Syntax und Morphologie Einführungskurs . Vorlesung Flexion und Wortarten Grundbegriffe bzgl. „Wort“ Lexem 8 Linguistische Einheit mit bestimmter Wortart 8 Lexikalisches Wort 8 Bsp.: Maus Wortform 8 Flektierte Form eines Lexems 8 Bsp.: Maus, Mäuse, Mäusen Grundbegriffe bzgl. „Wort“ Grammatisches (=morphosyntaktisches) Wort 8 8 8 Wortform plus grammatische Funktion Zu einer Wortform können mehrere grammatische Wörter gehören. Bsp.: Maus nom., sg. ; Mäuse nom., pl. ; Mäusen akk., pl. Zitierform (Lemma) 8 8 8 Kodifizierte Wortform Per Konvention ausgewählter Lexikoneintrag Bsp.: Maus als Wb-Eintrag Was ist Flexion? flexio (lat. = ‚Biegung‘) Bildung und geregelte Veränderung der Wortformen bestimmter Klassen Verbindung der Wortstämme mit Flexionsformativen (= Laut/Schriftformen der Flexionsmorpheme) Flexion Wortstämme bestimmter Wortarten werden in morphologisch verschiedenen Wortformen realisiert, die regelhaft wortartspezifisch verschiedene syntaktisch-semantische Funktionen mitausdrücken. (Bussmann 1990) • Nomen --> Deklination • Verb --> Konjugation • Adjektiv --> Komparation, Deklination Flexionsparadigma Gesamtheit der Wortformen eines Lexems, angeordnet in einer konventionell festgelegten Reihenfolge Auch: Flexionsschema, Flexionstabelle (vereinfachtes) Bsp.: lesen - las - gelesen lese lesen liest lest liest lesen Aufgaben der Flexion Flexionsformative zeigen an, dass den flektierten Wortklassen bestimmte Kategorien (Genus, Numerus, Kasus, Tempus etc.) zugeordnet sind. • Generische Kategorien (Beschreibungsdimension) vs. Spezifische Kategorien (Werteausprägung der jeweiligen Dimension) Bsp.: Maus [NUMERUS: sg] [GENUS: fem] • Kategorien werden durch Klassen von Flexionsmorphemen verkörpert. Aufgaben der Flexion Flexionsmorpheme drücken grammatische Bedeutungen bzw. syntaktische Funktionen aus. Bsp.: -en in Hunden • Pluralmorphem: grammatische Bedeutung ‚gegliederte Vielzahl‘ • Dativmorphem: syntaktische Funktion‚ indirektes Objekt‘ Flexionsformen drücken grammatische Kongruenz aus. Bsp.: der große Baum - die großen Bäume Aufgaben der Flexion Flexionsformen haben auch kommunikativpragmatische Aufgaben, z.B. kennzeichnen die Modusformen des Verbs die Geltung sprachlicher Äußerungen. Bsp.: ich komme vs. ich käme Flexionsformative: Inventar 1. Additive Formative Werden dem Wortstamm hinzugefügt Flexionsaffixe (lat. affixus ‚angeheftet‘) Hilfsverben haben, sein, werden a) Kontinuierliche Formative - Werden allein oder kombiniert in ununterbrochener Folge angefügt Meist Flexionssuffixe wie -e, -(e)n, -er, -(e)s, -(e)t, -(e)st, -(e)ns, -(e)nd, -em Bilden i.d.R. synthetische Formen b) Diskontinuierliche Formative - Treten durch Formative anderer Klassen getrennt voneinander auf z.B. Hilfsverb plus Infinitiv/Partizip (hat etwas gesehen, wird morgen kommen, am größten) Bilden i.d.R. analytische Formen Flexionsformative: Inventar 2. Nicht-additive Formative 3. Formative, die durch Lautwechsel in Erscheinung treten (innere Flexion) - Ablaut: liegen - lag - gelegen - Umlaut: wurde - würde; Tochter - Töchter - Brechung: ich gebe - du gibst Formative mit additiver und nicht-additiver Komponente Beide Komponenten erscheinen, z.B. Verben mit sog. Rückumlaut: brenne - brannte Flexionsformative: Inventar 4. Morpheme ohne unmittelbare Formativrepräsentation Flexionsmorpheme, die nicht unmittelbar durch entsprechendes Formativ angezeigt sind = Nullmorphem (Nullstelle, ø) Verdeutlichung von Kategorien Beispiele: Indikativ : Konjunktiv (du komm-ø-st : komm-e-st) Präsens : Präteritum (du leg-ø-st : leg-te-st) Singular : Plural (die Frau-ø : die Frau-en) Form & grammatische Funktion Keine 1:1-Abbildung ! ! ! Redundanz Eine Funktion - mehrere Formen Bsp.: Dreifache Kennzeichnung