Spezielle Relativitätstheorie - 1. Institut für Theoretische Physik

Werbung
Spezielle
Relativitätstheorie
Skript zur Vorlesung von Apl. Prof. Jörg Main
Berbeitung von Sebastian Boblest
Vorläufige Version SS 2011
1. Institut für Theoretische Physik
Universität Stuttgart
Pfaffenwaldring 57
70550 Stuttgart
Korrekturen und Verbesserungsvorschläge bitte an:
[email protected]
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung
1.1 Newtonsche Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Elektrodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.1 Transformationsverhalten der Maxwellgleichungen
Möglichkeit 1 . . . . . . . . . . . . . . . .
Möglichkeit 2 . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Lorentz-Transformation . . . . . . . .
Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . .
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
1
1
2
2
2
3
3
4
2 Definitionen und Schreibweisen in der SRT
2.1 Matrixdarstellung von Lorentz-Transformationen .
2.1.1 Spezielle Lorentz-Transformationen . . . . .
2.1.2 Verknüpfung von Lorentz-Transformationen
2.2 Lorentz-Transformationen und klassische Mechanik
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
5
5
6
6
7
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
8
8
9
9
9
10
11
13
13
14
14
15
15
16
17
18
.
.
.
.
.
.
19
20
20
21
23
23
23
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
3 Revolutionäre Konsequenzen der Lorentz-Transformation
3.1 Lorentz-Kontraktion bewegter Maßstäbe . . . . . . . . .
3.1.1 Bewegte Uhren: Zeitdilatation . . . . . . . . . . .
Beispiel: Bewegte Elementarteilchen . . . .
3.1.2 Verlust der Gleichzeitigkeit . . . . . . . . . . . . .
3.1.3 Das Addititionstheorem der Geschwindigkeit . . .
3.1.4 Raum-Zeit-Diagramme . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Paradoxa der SRT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.1 Das Stab-Rahmen-Paradoxon . . . . . . . . . . .
Betrachtung im System K . . . . . . . . .
Betrachtung im System K 0 . . . . . . . . .
Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.2 Das Uhren-Paradoxon . . . . . . . . . . . . . . .
Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.3 Zwillingsparadoxon . . . . . . . . . . . . . . . . .
Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4 Mathematischer Formalismus der SRT
4.1 Der Minkowski-Raum . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.1 Definition des Minkowski-Raumes . . . . . .
4.1.2 Definition der Lorentz-Transformationen . .
4.2 Kontra- und kovariante Vektoren . . . . . . . . . .
4.2.1 Definition des kontravarianten Vierervektors
4.2.2 Definition des kovarianten Vierervektors . .
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
i
Inhaltsverzeichnis
4.2.3
4.3
Transformationsverhalten der Differentiale und Koordinatenableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Lorentz-Skalare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tensoralgebra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3.1 Definition von Tensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1)
Multilinearität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2)
Indexschreibweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3)
Tensorprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4)
Tensorverjüngung (Kontraktion) . . . . . . . . . . . . .
5)
Tensor-Transformationen . . . . . . . . . . . . . . . . .
6)
Lorentz-Tensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7)
Das Differential der Eigenzeit . . . . . . . . . . . . . . .
5 Relativistische Mechanik
5.1 Vierer-Geschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.1.1 Vierer-Beschleunigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.1.2 Vierer-Impuls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.1.3 Vierer-Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.1.4 Beschreibung der kräftefreien Bewegung . . . . . . . . .
5.1.5 Konstant beschleunigte Rakete . . . . . . . . . . . . . .
1)
Aufstellen und Lösen der Bewegungsgleichungen
2)
Betrachtung der Eigenzeit . . . . . . . . . . . .
5.1.6 Relativistische Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1)
Photonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2)
Stöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2 Äquivalenz von Masse und Energie . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2.1 Konsequenzen der Äquivalenz von Masse und Energie . .
5.2.2 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3 Drehimpulstensor und Drehmoment . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3.1 Klassischer Drehimpuls . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3.2 Kovarianter Drehimpuls und Drehmoment . . . . . . . .
5.4 Relativistische Erhaltungssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . .
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
6 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik
6.1 Grundlagen der klassischen Elektrodynamik . . . . . . . . . . . . . . .
6.1.1 Die homogenen Maxwellgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . .
Die inhomogenen Maxwellgleichungen . . . . . . . . . . .
Beispiel: Spezielle Lorentz-Transformation in x-Richtung
6.2 Lorentz-Tensoren 2. Stufe in der Elektrodynamik . . . . . . . . . . . .
6.2.1 Der Feldstärketensor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1)
Der kontravariante Feldstärketensor . . . . . . . . . . .
2)
Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
ii
23
24
25
25
25
25
26
26
26
27
28
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
29
29
30
30
31
31
34
34
36
37
38
39
39
40
40
42
42
42
43
.
.
.
.
.
.
.
.
44
44
44
46
47
49
50
51
51
Inhaltsverzeichnis
6.3
6.4
6.5
6.6
6.7
Kovariante Form der Erregungsgleichungen . . . . . . . . .
Kovariante Form der inneren Feldgleichungen . . . . . . .
6.4.1 Der duale Feldstärketensor . . . . . . . . . . . . . .
6.4.2 Formulierung der inneren Feldgleichungen . . . . .
Kovariante Form der Lorentz-Kraft . . . . . . . . . . . . .
Der Energie-Impuls-Tensor des elektromagnetischen Feldes
6.6.1 Klassische Energiegrößen der Elektrodynamik . . .
6.6.2 Einführung des Energie-Impuls-Tensors . . . . . . .
6.6.3 Interpretation des Energie-Impuls-Tensors . . . . .
Der relativistische Doppler-Effekt . . . . . . . . . . . . . .
6.7.1 Elektromagnetische Wellen im Vakuum . . . . . . .
6.7.2 Transformation in ein bewegtes Bezugsystem . . . .
6.7.3 Der longitudinale Doppler-Effekt . . . . . . . . . .
6.7.4 Der transversale Doppler-Effekt . . . . . . . . . . .
Literaturverzeichnis
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
52
53
53
53
54
55
55
55
57
59
59
59
60
61
63
iii
1 Einführung
Die fundamentalsten Begriffe in der Physik sind wohl Raum und Zeit. 3 Raum- und 1
Zeitdimension sind uns vertraut.
Unsere (klassische) Vorstellung ist die folgende:
• Jeder Raumpunkt ist beschreibbar durch Koordinaten (x,y,z) ∈ R3 in einem beliebig gewählten Koordinatensystem.
• Jeder Zeitpunkt ist beschreibbar durch die Zeit t relativ zu einem beliebig gewählten Zeitnullpunkt (z.B. Greenwichzeit).
In dieser Raumzeit werden wichtige physikalische Theorien formuliert, z.B. die Newtonsche Mechanik und die Elektrodynamik.
1.1 Newtonsche Mechanik
Für die Bewegung eines Punktteilchens mit Masse m gilt
F = m · a = mẍ bzw. ẍ(t) =
1
F (x,t).
m
(1.1)
Aus dieser Differentialgleichung ergibt sich die Bahnkurve des Teilchens.
Nach dem klassischen Verständnis von Raum und Zeit gelten die Gesetze der (Newtonschen) Mechanik in jedem Inertialsystem (=
b unbeschleunigtes System). Ein Wechsel
des Inertialsystems in ein mit der Geschwindigkeit v bewegtes System erfolgt über die
Umrechnung
x 7→ x0 = x − v · t
(1.2)
Die allgemeinst mögliche Transformation zwischen Inertialsystemen heißt Galilei-Transformation mit der Gleichung
x0 = D · x − v · t − x0
t0 = t − t0 .
(1.3)
Dabei bezeichnet D eine orthogonale Drehmatrix, v die Relativgeschwindigkeit zwischen
den Inertialsystemen und x0 , t0 sind Verschiebungen des Raum- und Zeitursprungs.
Mit den jeweils drei freien Parametern von D, x0 und v und dem einen Parameter
von t0 ergeben sich insgesamt 10 Parameter für eine allgemeine Galileo-Transformation.
Die Menge der Galilei-Transformationen bildet daher ein 10-parametrige Gruppe.
1
1 Einführung
Die klassische Mechanik ist invariant unter Galilei-Transformation.
1.2 Elektrodynamik
Grundgleichungen der Elektrodynamik sind die Maxwellschen Gleichungen:
1
∇ × B − ε0 Ė = j,
µ0
1
∇ · E = %,
ε0
∇ × E + Ḃ = 0,
(1.4)
∇·B =0
Die Maxwellschen Gleichungen sind ein Differentialgleichungssystem zur Bestimmung
der elektrischen und magnetischen Felder E(x,t) und B(x,t) bei gegebener Verteilung
der elektrischen Ladungen %(x,t) und Ströme j(x,t).
Mögliche Lösungen sind statische Felder (Elektro-, Magnetostatik) oder elektromagnetische Wellen, die sich im Vakuum mit der Lichtgeschwindigkeit
c= √
m
1
= 299792458
ε0 µ 0
s
(1.5)
ausbreiten.
1.2.1 Transformationsverhalten der Maxwellgleichungen
Die Maxwellschen Gleichungen sind nicht invariant unter Galilei-Transformationen.
Um dies klar zu machen betrachten wir die Ausbreitung einer ebenen Welle in xRichtung. In einem bewegten System mit x0 = x − v · ex · t breitet sich die Welle
mit der Geschwindigkeit c0 = c + v 6= c aus.
Diese Welle mit Geschwindigkeit c0 ist keine Lösung der Maxwellschen Gleichungen.
Es sind zwei mögliche Konsequenzen dieser Feststellung denkbar.
Möglichkeit 1
Die Maxwellschen Gleichungen gelten nicht in beliebigen, sondern nur in einem ausgezeichneten Inertialsystem, dem so genannten Weltäther. Experimente zeigen: Es gibt
keinen Weltäther. Die Maxwellschen Gleichungen gelten in jedem Inertialsystem. Die
Vakuumlichtgeschwindigkeit ist in allen Inertialsystemen gleich c.
Diese Möglichkeit kann daher ausgeschlossen werden!
2
1.2 Elektrodynamik
Möglichkeit 2
Die Maxwellschen Gleichungen gelten in allen Inertialsystemen, aber der Wechsel zwischen Inertialsystemen erfolgt nicht über die Galilei-Transformation!
Die Lorentz-Transformation
Vor Einstein war bereits bekannt, dass die Maxwellschen Gleichungen invariant unter
Lorentz-Transformationen sind.
Wir wollen im Folgenden eine „Herleitung“, bzw. eine Motivation der Lorentz-Transformation
geben. Wir gehen aus von einem Spezialfall der Galilei-Transformation mit D = 1,
v = vex , x0 = 0, t0 = 0, also
x0 = x − vt,
y 0 = y,
z 0 = z,
(1.6)
t0 = t.
Wir betrachten einen im Raum-Zeit-Ursprung (x = 0, t = 0) startenden Lichtstrahl. Es
muss gelten:
x2 + y 2 + z 2 = c2 t2 und x02 + y 02 + z 02 = c2 t02 ,
(1.7)
also
x02 + y 02 + z 02 − c2 t02 = 0 = x2 + y 2 + z 2 − c2 t2 .
(1.8)
(x − vt)2 + y 2 + z 2 − c2 t2 = x2 + y 2 + z 2 − c2 t2 − 2xvt + v 2 t2 .
(1.9)
Dagegen führt die Galilei-Transformation führt auf
Der Term −2xvt + v 2 t2 soll jetzt durch eine Transformation der Zeit beseitigt werden.
Dazu werden wir zwei Ansätze ausprobieren.
• 1.Ansatz:
Einsetzen führt auf
x0 = x − vt, y 0 = y,
z 0 = z,
(1.10)
t0 = t − α.
x02 + y 02 + z 02 − c2 t02 = x2 + y 2 + z 2 − c2 t2 − 2xvt + v 2 t2 + 2αtc2 − c2 α2 − c2 t2
v2 2 2
v2
2
2
2
= 1− 2 x +y +z + 1− 2 c t .
c
c
(1.11)
v2
xv
Dabei wurde in der letzten Zeile α = c2 gesetzt. Die Faktoren 1 − c2 sind
störend. Der Ansatz führt also nicht zum gewünschten Ergebnis.
• 2.Ansatz:
x0 = q
1
1−
v2
c2
(x − vt),
y 0 = y,
z 0 = z,
1
t0 = q
1−
v2
c2
t−
xv .
c2
(1.12)
3
1 Einführung
Einsetzen liefert das gewünschte Ergebnis
x02 + y 02 + z 02 − c2 t02 = x2 + y 2 + z 2 − c2 t2 .
(1.13)
Wir haben in Gleichung (1.12) die spezielle Lorentz-Transformation für v = vex eingeführt.
Bemerkungen
1. Für v c geht die Lorentz-Transformation in die Galilei-Transformation über.
2. Die Größe s2 = x2 + y 2 + z 2 − c2 t2 ist invariant unter Lorentz-Transformation.
3. Die Formeln für die spezielle Lorentz-Transformation gelten analog auch für v =
vey und v = vez .
4. Die Maxwellschen Gleichungen sind, wie bereits erwähnt, invariant unter der LorentzTransformation. In der Notation wie in Gleichung 1.4 wird diese Invarianz nicht
deutlich. Die Gleichungen lassen sich aber auf eine mathematisch sehr elegante Form bringen, die kovariante Formulierung der Elektrodynamik, bei der die
Lorentz-Invarianz klar zu erkennen ist.
4
2 Definitionen und Schreibweisen in
der SRT
2.1 Matrixdarstellung von Lorentz-Transformationen
Im Folgenden werden wir die folgenden Abkürzungen verwenden:
Def.
β =
v
,
c
1
Def.
γ = q
1−
v2
c2
1
.
=p
1 − β2
(2.1)
Des Weiteren werden wir von nun an Ort und Zeit zur 4-dim. Raum-Zeit zusammenfassen:

x0 = ct 


x1 = x
xµ ∈ R4 .
(2.2)
x2 = y 


x3 = z
Dabei bezeichnet man xµ als Vierervektor und es gilt µ ∈ {0,1,2,3}. Die spezielle LorentzTranformation in x-Richtung ergibt in dieser Schreibweise
x00 = γ(x0 − βx1 ),
x01 = γ(x1 − βx0 ),
x02 = x2 ,
x03 = x3 .
(2.3)
Die Lorentz-Transformation ist also eine lineare Transformation in den Raum-ZeitKoordinaten.
In Matrix-Schreibweise ergibt sich
 0 
 00  
 0 
x
γ
−βγ 0 0
x
x
1 



 x01   −βγ
γ
0 0   x  Def.  x1 
 02  = 
= Λ 2 
,
(2.4)
 x   0
x 
0
1 0   x2 
x3
0
0
0 1
x3
x03
bzw. in Kurzschreibung
(x0µ ) = Λ · xµ .
(2.5)
5
2 Definitionen und Schreibweisen in der SRT
2.1.1 Spezielle Lorentz-Transformationen
Sonderfälle der Lorentz-Transformationen sind die Boosts
z-Richtung, sowie reine Drehungen ΛR :



