Römische Geschichte I – Die Republik

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Römische Geschichte I – Die Republik
Jan Bruners
Inhaltsverzeichnis
1 Vorgeschichte
2
2 Königszeit
2
3 Die Republik
3.1 Das politische System . . . .
3.1.1 Magistrate . . . . . .
3.1.2 Volksversammlungen
3.1.3 Senat . . . . . . . .
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3
3
4
5
4 Der Ständekampf (4. Jahrhundert)
6
5 Die Unterwerfung Italiens (ca. 350-265 v. Chr.)
7
6 Der Aufstieg zur Weltherrschaft (264-133 v.Chr.)
6.1 Rom im Westen - Punische Kriege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2 Rom und der hellenistische Osten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
8
10
7 Die römische Innenpolitik bis zu den Gracchen
11
8 Die römische Revolution (133-30 v. Chr.)
8.1 Die Gracchen . . . . . . . . . . . . . .
8.2 Wiederaufnahme der Revolution . . . . .
8.3 Restauration unter Sulla . . . . . . . . .
8.4 Pompeius und das Ende der Restauration
8.5 Caesar und das 1. Triumvirat . . . . . .
8.5.1 Der Aufstieg Octavians . . . . .
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1 Vorgeschichte
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1 Vorgeschichte
Zu Beginn des zweiten Jahrtausends drangen zum ersten Mal indogermanische Stämme in Italien ein: sie bildeten die Terramare-Kultur. Die zweite Welle der Indogermanisierung (um 1000)
brachte zwei Gruppen nach Italien: die Umbro-Sabeller und die Latino-Fallisker, eine relativ kleine Minderheit. Sie begründeten die Villanova-Kultur. Die Ureinwohner wurden zum großen Teil
verdrängt oder vermischten sich mit den neuen Völkern.
Etwa 100 Jahre später begannen die Etrusker, sich in Italien anzusiedeln. Von den Küsten aus
drangen sie ins Landesinnere vor und nahmen die Toskana in Besitz. Sie gründeten im 8./7. Jahrhundert die latinische Siedlung Rom. Der römischen Legende zufolge wurde die Stadt 753 von
trojanischen Flüchtlingen (Aeneas) bzw. ihren Nachkommen (Romulus) gegründet. Wenig später
begannen auch griechische Kolonisten in Italien Fuß zu fassen. Sie beschränkten sich allerdings
auf die Küsten und versuchten nicht, Einfluß auf die Italiker zu gewinnen. Dagegen bauten die
Etrusker zielstrebig ihre Herrschaft über Italien aus. Sie unterwarfen die Umbrier und bildeten
eine Herrenschicht auf dem Gebiet der heutigen Toskana. Gleichzeitig installierten sie ihre Kultur
und den von den Griechen übernommenen Stadtstaat. Häufig waren sie Vermittler der griechischen Kultur. Im 6. Jahrhundert war die etruskische Expansion vor allem in Norditalien sehr stark:
sie führte bis zur Adria und zum Po.
2 Königszeit
Die Etrusker übertrugen ihr aristokratisches System auf Rom: die Patrizier/Ritter bildeten den
Adelsrat (Senat), der den König wählte. Die Macht des Königs war stark von seiner persönlichen
Autorität abhängig, seine Würde konnte nicht vererbt werden. Das Vorbild war der etruskische
„lucumo“. Der römische Staat übernahm also die etruskische (mit griechischen Elementen durchsetzte) Kultur und entwickelte sie weiter. Rom stieg im Laufe des 6. Jahrhunderts schnell zu großer
Bedeutung auf und vergrößerte sein Gebiet durch Eingemeindungen von 150 auf 882 km2 . Sein
Herrschaftsgebiet erstreckte sich über Latium hinaus.
3 Die Republik
Der römische Adel, die Patrizier, fühlte sich zunehmend von der etruskischen Vorherrschaft und
dem Königtum eingeschränkt. Sie vertrieben den letzten König, Tarquinius Superbus (angeblich
510) und befreiten sich von der etruksischen Herrschaft. Dadurch verlor Rom zunächst seine
Vormachtstellung im Latium, die es unter dem Schutz der Etrusker hatte ausbauen können. Der
Druck durch die sabellisch-oskischen Stämme führte dazu, daß sich die römisch-latinische Gemeinschaft trotzdem nicht auflöste. Erst zu Beginn des 4. Jahrhunderts konnte Rom zum Gegenstoß ausholen und große Gebiete gewinnen. 396 hatte es auch gegen die Etrusker Erfolg und
zerstörte Veii. Am 16. Juli 387, dem dies alliensis, eroberten die Kelten Rom nach einer Vernichtungsschlacht an der Allia.
3 Die Republik
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In der frühen Republik herrschte wie vorher der Adel, allerdings ohne den König als übergeordnete
Instanz. Die Folge war eine Aufwertung der Adelsversammlung (Senat), der jetzt die höchste
politische Instanz darstellte. Zunächst gab es noch kein Exekutivorgan, sondern nur Heerführer
(praetores), die jeweils für ein Jahr amtierten. Ein praetor maximus vertrat, ebenfalls für ein Jahr,
die Stelle des Königs. Der Adel war in drei Tribus aufgeteilt, die 10 Curien enthielten, zu denen die
einzelnen Sippen (gentes) und Familien gehörten. Aus diesen Curien wurden die Curiatkomitien
(comitia curiata) gebildet, die politische Entscheidungen trafen. Allerdings gab erst das Votum des
Senats (patrum auctoritas) ihren Beschlüssen Gültigkeit. Die adeligen Familien (die Nachfolger
der Sippen) waren ein starker und relativ unabhängiger Sozialkörper.
3.1 Das politische System
Nach Polybios hatte der römische Staat eine gemischte Verfassung mit demokratischen (Volksversammlung), monarchischen (Magistrate) und aristokratischen Elementen (Senat). Tatsächlich
wurde Rom aber von einem aristokratischen Gremium, dem Senat, geleitet und war insofern eine Adelsrepublik, obwohl der Senat keine der drei Gewalten (Exekutive, Judikative, Legislative)
offiziell ausübte.
3.1.1 Magistrate
Die Magistrate bildeten (nach modernem Sprachgebrauch) die Exekutive bzw. Judikative des römischen Staates, an ihrer Spitze standen seit der Konsulatsverfassung von 367 (leges Liciniae Sextiae) die Konsuln, die auch den Oberbefehl über das Heer (imperium) hatten. Ein Prätor (später
mehrere) war für die Rechtsprechung zuständig, wobei er sich auf traditionelle Prozeßformeln
stützten (bis zum Zwölftafelrecht in der Hand der Pontifices). Aedilen regelten die Ordnung bei
Märkten und organisierten die öffentlichen Feste, Quästoren trieben Steuern ein und verwalteten
den Haushalt.
Jeder römische Magistrat amtierte nur ein Jahr (Prinzip der Annuität) und war stets an die Zustimmung eines Kollegen gebunden (Prinzip der Kollegialität). Die Interzession z.B. des jeweils
anderen Konsuls konnte jede Initiative verhindern. Dadurch war gewährleistet, daß sich jeder
Beamte vor einem Beschluß mit seinem Kollegen und anderen einflußreichen Mitgliedern des
Senats verständigte. Die höheren Magistrate hatten zusätzlich ein Verbietungsrecht gegenüber
Magistraten nierdigeren Ranges: ein Konsul konnte allen Magistraten (außer dem Diktator und
dem Volkstribunen) eine Initiative verbieten. Weitere Prinzipien waren das Verbot der Kontinuität
(Bekleidung mehrerer Ämter in unmittelbarer Folge) und der Iteration (mehrmalige Bekleidung
eines Amtes).
Die höheren Magistrate hatten das alleinige Initiativrecht in Rom: sie beriefen und leiteten sowohl
Senat als auch die Volksversammlungen. Das entsprach der üblichen Trennung in initiierende und
beschlußfassende Gewalt, anders als die heutige Dreiteilung. Ursprünglich wurden die Magistrate
wohl durch den Senat bestellt, später dann durch die verschiedenen Volksversammlungen (s.u.)
3 Die Republik
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gewählt. Die Mitglieder der aristokratischen Familien durchliefen die Ämterlaufbahn (cursus honorum) nach diesen Regeln, eingebunden in ein Netz aus Traditionen und moralisch gebunden an
die Beschlüsse des Senats (senatus consultum). Nach der Bekleidung der höheren Ämter nahmen
sie selbst einen Platz im Senat ein.
Mit der Ausdehnung des römischen Reiches und der Einrichtung von Provinzen wurden neue
Beamte notwendig, um die außeritalischen Gebiete zu verwalten. Für diese Aufgaben wählte man
ehemalige Konsuln und Prätoren (Prokonsuln bzw. Proprätoren), die den politischen und militärischen Oberbefehl in ihrer Provinz hatten. Diese Promagistraturen, ursprünglich für eine etwas
verlängerte Amtszeit eines Magistraten geschaffen, seit Sulla ein reguläres Amt, erwiesen sich als
gefährlich: durch die fehlende Kontrolle des Senats und die teilweise göttliche Verehrung im Osten entwickelten einige römische Statthalter den Ehrgeiz, die Macht auch in Rom an sich zu
reißen (s. Die römische Innenpolitik bis zu den Gracchen). Außer den exekutiven Magistraten
gab es die Zensoren, die die Steuer- und Senatslisten für fünf Jahre festlegten. Wegen der großen
Bedeutung dieses Amtes für die Zusammensetzung des Senats und der Stimmgewichte in den
Zenturiatskomitien wurden nur Männer von großer moralischer Autorität für dieses Amt ausgewählt. Sie amtierten bis zu 18 Monate. In Notfällen wurde an die Stelle der Konsuln ein Diktator
mit umfassenden Vollmachten gesetzt. Innerhalb von sechs Monaten mußte er die gestellte Aufgabe erledigen. Weil in diesem Fall die sichere Kontrolle durch einen Kollegen nicht gegeben war,
mußte er die konkrete Aufgabe innerhalb von sechs Monaten erledigen, was im Fall eines Krieges
auch völlig ausreichte.
Zu den offiziellen Ämtern kamen im Laufe des 5. Jahrhunderts die zunächst zwei (später zehn) revolutionären plebejischen Volkstribune, die die Plebs im Ständekampf anführten. Sie waren nicht
wie die Magistrate durch die Komitien, sondern durch eine Versammlung der Plebejer gewählt.
