Kaviar statt Maggiwürfel: Als Investor unterstützt Peter

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LUXUS-SPEZIAL KAVIAR
Sieben Jahre dauert es, bis
der Russische Stör das erste Mal
Rogen produziert.
Lizenz
zum Melken
Kaviar statt Maggiwürfel:
Als Investor unterstützt
Peter Brabeck eine
Störzucht. Um an die Eier
zu kommen, werden die
Fische gemolken.
von M A R EN MEY ER, Text, und CHRISTIA N PFA MM ATTER, Fotos
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D
er erste Kunde an diesem
sonnigen Herbsttag landet
­
mit seinem privaten Helikopter. Er kauft eine Dose Kaviar,
und weiter geht der Flug. «Er
rief mich heute Morgen an
und fragte, ob er schnell vorbeikommen könne. Heute Abend fliegt er weiter in
die Lenzerheide zum Znacht», sagt Renato Stefani,
CEO der Kasperskian AG in Leuk-Susten. Selbst­
verständlich holt der Chef seine Kundschaft vom
­firmeneigenen Heliport ab und kutschiert sie zur
Eingangshalle. Genauso anspruchsvoll wie seine
Kunden ist auch das Produkt, das die Firma im
­Wallis gewinnt und vertreibt: Kaviar. Und um an die
schwarzen Perlen zu kommen, muss kein Stör sein
Leben lassen – die Rogen werden hier am lebenden
­Exemplar gewonnen.
Von dieser Methode war auch Nestlé-Präsident
Peter Brabeck-Letmathe angetan, als Geschäfts­
führer Stefani auf Investorensuche ging. Als Haupt-
KNOCHENFISCHE
Statt Schuppen haben
die Russischen Störe
Knochenplatten. Sind
die Fische noch nicht
ausgewachsen, stehen
die Platten ab wie
­Stacheln (oben links).
TEURER GENUSS
Der Kaviar aus Susten
wird am lebenden
Stör gewonnen. Das
hat seinen Preis:
800 Gramm kosten
über 2400 Franken
(oben rechts).
RUSSISCHER STÖR
Sieben Jahre dauert
es noch, bis der kleine
Stör seine ersten
Rogen produziert
(links).
SIBIRISCHER STÖR
Sechs Wochen alt ist
dieser Stör. Bei ihm
dauert es fünf Jahre,
bis er die ersten
Rogen produziert
(unten links).
aktionär stieg Brabeck privat 2015 ins Kaviar­
geschäft ein. In der Schweiz erfreuen sich die
luxuriösen Fischeier grosser Beliebtheit: Laut der
Eidgenössischen Zollverwaltung stiegen die Importzahlen seit 2012 von damals fünf Tonnen auf fast
­sieben Tonnen im Jahr 2015. Gezüchtet werden die
Störe in der Schweiz hingegen selten. Neben der
Farm in Susten gibt es noch eine weitere im Tropenhaus Frutigen im Kanton Bern.
Es riecht wie an einem heissen Sommertag an der
Zürcher Limmat. In der 7500 Quadratmeter grossen
Halle reiht sich Wasserbecken an Wasserbecken.
Darin schwimmen Störe dicht gedrängt – in den
einen Behältern die Sibirischen, in den anderen die
Russischen. Das Wasser hat durch die Futterpellets
eine grünliche Färbung. Je nach Wachstumsstadium werden die Tiere mehrmals am Tag gefüttert.
Die vom Aussterben bedrohten Knochenfische würden gemäss den behördlichen Richtlinien gehalten,
sagt Stefani.
Zehn Prozent des Körpergewichts
Eine Beckenreihe weiter schwimmen einige wenige
Exemplare. Sie erholen sich gerade von der Rogenentnahme – rund ein Jahr bis 18 Monate wird es dauern, bis sie wieder Kaviar produzieren. Etwa zehn
Prozent des Gesamtgewichts eines Störs machen die
Fischeier aus: Ein Sieben-Kilo-Exemplar ergibt also
700 Gramm Kaviar. Wie die Entnahme genau von­
•
stattengeht, ist geheim.
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LUXUS-SPEZIAL KAVIAR
«Russland ist das Land mit dem
höchsten Kaviarimport, wir sehen
hier ein grosses Potenzial.»