γ
−βγ 0 0
γ
−βγ

 0
γ
0
0
 , Λy = 
Λx = 
 0
−βγ
0
1 0
0
0
0 1
0



γ
0 0 −βγ
1
 0


1 0
0 
0
Λz = 
, ΛR = 
 0
 0
0 1
0 
−βγ 0 0
γ
0
mit einer Drehmatrix D, für die gilt DT D = DDT = 1.
Λx , Λy und Λz in x-, y- und

0 −βγ 0
1
0
0
,
0
γ
0
0
0
1

0 0 0

,

D
(2.6)
2.1.2 Verknüpfung von Lorentz-Transformationen
Lorentz-Transformationen lassen sich miteinander verknüpfen. Seien Λ1 ,Λ2 ,...,Λn LorentzTransformationen, dann ist auch
Λ = Λ1 · Λ2 · ... · Λn
(2.7)
eine Lorentz-Transformation, wobei “·“ die normale Matrixmultiplikation ist.
Als Beispiel betrachten wir hier die Verknüpfung einer Drehung mit einem Boost und
anschließender Rückdrehung, d.h. die Form D−1 ΛD:
 
 


γ
−βγ 0 0
1 0
0 0
1 0
0 0
 0 vx vy 0 
 0 vx − vy 0   −βγ
γ
0 0 
v
v
v
v





·
·
Λ=
 0 vy vx 0   0
0
1 0   0 − vvy vvx 0 
v
v
0 0
0 1
0
0
0 1
0 0
0 1


(2.8)
vy
vx
−βγ v
0
γ
−βγ v
 −βγ vx 1 + (1 − γ) vx2 (γ − 1) vx vy 0 


v
v2
v2
=
.
vy2
vy
vx vy
 −βγ v
1 + (1 − γ) v2 0 
(γ − 1) v2
0
0
0
1
6
2.2 Lorentz-Transformationen und klassische Mechanik
2.2 Lorentz-Transformationen und klassische
Mechanik
Aus den bisherigen Bemerkungen könnte man folgern, dass sich die klassische Mechanik
nach der Galilei-Transformation und die Elektrodynamik nach der Lorentz-Tranformation
transformiert.
Einsteins Verdienst war es zu erkennen, dass die Lorentz-Transformationen nicht auf
die Elektrodynamik beschränkt sind, sondern eine allgemeine Eigenschaft von Raum
und Zeit darstellen.
Die (mit der Galilei-Transformation verbundenen) uns vertrauten Eigenschaften von
Raum und Zeit (z.B. Existenz einer absoluten Zeit) gelten in der Relativitätstheorie
nicht mehr.
7
3 Revolutionäre Konsequenzen der Lorentz-Transformation
3 Revolutionäre Konsequenzen der
Lorentz-Transformation
3.1 Lorentz-Kontraktion bewegter Maßstäbe
Wir betrachten zwei Koordinatensysteme K und K 0 , die sich relativ zueinander mit der
Geschwindigkeit v = vex bewegen und eine Strecke parallel zur x-Achse zwischen zwei
Punkten A und B, die in K 0 ruhen, siehe Abbildung 3.1. Für die x-Koordinaten der
Punkte ergibt sich
K
ct
ct′
K′
v
l′
l′ /γ
x′
x
Abbildung 3.1: Zur Lorentz-Kontraktion: Der Stab mit Länge l0 im System
K 0 erscheint im unbewegten System K mit der verkürzten Länge l.
LT
x0A = 0 = γ(xA − vt) also xA (t) = vt,
1
LT
x0B = l0 = γ(xB − vt) also xB (t) = l0 + vt.
γ
In K ergibt sich der Abstand zwischen beiden Punkten zu
r
1 0
v2
l = xB (t) − xA (t) = l = 1 − 2 · l0 < l0
γ
c
8
(3.1)
(3.2)
3.1 Lorentz-Kontraktion bewegter Maßstäbe
für v 6= 0.
Diese Erscheinung heißt Längenkontraktion:
Bewegte Objekte erscheinen in Beweq
1
v2
gungsrichtung um den Faktor γ = 1 − c2 verkürzt.
3.1.1 Bewegte Uhren: Zeitdilatation
Wir positionieren zwei baugleiche Uhren in den Koordinatenursprüngen von K und K 0 .
Die in K 0 ruhende Uhr zeigt die Zeit t0 am Ort x0 = 0. Im System K bewegt sich diese
Uhr mit Geschwindigkeit v. Wir rechnen die Koordinaten wieder ins System K um:
LT
x0 = 0 = γ(x − vt) also x(t) = vt und damit
r
2
1 − vc2
v2
v2
v 0 LT
t = 1− 2t < t
t = γ t − 2x = γ t − 2 t = q
2
c
c
c
1− v
(3.3)
c2
für v 6= 0.
Diese Erscheinung heißt Zeitdilatation: Bewegte Uhren gehen langsamer.
Beispiel: Bewegte Elementarteilchen
Viele Elementarteilchen haben (in ihrem Ruhesystem) eine kurze mittlere Lebensdauer,
etwa Myonen µ− mit τ ≈ 2 · 10−6 s.
Ohne Zeitdilatation ergäbe sich daraus eine mittlere Reichweite von maximal c · τ ≈
600 m. Mit Zeitdilatation dagegen erhält man eine mittlere Reichweite von maximal
c · γτ ≈ 6000 m bei v = 0,995c.
Im Teilchenbeschleuniger haben kurzlebige Teilchen daher eine lange Lebensdauer. Dieser Effekt spielt beim Zwillingsparadoxon eine wichtige Rolle.
3.1.2 Verlust der Gleichzeitigkeit
Wir betrachten zwei Systeme K und K 0 . In K 0 mögen zwei Ereignisse gleichzeitig stattfinden. Ein “Ereignis“ ist dabei gegeben durch Ort und Zeit, d.h. alle vier Komponenten
eines Vierervektors xµ :
P1 : (x01 ,t0 ) ,
P2 : (x02 , t0 ) , mit x01 6= x02 .
(3.4)
Uns interessieren die Zeitkoordinaten in K. Aus der Lorentz-Transformation ergibt sich
v v LT !
(3.5)
t0(1,2) = γ t1 − 2 x1 = γ t2 − 2 x2 .
c
c
9
3 Revolutionäre Konsequenzen der Lorentz-Transformation
Mit
LT
x01 = γ (x1 − vt1 )
LT
x02 =
folgt
und daher x1 =
1 0
x + vt1
γ 1
und genauso
(3.6)
1
γ (x2 − vt2 ) , d.h. x2 = x02 + vt2
γ
v 0
v
v
v2
1
1
t = γt1 − 2 x1 − γ 2 t1 = t1 − 2 x01 = t1 − 2 x02 .
c
c
γ
c
γ
c
(3.7)
0
Durch inverse Lorentz-Transformation folgt schließlich:
v
t1 = γ t0 + cv2 x01 also t2 − t1 = γ 2 (x02 − x01 ) 6= 0.
v 0
0
t2 = γ t + c2 x2
c
(3.8)
Dabei ist die inverse Lorentz-Transformation in x-Richtung gegeben durch
v 0
0
0
x = (x + vt ), t = γ t + 2 x , y = y 0 , z = z 0 ,
c
(3.9)
bzw. in Matrixschreibweise
Λ−1