Auch sie hatten das Initiativrecht.
3.1.2 Volksversammlungen
Das System der beschließenden und nichtbeschließenden Volksversammlungen war in Rom ziemlich kompliziert. Zunächst gab es eine einfache Zusammenkunft des Volkes (contio), auf der Gesetzesanträge diskutiert oder bestimmte Informationen bekanntgegeben wurden.
Die ursprüngliche gesetzgebende Versammlung, die Curiatkomitien (comitia curiata), wurde nach
dem gentilizischen Prinzip der Curien einberufen, in der jeder Bürger an seine Familie und damit
an den patrizischen pater familias gebunden war. Während des Ständekampfes wurde den Curiatkomitien durch die Verlagerung ihrer Kompetenzen jede Bedeutung entzogen. Der Beschluß von
Gesetzen (leges) lag nun bei den Zenturiatskomtien (comitia centuriata). Die einzelnen Zenturien
setzten sich nach Vermögen zusammen (98 Zenturien der Patrizier und Reichen / 95 Zenturien der Armen), wodurch auch hier der Adel dominierte. Die Tributkomitien (comitia tributa),
die ebenfalls Gesetze beschließen konnten, richteten sich in ihrer Zusammensetzung nach dem
Wohnort (Tribus) der Bürger und bildeten das demokratischste Gremium der Republik.
Während des Ständekampfes entwickelten sich die Versammlungen der Plebs (concilia plebis)
ebenfalls zu einer gesetzgebenden Versammlung. Ursprünglich konnten sie - entsprechend ihrer
3 Die Republik
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Zusammensetzung - nur die Volkstribunen und die plebejischen Aedilen wählen, seit 287 (lex
Hortensia) waren ihre Beschlüsse (plebis scita) den Gesetzen der Komitien gleichgestellt. Auch
die concilia plebis versammelten sich nach der Tribusordnung.
Alle Versammlungen mußten von einem Magistraten (die concilia plebis von einem Volkstribunen) einberufen und geleitet werden und konnten nur über die Anträge der Magistrate entscheiden. Kein nichtbeamteter Bürger konnte Anträge einbringen. Die Aufgabenverteilung der Komitien bzw. Concilien war folgende: Beschlüsse über Krieg und Frieden und Todesurteile mußten
von den Zenturiatskomitien beschlossen werden, außerdem wurden die Konsuln, Praetoren und
Zensoren von ihnen gewählt. Die niederen Ämter - Aedilen und Quästoren - wählten die Tributkomitien, die Volkstribunen und plebejischen Aedilen die Concilien der Plebs. Alle anderen
Beschlüsse konnten von jeder Versammlung gefasst werden. Wegen der aufwendigen Zenturienordnung wurden die Zenturiatskomotien allerdings immer seltener einberufen. Seit dem hortensischen Gesetz ist wohl kaum ein Gesetz mehr von ihnen beschlossen worden, nur bei den o.g.
wichtigen Angelegenheiten wurden sie noch einberufen.
3.1.3 Senat
Die traditionelle Versammlung des Adels, der Senat, war die politische Mitte des römischen Staates. Er bestand ursprünglich aus den patres (Vätern) der patrizischen Familien. Während des 5.
Jahrhundert wurden Plebejer als zunächst nicht stimmberechtigte conscripti (Beisitzer) aufgenommen. Der Unterschied zwischen patrizischen und plebejischen Senatoren verwischte sich auch
nach den Ständekämpfen nie ganz, nur die Patrizier konnten das Interregnum ausüben und hatten die patrum auctoritas, mit der sie Volksbeschlüsse formal bestätigen mußten.
Bis zur lex Ovinia (312) wurden die Senatoren auf Lebenszeit durch den höchsten Beamten (praetor maximus, später Konsul) bestimmt, danach übernahm der Zensor diese Aufgabe. Er war dabei
an feste Regeln (mores) gebunden: die ehemaligen höheren Beamten durften nicht übergangen
und eine bestimmte Zahl von Senatoren (ca. 300) nicht überschritten werden. Allerdings wurde
von nun an formal alle fünf Jahre der gesamte Senat neu bestellt, und zwar nach dem Prinzip
der Würdigkeit (optimum quemque) aus beiden Ständen. Unter Sulla (81 v. Chr.) wurde die Bestellung durch den Zensor für alle Promagistrate abgeschafft, sie traten automatisch in den Senat
ein.
Im römischen Volk bestand immer eine feste Vorstellung von der Würdigkeit einer Person, so daß
sowohl bei der Wahl der Beamten (die später in den Senat aufrückten) als auch bei der Bestellung
durch den Zensor nur ein bestimmter Kreis von angesehenen Aristokraten in Frage kam.
Der Senat wurde von den höheren Magistraten (Konsuln und Prätoren, später auch Volkstribunen) versammelt und geleitet, er war also in seiner Initiative von ihnen abhängig. Die Senatoren
äußerten sich in der Sitzung nacheinander ihrem Rang entsprechend, die Meinung der ranghöchsten entschied auch in der Abstimmung. Daraus ergab sich schließlich der senatus consultum, formal nur ein Ratschlag, tatsächlich aber eine bindende Anweisung an den leitenden Magistraten.
Offiziell hatte der Senat Kompetenzen vor allem in der Finanzpolitik. Während der Ständekämpfe
4 Der Ständekampf (4. Jahrhundert)
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mußte der Senat einige Kompetenzen an die Volksversammlungen abgeben, er behielt aber in vielen Punkten durch seinen Einfluß auf die Magistrate und durch das Gewicht seiner Mitglieder in
den Volksversammlungen die faktische Macht, die nicht auf einer klar umrissenenen Vollmacht,
sondern auf der überkommenen Ordnung beruhte.
4 Der Ständekampf (4. Jahrhundert)
Der Gegensatz zwischen Adel und politisch rechtlosem Plebs führte bereits im Laufe des 5. Jahrhunderts zu Spannungen. Die freien Grundbesitzer forderten als Stützen der römischen Militärmacht auch politischen Einfluß. Im Ständekampf ertrotzten die Volkstribunen, gestützt auf die
Macht der Masse, Rechte für die Plebejer. Sie repräsentierten damit die Gegenspieler der Patrizier im Ständekampf. 450 wurde das römische Recht auf Druck des Volkes erstmals kodifiziert
(Zwölftafelrecht). Auch die Rechte des Volkstribunen und seine Unverletzlichkeit wurden aufgenommen.
Der Ständekampf und sein erfolgreicher Abschluß legten die Grundlage zur römischen Vormacht
in Italien. In raschen Schritten - wenn auch teilweise gegen erbitterten Widerstand der Patrizier
- erkämpften sich die Plebejer Zugang zu den wichtigen staatlichen Positionen. Das 367 neugeschaffene Amt eines Konsuls stand auch den Plebejern offen (leges Liciniae Sextiae). Auch zu den
anderen Ämtern wurden sie nach und nach zugelassen (Zensor 351, Prätor 337, Diktator 314,
Pontifices 300). Die Macht des Senats (patrum auctoritas) gegenüber Plebisziten wurde 339 erheblich eingeschränkt, er konnte sie nicht mehr nachträglich aufheben. Die Zensoren erhielten
312 (lex Ovinia) das Recht, die Senatsliste des kommenden Jahres festzulegen und sie auch durch
Plebejer zu ergänzen, damit war die Zweiteilung des Senats in nicht stimmberechtigte plebejische conscripti und patrizische patres dem Inhalt nach (nicht formal) aufgehoben. 304 wurde die
Rechtsprechung durch Prozeßformeln auf Betreiben des Patriziers Appius Claudius Caecus per
Gesetz (ius Flavianum) dem Monopol der Pontifices entzogen.
Das Provokationsrecht (lex Valeria) von 300 bildete schließlich die Grundlage des römischen Bürgerrechts: jeder römische Bürger hatte das Recht, gegen Todesstrafe und hohe Geldbußen sofort
Einspruch zu erheben und seine Sache vor das Volk zu bringen. Mit der Erklärung von Plebisziten (Beschlüssen der concilia plebis) zu allgemeinen Volksbeschlüssen durch die lex Hortensia
287 endete der Ständekampf, die Tributkomitien und die concilia plebis übernahmen Schritt für
Schritt die Funktionen der schwerfälligen Zenturiatskomitien.
Die Plebs verschwand als gegnerische Klasse, indem ihre Häupter in die neue Nobilität aufstiegen.
Diese neue Führungsschicht stellte von nun an den Senat. Sie besetzte die Ämter und kontrollierte die Komitien, weil sie ihre Versammlungen aus sakralrechtlichen Gründen verhindern oder
verschieben lassen konnte. Entscheidend für die Zugehörigkeit zur Nobilität war nicht mehr der
juristische Status, sondern die tatsächliche Macht und Geltung einer Familie.
Die römische Verfassung, in der Verbote immer Vorrang vor Geboten hatten, hätte theoretisch
ins Chaos führen müssen: jede Initiative konnte verhindert werden. Das Regulativ bildete die
5 Die Unterwerfung Italiens (ca. 350-265 v. Chr.)
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Tradition, die Berufung auf die Sitten und die Moral der Älteren, deren Einhaltung vom Zensor überwcht wurde. Auf religiösem Gebiet waren die Sitten dagegen locker, es herrschte große
Toleranz.
5 Die Unterwerfung Italiens (ca. 350-265 v. Chr.)
Die Situation nach dem dies Alliensis gestaltete sich zunächst schwierig: bis 340 kam es häufig zu
Keltenvorstößen, Etrusker und Volsker drangen ebenfalls vor. Trotzdem gelang es Rom, bis 350
erneut zur größten Macht in Italien aufzusteigen. Durch die römische Expansion kam es zum
Krieg mit dem samnitischen Bund, dem einzigen ernstzunehmenden Gegner (1. Samnitischer
Krieg, 343 - 341). Er endete ohne wesentliche Kampfhandlungen. Ein Aufstand der latinischen
Bundesgenossen 340 bis 338 (Latinerkrieg) endete mit deren politischer Entmachtung.