des Plurals in die Wälder (Artikel, Umlaut, Morphem) Portemanteaumorphem (Polyfunktionalität) Eine Form - mehrere Funktionen Bsp.: -er markiert als GM Plural/Genitivplural und als Wobi-Suffix das maskuline Substantiv (der Lehrer) Synkretismus (Polyfunktionalität) Eine Flexionsform korrespondiert zu verschiedenen morphosyntaktischen Beschreibungen Ausdrückbar durch Portemanteaumorphem Bsp.: Dach (neutr., nom., sg./neutr., akk., sg./ neutr., dat., sg.) Form & grammatische Funktion Homonymie (Polyfunktionalität) Formen verschiedener Lexeme fallen zufällig zusammen Bsp.: trockene (Verbform oder Adjektivform) -er in Läufer vs. -er in meiner Polysemie (Polyfunktionalität) Gleiche Form in Bedeutungsvarianten Bsp.: -er in Bohrer, Mixer, Sender und in Läufer, Leser, Sender Allomorphie Ein und dasselbe Morphem wird verschieden realisiert Bsp.: Ort - örtlich, Wand- Wände, adlig - adelig Morphologische Veränderung der grammatischen Funktion Passivierung: • Kausative: Chichewa (Bantu-Spr.) nach (Baker 1988) • Die Studentin kauft ein Buch. -- das Buch wird gekauft. Mtsikana a+na+u+gw+ets+a mtsuko girl SubjAgr+PAST+ObjAgr+fall+CAUS+ASP waterpot „the girl made the waterpot fall“ Applikative: Chichewa nach (Baker 1988) • Mbidzi zi+na+perek+er+a nkhandwe msampha zebras SubjAgr+PAST+hand+APPL+ASP fox trap „the zebras handed the fox the trap“ Wortarten (parts of speech) Ergebnis der Klassifizierung der Wörter nach Form- und Bedeutungsmerkmalen Zahl schwankt je nach Gliederungsaspekten und Zweck (z.B. Tagging) Mögliche Gliederungsaspekte: Æ morphologisch • Flektierbar? Æ syntaktisch • Satzgliedwertig?, mit Kasusforderung?, artikelfähig? etc. Æ semantisch • Dinglichkeit? Eigenschaft?, Prozess?, Relation? Wortarten des Deutschen (Nach Helbig/Buscha 1984) 2. 1. Hauptwortklassen: a) b) c) d) Verben Substantivwörter Adjektive Adverbien Funktionswörter: a) b) c) d) e) f) g) h) Artikelwörter Präpositionen Konjunktionen Partikeln Modalwörter Negationswörter Satzäquivalente Pronomen „es“ XEROX Tagset für Deutsch Tag Description Example +NOUN common noun, nominalized adjective, nominalized infinitive,or proper name Hut, Leute [das] Gute, [das] Wollen, Peter, [die]Schweiz +VVFIN finite verb form [er] sagt +VVINF infinitive [er will] sagen, einkaufen +VVIZU infinitive with incorporated "zu" [um] einzukaufen +VVPP past participle: [er hat] gesagt +VAFIN finite auxiliary [er] ist, [sie] haben +VAINF auxiliary infinitive [er will groß] sein +VAPP auxiliary past participle [er ist groß] geworden +VMFIN finite modal [er] kann, [er] mochte modal infinitive [er wird kommen] können, [er hat kommen] wollen +VMPP modal past participle [er hat es] gekonnt +ART article der [Mann], eine [Frau] +VMINF Tag Description Example +PERSPRO personal pronoun ich, du, ihm, mich, uns +REFLPRO reflexive "sich" sich +REZPRO reciprocal "einander" einander +POSPRO possessive pronoun [das ist] meins +POSDET possessive determiner mein [Haus] +INDDET indefinite determiner kein [Mensch] +RELPRO relative pronoun [der Mann,] der [lacht] +WPRO interrogative pronoun wer [ist da?] +WDET interrogative determiner welche [Nummer?] +ADV non-adjectival adverb oft, heute, bald, vielleicht +CARD cardinal 1, eins, 1/8, 205 +ORD ordinal 2., dritter, 1.2. +COORD coordinating conjunction und, oder +SENT sentence final punctuation .;?! +CM comma , +PUNCT other punctuation, bracket : ( ) [ ] - "K '' Semantische Gliederung des Nomen substantivus Konkreta • • • • Bezeichnen Gegenständliches: Appellativa (Gattungsnamen): Stoffnamen: Kollektiva (Sammelnamen): Individuativa (Eigennamen): Dach, Frau, Ball Mensch, Säugetier, Pflanze Holz, Brot, Wasser, Sauerstoff Literatur, Obst, Vieh Heidelberg, Otto, Pfälzer Wald Abstrakta • • • Bezeichnen