Eukalyptus, Erde und Blech – die passende Materialkombination für

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Geschichte 3: Materialwahl
Eukalyptus, Erde und Blech – die passende
Materialkombination für Bura
Nachhaltig bauen bedingt auch, dass sich Architekten unabhängig von importierten
Materialien machen. Die Kleinstadt Buranest sollte deshalb ursprünglich aus dem
Boden ihrer Umgebung erschaffen werden. Doch mit einer Erde, die sich bei Regen
ausdehnt wie ein Schwamm, lässt sich keine Stadt bauen.
Autor: Samuel Schlaefli, im Auftrag der ETH
Vorhangfassade aus Stahl und Glas in Addis Abeba (Foto: Samuel Schlaefli)
„From shabby to chic“, verspricht ein Slogan an der Bauabsperrung entlang der Bole Road,
im Herzen der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Daneben steht ein mehrstöckiger, wellenförmig geschwungener Glaspalast. Stahl, Beton und Glas sind die Stoffe, aus denen äthiopische Träume bestehen. Träume von Fortschritt, Reichtum und einem modernen, westlichen Lebensstil. Die Früchte dieser Sehnsucht sind bullige Business- und Shoppingcenters,
komplett in verspiegelte Glasfassaden eingefasst. Es ist eine objektverliebte Architektur, die
an der Bole Road zur Schau gestellt wird; weder ästhetisch noch ökologisch der Umgebung
angepasst. Addis Abeba liegt auf einer Höhe von circa 2300 Metern über Meer. Die Sonneneinstrahlung ist hier besonders intensiv und verwandelt die Glaspaläste in Backöfen. Mit Klimaanlagen müssen sie heruntergekühlt werden – und das in einem Land, in dem Stromunterbrüche in vielen Teilen zur Tagesordnung gehören und die meisten Haushalte auf dem
Land bis heute keinen Strom-anschluss besitzen. «Äthiopien krankt am Dubai-Fieber», sagt
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Fasil Giorghis, einer der renommiertesten Architekten Äthiopiens und Mitinitiator von
„NESTown“. Gerade in Afrika trügen Architekten heutzutage eine grosse Verantwortung ihre
Regierungen für langfristige, ökologisch und ökonomisch sinnvolle Entscheidungen im Städtebau zu sensibilisieren, ist er überzeugt. NESTown sei ein möglicher Weg dafür. Während
der vergangenen fünf Jahre hat Giorghis deshalb eng mit Franz Oswald an den Plänen für
Buranest gearbeitet. Zusammen mit Kollegen des „Ethiopian Institute of Architecture Building Construction and City Development“ (EiABC) in Addis Abeba, wo er als Professor lehrt,
bringt er stets auch die äthiopisch-akademische Perspektive ins Projekt mit ein.
Erdbauten: wünschenswert aber unrealistisch
Einer der Forschungsschwerpunkte des EiABC seit seiner Eröffnung 2009 sind Materialien;
ins-besondere die Suche nach Substituten für importierte, herkömmliche Baumaterialien.
Äthiopien verfügt weder über Erze für die Stahlproduktion, noch Sand zum Schmelzen von
Glas. Beide Baumaterialien werden vollumfänglich importiert. Zement wird in Äthiopien zwar
in kleinen Mengen produziert, doch werden dafür wiederum Unmengen an Energie benötigt.
Die „modernen“ Materialien, die unter anderem für den sozialen Wohnungsbau in der Hauptstadt eingesetzt wurden, sind nicht nur ökologisch nicht nachhaltig, sondern auch ökonomisch. Der fluktuierende Stahlpreis ist denn auch mit ein wichtiger Grund für das hohe
Haushaltsbudget-Defizit Äthiopiens.
Die NESTown-Gruppe setzte deshalb zu Beginn ihrer Planungen für Buranest auf Erde als
primäres Baumaterial. Versuche am EiABC hatten nämlich gezeigt, dass die Baukosten mit
Lehm gegenüber herkömmlichen Baumaterialien bis zu zehnmal reduziert werden können.
Im August 2010 nahmen die Architekten deshalb in Bura Bodenproben in unterschiedlichen
Tiefen. Damit pressten sie Bausteine, unter anderem versetzt mit lokalem Zement, und testeten diese anschliessend auf ihre Stabilität. Die Erde Buras zeigte jedoch komplett andere
Eigenschaften, als diejenige in Addis Abeba, mit welcher das EiABC gute Erfahrungen gemacht hatte. Weiterführende Analysen des weltweit führenden Bodenforschungsinstituts
„CRAterre“ in Grenoble ergaben im Herbst 2010, dass die Erde Buras für einen tragenden
Bau ungeeignet ist. Der Boden des Typs „Eutric Vertisol“, auch bekannt unter dem Namen
„Black Cotton Soil“, hat nämlich für Architekten eine äusserst unangenehme Eigenschaft:
Wegen des hohen Tongehalts variiert das Erdvolumen je nach Wetter und Wassergehalt um
300 Prozent. Kein Material, aus dem ein Architekt ein dauerhaftes Haus bauen möchte. Alternativen waren gefragt.
Eukalyptus – ein Darling mit Macken
Benjamin Stähli, der Projektkoordinator vor Ort, verglich daraufhin während mehrerer Wochen die Preise sowie die Qualitäten von alternativen, lokal verfügbaren und im Bau verbreiteten Materialien. Er merkte bald: Äthiopien baut auf Eukalyptus, besonders auf dem Land.