γ βγ 0 0
 βγ γ 0 0 
.
=
 0
0 1 0 
0
0 0 1
(3.10)
3.1.3 Das Addititionstheorem der Geschwindigkeit
ct′
ct
ct′′
K′
v1 (K, K )
K
′
′
′′
v2 (K , K )
K ′′
v3 (K, K ′′ )
x
x′
x′′
Abbildung 3.2: Zum Geschwindigkeits-Additionstheorem: Gesucht ist die
Geschwindigkeit v3 des Systems K 00 relativ zum System K in Abhängigkeit
von den Geschwindigkeiten v1 von K 0 relativ zu K und v2 von K 00 relativ
zu K 0 .
Gegeben seien drei Koordinatensysteme K, K 0 und K 00 , die sich relativ zueinander mit
10
3.1 Lorentz-Kontraktion bewegter Maßstäbe
Geschwindigkeiten parallel zur x-Achse bewegen, siehe Abbildung 3.2. Zu klären ist jetzt,
wie sich das System K 00 relativ zum System K bewegt. Laut Galilei-Transformation
ergäbe sich einfach v3 = v1 + v2 . In der SRT dagegen gilt Λ3 = Λ2 Λ1 . Diese Bedingung
ergibt für die relevanten Koordinaten
γ2
−β2 γ2
γ1
−β1 γ1
Λ3 =
−β2 γ2
γ2
−β1 γ1
γ1
(3.11)
γ1 γ2 (1 + β1 β2 ) −γ1 γ2 (β1 + β2 )
γ3
−β3 γ3
!
=
=
.
−γ1 γ2 (β1 + β2 ) γ1 γ2 (1 + β1 β2 )
−β3 γ3
γ3
Daraus lässt sich der Zusammenhang
1 + β1 β2
p
γ3 = γ1 γ2 (1 + β1 β2 ) = p
1 − β12 1 − β22
1 + β1 β2
1 + β1 β2
=p
=p
2
2
2 2
(1 + β1 β2 )2 − (β1 + β2 )2
1 − β1 − β2 + β1 β2 + 2β1 β2 − 2β1 β2
1
1
!
=r
2 = p1 − β 2
β1 +β2
3
1 − 1+β
1 β2
(3.12)
ableiten.
Damit folgt das Additionstheorem der Geschwindigkeit:
β1 + β2
β3 = √
,
1 + β1 β2
v3 =
v1 + v2
.
1 + v1c2v2
(3.13)
Für v1 < c, v2 = c ergibt sich z.B.:
v3 =
v1 + c
v1 + c
v1 c = v1 +c = c.
1 + c2
c
(3.14)
Es gilt also v3 ≤ c, wie erwartet.
3.1.4 Raum-Zeit-Diagramme
Abbildung 3.3 zeigt ein Raum-Zeit-Diagramm, wie es in der SRT zur Veranschaulichung
gut geeignet ist. Alle Punkte für die gilt s2 > 0 heißen zeitartig, für s2 < 0 raumartig
und für s2 = 0 lichtartig. Raumartige Punkte können nicht kausal verbunden sein,
da keine Signalausbreitung mit v > c möglich ist.
11
3 Revolutionäre Konsequenzen der Lorentz-Transformation
ct
x2
+
y 2 Li
+ cht
z 2 ke
= gel
c2
t2
zeitartig
(Zukunft)
raumartig
x
zeitartig
(Vergangenheit)
Abbildung 3.3: Raum-Zeit-Diagramm mit den raumartigen (s2 > 0) und
zeitartigen Bereichen (s2 < 0). Der Lichtkegel mit s2 = 0 trennt diese Bereiche voneinander.
12
3.2 Paradoxa der SRT
Stabsystem K ′
Rahmensystem K
v
v
γ
l/γ
l/γ
0
xA (t)
xB (t)
l
x
0
x′1 (t)
x′2 (t)
l
x′
Abbildung 3.4: Stab-Rahmen-Paradoxon: Im Ruhesystem K des Rahmens
gelte x1 = 0, x2 = l und im Ruhesystem K 0 des Stabes entsprechend x0A = 0
und x0B = l. Je nach Bezugssystem erscheint entweder der Rahmen oder der
Stab um den Faktor 1/γ verkürzt.
3.2 Paradoxa der SRT
Die Konsequenzen der SRT (Längenkontraktion, Zeitdilatation) widersprechen unseren
gewohnten Vorstellungen. Kritiker haben versucht, widersprüchliche Aussagen aus der
Theorie zu gewinnen und sie so „ad absurdum“ zu führen.
3.2.1 Das Stab-Rahmen-Paradoxon
Wir betrachten einen bewegten Stab der Länge l und einen ruhenden Rahmen mit derselben Länge l, siehe Abbildung 3.4. Wegen der Längenkontraktion passt der Stab bequem
in den Rahmen.
Kritiker wendeten hier ein:
„Im Bezugssystem des Stabes erfährt der Rahmen eine Längenkontraktion. Der Stab
passt nicht in den Rahmen.“
Damit ergibt sich ein scheinbarer Widerspruch zur Beobachtung im Bezugssystem des
Rahmens!
13
3 Revolutionäre Konsequenzen der Lorentz-Transformation
Erklärung des Paradoxons
Die Sprechweise: “passt in den Rahmen“ bedeutet Anfangs- und Endpunkt befinden sich
gleichzeitig innerhalb des Rahmens. Im Folgenden bewege sich der Stab mit Geschwindigkeit v in x-Richtung, K sei das Ruhesystem des Rahmens. Wir wählen den Zeitnullpunkt
in K so, dass der Anfangspunkt xA des Stabes zur Zeit t = 0 den Anfangspunkt des
Rahmens erreicht: xA (t = 0) = 0.
Betrachtung im System K
Für den Rahmen gilt
x1 (t) = 0,
x2 (t) = l
(3.15)
und für den Stab
LT
x0A = γ(xA − vt) = 0 also xA (t) = vt,
1
LT
x0B = γ(xB − vt) = l also xB (t) = l + vt.
γ
(3.16)
Bei t1 = 0 erreicht der Anfangspunkt des Stabes den Anfangspunkt des Rahmens. Wir
berechnen den Zeitpunkt t2 , zu dem die beiden Endpunkte zusammenfallen:
1
1
1
xB (t) = l + vt = x2 = l also folgt t2 =
1−
l.
(3.17)
γ
v
γ
Fazit: Im Zeitintervall t1 = 0 < t < t2 = 1 − γ1 vl befindet sich der Stab vollständig
innerhalb des Rahmens.
Betrachtung im System K 0
Für den Stab gilt
x0A (t0 ) = 0,
x0B (t0 ) = l
(3.18)
und für den Rahmen
inv. LT
γ(x01 + vt0 ) = 0 also x01 (t0 ) = −vt0
1
inv. LT
x2 = γ(x02 + vt0 ) = l also x02 (t0 ) = − vt0
γ
x1
=
(3.19)
Bei t01 = 0 erreicht der Anfangspunkt des Rahmens x01 den Anfangspunkt des Stabes x0A .
Der Endpunkt des Rahmens befindet sich zu diesem Zeitpunkt wegen der Längenkontraktion des Rahmens bei x02 (t01 = 0) = γ1 l < l.
Die Endpunkte des Rahmens x02 und des Stabes x0B treffen aufeinander, wenn gilt
x02 (t02 ) =
14
1
l − vt02 = x0B = l.
γ
(3.20)
3.2 Paradoxa der SRT
Daraus folgt
t02
Das Kleinerzeichen gilt wegen
Fazit
1
γ
=
1
l
−1
< 0.
γ
v
(3.21)
− 1 < 0.
Es gilt t02 < t01 , also befindet sich der Stab zu keinem Zeitpunkt vollständig innerhalb
des Rahmens. Das ist aber kein Widerspruch zur Beobachtung in
K. In
K erreicht der
Endpunkt xB des Stabes den Punkt x2 des Rahmens bei t2 = 1 − γ1 vl > 0, x2 = l.
Wir führen wieder eine Lorentz-Transformation ins System K 0 durch:
LT
x02 (t) = γ (x2 − vt2 ) = γl − (γ − 1)l = l.
(3.22)
(Position der Stabspitze in K 0 , Endpunkt des Stabes)
LT
t02 =
v l
v
γ t2 − 2 x2 = (γ − 1) − γ 2 l =
c
v
c
1
l
−1
<0
γ
v
(3.23)
Die Lösung des Paradoxons liegt in der Transformation der Zeit und einer dabei möglichen Umkehr der zeitlichen Abfolge (raumartiger) Ereignisse.
• System K:
Ereignis 1: xA = x1 = 0 bei t1 = 0
1
Ereignis 2: xB = x2 = l bei t2 = 1 − γ vl > t1
• System K 0 : die beiden Ergeinissevertauschen
die zeitliche Abfolge
1
l
0
0
Ereignis 2: x2 = xB = l bei t2 = γ v < 0
Ereignis 1: x01 = x0A = 0 bei t01 = 0 > t2
Für den “Abstand“ zwischen den Ereignissen 1 und 2 erhalten wir
2 2
1
l
2 2
2
2
2
2
2
(∆s) = c (∆t) − (∆x) = c 1 −
− l2 = −
l < 0.
2
γ
v
γ+1
(3.24)
Der Abstand ist also raumartig, d.h. es besteht kein kausaler Zusammenhang zwischen
den beiden Ereignissen.
3.2.2 Das Uhren-Paradoxon
Wir betrachten zwei (baugleiche) Uhren. Uhr 1 ruht, Uhr 2 bewegt sich mit Geschwindigkeit v. Uhr 2 läuft dann also langsamer als Uhr 1 (Zeitdilatation) (siehe Abbildung
3.5).
15
3 Revolutionäre Konsequenzen der Lorentz-Transformation
Uhr 2
v
Uhr 1
0
x
l
Abbildung 3.5: Uhrenparadoxon: Im Ruhesystem von Uhr 1 läuft die mit
Geschwindigkeit v bewegte Uhr 2 langsamer als Uhr 1.
Kritiker bemerkten nun:
„Im Ruhesystem von Uhr 2 bewegt sich Uhr 1 und erfährt eine Zeitdilatation, es läuft
also Uhr 1 langsamer als Uhr 2, dies ist ein Widerspruch.“
Erklärung
Im Ruhesystem K von Uhr 1 ruht diese bei x1 (t) = l, Uhr 2 bewegt sich mit Geschwindigkeit v auf Uhr 1 zu, also gilt x2 (t) = vt. Für Uhr 1 gilt in K genauer
l
l
(3.25)
, ∆t1 = .
E1 : (x = l, t = 0), E2 :
x = l, t =
v
v
mit der Anzeige ∆t1 der Uhr 1 bei Kollision.
Für Uhr 2 gilt in K
E1 :
(x = 0, t = 0), E2 :
l
x = l, t =
v
l
∆t2 = .
v
,
Jetzt führen wir die Lorentz-Transformation x0 = γ(x − vt) und t0 = γ t −
nach K 0 durch.
Für Uhr 1 in K 0 erhalten wir
vl
0
0
E1 :
x = γl, t = −γ 2 , E2 :
c
1l
vl
l
1
0
2
∆t1 =
+γ 2 = γ
+β =
γv
c
v
γ2
16
1l
x = 0, t =
γv
l
γ.
v
0
0
(3.26)
xv
c2
von K
,
(3.27)
3.2 Paradoxa der SRT
Für Uhr 2 gilt in K 0
E1 :
0
0
(x = 0, t = 0),
E2 :
1l
x = 0, t =
γv
0
0
,
∆t02 =
1l
,
γv
(3.28)
mit der Anzeige ∆t02 der Uhr 2 bei Kollision.
Wir berechnen die Zeitdilatation von Uhr 2 im System K. Diese ist definiert über
∆t02
Eigenzeit der in K 0 ruhenden Uhr 2
=
∆t2
Zeitdifferenz der Ereignisse für Uhr 2 in System K
1
∆t02
1
= =
=
γ
∆t1
γ
=
(3.29)
Anzeige Uhr 2 bei Kollision
< 1.
Anzeige Uhr 1 bei Kollision
Die bewegte Uhr 2 geht also langsamer.
Analog betrachten wir die Zeitdilatation von Uhr 1 im System K 0 :
∆t1
Eigenzeit der in K ruhenden Uhr 1
=
0
∆t1
Zeitdifferenz der Ereignisse für Uhr 1 in System K 0
1
Anzeige Uhr 1
= < 1 6=
γ
Anzeige Uhr 2
(3.30)
Die bewegte Uhr 1 geht also langsamer.
Die in K 0 vergangene Zeit zwischen den Ereignissen E1 und E2 ist nicht die von Uhr 2
angezeigte Zeit.
Welche Uhr schneller oder langsamer geht, hängt also von der Wahl
des Bezugssystems ab!
3.2.3 Zwillingsparadoxon
Ein Zwilling bleibt auf der Erde, der andere reist mit hoher Geschwindigkeit und kehrt
zur Erde zurück. Auf der Erde ist mehr Zeit vergangen als im Raumschiff.
Das Paradoxon bei dieser Situation ergibt sich, wenn man sie aus der Sicht des anderen
Zwillings betrachtet:
Vom Raumschiff aus betrachtet bewegt sich der Zwilling auf der Erde mit hoher Geschwindigkeit. Kommt es also Zeitdilatation auf der Erde?
17
3 Revolutionäre Konsequenzen der Lorentz-Transformation
Lösung
Start und Ende der Reise ist die Erde, diese ist das gewählte Bezugssystem, wobei im
Raumschiff die Zeitdilatation auftritt. Der reisende Zwilling ist nicht während der gesamten Reise im gleichen Inertialsystem, da er um zurückzukehren beschleunigen muss. Wir
betrachten das Zwillingsparadoxon nochmals im Kapitel zur relativistischen Mechanik.
18
4 Mathematischer Formalismus der
SRT
Wir hatten bereits Vierervektoren xµ = (x0 , x1 , x2 , x3 ) = (ct,x,y,z) und die LorentzTransformation x0µ = Λµν xν kennengelernt. Die Lorentz-Transformation entspricht hier
einer Matrix-Vektor-Multiplikation, wobei wir die Einsteinsche Summenkonvention benutzen, das heißt über mehrfach vorkommende Indizes wird summeriert:
0µ
x ≡
3
X
Λ ν µ xν .
(4.1)
ν=0
Als Beispiel sei nochmals der Lorentz-Boost in x-Richtung gezeigt, d.h. die Transformation in ein mit v = vex bewegtes System:


γ
−βγ 0 0
 −βγ
γ
0 0 
.
Λµν = 
(4.2)
 0
0
1 0 
0
0
0 1
Unter Lorentz-Transformationen ist die Größe
s 2 = c2 t 2 − x 2 − y 2 − z 2
(4.3)
invariant, d.h. es gilt s2 = s02 , bzw.
(x00 )2 − (x01 )2 − (x02 )2 − (x03 )2 = (x0 )2 − (x1 )2 − (x2 )2 − (x3 )2 .
(4.4)
Bei nur positiven Vorzeichen in Gleichung (4.4) würde
||x0 ||2 = ||x||2
(4.5)
gelten, d.h. Λ würde als Drehmatrix die Norm des Vektors erhalten, wie in der Euklidischen Geometrie.
In diesem Kapitel werden wir die Mathematik zur Formulierung der SRT genauer diskutieren. Insbesondere die Struktur des Minkowski-Raumes und die mathematische Behandlung von Tensoren sind hier wichtig, insbesondere auch um später die kovariante
Formulierung der Elektrodynamik besprechen zu können. Darüberhinaus ist dieser Formalismus notwendig, um leichter die Verallgemeinerung hin zur Allgemeinen Relativitätstheorie vornehmen zu können.
19
4 Mathematischer Formalismus der SRT
Skalarprodukt
Matrix-Vektor-Multiplikation
Matrizenmultiplikation
Transponierte Matrix
Euklidischer Raum
P
(a,b) = i ai bi
y=D
P· x
yi =
j Aij xj
C=A
P· B
cij =
k aik bkj
AT = AT ij
= Aji
Minkowski-Raum
aµ bµ = ηµν aµ bν
y µ = Aµν xν
C µν = Aµλ B λν
(Aµν ) = Aν µ
= ηνα η µβ Aαβ
Tabelle 4.1: Vergleich von Schreibweisen im Euklidischen und im Minkowski-Raum.
4.1 Der Minkowski-Raum
4.1.1 Definition des Minkowski-Raumes
Der Minkowski-Raum ist ein vierdimensionaler, reeller Vektorraum mit folgendem Skalarprodukt: Seien aµ und bµ Vierervektoren. Das Skalarprodukt (a,b) ist gegeben durch:
(a,b) = aµ bµ = a0 b0 + a1 b1 + a2 b2 + a3 b3
= a0 b 0 − a1 b 1 − a2 b 2 − a3 b 3
= ηµν aµ bν ,
(4.6)
mit η = diag (1, −1, −1, −1), dem kontravarianten Vektor bµ = (b0 ,b1 ,b2 ,b3 ) mit
hochgestelltem Index und dem kovarianten Vektor aµ = (a0 ,a1 ,a2 ,a3 ) = ηµν aν =
(a0 , − a1 , − a2 , − a3 ) mit tiefgestelltem Index.
Im Euklidischen Raum gilt
(x,x) > 0 ∀x 6= 0 und (x,x) = 0 ⇔ x = 0.
(4.7)
Das Skalarprodukt ist hier also positiv definit. Im Gegensatz dazu folgt aus der Definition
des Skalarproduktes im Minkowski-Raum:
Das Skalarprodukt im Minkowski-Raum ist nicht positiv definit!
Die verschiedenen Schreibweisen im Euklidischen Raum und im Minkowski-Raum mit
Hilfe der Einsteinschen Summenkonvention sind in Tabelle 4.1 verglichen.
Die Matrix ηµν = η µν ermöglicht im Minkowski-Raum das Herauf- und Herunterziehen
von Indizes.
20
4.1 Der Minkowski-Raum
4.1.2 Definition der Lorentz-Transformationen
Die Lorentz-Transformationen sind die Drehungen (orhogonalen Transformationen) im
Minkowski-Raum:
Λλµ Λλν = δ µν ,
(4.8)
mit
Λλµ = (Λµλ )T ,
bzw. Λλµ = ηλα η µβ Λαβ .
(4.9)
Beispiele
• Als erstes betrachten wir wieder den Lorentz-Boost in x-Richtung:


