Oktober - Dezember 2000 4/2000, Seite 1 Straußenhaltung in Deutschland - eine Übersicht (Teil I) Dr. G. Reiner (Stuttgart-Hohenheim) 1 Einführung Nach Südafrika, Israel, den USA und Australien beschäftigt sich nunmehr seit einem Jahrzehnt auch die europäische Landwirtschaft mit der Haltung und Nutzung des Straußes (Struthio camelus). Steigende nationale und internationale Nachfrage nach dem diätetisch wie sensorisch interessanten Fleisch und dem begehrten Leder führten anfangs zu euphorischen Vorstellungen der Landwirte, die allerdings in krassem Wiederspruch zu den Einlassungen der Tierschützer standen, was zu einer starken Polarisierung führte. Zehn Jahre später ist ein umfangreicher Erfahrungs- und Wissensschatz hinzugekommen. Übertriebene Erwartungen der ersten Stunde mussten ebenso relativiert werden, wie die Befürchtungen von Seiten des Tierschutzes. Es kam zur Etablierung von Haltungen in Europa und speziell auch in Deutschland, die es im Hinblick auf Effizienz und Tiergerechtheit mit jeder Haltung in den Stammländern aufnehmen können. Der folgende Artikel soll in zwei Teilen einen Überblick über die Besonderheiten des Straußes und seiner Nutzung - speziell in Deutschland - geben. 2 Besonderheiten des Straußes 2.1 Strauß und Mensch Der Strauß entwickelte sich in den Steppengebieten Asiens. Von hier aus breitete er sich bis ins südöstliche Europa, nach Afrika und nach Vorderasien aus. Kontakte zwischen Strauß und Mensch fanden bereits sehr früh statt wie Höhlenmalereien aus der Sahara beweisen, die vor ca. 7.000 angefertigt wurden. Sie zeigen die Jagd auf Strauße, Antilopen und anderes Wild. In Mesopotamien wurden die Schalen von Straußeneiern bereits um 3.000 v. Chr. als Becher und Schalen benutzt. Aus dieser Region liegen auch Abbildungen von rituellen Straußenschlachtungen aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. vor. Im 7. Jahrhundert v. Chr. wurden lebende Strauße auf dem Landweg aus Persien nach China eingeführt (LAUFER, 1926). Im Alten Ägypten galt der Strauß als heilig. Die gleich langen Fahnen seiner Schmuckfedern machten ihn zu einem Sinnbild der Gerechtigkeit. Aber nicht nur seine Federn waren sehr geschätzt, sondern auch sein Leder, das Fleisch und die Eier wurden verwendet. Griechen und Römer nutzten Haut und Federn, und im Mittelalter war der Federschmuck über ganz Europa verbreitet. Die Federgewinnung erfolgte jedoch ausschließlich durch Bejagung, wodurch zahlreiche nordafrikanische Teilbestände und die asiatischen Bestände ausgerottet wurden, der syrische Alleppo-Strauß noch in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts. Aufzeichnungen über Farm-Strauße erschienen erstmals um 1775 in Südafrika. Diese Tiere waren zunächst wilde Strauße, die gefangen und dann an den Menschen gewöhnt wurden. Berichte über erfolgreiche Züchtungen erschienen im Jahre 1857 in Algerien (SMIT, 1963; BASSERMANN, 1911). Kurz darauf glückte Prinz Demidoff in Florenz die Aufzucht von acht Küken. Anlass war die Aussetzung einer Belohnung für erfolgreiche Zucht, um die Federproduktion für die Märkte Europas, speziell Frankreichs, zu bedienen. Die Straußenzucht in Südafrika begann um 1863. 1869 entwickelte der Südafrikaner ARTHUR DOUGLASS die erste künstliche Brutmaschine für Straußeneier. Von diesem Zeitpunkt an nahm die Zahl der Straußenvögel in afrikanischen Farmen exponentiell zu. Bis zum Jahre 1865 war der Bestand südafrikanischer Strauße auf ca. 80 Tiere geschrumpft und der Vogel stand damit am Rande der Ausrottung. Zehn Jahre später wurden wieder über 32.000 Tiere gezählt (SMIT, 1963). Der Aufbau eingezäunter und bewässerter Luzerneweiden gilt als weitere Voraussetzung für eine groß angelegte Nutzung des Straußes. Der Markt für Straußenfedern entwickelte sich rasant und erzielte sehr gute Preise. Auf dem Höhepunkt der Straußenhaltung in Südafrika wurden im Jahre 1913 insgesamt 776.313 Strauße gezählt (SMIT, 1963). Die systematische Züchtung des Straußes begann in der Kapregion mit der Einkreuzung des nordafrikanischen Struthio camelus camelus in den südafrikanischen Struthio camelus australis. Ziel war die Verbesserung der Federqualität. Der 1. Weltkrieg und die Erfindung des Automobils setzten dem Federboom ein jähes Ende. Im Jahre 1930 erreichte die Straußenzucht in Südafrika mit nur noch 32.000 Tieren einen neuen Tiefstand. Erst die 70er Jahre brachten den Strauß wieder ins Gespräch. Man entdeckte ihn neu - diesmal als Lieferant von hochwertigem Leder und Fleisch. Die Straußenbestände erholten sich wieder und stiegen in kurzer Zeit auf über eine viertelmillion Tiere an. Heute werden alleine in Südafrika jährlich etwa 300.000 Schlacht-Strauße für die Fleisch- und Ledergewinnung produziert. Bis zum Jahre 1910 wurden etwa 20.000 Tiere aus Südafrika ausgeführt. Im Jahre 1906 kamen die ersten Strauße nach Deutschland (DUERDEN, 1909). Sie wurden von Carl Hagenbeck in einer Farm im norddeutschen Stellingen (bei Hamburg) erfolgreich über mehrere Winter gehalten (HAGENBECK, 1910). Dabei ging es Hagenbeck nicht nur um die Ausstellung eines exotischen Tieres, sondern auch um das Partizipieren am Geschäft mit den Federn. Die ersten Straußenfarmen in den USA entstanden im Jahre 1983. 2.2 Systematik des Straußes Strauße gehören zur Klasse der Vögel und bilden dort mit weiteren vier Ordnungen die Überordnung der Laufvögel (Ratitae, Flachbrustvögel). Der Begriff Ratitae entstammt dem lateinischen ratis = kielloses Fahrzeug. Diesen Namen verdanken sie der Rückbildung des Brustbeinkammes. Diese ist zusammen mit einer Rückbildung weiterer Teile des Flugapparates der Grund für die Flugunfähigkeit der Flachbrustvögel. Zu den Flachbrustvögeln gehören neben der Familie der Strauße die Familien der Nandus (Südamerika), Kasuarvögel (Emus und Kasuare Australiens und Neuguineas), Kiwis (Neuseeland) und Steißhühner (Mittel- und Südamerika). Die Ordnung Struthioformes teilt sich weiter in die Unterordnung Struthiones, Gattung Struthio. Der afrikanische Strauß stellt die einzige noch existierende Art (Struthio camelus) dar. Prähistorisch nahe Verwandte der Strauße lebten vor ca. 55 Millionen Jahren, im Eozän, in den Steppengebieten Asiens. In der heutigen Form gibt es den Strauß seit rund 2 Millionen Jahren, also seit dem Pleistozän. Der Strauß Oktober - Dezember 2000 4/2000, Seite 2 ist der einzige Vertreter der Ratitae, dessen Verbreitungsgebiet den Äquator nach Norden überschreitet (SomaliStrauß und Nordafrikanischer Strauß). Seine Lebensräume erstreckten sich bis nach Asien. 80 % der Population lebt heute in Farmen und in zoologischen Gärten. Alle Wildbestände sind vom Aussterben bedroht. Die Art Struthio camelus unterteilt sich in die fünf in Tabelle 1 aufgeführten Unterarten: Tabelle 1: Unterarten des Straußes Unterart Name u. Herkunft Typ Struthio camelus australis Südafrika- oder Zulu-Strauß Blauhals-Strauß Struthio camelus camelus Mali- oder Berber-Strauß Rothals-Strauß Struthio camelus massaicus Massai - Strauß Rothals-Strauß Struthio camelus molybdophanes Somali - Strauß Blauhals-Strauß Arabischer Strauß oder Alleppo-Strauß (bis 1948, ausgestorben) Rothals-Strauß Struthio camelus syriacus Unterarten, Merkmale und Verbreitungsgebiete Heute gibt es noch vier Unterarten der Gattung Struthio camelus, aus denen in jüngerer Zeit eine fünfte, der FarmStrauß, Struthio camelus domesticus, der auch oft als African Black bezeichnet wird, hervorgegangen ist. Diese Varietät ähnelt im Aussehen dem südafrikanischen Strauß, zeichnet sich jedoch durch seine hervorragende Federqualität, einen gedrungenen Körperbau und seine sehr gute Umgänglichkeit aus. Rothals-Strauße Struthio camelus camelus (Linné), Nordafrikanischer Strauß Diese Unterart fällt unter das WAA (Washingtoner Artenschutzabkommen) und darf nicht in Farmen gehalten werden. Ihr Verbreitungsgebiet liegt in Nordafrika, Sudan, Niger und Äthiopien. Die Tiere erreichen eine Kopfhöhe von 2,75 m und ein Gewicht von bis zu 130 kg. Der Hahn hat nach Erreichen der Geschlechtsreife eine rote bis rosafarbene Hautfarbe, wobei der fast nackte Hals und die Beine am intensivsten gefärbt sind. Die Hautfarbe der Henne und des Jungvogels sind cremig gelb. Die Farbe des Gefieders ist beim männlichen Tier schwarz, beim weiblichen bräunlich-grau. Ein weiteres Erkennungsmerkmal ist der kahle Fleck auf der Mitte des Kopfes, der sich bei Kreuzungsversuchen dominant vererbt. Die Eier des nordafrikanischen Straußes sind ca. 16x13,5 cm groß und im Durchschnitt 1.670 g schwer. Die Schalenporen sind im Vergleich zum Struthio camelus australis weniger deutlich sichtbar. Struthio camelus massaicus (Naumann), Massai-Strauß Das Verbreitungsgebiete dieser Unterart liegt im südlichen Kenia und in Tansania. Die Tiere erreichen eine Kopfhöhe von 2,70 m und ein Gewicht von 120 kg. In Körper- bau und Hautfarbe ähneln sie dem Struthio camelus camelus. Beim Hahn sind jedoch die Rottöne der Haut nicht ganz so intensiv. Die Farbe des Gefieders ist beim Hahn vorwiegend schwarz. Die Rückenpartie ist mit bräunlichen Federn durchsetzt. Hals und Kopf sind stark befiedert. Die Eigröße liegt im Durchschnitt bei 15x12 cm. Ähnlich dem Ei des Struthio camelus australis befinden sich beim Struthio camelus massaicus deutlich sichtbare Poren in dichten Abständen auf der Eischale. Die Henne unterscheidet sich kaum von der des nordafrikanischen Straußes. Blauhals-Strauße Struthio camelus australis (Guerney), Südafrikanischer Strauß Ursprünglich im ganzen Süden Afrikas zu Hause, finden sich heute größere freilebende Bestände nur noch in Namibia. Die wilden Strauße Südafrikas haben sich mit ausgebrochenen oder freigelassenen Farm-Straußen vermischt und bilden heute ein Kreuzungsprodukt mehrerer Typen. Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich über Südafrika, Simbabwe, Namibia, Angola. Das Erscheinungsbild zeigt sich mit einer Kopfhöhe bis 2,45 m und einem Gewicht bis 110 kg. Außerhalb der Balzzeit ist die Hautfarbe beim männlichen und weiblichen Tier aschgrau. Während der Balz werden Hals und Beinschilder des männlichen Straußes leicht rosa. Die Rotfärbung am Lauf reicht abwärts bis auf die große Zehe. Das Gefieder ist beim Hahn schwarz, bei der Henne bräunlich-grau. Der Schnabelrand ist in der Regel nicht rötlich gerandet. Ein kahler Kopffleck fehlt. Die Eie sind ovaler als die des Struthio camelus camelus. Sie sind ca. 15,5 x 12,5 cm gross und im Durchschnitt 1.500 g schwer. Struthio camelus molybdophanes (Reichenow), SomaliStrauß Der Somali-Strauß findet sich in Nordkenia und Somalia. Er erreicht eine Kopfhöhe von 2,70 m und ein Gewicht von 120 kg. Diese Unterart zeigt sich im Körperbau kleiner als Struthio camelus camelus. Das Gefieder erscheint ähnlich dem des nordafrikanischen Straußes. Haut und Hals sind von einem blauen Grau. Die Schnabelränder sind beim Hahn mennigrot gesäumt. Die Hornplatten an der Vorderseite des Laufes sind nur vom Ende des Fußwurzelknochens abwärts rot gefärbt. Er besitzt eine kahle Kopfplatte auf der Kopfmitte. Die Eigröße beträgt im Durchschnitt 15,5 x 12,5 cm, die Eischale weist weniger, aber tiefere Poren als die von Struthio camelus australis und Struthio camelus massaicus auf. Diese Unterart lebt als einzige vorwiegend im Buschland. African Black - Struthio camelus domesticus Beim African Black handelt es sich um eine Varietätenkreuzung (S. cam. var. domesticus). In den laufenden Jahrzehnten, in denen Zuchtauswahl betrieben wurde, entwickelte sich eine in allen Leistungen eigenständige Unterart. Diese ähnelt im Aussehen stark dem Struthio camelus australis, ist aber insgesamt etwas kompakter und schwerer und bringt im Vergleich zahlreichere, längere und qualitativ hochwertigere Federn. Die Federn wachsen im Gegensatz zu der Unterart des südafrikanischen Straußes teilweise auf den Oberschenkeln. Er ist rund 30 cm kleiner und die Hähne sind im Verhalten weniger aggressiv. Die Geschlechtsreife tritt etwa zwei Jahre früher als bei den übrigen Unterarten ein. Oktober - Dezember 2000 4/2000, Seite 3 2.3 Biologie des Straußes Strauße können ein Lebensalter von bis zu 70 Jahren erreichen und bleiben etwa 4 Jahrzehnte fruchtbar. Die Geschlechtsreife stellt sich mit 2 - 3 Jahren ein. Balz und Brutzeit fallen sowohl in Afrika, als auch in Europa in die Zeit zwischen März und September. Entscheidend ist hierbei vor allem das Nahrungsangebot. Die Legeleistung liegt in der Wildbahn bei 12 - 18 Eiern pro Henne. Bei Wegnahme der Eier werden etwa 40 - 100 Eier pro Saison gelegt. Die Schlupfquoten und Kükenverluste betragen in freier Wildbahn 10 - 30, bzw. 50 - 80 % und in Farmhaltung 40 - 90 bzw. 10 - 30 %. In freier Natur wird aus ca. 6 % der gelegten Eier wieder ein zuchtfähiger Strauß. 2.3.1 Körperbau Die enorme Körpergröße des Straußes ist als Anpassung an die weiten und offenen Lebensräume der Savanne zu sehen. Sie verleiht ihm eine gute Übersicht und ein gutes Fluchtvermögen. Damit kennzeichnet sich der Strauß bereits rein äußerlich als Fluchttier. Die Augen sind deutlich größer als das Gehirn. Die Flügel dienen beim Strauß der Balance beim schnellen Richtungswechsel während der Flucht, der Temperaturregulation und der sozialen Kommunikation. Die Flügelmuskulatur ist stark verkümmert und der Brustbeinkamm des Sternums ebenfalls schon embryonal zurückgebildet. Um das Handicap der Flugunfähigkeit zu kompensieren, besitzt der Strauß sehr stark entwickelte Beine. Während der Oberschenkelknochen vogeltypisch pneumatisiert ist, zeigen sich die Knochen von Unterschenkel und Fuß als Anpassung an das hohe Laufvermögen äußerst kompakt und stabil. Nandus, Kasuare und Steißhühner besitzen drei Zehen, Kiwis als einzige Ratiten noch vier Zehen. Der Strauß besitzt nur noch die dritte und vierte Zehe, wobei die vierte sich ebenfalls in Rückbildung befindet und nur noch eine Balancefunktion im Stand erfüllt. Die große dritte Zehe trägt eine ca. 7 cm lange Kralle. Der Verdauungsapparat des Straußes entspricht weitgehend dem eines Pflanzenfressers. Sein Hauptvorteil liegt in der Fähigkeit, auch Zellulose und Hemizellulose sehr gut aufzuschließen und damit rohfaserreiche Nahrung optimal nutzen zu können. Die Hauptgärkammern stellen, analog zum Pferd und Kaninchen, die bis zu 80 cm langen Blinddärme dar. Hier wird die pflanzliche Rohfaser mikrobiell abgebaut und aufgeschlossen. Die Verweildauer der Nahrung im Strauß liegt bei etwa 36 bis 48 Stunden. Im Alter von 3 Wochen entspricht die Rohfaserverwertung mit 5 - 6 % noch der des Huhnes. Mit 6 Wochen ist dann mit ca. 28 % das Niveau des Schweines erreicht. Im Alter von 10 Wochen können Strauße 51 %, ausgewachsen bis über 60 % der Rohfaser verwerten, was in etwa der Verwertung durch Schaf und Ziege entspricht. Die Speiseröhre ist bis zu einem Meter lang und stark erweiterungsfähig. Sie beginnt am Mundboden direkt hinter der Luftröhre und zieht auf der rechten Seite des Halses zum Brustkorb. Ein Kropf fehlt dem Strauß, stattdessen öffnet sich die Speiseröhre ab Höhe der 6. Rippe kontinuierlich zum Vormagen hin. Der Schlund kann sich zum Ansammeln eines Futterbrockens taschenartig erweitern. Der Magen ist zweigeteilt. Die Speiseröhre öffnet sich allmählich in den Vor- oder Drüsenmagen (Proventriculus). Im Muskelmagen erfolgt das Zermahlen der angedauten Nahrung mittels abgeschluckter Steinchen. Der Darmtrakt des Straußes wird bis zu 20 m lang. Beim Küken besteht bis zum Alter von 2 1/2 Wochen eine Verbindung zwischen Jejunum und Dottersack, die später zum Meckel´schen Divertikel wird. Der Dottersack ist 2 bis 3 Wochen nach dem Schlupf vollständig resorbiert. Das frisch geschlüpfte Küken zeigt ein Längenverhältnis zwischen Dünn- und Dickdarm von 1:1. Mit 6 Monaten hat dieses Verhältnis auf 1:1,5 zu Gunsten des Colons zugenommen. Beim erwachsenen Tier wird ein Verhältnis von 1:2 erreicht. Die Blinddärme erreichen beim ausgewachsenen Tier eine Länge von bis zu 95 cm. Die Leber des Straußes ist zweilappig, eine Gallenblase ist nicht vorhanden. Die Nieren verfügen über einen wirkungsvollen Harnkonzentrierungsmechanismus. Der Harn kann bis zu einer zähflüssigen, kalkartigen Flüssigkeit eingedickt werden. Als Schutz vor ausfallenden Konkrementen produziert das Harnleiterepithel eine Mischung von Mucopolysacchariden, die die harnleitenden Wege überziehen. Steht dem Tier genügend Wasser zur Verfügung, ist der Harn wässrig, klar und leicht gelblich, bei einem Harnsäuregehalt von 0,7 - 1,2 %. Bei anhaltendem Wassermangel kann der Gehalt auf bis zu 43 % ansteigen (SCHÜTTE, 1973). Eine weitere Besonderheit zum Einsparen von Wasser stellt die paarige Nasaldrüse des Straußes dar. Sie findet sich im inneren Augenwinkel, eingeschlossen zwischen Stirn-, Tränen- und Nasenbein, hat Verbindung zu den Nasennebenhöhlen und dient der Ausscheidung von überschüssigem Salz. Die Geschlechtsorgane: Die Hoden des Straußes sind als Ausdruck des wechselnden Fortpflanzungsrhythmus in ihrer Größe und Funktion stark variabel. Während der Paarungszeit können sie beim ausgewachsenen Hahn eine Länge von bis zu 16 cm erreichen (BEZUIDENHOUT, 1986). Ihre Größe korreliert dabei mit dem Blutandrogenspiegel und damit auch mit dem Verhalten des Hahnes und der Rotfärbung von Schnabel und Läufen. Verantwortlich für die Regulation der Geschlechtsaktivität ist in erster Linie die Fotoperiode. Der Phallus erreicht beim erwachsenen Hahn eine Länge von 20 bis 40 cm. Er entspringt aus der unteren Kloakenwand, sein freies Ende zeigt nach hinten. Dorsal findet sich eine Längsrinne, die sich in erigiertem Zustand teilweise schließt. Der rechte Schwellkörper ist stets kräftiger ausgebildet als der linke. Hierdurch kommt eine Erektionskrümmung nach links zustande, die das Einführen des Penis in die nur linksseitig angelegte Vagina der Henne erleichtert. Fruchtbare Hähne haben immer ein schwarzes Gefieder (ein Zeichen für das Fehlen weiblicher Sexualhormone). Wie bei Vögeln üblich, kommt auch beim Strauß nur die linke der embryonal paarig angelegten Keimdrüsen, einschließlich der Müllerschen Gänge, zur Entwicklung. Die Eibildung dauert beim Strauß ca. 48 Stunden. Störungen im Bereich von Eileiter und Magnum können durch Infektionen, aber auch durch Fütterungseinflüsse, hormonelle Imbalancen, Stress oder saisonale Einflüsse auftreten. Sie führen zu Eiern mit Schalendeformationen und matter oder unvollendeter Oberfläche (OrangenschalenOberfläche). Deformationen der Schale wirken sich negativ auf den Wasserverlust während der Brut aus und sind damit zumeist fatal für den Embryo. Die Regulation des Geschlechtszyklus steht bei Hahn und Henne hauptsächlich unter dem Einfluss des Lichtes. Zunehmende Tageslängen stimulieren die Sekretion von FSH (Follikel Stimulierendes Hormon) und regen damit die Funktion des Ovars an. 2.3.2 Verhalten Der Strauß entstammt den weiten und offenen Savannen Afrikas. Die morphologischen Folgen dieser Anpassung Oktober - Dezember 2000 4/2000, Seite 4 sind deutlich sichtbar. Der Körperbau des Tieres hat sich vom flugfähigen Vogel zum ausgeprägtesten jemals auf der Erde lebenden Laufvogel gewandelt. Auch die enorme Körpergröße des Straußes ist als Anpassung an seinen offenen Lebensraum zu deuten. Sie verleiht ihm eine hohe Laufgeschwindigkeit durch grosse Schrittlänge und bedingt durch die erhöhte Position der großen Augen ein frühzeitiges Erkennen von Gefahren in der offenen Landschaft. Diese offensichtlichen Vorteile des Straußes können jedoch erst dann vorteilhaft eingesetzt werden, wenn sie über eine adäquate Steuerung verfügen. Diese Steuerungsmechanismen bilden in ihrer Gesamtheit das Verhalten. So wie der Körperbau als Anpassung an die Umwelt des Tieres entstanden ist, musste sich auch ein artspezifisches Verhaltensmuster entwickeln, gleichsam als Abbild der Umwelt, die es formte. Das Verhalten des Straußes gehört mit zu den komplexesten in der Tierwelt. Es lässt sich in die Funktionskreise Nahrungserwerb, Sozialverhalten und Tagesaktivität, Sexualverhalten und Komfortverhalten einteilen. Jeder Funktionskreis enthält komplexe, meist angeborene, teilweise aber auch mehr oder weniger durch Lernen modifizierbare Verhaltensmuster. Oft kommt es dabei auch zur Überschneidung mehrerer Funktionskreise. In Gefangenschaft gehaltene und domestizierte Tiere zeigen oft Einschränkungen in ihren Verhaltensmustern, deren Ursachen bisher weitgehend ungeklärt sind. Manche Verhaltensmuster sind jedoch so stark angelegt, dass sie, wenn sie nicht befriedigt werden können, zu steter Bedürfnissteigerung und schließlich zum Leiden beim betroffenen Tier führen können. Interessensverlust an der Umgebung und Apathie können die Folge sein, es können aber auch Leerlaufhandlungen, Aggressivität und Ersatzhandlungen auftreten. Eine Leerlaufhandlung stellt beispielsweise das Nachahmen von Staubbadebewegungen bei fehlendem Sandplatz dar, oder das Picken in die Luft bzw. nach Gegenständen, die nicht als Nahrung dienen. Aggressivität, besonders von Hähnen, kann sich dem Menschen gegenüber entwickeln, wenn dieser - bevorzugt in roter Arbeitskleidung - als Konkurrent während der Paarungszeit angesehen wird. Ersatzhandlungen treten oft im Bereich der Nahrungsaufnahme auf, wie sie im ersten Funktionskreis skizziert sind. Nahrungserwerb In der natürlichen Umgebung des Straußes ist Nahrung zumeist spärlich vorhanden und selten von hochwertiger Zusammensetzung. Der Strauß ist ein Selektierer, der sich bei seiner Nahrungssuche einzelne Pflänzchen oder Pflanzenteile, bevorzugt die wasserhaltiger Sukkulenten, heraussucht. Um unter diesen Bedingungen ein Überleben zu sichern, benötigt der Funktionskreis Nahrungsaufnahme viel an Energie für Nahrungssuche und -aufnahme, sowie eine ausgeprägte Neugierde an Gegenständen bis Schlundgröße. Dabei werden aber nicht alle Energien für mit der Nahrungsaufnahme assoziierte Verhaltensweisen verbraucht. Folge ist die Aufnahme auffälliger, meist aber auch gefährlicher Gegenstände, oder das Auszupfen von Federn vom Rücken der Nachbartiere. Aufgenommene Fremdkörper können beachtliche Ausmaße aufweisen So beschrieb DEGEN (1989) ein von einem erwachsenen Straußenhahn abgeschlucktes, 2,5 m langes Stück Stacheldraht. Auch beim Federpicken zeigt sich die hypnotische Anziehungskraft hoher Kontraste, die dunkle Feder auf heller Haut, die es mit sich vergrößernder kahler Hautfläche immer schwieriger macht, den Federpickern ihr Fehlverhalten wieder