„Preiselastizitäten, Preisschwellen und 9-er Endungen im Naturkostfachhandel“ Martin Pfeuffer Prof. Dr. Achim Spiller/Prof. Dr. Bernhard Brümmer Preisgestaltung in risikobehafteten Wertschöpfungsketten: Innovative Ansätze für ein faire Preisfindung in der ökologischen Milchwirtschaft Förderkennzeichen: 08OE127 04.05.2011 Relevanz der Preispolitik - Janusköpfigkeit • Preis unmittelbar gewinnrelevant – der effektivste Gewinntreiber • Preis leicht zu ändern • Direkte Absatzreaktionen und vielfach „verschenkte“ Chancen Aber auch: • Gefahr des Herauskalkulierens aus dem Markt • Gefahr schleichender Entwertung der eigenen Produkte • Gefahr der Dominanz von Marktanteils- über Rentabilitätsziele • Gefahr von Preiskriegen • Gefahr negativer Preisimages (unfaire Preise) für Premiumanbieter In der Unternehmenspraxis – nicht nur im Biomarkt – wird die Preispolitik zu häufig noch aus dem Bauch heraus gemacht Universität Göttingen Fair Organic Pricing 2 Empirische Studie • Auswertung der Biovista-Paneldaten für Milchprodukte Fragestellung: I. Gibt es preispolitische Spielräume im Naturkosteinzelhandel? II. Wie wirken Schwellen und Endungen auf den Absatz Universität Göttingen Fair Organic Pricing 3 Gesamtumsatz 2004-2009 je Kategorie Käse und Trinkmilch sind die umsatzstärksten Produkte 14 Umsatz in Millionen € 12 10 8 6 4 2 0 Butter Universität Göttingen Joghurt Natur Käse Molke Buttermilch Fair Organic Pricing Quark Sahne Trinkmilch 5 Preiselastizitäten: Wie wurden die Elastizitäten geschätzt? • Bio-Vista Daten (bereinigt) • 583 Produkte ausgewählt – nach Kategorien • Produkt wurde separat geschätzt • Fix-Effekt-Modell Universität Göttingen Fair Organic Pricing 6 Fix-Effekt-Modell: Anzahl verkaufter Produkte Produktpreis gewichteter Durchschnittspreis in der Kategorie Universität Göttingen Absatz in der Kategorie Quartal/Wochentags Dummy Fair Organic Pricing Erweiterungen: z.B. Einfluss von Zeit auf Preiseffekt Trend Konstante 7 preispolitische Spielräume Wie sind die Elastizitäten im Überblick? Milchprodukte -1.056 Kategorie Preiselastizitäten Butter -1.44 Joghurt Natur -1.11 Käse -0.92 Molke - Buttermilch -1.00 Quark -0.74 Sahne -0.77 Trinkmilch -0.95 Ein Anstieg der Preise um 1 % - bedingt einen Rückgang um 1.056% Relativ Unelastische Nachfrage Punktelastizität Schwelleneffekte Eine Erhöhung wäre unter gleichen Bedingungen Rentabel *** Anteil am Umsatz der durch signifikante Produkte abgebildet wird Universität Göttingen Fair Organic Pricing 8 Elastische und unelastische Nachfrage? Elastizität sagt, wie Nachfrage auf Preisänderungen reagiert bei einer Preiserhöhung wenn: ɛ < -1 • Elastisch Absatz sinkt, Umsatz sinkt wenn: ɛ < -1 < 0 • Unelastisch Absatz sinkt, Umsatz steigt • wenn: ɛ = 0 Vollkommen unelastisch Absatz konstant, Umsatz steigt • wenn: ɛ > 0 inverse Nachfragereaktion Absatz steigt, Umsatz steigt Universität Göttingen Fair Organic Pricing 9 In welchen Kategorien sind die Elastizitäten am niedrigsten und der Umsatz relativ hoch? - Wo sind Preiserhöhungen am profitabelsten?Umsatzanteil in % Umsatz und Elastizitäten 30% Käse Trinkmilch 25% 20% Butter 15% Sahne 10% Quark Naturjoghurt 5% Molke/Buttermilch -1,5 -1,3 -1,1 -0,9 -0,7 0% -0,5 Elastizitäten Universität Göttingen Fair Organic Pricing 10 Bei welchen Kategorien besteht Erhöhungsspielraum? • Sinnvoll: Produkte, die relativ geringe Elastizitäten haben und gleichzeitig auch hohe Umsatzbedeutung • Weniger sinnvoll: Produkte, die prägend für das Preisimage sind - mit Preisankerfunktion - mit hoher Preiskenntnis z.B. Reaktion auf eine Preissteigerung bei Milchfett Sahne im Verhältnis zu Butter verteuern z.B. Produkte mit niedrigem Involvement - Quark Universität Göttingen Fair Organic Pricing 11 Preisentwicklung der Produkte: Schwellen bei Butter und Trinkmilch durchbrochen 2,2 2 Preis in € 1,8 1,6 Butter Käse Quark Trinkmilch 1,4 Joghurt Natur Molke - Buttermilch Sahne 1,2 1 0,8 3.11.09 3.9.09 3.7.09 3.5.09 3.3.09 3.1.09 3.11.08 3.9.08 3.7.08 3.5.08 Fair Organic Pricing 3.3.08 3.1.08 3.11.07 3.9.07 3.7.07 3.5.07 3.3.07 3.1.07 3.11.06 3.9.06 3.7.06 3.5.06 3.3.06 3.1.06 3.11.05 3.9.05 3.7.05 3.5.05 3.3.05 3.1.05 Universität Göttingen Fair organic pricing 4. Mai 2011 Preisschwellen: Wie wirket sich das Überschreiten großer Preisschwellen aus ? – z.B. 1€ oder 2€ Ergebnis: Die Nachfrage sinkt