Nicht-Gegenständliches: Bezeichnung von Beziehungen: Freundschaft, Ordnung Bezeichnung von Eigenschaften: Klugheit, Härte Bezeichnung von Vorgängen/Zuständen: Leben, Bewegung Syntaktische Gliederung des Nomen substantivus (Dt.) Einteilung nach Funktion im Satz, die sich aus Einsetzbarkeit in „Leerstellen“ einer anderen selegierenden Kategorie ergibt. Subjekt Direktes Objekt Indirektes Objekt Präpositionalobjekt Präpositionalattribut Präpositionaladverb Die Frau kommt. Max gibt der Frau ein Buch. Max gibt der Frau ein Buch. Die Frau bekommt von Max ein Buch. Das Buch von diesem Verlag ... Die Frau kommt in die Buchhandlung. (Die Frau las das Buch zwei Tage lang. ) Morphologische Kategorien des Nomen substantivus (Dt.) Genus: • Numerus: • • Singular, Plural Dual (z.B. im Bayr.) Kasus: • • Æ Maskulinum, Femininum, Neutrum Nominativ, Akkusativ, Dativ, Genitiv (Präpositionalkasus) Andere Sprachen können andere generelle und/oder spezifische Kategorien aufweisen. (s. Übungsaufgabe) Deklinationsparadigmen (Dt.) Haupttypen stark schwach null Nom -ø - (e) -ø Gen - (e)s - (en) -ø Dat - (e) - (en) -ø Akk -ø - (en) -ø Beispiele: Stark: der Tag-ø, des Tag-(e)s, dem Tag-(e), den Tag-ø Schwach: Null: der Mensch-ø, des/dem/den Mensch-en die/der Tasche-ø Deklinationsparadigmen (Dt.) Nebentypen Unregelmäßig Eigennamen Nom - (e) - (e) Gen - (en)s -(s),- (ens) Dat - (en) - (en) Akk - (en) - (en) Beispiele: unregelmäßig: der Name, des Name-ns, dem Name-n, den Name-n Eigennamen: der/des/dem/den Otto-ø Semantische Gliederung der Verben Kennzeichnung verschiedener Geschehensu. Seinsformen a) b) c) d) e) Tätigkeitsv. (lesen, wandern) Handlungsv. (etw. bauen, jmd. helfen) Vorgangsv. (altern, sterben, blühen) Ereignisv. (regnen, rascheln) Zustandsv. (sein, bleiben, wohnen) Unterscheidung nach Aktionsarten a) b) c) d) e) f) g) Durative/ imperfektive V. (blühen, leuchten, schlafen) ‚Verlauf‘ Frequentative V. (schwingen, flattern) ‚Wiederholung‘ Intensive V. (rasen, schnitzen) ‚Verstärkung‘ Punktuelle/ mutative/ perfektive V. (brechen, platzen, treffen) ‚Zeitpunkt, Abschluß‘ Inchoative/ ingressive V. (erblühen, einschlafen, entzünden) ‚Eingangsphase‘ Egressive/ resultative V. (verblühen, zerreißen, erschlagen) ‚Endphase, Ergebnis‘ Faktitive/ kausative V. (fällen, versenken, weißen) ‚bewirktes Geschehen‘ Syntaktische Gliederung der Verben (Dt.) Anteil bei Bildung des Prädikats a) b) c) Vollverben (schlafen, lesen) Hilfsverben i.e.S. (haben, sein, werden) Hilfsverben i.w.S.: • Modalverben (dürfen, können, mögen etc.) • Modifizierende Verben (drohen, pflegen) • Kopulative Verben (sein, werden, scheinen, heißen, bleiben) • Funktionsverben (zur Aufführung bringen) Syntaktische Gliederung der Verben (Dt.) Rektion/Subkategorisierung a) b) c) Intransitive Verben Transitive Verben (i.e.S. nur direktes Obj., i.d.R. auch indirektes Obj. ) Ditransitive Verben --> Parallelen zur Valenz (Wertigkeit) des Verbs Syntaktische Gliederung der Verben (Dt.) Reflexivität a) b) c) d) Nicht reflexive Verben (lesen, tanzen) Echte reflexive Verben (sich [akk] freuen, sich [dat] etwas einbilden) Unechte reflexive Verben (sich/ihn waschen, sich/ihr etw. kaufen) Reziproke Verben (sich verloben, sich einigen) Form des Subjekts a) b) Persönliche Verben (denken, splittern, laichen) Unpersönliche Verben (hageln, rascheln, klopfen) Morphologische Gliederung der Verben (Dt.) Regelmäßige Verben • schwache Verben (Stammformen durch einheitliche Tempusformative) wie arbeiten-arbeitete-gearbeitet • Verben mit Rückumlaut (e/a-Wechsel des Stammvokals) wie brennen-brannte-gebrannt • Verben mit verschiedenen Vokal-/Konsonantenveränderungen wie dürfen-durfte-gedurft, wissen-wusste-gewusst, bringen-brachte-gebracht, denken-dachte-gedacht, haben-hatte-gehabt