Mit Sexualität aus der Schmerzwelt stehlen

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PressegesprächzurJahrestagungderÖsterreichischenSchmerzgesellschaft(Veldenam
Wörthersee,19.-21.Mai2016)
„MitSexualitätausderSchmerzweltstehlen“
In ihrem Buch „Unerhörte Lust“ zeigen der Schriftsteller Dr. Erwin Riess und der
SchmerzspezialistUniv.Prof.Dr.RudolfLikarimmernochvorhandeneTabusaufundwollen
behinderte und chronisch kranke Menschen zu einem offenen Umgang mit ihrer Sexualität
ermuntern. Vorgestellt wurde es anlässlich der Jahrestagung der Österreichischen
SchmerzgesellschaftinVeldenamWörthersee.
Klagenfurt,18.Mai2016-FürdenösterreichischenPolitikwissenschaftlerundSchriftsteller
Erwin Riess ist „Sexualität ein Menschenrecht, das für alle gelten muss“. Gerade in
Österreich,meintderAutor,derselbstseitmehrals30JahrenimRollstuhlsitzt,„haltensich
überkommene Vorstellungen was die Sexualität von behinderten und kranken Menschen
betrifftaberbesonderslange.“
Während Behinderten-Sexualität oft gänzlich abgesprochen wird, wird das Thema bei
Krankenzumindestweitgehendtabuisiert.DamitwollenDr.RiessundseinMitherausgeber,
derSchmerzspezialistPrim.Univ.Prof.Dr.RudolfLikar,inihremanlässlichderJahrestagung
der Österreichischen Schmerzgesellschaft vorgestellten Buch „Unerhörte Lust“ aufräumen.
Das 250 Seiten starke Werk versammelt Beiträge von Medizinerinnen und Medizinern, die
sichmiteinzelnenKrankheitsbildernimKontextderSexualitätbeschäftigenundTexteund
Interviews mit behinderten Menschen in Österreich und Deutschland, die sich mit
erstaunlicherOffenheitderFragenachderLuststellen.
SchmerzkannLusttöten
Wie diverse Studien übereinstimmend zeigen, leidet mehr als die Hälfte der chronischen
Schmerzpatientendarunter,dassSchmerzen„dasSexuallebenentscheidendverschlechtert
haben.“ Acht von zehn Patienten mit chronischen Rückenschmerzen klagen über ganz
konkretesexuelleProbleme,beieinereuropaweitenUntersuchungunterPalliativpatienten
gabrundeinFünftelan,„aufgrundderkörperlichenBeeinträchtigungengarkeinesexuellen
Beziehungenmehrzuhaben.“
DieGründedafürsindvielfältigundschaukelnsichoftineinerNegativspiraleauf:Dassschon
diekörperlichenSchmerzennichtgeradelustförderndsind,istnaheliegend.Dazukommen
nochpsychischeProbleme,wiedieVeränderungendesKörperbewusstseins,Schamgefühle
undinvielenFällendepressiveSymptome.„Viele“,weißRiessauchauseigenerErfahrung,
„haben die Tendenz, sich zu verkriechen und Angst davor, den eigenen, plötzlich als
unzulänglichempfundenenKörpermiteinemanderenzusammenzubringen.“
DieNebenwirkungenvielerinderSchmerztherapieeingesetztenMedikamentetundanndas
Übrige:„OpioidegreifenmassivindenHormonhaushalteinundkönnensodieLibidonoch
weiter verringern“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Rudolf Likar. Auch gegen die psychischen
BegleiterscheinungenverschriebeneAntidepressivasindderSexualitätinvielenFällennicht
gerade zuträglich. Gerade bei den häufig verschriebenen SerotoninWiederaufnahmehemmer(SSRI)stehensexuelleDysfunktionenweitobenaufderListeder
möglichenNebenwirkungen.
UnumkehrbarsindsolcheProblemeselten.„AngefangenvomUmstellenderMedikationauf
Medikamente mit geringeren sexuellen Nebenwirkungen, über Dosisanpassungen, bis zu
Kombinationen von entsprechenden Medikamenten, die sexuelle Funktionsstörungen
bessern können, gibt es eine breite Palette von Möglichkeiten, wieder mehr Lust ins
Schlafzimmerzubringen“,plädiertSchmerzspezialistProf.Likardafür,gemeinsammitArzt
oder Ärztin nach dem richtigen Medikamenten-Mix zu suchen. Richtig behandelt, können
sexuelle Dysfunktionen selbst bei Krebserkrankungen nach Operationen, Chemotherapie
undBestrahlungeneinegutePrognosehaben.
OffenüberSexreden
FreilichsetztdaseinoffenesGesprächzwischenPatientenundihrenÄrztenundÄrztinnen
voraus. „Über die Sexualität kranker und behinderter Menschen wird aber einfach immer
nochkaumgesprochen.DagibteseinfachnochzugroßeBerührungsängste–undzwarauf
beidenSeiten“,weißRiess.