abzugewöhnen. Bei in Gefangenschaft lebenden Tieren handelt es sich beim Federpicken um eine weitverbreitete Untugend, die man nicht nur in Europa, sondern auch in Südafrika und Israel und den übrigen Straußenzentren beobachten kann. Die Vögel fixieren dabei eine Feder aus kurzer Entfernung, packen sie und versuchen sie auszureißen. Die Abwehr des Bepickten besteht in Fauchen und Beißen, nur selten in Aufstehen und Weglaufen. Am stärksten betroffen sind die weiblichen Tiere, die sich untereinander stark zusetzen, aber auch unter den Hähnen zu leiden haben. Die Hähne sind aufgrund ihrer höheren Distanz zu den übrigen Gruppenmitgliedern und ihrem höheren sozialen Rang weniger betroffen. Neben dem eigentlichen Federpicken gehören noch zwei weitere, leicht abgewandelte Verhaltensstörungen zu diesem Funktionskreis. Diese äußern sich in Luftpicken und Zaunspielen. Zusammen mit den Federn werden gerne auch bunte Markierungen bepickt und auf diese Weise oft entfernt. Neben dem quantitativen Futterangebot spielt auch dessen Qualität in Zusammensetzung und Darreichungsform eine große Rolle für das Auftreten von Federpicken und die Aufnahme von Fremdkörpern. Hochwertiges Futter führt zu rascher Sättigung, bei der Aufnahme gröberer Futterpartikel dauert dies etwas länger. Schließlich können auch Mangelzustände an Spurenelementen (z.B. Mangan) und Vitaminen als Auslöser für Verhaltensstörungen im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme und übertriebenem Picken auftreten. Allerdings gibt es kein Allheilmittel und auch bei der besten Haltung kommen immer wieder einzelne Tiere vor, die aus ungeklärten Gründen mit Federpicken beginnen. Ein zeitweises Abtrennen des Übeltäters (in Sichtkontakt) von der Herde kann hier im äußersten Notfall als Therapie eingesetzt werden und zu einer dauerhaften Einstellung des Fehlverhaltens führen. Auch Küken neigen zur ungeordneten Aufnahme von Partikeln aus ihrer Umgebung. Hierfür sind in erster Linie fehlende Kenntnisse über die Eignung verschiedener Stoffe als Nahrung und die fehlende Anleitung durch erwachsene Tiere verantwortlich zu machen. Künstlich ausgebrütete Küken sollten durch Ammen oder ältere und bereits erfahrenere Tiere an die Nahrungsaufnahme herangeführt werden. Das Picken stellt zwar ein angeborenes Verhalten dar, die Auswahl der Nahrung muss jedoch erlernt werden. Daher ist es sehr wichtig, Küken einen sauberen Untergrund anzubieten und geeignetes Futter zunächst in geringen Mengen zum Erlernen der Nahrungsaufnahme - darzureichen. Einstreu und zu langes Grünfutter werden, falls angeboten, ebenfalls aufgenommen und als „Futter” akzeptiert, führen jedoch zu meist tödlichen Magenüberladungen und Verstopfungen. Die verhaltensgerechte Nahrungsaufnahme des Straußes muss sich also an einer bewegungsintensiven Suche nach nicht zu protein- und energiereicher Nahrung orientieren. Küken werden von ihrer Amme zu oft weit entfernten, geeigneten Futterpflanzen geführt. Beinverkrümmungen, die bei der Haltung von Straußen auf der ganzen Welt ein primäres Problem darstellen, sind häufig auf die fehlende Bewegung bei ad libitum verfügbarem, hochwertigstem Futter zurückzuführen. Zur Förderung des Verhaltenskreises Futteraufnahme bei der landwirtschaftlichen Haltung von Straußen muss daher vermieden werden, den Tieren an einem Platz des Geheges zuviel eines zu hochwertigen Futters anzubieten. Die Bewegung kann dadurch angeregt werden, dass den Tieren zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten des Geheges Futter angeboten wird. Grünfutter muss einen erheblichen Teil der Nahrung der Strauße ausmachen und die Futterflächen dürfen nicht durch zu hohen Besatz verdorben werden. Restriktive Fütterung über den Tag verteilt erhält das Interesse an der Nahrungssuche und die Bereitschaft, wechselnde Futterplätze anzunehmen. Oktober - Dezember 2000 4/2000, Seite 5 An Orten, wo die Tiere dichter zusammenkommen, wie am Badeplatz und im Stall, ziehen bunte Gegenstände, die nicht abgeschluckt werden können und auch sonst nicht giftig oder mit Verletzungsgefahr behaftet sind, Neugierde und überschüssiges Pickverhalten auf sich. Ist Federpicken bereits aufgetreten, so kann das Einteeren der hellen Haut bei schwarzem Gefieder die lockenden Kontraste abschwächen und ein Nachwachsen der Federn ermöglichen. Ist die kahle Stelle wieder vollständig zugewachsen, besteht eine gute Chance, dass das Federpicken aufhört. Übel riechende Stoffe versagen ihren Dienst, da Strauße wie die meisten Vögel kaum geruchsund geschmacksempfindlich sind und fast ausschließlich ihr Auge über die Attraktivität eines Gegenstandes entscheiden lassen. Ist das Verhalten Federpicken erst einmal aufgetreten, kann es dem ausführenden Tier nur sehr schwer wieder abgewöhnt werden. Sozialverhalten und Tagesaktivität Einige Ansätze zum Sozialverhalten ergeben sich bereits aus oben Gesagtem. Strauße sind etwa 12 Stunden am Tag aktiv. Durchschnittlich 2,4 Stunden dieser Zeit verbringen die Tiere sitzend, rund 7,5 Stunden umherlaufend und ca. 40 Minuten stehend. Bei Konzentratfütterung dienen etwa 50 Minuten täglich der Nahrungsaufnahme, knapp 10 Minuten der Wasseraufnahme und etwas mehr als eine halbe Stunde dienen neugierigem Picken. Straußenpaare neigen dazu, ihre Bewegungen und Aktivitäten zu synchronisieren. Dabei nimmt der Grad der Übereinstimmung zwischen ihnen mit steigender Balzstimmung zu. Beim Sitzen wird der Hals aufrecht getragen, und die Beine werden unter den Körper geschlagen. Von Zeit zu Zeit werden Hals und Kopf auch abgelegt. Das Umherwandern erfolgt oft entlang der Einzäunung des Geheges. Dabei werden ca. 60 m pro Minute zurückgelegt. Bei der Nahrungssuche schließen sich die Strauße gerne in Gruppen von bis zu 4 Tieren zusammen. Je größer die Gruppe, desto geringer muss die Aufmerksamkeit der einzelnen Vögel sein, was sich darin äußert, dass die Köpfe der Tiere seltener nach oben gebracht werden. Hähne sind aufmerksamer als Hennen, sie halten ihre Hälse häufiger aufrecht und beäugen die Umgebung. Auf diese Weise hat, beispielsweise bei der Nahrungsaufnahme, immer ein Vogel den Kopf zur Überprüfung der Umgebung erhoben. Die Bedeutung dieses gemeinsamen Wachens ist so groß, dass sich bei den Straußen keine Hackordnung bei der Nahrungsaufnahme entwickelt hat. Außerhalb der Paarungszeit schließen sich Strauße zu Gruppen bis über 100 Tiere zusammen, innerhalb derer die einzelnen Familien durchaus eine gewisse Eigenständigkeit behalten. Dominante Tiere dienen als Leittiere. Zu den gemeinschaftlichen Aktivitäten gehören neben dem Weiden auch das Baden in Sand und Wasser. Von seinem Grundverhalten, geprägt von einem weiten und übersichtlichen Lebensraum, ist der Strauß ein aufmerksames Fluchttier. Ein sehr guter Gesichtssinn, enorme Schnelligkeit und das arbeitsteilige Wachen in der Herde verleihen Schutz vor Raubtieren. Ungewohnte Reize werden, einmal wahrgenommen, rasch an den Bewegungsapparat weitergeleitet, wodurch panikartige Fluchten entstehen können. Gehege, in denen Strauße untergebracht sind, sollten dieser Tatsache Rechnung tragen. Vor allem plötzlich auftretende Veränderungen in der Umgebung, die nicht schon aus größerer Entfernung wahrnehmbar sind, stellen für den Strauß eine scheinbare Gefahr dar, die mit überstürzter Flucht beantwortet wird. Für viel Aufregung sorgen schnell sich bewegende und laute Objekte, wie Fahrzeuge aller Art und Hunde. Mit gehäuft auf- tretenden Stresssituationen können auch Probleme im Hinblick auf Fruchtbarkeit, soziale Verträglichkeit und Gesundheit auftreten. Es besteht aber auch eine Bereitschaft zum Lernen, so dass die Strauße bald auf bekannte und als ungefährlich eingestufte Situationen nur noch vermindert, später kaum noch reagieren. Von wesentlicher Bedeutung für den direkten Umgang mit dem Strauß sind Annäherungs- und Abwehrverhalten. Die Intention zur Kontaktaufnahme zeigt der Strauß deutlich mit Einnehmen der Demutshaltung, bei der Kopf, Schwanz und Flügel tiefgehalten werden und sich der Hals S-förmig nach unten krümmt. Ein sich in dieser Haltung annähernder Strauß zeigt eine neugierige und friedliche Grundstimmung. Bei Aufregung, Feindschaft und Abwehrbereitschaft werden Hals, Flügel und Schwanz hoch aufgerichtet. Diese Drohgeste wird noch deutlich betont durch das Aufrichten des Vorderkörpers und das Aufstellen der Körperbefiederung, wodurch die Silhouette vergrößert werden soll, um dem Gegenüber Respekt einzuflößen. Nützt diese Drohgebärde noch nichts, so werden unter Fauchen und Zischen Scheinangriffe vorgetragen, die schließlich in der Ausführung von Fußtritten in Brustbeinhöhe enden. Diese Tritte werden fast ausschließlich von männlichen Tieren während der Balz- und Brutzeit ausgetragen und dienen der Abwehr von Fressfeinden, aber auch von Revierkonkurrenten und Nebenbuhlern. In beide Rollen kann der Mensch aufgrund möglicher Prägungen des Straußes geraten. „Reviere” erwachsener Hähne sollten daher nur unter äußerster Vorsicht und der Wahrung von Sicherheitsmaßnahmen (Einsatz langer Stangen mit Querbügeln zum Abhalten der Tiere) und nie alleine betreten werden. Rote Kleidung, allzu großes Aufrichten und allzu große Nähe zu den Hennen können Hähne zum Angriff provozieren. Im Übrigen ist die Gefährlichkeit von Straußenhähnen mit der anderer männlicher Nutztiere vergleichbar. Strauße schlafen meistens in aufrecht sitzender Stellung, dicht beieinander in der Gruppe. Während kürzerer Tiefschlafphasen werden Hals und Kopf flach abgelegt. Ein Tier der Gruppe scheint immer zu wachen. Sexualverhalten Strauße sind Gelegenheitsbrüter, d. h. sie sind nicht an bestimmte Paarungszeiten gebunden. Sie reagieren jedoch auf Witterungseinflüsse wie Temperatur und Tageslänge und sind durch das vorherrschende Futterangebot zu beeinflussen. Nach SAUER (1967) kann ausreichendes Futterangebot die Strauße zu jeder Jahreszeit in Brutstimmung versetzen. Der Höhepunkt wird jedoch für gewöhnlich kurz vor der Regenzeit erreicht, um den Kükenund Jungtieren in der Aufzuchtphase eine ausreichende Futtergrundlage bieten zu können. Mit beginnender Brutzeit sondern die Hähne ihre Hennen von der Herde ab und schaffen sich ein Brutrevier, welches sie hartnäckig mit Scheinangriffen und Fußtritten gegen Gegner verteidigen. Auch innerhalb der Hennen stellt sich eine Rangordnung ein, die mit Fauchen, Picken und gelegentlich ebenfalls mit Tritten, die sich notfalls auch gegen unwillkommene Hähne richten können, ausgefochten wird. Die Aktivitäten der Hennen beginnen dabei meistens schon vor denen der Hähne. Eine Paarungsgruppe besteht schließlich zumeist aus einem Hahn, einer Haupt- und 2 bis 4 Nebenhennen. Für die Hauptbalz sondert sich das Paar ab. Zunächst treibt der Hahn die Henne in Imponierhaltung mit abgespreizten Flügeln, Schwanz- und Körperfedern im Zickzack-Lauf vor sich her. Beim gemeinsamen Weiden kommt es dann zu einer Oktober - Dezember 2000 4/2000, Seite 6 Synchronisation der Bewegungen der beiden Partner. Mit steigender Intensität der Werbung des Hahnes wird die Futteraufnahme mehr und mehr ritualisiert, wobei mehr und mehr Komponenten aus dem Nestbauverhalten einbezogen werden. Zunächst rupft der Hahn