Morphologische Gliederung der Verben (Dt.) Unregelmäßige Verben • starke Verben (Stammformen mit Ablaut) wie singen-sang-gesungen, laufen-lief-gelaufen, sprechen-sprach-gesprochen, lesen-las-gelesen Morphologische Verbalkategorien des Dtn. Primär: Tempus: Präsens, Präteritum, Perfekt, Plusquamperfekt, Futur I und II Modus: Genus: Indikativ, Konjunktiv I und II, Imperativ Aktiv, Passiv Sekundär: Person: 1.,2.,3. Numerus: Singular, Plural Æ Andere Sprachen können andere generelle und/oder spezifische Kategorien aufweisen. (s. Übungsaufgabe) Tempora und ihre Funktionen Präsens: Präteritum: Perfekt: Plusquamperfekt: Futur I: Futur II: ‚gegenwärtig gültig‘ ‚vergangen‘ ‚vollzogen‘ ‚vergangen + vollzogen‘ ‚erwartet‘ ‚erwartet + vollzogen‘ Modi und ihre Funktionen Indikativ: ‚wirklich‘ Max kommt. Imperativ: ‚gefordert‘ Komm,Max! Konjunktiv I: ‚vermittelt‘, ‚indirekte Rede‘ X sagte, Max komme. Konjunktiv II: ‚irreal‘, ‚vorgestellt‘ Käme Max, dann... Genera und ihre Funktionen --> „Handlungsrichtung des Verbs“ Aktiv: • neutrale Grundform, i.a. agensbezogen Max hilft einer alten Frau. • Auch nicht agensbezogen/ agensunabhängig Die Läden schließen um 20.00 Uhr. Genera und ihre Funktionen --> „Handlungsrichtung des Verbs“ Passiv: • Agens bleibt ungenannt oder wird präpositional eingeführt (mit x, durch x, von x) Einer alten Frau wurde (von Max) geholfen. • Vorgangspassiv und Zustandspassiv Die Läden werden geschlossen. Die Läden sind geschlossen. Ersatzpassiv Æ Unpersönliche Ausdrucksweise, agensabgewandt Aktivformen mit passivischer Bedeutung Bekommen + Partizip II Æ • Lassen + zu + Infinitiv • • Die Tür öffnet sich. Achtung: Nicht mit echten reflexiven Verben! Subjektverschiebung • Das lässt sich erklären. Reflexive Verben • Sie bekommt das Buch gebracht. Der Laden schliesst um 20.00 Uhr. Funktionsverbgefüge Das geriet leider in Vergessenheit. Konjugationsparadigmen Synthetische (einfache) Formen: • finite Verbform Analytische (zusammengesetzte Formen): • Was gehört zu einem vollständigen Paradigma des dtn. Verbs? 9 9 9 Æ finite + infinite Verbform Tempusparadigma Konjunktivparadigma Paradigma Vorgangs-/Zustandspassiv S. Übungsaufgabe Infinite Verbformen des Dtn. Partizip I: aktivisch geschehend • Der lesende Junge Partizip II: passivisch geschehend, vollzogen/abgeschlossen • Das gelesene Buch Infinitiv: Nennform, ohne Konjugationsmerkmale Infinitiv I --> ‚Dauer‘: lesen Infinitiv II --> ‚Abschluss‘: gelesen haben Formenbestand für Konjunktiv Konjunktiv I: Präsensstämme 8 8 8 Er komme. Er sei gekommen., Er habe gelacht. Er werde kommen., Er werde gekommen sein. Konjunktiv II: Präteritialstämme 8 8 8 8 Er käme. Er lachte. Er wäre gekommen. Er hätte gelacht. Er würde kommen. (Konditional I) Er würde gekommen sein. (Konditional II) Syntaktische Gliederung der Adjektive (Dt.) Verwendung: a) b) c) Attributiv: Prädikativ: Adverbial: die kluge Frau Die Frau ist klug. Das hat sie klug angestellt. Valenz/ Subkategorisierung: • Ein-, zwei- oder dreistellig Morphologische Kategorien des Adjektivs (Dt.) Primär: Komparation: Positiv-Komparativ-Superlativ schön - schöner - am schönsten Sekundär: Numerus, Genus, Kasus Æ Æ Sekundäre Kategorien der Adjektivdeklination treten bei attributiver Verwendung in Erscheinung. Unterscheidung starke/schwache Deklination (s. Aufgabe) Charakteristika Flexion Eigenschaften 9 Systematisch: Hinzufügung eines Flexionsaffixes zu einem Stamm hat immer denselben Effekt. Bsp.: -en alsPlural 9 Produktiv: Neuerworbene Lexeme in einer Sprache folgen automatisch den vorhandenen Regeln. Bsp.: neues Verb weist die entsprechenden Tempusformen auf 9 Kategorieerhaltend: Die grammatische Kategorie eines Wortes wird durch Flexion nicht