γ
−βγ 0 0
 −βγ
γ
0 0 
.
Λαβ = 
 0
0
1 0 
0
0
0 1
(4.10)
Hochziehen des zweiten Index geschieht über
(4.11)
Λαµ = η βµ Λαβ = Λαβ η βµ .
In Matrixdarstellung ausgeschrieben lautet diese Gleichung

 
γ
−βγ 0 0
1 0
0
0



−βγ
γ
0
0
0
−1
0
0
·
Λαµ = 
 0


0
1 0
0 0 −1 0
0
0
0 1
0 0
0 −1


γ
βγ 0
0
 −βγ −γ 0
0 

=
 0
0 −1 0 
0
0
0 −1




(4.12)
Herunterziehen des ersten Index erfolgt weiter durch
Λλµ = ηλα Λαµ .
(4.13)
21
4 Mathematischer Formalismus der SRT
Diese Gleichung können wir wiederum auch in Matrixschreibweise

 
1 0
0
0
γ
βγ 0
0



0 −1 0
0   −βγ −γ 0
0
Λ λµ = 
 0 0 −1 0  ·  0
0 −1 0
0 0
0 −1
0
0
0 −1


γ βγ 0
0
 βγ γ
0
0 
.
=
 0
0 −1 0 
0
0
0 −1
Damit gilt insgesamt

 
γ βγ 0
0
γ
−βγ



βγ γ
0
0   −βγ
γ
Λ λµ Λ λν = 
·
 0

0 −1 0
0
0
0
0
0 −1
0
0
 2


γ (1 − β 2 )
0
0 0


0
γ 2 (1 − β 2 ) 0 0 
=
=



0
0
1 0
0
0
0 1
darstellen:





0
0
0
0 

−1 0 
0 −1
1
0
0
0
0
1
0
0
0
0
1
0

0
0 
 = δνµ ,
0 
1
(4.14)
(4.15)
wie gefordert.
Bei diesen Beispielen wird auch erkennbar, dass in Einsteinscher Summenkonvention dargestellte mathematische Operationen nicht immer oder nicht direkt als
Matrixgleichung dargestellt werden können. So muss in Gleichung (4.11) die Reihenfolge vertauscht werden um eine gültige Matrixmultiplikation zu finden.
• Sei eine Lorentz-Transformation durch eine reine Drehung gegeben, also
1 0
µ
Λ λ=
, mit DDT = DT D = 1.
0 D
(4.16)
Dann ergibt sich ebenfalls
µ
Λλ Λ
22
λ
ν
=
1 0
0 DT
1 0
0 D
= δνµ .
(4.17)
4.2 Kontra- und kovariante Vektoren
4.2 Kontra- und kovariante Vektoren
Sei aµ ∈ V ein kontravarianter Vektor. Dann ist aµ = ηµν aν ∈ V ∗ ein kovarianter Vektor
und ein Element des Dualraumes V ∗ der 1-Formen, d.h.
ϕa : V 7→ R ist lineare Abbildung mit
aµ : bµ → (a,b) = aµ bµ ∈ R.
(4.18)
4.2.1 Definition des kontravarianten Vierervektors
Jede vierkomponentige Größe aµ , die sich unter Lorentz-Transformation mit der LorentzMatrix transformiert gemäß
a0µ = Λµν αν ,
(4.19)
nennt man einen kontravarianten Tensor 1. Stufe.
4.2.2 Definition des kovarianten Vierervektors
Sei aµ kontravarianter Vektor mit a0µ = Λµν αν , dann gilt
a0µ = ηµα a0α = ηµα Λαν |{z}
aν = ηµα η νβ Λαν aβ = Λµβ aβ ,
(4.20)
a0µ = Λµν aν
(4.21)
η νβ α
β
mit der inversen Lorentz-Transformation Λµβ . Jede vierkomponentige Größe, die sich
mit der inversen Lorentz-Matrix transformiert gemäß
heißt kovarianter Tensor 1. Stufe.
4.2.3 Transformationsverhalten der Differentiale und
Koordinatenableitungen
Sei xµ kontravarianter Vektor. Es gilt dann
x0µ = Λµν xν
also auch dx0µ = Λµν dxν
(4.22)
Die Differentiale dxµ tranformieren sich wie kontravariante Vektoren.
Sei f = f (xµ ) skalare Funktion, dann gilt für df :
df =
∂f
dxµ .
µ
∂x
(4.23)
23
4 Mathematischer Formalismus der SRT
Mit
folgt
x0µ = Λµν xν
also xν = Λ−1
∂f
∂f ∂xν 0µ
0µ
df =
dx
=
dx =
∂x0µ
∂xν ∂x0µ
mit der inversen Lorentz-Transformation
wichtige Resultat:
∂xν
∂x0µ
Λ
ν
µ
−1 ν
ν
µ
x0µ
(4.24)
∂
f dx0µ
∂xν
(4.25)
= (Λ−1 ) µ . Ein Vergleich liefert folgendes
Die Koordinatenableitungen
∂
≡ ∂µ
∂xµ
(4.26)
transformieren sich wie kovariante Vektoren.
Lorentz-Skalare
Ein Lorentz-Skalar ist eine reelle Größe, die invariant bleibt unter Lorentz-Transformation.
Wir betrachten zwei Beispiele:
• Das Skalarprodukt zwischen Lorentz-Vektoren:
S = aµ b µ ,
S 0 = a0µ b0µ = aα Λµα Λµβ bβ = aα bβ δβα = aµ bµ = S.
(4.27)
• Die Eigenzeit τ : Das differentielle Linienelement ds2 = dxµ dxµ = c2 dt02 − (dx)2
ist invariant unter Lorentz-Transformation.
Dann ist auch
1
1p
dτ = ds =
dxµ dxµ
(4.28)
c
c
invariant unter Lorentz-Transformation und damit schließlich die Eigenzeit
ˆτ2
dτ
τ=
τ1
ein Lorentz-Skalar.
24
(4.29)
4.3 Tensoralgebra
4.3 Tensoralgebra
4.3.1 Definition von Tensoren
Ein Tensor vom Typ (r,s) ist eine multilineare Abbildung
∗
∗
T :V
× ... × V }∗ × V
× ... × V} 7→ R
| × V {z
| × V {z
r mal
s mal
(ϕ,χ,...,ω ; u,v,...,w) → T (ϕ,χ,...,ω; u,v,...,w) ∈ R.
| {z } | {z }
r mal
s mal
(4.30)
Dabei bezeichnen griechische Buchstaben Elemente von V ∗ und lateinische Buchstaben
Elemente von V . T heißt r-fach kontra und s-fach kovarianter Tensor.
1) Multilinearität
Unter Multilinearität versteht man die Eigenschaft, linear in jedem Argument (bei Festhalten der übrigen) zu sein. Es lässt sich zerlegen:
χ = aχ1 + bχ2 + ...
(4.31)
Die Menge aller Tensoren des Typs (r,s) bildet einen Vektorraum Vsr .
2) Indexschreibweise
In Indexschreibweise kann diese Abbildung in der Form
r mal
z }| {
ϕ χ ...ωαr uβ1 v β2 ...wβs ∈ R
T α1 ...αr
β1 ...βs α1 α2
| {z }
(4.32)
s mal
dargestellt werden.
25
4 Mathematischer Formalismus der SRT
3) Tensorprodukt
0
Seien T ∈ Vsr und S ∈ Vsr0 , dann gilt
0
0
r+r
T ⊗ S ∈ Vsr × Vsr0 = Vs+s
0 ,
T α1 ...αrβ1 ...βs S
α01 ...α0r0
β10 ...βs0 0
=U
α1 ...αr
α01 ...α0r0
β1 ...βs
β10 ...βs0 0
(4.33)
.
Die Operation “⊗“ heißt Tensorprodukt oder direktes Produkt.
4) Tensorverjüngung (Kontraktion)
Sei T ∈ Vsr ein Tensor vom Typ (r,s). Indem in Komponentenschreibweise der k-te
kovarianter und der j-te kontravarianter Index das gleiche Symbol bekommen und über
r−1
diese zwei Indizes aufsummiert wird, erhält man einen Tensor aus Vs−1
:
T
α1 ...βj ...αr
β1 ...βj ...βs
r−1
∈ Vsr = Spkj T ∈ Vs−1
.
(4.34)
Diese Operation heißt Tensorverjüngung oder Kontraktion.
Beispiele
Seien aµ und bµ ∈ V01 kontravariante Vierervektoren. Dann ist
• ηµν aν = aµ ∈ V10 ein kovarianter Vektor
• aµ bν ∈ V02 ein direktes Produkt und kontravarianter Tensor 2. Stufe
• cµν = aµ bν ∈ V11 ein direktes Produkt und einfach kontra-, einfach kovarianter
Tensor
• cµµ = aµ bµ ∈ V00 = R eine Kontraktion und Tensor 0. Stufe, d.h. ein Skalar
5) Tensor-Transformationen
Sei die Transformation der kovarianten, bzw. kontravarianten Basisvektoren gegeben
durch
0
0
eα0 = Aαα0 eα und ω β = Aβ β ω β .
(4.35)
Weiter gilt
T α1 ...αrβ1 ...βs eα1 ...eαr ω β1 ...ω βs = T
26
α01 ...α0r
β10 ...βs0
0
0
eα01 ...eα0r ω β1 ...ω βs .
(4.36)
4.3 Tensoralgebra
Dies führt dann auf
T
α01 ...α0r
β10 ...βs0
0
0
= T α1 ...αrβ1 ...βs Aα1 α1 ...Aαr αr Aβ 0 β1 ...Aβs0 βs .
1
(4.37)
Das heißt also A, bzw. A−1 kommt für jeden ko-, bzw. kontravarianten Index einmal vor.
6) Lorentz-Tensoren
Folgende Tensoren spielen in der SRT wichtige Rollen
• Vektoren aus R4 (Vierervektoren)
• Aµν = Λµν ist Lorentz-Transformation


1 0
0
0
 0 −1 0
0 
ν

• Metrischer Tensor ist gµν = ηµν = 
 0 0 −1 0  mit xµ = ηµν x . Damit
0 0
0 −1
ergibt sich das infinitesimale Wegelement
ds2 = gµν dxµ dxν = ηµν dxµ dxν = dxµ dxµ .
(4.38)
• Der Differentialoperator:
∂
∂µ =
=
∂xµ
∂
∂ ∂ ∂
, , ,
∂(ct) ∂x ∂y ∂z
(4.39)
heißt Vierergradient.
– Anwendung auf Lorentz-Skalar ϕ:
∂µ ϕ ≡ ϕµ
(4.40)
∂µ aµ
(4.41)
ist kovarianter Vektor.
– Anwendung auf Vierervektor aµ :
ist ein Lorentz-Skalar und heißt Viererdivergenz. Weiter ist
∂ν aµ − ∂µ aν
(4.42)
ein antisymmetrischer, kovarianter Tensor 2. Stufe und heißt Viererrotation.
27
4 Mathematischer Formalismus der SRT
7) Das Differential der Eigenzeit
Im Ruhesystem eines in einem Inertialsystem ungleichförmig bewegten Teilchens gilt:
dx = dy = dz = 0 ⇒ (ds)2 = c2 (dτ )2
(4.43)
mit der Eigenzeit τ im Ruhesystem des Teilchens. Das infinitesimale Wegelement (ds)2
ist Lorentz-invariant, im Inertialsystem lautet es:
(ds)2 = dxµ dxµ = c2 (dt)2 − (dx)2 = c2 (dt)2 − v(t)2 (dt)2
v 2 (t)
!
2
=c 1− 2
(dt)2 = c2 (1 − β(t)2 )(dt)2 = c2 (dτ )2
c
Daraus folgt
dτ =
Integration liefert die Eigenzeit
p
1
1 − β(t)2 dt =
dt
γ(t)
ˆτ2
dτ = τ2 − τ1 =
τ=
τ1
ˆt2 p
1 − β(t)2 dt < t2 − t1 .
t1
Die Eigenzeit ist Lorentz-Skalar aber wegabhängig!
28
(4.44)
(4.45)
(4.46)
5 Relativistische Mechanik
Wie wir bereits gesehen haben ist die Newtonsche Mechanik nicht kovariant unter
Lorentz-Transformation, zum Beispiel führt eine konstante Beschleunigung a auf v(t) =
at > c für t > ac . Unser Ziel ist die Formulierung einer Lorentz-kovarianten Mechanik,
die bei kleinen Geschwindigkeiten in die Newtonsche Mechanik übergeht. Wir betrachten
dazu ein Punktteilchen in der 4-dimensionalen Raum-Zeit. Die Größe
ct
µ
µ
x = x (t) =
(5.1)
x(t)
ist kontravarianter Vierervektor, wie wir bereits gesehen haben.
5.1 Vierer-Geschwindigkeit
Bei der Definition einer Vierergeschwindigkeit haben wir das Problem, dass t kein LorentzSkalar ist, deshalb ist dxµ /dt nicht Lorentz-kovariant. Wir haben aber bereits gesehen,
dass die Eigenzeit τ ein Lorentz-Skalar ist. Deshalb ist
uµ =
dxµ
dτ
(5.2)
ein kontravarianter Vierervektor und heißt Vierergeschwindigkeit. Mit der Definition des Eigenzeitdifferentials folgt
 
c
µ


dx
ẋ
µ
 = γ(t) c
u = γ(t)
= γ(t) 
(5.3a)