Pflanzenbüschel aus und rudert abwechselnd mit dem rechten und linken Flügel. Mit steigender Erregung setzt er sich dann auf seine Läufe nieder und führt mit Hals und Flügeln Bewegungen aus, die das Ausscharren einer Nestmulde imitieren. Dabei lässt er unter Verwinden des Halses seinen Balzgesang, das „Boomen” hören. Die Henne umkreist nun den Hahn in Demutshaltung mit niederhängenden Flügeln und Schwanzfedern und mit S-förmig nach unten gekrümmtem Hals. Die Flügel werden dabei in hoher Frequenz leicht geschüttelt, so dass ein knatterndes Geräusch entsteht. Dieses Geräusch wird noch durch Schnabelklappern unterstützt. Schließlich lässt sie sich vor dem Hahn niederfallen, der aufspringt und unter Flügelschlagen und Ausstoßen von Balzgesang die Begattung vollzieht. Das Nest wird als flache Mulde vom Hahn ausgescharrt. Als Besonderheit bedienen sich die Strauße eines Gemeinschaftsnestes, welches von allen Hennen der jeweiligen Gruppe benutzt wird. Die Haupthenne beansprucht jedoch den zentralen Bereich des Nestes für ihre Eier. Die Nebenhennen sind auf die Randzone angewiesen. Der Vorteil für die Haupthenne besteht in der relativen Sicherheit ihrer Eier vor Fressfeinden, die sich zunächst vom Rand her bedienen. Der Vorteil für die Nebenhennen besteht in der Chance, bereits Nachkommen zu erzeugen, bevor sie zur Haupthenne aufgestiegen sind. Man hat nachgewiesen, dass die Hennen ihre Eier individuell anhand des Porenmusters erkennen können. Der Hahn brütet zumeist in der Nacht, während die Haupthenne die Brut am Tag übernimmt, wenn ihr Tarngefieder von Nutzen ist. Die Küken werden zunächst vom Hauptelternpaar geführt. Dabei lernen sie, was sich als Nahrung eignet. Später werden mehrere Kükengruppen zu Kindergärten zusammengefasst, die von einem erwachsenen Tier intensiv betreut werden. Die neugegründete Familie schließt sich bereits drei Monate nach dem Schlupf wieder der Herde an. Für die Haltung des Straußes ergeben sich aus diesem Verhaltenskreis wichtige Hinweise. Zu große Gruppen auf begrenzter Fläche führen zu starker Unruhe, die das Balzund Legegeschäft stören. Ein Umtrieb der Tiere auf eine andere Weide kommt der Umsiedlung in ein fremdes Revier gleich und führt zu empfindlichen Störungen der Fruchtbarkeit und des Legens. Daher sollte das „Revier” von Anfang an großzügig gewählt werden. Küken werden stark auf Eltern und Amme geprägt. Sie ahmen diese in ihrem Verhalten nach und zeigen mit eindringlichen, trillernden Pieplauten ihr Missfallen an, wenn sie alleine gelassen werden. Sie erkennen dabei ihren „Bezugsvogel” individuell. In menschlicher Obhut übernimmt der Pfleger diese Rolle. Die Küken benötigen dessen ständige Anwesenheit, sonst werden sie unruhig, jammern und stellen Verhaltensweisen wie Nahrungsaufnahme und neugieriges Picken ein. Da die Küken sich weniger das Gesicht ihrer Pflegeperson einprägen als vielmehr deren Kleidung, kann es sehr hilfreich sein, wenn einander in der Versorgung abwechselnde Pfleger in Einheitskleidung auftreten. Die Schlupferfolge von einem Freilandnest betragen nach BROWN et al. (1982) ca. 33 %. Andere Autoren gehen von nur ca. 6 % aus (SYCHOLT, 1992). Etwa 12 % der geschlüpften Küken überleben. Das sind bei einem durchschnittlichen Gelege von 21 Eiern nur 0,9 Küken. Geht man davon aus, dass 1 Hahn, 1 Haupthenne und 3 bis 4 Nebenhennen am Fortpflanzungsgeschehen beteiligt sind, ergibt sich eine jährliche Remonte pro erwachsenem Elterntier von 0,15 Straußenküken (BROWN et al., 1982). BERTRAM (1992) gibt die Aufzuchterfolge mit 10 bis 15% an. Während der gesamten Balz- und Aufzuchtphase sind die Vögel leicht erregbar und oft aggressiv. Dies muss bei der landwirtschaftlichen Straußenhaltung stets bedacht werden, um Unfälle zu vermeiden. Bei ersten Anzeichen von Erregung, die sich durch Aufstellen des Schwanzes, rhythmisches Auf- und Abbewegen der Flügel oder Zischund Fauchlaute ankündigt, ist erhöhte Vorsicht angebracht. Die Tiere, die sonst zur Flucht neigen oder unter Farmbedingungen zutraulich und zahm sind, zeigen jetzt oft entgegengesetzte Verhaltensweisen und können zum Angriff übergehen. Komfortverhalten Zum Komfortverhalten des Straußes gehören Gefiederpflege und Sandbaden. Beide sind als essentielle Verhaltensweisen anzusehen, die nicht behindert werden dürfen. Daher muss in jedem Gehege ein jederzeit verfügbarer, trockener Sandbadeplatz vorhanden sein, den möglichst mehrere Tiere gleichzeitig nutzen können. Nach SAMBRAUS (1994) suchen die Vögel durchschnittlich 0,6 mal am Tag ein Sandbad auf. Die Hauptbadezeit liegt in den Nachmittagsstunden. Das Baden erfolgt im Sitzen, wobei mit Hals und Flügeln Sand auf den Körper gescharrt und durch Schüttelbewegungen verteilt wird. Der Sand dient in erster Linie der mechanischen Reinigung und dem Entfernen von Parasiten. Ein Sandplatz muss überdacht sein, damit der Sand trocken bleibt. Er darf nicht gleichzeitig Nistplatz sein, damit eierlegende oder brütende Tiere nicht gestört werden. Sandbaden stellt eine Gemeinschaftsaktivität dar. Zu kleine Flächen führen zu gesteigerter Unruhe und Aggressivität. Auch Ausweichmöglichkeiten für rangniedrigere Tiere müssen vorhanden sein. Eine schmale Tür als Eingang genügt nicht. Für die Gefiederpflege werden ca. 1 1/4 Stunden pro Tier und Tag aufgewandt. Sie erfolgt gehäuft am Morgen nach dem Aufstehen der Tiere und nimmt zum Abend hin ab. Zum Komfortverhalten kann auch die Einstellung der Körpertemperatur gezählt werden. Strauße können mit extremen Temperaturschwankungen zurechtkommen. Sie überstehen Temperaturen von über 50 °C ohne Schatten und müssen sich nachts auch in ihrem natürlichen Lebensraum mit Minusgraden auseinandersetzen. Diese ausgeprägte Temperaturresistenz liegt in der Kombination von nackten Hautpartien und Federkleid begründet. Temperaturregulation Die natürlichen Umwelttemperaturen des Straußes unterliegen extremen Schwankungen. An die Kälte passt sich der Vogel durch seine an den distalen Zehenabschnitten befindlichen arterio-venösen Anastomosen an. Das Blut kann unter Umgehung der Kapillaren direkt von der Arterie in die Vene fließen und so eine Reduktion des Wärmeverlustes an die Umwelt herbeiführen. Bei sinkenden Temperaturen werden zunächst die Federn eng an den Körper herangebracht, um das Verwehen der vom Körper angewärmten Luft zu verhindern. Später werden zusätzlich die Flügel eng an den Körper angelegt. Bei noch größerer Kälte setzen sich die Tiere hin. Sie bringen dann ihre gut durchblutete Schenkelmuskulatur eng an den Körper und reduzieren so, auf den Läufen sitzend, ihren Wärmeverlust. Bei zu hohen Temperaturen verhalten sich die Vögel umgekehrt, indem sie Flügel und Federn abspreizen und somit für eine gute Konvektion sorgen. Der Strauß besitzt keine Bürzeldrüse. Dieser Mangel wird oft als man- Oktober - Dezember 2000 4/2000, Seite 7 gelnde Isolationsfähigkeit gegen Kälte und unzureichender Schutz gegen Nässe missverstanden. Der Strauß schützt sich jedoch durch eine subkutane Fettschicht, die, je nach Kältegraden, unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann. Diese Fettschicht wird auch unter afrikanischen Verhältnissen angelegt. Als nicht fliegender Vogel, der sich auf Grund seiner Flugunfähigkeit ein höheres Gewicht erlauben kann, leistet sich der Strauß, ähnlich wie die in der Magdeburger Börde lebende Großtrappe (Otis tarda), die ebenfalls über keine Bürzeldrüse verfügt, eine subkutane Fettschicht als Wärmeisolation. Das Fehlen der Bürzeldrüse liefert demnach keinen Hinweis auf eine gestörte Anpassungsfähigkeit an kühlere Regionen. Beobachtungen in deutschen Straußenfarmen zeigen, dass erwachsene Strauße und Jährlinge bei regennasser Witterung im Januar und März bei Außentemperaturen von +3 °C Badegelegenheiten im Freien aufsuchen. Das Verhalten des Straußes kann dem aufmerksamen Beobachter wertvolle Hinweise über das Wohlbefinden und die Gesundheit des Tieres geben. Der Halter und Züchter sollte sich daher Zeit nehmen, um seine Tiere - aus gebührender Entfernung, damit sich diese ungestört fühlen - zu beobachten. Er wird dann bald die spezifischen Eigenarten seiner Tiere kennen- und deuten lernen. Auf diese Weise können schon frühzeitig Veränderungen der Tiere auffallen, die auf reduziertes Wohlbefinden oder gar Krankheit hinweisen. 3 Der Strauß als landwirtschaftliches Nutztier Das Kernland der Straußenproduktion ist Südafrika, doch haben sich Farmen in den letzten 10 Jahren weltweit etabliert, von Kanada bis Brasilien, Skandinavien bis Südeuropa, Türkei, Israel, Russland bis Australien. Große Farmen mit Beständen von mehreren hundert Tieren befinden sich in China im Aufbau. Sie spekulieren hauptsächlich auf die große Nachfrage Japans nach Straußenleder. Auf die wichtigsten Zentren soll im Folgenden näher eingegangen werden. 3.1 Standort Südafrika Mit der Zucht von Straußen hat man in Südafrika, zwischen 1863 (Entstehung der 1. Straußenfarm) und 1870 begonnen. Das Zentrum bildet die „Kleine Karoo”, eine Halbwüste von der Größe des Bodensees, mit der Hauptstadt Oudtshoorn. Etwa 350 Farmer halten dort ca. 100.000 Strauße in Farmen. In ganz Südafrika werden zurzeit auf etwa 600 Farmen 350.000 Strauße gehalten. Etwa 300.000 Tiere werden jährlich in Südafrika im Alter von 14 Monaten geschlachtet. Jährlich werden 30 t Federn verkauft, das entspricht nur noch ca. 6 % der Rekordmenge von 1913. Obwohl die meisten südafrikanischen Straußenfarmen alle Produktionsbereiche in einer Hand haben, ist auch eine Spezialisierung festzustellen. Brütereien liefern die Küken zu speziellen Aufzuchtfarmen. Dort werden sie in klimatisierten Ställen einige Tage aufgezogen und später von Menschenhand oder von Ammen versorgt. Zukünftige Schlacht-Strauße werden in Mastfarmen aufgestallt. Die Mast erfolgt über einen Zeitraum von rund 12 Monaten. In sogenannten Feed Lots werden oft bis zu 50 Tiere pro ha Fläche gehalten. Die für die Zucht bestimmten Strauße werden in Camps aufgezogen und nach Erreichen der Zuchtreife zu Trios (1 Hahn, 2 Hennen) zusammengestellt. In südafrikanischen Farmen leben Zucht-Strauße je nach Region und Futtergrundlage in extensiver (im Durchschnitt 10 - 12 ha / Tier) und semi-extensiver Weidehaltung. Bei Zufütterung werden ca. 8 - 12 Tiere / ha gehalten. Die Strauße laufen in Gruppen von ca. 20 - 30 Tieren zusammen und werden nur während der Paarungszeit in Trios unterteilt. Die verschiedenen Zuchtgehege (mind. 1/2 ha groß) sind durch Korridore voneinander getrennt, um die Hähne vom Kämpfen abzuhalten und den Stress für die Tiere zu reduzieren. Auch in Südafrika müssen Bäume oder Schattendächer in den Gehegen zur Verfügung stehen, damit sich die Vögel vor der prallen Sonneneinstrahlung und vor Regen schützen können. Sandmulden oder Schutzhütten dienen der Eiablage. In Namibia wird versucht, durch Wechselgehege eine gezielte Kombination von Zuchttieren und damit die gezielte Anpaarung zu erreichen. Insgesamt basiert die südafrikanische Produktion mehr auf dem Einsatz großer Flächen und Tierzahlen, denn auf einer effizienten Produktion. Die Aufzuchtergebnisse liegen daher auch mit ca. 15 Küken und 6 Schlachttieren pro Henne und Jahr extrem niedrig. Die Vermarktung erfolgt weltweit. Ein Großteil des produzierten Fleisches wird nach Europa exportiert, die Häute gehen hauptsächlich nach Ostasien. Während die Zuchttiere meist extensiv gehalten werden, muss bei der Produktion von Schlachttieren die entsprechende Futtergrundlage für die Tiere bereitgestellt werden. 