verändert. Wortbildung WBK und Wortgruppe (I) Zwei Arten der Verknüpfung von Zeichen: y y Syntaktische Verbindung als Wortgruppe oder Satz Wortbildungskonstruktion (WBK) Wortbildungskonstruktion: y stabiler Komplex aus verschiedenen Morphemen y Nach Regeln der Wortbildung gebildetes komplexes Wort (z.B. Sturmwarnung) oder sekundäres Simplex (z.B. Band) Wortbildung Wortbildung ist das Bilden anderer/neuer Wörter durch y die Kombination vorhandender Wörter miteinander y Affigierung y das Umsetzen eines Wortes in eine andere Wortart Wortschöpfung Doppelcharakter der Wortbildung y Schaffung von Benennungseinheiten – Bildung von Wortschatzeinheiten y Bildung syntaktischer Parallelkonstruktionen – Produktion von Zeichenkombinationen in Wortstruktur WBK und Wortgruppe (II) Keine durchgehende Parallelität zwischen WBK und syntaktischer Wortverbindung y Keine Möglichkeit attributiver Einschübe – Buchausstellung vs. Ausstellung interessanter Bücher y Flexionslose Verbindung der ersten unmittelbaren Konstituente – Ein großer Teil vs. ein Großteil y Keine obligatorische Wortartenausprägung bei den Teilen – Lesbar vs. etw., das man lesen kann • Geringeres Maß an Explizitheit der semantischen Beziehungen zwischen den unmittelbaren Konstituenten – Sonnenschutz vs. Schutz gegen die Sonne Struktur der WBK Morphemanalyse y Segmentierung, die zur linearen Aufreihung der Morpheme führt – Schreib-tisch-platte, sprach-wissen-schaft-lich Konstituentenanalyse y Hierarchische Strukturierung von Morphemen/Morphemkombinationen y Was sind die unmittelbaren Konstituenten (UK) der WBK? – Schreibtisch-platte, sprachwissenschaft-lich y I.d.R. binär Arten der Wortbildung WBK mit UK-Struktur y Komposition y Derivation y Wortkreuzung y Reduplikationsbildung Konversion Implizite Derivation Rückbildung Kurzwortbildung Komposition UK (Erstglied/Zweitglied) gebildet durch: y freie Basismorpheme bzw. Morphemkonstruktionen, die außerhalb des Kompositums als Wort oder Wortgruppe auftreten können – Langstreckenflug, Patient-Arzt-Verhältnis, Lesebuch y Konfix und Basismorphem – Biogas, Schwiegermutter y Konfixe – Disko-thek (Explizite) Derivation UK heißen Derivationsbasis und Derivationsaffix (Derivatem) Derivationsbasis = freie(s) Morphem/Morphemkonstruktion Derivationsaffixe = y y y Suffix Präfix Kombination beider Ordn-ung, fröh-lich, krise-l-n Un-glück, ur-alt, ver-gießen Ge-red-e, ver-un-rein-ig-en Formen der Affigierung Suffigierung y Rechts vom Stamm wird ein Affix hinzugefügt y Rechnung, schreibbar, Kerzen Präfigierung y Links vom Stamm wird ein Affix hinzugefügt y Aufmarsch, loslegen, unbekannt Formen der Affigierung Zirkumfigierung (Parasynthese) y Ge-sing-e, be-brill-t, un-ausweich-lich Infigierung y Affix steht innerhalb eines anderen Morphems y Bsp.: Tagalog Stamm: sulat („schreiben“) Infixableitungen: sumulat (Subjektfokus) sinulat (Objektfokus) • Bsp.: Deutsch Hin-ge-laufe, entscheidungs-un-freudig Wortkreuzung Verschränkung von lexikalischen Einheiten (i.d.R. zwei) Zwei (komplexe) Segmente der beiden UK überlagern sich: y Vorwiegend aus überwiegend + vorherrschend y Jochelbeere aus Johannisbeere + Stachelbeere y Affenteuerlich (H.Heine) aus Affen + abenteuerlich y Jein aus ja + nein y Smog aus smoke + fog Reduplikation Eine elementare Art morphologisch-struktureller Erzeugung von Wörtern durch Dopplung einer Konstituente. • • Teile des Basismorphems werden wiederholt Einfügung: links, rechts oder mittig Haupttypen: y Einfache Dopplung (im) Klein-Klein (des Alltags) y Reimdopplung Schickimicki y Ablautdopplung Pingpong, tipptopp, Tingeltangel Konversion Syntaktische Transposition von Wörtern oder Wortgruppen mit potentieller semantischer Eigenentwicklung und Lexikalisierung Ohne