Der 2. Samnitische Krieg (326 - 304) wurde mit wechselndem Erfolg geführt: 321 mußte sich
das gesamte römische Heer bei Kaudium ergeben und Frieden schließen. 316 flammte der Konflikt wieder auf und endete nach wechselvollem Verlauf 304 mit einem Friedensschluß. Daraufhin
konnte Rom seine Stellung gegenüber den Stämmen in Zentralitalien festigen. Während des Krieges war vom Zensor Appius Claudius Caecus der Bau der Via Appia begonnen worden, um die
Truppenbewegungen zu erleichtern.
Wegen beiderseitiger Einmischung in lukanische Konflikte brach 298 der 3. Samnitische Krieg
(298 - 290) los. Gleichzeitig mußte sich Rom gegen Kelten, Etrusker und Sabiner wehren. Bei
Sentinum errangen die Römer 295 einen überwältigenden Sieg gegen ein keltisch-samnisches
Heer. Der Krieg endete 290 wieder mit einer Wiederherstellung des Status quo, was faktisch eine
Stärkung Roms bedeutete. In einer Schlacht bei Arretium 284 wurden die Römer von den Kelten
vernichtend geschlagen, konnten sie aber im Jahr darauf zurückdrängen und die Situation im
Norden befrieden.
Ein Konflikt Roms mit Lukanien wegen Roms Unterstützung der Griechenstädte 282 führte zum
Eingreifen Tarents und Samniums auf lukanischer Seite. Tarent rief 280 den epirotischen König
Pyrrhos zu Hilfe. Die Pyrrhoskriege (280-272) brachten trotz der Siege des Königs keine Entscheidung. Nach Pyrrhos’ Tod wurde ganz Süditalien (auch Samnium) römisch. Bis 267/6 unterwarf
Rom auch das übrige Unter- und Mittelitalien bis zum nördlichen Apennin. Die Organisation
des italischen Herrschaftsgebietes bestand nicht in der Einsetzung einer römischen Verwaltung
für bestimmte Untertanengebiete, zu der auch die römischen Beamten nicht ausreichten. Bei der
Behandlung der besiegten Gegner benutzte Rom drei Verfahren:
<ul><li>unauflöslicher Bundesvertrag (foedus aequum oder iniquum)</li><li>Halbbürgergemeinden
ohne Stimmrecht</li><li>Inkorporation in römisches Staatsgebiet bzw. Bildung eines Munizipiums</li></ul>
Auf den abgetretenen Gebieten wurden entweder römische Kolonien (eine Art Munizipien mit römischem Bürgerrecht außerhalb des Staatsgebietes) oder latinische Kolonien (aus Römern/Latinern
gebildete Gemeinden ohne römisches Bürgerrecht, die als Keime der Romanisierung wirkten).
6 Der Aufstieg zur Weltherrschaft (264-133 v.Chr.)
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Im Laufe der Zeit übernahmen die Bundesgenossen die römischen Strukturen: die Romanisierung Italiens begann. Während der Auseinandersetzungen wurde das römische Heer ständig neu
organisiert und verbessert und die Grundlagen für seine spätere Durchschlagkraft gelegt.
6 Der Aufstieg zur Weltherrschaft (264-133 v.Chr.)
Anders als z.B. Alexander der Große strebte Rom eine Weltmachtstellung nicht an. Die Verwicklungen in Kriege und die Erweiterung des eigenen Einflußbereiches ergaben sich einerseits aus
dem römischen Sicherheitsbedürfnis, andererseits aus Verpflichtungen gegenüber Bundesgenossen.
In der Zeit zwischen 264 und 133 v. Chr. stieg Rom von einer mittleren Macht zur beherrschenden Weltmacht auf. Zunächst versuchte Rom, auch die entfernten Gebiete über Bündnisverträge
zu kontrollieren, gab diese Strategie nach mehreren Kriegen schließlich auf und richtete Provinzen
ein, die ein Promagistrat (Prokonsul oder Proprätor) im Anschluß an seine Amtszeit als regulärer
Magistrat verwaltete. Diese römischen Statthalter hatten keinen Kollegen neben sich und verfügten zur Kontrolle der Provinzen über militärische Machtmittel.
6.1 Rom im Westen - Punische Kriege
Noch während der Konsolidierungsphase trat Rom mit dem 1. Punischen Krieg (264 - 241) in
die Weltpolitik ein. Noch im Pyrrhoskrieg waren Rom und Karthago Verbündete gewesen. Die
oskische Stadt Messana auf Sizilien rief Karthago 270 zur Hilfe gegen Syrakus unter König Hieron. Karthago legte eine Besatzung nach Messana, die sich aber 265 gegen den Willen Karthagos
zurückzieht. Der Kommandant der Besatzung wird hingerichtet und Messana von Karthago und
Hieron belagert. Die Stadt bat Rom um Unterstützung, ein konsularisches Heer zog 264 nach
Sizilien und erklärte Karthgao und Syrakus den Krieg. 263 wurde ein Separatfrieden mit Hieron
geschlossen. Rom baute eine Flotte und konnte sich nach mehreren Seesiegen die Überfahrt nach
Afrika sichern. 255 wurde das römische Heer in Afrika geschlagen, bei der Rückfahrt wurde die römische Flotte bei 254 durch einen Sturm vernichtet. Nach dem Verlust einer zweiten Flotte durch
Sturm und Kämpfe gab Rom den Seekrieg zunächst auf, konnte aber 241 den Krieg mit einer
privat finanzierten Flotte für sich entscheiden. Sizilien wurde römisch und Roms Großmachtrolle
wurde weiter gefestigt. Karthago mußte nach dem Krieg gewaltige Reparationen (insegesamt 3200
Talente) zahlen. Die Stadt war ein eigentlich unkriegerisches Seehandelsimperium (814 von der
phönikischen Stadt Tyros als Kolonie gegründet), das nur für Kriege ein Söldnerheer anwarb. Politisch bestand ein krasser Gegensatz zwischen den herrschenden Kaufleuten und den Feldherren,
die durch die Söldner eine gewisse Macht hatten. Diese mußten sich scharf kontrollieren lassen.
Nach der Niederlage gegen Rom kam es wegen fehlender Soldzahlungen zu Meutereien, die Karthago an den Rand des Untergangs brachten. Rom nutzte die Situation 237 zu einer Erpressung:
Karthago mußte auch Sardinien ud Korsika abtreten. 227 wurden Sizilien, Sardinien und Korsika
zu römischen Provinzen. Um die politischen Aufgaben des gewachsenen Gebietes zu bewältigen,
richtete Rom weitere Beamtenstellen ein: 4 Flottenbevollmächtigte und 3 zusätzliche Prätoren.
6 Der Aufstieg zur Weltherrschaft (264-133 v.Chr.)
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Rom gönnte sich keine Pause und engagierte sich vielfältig: im 1. Illyrischen Krieg (229) zerschlug
es den Seeräuberstaat Illyrien und erlangte dadurch die Schutzherrschaft über die griechischen
Städte in Dalmatien, der 2. Illyrische Krieg (219) gegen den von Rom eingesetzten Dynasten
Demetrios (er war ein Bündnis mit Makedonien eingegangen) war eher eine Polizeiaktion. Bis
218 wurde auch Oberitalien unterworfen: eine keltische Allianz wurde im 1. Keltenkrieg (225 222) von den Römern geschlagen.
Der 2. Punische Krieg (218 - 201) entzündete sich an zwei Herausforderungen Hannibals, des
karthagischen Statthalters in Spanien. Sein Vater, Hamilkar Barkas (Geschlecht der Barkiden),
und sein Schwager, Hasdrubal, hatten die Herrschaft Karthagos in Spanien bedeutend gefestigt,
als Hasdrubal 221 umgebracht wurde. Hannibal machte sich an die Erweiterung des karthagischen Gebiets, belagerte 219 einen römischen Verbündeten, die iberische Stadt Sagunt, und
überschritt unerlaubt den Ebro, um die gesamte iberische Halbinsel zu besetzen. Statt sich in Spanien angreifen zu lassen, überquerte Hannibal die Alpen und ging zum Angriff über. Bei Trebia
(218), am Trasimenischen See (217) und schließlich bei Cannae (216) schlug er die zahlenmäßig überlegenen römischen Heere. Den Zeitgenossen wurde klar, daß Hannibal in der Schlacht
unüberwindlich war.
Sein Ziel war es, die römischen Bundesgenossen auf seine Seite zu bringen, um Rom zu isolieren.
Allerdings hatte er die feste Bindung Italiens an Rom unterschätzt. Obwohl einige wichtige Städte
überliefen (Syrakus, Capua) blieb eine Massenreaktion aus. Hannibals Bündnis mit Philipp V. von
Makedonien brachte ihm keinen Vorteil: die überlegene römische Flotte konnte das makedonische
Heer von Italien fernhalten und den 1. Makedonischen Krieg (212 - 205) gegen Philipp und den
Achäischen Bund auf Griechenland beschränken.
Nach Cannae blieb Rom nur die Möglichkeit einer Ermattungsstrategie, mit der sich gleichzeitig politisch die konservativen Gegner des Volkstribunen Gaius Flaminius unter Quintus Fabius
Maximus durchsetzten. 211 wurde Publius Cornelius Scipio (Beiname Africanus) als Nachfolger
seines Vaters und seines Onkels Kommandant in Spanien, wo er die karthagischen Truppen rasch
vernichtete. 205 wählte man ihn zum Konsul. Er setzte nach Afrika über und besiegte den rückkehrenden Hannibal schließlich 202 bei Zama. Der Friedensvertrag von 201 verbot Karthago jede Kriegsfürhung ohne römische Zustimmung. Außerdem förderte Rom den numidischen König
Masinissa als Gegengewicht. Nach dem Krieg machte sich Rom an die Befriedung Spaniens, die
Bestrafung untreuer Bundesgenossen und das „Aufräumen“ in Italien. Die Nobilitätsherrschaft
konnte sich weiter konsolidieren, weil die Politik ihrer Gegner bei Cannae versagt, ihre eigene
dagegen zum Erfolg geführt hatte.
Die politischen und militärischen Leistungen Roms in den Konflikten im Osten und in Spanien blieben weit unter Roms Möglichkeiten (die Befriedung Spaniens dauerte von 153 bis 133
wurde erst von Scipio Aemilianus, dem Enkel des Africanus, beendet) und schürten bei den Gegnern die Hoffnung, Rom doch noch zu besiegen, bei den Römern ein Gefühl der Unsicherheit,
das schließlich zu einer destruktiven Außenpolitik und zu blinder Vernichtung führte: nachdem
Karthago sich ohne Zustimmung Roms in einen Krieg mit dem numidischen König Masinissa
hatte verwickeln lassen, erklärte Rom ihm den Krieg. Dieser 3. Punische Krieg (149 - 146) wurde
ebenfalls von Scipio Aemilianus geleitet und endete mit der völligen Zerstörung Karthagos, sein
Staatsgebiet wurde zur Provinz Africa.