3.2 Standort USA In den Vereinigten Staaten wurde die erste Straußenfarm 1983 gegründet. Durch die in den 70er und 80er Jahren verhängten wirtschaftspolitischen Sanktionen gegen Südafrika waren Straußenprodukte in den USA knapp geworden. Es wurden Straußenfarmen gegründet, um auch in Zukunft nicht den Marktschwankungen ausgesetzt sein zu müssen. Heute befinden sich die Hauptzentren der Straußenhaltung der Vereinigten Staaten in Texas, Kalifornien, Oklahoma und New Mexiko. Die Nebenerwerbshaltung mit kleinen Tierzahlen war zu Beginn noch die vorherrschende Betriebsform, da zu diesem Zeitpunkt die Anschaffungskosten für ein Straußenpaar nicht selten bei US$ 50.000 lagen. Diese hohen Preise begründeten sich in einer erhöhten Nachfrage und dem am 15. August 1989 von Seiten der USA verhängten Importstopp (Grund war eine mit den Straußen importierte Zeckenart). 1991 besaßen 95 % aller amerikanischen Straußenfarmer im Durchschnitt weniger als drei Brutpaare. Inzwischen kam es zu einer Größenzunahme der Farmen. 2.3 Standort Israel In Israel begann die Straußenzucht schon in den frühen 80er Jahren. Als Standort wählte man die trockene, hügelige Landschaft der Negevwüste. Der hier verbreitete Salzstrauch bietet die Futtergrundlage für die Ernährung der Vögel. Das warme Klima der Wüste erlaubt es den Tieren das ganze Jahr über unter extensiven Weidebedingungen ohne Stall oder Unterstände zu leben. Erfolgreichen Farmern gelingen unter diesen Bedingungen 4 5 Legezyklen mit je 18 - 20 Eiern pro Jahr (SLUIS, 1994). Eine Ruhephase kann, bedingt durch steigende Futterknappheit, nötig werden. Da die Tiere während der Legeperiode mehr und hochwertigeres Futter benötigen und ein Zufüttern in dieser Haltung unrentabel wäre, stoppen die Farmer die Eiproduktion Ende August und räumen den Tieren eine 4-monatige Ruhepause ein. Die Tiere werden in großen Herden gehalten. Die Farmer sind davon überzeugt, dass die Hähne weniger aggressiv gegenüber Men- Oktober - Dezember 2000 4/2000, Seite 8 schen reagieren, wenn sie innerhalb der Herde ihr eigenes Territorium gegen andere Hähne verteidigen müssen. Israel ist ein reines Exportland für Straußenprodukte. Da der Strauß nach dem Talmud nicht koscher ist, wird kein Straußenfleisch in Israel angeboten. Abnehmer sind die Schweiz, Frankreich, Deutschland und die Niederlande. Die höchsten Preise für israelische Bruteier werden in den USA erzielt. Das Leder geht vorwiegend nach Frankreich, die Federn finden in Belgien, USA und den Philippinen ihren Markt. Die Produktionskosten pro Schlachtvogel lagen in Israel 1994 bei US$ 200, die Schlacht- und Verpackungskosten bei US$ 50. Der Verkaufserlös je Vogel belief sich auf US$ 450 - 500 (US$ 200 für Fleisch, US$ 250 für die Haut und US$ 15 - 20 für die Federn). Abzüglich der Kosten blieb für den Farmer ein Gewinn von US$ 200 - 250 (SLUIS, 1994). 3.4 Standort Europa Strauße werden derzeit in praktisch allen europäischen Ländern zu Produktionszwecken gehalten. In der Ukraine werden bereits seit fast 100 Jahren Strauße extensiv gehalten und gezüchtet. Man zählt dort ca. 1000 Alttiere und hofft mit Fleisch, Eiern und Häuten am europäischen Markt partizipieren zu können. Der Vorteil einer Straußenhaltung in Europa ist die Nähe zum größten Absatzmarkt für Straußenprodukte. Schlachthöfe mit nennenswertem Umsatz finden sich v. a. in Holland, Belgien und Frankreich. 3.5 Standort Deutschland Die Straußenhaltung in Deutschland entwickelte sich seit dem Ende der 80er Jahre. Sie begann kontrovers mit der Hoffnung, auf eine neue Marktnische, spekulative Gewinne und der Befürchtungen von Tierschutzgruppen, die die Haltung kompromisslos ablehnten. Nach zehnjähriger Erfahrung hat sich die Situation etwas beruhigt. Zahlreiche Pioniere mussten aufgeben und die spekulativen Preise der Anfänge haben einer vernünftigen Ökonomie Platz gemacht. Die Preisentwicklung ist in Tabelle 2 dargestellt: Tabelle 2: Entwicklung der Preissituation für Eier, Küken, Jung- und Zucht-Strauße von 1994 bis 2000 (alle Angaben in DM) Produkt 1994 1995 2000 Ei ohne Befruchtungsgarantie 300 100 35 Ei mit Befruchtungsgarantie 500 200 70 Tagesküken 1.500 300 120 Jungtier, 3 Monate 3.000 800 - 1.500 300 - - 500 - 600 12.000 7.000 - 9.000 3.000 - 10.000 Schlachttier Zuchttier (2-4 Jahre) Ein deutlicher Einbruch der Preise war bereits zwischen 1994 und 1995 zu beobachten. Bis heute gingen die utopischen Preise der Anfangszeit für Eier um 77 - 93 %, für Küken um 90 - 92 % und für Zuchttiere um 17 - 75 % zurück. Die extremen Schwankungen bei den Zuchttierpreisen lassen sich auf Alter und Qualität der Tiere zurückführen. Schlachttiere standen in der Anfangszeit noch nicht zur Verfügung. Die Preisentwicklung hatte unter anderem zur Folge, dass der Spekulation der Wind aus den Segeln genommen wurde und sich der Kreis der Straußen- halter auf Liebhaber und ernsthafte Produzenten gesund geschrumpft hat. An der Preisentwicklung ist auch die Gesetzgebung beteiligt, die mit der Verabschiedung der „Mindestanforderungen an die Haltung von Straußenvögeln” Bedingungen vorgab, die eben nicht nur nebenbei erfüllt werden können, sondern Anforderungen an die Expertise der Halter stellen. Auch der Bundesverband Deutscher Straußenzüchter e.V. hat durch sachliche Aufklärung und Ausbildung der Halter seinen Teil zur Dämpfung der Anfangseuphorie beigetragen. Das Interesse am Strauß in Deutschland hat aber vor allem agrarpolitische Hintergründe und bezeichnet die Suche nach neuen Wegen der landwirtschaftlichen Produktion. Durch die vermehrte Flächenstilllegung und den in der Tierproduktion zunehmenden flächenunabhängigen Intensivierungsgrad, bedingt durch ganzjährige Stallhaltung, stehen den Landwirten große ungenutzte Weideflächen zur Verfügung. Extensiv gehaltene Tiere zur Weidepflege, wie auch der Strauß, gewinnen daher immer mehr an Bedeutung. Durch die Öffnung des Weltmarktes, durch Abbau von Handelsschranken innerhalb der Europäischen Gemeinschaft und durch die zunehmend multikulturelle Gesellschaft kommt es auch auf dem Agrarsektor zu neuen innovativen Produktionsrichtungen. Durch die Öffnung der Grenzen im EG-Binnenmarkt müssen Alternativen gefunden werden, die Deutschland als Agrarstandort konkurrenzfähig erhalten. Die Straußenhaltung stellt einen Versuch dar, zu einer größeren Marktvielfalt beizutragen. Zur Zeit gibt es in Deutschland ca. 100 - 120 aktive Straußenhaltungen mit rund 1.000 Zuchttieren. Die Betriebe sind bis auf wenige Ausnahmen klein strukturiert, eine Arbeitsteilung ist in Ansätzen erkennbar. 4 Rechtliche Vorgaben zur Straußenhaltung in Deutschland Rechtliche Grundlagen für die Haltung von Straußenvögeln, deren Schlachtung und Vermarktung finden sich in folgenden Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. Tierschutzgesetz Gutachten „Mindestanforderungen an die Haltung von Straußenvögeln” Gehegegenehmigung Bestimmungen und Richtlinien für den Import lebender Vögel Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung Verordnung zum Schutz von Tieren beim Transport Geflügelfleischhygienegesetz und -verordnungen Verordnung zum Schutz von Tieren im Zusammenhang mit der Schlachtung oder Tötung. Zur Haltung von Straußen gibt es noch keine entsprechende Verordnung, jedoch ein Gutachten des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über die Mindestanforderungen an die Haltung von Straußenvögeln außer Kiwis vom 10.6.1996. In der Schlussbemerkung wird angesprochen, dass noch viele Fragen an eine tierschutzgerechte Haltung dieser Tiere in Mitteleuropa offen sind. Von den Straußenhaltern wird ein Nachweis der fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Haltung der betreffenden Arten gefordert. In einem anschließenden Differenzprotokoll werden von verschiedenen Organisationen und Tierschutzverbänden entweder eine Haltung von Straußenvögeln in Mitteleuropa außerhalb von Zoologischen Gärten ganz abgelehnt, in Teilen abgelehnt Oktober - Dezember 2000 4/2000, Seite 9 oder mit strengeren Anforderungen belegt. Da der Strauß in unserem Kulturkreis nicht herkömmlich im Rahmen der Landwirtschaft gehalten wird und zu den neuartigen Nutztieren, also auch nicht zum Geflügel gezählt wird, bedarf es zu seiner Haltung einer Erlaubnis nach § 11 Tierschutzgesetz. Hierin muss eine verantwortliche, sachkundige Person und die entsprechenden Räume und Einrichtungen benannt werden. Die Haltungen gehören damit zu „Nutztierhaltungen im weiten Sinne”. Weitere rechtliche Vorgaben Handels- und Importrichtlinien Strauße unterliegen strengen Importbestimmungen. Bei Einfuhr aus Drittländern werden z. B. Gesundheitsbescheinigungen für jedes Tier von den zuständigen Veterinären des Herkunftslandes gefordert. Hier muss bestätigt sein, dass die Tiere aus Ländern kommen, in denen die Klassische Geflügelpest und die Newcastle-Krankheit anzeigepflichtig sind. Dieses trifft zur Zeit innerhalb der afrikanischen Staaten nur für Kenia zu. Der Handel mit Tieren innerhalb der EU - Staaten ist weniger problematisch. Hier ist lediglich eine amtstierärztliche Bescheinigung erforderlich, die der Amtstierarzt des Absendeortes ausstellt und die Meldung beim zuständigen Amtstierarzt des erwerbenden Betriebes über den Ankunftstermin. Im innerdeutschen Handel gibt es keinerlei rechtliche Vorgaben beim Erwerb von Straußen. Allerdings sollte sich der Käufer die Herkunft der Tiere bestätigen lassen und der Verkäufer sollte die Haltungsbedingungen beim Käufer überprüfen. Gehegegenehmigung Nach dem Naturschutzgesetz ist für die Errichtung eines Wildgeheges außerhalb des Waldes eine Genehmigung der Unteren Naturschutzbehörde erforderlich (Kommune, Landkreis), innerhalb des Waldes ist die Untere Forstbehörde für eine Genehmigung nach dem jeweiligen Landeswaldgesetz zuständig. Bauliche Anlagen wie Zäune, Unterstellhütten u. a. bedürfen unabhängig davon einer baurechtlichen Genehmigung. 