Stammvokalveränderung oder Affigierung Ergebnis: sekundäre Simplizia/Morphemkomplexe Beispiel: Laufen --> Lauf, hoch --> Hoch, besuchen --> Besuch, eine Hand voll --> Handvoll Æ ?? Eigener Wortbildungsprozess oder Stipulation eines Nullaffix?? Implizite Derivation Prozesse deverbaler Derivation von Substantiven und Verben ohne Affigierung Mit Wechsel des Stammvokals Heute unproduktiv Beispiele: y N: werfen -> Wurf, entziehen -> Entzug, fortschreiten -> Fortschritt • V: fallen -> fällen Rückbildung Rückbildung Derivation durch Tilgung oder Austausch eines Suffixes Mit Transposition in andere Wortart Beipiele: y Sanftmut <-- sanftmütig, notlanden <-- Notlandung y Mürre <-- mürrisch Kurzwortbildung Kürzung einer Vollform Ohne Wortartwechsel Ohne semantische Modifikation Ergebnis: Wortvariante Beispiele: y Profi <-- Professional, Studi <-- Studierende, Auto <-Automobil, Bus <-- Omnibus Abkürzungen: PC, UNO, WHO, TK etc. Wortbildungsmodelle Wortbildung ist y die Kombination vorhandender Wörter miteinander oder mit Affixen nach bestimmten Modellen y Das Umsetzen eines Wortes in eine andere Wortart Wortbildungsmodell (Wortbildungsmuster) y Morphologisch und lexikalisch-semantisch bestimmtes Strukturschema, nach dem Reihen gleichstrukturierter WBK mit unterschiedlichem lexikalischem Material gebildet werden. y Beispiel: Verbstamm + Adjektivsuffix -ig mit der Bedeutung „Neigung zu der durch V bezeichneten Tätigkeit/Verhaltensweise habend“: bummel-ig, taumel-ig Wortbildungsmodelle Sollten Angaben über folgende Strukturmerkmale enthalten: a) Morphemcharakteristik der UK – – BM, BM-Komplex, Affix/Konfix ? Wortart, semantische Klasse bei BMs b) Reihenfolge der UK c) Wortart und semantische Klasse der „Zieleinheit“ (bei Derivaten) d) Formativstrukturelle Spezifika der „Zieleinheit“ (Interfigierung, Akzentverteilung, Bindestrich etc.) e) Syntaktisches Verhalten der „Zieleinheit“ f) Wortbildungsbedeutung Produktivität Fähigkeit von Wortbildungselementen zur Neubildung sprachlicher Ausdrücke y Hochproduktive Modelle – Deverbale Adjektive auf -bar – Deverbale Substantive auf -ung y Schwach produktive Modelle – Präfixbildungen mit ur-, erz – Suffixbildungen mit -l-(n) y Unproduktive Elemente – -t in Fahrt von fahren Produktivität Produktivität Textfrequenz Modell der deverbalen Präfixbildungen mit wider- ist schwach, aber WBKs wie widersprechen, -spiegeln, -stehen kommen häufig in Texten vor. Wortbildungstyp Analytische Betrachtung der WBK y Morphologisch und lexikalisch-semantisch bestimmtes Strukturschema, das sich bei der Analyse gleichstrukturierter WBK ermitteln lässt. Im Unterschied zum produktiven Modell werden als Typ auch die WBK erfasst, die nur noch im Lexikon gespeichert sind, wie z.B.: y Verben wie obliegen, obsiegen, obwalten) y Substantivische Reihe der impliziten Derivate (werfen-Wurf, fliegen-Flug) Wortbildungstyp Schritte der praktischen Analyse a) b) c) d) e) Feststellung der Grundform Ermittlung der UK (formale und semantische Kriterien) Weitere Spezifizierung der UK (Wort, Wortgruppe, Affix?, Wortart?) Wortbildungsart? Weitere formativstrukturelle Spezifika (Interfigierung, Akzentverteilung, Stammvokalveränderungen, Schreibweise etc.) f) g) h) Wortbildungsbedeutung Angaben zur Produktivität (Modelle?) Stilschichtliche Markierungen?, textsortenabhängig? Zum Status komplexer Konstruktionen Okkasionalismen y Spontane Wortbildung, kontextabhängig bzw. textgebunden – Gedankenbefehl, novemberöde Lexikalisierung y Aufnahme in den Wortbestand einer Sprache y Übergang von okkasioneller WBK in usuelle WBK (Lexem) – Lärmpegel, Hausaufgabe Idiomatisierung y (Historischer) Vorgang der Bedeutungsänderung komplexer Konstruktionen y Gesamtbedeutung ist nicht mehr aus Teilbedeutungen