Wie fatal sich diese Schweigespirale auswirkt, zeigte etwa eine Umfrage unter
Rückenschmerz-Patienten:Zwarwollten93ProzentmitihrenÄrztenauchüberdiesexuellen
Beeinträchtigungen und mögliche Alternativen in ihrem Sexualleben reden; 74 Prozent
erwarteten sogar ganz konkrete Ratschläge zur Vermeidung von Schmerzen beim Sex.
Dennoch hatten 66 Prozent das Thema noch nie mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin erörtert.
Eine italienische Untersuchung kam zu ähnlichen Ergebnissen: Weil der Großteil der
Patienten zwar über die Probleme im Schlafzimmer reden wollte, aber nie die richtigen
Wortefand,wurdedasThemainachtvonzehnFällenvölligtotgeschwiegen.
Umgekehrt sind auch Ärztinnen und Ärzte nur selten bereit, die Initiative zu ergreifen. So
zeigteeineindenNiederlandendurchgeführteUntersuchung,dasszwarmehrals85Prozent
der befragten onkologischen Chirurgen der Meinung waren, dass auch Auswirkungen der
Behandlung auf die Sexualität Teil des Aufklärungsgespräches sein sollten. Aber nur jeder
DrittesprachzumindestgelegentlichdarüberundnurjederZehntetatdiesregelmäßig.
Neben dem üblichen Zeitmangel, gepaart mit Scham und falsch verstandener Diskretion,
waren viele Mediziner der Ansicht, dass behinderte oder an starken Schmerzen leidende
PatientenohnehinkeinesexuellenBedürfnissehaben.StudienbelegenaberdasGegenteil.
Selbst bei schwerstbehinderten Menschen und sterbenskranken Patienten bleibt – bei
entsprechenderBehandlung–diesexuelleLusterhalten.
Um diese Einsichten zu verbreiten und die Spirale des Schweigens zu durchbrechen, hat
Klinikvorstand Rudolf Likar in diesem Jahr eine eigene Session der ÖSG-Jahrestagung dem
Thema „Schmerz und Sexualität“ gewidmet und Erwin Riess als Vorsitzenden des Panels
gewinnenkönnen.
NeueWegederLustentdecken
Dabei wird er auch Studien und Fallbeispiele zitieren, die zeigen, dass es auch für schwer
schmerzgeplagtePatientenvielöfteralsgedachtmöglichist,ihreSexualitätauszuleben.So
widmetsichetwaeinganzesKapitelder„UnerhörtenLust“denPatientenmitchronischen
Rückenschmerzen.InvielenFällenreichendabeischoneinfacheMaßnahmenwiedieWahl
der richtigen Matratze, das Vermeiden bestimmter Körperstellungen oder schlicht ein
Polster an der richtigen Stelle, um wieder zu einem erfüllten Liebesleben zu finden.
„Behinderte und beeinträchtigte Menschen müssen erst Berge von paternalistischen
Schutt wegräumen, bevor sie sich ihren eigenen Wünschen und Sehnsüchten gemäß
entwickelnkönnen“,schreibendieHerausgeberimVorwortdesneuenBuches.„Aberes
lohntsich“,versuchtRiessBetroffenezuermuntern,„nachWegenzusuchen,wiemansich
durchSexualitätfürkurzeZeitausderSchmerzweltstehlenkann“.
Nicht zuletzt, weil - wie einige der von Riess und Likar ausgewählten Buch-Autoren
anmerken-eineaktivgelebteSexualitätsogarselbstzurSchmerzlinderungbeitragenkann:
BeikörperlicherErregungwirdindenGehirnzellendasHormonOxytocinfreigesetzt,dasden
Stress- und Angstpegel senkt und das Schmerzempfinden verringert. Die Studien des
Sexualforschers und Neurologen Beverly Whipple haben gezeigt, dass die Schmerztoleranz
nach dem Orgasmus bei Frauen um 75 Prozent höher ist. Auch Männer empfinden
SchmerzennachdemHöhepunktwenigerstark.
FürRiessbietetderZwang,sichmitdereigenenSexualitätzubefassen,zudemeinedoppelte
Chance.ZumeinenzwingenBehinderungundbehindernderSchmerzviele,neueSpielarten
derSexualitätzuerkunden.ZumanderenkanndasoffeneGesprächmitdemPartneroder
der Partnerin auch dazu führen, alte Probleme und sexuelle Disharmonien aus den
„gesunden Jahren“ aufzuarbeiten. „Ich habe das am eigenen Leib erfahren“, so Riess. „So
eineschöneundangstfreieSexualitäthabeichinmeinemfrüherenLebennichtgekannt“.
DasBuch:
RudolfLikar/ErwinRiess(Hrsg.)
UnerhörteLust
ZurSexualitätbehinderter
undkrankerMenschen
OttoMüllerVerlag
251Seiten,gebunden
ca.24,80Euro•E-Book:ca.Euro18,99
ISBN:978-3-70131-238-2
Medienkontakt:
B&KBettschart&KoflerKommunikationsberatung
Dr.BirgitKofler
06766368930;013194378
[email protected]
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