6 Der Aufstieg zur Weltherrschaft (264-133 v.Chr.)
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6.2 Rom und der hellenistische Osten
Im hellenistischen Osten hatte sich Rom (mit Ausnahme der illyrischen Kriege und des kurzen
1. Makedonischen Krieges) bisher nicht engagiert. Dort gab es die Diadochenreiche, die sich in
den 50 Jahren nach Alexanders Tod etabliert hatten: neben dem Staat der Ptolemäer in Ägypten
das Seleukidenreich mit dem Mittelpunkt Nordsysrien und den makedonischen Staat. Während
Makedonien und der ptolemäische Staat relativ einheitlich waren, mußten die Seleukiden ständig gegen den Zerfall kämpfen. Seit 221 herrschte im Ptolemäerreich der schwache Ptolemaios
IV. Philopator, in Makedonien und im Seleukidenreich die tatkräftigen Könige Philipp V. und
Antiochos III. (seit 223).
Nach einem Hilferuf von Rhodos und Pergamon (201) wegen makedonischer Annexionen begann
der 2. Makedonische Krieg (200 - 197) gegen Philipp V. Dem Konsul Titus Quinctius Flamininus
gelang es, ab 198 eine antimakedonische Bewegung innerhalb des Achäischen Bundes (Philipps
Verbündeter) zu schaffen und den Krieg zu beenden, bevor Antiochos eingriff. Nach dem Friedensschluß wurde Makedonien zur Mittelmacht deklassiert. Rom zog sich 194 aus Griechenland
zurück.
Das Seleukidenreich hatte im Laufe des 3. Jahrhunderts erhebliche Verluste hinnehmen müssen,
im Osten hatten sich das gräko-baktrische Reich und das Partherreich gebildet. Antiochos III.
(der Große), Herrscher des Seleukidenreiches, gewann bis 205 die östlichen Strapien zurück und
annektierte ab 196 die nach der makedonischen Niederlage befreiten Städte in Kleinasien. Es gelang ihm auch kurzzeitig, den politischen und territorialen Verlust wettzumachen. Er wollte ein
neues seleukidisches Großreich schaffen und glaubte, Rom werde dies zulassen. In Wirklichkeit
lief genau dieser Plan den römischen Interessen, die ein Gleichgewicht mehrerer mittlerer Staaten
unter römischer Hegemonie wünschten, entgegen. 191 brach der Krieg gegen Antiochos (191 188) aus, auf dessen Seite auch der Ätolische Bund kämpfte. 189 siegte Rom vernichtend bei Magnesia. Der Friede von Apameia (188) beendete auch den Großmachtstatus des Seleukidenreiches
im westlichen Teil. Die Attaliden in Pergamon wurden zur Vormacht in Kleinasien. Makedonien,
das diesmal auf römischer Seite gekämpft hatte, erhielt einige Gebiete zurück.
Rom wollte eine eigene Präsenz in Griechenland vermeiden, scheiterte aber mit dieser Politik: Perseus von Makedonien (seit 179) schlug einen antirömischen Kurs ein und zog andere romfeindliche Staaten auf seine Seite, was schließlich zum 3. Makedonischen Krieg (171 - 168) führte. Bei
Pydna (168) wurde Perseus besiegt, danach erkannte die römische Regierung die Notwendigkeit
einer stärkeren Kontrolle: die Romfeinde wurden nach Italien deportiert (ca. 2000 Männer, darunter auch der Historiker Polybios) und die griechischen Staaten weiter geschwächt. Mißtrauen
war von nun an die römische Grundhaltung. Die griechische Stadt Korinth wurde nach einem
Aufstand des Achäischen Bundes und Makedoniens 148 gegen Rom zerstört und Makedonien zur
römischen Provinz. Durch Erbschaft erhielt Rom 133 Pergamon und machte daraus die Provinz
Asia. Damit hatte es endlich seine verfehlte Politik der lockeren Oberhoheit im Osten aufgegeben.
Durch den engen Kontakt mit dem Osten entstand eine römisch-griechische kulturelle Symbiose, die allerdings teilweise auf schroffe Ablehnung (Cato) in Rom stieß. Ihr bedeutendster
Vertreter war der nach Rom deportierte griechische Historiker Polybios (198-177), der auch zu
7 Die römische Innenpolitik bis zu den Gracchen
11
dem griechisch-römischen Scipionenkreis um Scipio Aemilianus gehörte. Er schrieb ein gewaltiges Geschichtswerk über Rom und verkörperte als römischer Botschafter in seiner Heimat die
Verbindung von römischem Westen und hellenistischem Osten.
7 Die römische Innenpolitik bis zu den Gracchen
Nach dem Ende der Ständekämpfe konnte sich eine neue plebejisch-patrizische Führungsschicht,
die Nobilität, etablieren. Sie schloß sich, wie früher die Patrizier, zunehmend gegen neue Mitglieder ab. 232 setzte der Volkstribun Gaius Flaminius im politischen Kampf kurzzeitig eine Ausweitung der herrschenden Klasse durch, so daß von nun an (bis etwa 216) häufiger ein außenstehender homo novus zum Konsulat gelangte.
Seit dem 2. Punischen Krieg waren gewaltige Summen nach Rom geflossen und hatten die wohlhabenden Schichten erheblich verbreitert. Die neureichen „Kapitalisten“ gelangten nach der timokratischen Zenturienordnung in die höchsten Zenturien (Ritterzenturien) und damit zunächst zu
großem politischen Einfluß. Um einen unkontrollierten Zugang der Ritter zur Führungsschicht
zu verhindern, verband eine Reform der Zenturiatskomitien 218 die Tribus- mit der Zenturienordnung und stärkte das ländliche Element gegenüber dem stadtrömischen Kapital. Die Korrelation von Zensus und politisch-sozialer Rangordnung wurde aufgehoben. Im selben Jahr verbot die
lex Claudia des Tribunen Quintus Claudius den Senatsmitgliedern den Handel als selbständigen
Erwerbszweig und schrieb dadurch die Position der Nobilität als Agrarierschicht fest. Mit diesen
Maßnahmen grenzte man die reichen, aber politisch nun bedeutungslosen Ritter von den Mitgliedern der römischen Führungsschicht ab und schuf einen neuen Stand, den sog. Ritterstand. Um
129 wurde diese Abgrenzung weiter formalisiert, indem der Eintritt in den Senat an den Austritt
aus dem Ritterstand geknüpft wurde.
Trotz dieser Konflikte um seine Zusammensetzung regierte der Senatsadel bis zur Mitte des 2.
Jahrhunderts im Schatten der erfolgreichen Außenpolitik unangefochten: seine Macht war durch
das Klientelsystem und die Tradition gesichert, die Konsulate gingen an die Angehörigen weniger
Familien. Wichtigstes Prinzip war die Gleichheit innerhalb des Adels, die Erhebung einzelner
Aristokraten über die anderen wurde sofort energisch bekämpft: der ältere Cato erreichte den
Rückzug des Scipio Africanus aus der Politik, weil ihm dessen Popularität gefährlich schien.
Aber es zeigten sich bereits erste Anzeichen einer beginnenden Desintegration der Nobilität,
hauptsächlich wegen der unkontrollierte Macht der Promagistrate in den Provinzen und der zunehmenden Einflüsse des Ostens (stärkere Betonung des Individuums, luxuriöse Lebensformen)
auf die traditionelle römische Gesellschaft. Ehrgeiz und Gewinnstreben der Adeligen, bisher durch
einen strikten Verhaltenskodex verhindert, wurden immer ausgeprägter. Der Senat versuchte, diese
Tendenzen durch Gesetze gegen den Luxus (leges sumptuariae) und den Ämterehrgeiz abzuschwächen: der cursus honorum wurde reformiert, um einen zu raschen Aufstieg zu verhindern: bis 27
mußten junge Adelige im Heer dienen, ab 37 konnten sie Ädil, ab 40 Prätor und ab 43 Konsul
werden. Zwei Jahre Abstand zwischen verschiedenen Ämtern und zehn Jahre zwischen zwei Konsulaten (später wurde die mehrmalige Bekleidung sogar ganz verboten) waren vorgeschrieben.
8 Die römische Revolution (133-30 v. Chr.)
12
Aber diese Maßnahmen konnten eine weitere Auflösung nicht verhindern. Nach der Beseitigung
der letzten Widerstände gegen die römische Vorherrschaft (Spanien, Karthago, Korinth, Numantia) trat die Zerrüttung des politischen Systems zutage. Die Außenpolitik wurde vom integrativen
Element zu einem Arsenal von innenpolitischen Machtmitteln.
Neben diesen inneren Problemen der Führung wurde auch das Verhältnis Rom - Italien durch die
ständige Benachteiligung der Bundesgenossen schwierig: obwohl die Italiker die gleichen Pflichten hatten, wurden sie auf vielen Gebieten (Beutezuteilung, Bürgerrechte) schlechter behandelt.
Hinzu kam die soziale Krise - die in Italien selbst die Form einer Agrarkrise hatte - durch die
Zusammenballung des Kapitals der gesamten römischen Welt in den Händen weniger römischer
Geschäftsleute und Statthalter. Die anhaltenden Kriege hatten das kleine und mittlere Bauerntum
sehr geschwächt, viele Höfe wurden an Angehörige der Aristokratie verkauft, die nach der lex
Claudia gezwungen waren, ihre gesamten Kapitalien in Grundbesitz anzulegen. Auch das Staatsland (ager publicus) geriet nach dem Hannibalischen Krieg zum größten Teil in die Hände der
großen Grundbesitzer, die noch über ausreichende Betriebsmittel verfügten. Die entstehenden
großen Landgüter ließ man durch Sklaven (seltener) oder Lohnarbeiter bewirtschaften. Weite
Teile der Landbevölkerung zogen nach Rom und bildeten dort das städtische Proletariat oder
sanken zum Lohnarbeiter ab. Die Behandlung der Sklaven wurde durch das Überangebot an Arbeitskräften und den Preisverfall immer schlechter, auf Sizilien brach deshalb 136 der 1. Sizilische
Sklavenkrieg aus, der 132 mit Militärgewalt niedergeschlagen wurde. Für die römische Führung
schien das Problem der Proletarisierung am drängendsten, weil die militärische Macht Roms auf
dem Milizheer aus selbständigen Bauern beruhte. Der von konservativer Seite getragene Ansatz
einer gerechteren Verteilung zumindest des Staatslandes wurde 140 von den senatorischen Großgrundbesitzern im Keim erstickt.
