Abb. 10: Fragebogen über den Verlauf der Inkontinenz nach radikaler Prostatektomie[21] 42 11 Anhang 43 11 Anhang 44 11 Anhang 45 11 Anhang 46 3 Tage nach Entfernung des Harnröhrenkatheters 90 80 70 im Liegen LW Liegen/Stehen LW Sitzen/Stehen Stehen Laufen bes. Belastung in Prozent 60 50 40 30 20 10 0 1 Abb. 11: schematische Darstellung der Inkontinenz nach dreitägiger Entfernung des Katheters[21] 1 Woche nach Entfernung des Harnröhrenkatheters 90 80 70 Liegen LW Liegen/Stehen LW Sitzen/Stehen Stehen Laufen bes. Belastung in Prozent 60 50 40 30 20 10 0 1 Abb. 12: schematische Darstellung der Inkontinenz nach einwöchiger Entfernung des Katheters[21] 11 Anhang 47 1 Monat nach der Entfernung des Harnröhrenkatheters 80 Liegen LW Liegen/Sitzen 70 LW Sitzen/Stehen Stehen 60 Laufen bes. Belastung in Prozent 50 40 30 20 10 0 1 Abb. 13: schematische Darstellung der Inkontinenz nach einmonatiger Entfernung des Katheters[21] 3 Monate nach Entfernung des Harnröhrenkatheters 60 50 Liegen LW Liegen/Stehen LW Sitzen/Stehen Stehen Laufen bes. Belastung in Prozent 40 30 20 10 0 1 Abb. 14: schematische Darstellung der Inkontinenz nach dreimonatiger Entfernung des Katheters[21] 11 Anhang 48 Wie oft hatten Sie während der letzten Wochen eine Erektion 100 90 überhaupt nicht 1-2 mal 3-5 mal öfter keine Angabe 80 70 Anzahl / % 60 50 40 30 20 10 0 1 Abb. 15: schematische Darstellung der Häufigkeit einer wöchentlichen Erektion[21] Wie beurteilen Sie die Qualität (Dauer und Härte) dieser Erektion(en)? 70 60 Anzahl / % 50 wie vor der Operation etwas schlechter deutlich schlechter trifft auf mich nicht zu keine Angabe 40 30 20 10 0 1 Abb. 16: schematische Darstellung der Erektionsqualität[21 11 Anhang 49 Tab. 5: Übersicht über die Vitamine und deren Beständigkeit gegenüber Licht, Hitze und Sauerstoff [19] Empfindlich gegenüber: Vitamin Besonders enthalten in Licht Vitamin B1 Sonnenblumenkerne, Thiamin Schweinefleisch, Vollkornbrot Vitamin B2 Leber, Mandeln, mageres Schweinefleisch, ++ Riboflavin Milchprodukte, Spinat, Eier Vitamin B6 Leber, Putenfleisch, Fisch, Walnüsse, Pyridoxine und Paranüsse, Schweinefleisch, Avocados, Hitze Sauerstoff ++ + + - + - - + - - ++ - - - ++ - + + ++ - ++ Erbsen, - Rind- ++ Bananen, Kartoffeln, viele Gemüsearten Vitamin B12 Leber, viele Fische, Fleisch, Käse, Eier, Milch + Cyanocobalamin und Milchprodukte Vitamin B7 Leber, Eier, Hülsenfrüchte, Nüsse - Biotin Vitamin B9 Leber, Weizenkleie, viele Gemüsearten, Nüsse, + Folsäure Vollkornbrot Vitamin B3 Leber, Erdnüsse, mageres Fleisch, Fisch, - Niacin (Nicotin-säure, Hülsenfrüchte, Haselnüsse -amid Vitamin B5 Leber, Fleisch, Fisch, Milch, Eier, Getreide, - Pantothensäure Hülsenfrüchte Vitamin C schwarze Johannisbeeren, Erdbeeren, Kiwi, + Ascorbinsäure Paprika, Broccoli, Meerrettich, Rosenkohl, Fenchel, Zitrusfrüchte Vitamin A Leber, Fisch, fettreiche Milchprodukte, Eier Retinoide Provitamin A Karotten, Spinat, Grünkohl, Feldsalat, rote Beta-Carotin Paprika Vitamin D Fisch (besonders Hering), Lachs, Heilbutt + - ++ Pflanzenöle (besonders Weizenkeimöl), Nüsse + - ++ grünes Blattgemüse, Früchte ++ - - Calciferole Vitamin E Tocopherole Vitamin K Phyllochinon, Menachinon 11 Anhang 50 Ernährungsempfehlung zur Senkung des Krebsrisikos[20] ‚ Verteilung der täglichen Nahrung auf 5 bis 6 kleine Mahlzeiten. ‚ Nahrungsmittel gut kauen und sich Zeit zum Essen nehmen. ‚ Abwechslungsreiche, leicht verdauliche Kost möglichst frisch und schonend zubereitet. ‚ Möglichst Nahrungsmittel der Saison auf den Tisch. ‚ Viele Vollkornprodukte essen. ‚ Obst und Gemüse aus kontrolliert biologischem Anbau kaufen. ‚ Täglich mindestens 500g Obst und Gemüse zu sich nehmen. ‚ Einheimisches Obst und Gemüse bevorzugen. ‚ Obst und Gemüse vor dem Verzehr gut abwaschen. ‚ Frischobst und -gemüse den Tiefkühlprodukten vorziehen. ‚ Konservenkost möglichst meiden. ‚ Häufiger Hülsenfrüchte essen. ‚ Täglich 4 bis 5 mittelgroße Kartoffeln essen. ‚ Bedarf an tierischem Eiweiß vorwiegend mit fettarmen Milchprodukten decken. ‚ Den Verzehr von Fleisch und Wurst einschränken. ‚ Ein- bis zweimal wöchentlich Fisch essen. ‚ Einmal pro Woche eine Mahlzeit mit Hühnereiern (3 Eier) zu sich nehmen. ‚ Wenig, aber dafür hochwertiges, pflanzliches Fett essen. ‚ Den Gebrauch von Kochsalz auf das Notwendigste einschränken. ‚ Auf raffinierten Weißzucker und reinen Traubenzucker verzichten. ‚ Lebensmittel mit Konservierungsstoffen, künstlichen Geschmacks- und Farbstoffen vermeiden. ‚ Natriumarmes Mineralwasser, fettarme Milch, Buttermilch, ungesüßten Kräuteroder Früchtetee, Gemüsesäfte, verdünnte Fruchtsäfte und Brottrunk bevorzugen. ‚ Nichtraucher werden und es auch bleiben. ‚ Auf Alkohol verzichten. ‚ Nach Möglichkeit auf Kaffee und schwarzen Tee verzichten. 12 Literaturverzeichnis 51 12 Liter atur ver zeichnis [1] www.krebshilfe.de/neu/infoangebot/broschuere/prostata/ Prostatakrebs – ein Ratgeber für Betroffene, Angehörige und Interessierte 2000-Krebshilfe e.V. 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