CC by-nc-sa Joachim S. Müller Fisch Der Stör : : Ein Portrait des Jahres 2014 Aktiver Umweltschutz www.hessenfischer.net © Philipp Freudenberg Einblicke Die Störe sind eine erdgeschichtlich sehr alte Gruppe von Knochenfischen. Sie be­ siedelten bereits vor 250 Millionen Jah­ ren Meere und Flüsse. Auffallend sind die vier an der Maulspitze sitzenden Barteln, die fünf Reihen von Knochenplatten, die anstelle von Schuppen den Körper bede­ cken und die asymetrische Schwanz­ flosse. Das Skelett wurde im Verlauf der Evolution zu Knorpel rückentwickelt. Noch vor einem Jahrhundert war der Stör in Deutschland häufig und stellte eine feste Größe auf heimischen Tellern dar, und zwar nicht nur der begehrte Kaviar, seine Eier. Allerdings teilt er das Schick­ sal aller weit wandernden Fische und ist aus unseren Flüssen verschwunden. Die Wasserkraftanlagen verhindern die für die Fortpflanzung erforderliche Wanderung. In Nordeuropa waren zwei Störarten heimisch, der europäische Stör (Acipenser sturio) in der Nordsee und der Atlan­ tikküste, sowie der atlantische Stör (Acipenser oxyrinchus) in der Ostsee. Embryo nach Befruchtung und nach 3 Tagen Störe waren auch wirtschaftlich von Be­ deutung. So baute man in Hamburg 1871 eine eigene große Halle zur Ver­ marktung dieser Fischart. 1920 verkauf­ ten die Fischer in Altona noch 700 Exem­ plare. Der letzte Stör im Rhein wurde 1923 bei Rees, der letzte atlantische Stör aus der Ostsee im Jahr 1938 gefangen. Seit den 60er Jahren gilt diese Art in Deutschland als ausgestorben. Aufsehen erregte ein Einzelfang in der Nordsee im Jahre 1993. Die zoologische Sensation wurde versehentlich in der Kantine des Bonner Innenministeriums verwertet. Lebensweise und polaren Gewässer sehr zahlreich. Heute ist nur noch in der Gironde in Frankreich eine letzte Reliktpopulation von wenigen hundert Tieren des europäi­ schen Störs beheimatet. Trotz der Größe sind Störe friedliche Gesellen. Sie ernäh­ ren sich von Krebsen, Muscheln, Schne­ cken und anderen Kleintieren sowie von kleinen Fischen am Gewässergrund. Um Nahrung zu finden, orientieren sie sich überwiegend durch den ausgeprägten Geruchs- bzw. Geschmackssinn, der in den vier Barteln an der Maulspitze be­ sonders sensibel ist und durch das stark ausgeprägte Seitenlinienorgan, das Er­ schütterungen und Bewegungen auf grö­ ßere Distanz orten und analysieren kann. Der europäische Stör ist mit bis zu 6 m Länge und bis zu 400 kg Gewicht der größte Fisch, der in unseren Gewässern heimisch war. Der atlantische Stör wird bis zu 4 m lang. Vor etwa tausend Jahren waren die Tiere in allen Meeren rund um Europa, mit Ausnahme der subpolaren Embryo und Larve kurz vor dem Schlüpfen Geschlüpfte Larve Die urtümlichen Fische werden über 100 Jahre alt. Erst im Alter von 12 bis 14 Jah­ ren werden Männchen geschlechtsreif, die Weibchen erst mit 16 bis 18 Jahren. Die Tiere nehmen nicht in jedem Jahr an der Laichwanderung teil. Weibchen lai­ chen nur alle drei bis vier Jahre. Zum Lai­ chen wandern Störe zwischen April und Juli aus ihrem eigentlichen Lebensraum, den küstennahen Meeren, an ihre Ge­ burtsstätten, den Kiesbetten in den Ober­ läufen der Flüsse. Die Wanderung führt, je nach Wasserstand, bis zu 1000 km flussaufwärts, wobei sie schon aufgrund ihrer Größe nicht so weit flussaufwärts gelangen wie Forellen, Neunaugen oder Lachse. Nach dem Ablaichen wandern die Elterntiere sofort wieder zurück ins Meer. Die Jungtiere wandern langsamer flußabwärts und erreichen im Alter von etwa einem Jahr die brackigen Fluss­ mündungen, wo sie einige Jahre bleiben. Gefährdungen Andere Störarten In Südosteuropa und in Vorderasien