FÜTTERUNG In der
7500 Quadratmeter
grossen Halle
schwimmen die Störe.
Betriebsleiter Timm
Schneider befüllt den
Futterautomaten, der
mehrmals am Tag
läuft (oben links).
•
Ohnehin ist Kasperskian so verschwiegen wie Google. Angaben zu der Anzahl
Tiere, den gewonnenen Rogen oder der
Nachzucht gibt es keine. Man wolle der
Konkurrenz keine Infor­ma­tionen liefern,
sagt Stefani. So bleibt man vage: «In unseren Becken befinden sich Störe im zweistelligen Tausender­bereich.» Die Nachzucht läuft bereits auf Hochtouren.
In einem Nebenraum stehen badewannengrosse Becken, in denen sich
Hunderte kleine, bis handgrosse Störe
tummeln. Befruchtet werden die Eier per
Hand, die Schlupfrate liegt bei über 80
Prozent. Jede Nachzucht ist zur Hälfte
männlich und weiblich. Nach rund zwei
Jahren kann das Geschlecht der Fische
mittels Ultraschallgerät festgestellt werden. Einige männliche Tiere werden zur
Zucht behalten, die anderen nach einigen
Jahren für den Verzehr geschlachtet.
Auch wird der Kaviar nicht ausschliesslich den lebenden Tieren entnommen. Ein
sehr geringer Teil des Kaviars werde traditionell gewonnen. Der Stör würde aber
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natürlich ganz verwertet, so Renato Stefani. Doch bis die kleinen Fische ihre
­ersten Rogen produzieren, dauert es noch
Jahre: sieben bei Russischen Stören, fünf
bei Sibirischen.
Sauber und sicher
Der Ort der Entnahme und Verarbeitung
liegt im hinteren Teil der Halle, gut abgeschirmt vor neugierigen Blicken. Auch
aus Hygienegründen darf dort niemand
unbefugt hinein. Stefani erklärt, dass die
Störe mit einer nichtinvasiven Massagemethode «gemolken» würden. Der Fisch
werde zum Ablaichen bewegt. Dabei würden weder Eileiter noch andere Teile des
Tieres angeschnitten. «Die Entnahme
dauert maximal fünf Minuten und ist für
den Stör völlig ungefährlich.» Das Wohl
der Tiere stehe an erster Stelle, denn nur
ein gesunder Stör produziere erneut Kaviar, so Stefani. Die Verlustrate ist bei
Kasperskian sehr niedrig: Nur rund ein
Prozent der Störe sterben – in anderen
­Betrieben, in der Aquakultur könne die
KAVIARPRODUKTION
Topmodern und fast
so verschwiegen wie
Google: die Firma
Kasperskian in
Susten im Wallis
(oben rechts).
GROSSAKTIONÄR
Insgesamt wurden 30
Millionen Franken in
die Firma investiert.
Nestlé-Präsident
Peter Brabeck ist
­privat einer von drei
Investoren (links).
SCHWARZES GOLD
Gut gekühlt und mit
Champagner oder
einem Schluck
­r ussischem Wodka
steht dem Kaviar­
genuss nichts mehr
im Weg (unten links).
Rate zwischen zehn und zwanzig Prozent liegen, sagt
Renato Stefani.
Insgesamt wurden 30 Millionen Franken in das
Unternehmen investiert. Für Peter Brabeck ist das
Projekt spannend: «Hochwertige Konsumgüter
­interessieren mich allgemein. Und an diesem Projekt ist die Nachhaltigkeit ein ausschlaggebender
Faktor», sagt er, der sich seit dem Herbst 2015 als
Privatmann und nicht als Nestlé-Präsident an der
Kaviarzucht beteiligt. Selber geniesst er die Fischeier ab und an, und das noch lieber, wenn der Stör
dafür nicht hat sterben müssen. Ohnehin beobachte
er, dass die Leute bewusster Kaviar konsumierten,
da es sich beim Stör um eine vom Aussterben
­bedrohte Tierart handle.