deutlich - gemittelt um -15%! Erklärungsansatz: Bei Überschreiten dieser Schwellen werden Produkte als überproportional teurer empfunden Aber: Es gibt Unterschiede zwischen den Produkten Am stärksten war die Reaktion bei Butter( -28%) Universität Göttingen Fair Organic Pricing 13 Preisendungen/gebrochene Preise: Ist es vorteilhaft Preise mit 9er Endungen zu verwenden? - z.B. 89c statt 90c Ergebnis: Ja, es gibt einen Effekt, er ist aber mit ca. 1% höherem Absatz relativ gering. Erklärungsansatz: Im Preisempfinden werden gebrochene Preise bei Verbrauchern als niedriger empfunden Aber: Bereits sehr weit verbreitet und damit ausgeschöpft – ca. 80% aller Bio-Preise enden auf 9 Universität Göttingen Fair Organic Pricing 14 In kleineren Läden ist die Nachfrage unelastischer - Größere Spielräume für PreiserhöhungenElastizitäten bei Ladengrößen Butter Joghurt Natur Käse Molke Buttermilch Quark Sahne Trinkmilch 0 -0,2 -0,4 -0,6 < 200m² -0,8 > 200m² -1 -1,2 -1,4 -1,6 -1,8 Universität Göttingen Fair Organic Pricing 17 Gibt es Unterschiede zwischen kleinen Naturkostfachgeschäften und Biosupermärkten? Ergebnis: Käufer in kleineren Läden sind nicht so preissensibel! Erklärungsansätze: Größerer Anteil an Intensivkäufern, bei denn der Preis eher untergeordnet ist Persönliche Ansprache senkt die Bedeutung des Preisarguments Preisbereitschaft für kleinere Läden größer, da diese Form des Fachhandels unterstützt werden soll Universität Göttingen Fair Organic Pricing 18 Zwischenfazit • Bio-Käufer im Naturkostfachhandel sind insgesamt vergleichsweise preisunsensibel Spielräume für Preiserhöhungen • Auch für Bio-Käufer gelten viele der bekannten preispsychologischen Zusammenhänge Preispsychologische Mechanismen könnten gewinnbringend genutzt werden Aber offene Frage: Sind diese kurzfristig betriebswirtschaftlich sinnvollen Maßnahmen langfristig sinnvoll – wird die Preispolitik dann ggf. als unfair wahrgenommen? Das heißt: Wie können die für die Branche wichtigen Preisspielräume erhalten bzw. gesteigert werden und gleichzeitig Preisfairness kommuniziert werden? Universität Göttingen Fair Organic Pricing 25 Faire Preise – Kernbestandteile Zwei zentrale Elemente: 1. Preisfairness in der Wertschöpfungskette 2. Preisfairness aus Sicht des Verbrauchers Universität Göttingen Fair Organic Pricing 26 Fair-Preise – was ist das? Faire Preise aus Produzentensicht Faire Preise aus Verbrauchersicht • Kostendeckende Preise • Arbeitseinsatz entsprechende Preise • Verlässliche/konstante Preise • Gerecht verteilt in der Kette • Transparente Preisaushandlung • Keine asymmetrische Preistransmission • Überleben der kleinen Anbieter im Markt sichernde Preise • Erhöhung der Marge zur Erreichung der o. g. Ziele • Kostenorientierte Preise • Entsprechender Gegenwert/Leistung • Verlässliche/konstante Preise • Kleine Anbieter bekommen mehr • Transparente Preise • Schnelle Weitergabe von Kostensenkungen • Für alle potenziellen Konsumenten bezahlbar • Verzicht auf „preispsychologische Tricks“ Universität Göttingen Fair Organic Pricing 27 Gesamtfazit • Es gibt Preiserhöhungsspielräume bei vielen Produkten Aber Mit Augenmaß und große Preisschwellen beachten Zunächst testen Kommunikativ begleiten Die Vorteile für Landwirte und Tiere konkret berechnen Kosten der Bioproduktion innovativ kommunizieren Optionen für sozial schwache Verbraucher und Familien bieten Preistransparenz erhöhen (z. B. wenige Preisgruppen) Stärken betonen Neugierde auf Produktvorteile wecken Preisauswahl bieten, aber die jeweiligen Qualitätsvorteile herausstellen Universität Göttingen Fair Organic Pricing 28 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 04.05.2011 Anteil an der Fachhandelsverkaufsfläche Ladentyp (qm) Anzahl der Geschäfte Anteil in % Im BiovistaPanel < 50 338 14 % 50-99 799 34 % 11 % 100-199 564 24 % 26 % 200-399 260 11 % 37 % 400-799 267 11 % 800 und größer 29 1% Keine Angabe 89 4% 26 % Quelle: BioHandel 12/2010 Universität Göttingen Fair Organic Pricing 30 Kategorisierung der teilnehmenden Fachgeschäfte: • Kleine Bioläden unter 100 qm (Typ 1) Inhabergeführt, wenig Personal, häufig Frischwarenschwerpunkt • Kleinere Fachgeschäfte 100-200 qm (Typ 2) • Größere Fachgeschäfte 200-400 qm (Typ 3) • Bio-Supermärkte Universität Göttingen > 400 qm Fair Organic Pricing (Typ 4) Fair organic pricing 4. Mai 2011