5 Der Bundesverband Deutscher Straußenzüchter e.V. Bereits im Jahre 1993 wurde der Bundesverband Deutscher Straußenzüchter (BDS) gegründet. Er zählt heute 65 Mitglieder. Bereits vor Verabschiedung der „Mindestanforderungen an die Haltung von Straußenvögeln, außer Kiwis” hat er die Haltungsbedingungen für seine Mitglieder in analoger Weise festgelegt. Die Chancen für die Straußenzucht wurden von Anfang an in einer extensiven, grünland-orientierten Qualitätsproduktion gesehen. Einer intensiven Haltungsform für Strauße wurde von Anfang an entgegen gewirkt. Zu den Hauptanliegen des Verbandes zählt die Beratung und Ausbildung der Mitglieder sowie die Erarbeitung von Kenntnissen im Zusammenhang mit allen Bereichen der Straußenzucht und -haltung und deren Umsetzung. Jede Innovation bringt Startprobleme mit sich, die nur durch Zusammenarbeit und Austausch minimiert werden können. Zu den besonderen Einrichtungen gehören: Ausschuss für Zucht- und Haltungsrichtlinien In diesem Ausschuss wurden die Grundlagen der Zuchtund Haltungsrichtlinien des BDS erarbeitet. Der Ausschuss war auch an Diskussionen zum Entwurf des Mindestanforderungsgutachtens in Bonn beteiligt. Die zweite große Aktivität war die Entwicklung eines Zuchtbuches. Dieses sieht die dauerhafte Kennzeichnung aller Zuchttiere und deren Nachkommen mit Mikrochip und die Aufnahme aller geeigneter Zuchttiere vor. Mit Hilfe des Zuchtbuches soll die Straußenzucht von Anfang an auf eine solide Grundlage gestellt werden. Sachkundearbeit Am 30. April 1994 fand das erste Sachkundeseminar des BDS statt. Inzwischen wurden in Zusammenarbeit mit dem Institut für Tierzucht und Haustiergenetik der Justus-Liebig-Universität in Giessen 11 Seminare abgehalten. Die Sachkundeseminare sollen angehenden Straußenhaltern Informationen für die Entscheidung pro oder Kontra Einstieg in die Straußenhaltung liefern und bereits aktive Halter in ihrem Wissen über die Ansprüche ihrer Tiere festigen und weiterbilden. Die Themen reichen von der Biologie, Genetik und Verhalten über Fütterung und Haltung, Gesetzgebung und Vermarktungsstrategien bis zu Fragen von Brut, Kükenaufzucht, Umgang mit den Tieren und Erkrankungen. Das Seminar lehnt sich an § 11 des Tierschutzgesetzes an, wonach, wer Tiere hält oder mit ihnen handelt, entsprechende Sachkunde nachweisen muss. Der BDS ist der erste Verband, der ein solches Seminar für seine Mitglieder verbindlich vorschreibt. Bisher haben bereits über 150 Interessenten den dreitägigen Kurs besucht und auch Vertreter von Landesbehörden, Veterinärämtern und Tierschutzverbänden zeigten reges Interesse. In der derzeitigen Fassung stellen die Seminare eine Voraussetzung zum Erhalt der Gehegegenehmigung durch die Behörden dar. 6 Praktische Straußenhaltung Unterbringung von Straußen In ihren Herkunftsländern werden Strauße ausschließlich im Freien gehalten und beheizbare Schutzräume nur für die Handaufzucht von Küken benutzt. Bei der Straußenhaltung im feuchtgemäßigten Klima Deutschlands müssen neben den Gehegen zum Schutz der Vögel jedoch immer Unterstände für nasskalte, aber auch für sehr heiße Tage vorhanden sein. Grundsätzlich ist aber jede Möglichkeit zu nutzen, den Straußen Auslauf zu gewähren. Eine ganztägige Winterstallhaltung ist demzufolge abzulehnen. Die Ställe müssen in einer Anzahl und Größe zur Verfügung stehen, dass alle Strauße gleichzeitig, ihrer Größe und ihrem Entwicklungsstadium entsprechend, untergebracht werden können. Die Einzeltierhaltung ist tierschutzwidrig (§ 2 Tierschutzgesetz). 6.1 Gehege Gehege sollten so beschaffen sein, dass sie dem hohen Bewegungsbedürfnis der Tiere mit einer ausreichenden Auslauffläche gerecht werden. Rechteckige Gehegeformen mit weiten Seitenverhältnissen (1:5 bis 1:10) bieten dem Tier, bei gleicher Fläche, längere Laufbahnen für die Möglichkeit eines schnellen Laufes. Die Fluchtdistanz des Straußes wird mit ca. 12 m, bei Hähnen untereinander mit ca. 40 m angenommen. An ihr muss sich die Gehegebreite orientieren. Gehegebeschaffenheit Gehege sind auf natürlichem Boden anzulegen. Die Auswahl der Gräser muss auf die Standortbedingungen abgestimmt sein. Geeignete Pflanzen für eine Straußenweide sind neben der Luzerne der Wiesenschwingel, der Oktober - Dezember 2000 4/2000, Seite 10 Glatthafer, das Deutsche Weidelgras, die Wiesenrispe und verschiedene Kleesorten. Die Gehege sollten bei starken Niederschlägen keine stauende Nässe bilden, da die Tiere sonst zu feucht stehen, und es zu Bein- und Fußproblemen kommen kann. Bei gefährdeten Flächen sollten Drainagen gelegt werden, damit die Feuchtigkeit abfließen kann. Auch eine Befestigung von Teilabschnitten in Stallnähe zur Nutzung bei nasser Witterung ist zu empfehlen. Ein hygienisch einwandfreies Sandbad für die Gefiederpflege und ebensolche Nistplätze sollten den Tieren zur Verfügung stehen. Beide sind gegebenenfalls zu überdachen. Futter- und Tränkeplätze müssen so beschaffen sein, dass alle Tiere gleichzeitig Wasser bzw. Nahrung aufnehmen können. Gehegegröße In den „Mindestanforderungen an die Haltung von Straußenvögeln” sind folgende Mindestgehegegrößen festgelegt (Tab. 3). Tabelle 3: Gehegegröße nach dem Gutachten „Mindestanforderungen an die Haltung von Straußenvögeln” des Bundeslandwirtschaftsministeriums (1996) Altersstufe Fläche pro Tier Mindestgrösse 1. - 3. Lebensmonat 1 - 10 m2 100 m2 4. - 6. Lebensmonat 10 - 40 m2 100 m2 7. - 12. Lebensmonat - je weiterer Strauß 100 m2 - Umtriebsgehege gleicher Größe 800 m2 für 3 Tiere m2 ab 13. Lebensmonat nur ein Hahn pro Gruppe - je weiterer Strauß 200 - Umtriebsgehege gleicher Größe ausgewachsene Strauße mit mehreren Hähnen pro Gruppe - je weitere Henne 200 m2 - je weiterer Hahn 800 m2 - 800 m2 Ausgleichsgehege zur Trennung der Hähne bei Unverträglichkeit 1000 m2 für ein Trio 1000 m2 für ein Trio Für Gehege mit entwässerbarem, festem Boden, z.B. drainiertem Boden, naturgewachsenem Sandboden ohne Staustellen bei Dauerregen oder aufgeschüttetem Sandkiesboden wird eine Mindestgehegegröße von 500 m2 je Trio ab dem 6. Lebensmonat und 100 m2 für jeden weiteren Strauß vorgesehen. Dabei dürfen pro Gruppe nicht mehr als 5 ausgewachsene Strauße und davon nur ein männliches Tier zusammen gehalten werden. Der Kot ist täglich zu entfernen. Auch die Beschaffenheit von Gehegen für Strauße in Gemeinschaftshaltung werden gesondert geregelt. Gehegeeinfriedung Die Gehegeeinzäunung muss bei Straußen ab 9 Monaten mindestens eine Höhe von 1,8 m aufweisen und stabil genug sein, den Tritten der Vögel standzuhalten und in Panik geratene Tiere zurückzuhalten. Sie muss für die Tiere aus- und einbruchsicher und bei Küken auch raubtiersicher sein. Der Zaun darf keine Verletzungsquelle für die Tiere darstellen. Stacheldraht und Elektrozäune sind absolut ungeeignet. Ein Zaun muss in jedem Fall auch eine optische Barriere darstellen. Aneinandergrenzende Zuchtgehege sollten mit einem Doppelzaun und einem dazwischen liegenden 1,8 m breiten Korridor getrennt sein, um Rangkämpfe der Hähne zu verhindern. Ein Sichtschutz ist ebenfalls zu empfehlen. Gehegeecken dürfen nicht spitzwinkelig sein. Auslauf- und Gehegemanagement Um den Straußen eine adäquate Bewegungsmöglichkeit zu bieten, sollten sie selbst im Winter bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt täglich für einige Stunden Auslauf im Gehege erhalten. Lediglich bei Glatteis, starkem Frost oder starkem Dauerregen sind sie im Stall zu halten. Allerdings sollten die Tiere nie länger als drei Tage hintereinander im Stall verbleiben. Für länger anhaltende Schlechtwetterperioden ist es deshalb von Vorteil ein “wetterfestes” Vorgehege oder Laufhof mit entwässerbarem, festen Untergrund einzurichten. Am besten hat sich bewährt, den Tieren einen Stall mit ständigem Zugang anzubieten. Sind sie erst daran gewöhnt, so suchen sie diesen je nach Belieben bei allzu schlechtem Wetter auf. Die Gewöhnung erfolgt am zweckmäßigsten dadurch, dass die Tiere im Stall gefüttert werden. So lernen die Tiere schon im Sommer die Verhaltensweise für den Winter. Werden Strauße in kleinen Gehegen gehalten, so ist oft nach kürzester Zeit die Vegetationsdecke völlig zerstört, bei Nässe wird der Boden schnell schlammig. Es empfiehlt sich deshalb für jede Tiergruppe zumindest ein Wechselgehege zur Verfügung zu stellen. Eine regelmäßige Weiderotation ist auch aus hygienischen Gründen vorteilhaft. So trägt der Wechsel von Gehegen und deren Leerstehen dazu bei, den Infektionskreislauf bestimmter Parasiten zu unterbrechen und ermöglicht eine Regeneration des Bewuchses. (Weide = billigste und artgerechteste Art der Futterbeschaffung). Lediglich Zuchtgruppen in der Legesaison sollten nach Möglichkeit nicht umgetrieben werden, da dies zu einer Störung ihrer Reproduktionsbereitschaft führen kann. Es empfiehlt sich die Gehege einmal jährlich (im Herbst) auszumähen. Zur Bekämpfung von Parasiten können die Weideflächen mit Branntkalk oder Kalkstickstoff abgedüngt werden. Nach einer solchen Behandlung dürfen die Tiere allerdings für mehrere Wochen nicht in diese Gehege gelassen werden. 6.2 Stallungen Im Gutachten des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten „Mindestanforderungen an die Haltung von Straußenvögeln” sind folgende Stallgrößen für Strauße als Minima gefordert: Tabelle 4: Mindeststallflächenanforderungen für Strauße Altersstufe Fläche pro Tier Mindestfläche 1. Lebenswoche 0,25 m2 1 m2 2. Lebenswoche - 3. Lebensmonat 1 - 3 m2 5 m2 4. - 6. Lebensmonat 3-4 m2 10 m2 7. - 12. Lebensmonat 4 - 6 m2 16 m2 ab 13. Lebensmonat 8 m2 16 m2 Oktober - Dezember 2000 4/2000, Seite 11 Die Kopffreiheit in den Ställen muss mindestens 30 cm betragen, bei einer Mindesthöhe von 1,8 m. Fress- und Tränkeeinrichtungen müssen ausreichend vorhanden sein, so dass alle Tiere gleichzeitig fressen können. Die Stalltemperatur sollte bei einer Luftfeuchtigkeit von 60 % nicht unter 5 °C absinken. Für ein schnelles Abtrocknen durchnässter Strauße sollte eine Heizvorrichtung vorhanden sein, die innerhalb einer Stunde die Raumtemperatur auf 15 °C aufheizen kann. Ausreichend Licht (täglich mind. 10 Stunden) und eine gute Belüftung sind wichtige Faktoren eines Straußenstalles. Eine trockene Einstreu gewährt Rutschfestigkeit und Trittsicherheit. Es ist darauf zu achten, dass keine Gegenstände, die vom Strauß aufgenommen werden können, im Stall oder Gehege verbleiben. Strauße nehmen alles auf, was sie schlucken können. Bedingt durch Fremdkörperaufnahme kann es dabei zu Verstopfungen und Todesfällen kommen. Besucher müssen auf diese Gefahr hingewiesen werden. Spitze Kanten, Nägel oder sonstige Verletzungsquellen für die Tiere sind zu entfernen. Maßnahmen bei Kälte und Nässe: Eine Stallhaltung ist nur für 10 Tage innerhalb eines Monats und für höchstens 3 Tage hintereinander zulässig. Können diese Bedingungen nicht eingehalten werden, wird ein Laufhof oder Vorgehege in dreifacher Stallgröße oder ein Trockengehege von mindestens 500 m2 vorgesehen. Die Fütterung muss bedarfsgerecht und ausgewogen, jedoch nicht zu energiereich erfolgen. Hier ist besonders auf die Versorgung mit den Mineralstoffen Ca, P sowie Vitamine und Spurenelemente zu achten. Rauhfutter muss ausgestreut sein, und Wasser darf nicht über Nippeltränken angeboten werden. Die Tiere müssen täglich kontrolliert werden. Für die künstliche Aufzucht muss die Stalltemperatur am 1. Lebenstag 28 °C in der Aufzuchtkiste und 23 °C in der Umgebung betragen. Vom 2. Tag bis zur 4. Woche sollen 28 °C unter der Wärmelampe und 16 °C in der Umgebung herrschen, vom 2. bis 3. Monat können diese Temperaturen auf 22 °C bzw. 12 °C abgesenkt werden. 