8 Die römische Revolution (133-30 v. Chr.)
8.1 Die Gracchen
Durch diese verschiedenen Belastungen des politischen Systems kam es schließlich zur Revolution,
die mit der Errichtung des Augusteischen Prinzipates endete. Nach der gescheiterten Bodenreform
von 140 kam eine progressive Gruppe innerhalb des Senats zum Zug: 133 wurde Tiberius Sempronius Gracchus, ein junges Mitglied der Nobilität, durch die Protektion einflußreicher Freunde
Volkstribun. Er vertrat Reformideen in der sozialen Frage und legte ohne Zustimmung des Senats entsprechende Gesetze vor: ein Ackergesetz beschränkte die Okkuppation von Staatsland auf
500 Morgen und gab das übrige Land in Parzellen von 30 Morgen an Bauern als gebundenes Eigentum. Eine Ackerkommission aus drei Männern sollte diese Reform durchführen und etwaige
Streitigkeiten regeln, der Senat war also auch in der Exekutive ausgeschaltet. Diese Vorhaben waren an sich noch nicht revolutionär und hätten sich unter Umständen auch durchsetzen können.
Verantwortlich für den Mißerfolg war der wiederholte Bruch der Verfassung: einen interzedierenden Volkstribun ließ Gracchus durch eine Volksversammlung absetzen. Als er dann auch noch
8 Die römische Revolution (133-30 v. Chr.)
13
versuchte, zum zweiten Mal Volkstribun zu werden ermordeten ihn die Senatoren mit ihrem Anhang. Die politische Klasse teilte sich in konservative Optimaten, die die Senatspolitik vertraten,
und progressive Popularen, die als Volkstribunen agierten. Die Einheit der Nobilität war zerbrochen und die Revolution hatte begonnen.
Obwohl die Optimaten gesiegt hatten, war ihre Position alles andere als günstig: die soziale Krise
hatte sich weiter verschärft (vor allem im Osten kam es zu Sklavenaufständen) und die Stimmung
der Bevölkerung war für den ermordeten Volkstribunen. Deshalb ließ der Senat die Agrarreform
zunächst unangestastet, während die Anhänger des Tiberius verfolgt wurden. Die Ackerkommission arbeitete weiter, geriet allerdings mit zunehmendem Erfolg auch in Konflikt mit den italischen
Bewohnern des römischen Staatslandes. Daraufhin entmachtete der Senat die Kommission. Eine
Initiative des progressiven Konsuls von 125, Marcus Fluvius Flaccus, den Italikern das römische
Bürgerrecht zu verleihen, um damit den Konflikt zwischen der Ackerkommission und den Bundesgenossen zu entschärfen, scheiterte am Veto seines Kollegen.
Gaius Gracchus, der jüngere Bruder des Tiberius und Mitglied der Ackerkommission seit 130,
war umsichtiger und politisch erfahrener, als er 123 Volkstribun wurde. Zunächst beseitigte er die
verfassungsrechtlichen Hindernisse, an denen sein Bruder gescheitert war (mehrfache Bekleidung
des Tribunats, Absetzung eines Volkstribunen durch das Volk). Mit der Übertragung der Geschworenengerichte an die Ritter schuf er ein politisches Gegengewicht zur Nobilität und setzte
die Ritter zu Richtern über die Provinzialverwaltung, die in den Händen der Senatoren lag. Senat
und Ritterstand wurden endgültig zu politischen Gegnern. Ein Getreidegesetz (lex frumentaria)
sollte für gleichbleibend günstiges Korn sorgen und den Rückhalt bei der stadtrömischen Plebs
stärken.
Der Agrarreform verlieh er neuen Schwung, gab der Ackerkommission ihre alten Rechte zurück
und vergrößerte die Zahl der zu verteilenden Parzellen. Er scheiterte schließlich am Widerstand
des Volkes, das von seinem konservativen Gegenspieler Marcus Livius Drusus manipuliert wurde, gegen die von ihm propagierte außeritalische Kolonisation und das Bürgerrecht für Italiker:
121 wurde er nicht mehr zum Volkstribun gewählt, kurz darauf ließ er sich von einem Sklaven umbringen. In der folgenden Restauration wurde die Agrarreform endgültig liquidiert, die
Getreidegesetzgebung und die Rittergerichte blieben dagegen erhalten, um die Eintracht wiederherzustellen.
8.2 Wiederaufnahme der Revolution
Unter dem Eindruck ständiger Niederlagen gegen eigentlich weit schwächere Gegner und wiederholter Sklavenaufstände kam mit Marius Gaius ein Mann zum Konsulat, der die nächste Phase
der Revolution einläutete. Er hatte im Jughurtinischen Krieg (112 - 105) unter Quintus Caecilius
Metellus gedient und konnte in Rom den Eindruck erwecken, er sei als Feldherr geeigneter. 107
wurde er als homo novus zum Konsul gewählt und besiegte Jughurta zwei Jahre später. Unter
dem Eindruck des Erfolges wählte man ihn bis 100 mehrmals zum Konsul, der die Kimbern nach
der vernichtenden Niederlage 105 bei Arausio bekämpfen sollte. Bei Aquae Sextiae (102) und
Vercellae (101) besiegte er ein Heer der Kimbern und Teutonen.
8 Die römische Revolution (133-30 v. Chr.)
14
Die Heeresreform des Marius - er rekrutierte die Soldaten hauptsächlich aus dem Proletariat schuf das Problem der Veteranenversorgung, das für die spätere Zeit innenpolitisch bestimmend
sein sollte. Der traditionelle Bürgersoldat wandelte sich zu einem neuen Typus, der keine zivile
Existenz hatte. Auch die enge Bindung von militärischen Führern und Soldaten, die das Heer zu
einem machtpolitischen Instrument machte, hatte hier ihren Ursprung.
Marius’ politisches Talent fiel gegen sein militärisches stark ab, er brauchte daher geschickte Freunde. Sein Widerwille gegen die herrschende Nobilität machte ihn zum Verbündeten des popularen
Volkstribunen von 103, Lucius Appuleius Saturninus, eines fähigen Agitators. Appuleius versuchte, Marius’ politische Ziele (Versorgung der Veteranen) durchzusetzen, indem er sich auf dessen
Popularität stützte. In seinem zweiten Tribunat (100) scheiterte er - wie Gaius Gracchus - an der
außeritalischen Kolonisation und der Gleichberechtigung der Italiker. Marius war zu unbeweglich,
um seinen Freunden zu helfen, so daß es der Nobilität erneut gelang, die Revolution aufzuhalten
und ihre Köpfe zu ermorden. Marius selbst wurde politisch kaltgestellt.
Durch die erneute Konsolidierung verhärtete sich auch der Konflikt Ritter - Senatsadel. Die Ritter waren schon durch den Angriff auf die Gracchischen Rittergerichte (106) durch den Konsul
Quintus Servilius Caepio verstimmt. Das Konsulat von Quintus Mucius Scaevola und Lucius
Licinius Crassus (95), beide erklärte Gegner eines politischen Ritterstandes, verschärfte die Spannungen. Demonstrativ wurde daher ein Gegner des Caepio freigesprochen. 92 wurde sogar der
Legat des Scaevola wegen angeblicher Erpressung vor Gericht gezogen. Die Politisierung der Justiz
wurde gefährlich.
Marcus Livius Drusus, der Sohn des konservativen Gegenspielers von Gaius Gracchus, vertrat
als Volkstribun 91 eine optimatische Politik mit popularem Anstrich: der Widerstreit zwischen
Senat und Rittern sollte durch die Aufnahme von 300 Rittern in den Senat und die Abschaffung der reinen Rittergerichte erreicht werden. Die Ritter waren mit diesen Maßnahmen, die nur
zur Aufsaugung der nobilitierten Ritter geführt hätten, keineswegs einverstanden. Dem Volk versprach Drusus gleichzeitig die Wiederaufnahme der Gracchischen Siedlungspolitik, den Italikern
das Bürgerrecht. Er wollte die Revolution mit revolutionären Mitteln beenden und hatte auch
gegen gewaltsame Aktionen nichts einzuwenden. Der Senat, dem diese Methoden unheimlich
wurden, ließ ihn fallen, er wurde ermordet.
Dadurch sahen sich die Italiker ihrer letzten Hoffnung beraubt; sie waren von der römischen Politik stets vertröstet worden und teilweise sogar schroff gedemütigt worden. Mitten in das innenpolitische Chaos (der Anhang des Drusus wurde durch ein Inquisitionstribunal verfolgt) brach der
Bundesgenossenkrieg (91 - 88). Er schuf die paradoxe Situation, daß die Italiker versuchten, den
römischen Staat zu zerstören, um in ihn aufgenommen zu werden. Schließlich bot Rom den treu
gebliebenen Völkern 90/89 das römische Bürgerrecht an, Italien wurde ein einheitlicher Staat. Allerdings waren die Altbürger weiterhin durch das Tribusrecht privilegiert. Durch die Belastungen
des Krieges kam es zu einer wirtschaftlichen Krise in Rom: Italien war verwüstet, die Provinzen
konnten wegen des Krieges nicht voll genutzt werden.
Mit Publius Sulpicius Rufus versuchte 88 zum letzten Mal ein Volkstribun, Politik gegen des Widerstand des Senats zu machen. Er scheiterte mit einer Initiative zur Gleichberechtigung der Neubürger (ihrer Verteilung auf alle Tribus) - und damit der endgültigen Beseitigung von Spannungen
8 Die römische Revolution (133-30 v. Chr.)
15
- wegen des Widerstandes der optimatischen Konsuln, von denen der eine Lucius Cornelius Sulla,
war.
8.3 Restauration unter Sulla
Sulla, ein snobistischer Aristokrat aus verarmter Familie, stand in direktem Gegensatz zu Marius,
dem „Emporkömmling“, dessen erbitterter Feind er war. Mit ihm teilte er das militärische Talent,
anders als dieser war Sulla aber auch ein gerissener Politiker. Die Innenpolitik Roms seit den
Gracchen und die popularen Methoden waren ihm zuwider.