ẏ
v
dt
ż


c
 −ẋ 
c
ν


uµ = ηµν u = γ(t) 
= γ(t)
.
(5.3b)
−ẏ 
−v
−ż
Kontraktion der Vierergeschwindigkeit liefert dann ein Lorentz-Skalar:
uµ uµ = γ 2 c2 − γ 2 v 2 = γ 2 c2 (1 − β 2 ) = c2 > 0
(5.4)
Es ist also uµ uµ > 0 und daher ist uµ ein zeitartiger Vektor.
29
5 Relativistische Mechanik
5.1.1 Vierer-Beschleunigung
Analoges Vorgehen führt zur Vierer-Beschleunigung
d 2 xµ
duµ
=
b =
.
dτ
dτ 2
(5.5)
µ
Eine explizite Rechnung führt auf
 


c


d  
duµ
 ẋ  = γ γ̇ 
=γ 
γ
bµ = γ

dt
dt   ẏ 
ż
Mit
γ̇ =
folgt dann
µ
b =γ
· v̇
c2
4v


c

ẋ 
 + γ2 

ẏ 
ż
d
1
v · v̇
p
= γ 3 β · β̇ = γ 3 2
dt 1 − β 2
c
c
v
Im Grenzfall v c gilt damit bµ 7→
+γ
0
v̇
2
0
v̇
=

0
ẍ 
.
ÿ 
z̈
γ 4 v·cv̇
2
γ v̇ + γ 4 v·c2v̇ v
, wie verlangt.
(5.6)
(5.7)
(5.8)
5.1.2 Vierer-Impuls
Die Ruhemasse eines Teilchens ist Lorentz-Skalar. Damit lässt sich schreiben:
c
µ
µ
p = mu = mγ
.
v
Achtung:
Es gilt nicht
m(γ) = m0 · γ
m0
bzw. m(v) = q
1−
v2
c2
(5.10)
Die Ruhemasse eines Teilchens ist ein Lorentz-Skalar und nicht geschwindigkeitsabhängig.
Das γ in Gleichung (5.9) gehört zur Vierer-Geschwindigkeit und nicht zur Masse.
30
(5.9)
5.1 Vierer-Geschwindigkeit
5.1.3 Vierer-Kraft
Bei Newton gilt
(5.11)
F N = ṗ.
Also führen wir analog ein:
dpµ
dpµ
=γ
= mbµ =
F =
dτ
dt
µ
m 4
γ
c
· v · v̇
2
mγ v̇ + mγ 4 vc2v̇ · v
=
m 4
γ v·
c
N
γF
v̇
(5.12)
Dabei ist zu bemerken, dass die Identifikation F µ = dpµ /dτ nicht beweisbar ist, die
Identifikation mγ 2 v̇ + mγ 4 v·c2v̇ v = γF N ist die kritische Stelle der SRT.
Weiter ergibt sich
m
1
m
v2 m
m
γv · F N = γ 2 v · v̇ + γ 4 2 v · v̇ = γ 2 + γ 4 β 2
v · v̇ = γ 4 v · v̇ = F 0
c
c
c c
c
|
{z
} c
(5.13)
γ4
und damit
µ
F =γ
v·F N
c
N
F
!
= mbµ .
(5.14)
Mit der eingeführten Vierer-Kraft lassen sich dann die relativistischen Bewegungsgleichungen formulieren. Über
F N = F (x,v,t)
(5.15)
folgt eine Differentialgleichung für x(t).
5.1.4 Beschreibung der kräftefreien Bewegung
Eine kräftefreie Bewegung ist beschreibbar als die kürzeste Verbindung zwischen zwei
Raum-Zeit-Ereignissen A und B. Die Berechnung erfolgt über Variation des Weges (Abb.
5.1), d.h.
ˆA
!
ds = 0.
δ
(5.16)
B
31
5 Relativistische Mechanik
B
A r(t)
+δ
r(t)
r(
t
)
b
b
Abbildung 5.1: Variation des Weges: Betrachtet werden kleine Variationen
δr(t) des Weges r(t) von Ereignis A zu Ereignis B, mit der Bedingung, dass
δr(tA ) = δr(tB ) = 0.
Wobei wir den Weg über die Zeit t parametrisieren. Nach Einsetzen der Definition des
Linienelementes folgt
δ
ˆB p
−(dx)2 − (dy)2 − (dz)2 + c2 (dt)2
A
ˆB
=δ
A
ˆ
√
ṙδ ṙ
2
2
.
dt −ṙ + c = − dt √
c2 − ṙ2
B
(5.17)
A
Zur Auswertung des Integrals wenden wir die Produktintegration an. Wir setzen
u= √
c2
ṙ
− ṙ2
und dv = δ ṙ · dt
(5.18)
und erhalten nach Differentiation bzw. Integration
du =
d
ṙ
√
· dt und v = δr.
dt c2 − ṙ2
(5.19)
dr
d
= δr,
dt
dt
(5.20)
Dabei haben wir ausgenutzt, das gilt
δ ṙ = δ
32
5.1 Vierer-Geschwindigkeit
d.h. die Differentiationen sind vertauschbar.
Wir setzen diese Ergebnisse ein und erhalten
B ˆB
d
ṙ
ṙ
· δr + δr(t) √
· dt = 0.
−√
dt c2 − ṙ2
c2 − ṙ2
A
(5.21)
A
Da δr(A) = δr(B) = 0 verschwindet der erste Term. Wir wollen auch noch ṙ2 durch v 2
ersetzen. Jetzt haben wir
ˆB
δr(t)
A
d
ṙ
√
· dt = 0 ∀ δr(t).
2
dt c − v 2
(5.22)
Diese Gleichung läßt sich für beliebige δr(t) nur erfüllen, wenn
d
ṙ
√
=0
dt c2 − v 2
gilt.
(5.23)
Wir führen die Ableitung aus und erhalten:
2
r̈
r̈v 2
r̈
2
2
+
3 =
3 · c − v + v
c2 − v 2 (c2 − v 2 ) 2
(c2 − v 2 ) 2
c2
= r̈ ·
3 .
(c2 − v 2 ) 2
0= √
Das bedeutet
r̈ = 0 oder ṙ = const = v.
(5.24)
(5.25)
Durch Multiplikation der rechten Seite der Gleichung (5.23) mit der Masse m0 erhalten
wir eine Aussage über den relativistischen Impuls p:
0=
d m0 · ṙ
d m0 · ṙ
√
p
=
dt c2 − v 2
dt c 1 − β 2
v
mit β = .
c
(5.26)
Dabei ist die Lichtgeschwindigkeit c eine Konstante und wird von der Ableitung nicht
beeinflußt. Dann folgt also:
d m0 · ṙ
0= p
.
(5.27)
dt 1 − β 2
33
5 Relativistische Mechanik
Dies ist die Gleichung für den relativistischen Impuls für den Fall, dass eine kräftefreie
Bewegung vorliegt. Er ist dann eine Erhaltungsgröße. Für den relativistischen Impuls
allgemein gilt:
1
m0 · ṙ
= γpklass , mit γ = p
.
(5.28)
prel = p
1 − β2
1 − β2
Wie in der klassischen Mechanik gilt also auch in der relativistischen Mechanik:
dp
= F.
dt
(5.29)
5.1.5 Konstant beschleunigte Rakete
Wir betrachten eine Rakete die in ihrem Ruhesystem konstant mit a = g in x-Richtung
beschleunigt wird.
1) Aufstellen und Lösen der Bewegungsgleichungen
Inertialsystem K sei die Erde, das Ruhesystem der
Dann folgt:
 

0
γ



g
βγ
 inv LT µ 
b0µ = 
 0  ⇒ b = 0
0
0
und damit wegen v = veex
bx = γg =
Rakete K 0 .
βγ
γ
0
0
0
0
1
0

0
0 
 · b0µ
0 
1
d
d
d
ux =
(γv) = γ (γv)
dτ
dτ
dt
(5.30)
(5.31)
und damit
d
(γv).
(5.32)
dt
Mit den Anfangsbedingungen x(t = 0) = 0 und v(t = 0) = 0, sowie dx(t)/dt = v(t) folgt
g=
γv = gt = γ
Mit
folgt
und weiter
c2 β 2 = (1 − β 2 )g 2 t2
β=p
34
dx
dt
gt
c2 + g 2 t 2
=
v
c
p
dx
= v = cβ = 1 − β 2 gt.
dt
also (c2 + g 2 t2 )β 2 = g 2 t2
gt
und damit v(t) = q
< c.
g 2 t2
1 + c2
(5.33)
(5.34)
(5.35)
5.1 Vierer-Geschwindigkeit
v
c
t
Abbildung 5.2: Relativistische Bewegungsgleichung der Rakete: Während
in der Newtonschen Mechanik die Geschwindigkeit der Rakete über alle
Grenzen wächst (gestrichtelte Linie), ist in der SRT die Lichtgeschwindigkeit c die obere Schranke (durchgezogene Linie).
Siehe auch Abbildung 5.2.
Integration der Geschwindigkeit liefert
s
t
2
c
x(t) = v(t0 )dt0 = c t02 + 2 g 0
0
s

s
2
2
2
2
c
c
c
gt
= c t2 + 2 − 2 =  1 +
− 1 .
g
g
g
c
ˆt
(5.36)
für kleine t gilt also x(t) ≈ g2 t2 wie in der Newtonschen Mechanik, für große Zeiten
dagegen ist x(t) ≈ ct, unabhängig vom Wert der Beschleunigung, siehe Abbildung 5.3.
35
5 Relativistische Mechanik
x
∼ gt2 /2
∼ ct
t
Abbildung 5.3: Relativistische Bewegungsgleichung der Rakete: Während
in der Newtonschen Mechanik der zurückgelegte Weg x für alle Zeit mit g2 t2
pro Zeit t zunimmt (gestrichelte Linie), ändert er sich in der SRT für große
t proportional zu ct, unabhängig von der Beschleunigung g.
2) Betrachtung der Eigenzeit
Für die Eigenzeit τ erhalten wir
τ=
ˆt p
0
=
ˆt s
1 − β 2 (t0 )dt0 =
1−

c  gt
ln
+
g
c
s
0

(5.37)
c
gτ
sinh
g
c
(5.38)
1+
c
gt
= arsinh .
q
c
Auflösen nach t ergibt
t(τ ) =
g 2 t02
dt0
c2 + gt02
gt
c
2

