am aktuelle medizin DIE ROBOTERASSISTIERTE RADIKALE PROSTATEKTOMIE (DA VINCI-PROSTATEKTOMIE) ● ● ● ● Onkologisch sicheres Verfahren Gute Erhaltung von Kontinenz und Potenz Geringe Komplikationsrate Rasche Rehabilitation Das Prostatakarzinom ist der häufigste bösartige Tumor bei Männern über 65 Jahren. In der Schweiz werden jährlich 3000 bis 3500 Fälle diagnostiziert; etwa 1500 Männer sterben jedes Jahr an dieser Krankheit. Die Schweizerische Gesellschaft für Urologie empfiehlt zur Früherkennung ein Screening mit Bestimmung des Prostataspezifischen Antigens (PSA) und Rektalpalpation. Die Untersuchung sollte ab dem 50. Altersjahr, bei familiärem Risiko bereits ab dem 45. Altersjahr, ein- bis zweijährlich erfolgen. Beim früh diagnostizierten, organbegrenzten Prostatakarzinom ist die radikale Prostatektomie – neben Bestrahlungsoptionen – die effizienteste kurative Therapie. Entsprechend ist die krebsspezifische Mortalität seit der Einführung der PSA-Frühbestimmung seit Anfang der 90er Jahre regredient. Trotzdem finden sich auch heute intraoperativ bereits in 15 bis 25 Prozent der Fälle kapselüberschreitende T3-Tumore. Bei älteren Männern gilt der Nachweis von Krebsgewebe in der Prostata nicht als zwingende Operationsindikation. Von Fall zu Fall empfiehlt sich hier wie auch bei klinisch insignifikanten Tumoren die Strategie des «watchful waiting». Die seit einigen Jahren verfügbare roboterassistierte Operationstechnik mit dem da Vinci-System besitzt das Potenzial, die radikale Prostatektomie zu revolutionieren, vereinigt sie doch optimale onkologische und funktionelle Resultate mit minimaler Invasivität und schneller Rehabilitation. Während in den USA im Jahr 2005 bereits 20 Prozent aller radikalen Prostatektomien mit dem da Vinci-System durchgeführt wurden und dieser Anteil 2006 auf über 40 Prozent steigen wird, bleibt diese Technik in der Schweiz derzeit noch an einige wenige Zentren gebunden. Abb. 1 Da Vinci-Telemanipulator: An der Kontrollkonsole (vorne) werden die über dem Patienten angebrachten Roboterarme (hinten) anhand einer 3-DDarstellung des Operationsfeldes präzise gesteuert. a c b Abb. 2 Die da Vinci-Technologie Der da Vinci-Telemanipulator funktioniert nach dem Mensch-Maschine-(MasterSlave-)Prinzip: Der Operateur sitzt an einer Steuerkonsole und arbeitet mit 2-FingerInstrumentengriffen für jede Hand und mehreren Fusspedalen (Abb. 1 und 2). Seine Bewegungen werden vom Computer via Sensoren erkannt und über Kabelstränge an die drei bis vier über dem Patienten platzierten Instrumentenarme weitergeleitet. Dadurch können die chirurgischen Instrumente (Endeffektoren) sowie die Kameraeinstellung den Erfordernissen der Operation angepasst werden. Ein Tremorfilter, der das Zittern der menschlichen Hand unterdrückt, sorgt für eine hohe Präzision, die durch die Skalierbarkeit der Instrumentenbewegungen (Vergrösserung oder Verkleinerung) zusätzlich gesteigert wird. Der Chirurg sieht auf einem Monitor innerhalb der Konsole eine dreidimensionale, bis zu zehnfach vergrösserte Projektion des Operationsgebiets. Die da Vinci-Prostatektomie: Technik und Resultate Seit der ersten Operation in der Schweiz im September 2002 am Universitätsspital Zürich wurde die da Vinci-Technik schrittweise standardisiert. Die Autoren überblicken heute mehr als 300 da Vinci-Operationen, von denen 200 in den Jahren 2002 bis 2005 am Universitätsspital Zürich (HJ) und weitere 100 seit September 2005 an der Klinik Hirslanden durchgeführt wurden (HJ/JLF; Tab. 1). Der Zugang erfolgt über fünf 8–10 mm lange Hautschnitte ausserhalb des eigentlichen Bauchraumes. Da das Peritoneum nicht eröffnet wird, ist nach der Operation ein schneller Nahrungsaufbau möglich. Die nerven- und gefässschonende Präparation der Prostata sowie die Anastomose zwischen Blase und Harnröhre sind laparoskopische Schritte, die durch den da Vinci-Telemanipulator erheblich erleichtert werden (Abb. 3). Dank dem äusserst geringen Blutverlust (durchschnittlich 300 ml), der wesentlich zu einer raschen Erholung der Patienten beiträgt, kann auf eine Bereitstellung von Fremdblut oder eine Eigenblutspende verzichtet werden. Eine Konversion zur offenen Operationstechnik war in der HirslandenSerie nie notwendig. Auch kam es weder zu Rektum- oder Ureterläsionen noch zu Wundinfekten. Zwei der 100 Patienten erlitten akute Nachblutungen und mussten revidiert werden; in einem Fall konnte dies retroperitoneoskopisch erfolgen. Beide Patienten erhielten Fremdblut. Die meisten der operierten Patienten erholen sich so rasch, dass sie bereits am dritten Tag postoperativ aus dem Spital entlassen werden könnten. Der Katheter wird sieben Tage nach der Operation entfernt. 