Er hatte seine Eignung bereits im Jughurtinischen Krieg als Quästor des Marius und im Bundesgenossenkrieg gegen die Samniten bewiesen und wurde jetzt vom Senat mit dem Kommando im
1. Mithridatischen Krieg (87 - 83) betraut. Mithridates VI. von Pontos hatte wegen der römischen
Schwäche fast ganz Kleinasien einnehmen können und verbündete sich mit Athen und Böotien
unter dem alten Schlagwort der griechischen Freiheit. Er besetzte die Provinz Asia und eroberte
die Ägäisinseln. 88 wurde bei der Vesper von Ephesos aufgrund eines Ediktes ein Massaker unter
der römischen Bevölkerung angerichtet.
Als Sulpicius Rufus den Oberbefehl von einer Volksversammlung Marius zusprechen ließ, führte Sulla sein Heer 88 nach Rom (1. Marsch auf Rom) und übernahm die Macht - der bisher
schlimmste Verfassungsbruch. Sulpicius wurde ermordet, Marius floh. Das Heer hatte zum ersten
Mal einen innenpolitischen Streit mit Gewalt entschieden, eine Entwicklung, die mit der Heeresreform eingeleitet worden war.
Bevor Sulla die Besetzung des Konsulats regeln konnte, mußte er zum Krieg in den Osten ziehen
und ein Gefolgsmann des Marius, Cinna, kam an die Macht. Er wurde zwar als Konsul zunächst
gestürzt, kehrte aber mit einem illegitimen Heer unter Marius’ Befehl zurück. Dieser ermutigte
seine Soldaten, politische Feinde zu töten und sich zu bereichern, was zu Massenabschlachtungen
führte. Nach Marius’ Tod 86 in seinem 7. Konsulat übernahm Cinna das Kommando und erklärte
jeweils sich und einen Kollegen zum Konsul.
Währenddessen hatte Sulla im Osten gesiegt (Athen und Böotien waren verwüstet worden) und
zog 83 erneut nach Rom (2. Marsch auf Rom). Seine Gegner hatten zwar ganz Italien und die
Unterstützung der Bundesgenossen sicher, konnten aber dem erprobten Heer Sullas und seiner
Führung nichts entgegensetzen. Cinna wurde bei einer Meuterei ermordet. Innerhalb eines Jahres hatte Sulla ganz Italien in der Hand und ließ die Abschlachtungen in umgekehrter Richtung
fortführen: während Marius und Cinna die Senatsaristokratie verfolgt hatten, wurden jetzt gezielt Ritter ermordet und ihr Vermögen eingezogen. Öffentliche Aushänge der geächteten Feinde
(Proskriptionen) galten als Freibrief für Mord und Raub. Die Versorgung seiner Veteranen war
kein Problem: er vertrieb und vernichtete die Italiker von ihrem Land und wies es seinen Soldaten
zu.
Sulla installierte 82 als „verfassungsgebender Diktator“ ein Regime mit dem Ziel, den römischen
Staat zu reformieren und die alte Adelsrepublik zu erhalten. Das Initiativrecht des Volkstribunen
und die Rittergerichte wurden abgeschafft, Statthalterposten nur noch an Promagistrate für ein
8 Die römische Revolution (133-30 v. Chr.)
16
Jahr vergeben (ihre Militärgewalt beschränkte sich auf ihre Provinz), der Senat auf 600 vergrößert
(auch Ritter und Italiker wurden aufgenommen) und die Erstellung der Senatslisten durch den
Zensor beendet. Außerdem wurden gewesenen Tribunen eine Ämterlaufbahn verboten. Sulla versuchte, Rom krisenfest zu machen und den Brauch durch feste Vorschriften zu ersetzen. Im Jahr
79 trat er freiwillig zurück, er starb 78 als Privatmann.
Nach seinem Tod waren die Verhältnisse zunächst stabil. Die Führungsschicht bestand zwar aus
dekadenten Opportunisten, die Politik mit Geld betrieben: für öffentliche Veranstaltungen, Bestechung und Anwerbung von Terrorbanden wurde das aus den Provinzen gezogene Kapital ausgegeben. Viele Aristokraten hatten während der Proskriptionen alle Hemmungen fallen lassen und sich
rücksichtslos bereichert und gemordet. Trotz seiner Schwäche konnte sich das Optimatenregime
auf das sullanische System stützen und die Angriffe durch die Angehörigen der Proskribierten und
die Volkstribune abwehren.
Die wenigen Ausnahmen hatten kaum politisches Gewicht. Zu ihnen zählte Marcus Tullius Cicero, der Konsul von 63, ein homo novus und Verehrer der Nobilität mit bemerkenswerter Rednergabe und Bildung, dem allerdings die notwendige Zähigkeit und Unbeirrbarkeit fehlte. Sein
Gegenstück war Cato Minor Uticensis, ein unbeugsamer und entschlossener, aber kaum gebildeter oder intellektueller Mensch aus altem Senatsadel, der das moralische Rückgrat der römischen
Führung bildete.
Mehrere Krisen blieben ohne größere Wirkung: ein Umsturz des Konsuls Marcus Aemilius Lepidus (78) scheiterte, der Statthalter von Spanien, Sertorius, errichtete eine römische Gegenregierung und torpedierte das sullanische System. Er hatte große militärische Erfolge im seit 80
geführten Krieg (das Kommando hatte Gnaeus Pompeius), bis es schließlich wegen der Belastungen zu einer Abfallbewegung seiner iberischen Verbündeten kam. 72 wurde er von seinen eigenen
Leuten ermordet. Im Jahr davor war der Sklavenaufstand des Spartakus (73 - 71) ausgebrochen.
Gleichzeitig mußte sich Rom gegen die Korsaren an der Adria und in Dalamatien engagieren.
Bereits 74 begann der 3. Mithridatische Krieg (74 - 63), nachdem Mithridates die kurz zuvor
eingerichtete Provinz Bithynien angegriffen hatte. Nach großen römischen Erfolgen unter dem
Kommando von Lucullus kam es zu einem Rückschlag und Pompeius übernahm das Kommando.
8.4 Pompeius und das Ende der Restauration
Gnaeus Pompeius (Magnus) hatte sich 83 eigenmächtig ein Heer aus Freiwilligen verschafft und
Sulla zur Verfügung gestellt. Gegen jede Tradition - und vor allem gegen das sullanische System befehligte er mit knapp 20 Jahren ohne ordentliches Amt eigene Truppen, die ihm den Beinamen
Magnus (nach Alexander) gaben und ihn als Imperator begrüßten. Obwohl dem konservativen
Sulla dieses Verhalten mißfiel, ließ er ihn gewähren. Die Angst des Senats, er werde wie Sulla die
Macht ergreifen, brachte ihn schließlich auf die Bahn der Opposition, auch wenn er selbst keine
politischen Ambitionen besaß.
8 Die römische Revolution (133-30 v. Chr.)
17
In Spanien hatte Pompeius erfolgreich gegen Sertorius gekämpft und bewarb sich nach seiner
Rückkehr 71 für den Konsulat, was der Senat natürlich (Pompeius war nicht einmal Ädil gewesen) verweigerte. Im Austausch gegen die Wiederherstellung des Initiativrechts der Volkstribunen
erhielt Pompeius die Unterstützung des Volkes bei seiner Kandidatur zum Konsulat. Das Regime
konnte dem Druck der Straße angesichts eines laufenden Prozesses (gegen den Adeligen Verres
wegen Korruption) nichts entgegensetzen und wählte Pompeius, der bis dahin nicht Mitglied des
Senats gewesen war. Sein Kollege, Marcus Licinius Crassus, war durch die Proskriptionen zum
reichsten Mann Roms geworden und fühlte sich dadurch zum Politiker berufen. Nach seiner
Überzeugung war Politik allein eine Geldfrage. Außerdem wurden die Ritter wieder zu den Geschworenengerichten zugelassen und die Zensur wieder eingeführt. Das Ende der Restauration
war gekommen.
Das Seeräuberproblem machte einen zentralen Konstruktionsfehler der sullanischen Verfassung
aktuell: es konnte von Rom nicht gelöst werden, weil das Kommando eines Magistraten räumlich
begrenzt, die Gegner aber mobil waren. Pompeius erhielt 67 durch Volksbeschluß (lex Gabinica)
ein umfassendes Kommando gegen die Seeräuber und durchbrach damit erneut Sullas Verfassung.
Innerhalb eines Vierteljahres war das Seeräuberunwesen beendet. Im nächsten Jahr erhielt Pompeius durch die lex Manilia das Kommando für den gesamten Osten und beendete den Krieg
gegen Mithridates 63. Mit der Einrichtung der Provinz Syria 64 besiegelte er das Ende des Seleukidenreiches, die römischen Provinzen im Osten schützte er durch vorgelagerte Klientelfürstentümer. In den fünf Jahren nach 67 wurde er zum mächtigsten Mann Roms und damit der antiken
Welt.
In Rom plante der Senator Catilina die Ermordung der Konsuln des Jahres 65 nach seiner mißglückten Kandidatur für das Amt (1. Catilinische Verschwörung). Als der Plan aufgedeckt wurde,
hatte sich Catilina alle Sympathien verscherzt und an seiner Stelle wählte der Senat den homo
novus Cicero zum Konsul für das Jahr 63. Daraufhin kam es zum Putsch, den Cicero allerdings
unterdrücken konnte. Druch diesen Sieg war die optimatische Regierung bei der Rückkehr des
Pompeius bedeutend gestärkt. Obwohl Pompeius sein Heer 62 entließ und lediglich die Anerkennung seiner Politik im Osten und die übliche Versorgung seiner Veteranen forderte, behandelte
der Senat ihn wie den Verlierer im politischen Kampf und bearbeitete seine Wünsche sehr schleppend.
8.5 Caesar und das 1. Triumvirat
Gaius Julius Caesar, der für die Regierung viel gefährlicher werden sollte als Pompeius, war ein
strikter Gegner des sullanischen Systems und der Senatsoligarchie. Er hatte trotz seiner ungünstigen Position als Anhänger des Marius und des Cinna alle Ämter durchlaufen und wurde im Jahre
60 zum Konsul für 59 gewählt. Seine verschiedenen Vorstöße, wie Pompeius außerordentliche
Kommanden zu erhalten, waren alle gescheitert, so daß er mächtige Verbündete brauchte, um
nach seinem Konsulat eine Provinz und damit militärische Macht zu bekommen.