Diese Ergebnisse erlauben uns eine genauere Betrachtung des Zwillingsparadoxons.
36
5.1 Vierer-Geschwindigkeit
Zwillingsparadoxon
Wir nehmen an, einer der beiden Zwillinge reise 5 Jahre in seiner Eigenzeit mit Beschleunigung g, dann 10 Jahre mit Beschleunigung −g und schließlich wieder 5 Jahre
mit Beschleunigung g, d.h. er kehrt nach 20 Jahren Eigenzeit zur Erde zurück. Für den
Zwilling auf der Erde ergibt sich aus Gleichung (5.38)
t(5 Jahre) = 84,4 Jahre.
(5.39)
Der reisende Zwilling kehrt für ihn also erst nach 4t(5 Jahre) = 337,4 Jahren wieder
zurück. Die maximale Entfernung zwischen den beiden Zwillingen ergibt sich aus Gleichung (5.36) zu 167 Lichtjahren. Eine umfassende Betrachtung des Zwillingsparadoxons
findet sich in [1].
5.1.6 Relativistische Energie
Schauen wir uns nochmal die Vierer-Kraft an:
v·F N µ
c
F =γ
FN
(5.40)
Für die nullte Komponente gilt:
F0 = m
du0
d
v · FN
= mγ (γc) = γ
.
dτ
dt
c
(5.41)
Daraus ersehen wir den Zusammenhang
F N · dx
dW
d
(mγc2 ) = v · F N =
=
.
dt
dt
dt
(5.42)
Dabei ist zu beachten das dW = F N · dx auch relativistisch gilt. Damit ist die relativistische Energie
W = γmc2 = E
(5.43)
eingeführt. Die auftretende Integrationskonstante haben wir so gewählt, dass die Energie
des ruhenden Teilchens E = mc2 ist. Weiter folgt
E = γmc2 = cp0
bzw. p0 =
also ist der Energie-Impuls-Vektor gegeben durch
E E µ
c
c
p =
=
.
mγv
p
E
,
c
(5.44)
(5.45)
37
5 Relativistische Mechanik
Für ihn gilt
E2
− p2 = m2 c2 ,
(5.46)
c2
wobei das letzte Gleichheitszeichen in das Ruhesystem des Teilchens führt, wo p = 0
und γ = 1 gelten. Da pµ pµ Lorentz-Skalar ist gilt schließlich
p
(5.47)
E 2 = m2 c4 + c2 p2 bzw. E = m2 c4 + c2 p2
p µ pµ =
Damit ist der relativistische Energiesatz eingeführt. Für kleine Impulse lässt sich
der Ausdruck für E in Gleichung (5.47) in eine Taylorreihe entwickeln:
r
p2
p2
p2
2
2
E = mc 1 + 2 2 ≈ mc 1 +
+ mc2 + O(p4 ),
(5.48)
+
...
=
mc
2m2 c2
2m
p2
mit der Ruheenergie mc2 und der kinetischen Energie
+ O(p4 ). Wichtig ist zu er2m
kennen, dass für m > 0 gilt
E 7→ ∞ für |v| 7→ c
(5.49)
Daraus folgt, dass sich Teilchen mit nicht verschwindender Ruheenergie langsamer als
Licht bewegen!
1) Photonen
Photonen haben keine Ruhemasse. Deswegen gilt
E2
pµ p = 2 − p2 = m2 c2 = 0.
c
µ
Daraus folgt dann
E = c|p| = }ω =
hc
.
λ
(5.50)
(5.51)
Mit den Zusammenhängen
p = }k und E = hν = }ω
(5.52)
zwischen Impuls und Wellenvektor, bzw. Energie und Frequenz für Photonen haben wir
dann
}ω ω µ
c
p =
=} c
= }k µ ,
(5.53)
k
}k
mit dem relativistischen Wellenvektor k µ .
38
5.2 Äquivalenz von Masse und Energie
2) Stöße
Ohne äußere Kräfte ist der Viererimpuls erhalten, also ist
E d µ
d
c
p =
= F µ = 0.
p
dτ
dτ
(5.54)
Für Stöße zwischen zwei Teilchen gilt
0µ
pµ1 + pµ2 = p0µ
1 + p2 .
(5.55)
Dieser Zusammenhang gilt auch für Photonen (Compton-Streuung).
5.2 Äquivalenz von Masse und Energie
Wir betrachten noch einmal den Vierer-Impuls:
E µ
c
p =
p
(5.56)
mit p = mγv. Da pµ Vierer-Vektor ist gelten die Lorentz-Transformationen (wie für xµ ).
Wir betrachten wie immer die spezielle Lorentz-Transformation in x-Richtung. Für xµ
gilt:
ct = γ(ct0 + βx0 ), x = γ(x0 + βct0 ).
(5.57)
Für pµ gilt entsprechend
E
=γ
c
E0
0
+ βpx ,
c
px = γ
p0x
E0
+β
c
.
(5.58)
Im Ruhesystem des Teilchens gilt p0x = 0 und E 0 = E00 = E0 . Daraus folgt
E = γE0
und damit
und px = γβ
E0
vE0
=γ 2
c
c
E0 = mc2
rel. Imp.
=
mγv
(5.59)
(5.60)
für die Ruhenergie im Ruhesystem. Es ist also keine Integrationskonstante möglich!
39
5 Relativistische Mechanik
−p
m1
m2
p
Abbildung 5.4: Zur Äquivalenz von Masse und Energie: Ein Teilchen, das
2 Photonen gleicher Energie in entgegengesetzte Richtung emittiert, ändert
seinen Impuls und entsprechend auch seine kinetische Energie nicht, es muss
also seine Ruhemasse verringern.
5.2.1 Konsequenzen der Äquivalenz von Masse und Energie
Wir betrachten ein Teilchen mit Masse m1 , das zwei Photonen in entgegengesetzter
Richtung emittiert (so dass kein Rückstoss erfolgt) (siehe Abbildung 5.4). Erhaltung des
Gesamt-Viererimpulses:
E2 E1 |p|
|p|
c
c
=
+
+
(5.61)
−p
p
0
0
Daraus folgt für E2
E2 = E1 − 2c|p| bzw. m2 c2 = m1 c2 − 2c|p|.
(5.62)
Daher können wir schliessen, dass weiter
m2 = m1 − 2
kp|
EPhoton
= m1 − 2
c
c2
(5.63)
gilt.
Abgestrahlte Energie, d.h. Photonen bzw. elektromagnetische Strahlung, verringert also
die Ruhemasse des Teilchens (z.B. ein angeregtes Atom).
Zusammengefasst haben wir damit die Äquivalenz von Masse und Energie:
Jeder Form von Energie kann eine träge Masse zugeordnet werden,
nach der Vorschrift
E = mc2 .
(5.64)
5.2.2 Beispiele
Bei den folgenden Situationen wird die Äquivalenz von Masse und Energie deutlich:
40
5.2 Äquivalenz von Masse und Energie
1. Angeregte Atome oder Moleküle sind schwerer als Atome oder Moleküle im Grundzustand. Wir betrachten das Wasserstoffatom. Die Massen von Proton und Elektron ergeben zusammen
mp + me = 1,67261 · 10−27 kg + 9,11 · 10−31 kg = 1,67352 · 10−27 kg.
(5.65)
Für Wasserstoff im Grundzustand findet man
13,6 eV
= 1,67352 · 10−27 kg − 2,42 · 10−35 kg
2
c
≈ 1,67352 · 10−27 kg − 10−8 mp
mH = mp + me −
(5.66)
Die Masse des Wasserstoffatoms ist also kleiner als die Masse von Proton plus
Elektron. Man spricht vom Massendefekt, hier verursacht von der negativen
Bindungsenergie von Elektron und Proton. Für das Wasserstoffatom ist dieser
Effekt sehr klein.
2. Atomkerne zeigen ebenfalls einen Massendefekt. Die Gesamtmasse von Atomkernen ist kleiner als die Summe der Massen der Protonen und Neutronen.
Der Massendefekt ergibt sich aus der Bindungsenergie EB /c2 aufgrund der starken
Wechselwirkung. Die Masse des Atomkernes ist also
m(A,Z) = Zmp + (A − Z)mn +
EB
c2
(5.67)
wobei EB < 0 ist. Wir betrachten als Beispiel das Nuklid 12 C. Hier ist A = 12 und
Z = 6. Die atomare Masseneinheit ist
1
m
12
Im Vergleich ergibt sich
12
C = 1,6605 · 10−27 kg.
1
1
(6mp + 6mn ) = (1,67261 · 10−27 kg + 1,67482 · 10−27 kg)
12
2
= 1,67372 · 10−27 kg.
(5.68)
(5.69)
Das heißt etwa 0,8% der Masse der Protonen und Neutronen geht in die Bindungsenergie.
3. Teilchen und Antiteilchen können paarweise erzeugt oder vernichtet werden, z.B
in der Reaktion
e+ + e− ←→ 2γ.
(5.70)
41
5 Relativistische Mechanik
Aus Elektron und Positron entstehen also zwei Photonen. Es gilt:
me = 9,11 · 10−31 kg also Eγ ≥ me c2 = 8,2 · 10−14 J = 512 keV.
(5.71)
Hier werden 100% der Masse in Energie umgewandelt.
5.3 Drehimpulstensor und Drehmoment
5.3.1 Klassischer Drehimpuls
In der klassischen Mechanik gilt für den Drehimpuls
L = r × p.
(5.72)
In Komponentenschreibweise ergibt dies
L i = x j pk − x k pj
mit (i,j,k) = (1,2,3) und zyklischen Permutationen.
(5.73)
5.3.2 Kovarianter Drehimpuls und Drehmoment
Wir definieren eines Lorentz-kovarianten Drehimpuls über
Lµν = xµ pν − xν pµ = −Lνµ .
(5.74)
Lµν ist also antisymmetrischer Tensor 2. Stufe. In der klassischen Mechanik gilt weiter
für das Drehmoment
dL
M=
= r × F N.
(5.75)
dt
In kovariante Formulierung erhalten wir entsprechend
d µν
d µ ν
dpν
dpµ
L =
(x p − xν pµ ) = uµ pν + xµ
− uν pµ − xν
dτ
dτ
dτ
dτ
µ ν
ν µ
µν
=x F −x F =M .
Dabei wurde ausgenutzt, dass sich die Terme uµ pν und −uν pµ zu Null addieren.
42
(5.76)
5.4 Relativistische Erhaltungssätze
5.4 Relativistische Erhaltungssätze
Wir betrachten ein System von N Massepunkten, die keinen äußeren Kräften unterliegen.
Erhaltungsgrössen in der klassischen Mechanik sind für solch ein System der Gesamtimpuls, der Gesamtdrehimpuls und die Gesamtenergie.
In der SRT gilt entsprechend
N
X
pµi = const,
(5.77)
i=1
also
E=
p=
N
X
i=1
N
X
Ei = const,
pi =
i=1
N
X
mi γi vi = const,
(5.78a)
(5.78b)
i=1
mit den relativistischen Energien Ei .
43
6 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik
6 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik
Die Newtonsche Mechanik ist Galilei-invariant. Deshalb mussten wir im vorherigen Kapitel eine kovariante Formulierung für eine relativistische Mechanik finden. Dies führte
zu einer Modifikation der Bewegungsgleichungen.
Im Gegensatz dazu ist die Elektrodynamik, d.h. die Maxwellschen Gleichungen, bereits Lorentz-invariant. Dies kommt jedoch bei der Formulierung mit (E, B,j,%) nicht
explizit zum Ausdruck, insbesondere sind E, B und j keine Vierervektoren und % kein
Lorentz-Skalar.
In diesem Kapitel wollen wir daher die Maxwellschen Gleichungen in einer kovarianten
Formulierung darstellen. Dies wird es uns möglich machen, direkt zu sehen, wie sich die
elektrischen und magnetischen Felder, sowie Ladungen und Ströme transformieren.
6.1 Grundlagen der klassischen Elektrodynamik
Das elektrische Feld E ist definiert über die Kraft F el , die auf eine (ruhende) kleine
Probeladung q wirkt:
F el (r) = qE(r)
(6.1)
Die magnetische Induktion ist definiert über die Kraft F m , die auf eine sich mit Geschwindigkeit v bewegende Ladung q wirkt:
F m = q (v × B(r))
(6.2)
Daraus ergibt sich die Lorentzkraft, die Kraft auf eine Probeladung q im elektromagnetischen Feld, zu
F = q(E(r) + v × B(r))
(6.3)
6.1.1 Die homogenen Maxwellgleichungen
Für das elektrische und magnetische Feld gelten Nebenbedingungen (innere Feldgleichungen), die homogenen Maxwellgleichungen. Zum einen
∇ × E + Ḃ = 0.
44
(6.4)
6.1 Grundlagen der klassischen Elektrodynamik
Daraus ergibt sich das Induktionsgesetz
ˆ
ˆ
ˆ
Stokes
(∇ × E)df =
E · ds = Uind = − Ḃ · df = −Φ̇.
F
F
∂F
mit dem magnetischen Fluss Φ =
´
F
(6.5)
B · df durch die Fläche F. Zum anderen haben wir
(6.6)
∇ · B = 0.
Gleichung (6.6) besagt, dass es keine magnetischen Monopole gibt. Mit Ergebnissen der
Vektoranalysis folgt, dass B darstellbar ist als Rotation eines Vektorpotentials:
B = ∇ × A.
(6.7)
∇ × E + ∇ × Ȧ = ∇ × (E + Ȧ) = 0.
(6.8)
E + Ȧ = −∇ϕ,
(6.9)
Damit folgt:
In der Vektoranalysis wird weiter gezeigt, dass sich ein Vektorfeld als Gradient eines skalaren Feldes darstellen lässt, falls seine Rotation verschwindet. Also können wir schreiben
mit dem elektrodynamischen Potential ϕ. Aufgelöst nach dem elektrischen Feld ergibt
sich
E = −∇ϕ − Ȧ.
(6.10)
Das skalare Potential und das Vektorpotential sind nicht eindeutig, man spricht in diesem
Zusammenhang von Eichfreiheit. Setzt man etwa
A0 = A + ∇χ so folgt daraus ∇ × A0 = ∇ × A + ∇ × (∇χ) = ∇ × A = B.
| {z }
0
(6.11a)
Für das elektrische Feld ergibt sich dann
E = −∇ϕ − Ȧ0 + ∇χ̇ = −∇ (ϕ − χ0 ) −Ȧ0 ,
| {z }
(6.11b)
ϕ0
dabei ist χ(r,t) ein beliebiges skalares Feld und heißt Eichfunktion. Weiter wurde ausgenutzt, dass die Rotation des Gradienten eines beliebigen skalaren Feldes verschwindet.
Die Operation
(A,ϕ) 7→ (A0 ,ϕ0 )
(6.12)
heißt Eichtransformation.
45
6 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik
Die inhomogenen Maxwellgleichungen
Die beiden inhomogenen Maxwellgleichungen oder Erregungsgleichungen lauten
∇ × B = µ0 (j + ε0 Ė),
%
∇·E = .
ε0
Einsetzen der Potentiale und Umformen liefert
1
∇ × ∇ × A + ε0 (∇ϕ̇ + Ä) = j,
µ0
%
∇ · −∇ϕ − Ȧ = .
ε0
Mit der Relation
a × (b × c) = b · (a · c) − c · (a · b)
kann Gleichung (6.14a) weiter umgeformt werden zu
1
1
∇ ∇ · A − ∆A + ε0 ∇ϕ̇ + ε0 · Ä = j.
µ0
µ0
(6.13a)
(6.13b)
(6.14a)
(6.14b)
(6.15)
(6.16)
Nutzt man nun die Eichfreiheit aus, so können die Potentiale so gewählt werden, dass
ε0 µ0 ϕ̇ + ∇ · A = 0
gilt. Dabei ist
(6.17)
1
.
(6.18)
c2
Diese Eichung heißt Lorentz-Eichung. Die Eichfunktion χ(r,t) ist hier Lösung der
Differentialgleichung
1
1
χ̈ − ∆χ = g(r,t) = 2 ϕ̇ + ∇ · A.
(6.19)
2
c
c
Mit Lorentz-Eichung gilt
1∂ ϕ
+ ∇ · A = 0.
(6.20)
c ∂t c
Wir führen das Vierer-Potential
ϕ µ
c
A =
(6.21)
A
∂
ein. Zusammen mit der kovarianten Ableitung ∂µ = 1c ∂t
, ∇ gilt dann in LorentzEichung
∂µ Aµ = 0.
(6.22)
ε0 µ 0 =
46
6.1 Grundlagen der klassischen Elektrodynamik
Die Lorentz-Eichung kann in jedem Bezugssystem gewählt werden. Damit ist ∂µ Aµ
ein Lorentz-Skalar. Dementsprechend ist Aµ ein kontravarianter Lorentz-Tensor 1.Stufe,
transformiert sich also wie die Koordinaten mit der Lorentz-Transformation.
Beispiel: Spezielle Lorentz-Transformation in x-Richtung
Bei einer speziellen Lorentz-Transformation in x-Richtung von System K nach System
K 0 mit Relativgeschwindigkeit v transformieren sich die Koordinaten über
ct0 = γ(ct − βx), x0 = γ(x − βct),
y 0 = y, z 0 = z.
Also gilt für das Viererpotential bei diesem Koordinatenübergang
1 0
1
1
0
ϕ =γ
ϕ − βAx , Ax = γ Ax − β ϕ , A0y = Ay , A0z = Az .
c
c
c
(6.23)
(6.24)
In System K existiere nur ein statisches elektrisches Feld E = ∇ϕ und kein Magnetfeld,
also A = 0.
Der Beobachter im System K 0 sieht dann auch ein Magnetfeld B 0 = ∇0 × A0 , falls
ϕ von y oder z abhängt.
Gelte z.B. für das elektrodynamische Potential und Vektorpotential, sowie das elektrische Feld in K
ϕ = −E0 z,
bzw. E = E0 · ez
und A = 0.
(6.25)
In K 0 ergibt sich dann
v
1
z = z0 v
A0x = −γβ ϕ = 2 γE0 z = 2 γE0 z 0
c
c
c
(6.26a)
und damit erhält man das Magnetfeld
B 0 = ∇ 0 × A0 = γ
Aus Gleichung (6.14b) folgt
v
vE0
E 0 · ey = q
2
c
c2 1 −
−∇Ȧ − ∆ϕ =
%
.
ε0
v2
c2
· ey .
(6.26b)
(6.27)
Aus ∂µ Aµ folgt durch Zeitableitung weiter
1
ϕ̈ = −∇ · Ȧ.
c2
(6.28)
47
6 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik
Unter Verwendung der Gleichungen (6.27) und (6.28) finden wir schließlich
r
µ0
1 ∂2 ϕ
ϕ
ϕ
1%
µϕ
−
∆
=
∂
∂
=
=
=
%.
µ
c2 ∂t2 c
c
c
c
c ε0
ε0
(6.29)
Im letzten Schritt haben wir dabei Gleichung (6.18) eingesetzt.
In dieser Gleichung haben wir den d’Alembert-Operator
1 ∂2
∂µ ∂ = 2 2 − ∆ = c ∂t
µ
(6.30)
eingeführt. Unter Verwendung der Gleichungen (6.16), (6.18) und (6.20) können wir den
d’Alembert-Operator nun auf A anwenden und finden
A = µ0 j + µ0 ε0 ∇ϕ + ∇(∇ · A) = µ0 j.
(6.31)
Insgesamt haben wir dann die zu den vier Maxwellgleichungen äquivalente Gleichung
!
q
µ0
%
c%
µ
ε0
A =
= µ0
= µ0 j µ ,
(6.32)
j
µ0 · j
mit dem Viererstrom j µ , der ein kontravarianter Tensor 1. Stufe ist.
Daraus ergibt sich weiter, dass
∂µ j µ = %̇ + ∇ · j
(6.33)
ein Lorentz-Skalar ist.
Wegen ∇ × B = µ0 (j + ε0 Ė) aus Gleichung (6.13a) gilt
∇ · (∇ × B) = 0 = µ0 (∇ · j + ε0 ∇Ė) = µ0 (∇ · j + %̇).
(6.34)
Da der hintere Teil von Gleichung (6.34) ein Lorentz-Skalar ist, muss diese Gleichung in
allen Bezugssystemen gelten.
Damit ist die Kontinuitätsgleichung
∂µ j µ = ϕ̇ + ∇ · j = 0
(6.35)
begründet, die in allen Inertialsystemen gilt.
Wir betrachten wieder die Beziehung
∂µ ∂ µ Aν = Aν = µ0 j ν
48
(6.36)
6.2 Lorentz-Tensoren 2. Stufe in der Elektrodynamik
in Gleichung (6.32).
Im Vakuum gilt j µ = 0 und damit ergibt sich die Wellengleichung
(6.37)
A = 0
deren Lösung eine Superposition ebener Wellen darstellt:
f (xµ ) = e(−ikµ x
µ)
= ei(k·x−ωt) ,
(6.38)
mit dem kovarianten Wellenvektor
kµ =
ω
c
k
.
Damit ergibt sich für f die Gleichung:
2
1 ∂
ω
!
2
µ
µ
− ∆ f (x ) =
− k ) = 0.
f (x ) =
2
2
2
c ∂t
c
(6.39)
(6.40)
Um diese Bedingung zu erfüllen muss
ω = c|k|
gelten. Also ist kµ ein lichtartiger Vektor ist.
Es folgt dann
ˆ
µ
ν
µ
A (x ) = Ãν (k µ )δ[(k 0 )2 − k2 ]e−ikµ x d4 k
(6.41)
(6.42)
R4
wobei Ãν (k µ ) frei wählbar ist.
6.2 Lorentz-Tensoren 2. Stufe in der Elektrodynamik
Das elektrische Feld und das Magnetfeld sind wie bereits diskutiert nicht Lorentzkovariant. Es stellt sich nun die Frage, ob die Maxwell-Gleichungen auch für die Felder
in kovarianter Form geschrieben werden können.
Es zeigt sich, dass dies möglich ist, allerdings werden dann Lorentz-Tensoren 2. Stufe
benötigt. Wir werden diese Tensoren nicht herleiten, sondern direkt einführen und dann
ihre Eigenschaften betrachten.
49
6 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik
6.2.1 Der Feldstärketensor
Die zentrale Größe zur kovarianten Formulierung der Elektrodynamik ist der Feldstärketensor. Um ihn zu erhalten bilden wir die Vierer-Rotation des Vektorpotentials:
Fµν = ∂µ Aν − ∂ν Aµ
(6.43)
Fµν ist also ein antisymmetrischer kovarianter Lorentz-Tensor 2.Stufe, wobei gilt
ϕ µ
c
Aν = ηµν A =
.
(6.44)
−A
Für die einzelnen Komponenten ergibt sich
F00 = F11 = F22 = F33 = 0,
1
1
1 ∂ϕ
+
Ȧ
=
−
Ei = −F0i ,
Fi0 = ∂i A0 − ∂0 Ai =
i
c ∂xi c
c
∂A2 ∂A1
= −B3 = −F21 ,
F12 = − 1 +
∂x
∂x2
F13 = B2 = −F31 ,
F23 = −B1 = −F32 ,
und damit in Matrixschreibweise