7 Fütterung Um die Fütterungsansprüche für Strauße besser kennenzulernen, ist es von Vorteil zu beobachten, woraus sich ihre Futterration in freier Wildbahn zusammensetzt. ROBINSON et al. haben dieses 1975 am Mageninhalt zweier wilder Strauße aus Namibia untersucht. Dabei fällt der hohe Rohfasergehalt auf. Nur wenige Vögel fressen regelmäßig grüne Pflanzen, da sie schwer verdaulich sind und nur einen geringen Futterwert aufweisen. Die Zellulosereste werden schnellstmöglich wieder ausgeschieden, da sie für fliegende Vögel nur unnötigen Ballast darstellen. Deshalb haben die meisten Vögel verhältnismäßig geringe Darmlängen. Da der Strauß flugunfähig ist, können schwer verdauliche, rohfaserreiche Pflanzenteile bis zu 48 Stunden im Magen-Darm-Trakt verweilen, ohne dass sie für das Tier eine zu große Gewichtsbelastung darstellen. Die Darmlänge kann beim Strauß bis zu 23 m betragen. Die lange Einwirkzeit und die sehr geräumigen Blinddärme ermöglichen so der anaeroben Bakterienflora einen effizienten Abbau von Zellulose (bis zu 39 %) und Hemizellulose (bis zu 66 %). Die NDF-Verdaulichkeit (neutral detergent fiber) erreicht deshalb bei ausgewachsenen Straußen Werte von über 60 %. Nach SWART (1988) können bis zu 76 % des Energiebedarfs durch die Rohfaserverdauung gedeckt werden. Das erklärt die Anspruchslosigkeit dieses Savannenvogels. Die Verwertung von Rohstoffen wie Zellulose und Hemizellulose setzt jedoch einen intensiven Aufschluss der Nahrung mit Hilfe aufgenommener Steinchen im Muskelmagen voraus. Tabelle 5 zeigt das durchschnittliche Lebendgewicht sowie die durchschnittliche Futteraufnahme von Straußen in verschiedenen Entwicklungsstadien auf. Neuere Untersuchungen deuten darauf hin, dass Strauße verschiedener Herkunftsregionen bzw. Unterarten unterschiedliche Gewichtsentwicklungen aufweisen. Aus diesem Grund stellen die unten angegebenen Zahlen nur Anhaltswerte dar. Tabelle 5: Ausgewachsene Strauße sind grundsätzlich als gefährlich anzusehen und müssen im Gehege abgesperrt werden können. Das Herausziehen von Federn am lebenden Tier ist verboten. Strauße darf nur töten (nur nach vorheriger Betäubung), wer die erforderliche Sachkunde hat. Entwicklungsstadium 6.3 Gesundheitsfürsorge Jungtiere Eine hygienisch einwandfreie Haltung ist die beste Krankheitsprophylaxe. Dazu gehört: • Die regelmäßige Entfernung von Kot, Harn und Futterresten aus Stall und Laufhof. Bei Haltung ohne Einstreu (z.B. auf Gummimatten) muss dies täglich erfolgen. • Die Fernhaltung bzw. die Bekämpfung von möglichen Krankheitsüberträgern wie Ratten und Mäuse. Auch Farmbesucher sollten besonders aus dem Aufzuchtbereich ferngehalten werden. • Die Haltung von neu zugekauften Tieren in sechswöchiger Quarantäne. • Die Isolierung von kranken Tieren vom Restbestand, wobei eine Einzelhaltung jedoch vermieden werden sollte. Küken Zuchttiere: Erhaltung Legesaison Durchschnittlicher täglicher Futterverbrauch an Alleinfutter (Futterkonzentrat) in verschiedenen Entwicklungsstadien Alter in Monaten Durchschnittl. Lebendgewicht in kg Durchschnittl. tägl. Futteraufnahme in kg 0-1 0,75 - 3 3 - 15 0,12 2,5 - 6 6 - 11 11 - 14 15 - 59 59 - 80 80 - 100 1,5 2,5 2,2 > 14 > 30 100 - 120 110 - 120 2,3 2,5 Die tägliche Futteraufnahme bei Straußen hängt ab vom Lebendgewicht der Tiere sowie der Energiedichte im Futter. Erfahrungen bei der Aufzucht von Strauße mit hochkonzentrierten Futtermitteln haben gezeigt, dass ein zu schnelles Wachstum im Alter von ein bis vier Monaten vielfach zu einer Deformation der Beine, insbesondere der Gelenke, führt. Faustwerte für die tägliche Futteraufnahme bei ad libitum Verfütterung eines Alleinfutters sind: • 3 - 4 % des Lebendgewichtes bei wachsenden Straußen, Oktober - Dezember 2000 4/2000, Seite 12 • 2 - 2,5 % des Lebendgewichtes bei ausgewachsenen Straußen. Tabelle 7: Die Futterverwertung, d.h. das Verhältnis der Futteraufnahme zur Lebendmassezunahme, beträgt: Durchschnittliche Mineralstoff- und Vitamingehalte verschiedener Straußenfutterrationen Spurenelemente je kg Futter Vitamine je kg Futter Mangan 75 - 120 mg Vit A Vit. D3 10.000 - 22.000 IE 1.500 - 400 IE Zink 80 - 125 mg Vit. E Vit. K 43 - 45 mg 4 - 4 mg 7.1 Nährstoffbedarf Eisen 100 - 180 mg In Tabelle 6 sind Empfehlungen für den Nährstoffgehalt verschiedener Futterrationen für die Betriebspraxis zusammengestellt. Die Inhaltsstoffe der im südlichen Afrika im Handel erhältlichen, praxiserprobten Futtermischungen entsprechen weitgehend diesen Werten. Kupfer 8 - 18 mg Vit B1 (Thiamin) Vit. B2 (Riboflavin) Pantothensäure Cholin 4 - 6 mg 9,6 - 14,4 mg 19 - 27 mg 1.430 1.980 mg Jod 0,5 - 2 mg Vit. B6 (Pyridoxin) 5 - 9 mg 0,5 mg Nicotinsäure Biotin 57 - 86 mg 0,2 mg 0,2 - 0,4 mg Folsäure 1,5 - 2,0 mg • im Kükenstadium 1,4 : 1 bis 1,6 : 1 • im Jungtierstadium (4. - 6. Monat) 4 : 1 bis 6 : 1 • gegen Ende des Wachstums 10 : 1. Kobald Selen Tabelle 6: Futterration Richtwerte für den Nährstoffgehalt verschiedener Futterrationen für die Betriebspraxis Alter in ME in Rohprotein Lysingehalt Rohfaser Monaten MJ/kg Futter in % in % in % (max) Kükenstarter 0-3 11 - 12 20 - 22 1 - 1,2 10 Aufzuchtfutter 4 - 11 10 14 - 16 0,6 - 0,9 14 „Finisher” 11 - 14 8-9 10 - 12 0,6 16 7-8 10 0,5 bis 30 9 14 0,7 16 Erhaltungsfutter Zuchtfutter (Legesaison) 7.2 Mineralstoff- und Vitaminbedarf Die ausreichende Versorgung des Straußes mit Calcium (Ca) und Phosphor (P) ist vor allem für den Aufbau eines gut ausgebildeten kräftigen Skelettes sowie für weibliche Zuchttiere zur Bildung der Eischale wichtig. Eine Futterration für wachsende Strauße sollte ca. 1,4 - 2,5 % Ca und 0,7 - 1,5 % P enthalten, wobei die Einhaltung eines Ca : P Verhältnisses von 1 : 0,5 bis 1 : 0,6 wichtig ist. Zuchtrationen sollten einen Calciumgehalt von 3,5 % aufweisen. Exakte Bedarfsnormen für Spurenelemente und Vitamine sind für Strauße noch unbekannt. Die bisher mit der Aufzucht von Straußenküken gemachten Erfahrungen haben gezeigt, dass unter anderem eine gute Versorgung mit Mangan eine wichtige Rolle spielt. 7.3 Praktische Fütterung Allgemeine Bemerkungen zur Rationsgestaltung Der Strauß ist für seine Adaptationsfähigkeit an unterschiedliche Standorte und Futtergrundlagen bekannt. So ist es durchaus möglich, die Rationszusammensetzung den Gegebenheiten des Betriebes anzupassen. Bei der Zusammenstellung der Futterrationen müssen jedoch folgende Faktoren berücksichtigt werden: • Alle für die Tiere zur Erhaltung der Körperfunktionen sowie zur Produktion notwendigen Nährstoffe müssen in ausreichender Menge und in einem ausgewogenen Verhältnis in der Futterration vorhanden sein. • Küken und Jungtiere sind aufgrund ihres noch nicht voll entwickelten Verdauungssystems nicht in der La- Quellen: Hallam (1992), Foggin (1990) zitiert in Hallam (1992), Vohra (1992), Gandini et al. (1986) und Flieg (1973) zitiert in Hastings (1991) ge, alle Futterbestandteile optimal zu verwerten. Ihre Rationen müssen deshalb leichter verdaulich sein und höhere Energiekonzentrationen aufweisen als das Futter für ausgewachsene Tiere. Bedingt durch ihr Wachstum haben sie außerdem einen hohen Proteinbedarf. Fett darf nur in geringen Anteilen (ca. 4 %) in einer Kükenration enthalten sein. • Rohfaser muss immer in einem bestimmten Anteil in der Ration vorhanden sein, da die Tiere sonst dazu neigen, verstärkt Fremdkörper wie Steine, Zweige, Sand, etc. aufzunehmen (Verstopfungsgefahr). Bei ausgewachsenen Tieren sollte der Rohfaseranteil in der Ration mindestens 15 % betragen. • Das Futter sollte zur besseren Aufnahme und Verwertung grob gemahlen oder gehäckselt werden. Zu fein gemahlene, trockene Futtermittel führen zur Futterverschwendung. Handelsübliche Alleinfuttermittel werden meist in pelletierter Form angeboten. • Strauße mögen frisches, saftiges Futter vor allem von breitblättrigen Pflanzen wie z.B. Kreuzblütler (Rüben, Kohl, Raps etc.). Ein Grünfutteranteil in der Ration erhöht die Schmackhaftigkeit. • Das Futter sollte aus möglichst vielen Einzelkomponenten bestehen. Solche Mischungen sichern die ausgewogene Versorgung der Tiere mit Vitaminen und Spurenelementen besser ab, sind oftmals schmackhafter und erlauben ein einfacheres Variieren der Rationsanteile (z.B. bei Preisschwankungen einer Futterkomponente). • Abrupter Futterwechsel ist zu vermeiden und kann bei Zuchttieren zu schlechten Reproduktionsergebnissen führen. • Nur qualitativ einwandfreies Futter darf zur Verfütterung gelangen (z.B. Verdacht von Läsionen im Muskelmagen durch Verfütterung von nicht einwandfreiem Fischmehl an Küken). Einsatz handelsüblicher Fertigfuttermittel Eigenmischungen auf dem Betrieb sollten nur vorgenommen werden, sofern ausreichende Kenntnisse über die Futterberechnung mit Hilfe von Futterwerttabellen bzw. Futteranalysen sowie über Rationsgestaltung vorhanden sind. Oktober - Dezember 2000 4/2000, Seite 13 In einigen Regionen Deutschlands besteht bereits die Möglichkeit, Straußenfertigfutter bei spezialisierten Futtermühlen zu erwerben. Auch handelsübliche Fertigfuttermittel anderer Tierarten (z.B. Puten, Hühner, Pferde) können in der Straußenfütterung Verwendung finden. Um den Bedürfnissen von Straußen gerecht zu werden, müssen zu solchen Futtermischungen in der Regel: • Rohfaser in Form von Rauhfutter (Grünfutter oder Heu) • Mineralstoffe (besonders Calcium, Phosphor und Spurenelemente) • sowie Vitamine hinzugefügt werden. Bei Verwendung von Futtermitteln aus der Geflügelfütterung ist besonders darauf zu achten, dass keine Kokzidiosemittel aus der Gruppe der Ionophoren (z.B. Lasalocid-Na, Narasin) im Futter enthalten sind, da diese Futterzusatzstoffe für Strauße giftig sind. Trinkwasser Straußen sollte immer klares frisches Wasser zur freien Verfügung stehen. Besonders Küken dürfen nie abgestandenes, warmes Wasser trinken, da sie dann aus noch unbekannten Gründen erkranken und verenden können. Der Wasserverbrauch der Tiere hängt vor allem von der Witterung und der Art des verwandten Futters (Trockenfutter - Grünfutter) ab. Allerdings neigen besonders Küken dazu, bei Langeweile übermäßige Wassermengen aufzunehmen, was dann zu Durchfall führt. In diesem Fall empfiehlt es sich, das Wasser mehrmals pro Tag nur für eine begrenzte Zeit zur Verfügung zu stellen. Als Faustregel sollte die aufgenommene Wassermenge das ca. 2-fache der verabreichten Konzentratfuttermenge nicht überschreiten. Gritzufütterung Strauße brauchen kleine Steine, um die Mahltätigkeit des Muskelmagens zur Nahrungszerkleinerung zu unterstützen. Wird den Tieren der Zugang zu solchen Materialien verwehrt (z.B. Stallhaltung mit begrenztem Auslauf bei Küken), so müssen diese durch Gritgaben ersetzt werden. Kleine Kieselsteine (bei Küken etwa halb so groß wie die Kralle der Tiere) sind dazu sehr gut geeignet. Als gleichzeitige Calciumquelle kann daneben auch Kalksteinoder Muschelschalengrit verwendet werden. Dies ist besonders zur Deckung des hohen Calciumbedarfes auch bei Hennen in der Legephase zu empfehlen. Im Handel erhältlicher Taubenkies sollte nicht verwandt werden, da er bei Küken Hartleibigkeit verursachen kann. Weidegang oder Verfütterung von Rauhfutter Grün- und Weidefutter wird bereits von Straußenküken sehr gerne gefressen, regt den Appetit an und hilft den Rohfaser-, Protein- und Vitaminbedarf der Tiere zu decken. Wegen der Verstopfungsgefahr sind bei Küken allerdings einige Vorsichtsmassnahmen erforderlich: • Während des ersten Monats sollten bei Grünfuttervorlage nur die (ggf. gehackt) Blätter, nicht aber die Stängel der jeweiligen Pflanzen (z.B. Brennnessel, Klee, Luzerne, Kohl) gegeben werden. • Welkes Futter darf nicht verfüttert werden. • Bei Verfütterung von Heu sollte dieses grundsätzlich grob gemahlen oder fein gehäckselt sein. Die Futterpartikel sollten dabei kürzer sein als der kleine Zeh der Küken. • Bei Weidegang sollten die Tiere nicht heißhungrig auf die Weide kommen (Gefahr der Magenüberla- dung) und zu Beginn muss das Fressverhalten sorgfältig beobachtet werden. • An den ersten Tagen sollte die Weidezeit beschränkt werden (z.B. 2x täglich eine halbe Stunde) und der Pflanzenbestand sollte nicht höher sein als die Rückenhöhe der Tiere. • Der Weideaustrieb darf erst nach einem vollständigen Abtrocknen des Weidebestandes erfolgen. Regen- oder taunasser Futterbestand kann zu Kükenverlusten führen. Bei einem extensiven Weidegang aber auch bei einer Verfütterung größerer Mengen an Grünfutter muss die von den Straußen aufgenommene Nahrung vom Tierhalter in Menge und Nährstoffgehalt abgeschätzt und durch ein entsprechendes Zusatzfutter ergänzt werden. 