ableitbar – Zwerchfell Zsf. Wortbildung Untersuchung und Beschreibung von Verfahren und Gesetzmäßigkeiten bei der Bildung komplexer neuer Wörter auf der Basis vorhandener sprachlicher Mittel. (Bussmann 1990) y y y Klassifizierung der sprachlichen Mittel, die als Elemente der Wortbildung verwendet werden. Beschreibung der Strukturtypen und -modelle der Wortbildung. Beschreibung der semantischen Aspekte der Wortbildungsvorgänge Wortbildung Eigenschaften 9 Unsystematisch: Hinzufügung eines Affixes zu zwei verschiedenen Stämmen kann völlig verschiedene Bedeutungen haben. Bsp.: schön-er vs. Häus-er 9 Semi-Produktiv: Neuerworbene Lexeme in einer Sprache können den vorhandenen Regeln folgen, müssen aber nicht. Bsp.: gazumpen als neues Verb, aber nicht zwingend Gazumpkeit, Gazumper etc. bildbar Unsystematische Lücken: Läufer vs. *Stehler 9 Kategorieverändernd: Die grammatische Kategorie eines Wortes kann durch Affigierung verändert werden. Bsp.: lesen vs. lesbar Wortbildung oder Flexion? Komparation vs. Augmentation y klug - klüger - am klügsten y superklug, allerklügste Diminuierung y Bursche - Bürschchen, Ring - Ringlein, blau bläulich Plural vs. Kollektivierung y Berg - Berge - Gebirge, Ast - Äste - Geäst Komposition Was ist Komposition? Konkatenation von Wörtern, um neue Wörter zu bilden Phänomen der Morphologie-SemantikSchnittstelle schlechthin Theoretische Annahmen Nach Olsen (1986) Lexikalische Komponente 1. 2. Basis Syntaktische Komponente 1. Basis a) Lexikon a) Phrasenstrukturregeln b) Wortstrukturregeln b) c) Morpho-lexikalische Einsetzung Syntakto-lexikalische Einsetzung Allomorphie- und weitere Regeln? 2. Transformationsregel „Move D“ Morphologische Struktur der Nominalkomposita N --> N N N --> Adj N N --> V N N --> Adv N N --> Part N N --> Pron N N --> Num N Entschädigungsfond, Glückssträhne Hochspannung, Rauhreif, Exklusivinterview Aufholjagd, Sprühregen, Stehbankett Aufwärtstrend, Außentemperatur Ja-Stimme, Fürbitte, Nein-Sager, Vorwort Wir-Gefühl, Ich-Mensch Erstaufführung, Achterbahn, Zweitstimme Morphologische Struktur der dtn. Nominalkomposita Rekursive, binäre Strukturen – – – Rauschgifthändlerring Jugendarbeitsschutzgesetz Krankenkassenkostendämpfungsgesetz Endozentrisch y Rechte Konstituente ist der Kopf y Kopf bestimmt morphosyntaktischen Eigenschaften des gesamten Wortes – bürgernah, Ziehkind Funktionale Einteilung Einteilung der Komposita nach den grammatischen Funktionen der Konstituenten in der entsprechenden sententialen Paraphrase Komposita mit V y Typ V - S – Hebekran, Putzfrau, Schreikind y Typ S - V – Erdbeben, Mutterliebe, Nachtanfang y Typ S - V- O – Obstverkäufer, Romanschreiber, Buchdrucker Funktionale Einteilung Komposita ohne V (bzw. mit Pro-V) y S- O („S treibt O“) – Windmühle, Pferdewagen, Dampfschiff y S -O („S besteht aus O“) – Filzhut, Holzschuppen, Blechdose y O- S („O wird von S verkauft/gebracht“) – Postbote, Fischfrau, Gemüsehändler y S-O („S produziert O) – Bienenhonig, Ziegenmilch, Computerlyrik y S-Adv („S befindet sich bei/auf“) – Blumenwiese, Feldstein, Almhütte Interpretation der Komposita Bsp. nach Heringer (1984) Bedeutung von Fischfrau: Frau, die Fisch kauft Frau des Fisches Frau, die im Sternbild des Fisches geboren ist Frau und Fisch (=Nixe) Frau, die Fisch is(s)t Frau, die Fisch produziert Frau, die vom Fisch abstammt [...] Interpretation der Komposita Usuelle Komposita Produktive Komposita Buttermilch, Froschmann Fischfrau, Holzkiste a) b) c) Auf eine festgelegte Interpretation beschränkt. Im Lexikon mit voll spezifizierten Lexikoneintrag verzeichnet. In Syntax wie Simplizia a) b) c) NICHT auf eine festgelegte Interpretation beschränkt. Kompositionale Semantik Bedeutung des Kompositums = Bedeutung der