le­ ben weitere Angehörige der Störfamilie. Darunter die größte Störart, der Hausen (Huso huso). Dieser war früher auch in der Donau zuhause und liefert den be­ sonders begehrten Beluga Kaviar. Er wird im heutigen Russ­l­and, wie andere kaviar­ produzierende Störarten, Sternhausen (Aci­penser stellatus) und russischer Stör (Acipenser gueldenststaedtii) rücksichts­ los gejagt und wird vermutlich bald aus­ gerottet sein. Der Sterlet (Acipenser ruthenus) ist mit maximal 1 m Länge die kleinste Störart und verbringt sein gan­ zes Leben im Süßwasser. Auch er kam früher in der Donau häufig vor. Verschiedene Sorten Kaviar © U.S. Bureau of Reclamation Die nahezu vollständige Vernichtung der Störbestände in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert war vor allem auf die zu­ nehmende Verbauung und Verschmut­ zung der Flüsse zurückzuführen. Heute fallen noch immer die wenigen verbliebe­ nen Individuen als Beifang der industriel­ len Hochseefischerei zum Opfer. Der Ab­ bau von Kies in der Gironde droht die letzten Laichgebiete Europas zu vernich­ ten. Die Größe der Tiere ist auch ein Hin­ dernis bei der Wiedereinbürgerung. Die Stauanlagen der Wasserkraftwerke sind schon für kleinere und sprungstärkere Wanderfische unüberwindbar. Die Dimen­ sionen der Fischtreppe in Geesthacht an der Elbe, die für Störe bis 3 m Länge aus­ gelegt ist, führen Wiederansiedlungsver­ suche an anderen deutschen Flüssen wie Rhein, Main, Neckar oder Mosel ad ab­ surdum, solange keine funktionierenden Wanderhilfen verfügbar sind. Störe waren beliebte Speisefische © T. Chu Fortpflanzung Das Geeshachter Stauwerk ist das ein­ zige Sperrwerk an der unteren Elbe. Die dort nach neuesten Forschungser­ geb­ nissen gebaute Fischaufstiegsanlage ist die einzige Anlage überhaupt, die eine nennenswerte Funktion belegen kann. Für den Fischabstieg sind bisher keine belegbar funktionierenden Wanderhilfen bekannt. Trotzdem ist die Elbe der einzige der großen deutschen Flüsse, in dem ein Versuch der Wiederansiedlung überhaupt eine Chance auf Erfolg haben könnte. Angler haben daher an der Elbe ein ent­ sprechendes Programm iniziiert, das nun mit Hilfe der Bundesregierung umgesetzt wird. Das Projekt wird intensiv wissen­ schaftlich überwacht, um permanent die Fortschritte und Rückschläge in die weitere Planung einzubeziehen. Werden nicht bald funktionierende Auf- und Ab­ stiegshilfen entwickelt und installiert, wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis die friedlichen Riesen endgültig aus Europa verschwunden sind. Dottersack beinahe aufgezehrt Weit entwickelte Larve Vollständig entwickeltes Jungtier © Daniel Döhne Verband Hessischer Fischer e.V. (VHF) – Aktiver Schutz durch Nutzung Äsche, Bachneunauge, Bitterling, Gründling, Mühlkoppe, Muscheln, Krebse, Biber, Ringelnatter, Eisvogel, Wasseramsel sowie einige Amphibien und Libellenarten ver­ danken ihren Lebensraum in Hessen dem VHF. Die Entstehung von Biotopen an Fließgewässern, Teichen und Tümpeln gehen auf die ehrenamtlichen Vorarbeiten ader im Verband organisierten Angelvereine zurück. Seit über 100 Jahren ist der VHF zur Stelle, wenn es um den Gewässerschutz und den Erhalt der biologischen Vielfalt geht. Impressum Herausgeber: Verband Hessischer Fischer e.V. • www.hessenfischer.net Layout: Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA – GIT VERLAG • www.git-labor.de Auflage: 50.000 Exemplare Sternhausen (Acipenser stellatus) © Daniel Döhne © NOAA, Jouko Lehmuskallio Gefördert durch das Land Hessen, verteten durch das Regierungspräsidium Darmstadt, aus Mitteln der Fischereiabgabe. Hausen (Huso huso) Sterlet (Acipenser ruthenus)