7.4 Kükenfütterung Die ersten zwei Tage nach dem Schlupf ernährt sich das Küken ausschließlich aus dem eingezogenen Dottersack. Ab dem 3. Tag sollten zunächst geringe Mengen an Futter und Wasser zur Verfügung gestellt werden, da die Tiere das Fressen erst erlernen müssen. Dabei schauen sich die Küken von Artgenossen ab, was als genießbar aufgenommen werden kann und was nicht. Die Küken lernen am besten, wenn sie von einer Amme geführt werden, lernen aber auch durch Nachahmung von ihresgleichen. Wenn ein Küken erst einmal begonnen hat eine bestimmte Substanz aufzunehmen, stürzen sich sofort die restlichen Herdenmitglieder hinzu, um es ihm gleichzutun. Auf diese Weise verbreitet sich auch die gefährliche Neigung zur Aufnahme von Kükenkot. Als Vorbild zum Erlernen der Nahrungsaufnahme kann auch ein beigesetztes Huhn dienen. Kleine Steinchen müssen schon in den ersten Lebenstagen angeboten werden, da es sonst mit der ersten Aufnahme von Futter unweigerlich zu Verstopfungen kommt. Die Gabe von Futter zur Versorgung der Küken ist erst ab Tag 6 notwendig und vorteilhaft. Eine zu frühe Versorgung reduziert den Verbrauch von Dottersubstanz und erhöht die Gefahr von Dottersackentzündungen. Nach OBAN (1990) sollte die tägliche Futteraufnahme bei 2,5 - 2,7 % der Körpermasse liegen. Eine hohe Energiedichte im Futter in den ersten vier Lebensmonaten führt zu einem zu raschen Wachstum. Bein- und Gelenkdeformationen, bedingt durch zu hohe Körpergewichte für das noch unausgereifte Skelett-System sind die Folge. Die Nutriv-Ratio sollte bei 1:4 liegen, d.h. auf einen Teil verdauliches Eiweiß kommen 4 Teile verdauliche Kohlenhydrate. Die Futterverwertung liegt etwa bei 1:4 bis 1:6. Die tägliche Wassermenge hängt ab von der Farbe des Harns (sie sollte weiß sein). Grundsätzlich gilt ein Wasser - Futterverhältnis von 1,8:1. Die Verdauung der Küken muss täglich kontrolliert werden. Stellt man Unregelmäßigkeiten fest, so lässt sich noch regulierend eingreifen, während es am nächsten Tag bereits zu spät sein kann. Diese Beobachtungen müssen in engem Zusammenhang mit der Entfernung des Kükenkots stehen, dessen Farbe und Konsistenz man dabei beurteilt. Bei vermindertem Kotanfall und stark angeschwollenen Bäuchen, in denen man feste Kotansammlungen ertasten kann, ist die Verabreichung eines milden Abführmittels durch den Tierarzt angezeigt (Paraffinöl). Auch eine zu geringe Wasseraufnahme durch die Küken kann Ursache für eine Verstopfung sein. Hier kann durch Eingabe geringer Wassermengen in den Schlund abgeholfen werden. Eine Spritze mit aufgesetztem, etwa 20 cm langem Gummischlauch tut hierfür gute Dienste. Selbstverständlich darf der Schlauch dabei nicht in die Luftröhre geraten. Die Zumischung von Vitamin-Präparaten (v.a. Vitamine der B-Rei- Oktober - Dezember 2000 4/2000, Seite 14 he) hat sich sehr bewährt. Für die Eingabe geringer Mengen direkt über eine Spritze in den Schnabel muss der Konus immer seitlich, senkrecht zum Schnabel angesetzt werden. Man lässt dann die Flüssigkeit tröpfchenweise in den Schnabel rinnen. Bei Eingabe in Richtung Schlund und Luftröhre besteht die Gefahr, dass Flüssigkeit in die Öffnung der Luftröhre gelangt. Das zweite Fütterungsproblem bei der Kükenaufzucht ist das Auftreten von Durchfall. Dieser stellt sich durch bakterielle Imbalanzen im Darmtrakt der Küken ein, die entweder von der Aufnahme verunreinigten Futters, oder von Kükenkot herrühren. Futter muss immer frisch (täglich, zu Anfang mehrmals täglich) angeboten werden. Feuchtes Futter bei relativ hoher Stalltemperatur ist ein gefundenes Fressen für Bakterien, die sich explosionsartig vermehren können. Sie schädigen die Küken nicht nur direkt, sondern auch über ausgeschiedene Giftstoffe, die sich im Futter anreichern. Je trockener die Umgebung, desto geringer die Gefahr von verdorbenem Futter. Auch beim Auftreten von Durchfall muss rasch gehandelt werden. Sehr bewährt hat sich medizinische Kohle, die, in wenig Flüssigkeit aufgelöst, den Tieren oral verabreicht wird. Durch ihre große Oberfläche bindet die Kohle Keime und Giftstoffe, so dass sich der Darmtrakt des Kükens wieder beruhigen kann. Der Ersatz von Wasser durch Kamillentee ist ebenfalls hilfreich. 7.5 Jungtierfütterung Die Aufzucht - oder Jungtierphase erstreckt sich vom 4. Lebensmonat bis zum Erreichen des Schlachttieralters mit ca. 9 - 14 Monaten (je nach Rasse). Ab einem Körpergewicht von ca. 23 kg (3. Monat) nimmt die Wachstumsrate und die Futterverwertung langsam ab (SWART, 1988). Swart führt dies größtenteils auf Veränderungen in der Physiologie des Tieres zurück, da das Jungtier bei einem Körpergewicht von 23 kg beginnt Fettreserven anzulegen. Auch die Empfindlichkeit z.B. gegenüber Erkrankungen lässt in diesem Alter langsam nach. Die Jungtiere können jetzt permanent im Freien gehalten werden. Durch die fortschreitende Entwicklung des Verdauungssystems sind die Tiere nun in der Lage, rohfaserreiches Rauhfutter von der Weide zu verwerten. Die Ration kann sich größtenteils aus kostengünstigem Rauhfutter zusammensetzen. Der extensive Weidegang ist als ideal anzusehen, da er die Futterkosten reduziert, dem natürlichen Bewegungsdrang der Tiere nachkommt und der Gesundheit förderlich ist. Hauptziel der Jungtierfütterung ist, das Wachstumspotential der Tiere optimal zu nutzen. Auch Strauße verfügen über ein kompensatorisches Wachstum; d.h. dass geringere Wachstumsraten im Kükenalter, im Jungtierstadium ausgeglichen werden können. Skelett und Bänder haben dann an Stabilität gewonnen, Probleme mit Beinverdrehungen gehen zurück. Eine zu rohfaserarme Ration bedingt eine übermäßige Aufnahme von Fremdkörpern. Dies führt leicht zu Verstopfungen. Die tägliche Futteraufnahme sollte auch bei Jungtieren 3 - 4 % des Lebendgewichtes nicht überschreiten. Die Futterverwertung ist in der Literatur (ROBINSON et al., 1975) mit 1:4 im Alter von 4 - 6 Monaten und mit 1:10 gegen Ende der Wachstumsphase angegeben. 7.6 Zuchttierfütterung Verfettung und Unterernährung wirken sich nachteilig auf die Reproduktionsleistung aus. Unterernährte Tiere weisen nur eine unbefriedigende Legeleistung auf oder kommen erst gar nicht in Balzstimmung. Schlecht für die Po- tenz der Tiere und die Befruchtungsrate der Eier sind stark fetthaltige, kohlenhydratreiche Futterstoffe wie Mais oder Melasse. Gut hingegen sind alle rohfaserreichen Futtermittel wie Luzerne und andere Leguminosen. In der Praxis heißt das, bei Brutvögeln den Maisanteil der Ration zu vermindern und den der Luzerne zu erhöhen. Die Balz der Tiere kann durch proteinreiche Nahrung stimuliert werden. Während der Legephase ist Kontinuität bei der Rationszusammensetzung wichtig. Futtermittel sollten während dieser Zeit nicht gewechselt werden. Eine ausreichende Calciumversorgung der Henne für die Eiproduktion ist zu gewährleisten. Da sich eine Verfettung der Tiere nachteilig auf die kommende Legeperiode auswirkt, sollte während der Zwischenlegezeit die Ernährung dem Erhaltungsbedarf angepasst werden. Hier können Jungtier-Finisher gefüttert werden. Auch die Kalziumversorgung muss außerhalb der Legesaison reduziert werden, damit das für die Kalziumresorption verantwortliche hormonelle System zu Beginn der neuen Legesaison wieder bestens funktionieren kann. Brutsaison Die Balz der Tiere kann durch einen höheren Proteingehalt im Futter eingeleitet werden (z.B. frische Kleeweide). Auch eine Naturweide mit möglichst vielen Pflanzenspezies scheint einen positiven Einfluss auf die Reproduktion der Strauße zu haben. In der Legephase benötigen die Hennen zur Eiproduktion hohe Anteile an Energie und Protein sowie eine ausreichende und ausgewogene Versorgung mit Vitaminen („Fruchtbarkeitsvitamine” A, D, E) und Mineralstoffen (besonders Calcium, Mangan und Zink). Zwischenbrutzeit Während dieser Periode sollte die Ernährung etwa dem Erhaltungsbedarf der Tiere entsprechen. Das Futter sollte deshalb einen hohen Rohfaseranteil, aber niedrige Energie- und Proteingehalte aufweisen. 7.7 Fütterungsfehler Eine zu rohfaserarme Ration führt oft zu übermäßiger Aufnahme von Fremdkörpern, wie Sand, Kies oder Einstreu mit der Folge von Verstopfungen. Auch eine nicht ausreichende Mineralstoffversorgung kann zu einer übermäßigen Aufnahme von Sand und Steinen mit dem selben Resultat führen. Unausgewogene oder zu geringe Mineralstoffgehalte im Küken- oder Aufzuchtfutter sind als besonders kritisch anzusehen, da sie zu Beindeformationen führen können. Zu hoch konzentriertes Küken- oder Aufzuchtfutter mündet ebenfalls in Beindeformationen bei den betroffenen Küken. Zu hoch konzentriertes Futter für Zuchttiere außerhalb der Brutsaison führt zur Verfettung und reduziert die Fruchtbarkeit in beiden Geschlechtern. Eine verminderte Befruchtungsrate der Eier ist die Folge. Ein abrupter Futterwechsel bei Zuchttieren kann ebenfalls zu unbefruchteten Eiern und einer geringen Reproduktionsleistung führen. Im Extremfall kommt es zum Abbruch der Legeperiode. Beim Einsatz zu protein-, mineralstoffoder vitaminarmen Zuchttierfutters bleibt oft die Balz aus, oder es stellen sich geringe Reproduktionsraten und lebensschwache Küken ein. Zu große Futterpartikel führen bei Küken zu Verstopfung. Hierbei ist vor allem auch an die Länge des zur Weide angebotenen Grases zu denken. Zu fein vermahlenes Futter führt häufig zur Futtervergeudung und kann durch Probleme bei der Futteraufnahme eine verstärkte Aufnahme von Fremdkörpern mit sich bringen. Zu große Mengen Grünfutter an hungrige Küken und Jungtiere zieht oft eine Magenüberladung und Oktober - Dezember 2000 4/2000, Seite 15 Verstopfung nach sich. Auch welkes Futter führt bei Küken zu Verstopfung. Bei zu hoher Wasseraufnahme bei Küken wird hingegen häufig Durchfall beobachtet. Abbildung 1: Straußenhahn auf einer bayrischen Farm (Photo: Reiner) Abbildung 3: Jungtiere beim Baden - trotz einer Frühlingstemperatur von 5°C geben sich die Jung-Strauße einer deutschen Straußenfarm ihrer ausgiebigen Badelaune hin (Photo: Reiner) Abbildung 4: Straußenpaar auf einer deutschen Farm beim Suhlen (Photo: Braun) Abbildung 2: Straußenhenne im Schnee - trotz der niedrigen Umgebungstemperatur zeigt diese Henne durch Tanzen im Schnee ihr Wohlbefinden an (Photo: Braun) Abbildung 5: Balzendes Straußenpaar auf einer deutschen Straußenfarm - auch unter unseren klimatischen Bedingungen erfolgt regelmäßig Naturbrut und natürliche Aufzucht der Küken (Photo: Braun)