1 2 3 4 5 6 Abb. 2 a: Der Operateur sieht auf dem Monitor eine stereoskopische Projektion des Operationsfeldes und arbeitet mit Daumen und Zeigefinger beider Hände. Seine Bewegungen werden vom Computer verarbeitet und an die Roboterarme weitergeleitet. b: Über die Fusspedale wird u. a. die Handfunktion angewählt (Kamera-/ Instrumentenbewegung), die Bildschärfe eingestellt und koaguliert. c: Fünf Trokare im Extraperitonealraum nehmen die Roboterarme auf: Kamerazugang infraumbilikal, Instrumentenarme paramedian beidseits. ©John 2006 Abb. 3 Abb. 3 Onkologisch zeigen neueste Serien (Amerikanischer Urologenkongress 2006) hervorragende Raten von tumornegativen Absetzungsrändern, die jenen der weltweit besten offen (retropubisch) operierten Serien ebenbürtig sind. Zentren mit den grössten Patientenzahlen berichten über die tiefste Rate von positiven Schnitträndern. Die klinische Bedeutung tumorpositiver Absetzungsränder wird allerdings kontrovers diskutiert, da nur etwa 30 Prozent der betroffenen Patienten im Verlauf einen PSA-Wiederanstieg zeigen. Im eigenen Kollektiv kam es bei organbegrenzten T2-Tumoren in drei Prozent der Fälle nach einem Jahr zum Wiederanstieg des PSA-Wertes (biochemisches Tumorrezidiv), bei T3-Tumoren traf das in 23 Prozent der Fälle zu. Funktionell sind für den Patienten die erhaltene Harnkontinenz und Potenz entscheidend. An der Klinik Hirslanden werden Kontinenz, erektile Funktion und Lebensqualität im postoperativen Verlauf prospektiv mit validierten Fragebogen erfasst (EPIC5.05, IEEF-5, SF-12). Die Kontinenzrate (trocken ohne Einlage oder maximal eine Einlage zur Sicherheit) betrug nach sechs Monaten 80 Prozent in den ersten 200 Fällen. In den letzten 100 Fällen ist sie auf 95 Prozent nach sechs Monaten gestiegen (Tab. 1). Die Erektion bleibt – oral medikamentös unterstützt – bei 75 Prozent der Patienten penetrationsfähig erhalten, wenn beide neurovaskulären Bündel geschont werden können, was bei Tumoren mit PSA <10 ng / ml und einem Gleason-Score <7 erreicht 1: Beidseitige Inzision der endo- 2: Der Blasenhals wird möglichst 3: Die neurovaskulären Nervenbündel pelvinen Faszie (ef). erhaltend präpariert. (nvb) werden nach Möglichkeit geschont. Intra- und postoperative Resultate (Hirslanden-Serie 2005–2006). (n =100) 4: Apikal wird ein möglichst langer Harnröhrenstumpf (u) gebildet und Kriterium Resultat Patienten Alter PSA Body Mass Index (BMI) 64 (44–76) Jahre 6,7 (1,2–53) ng / ml 27 (22–37) Operative Daten Operationszeit Blutverlust Konversion 180 (140–295) Min. 300 (40–1100) ml 0% Komplikationen Rektumverletzung Ureterverletzung Nachblutungen Wundinfekte Anastomosenleck Lymphozele 0% 0% 2% 0% 2% 5% bl: Katheterverweildauer das Präparat abgesetzt. 5: Vesikourethrale Anastomose. 6: Bergung der Prostata über einen Endobag durch den infraumbilikalen Zugang. Blase bm: Blasenhals ef: Endopelvine Faszie es: Externer Schliessmuskel 7 Tage (median) la: Levator ani Arbeitsunfähigkeit 100 % (n=20) 21 Tage (median) nvb: Neurovaskuläres Bündel Kontinenz Kontinenz 6 Wochen Kontinenz 3 Monate Kontinenz 6 Monate 58 % 73 % 95 % Onkologie Tumorvolumen Positive margins PSA-Wiederanstieg Tab. 1 (n=81) (n=61) (n=43) 2,65 (0,05–58) ccm (davon 3 % < 0,5 ccm) 14 % 3 % (medianer Follow-up nach 6,5 (1–12) Mt. p: Prostata pl: Puboprostatisches Band r: Rektum sp: Plexus Santorini u: Harnröhrenstumpf werden kann. Die Arbeitsunfähigkeit der ersten 20 Patienten der Hirslanden-Serie im erwerbsfähigen Alter betrug median 21Tage, im Vergleich zu median 80 Tagen nach offenen Operationen. Die Lernkurve eines da Vinci-Operateurs ist wesentlich kürzer als in der konventionellen Laparoskopie. Dennoch sind mindestens 100 bis 200 selbst durchgeführte Eingriffe nötig, um onkologische und funktionelle Resultate zu erzielen, wie sie für die besten offen operierten Vergleichsserien dokumentiert sind. Übungen am Simulator können die Erfahrung am Patienten leider nicht ersetzen. kale Prostatektomie mit maximaler Gewebeschonung, geringem Blutverlust und sehr guter Erhaltung der erektilen Funktion und Kontinenz bei niedriger Komplikationsrate. Die Erholung des Patienten nach dem Eingriff ist kurz und erlaubt eine baldige Rückkehr zum Arbeitsplatz. Mit der roboterassistierten radikalen Prostatektomie besteht nun eine minimal invasive Alternative zur offenen Prostatektomie mit vergleichbaren funktionellen und onkologischen Resultaten. PD Dr. med. Hubert John Dr. med. Jean-Luc Fehr Zentrum für Urologie Klinik Hirslanden, Zürich Schlussfolgerung Die roboterassistierte laparoskopische Prostatektomie ermöglicht die kurative radi- [email protected] [email protected]