Fµν

Ey
Ex
Ez
0
c
c
c
 − Ex
0
−Bz By 
c

=
E
y
 −

B
0
−B
z
x
c
Ez
− c −By Bx
0
(6.45a)
(6.45b)
(6.45c)
(6.45d)
(6.45e)
(6.46)
Die Transformation des Feldstärketensors erfolgt über
0
Fµν
= (Λ−1 )µα (Λ−1 )ν β Fαβ .
(6.47)
Beim Wechsel zwischen Bezugssystemen (Inertialsystemen) transformieren sich also die
elektrischen und die magnetischen Felder zusammen. Eine getrennte Betrachtung ist
daher nicht sinnvoll.
50
6.2 Lorentz-Tensoren 2. Stufe in der Elektrodynamik
1) Der kontravariante Feldstärketensor
Weiter lässt sich der kontravariante Feldstärketensor über den allgemeinen Zusammenhang zwischen ko- und kontravarianten Tensoren definieren:


0 − Ecx − Ecy − Ecz
 Ex
0
−Bz By 
c
.
(6.48)
F µν = η µα η νβ Fαβ = 
 Ey Bz
0
−Bx 
c
Ez
c
−By
Bx
0
Außerdem gilt, zunächst ohne Beweis
Fµν F µν =
2
(E 2 − c2 B 2 ) ist Lorentz-Skalar und E · B
c2
ist ein Pseudo-Skalar.
(6.49)
Dabei verhält sich ein Pseudo-Skalar abgesehen von einem Vorzeichenwechsel bei Raumspiegelungen wie ein gewöhnlicher Skalar.
2) Schlussfolgerungen
Mit den Ergebnissen des vorherigen Abschnittes erhalten wir folgende wichtige Aussagen:
1. Gilt E · B = 0, bzw. E ⊥ B in einem Inertialsystem, dann ist E · B = 0, bzw.
E ⊥ B in allen Inertialsystemen.
2. Gilt zusätzlich E 2 − c2 B 2 > 0, dann gibt es ein System mit B 0 = 0, d.h. das
Magnetfeld lässt sich wegtransformieren. Gilt E 2 − c2 B 2 < 0, dann gibt es ein
System mit E 0 = 0 und das elektrische Feld lässt sich wegtransformieren.
3. Gilt E · B 6= 0 in einem System, dann gilt es in allen Systemen, d.h. keines der
Felder lässt sich wegtransformieren.
4. Gilt E 2 − c2 B 2 = 0 in einem System, dann ist |E| = c|B| in allen Systemen. Gilt
zusätzlich E · B = 0, dann bilden E, B und k ein Orthogonalsystem.
51
6 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik
6.3 Kovariante Form der Erregungsgleichungen
Mit Hilfe des Feldstärketensors lässt sich
(6.50)
∂ν F µν = −µ0 j µ
schreiben.
Um zu zeigen, dass diese Gleichung erfüllt ist, werten wir sie im Einzelnen aus.
Für µ = 0 haben wir
1
∂ν F 0ν = −µ0 j 0 , mit ∂ν F 0ν = − ∇ · E = −µ0 c%,
c
%
2
bzw. ∇ · E = µ0 c % = .
ε0
(6.51a)
Für µ = 1 ergibt sich
∂ν F
1ν
1
= 2 E˙x +
c
∂By ∂Bz
−
∂z
∂y
=
1 ˙
Ex − (∇ × B)x ,
c2
(6.51b)
bzw. insgesamt für µ = i 6= 0:
1
Ė − (∇ × B) = −µ0 j,
c2
1
bzw. ∇ × B − ε0 Ė = j.
µ0
∂ν F iν =
Wir kommen damit zu folgendem wichtigen Ergebnis:
Die Gleichung ∂ν F µν = −µ0 j µ ist die kovariante Form der beiden
Erregungsgleichungen ∇ · E = %/ε0 und µ10 ∇ × B − ε0 Ė = j.
52
(6.51c)
6.4 Kovariante Form der inneren Feldgleichungen
6.4 Kovariante Form der inneren Feldgleichungen
Wir definieren zunächst den total antisymmetrischen Levi-Civita-Tensor:


1 wenn {κλµν} gerade Permutation von 1,2,3,4 ist,

κλµν
ε
=
−1 wenn {κλµν} ungerade Permutation von 1,2,3,4 ist


0 sonst.
(6.52)
Der Levi-Civita-Tensor ist Pseudo-Tensor 4. Stufe. Bei einem Koordinatenwechsel gilt
also wie üblich
(6.53)
Λακ Λβ λ Λγ µ Λδν εκλµν = εαβγδ ,
bei Raumspiegelungen verhält sich εκλµν aber anders als normale Tensoren, es tritt ein
Vorzeichenwechsel auf.
6.4.1 Der duale Feldstärketensor
Mit Hilfe des Levi-Civita-Tensor kann man den dualen Feldstärketensor definieren
als