Dies obwohl der Baum nicht heimisch ist. Eukalyptus wurde 1895 von König Menelik II aus
Australien eingeführt, nachdem riesige Waldgebiete Äthiopiens für den Gewinn von Feuerholz
gerodet worden waren. Der Baum braucht nach dem Fällen lediglich drei bis vier Jahre zum
Nachwachsen. Doch er hat auch seine Tücken: Eukalyptus benötigt im Vergleich mit anderen
Pflanzen überdurchschnittlich viel Wasser und sein verwesendes Laub vergiftet die Flora der
Umgebung. Monokulturen mit erodierten Böden sind das Ergebnis – eines der grossen ökologischen Probleme in Nordäthiopien.
Heute findet man in Äthiopien auf jedem grösseren Markt Eukalyptusstämme in unterschiedlichen Umfängen. Und obschon die Preise in den vergangenen fünf Jahren um beinahe 500
Prozent angestiegen sind, ist das Holz im Vergleich mit anderen Baumaterialien nach wie vor
billig. Gleichzeitig verfügen die lokalen Schreiner zu keinem anderen Material über mehr
Know-How. Die Buranest-Architekten orientierten sich deshalb für den Entwurf der architek-
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tonischen Grundeinheit des neuen Dorfs am traditionellen „Corcoro“-Haus. Neben den
„Tukuls“, den Rundhütten, ist es die häufigste auf Eukalyptus basierende Gebäudetypologie
in Äthiopien.
Traditionelle Konstruktionsbauweise aus Eukalyptus und Lehm, Bura 2012 (Foto: Samuel Schlaefli)
„Corcoro“ sind rechteckige Hütten mit einem Eukalyptus-Gerippe, mit Lehm ausgekleidet und
einem Dach aus Wellblech. Sie sind teurer, meist grösser und mit einer durchschnittlichen
Lebensdauer von 30 Jahren stabiler als die Tukuls. Zu Beginn wehrten sich die Schweizer
Architekten dagegen, Metall in die Planungen einzubeziehen – aus ökologischen Gründen und
weil das Wellblech einen Grossteil der Kosten eines Hauses ausmacht. Eine Alternative zum
Blech wäre getrocknetes und geknüpftes Langgras gewesen, lokal „Sar“ genannt. Solches
wird traditionell zum Bedecken der Kegeldächer von Tukuls verwendet. Doch Stähli merkte
in Bura bald, dass die meisten neueren Tukul-Dächer von schlechter Qualität sind. Das
Handwerk zum Knüpfen von dichten und langlebigen Strohdächern ging in den vergangenen
Jahrzehnten verloren. Demgegenüber hat das von Kairo bis nach Kapstadt verbreitete Wellblech gewichtige Vorteile: Es braucht während seiner Lebensdauer von rund 30 Jahren praktisch keine Wartung. Noch fast wichtiger war für die Architekten jedoch der kulturelle Aspekt: Wellblech ist für äthiopische Bauern ein Investitionsgut und ein Ausdruck von
Wohlstand. Wer kurzfristig etwas Geld angespart hat, investiert dieses in Wellblech, das seinen Wert für viele Jahre behalten wird. Um den vergleichsweise hohen Preis des Blechs zu
kompensieren, haben die Architekten in ihrer Typologie ein zusätzliches Stockwerk eingeführt. Sie verdoppeln damit den durch das Dach geschützten Raum und halbieren die Quadratmeter-Kosten eines Gebäudes nahezu.
Nachhaltig ist, was der Umgebung entspricht
Die Erde, ursprünglich als tragendes Baumaterial angedacht, kommt im aktuellen Design
zum Auffüllen und Verputzen der Tragstruktur und für den Innenausbau zum Einsatz. Dabei
zapfen die Architekten wiederum das lokal verfügbare Know-How an und beziehen gleichzei-
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tig die Frauen mit in den Bauprozess ein. Diese sind nämlich Meisterinnen im Töpfern von
Amphoren, die teils grösser sind als die Töpferinnen selbst. Während drei Tagen verrühren
sie dazu Erde mit Wasser und „Chikka“, einer Art Getreidespreu. Das Ergebnis ist ein dicker
Brei, der sich gut verarbeiten lässt. Die Amphoren dienen traditionell zur Aufbewahrung von
Getreide und anderen Lebensmitteln. Zusätzlich werden auch Feuerstellen und Sitzbänke in
den Hütten aus Lehm gefertigt.
