5/98 Westfälische Wilhelms-Universität Münster Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin Direktor: Univ.-Prof. Dr. Dr. O. Schober Die Basedow-Krankheit der Schilddrüse Was ist die Basedow-Krankheit? Die Basedow-Krankheit der Schilddrüse ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Abwehrsystem des Körpers allergisch gegen körpereigenes Gewebe reagiert. Zellen des Abwehrsystems produzieren dann Antikörper, die gegen das körpereigene Schilddrüsengewebe gerichtet sind und zu einer Entgleisung der Schilddrüsenfunktion führen. Was sind Symptome der Basedow-Krankheit? Die Basedow-Krankheit kann sehr unterschiedlich verlaufen. Symptome können sein: (1) Schmerzlose Vergrößerung der Schilddrüse (Kropf). Viele Patienten klagen dann über ein Kloßgefühl im Hals und können enge Kragen oder Halsketten nicht vertragen. (2) Schilddrüsenüberfunktion. Patienten berichten oft über innere Unruhe, Nervosität, Fahrigkeit, Schlafstörungen, Zittrigkeit, Schweißausbrüche, Unbehaglichkeit in warmen Räumen, Gewichtsverlust trotz gesteigerten Appetits, Durchfälle, Haarausfall, Muskelschwäche, Müdigkeit oder Erschöpfung. Patienten im fortgeschrittenen Lebensalter haben oft vergleichsweise diskrete Beschwerden und fallen erst durch Herzbeschwerden auf, oft ein Engegefühl im Brustkorb bei psychischer oder körperlicher Belastung (Angina pectoris) oder durch Herzjagen mit schnellem, unregelmäßigem Puls (Vorhofflimmern), z. T. mit Luftnot. (3) Augensymptome. Bei einigen Patienten kann sich die fehlgeleitete körpereigene Abwehr auch gegen das Auge richten. Das Gewebe hinter dem Auge schwillt dann an. Da der Platz in den knöchernen Augenhöhlen begrenzt ist, treten dann die Augen hervor. Patienten berichten über Fremdkörpergefühl in den Augen, Augentränen und Blendungsempfindlichkeit. Ist der Schluß der Augenlider gestört, so kann sich die Hornhaut des Auges entzünden. Durch Entzündung der Augenmuskeln kann es zu Doppelbildern kommen. Wie behandelt man die Basedow-Krankheit? In der Regel zunächst mit Medikamenten, dann aber auch mittels Schilddrüsenoperation oder Radiojod. Wichtig ist: (1) Meiden Sie unnötige Jodzufuhr, bis die Krankheit zu Ende behandelt ist. Jod ist der Treibstoff für Ihre Schilddrüse. Befindet sich die Schilddrüse noch in einer Überfunktion, so kann Jodzufuhr zu einer Entgleisung der Stoffwechsellage führen. Jod ist enthalten in jodiertem Speisesalz, Jodtabletten, bestimmten Wundsalben und Desinfektionsmitteln, Algenpräparaten. Ist eine Röntgenuntersuchung mit jodhaltigem Kontrastmittel nicht vermeidbar, sollte die Jodaufnahme in Ihre Schilddrüse medikamentös unterbunden werden. (2) Lassen Sie auch nach erfolgreicher Behandlung die Funktion Ihrer Schilddrüse mindestens einmal pro Jahr kontrollieren. Auch wenn dies mit zunehmender Zeit immer unwahrscheinlicher wird, kann die BasedowKrankheit auch nach Jahren noch wieder aufflammen auch nach einer Schilddrüsenoperation oder nach der Radiojodtherapie. Auch kann es spontan ohne Behandlung oder durch die Behandlung zu einer Schilddrüsenunterfunktion kommen, die dann durch Gabe von Schilddrüsenhormon-Tabletten behandelt werden muß. Eine Schilddrüsenunterfunktion kann sich äußern durch Abgespanntheit, Lustlosigkeit, Müdigkeit, depressive Stimmung, Kälteempfindlichkeit, Gewichtszunahme trotz verminderten Appetits oder Stuhlverstopfung. Nicht immer werden die Symptome rechtzeitig von den Patienten bemerkt! (3) Lassen Sie sich augenärztlich überwachen, wenn bei Ihnen die oben beschriebenen Augensymptome (Fremdkörpergefühl, Brennen, Tränen) auftreten. Wird die Behandlung der Augen unnötig verzögert, so drohen u. U. bleibende Schädigungen Ihres Sehvermögens. Wie erfolgt die medikamentöse Behandlung der Basedow-Krankheit? Die Schilddrüsenüberfunktion