Ein weiterer Investor ist der in England lebende
Russe Konstantin Sidorov. Denn dereinst soll der
russische Markt auch aus der Schweiz beliefert werden, Sidorov hat die Kontakte. «Russland ist das
Land mit dem höchsten Kaviarimport, wir sehen
hier ein grosses Potenzial», sagt Brabeck. Ausserdem
habe Sidorov dem Unternehmen die Lizenzvergabe
für die aus Russland stammende Entnahmemethode
ermöglicht. Nun soll erst einmal die Schweiz mit dem
schwarzen Gold beliefert werden. Auch nach Deutschland wird geliefert, und in England hat Kasperskian
einen lokalen Vertrieb.
Als Hauptaktionär und aktiver Verwaltungsrat ist
Peter Brabeck eng mit dem Kaviarunternehmen verbunden. Vor allem am Marketingkonzept und am
Produktdesign schraubte er mit. «Ich investiere nur
dort, wo ich auch ein persönliches Interesse habe,
nicht nur, um Geld zu machen», sagt er. Und Kas-
perskian verbinde genau das: Qualität, Nachhaltigkeit und ausgezeichnete Technologie. Etwas, dem
sich Brabeck auch nach seinem Rückzug als NestléPräsident 2017 widmen will. «Ich möchte in Projekte
im Bereich neuer Technologien und Nachhaltigkeit
involviert sein, die mich weiterhin an die Jugend und
die ­A ktualität binden.» Um mit der Marketingwelt
in Kontakt zu bleiben, sitze er im Board der Designschule ECAL Lausanne. Und um den Anschluss an
junge Talente nicht zu verlieren, ist er im Verwaltungsrat einer grossen Headhunterfirma. Zudem
bleibt er weiterhin Vizepräsident des WEF, um «in
Kontakt mit der grossen Welt zu bleiben», wie er
sagt. Zudem investiere er in verschiedene Start-ups.
Persönliche Stör-Patenschaft
Ein Fischer oder Jäger sei er nie gewesen, sein Interesse an Kasperskian sei geschäftlich. «Ich möchte
aber nicht nur als Investor, sondern auch auf der
Hobbyseite aktiv sein.» Privat freut sich Brabeck auf
Wanderungen in den Bergen – und auf sein Flugzeug: Der PC-24 von Pilatus werde im kommenden
Jahr geliefert, die Fluglizenz dafür müsse er noch
­erlangen. Auch wolle er einmal längere Zeit in seinem
Haus auf Ibiza verbringen. «Aber mein Hauptziel ist
es, mich wieder vollkommen von meiner Erkrankung
zu erholen – das braucht mehr Zeit als früher.»
In Susten bei Kasperskian wird Nachhaltigkeit
grossgeschrieben: Über 2000 Solarzellen auf dem
Dach der Firma erzeugen Strom für über 170 Haushalte, das Wasser in den Störbecken wird über ein
Filter­system und eine eigene Wasseraufbereitungsanlage gereinigt und wieder auf bereitet. Um die
Qualität so hoch wie möglich zu halten, sind die Produktionswege kurz. Beliefert werden zurzeit vornehmlich Hotelküchen und Restaurants. Kunden
sind unter anderen das «Montreux Palace», das
«Waldhotel Fletschhorn» in Saas-Fee und die «Hostellerie du Pas de l’Ours» in Crans-Montana.
Seit Oktober sind die Luxus-Fischeier im Globus
zu haben. Wer es ganz persönlich wünscht, kann eine
Stör-Patenschaft abschliessen und erhält dann ausschliesslich von diesem Tier seinen Kaviar. Doch
auch die Rogen von Lucy oder Nancy haben ihren
Preis. Zudem gibt es verschiedene Qualitätsstufen:
100 Gramm der «Master’s Selection» kosten fast
800, die gleiche Menge der «Premium Selection» 370
Franken, «Classic» 270. Für 800 Gramm der zweitgenannten Sorte zahlt man über 2400 Franken.
In der Eingangshalle kann man auf einem Bildschirm über eine Livecam den Stören beim Schwimmen zusehen, aus den Lautsprechern im Hintergrund plätschert ein Klavierkonzert, an der golden
gestrichenen Wand sind die verschiedenen Kaviardosen nach Grösse aufgereiht. Auf einer Theke stehen Kühler mit Champagner und Wodka, daneben
Teller und Gläser: Denn jeder darf auf einen Besuch
bei Kasperskian vorbeischauen und das schwarze
Gold probieren – auch ohne privaten Helikopter. •
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