Stein, Eukalyptus, Lehm und Blech – die Kombination scheint für den Bau von Buranest ideal
zu sein. Doch wird sich diese Wahl auch in anderen Gebieten Äthiopiens behaupten?
Schliesslich hat das Projekt Modellcharakter, seit die Regierung angekündigt hat, dass sie bei
einem Erfolg von Buranest 300 weitere „Nests“ in der Region Amhara bauen will. Stähli
glaubt nicht, dass die Materialwahl eins zu eins auf andere Standorte übertragen werden
kann. Die Erfahrungen mit Buranest hätten gezeigt, dass das Konzept von Fall zu Fall den
Gegebenheiten und verfügbaren Materialien eines bestimmten Ortes angepasst werden müssen. Zum Beispiel könnte in anderen Höhenlagen anstelle von Eukalyptusholz Bambus eingesetzt werden, wenn dieser dort heimisch ist. Denn was an einem Ort nachhaltig ist, muss es
am anderen noch lange nicht sein. Bei idealeren Bodenbedingungen könnte man auch auf
die ursprüngliche, an anderen Orten bewährte Idee der gepressten Erdbausteine zurückkommen. Schliesslich haben die Baumeister der marokkanischen Kasbahs oder der jemenitischen Paläste schon vor Jahrhunderten vorgemacht, wie man aus der Erde seiner Umgebung
nachhaltige „Nester“ baut.
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"Urban Laboratory ETHiopia" und "SUDU" – Kreatives Bauen für tiefe Raumkosten
Auf dem Hochschulcampus des „Ethiopian Institute of Architecture, Building Construction
and City Development“ (EiABC) – eine ruhige Oase inmitten des chaotischen Addis Abeba
– steht ein eindrückliches Beispiel für kostengünstiges und an die lokalen Bedingungen
angepasstes Bauen: Benjamin Stähli, der heutige Koordinator von Buranest, hat hier
2009 aus sechs ausgemusterten Schiffscontainern und allerlei Recyclingmaterialien mit
Hilfe von lokalen Baufirmen Ausstellungsräume für das „Urban Laboratory ETHiopia“ gebaut. Die Initiative für das Schweizer Geschenk kam Marc Angélil, Professor für Architektur und Entwurf an der ETH Zürich. Die Entwürfe gehen zurück auf Dirk Hebel und Michael Hirschbichler und umgesetzt wurde das Projekt in einer Kooperation zwischen ETH
Zürich und EiABC. Bis heute ist es ein Ausdruck dafür, wie Architekten mit Kreativität
Raumkosten vermindern können: 30'000 Schweizerfranken kostete das fertige Gebäude
und für Material wurde pro Container 1'700 Schweizerfranken ausgegeben. Zugleich war
das Projekt ein wertvoller Erfahrungsaustausch: «Wir haben damals von den lokalen Firmen eine Menge darüber gelernt, wie man in Äthiopien baut», erinnert sich Dirk Hebel.
Heute beherbergt das 100 Quadratmeter grosse Gebäude das Entrepreneurship-Zentrum
des EiABC, in dem junge Architekten gefördert werden.
Nicht weit von den Containern steht die „Sustainable Urban Dwelling Unit“ (SUDU). Ein
zweistöckiges, monolithisches Gebäude; komplett aus lehmreicher Erde der Umgebung
gebaut. Die Mauer-Bausteine wurden mit einer Handpresse aus Erde geformt und an der
Sonne getrocknet. Verschränkt und zu einem selbsttragenden Gewölbe aufgemauert,
stützen sie zugleich das erste Stockwerk. Die Technik des „Tile Vaulting“ hatte ETHAssistenzprofessor Philippe Block in Südafrika erprobt und in Äthiopien eingeführt. Sie
kommt mit wenig Zement aus, verlangt keinen Gerüstbau und braucht bei gleicher Stabilität bedeutend weniger Material als andere Gewölbetechniken. Mit dem schlichten, modernen Bau will das EiABC Bauherren und Investoren das Potential von Erdbauten für
Äthiopien vor Augen führen. Regelmässig führte deshalb Institutsleiter Dirk Hebel Investoren durch den Monolith und überzeugte sie davon, dass Bauen mit Naturmaterialien
und zeitgenössische Architektur bestens miteinander vereinbar sind. Neben den ästhetischen und ökologischen Vorteilen von Lehm gegenüber importierten Materialien, schlägt
sich eine entsprechende Bauweise auch im Budget nieder: «Ein Lehmbau ist rund zehn
Mal günstiger als ein entsprechendes Gebäude aus Zement und Stahl», sagt Dirk Hebel.
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