Konstituenten + verbindende Relation Relation ist offen (mehrfach interpretierbar). Interpretation der Komposita Lexikalisierte Komposita Transparente Komposita Bahnhof, Kontostand Hinterhof, Messestand Analyse auf morphologischer Ebene Æ Æ Analyse auf semantischer Ebene Interpretation der Komposita Kompositionsprozess uneingeschränkt und vollproduktiv y Es gibt keine finite, festgelegte Menge möglicher semantischer Relationen zwischen Komposita y Verkettung zweier X-Konstituenten zu einer Wortstruktur durch aktive Anwendung der Wortstrukturregeln y Morpholexikalische Einsetzung zweier Lexeme y Bedeutung der Lexeme + Bedeutung der Konkatenation Typen von Komposita Nicht-Rektionskomposita y Nicht-Kopf spezifiziert/determiniert Kopf y Denotat des Kompositums ist Untermenge der Denotatsmenge des Kopfes y Unterspezifikation der Relation zwischen Kopf und Nicht-Kopf – Bsp. Weinkeller --> Relation „aufbewahren in“ Typen von Komposita Rektionskomposita y Kopf von Prädikat mit grammatischer Rektion abgeleitet (V, Adj., N) – Autofahrer (V) – bleifrei (Adj.) – Muttersöhnchen (N) y Nicht-Kopf ist Argument des Kopfes y Semantische Relation grammatisch festgelegt – Bsp. Wetterbeobachter --> Relation „beobachten“ Rektionskomposita Argumentstruktur muss Grundlage der Interpretation sein Keine Rektionskomposita: y Unfallfahrer --> NICHT: „Fahrer des Unfalls“ y Schlussbesprechung --> NICHT: “Besprechung des Schlusses“ Semantische Klassifizierung Determinativkompositum y Nichtkopf bestimmt den Kopf näher – Großstadtkind, Freiheitskämpfer, steingrau, Hochhaus Kopulativkompositum y Konstituenten nebengeordnet y Glieder vertauschbar und gleich in Wortart – Strumpfhose, rotgrün, nasskalt, süsssauer Semantische Klassifizierung Possessivkompositum y Determinatives Verhältnis, aber Kopf bezeichnet keinen Oberbegriff, unter den sich das Denotat einordnen lässt: – Langbein, Dickkopf – Blaukehlchen, Neunauge, Grünschnabel Identifikativkompositum y y Sondertyp Zweites Glied ist desemantisiert – Abkühlungprozess, Trocknungsverfahren, Aktenmaterial Klammerform Sonderfall des Determinativkompositums Meist N + N Semantische Beziehung zwischen den UK ist nur aufzudecken, wenn ein Mittelteil ergänzt wird: y Bier(glas)deckel y Laub(holz)säge y Tank(stellen)wart Fugenelemente Kompositionsfuge y Nahtstelle, an der die beiden UK aneinandertreffen. Fugenelement y Synchron: funktionsloses, „erstgliedstammbildendes“ Element • Diachron: Flexionsendung • Inventar: -(e)s, -e, -(e)n, -er, -ens Komposition fremdsprachiger Elemente Zwei aus dem Griech. stammende Basismorpheme, die im Dtn. nicht frei sind (neo-classical compounds) y Ein Fremdelement frei, ein Fremdelement ist Variante eines freien Morphems y Kosmo-biologie, Turbo-dynamo Ein Fremdelement frei, ein Fremdelement ist KEINE Variante eines freien Morphems y Biblio-graphie, Pharma-zeut, Mikro-skop Bio-Rhythmus, Geo-thermie Zwei freie Fremdelemente y Real-politik, Blanko-Scheck Komposition mit Fremdelementen Hybridisierung = Kombination heimischer und fremder Elemente: 1. Substantivische und adjektivische Komposition – – – 2. Verdeutlichende Bildungen – – 3. Fremdelemente als Erst- oder Zweitglied Relativ unbeschränkt Beispiele: Stereoanlage, Computerladen, korrosionsfest, formstabil Fremdelement und heimisches Element sind semantisch ähnlich Beispiele: Service-Dienst, Schutzpatron, Briefkuvert Fremdelement kann kein selbständiges syntaktisches Wort sein – Beispiele: Elektrokatze, Biogas, Agrostadt, Hydrokultur Enthalten Komposita Phrasen? Car-of-the-month competition, why-does-italways-happen-to-me air (Lieber 1988) Viel-zu-lange-Briefe-Schreiber, Ewig-nach-dergroßen-Liebe-Suchender, mit Zucker-in-denTank-Schütten Tunichtgut, HansguckindieLuft