wird behandelt durch Medikamente, die die Produktion von Hormon durch die Schilddrüse hemmen: zumeist Thiamazol, Carbimazol oder Propylthiourazil oder, nur noch selten, Natrium-Perchlorat. Die Dosierung dieser Medikamente muß laufend an die aktuelle Schilddrüsenfunktionslage angepaßt werden und erfordert dazu regelmäßige Kontrollen des Blutes durch Ihren Hausarzt. Seltene Nebenwirkungen können dabei sein: (1) Hautausschlag oder Hautjucken (1 5 %). Bitte verständigen Sie davon Ihren Arzt. Diese Symptome verschwinden in der Regel nach einem Umsetzen des Medikaments, u. U. auch trotz Fortführung desselben Medikaments. (2) Anstieg der Leberwerte, in der Regel nur vom Arzt anhand einer Blutprobe bemerkt. (3) Verminderung der Zahl der weißen Blutkörperchen. Hinweise können sein: unklares Fieber, Mandel- und Rachenentzündungen. Suchen Sie sofort Ihren Arzt auf, wenn diese Beschwerden auftreten. Ihr Arzt wird dann die Zahl der weißen Blutkörperchen überprüfen und ggf. das Medikament sofort absetzen. Unter Umständen werden Sie in eine Klinik aufgenommen werden, bis sich das blutbildende Knochenmark wieder erholt hat. Zusätzlich gibt man oft Betablocker (z. B. Propranolol), um die durch Streßhormon vermittelten Folgen einer Schilddrüsenüberfunktion zu mildern. Definitive Behandlung: Operation oder Radiojodbehandlung? Kommt es nach entsprechend langer medikamentöser Behandlung zumeist über 12 bis 18 Monate nicht zu einem Stillstand der Erkrankung, so empfiehlt sich die definitive Behandlung der Krankheit durch Radiojod oder Schilddrüsenoperation. Ziel beider Behandlungen ist es, die Menge an Schilddrüsengewebe so weit zu ver- mindern, daß der verbliebene Schilddrüsen-Rest nicht mehr Hormon produzieren kann, als vom Körper benötigt wird. Um den Erfolg der Behandlung sicherzustellen, nimmt man dabei eine Schilddrüsenunterfunktion in Kauf. Anders als eine Schilddrüsenüberfunktion ist die Schilddrüsenunterfunktion aber einfach und nebenwirkungsfrei durch die Gabe von Schilddrüsenhormon-Tabletten zu behandeln. Bei der Operation wird der überwiegende Teil des Schilddrüsengewebes bis auf einen kleinen Rest durch einen Hautschnitt am Hals entfernt. Bei der Radiojodbehandlung schluckt der Patient eine Kapsel mit einer individuell berechneten Menge an radioaktivem Jod. Dieses wird dann von der Schilddrüse angereichert und verursacht innerhalb der ersten Wochen eine in der Regel symptomlose Entzündung der Schilddrüse, die dazu führt, daß die Schilddrüse teilweise vernarbt und schrumpt. Der wesentliche Effekt der Behandlung stellt sich nach ein bis drei Monaten ein. Vorteile der Schilddrüsenoperation sind: (1) Sofortige Beseitigung der Schilddrüsenüberfunktion. (2) Wirksame Verkleinerung großer Schilddrüsen. Nachteile: (1) In ca. 1 4 % Beschädigung eines oder beider Stimmbandnerven mit der Folge einer heiseren, tonlosen Stimme (wichtiger Gesichtspunkt für Patienten mit sprechenden Berufen!). (2) In ca. 1 % Schädigung der Nebenschilddrüsen mit der Folge eines zu niedrigen Blutkalziumspiegels, der eine u. U. lebenslange Behandlung mit Kalziumtabletten und Vitamin-D-Präparaten erfordert. Vorteile der Radiojodbehandlung sind: (1) Schonende Behandlung ohne Wundschmerz und Narkoserisiko. (2) Wiederholbarkeit, bis zu drei und mehr Behandlungen sind möglich, auch nach vorausgegangener Schilddrüsenoperation. Nachteile: (1) Voller Wirkungseintritt erst nach ein bis drei Monaten, und nicht immer schon nach der ersten Behandlung. (2) Eine Schwangerschaft sollte innerhalb der ersten sechs Monate nach Behandlung vermieden werden. (3) Eine Erhöhung des Krebsrisikos wurde zwar immer wieder diskutiert, konnte jedoch trotz Behandlung großer Patientenzahlen seit Beginn der 50er Jahre bis heute nicht belegt werden. © WWU Münster 1998