0 −Bx −By −Bz
Ez
 Bx
1 µναβ
0
− Ecy 
µν
c
b


F = ε
(6.54)
Fαβ = 
Ex  .
By − Ecz
0
2
c
Bz Ecy − Ecx
0
Fbµν ist auch ein Pseudo-Tensor, hat also einen Vorzeichenwechsel bei Raumspiegelungen.
Man erhält außerdem
1
(6.55)
Fµν Fbµν = − B · E.
4
Damit ist gezeigt, dass B · E ein Pseudo-Skalar ist, wie wir es bei der Einführung des
kontravarianten Feldstärketensors bereits ohne Beweis angemerkt hatten.
6.4.2 Formulierung der inneren Feldgleichungen
Die inneren Feldgleichungen lassen sich nun schreiben als
∂ν Fbµν = 0.
(6.56)
Wir betrachten diese Gleichung wieder im Einzelnen:
53
6 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik
Für µ = 0 ergibt sich
∂ν Fb0ν = −∇ · B = 0.
(6.57a)
Für µ = 1 haben wir
b1ν
∂ν F
1
1
= Ḃx +
c
c
∂Ey ∂Ez
−
+
∂z
∂y
i
1h
=
Ḃx + (∇ × E)x ,
c
(6.57b)
und insgesamt für µ = i 6= 0:
1
Ḃ + ∇ × E = 0.
∂ν Fbiν =
c
(6.57c)
Insgesamt ergibt sich als kovariante Form der Maxwellgleichungen
also
∂ν Fbµν = 0,
∂ν F µν = −µ0 j µ .
(6.58a)
(6.58b)
6.5 Kovariante Form der Lorentz-Kraft
Mit dem Feldstärketensor lässt sich die Lorentz-Kraft kovariant formulieren:
d
pµ = q · Fµν uν .
dτ
(6.59)
Für µ = i ∈ {1,2,3} ergibt sich
d
d
d
pi = γ pi = −γq(E + v × B) = − pi ,
dτ
dt
dτ
(6.60a)
und für µ = 0
d
d
q
p0 =
(mγc) = γ E · v,
dτ
dτ
c
d
d
ds
d
bzw.
(γmc2 ) = qE · v = Erel = W = qE · .
dt
dt
dt
dt
54
(6.60b)
6.6 Der Energie-Impuls-Tensor des elektromagnetischen Feldes
Es gilt also
dW = qE · ds,
(6.61)
d µ
p = F µ = qη µα Fαν uν ,
dτ
(6.62)
d.h. der Energiezuwachs ist gleich der vom elektrischen Feld geleisteten Arbeit.
Alternativ lässt sich schreiben:
mit der Minkowski-Kraft F µ . Wir definieren zusätzlich die Minkowski-KraftDichte f µ , indem wir die Ersetzungen q → %0 , quν → %uν = j ν vornehmen. Wir
erhalten dann
1
j·E
µ Def. µα
ν
c
f = η Fαν j =
.
(6.63)
%E + j × B
6.6 Der Energie-Impuls-Tensor des elektromagnetischen Feldes
6.6.1 Klassische Energiegrößen der Elektrodynamik
In der klassischen Elektrodynamik sind die nicht Lorentz-kovarianten Größen Feldenergie
w als
1 2
1
2
(6.64)
ε0 E + B
w=
2
µ0
und der Poynting-Vektor (Energiestrom) S als
S=
1
E×B
µ0
(6.65)
definiert.
6.6.2 Einführung des Energie-Impuls-Tensors
Als entsprechende Lorentz-kovariante Grösse definieren wir den Energie-Impuls-Tensor über
1
1 ν
αν
αβ
ν
Fµα F + ηµ Fαβ F
,
(6.66a)
Tµ =
µ0
4
55
6 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik
bzw.
T
µν
1
=
µ0
1 µν
µβ
αν
αβ
.
η Fβα F + η Fαβ F
4
Dabei ist
und Fαβ F αβ = −2
von Fµα F αν aus.
E2
c2
ηµν = δµν
(6.66b)
(6.67)
− B 2 nach Gleichung (6.49). Wir werten nun die Komponenten
Für µ = ν = 0 ergibt sich einfach
E2
,
c2
F0α F α0 =
(6.68a)
und für µ = 0,ν = i
µ0
1
F0α F αi = (E × B)i = (S)i
c
c
(6.68b)
Mit diesen Ergebnissen können wir nun die Komponenten von Tµ ν bestimmen:
T0
0
T0 i
Ti j
2
1 1 2 1 E2
1
E
2
2
=
E −
−B
+ B = w,
=
µ 0 c2
2 c2
2µ0 c2
1
= (S)i = −Ti 0 ,
c
= Gij .
(6.69a)
(6.69b)
(6.69c)
Dabei ist Gij der Maxwellsche Spannungstensor. Insgesamt erhalten wir in Matrixschreibweise:
1 T
w
S
w 1c S t
ν
µν
c
.
(6.70)
Tµ =
und T =
1
S Gij
− 1c S Gij
c
Dabei gilt
Gij = −Gij .
(6.71)
Tµ µ = Sp Tµ ν = 0.
(6.72)
Der Tensor Tµ ν ist außerdem spurfrei:
56
6.6 Der Energie-Impuls-Tensor des elektromagnetischen Feldes
E
| {z }
Fläche ∆A
Abbildung 6.1: Zur Interpretation des Energie-Impuls-Tensor: Betrachtet
wird ein kleiner Quader im elektromagnetischen Feld
6.6.3 Interpretation des Energie-Impuls-Tensors
Um die Bedeutung des Energie-Impuls-Tensors klar zu machen, betrachten wir einen
kleinen Quader in einer elektromagnetischen Welle, die sich in x-Richtung ausbreitet,
d.h. für den Poynting-Vektor ergibt sich S = Sx ex . Siehe auch Abbildung 6.1. Dann gilt:
!
∆W = Sx ∆A · ∆t = Fx ∆x = Fx c · ∆t.
(6.73a)
1
∆px
∆px
Fx
= pS = Sx =
=c
,
∆A
c
∆A · ∆t
∆V
(6.73b)
∆px
= Πx ,
∆V
(6.74)
bzw. umgeformt
wobei pS den Strahlungsdruck bezeichnet. Weiter gilt
mit der Impulsdichtekomponente Πx . Allgemein ist die Impulsdichte definiert über
Π=
1
S.
c2
(6.75)
Der Maxwellsche Spannungstensor Gij bestimmt den Druck, den eine elektromagnetische
Kraft auf ein Volumenelement, hier der kleine Quader, ausübt:
F
= −G · n,
∆A
(6.76)
57
6 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik
mit dem Normalenvektor n senkrecht zum Flächenelement ∆A. Daraus folgt
F = −Gdf ,
(6.77)
mit df = n · dA. Die Dimension von T µν ist also gleich Energie durch Volumen, bzw.
Kraft pro Fläche also Druck. Aus ∂µ F µν = −µ0 j µ folgt
1
(−µ0 Fµα j α ) = −Fµα j α ,
µ0
= −η µβ Fβα j α = −f µ ,
∂ν Tµ ν =
(6.78a)
∂ν T µν
(6.78b)
mit der Minkowski-Kraft-Dichte f µ . In Komponenten führt dies auf
∂w
+ ∇ · S = −j · E, für µ = 0,
∂t
1 ∂Si
+ ∇ · Gi = %Ei + (j × B)i für µ = i.
2
c ∂t
(6.79a)
(6.79b)
dabei steht der Index i in Gi für die entsprechende Zeile.
Betrachtung im Vakuum
Im Vakuum ist j µ = 0, also auch f µ = 0 und daher ∂ν T µν = 0. Es existieren dann
insgesamt vier Kontinuitätsgleichungen:
∂ω
+ ∇ · S = 0,
∂t
1 ∂Si
+ ∇ · Gi = 0,
c2 ∂t
i
mit c12 ∂S
=
∂t
über
∂Πi
.
∂t
(6.80)
Gij beschreibt also eine Impulsstromdichte. Man kann T µν aufspalten
µν
µν
T µν = Tem
+ Tmat
,
(6.81)
µν
µν
wobei Tem
nur elektromagnetische Felder beschreibt und Tmat
Materie, also Ladungen
und Ströme und auch andere Beiträge, etwa Teilchenfelder und Gravitationsfelder.
58
6.7 Der relativistische Doppler-Effekt
6.7 Der relativistische Doppler-Effekt
6.7.1 Elektromagnetische Wellen im Vakuum
Elektromagnetische Wellen im Vakuum werden durch die Gleichungen
E(r, t) = E0 · ei(k·r−ωt)
(6.82)
B(r, t) = B0 · ei(k·r−ωt)
beschrieben, dabei gilt für diese ebenen Wellen
(6.83)
E0 ⊥ B0 ⊥ k.
Mit dem Vierer-Wellenvektor
ω 1
µ
c
= pµ
k =
k
}
gilt
bzw. kµ = ηµν k =
ν
ω
c
−k
µ
ei(k·r−ωt) 7→ e−ikµ k .
(6.84)
(6.85)
6.7.2 Transformation in ein bewegtes Bezugsystem
Es stellt sich die Frage, welche Welle ein Beobachter in einem bewegten Bezugssystem
sieht. Wir betrachten dazu ein entlang der x-Achse bewegtes System. Eine LorentzTransformation des Vierer-Wellenvektors ergibt
k 00
k 01
k 02
k 03
bzw.
mit
= γ(k 0 − βk 1 ),
= γ(k 1 − βk 0 ),
= k2,
= k3,
1 − βnx
ω − vkx
= ωp
,
ω 0 = γ(ω − v · kx ) = p
1 − β2
1 − β2
n=
k
c
= k.
|k|
ω
(6.86)
(6.87)
(6.88)
59
6 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik
Der Zusammenhang |k| =
(6.41). Es gilt also
ω
c
folgt dabei direkt aus kµ k µ = 0, siehe auch Gleichung
kx0
kx − β ωc
=p
.
1 − β2
(6.89)
6.7.3 Der longitudinale Doppler-Effekt
Sei
k = ±k · ex , d.h. nx = ±1.
Dann gilt
und
1∓β
1∓β
√
=ω
= ω√
ω0 = ω p
2
1−β 1+β
1−β
±k − βk
±k 0 = p
,
1 − β2
s
(6.90)
1∓β
,
1±β
(6.91a)
s
(6.91b)
1∓β
bzw. k 0 = k p
=k
1 − β2
1∓β
ω0
= .
1±β
c
Daraus folgt für die Frequenzverschiebung:
ω0 − ω
∆ω
=
=
ω
ω
s
1∓β
− 1.
1±β
(6.92)
Für die Wellenlängenverschiebung ergibt sich wegen
λ=
2π
c
ω
dann
0
∆λ
λ −λ
=
=
λ
λ
s
(6.93)
1±β
− 1.
1∓β
Für die nichtrelativistische Näherung für v c, β 1 folgt:
∆ω
1 2
' 1 ∓ β + β ∓ ... − 1 ≈ ∓β + O(β 2 ),
ω
2
∆λ
1 2
' 1 ± β + β ± ... − 1 ≈ ±β + O(β 2 ).
λ
2
In der Kosmologie heißt
z=
60
∆λ
λ
(6.94)
(6.95a)
(6.95b)
(6.96)
6.7 Der relativistische Doppler-Effekt
Rotverschiebungsparameter.
6.7.4 Der transversale Doppler-Effekt
Sei k ⊥ v, d.h. nx = 0. Dann gilt
1 2
4
ω =p
= ω 1 + β + O(β ) .
2
1 − β2
0
ω
Wir nehmen an es gelte
Dann gilt
(6.98)
k = k · ez .
kx0 = − p
βk
1 − β2
ky0 = ky = 0,
(6.97)
,
(6.99)
kz0 = kz = k.
Für einen bewegten Beobachter erscheint die Wellenfront gekippt um den Winkel α,
gegeben durch:
k0
β
tan (α) = x0 = − p
.
(6.100)
kz
1 − β2
Diese Erscheinung heißt Aberration. Im nichrelativistischen Grenzfall gilt
v
tan (α) ' −β = − .
c
(6.101)
61
Literaturverzeichnis
[1] T. Müller, A. King und D. Adis. A trip to the end of the universe and the twin
“paradox“. Am. J. Phys. 76 (2008).
[2] H. Ruder und M. Ruder. Die Spezielle Relativitätstheorie. Vieweg-Studium (1993).
[3] W. Rindler. Relativity - Special, General and Cosmology. Oxford University Press,
zweite Auflage (2006).
63
Index
Aberration, 61
Strahlungsdruck, 57
d’Alembert-Operator, 48
Eichfreiheit, 45
Eichfunktion, 45
Eichtransformation, 45
Eigenzeit, 28
Einsteinsche Summenkonvention, 19
Energie-Impuls-Tensor, 55
Energie-Impuls-Vektor, 37
Vektor
kontravariant, 20
kovariant, 20
Vierer-Potential, 46
Viererdivergenz, 27
Vierergeschwindigkeit, 29
Vierergradient, 27
Viererrotation, 27
Viererstrom, 48
Feldstärketensor
dualer, 53
Wellengleichung, 49
Weltäther, 2
Galilei-Transformation, 1
Zeitartigkeit, 11
Zeitdilatation, 9
Zwillingsparadoxon, 9
Impulsdichte, 57
Kontinuitätsgleichung, 48
kontravarianter Tensor 1. Stufe
SRT, 23
kovarianter Tensor 1. Stufe
SRT, 23
Längenkontraktion, 9
Levi-Civita-Tensor, 53
Lichtartigkeit, 11
Lorentz-Eichung, 46
Massendefekt, 41
Maxwellsches Spannungstensor, 56
Minkowski-Kraft, 55
Minkowski-Kraft-Dichte, 55
Poynting-Vektor, 55
Raumartigkeit, 11
relativistische Energie, 37
relativistischer Energiesatz, 38
relativistischer Wellenvektor, 38
Rotverschiebungsparameter, 61
65
Herunterladen