Er fand sie in Pompeius und Crassus, die zwar persönlich verfeindet waren, aber beide im offenen
Konflikt mit dem Senat standen: im Jahre 60 entstand das 1. Triumvirat. Der Nutznießer diese
8 Die römische Revolution (133-30 v. Chr.)
18
Bündnisses war Caesar. In seinem Konsulat setzte er zwar alle Forderungen des Pompeius durch;
aber das Wichtigste war sein prokonsularisches Kommando für das Jahr 58. Er erhielt vom Volk
die Gallia Cisalpina und Illyricum, vom Senat zusätzlich die Gallia Narbonensis für die Dauer von
fünf Jahren. Dieser Beschluß verstieß in fast jeder Hinsicht gegen die übliche Ordnung: mehrere
Provinzen, teilweise Verleihung durch das Volk und längere Amtszeit.
Trotz dieses für Caesar befriedigenden Ergebnisses war die Triumviratspolitik wenig erfolgreich,
es gab große Widerstände in Volk und Senat und viele Beschlüsse konnten nur durch Verfassungsbruch erzwungen werden. Auch das terroristische Verhalten des Clodius, dem Caesar den
Weg zum Volkstribunen für das Jahr 58 gebahnt hatte, wurde dem Triumvirat angelastet. Auch
die Verhältnisse zwischen den Triumvirn waren wechselhaft. 56 wurde das Bündnis dennoch erneuert, weil Caesar eine Verlängerung seines Kommandos (um weitere 5 Jahre) brauchte und auf
Unterstützung angewiesen war. Pompeius und Crassus erfüllten Caesars Wünsche als Konsuln des
Jahres 55, sie selbst erhielten Spanien (Pompeius) und Syrien (Crassus). Pompeius blieb wegen
der Getreideversorgung, die er seit 57 als Prokonsul verwaltete, in Rom und ließ seine Provinzen
durch Legaten regieren. Wegen der zunehmend chaotischen Situation in Rom - Schlägertrupps
terrorisierten Volk und Senat - wurde Pompeius 52 zum consul sine collega gewählt und näherte
sich damit dem Senat weiter an. Crassus war 53 gegen die Parther gefallen. Die Entwicklung lief
auf einen Bruch mit Caesar zu.
Die Unterwerfung Galliens (58 - 51) durch Caesar hatte ihm ein treu ergebenes Heer und große
militärische Erfahrung gebracht. 52 wurde ein letzter großer Aufstand unter Vercingetorix in einer
Schlacht bei Alesia beendet. Sein einziges Ziel war nun, die Veteranenversorgung und die Anerkennung seiner Verfügungen in Gallien. Allerdings näherte sich das Ende seines Imperiums und
die Situation des Pompeius nach seiner Rückkehr aus dem Osten hatte gezeigt, daß man in Rom
ohne Amt nichts durchsetzen konnte. Außerdem hätten ihn seine Gegner als Privatmann vor Gericht stellen können. Er wollte deshalb unmittelbar im Anschluß an sein Imperium den Konsulat
bekleiden.
Die lex Licinia Pompeia von 55 verhängte deshalb eine Beratungssperre über Caesars Provinzen bis
zum 1. März 50, des Jahres also, in dem Caesars Imperium offiziell endete. Zu diesem Zeitpunkt
waren den Konsuln des Jahres 50, die allein das Recht hatten, die prokonsularischen Provinzen im
nächsten Jahr zu verwalten, bereits andere Provinzen zugewiesen worden, so daß erst die Konsuln
von 49 nach dem Ende ihrer Amtszeit am 1. Januar 48 Caesars Nachfolge antreten konnten, wenn
Caesar bereits Konsul war. Er sollte sich ohne persönliches Erscheinen bewerben dürfen, d.h. von
seiner Provinz aus. Diese Strategie scheiterte: seit dem Tod Julias 54 (Pompeius’ Frau und Caesars
Tochter) und Pompeius’ neuer Ehe mit einer Optimatentochter war das Band zwischen Pompeius
und Caesar gelockert, so daß Pompeius 52 ein Gesetz einbrachte, nach dem zwischen Magistratur
und Promagistratur 5 Jahre liegen mußten. Damit konnte am 1. März 50 aus den Reihen der
Konsularen ein Nachfolger für Caesar bestimmt werden, der spätestens Anfang 49 die Provinzen
übernehmen konnte. Außerdem sollte Caesar nun für seine Kandidatur persönlich als Privatmann
in Rom erscheinen.
Ein übereilter Vorstoß der Optimaten im Jahr 51 zur Ernennung eines Nachfolgers scheiterte
wegen der legalen Beratungssperre. Ab dem 1. März 50 konnte der mit Caesar verbündete Volkstribun Curio (vorher ein erbitterter Gegner) die Beratungen durch Gegenvorschläge und Inter-
8 Die römische Revolution (133-30 v. Chr.)
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zessionen ein halbes Jahr lang behindern und schließlich einen Senatsbeschluß durchsetzen, der
Caesar und Pompeius zum Rücktritt aufforderte. Caesar war bereit, die Entmilitarisierung seiner
Gegner durch den Verlust seiner eigenen militärischen Macht zu erkaufen. Damit waren die Optimaten gezwungen, selbst gegen die Verfassung zu verstoßen: der Konsul Gaius Marcellus betreute
eigenmächtig und ohne Zustimmung des Senats Pompeius mit der militärischen Rüstung gegen
Caesar.
Obwohl Caesar zu Beginn des Jahres 49 Pompeius und Cicero für einen Kompromiß gewinnen
konnte, erklärte der Senat am 7. Januar den Staatsnotstand gegen Caesar und beauftragte Pompeius mit seiner Bekämpfung in der Hoffnung, Caesar werde seine zaudernde Politik beibehalten
und dem Senatsheer Zeit zur Aufstellung geben. Man hatte sich getäuscht: sofort zogen Caesars
Truppen aus der Gallia Cisalpina über den Rubikon und übernahmen Rom, Pompeius und der
Hauptteil des Senats flohen in den Osten. Dort gab es große militärische Reserven, und Pompeius
hatte unumschränkte Autorität. Im Westen dagegen stand gegen Caesar noch das spanische Heer
Pompeius’, in Gallien erklärte sich Massilia für den Senat. Caesars Versöhnungspolitik fand in
Italien kein Echo, er mußte sich den Staatsschatz unter Verletzung der tribunizischen Unverletzlichkeit sichern und war dadurch auch politisch weitgehend isoliert.
Bis zum Ende des Jahres gelang es Caesar, Massilia und Spanien (Schlacht bei Ilerda) einzunehmen. Obwohl er sein Heer 48 überraschend nach Albanien übersetzte, geriet er kurz darauf wegen
der maritimen Überlegenheit des Gegners in einen Versorgungsengpaß. Sein Versuch, eine Entscheidungsschlacht herbeizuführen, endete erfolglos bei Dyrrhachium. Pompeius favorisierte eine
Zermürbunsgtaktik (die wegen der abgeschnittenen Versorgung Caesars auch vernünftig war),
ließ sich aber von der Siegesgewißheit der Optimaten anstecken und entschloß sich zum offenen Angriff: bei Pharsalos in Thessalien vernichteten Caesars Truppen das feindliche Heer am 9.
August 48. Auf seiner Flucht wurde Pompeius in Ägypten, daß sich auf die Seite des Siegers geschlagen hatte, von einem seiner Offiziere ermordet. Während Caesar die Verhältnisse in Ägypten
zugunsten Kleopatras regelte, bildete sich in Afrika ein neues Heer der Optimaten, das er am 6.
April 46 bei Thapsus besiegt. Daraufhin beging Cato Selbstmord. Bei Munda in Spanien wurden
am 17. März 45 schließlich die Söhne des Pompeius geschlagen.
Caesar reformierte die Verwaltung: römisches Bürgerrecht für Norditalien (die Provinz Gallia Cisalpina wurde nach Caesars Tod 42 aufgehoben), latinisches Bürgerrecht für Spanien und Sizilien, einheitliche Munizipien und Kalenderreform (Julianischer Kalender). Die Außenkolonisation
wurde in Afrika und dem griechischem Osten erneut aufgenommen. Der Senat wurde auf 900
vergrößert, unter ohnen viele homines novi, die der alten Aristokratie als Schandfleck galten. Seine
schlechte Position als Aufrührer versuchte Caesar durch Milde gegenüber den Gegnern (clementia
Caesaris) zu verbessern.
Bereits 46 hatte er sich die Diktatur für 10 Jahre reservieren lassen, außerdem bekleidete er von
46 bis 44 den Konsulat, 45 ohne Kollegen. Erst als er sich im Früjahr 44 zum Diktator auf Lebenszeit (dictator perpetuus) erklären ließ, war das Ende der Republik und der Toleranzgrenze
erreicht. Caesars offene Entmachtung des Senats blieb ohne Rückhalt im Volk. Wegen seiner Milde gegenüber den Gegnern hatte man gehofft, er werde den Staat wie Sulla lediglich reformieren,
jetzt war die Enttäuschung um so größer: eine Gruppe von Senatoren ermordete Caesar während
einer Sitzung unter Führung des Gaius Cassius Longinus und des Marcus Junius Brutus.
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Nach Caesars Tod blieb die kopflose Führungsschicht ohne Autorität. Die Politik war gelähmt
und verlagerte sich auf junge Karrieristen. Die einzige politische Initiative ging von Marcus Antonius aus, der jetzt bis zum Amtsantritt Dolabellas allein Konsul war. Seine Ausgangsposition
war günstig: er war Statthalter von Oberitalien und Gallia Comata und höchster Magistrat. Allerdings hatte er einige Konkurrenten: Aemilius Lepidus, der magister equitum Caesars hatte Rom
mit seinen Truppen besetzt, und auch die anderen Caesarianer (Dolabella, Caesars Nachfolger
im Konsulat, Hirtius und Pansa, die Konsuln des Jahres 43) meldeten ihre Ansprüche an. Gaius
Octavius, den Adoptivsohn Caesars, wurde zunächst nicht ernst genommen.
