KINDERNOTHILFE E.V. EINE ZUKUNFT FÜR STRASSENKINDER LANDINFO In der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba gehört Gewalt gegen Mädchen und Frauen zum Alltag. Einer Studie aus dem Jahr 1999 zufolge ereignen sich täglich mindestens drei Vergewaltigungen, mehr als 30.660 jährlich. Fast jedes Mädchen wurde schon einmal sexuell belästigt, viele werden wiederholt bedroht und fürchten sich vor Vergewaltigung und Missbrauch. Die Unterdrückung und Gewaltanwendung gegen Mädchen führt dazu, dass sie ihr Zuhause frühzeitig verlassen und ein Leben auf der Straße beginnen. Dort wachsen sie ohne Schulbildung auf und verlieren die Chance, später einen sicheren Arbeitsplatz zu finden. Nicht selten führt das Leben auf der Straße direkt in die Prostitution. Die Folgen sind ungewollte Schwangerschaften, lebensgefährliche Abtreibungen und die Infektion mit HIV. Täglich wächst die Zahl der Straßenkinder in Äthiopien: Allein in Addis Abeba leben und arbeiten etwa 60.000 Kinder auf der Straße. Viele haben ihre Familien verloren oder sind vor Armut, Gewalt und Missbrauch geflohen. Andere wohnen zwar noch bei ihren Familien, verbringen ihre Tage aber auf der Straße und gehen nicht zur Schule. Gemeinsam für Afrika Äthiopien 1 ÄTHIOPIEN GHANA Fläche Bevölkerungszahl Hauptstadt Regierungsform Bevölkerung unter 15 Jahre Bruttonationaleink. pro Kopf 238.533 1.127.130km² km² 25,5 Mio 87 Mio. Accra Addis Abeba Republik Republik 39 Prozent 41 Prozent 1.620 1.040 US$ Lebenserwartung bei Geburt 64 59 Jahre Anteil untergewichtige Anzahl untergewichtige Kinder 33 Prozent 14 Etwa ein Viertel der Straßenkinder in Addis Abeba hat keinen Kontakt mehr zu Familie oder Verwandten. Die Kinder übernachten unter Plastikplanen auf dem Bürgersteig, in Bushaltestellen oder auf öffentlichen Plätzen. Ihr Leben wird bestimmt von Bandenkämpfen, Prostitution, Drogenkonsum und der Verfolgung durch Polizeikräfte. Sie leben in fortwährender Angst vor Gewalt, sexuellen Übergriffen und Krankheiten. Mangelnde Hygiene und Kleidung sind die Hauptursachen für Erkältungen, Lungenentzündungen, Hautkrankheiten oder Magen- und Darmprobleme. Viele Kinder leiden unter Mangelernährung oder sind HIV-positiv. In bestimmten Gebieten Addis Abebas treffen sich die Straßenkinder, insbesondere in Geschäfts- und Kneipengegenden und am Busbahnhof. Hier leben, schlafen und arbeiten sie unter katastrophalen Bedingungen, schutzlos den Gefahren der Stadt ausgeliefert: Schlepper und Zuhälter haben ein leichtes Spiel, Neuankömmlinge, insbesondere Mädchen, abzufangen. Jedes vierte Straßenkind ist ein Mädchen. Einem Bericht von UNICEF zufolge nimmt die Zahl der jungen Mütter zu, die ihre Kinder unter katastrophalen Bedingungen auf der Straße großziehen. In Addis Abeba sind es etwa 10.000, in den anderen Städten weitere 5.000. Viele der Straßenmädchen sind ehemalige Vergewaltigungsopfer. Den jungen Müttern und ihren Kindern fehlt es am Nötigsten: Sie haben kein schützendes Dach über dem Kopf, können sich nur schlecht ernähren und werden nicht medizinisch versorgt. Ihre Kinder kennen kein anderes Leben als das der Straße. Sie wachsen auf zwischen Autos, Lärm und Abgasen. Den Kindern fehlt die Erfahrung von Geborgenheit und Sicherheit. Wohnheim für Straßenmädchen Ziel des Hilfsprogramms ist die Verbesserung der katastrophalen und gefährlichen Lebensumstände von 560 Straßenmädchen. Im Vordergrund steht der Schutz vor sexueller Ausbeutung und physischem und psychischem Missbrauch. Rund 340 Mädchen, die auf der Straße leben, werden vorübergehend in einem Wohnheim untergebracht und psychosozial betreut. Die Einrichtung schützt sie vor der unmittelbaren Gefahr des sexuellen Missbrauchs und vor körperlicher Gewalt. Nach einer Eingewöhnungsphase versuchen Projektmitarbeiter, Kontakt zu den Familien der Mädchen aufzunehmen, um sie wieder in ihr Zuhause zurückzubringen. Eine der Hauptursachen für die Flucht der Kinder auf die Straße ist die bittere Armut in ih- ren Familien. 25 Familien ehemaliger Straßenmädchen werden deswegen nachhaltig sozial und finanziell unterstützt. Einige Familien erhalten einen kleinen Kredit oder eine „Starthilfe“, um Einkommen schaffende Maßnahmen zu beginnen. Ausbildung zur Kosmetikerin Weitere 220 Mädchen, die auf der Straße arbeiten, werden in ihrem Alltag unterstützt und medizinisch versorgt. Regelmäßige Mahlzeiten, Freizeitaktivitäten und Beratung durch die Projektmitarbeiter helfen den Mädchen bei der Rückkehr in einen normalen Alltag. Sie werden angeleitet, ihre Wünsche und Probleme offen zu kommunizieren, Selbstbewusstsein und einen besseren Umgang mit anderen Kindern zu entwickeln. Sie lernen, einem geordneten Tagesablauf zu folgen und sich stärker an Regeln zu orientieren. Die Mädchen bekommen die Chance, eine Ausbildung zu absolvieren. Sie durchlaufen eine Grundausbildung, lernen lesen und schreiben, erhalten Schuluniformen und -materialien. Einige erlernen Handarbeiten, andere machen eine Ausbildung als Friseuse oder Kosmetikerin, um mit einer besseren Grundlage in die Arbeitswelt entlassen zu werden. Über die Ausbildung haben die Mädchen gute Chancen, später einen Job zu bekommen. Aufklärung der Gesellschaft Das Projekt fungiert als Sprachrohr für die Rechte der Mädchen und thematisiert die Gewalt gegen Frauen in der äthiopischen Gesellschaft. Nachbarschaftsgruppen und traditionelle lokale Gruppen werden ebenfalls dafür sensibilisiert, sich eigens für die Kinder verstärkt einzusetzen. Zusätzliche Workshops sensibilisieren die Bevölkerung für die Probleme der Straßenkinder und informieren über sexuellen Missbrauch und die Gefahren von HIV/ Aids und Drogen. Kindernothilfe wird vor Ort von der Organisation OPRIFS (Organisation for the Prevention, Rehabilitation, and Integration of Female Street Children) unterstützt. OPRIFS wurde 1999 gegründet mit dem Ziel, mit und für weibliche Straßenkinder zu arbeiten. Die Mitarbeiter kooperieren eng mit verschiedenen Organisationen, u. a. mit dem Krankenhaus für missbrauchte Mädchen (Kanu), mit Regierungsstellen, nationalen NGOs und internationalen Organisation wie dem Deutschen Entwicklungsdienst, der Oak Foundation und der UNESCO. Gemeinsam für Afrika Äthiopien 2 Bilder Copyrights: Kindernothilfe e.V.