8.5.1 Der Aufstieg Octavians
Gaius Octavius, der spätere Augustus, wurde 63 v. Chr. als Mitglied der provinzialen Oberschicht
geboren. Er entwickelte früh eine enge Bindung zu seinem Großonkel Gaius Julius Caesar und
wurde von ihm mit Ehren überhäuft. Die Nachricht vom Tod Caesars erreichte ihn in Albanien,
wo er seine Ausbildung erhielt und wo auch die für den Partherfeldzug bereitgestellten Legionen
stationiert waren. Statt dem Rat der Offiziere zu folgen und mit den Truppen auf Rom zu marschieren, zog er mit einer kleinen Begleitung und der Kriegskasse Caesars nach Italien. In Lucida
erfuhr er von seiner Adoption durch Caesar und nannte sich von nun an Gaius Julius Caesar
(ohne den üblichen Zusatz Octavianus).
Währenddessen hatte Antonius sich in Rom durchsetzen können: er erhielt die Gallia Cisalpina
für fünf Jahre und zusätzlich die makedonischen Legionen für den Partherfeldzug. Andererseits
hatte er durch die Abschaffung der Diktatur für alle Zeiten und die Ablehnung der Divinisierung
Caesars jede Popularität verloren. Ende April reiste er nach Kampanien, um die Veteranen Caesars
zu versorgen.
Octavian hatte mit der Annahme des Erbes auch erhebliche finanzielle und moralische Verpflichtungen übernommen: die Rache für seinen Vater und die Auszahlung eines Geldgeschenkes an
alle römischen Bürger. Antonius, der mit einem Heer aus Kampanien zurückgekehrt war, verweigerte die Herausgabe des caesarischen Vermögens, worauf Octavian seinen gesamten Besitz
verkaufte, die Geschenke auszahlte und so in den Ruf moralischer Integrität gelangte. Während
Octavian nun die Sympathie der Veteranen und der plebs urbana genoß, hatte Antonius immer
noch sämtliche Machtmittel (Magistratur, Truppen und Geld) in der Hand.
Die Situation änderte sich, als es zu einem Bündnis Octavians und der Republikaner unter Cicero kam. Cicero wollte den unerfahrenen Caesarerben gegen den mächtigen Antonius ausspielen,
um ihn danach zu beseitigen. Octavian hatte bereits illegal Truppen in Kampanien aufgestellt und
brachte auch zwei der makedonischen Legionen zum Überlaufen. Der Senat legalisierte seine Stellung und beauftragte ihn mit einem proprätorischen Imperium zum Kampf gegen Antonius.
Dieser war in die Gallia Cisalpina gezogen und hatte den republikanischen Statthalter Decimus
Brutus, der die Übergabe der Provinz verweigerte, eingeschlossen. Im April 43 kam es zum Feldzug des Konsuls Hirtius und Octavians gegen Antonius. Pansa, der mit 4 Legionen folgte, wurde
von Antonius angegriffen und geschlagen, konnte aber durch den herbeieilenden Hirtius gerettet werden. In der Entscheidungsschlacht bei Mutina unterlag Antonius und floh in die Gallia
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Comata. Daraufhin wurde die Entmachtung Octavians durch Cicero eingeleitet. Octavian beendete sofort die Verfolgung Antonius’ und ging nach Rom, wo er mit seinem Heer seine Wahl
zum Konsul erzwang. Antonius konnte seine Stellung im Norden ausbauen, Munatius Plancus,
der Statthalter der Narbonensis, stellte sich auf seine Seite, Decimus Brutus wurde auf der Flucht
ermordet.
In Norditalien kam es zu einem Treffen zwischen Antonius, Octavian und Lepidus und zur Gründung des 2. Triumvirats. Octavian und Antonius sollten gemeinsam den Krieg gegen die Caearmörder im Osten führen, während Lepidus als Statthalter in Rom fungierte. In Italien war die
Position des Antonius sehr stark: er hatte viele Verbindungsleute an wichtigen Posten, außerdem
war Lepidus sein erklärter Gefolgsmann.Um das Besoldungsproblem zu lösen, wurden wie unter
Sulla Proskriptionen ausgehängt: 300 Senatoren und 2000 Ritter fielen ihnen zum Opfer. Antonius erhielt für das folgende Jahr die Provinzen Gallia Cisalpina und Comata, Lepidus Gallia
Narbonensis und Spanien und Octavian Africa, Sardinien und Sizilien. Durch die mächtige Stellung des Antonius war Octavian außerdem gezwungen, das Konsulat niederzulegen und an zwei
Anhänger des Antonius zu übergeben. Vor der Volksversammlung wurde das Triumvirat bestätigt
und auf fünf Jahre befristet.
Nach der Ausschaltung der inneren Gegner rüsteten die Triumvirn zum Krieg gegen die Caesarmörder. Nach zahlreichen Beschlüssen zur sakralen Verehrung Caesars Anfang 42 (mit dem Ziel,
die Bevölkerung auf den Krieg einzustimmen), zogen Octavian und Antonius in den Osten. Von
den 43 Legionen, die ihnen zur Verfügung standen, brachen etwa 21 auf, von denen 19 in der
Schlacht bei Philippi kämpften. Brutus und Cassius, die Heerführer auf der anderen Seite führten
ebenfalls 19 (von 21) Legionen an.
Sextus Pompeius, der Sohn des Pompeius, blieb mit seiner mächtigen Flotte ein unberechenbarer
Faktor. Octavian ließ ihn durch einen Stellvertreter in eine Schlacht verwickeln, um die Überfahrt
von Brindisi an die dalmatische Küste zu ermöglichen. Bei Philippi trafen die Heere im Herbst
42 schließlich aufeinander, Antonius stand gegen Cassius, Octavian gegen Brutus. Nach dem Sieg
des Antonius beging Cassius Selbstmord, während Brutus auf dem anderen Flügel siegreich blieb,
Octavian versteckte sich in den Sümpfen. Gleichzeitig siegte die Flotte der Caearmörder und
vernichtete zwei Legionen. In der zweiten Schlacht verlor Brutus gegen Antonius. Er und viele
andere Adelige aus seinem Heer begingen Selbstmord oder wurden hingerichtet, seine Soldaten
liefen über.
Nach der endgültigen Niederlage der Caesarmörder und damit der Republik wurden die Aufgaben
neu verteilt: Antonius erhielt den gesamten Osten zur Neuordnung, außerdem die Gallia Comata
und Narbonensis und sechs Legionen, Octavian erhielt den Westen und fünf Legionen, Lepidus
lediglich Afrika. Italien sollte gemeinsam beherrscht werden. Octavian nutzte die ihm übertragene
Veteranenversorgung zu seinem Vorteil: zwar brachten die rücksichtslosen Enteignungen Volk
und Senat gegen ihn auf, aber die Treue der Veteranen war ihm sicher. Ein Versuch des Lucius
Antonius, Volkstribun und Bruder des Triumvirn, das Triumvirat für ungesetzlich erklären zu
lassen, scheiterte, er wurde bei Perusia von den Octavian treu ergebenen Truppen geschlagen und
floh zu Antonius in den Osten. Perusia wurde als Warnung geplündert, der gesamte Stadtrat
ermordet. Nach dem Tod des Statthalters der Gallia Cisalpina, Fufius Callenus, ließ Octavian im
Jahr 40 die Provinz besetzen.
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Auf diese Nachrichten hin verbündete sich Antonius mit Sextus Pompeius und schnitt Roms Getreideversorgung ab. Bei seinem Eintreffen in Italien solidarisierte sich sein Heer mit dem Heer
des Octavian, beide waren gezwungen, sich im September 40 auf den Vertrag von Brundisium
zu einigen: der ganze Westen sollte Octavian gehören, Antonius blieb im Osten. Eine Heirat des
Antonius mit der Schwester Octavian, Octavia, sollte den Vertrag besiegeln. Kurz darauf wurde
wegen der andauernden Seeblockade der Vertrag von Misenum (39) zwischen Octavian und Sextus Pompeius geschlossen, der auch dessen Stellung im Machtgefüge anerkannte. Er erhielt die
Inseln Sardinien, Sizilien und Korsika sowie die Provinz Achaia für fünf Jahre.
Diese Einigung und propagandistische Maßnahmen festigten Octavians Position weiter. Allerdings muß er eine schwere Niederlage gegen Sextus Pompeius hinnehmen, der als Reaktion auf
den Angriff die Seeblockade Roms erneuert. Im Vertrag von Tarent (Frühjahr 37) erhielt er gegen die Zusicherung von 20.000 Legionären 120 Schiffe aus der Flotte des Antonius. Außerdem
wurde das Triumvirat um weitere fünf Jahre verlängert. Marcus Vipsanius Agrippa, der engste
Vertraute Octavians, baute mit den Schiffen die Flotte wieder auf und besiegte im September 36
Sextus Pompeius entscheidend bei Naulochus. Lepidus versuchte, die Nachfolge des Sextus Pompeius auf Sizilien anzutreten und griff Octavian an, aber seine Truppen liefen geschlossen über,
er wurde in Italien interniert. Währenddessen hatte Antonius im Osten eine große Niederlage
gegen die Parther erlitten. Langsam begannen sich die Machtverhältnisse zugunsten Octavians zu
verändern.
Auch die gegen Antonius gerichtete Propaganda wegen dessen Lebensstils im Osten begann langsam. Sie wurde der wichtigste Teil der Politik Octavians. Schon zu Beginn seines Konsulats 33 hielt
er eine scharfe Rede im Senat und entfaltete einen hemmunsglosen Propagandafeldzug. Schließlich brach Antonius die Vorbereitungen für einen neuen Partherkrieg ab und zog mit seinem Heer
nach Ephesos, wo er sich mit Kleopatras Flotte vereinigte. In Rom bedrohte Octavian mit seiner Leibgarde den Senat, der zum großen Teil zu Antonius floh und dort eine Gegenregierung
bildete. Octavian erklärte Kleopatra den Krieg und ließ seinen Feldherrn Agrippa angreifen. Bei
Actium schloß dieser das Heer des Antonius ein und zwang es zur Kapitulation. Antonius floh
am 2. September 31 nach Alexandria, wo er nach der Einnahme der Stadt durch Octavian Selbstmord beging. Kleopatra folgte ihm neun Tage später. Octavian hatte sein Ziel erreicht: er war der
unbestritten mächtigste Mann des römischen Reiches.
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