Zur Theorie des Foucaultschen Pendels

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Zur Theorie des Foucaultschen Pendels
1.
Entscheidend für das Gelingen des Versuchs ist die Aufhängung des Pendels mittels einer praktisch reibungslosen Halterung, die kein Drehmoment hinsichtlich irgendeiner Achse
ausüben kann. Foucault erreichte dies dadurch, daß der Pendeldraht aus einem Block gezogen
wurde, der gleichzeitig als Aufhängung diente (s. Anhang 1). Relativ zur Erde ist dieser Aufhängepunkt in Ruhe.Während die Erde um ihre Achse rotiert, schwingt das Pendel in einer Ebene, die
ihre Lage relativ zum Fixsternhimmel nicht verändert. Diesen können wir mit guter Näherung als
ruhend ansehen (Inertialsystem). Die Pendelebene rotiert jedoch relativ zum Gebäude, in dem das
Pendel aufgehängt ist.
Um für eine ausreichende Beobachtung hinlänglich lange Schwingungszeiten zu erreichen, verwendete Foucault ein langes Pendel und einen Pendelkörper mit großer Masse. Bei
kleiner Pendellänge und für kontinuierlichen Betrieb muß die grundsätzlich nicht vermeidbare
Reibungsdämpfung ausgeglichen werden. Die zum Ausgleich erforderliche Energiezufuhr erfolgt
beim Pendel im Abendgymnasium des Kreises Viersen mit Hilfe eines Elektromagneten, der
durch eine elektronische Schaltung gesteuert wird (vgl. Schaltskizze). Hierbei ist darauf zu achten,
daß keinerlei Drehmoment bezüglich der senkrechten Achse durch den Aufhängepunkt ausgeübt
wird.
In seinem Vortrag1 (s. Anhang 1) vor der Akademie der Wissenschaften in Paris am
3.2.1851 hat sich Foucault darauf beschränkt anzugeben, daß die Schwingungsebene sich um einen Winkel dreht, der gleich dem Winkel ist, um den sich die Erde in dieser Zeit gedreht hat, multipliziert mit dem Sinus der geographischen Breite (je dois donc me borner ... á montrer le
déplacement angulaire du plan d'oscillation ... être égal au mouvement angulaire de la terre dans le
même temps multiplié par le sinus de la latitude). Am Ende seines Berichts vor der Akademie
verweist er auf ein Mémoire tres-remarquable2 des Physikers und Mathematikers Siméon Denis
Poissson (1781 - 1840), aber auch dort findet sich keine theoretische Herleitung. In seinen Erläuterungen zum Pendelversuch im Panthéon (s. Anhang 2) findet sich ebenfalls für diese Formel
keine Begründung mit Hilfe der Gesetze der Mechanik. In der Sammlung seiner Arbeiten3 jedoch,
die seine Mutter herausgebracht hat - Foucault starb mit 49 Jahren - und von C.- M. Gariel bearbeitet wurde, findet sich der Entwurf eines Briefes, der Aufschluß über die Überlegungen gibt, die
L. Foucault angestellt hat (Anhang 3).
Der niederländische Nobelpreisträger Heike Kammerlingh Onnes (1853 - 1926), berühmt durch seine Untersuchungen zur Supraleitung bei niedrigen Temperaturen, befaßte sich
1879 in seiner Doktorarbeit u.a. eingehend mit Foucaults Pendelversuch ( Nieuwe bewijzen voor
de aswenteling der aarde. Neue Beweise für die Erdrotation ).
Eine vollständige theoretische Herleitung der Formel für die Beschreibung des
Foucault-Effektes findet sich auf den Webseiten des Kirchhoff-Instituts für Physik der RuprechtKarls-Universität Heidelberg. Die folgende Herleitung der Formel ϕ = 360 °⋅sin λ für den Abweichungswinkel ϕ oder P = 24h für die Dauer P eines vollständigen Umlaufs an einem beliebigen
sin λ
Punkt mit der geographischen Breite λ macht von einigen vereinfachenden Annahmen Gebrauch,
die aber als durchaus gerechtfertigt erscheinen (vgl. J.W. Broxon, Mechanics, Nerw York 1956).
1
Comptes rendus des Seances de l'Académie des Sciences, Paris 1851, T. XXXII, p.135-138
Comptes rendus des Seances de l'Académie des Sciences, Paris 1837, T. V, p. 660-667
3
Recueil des travaux scientifiques de Léon Foucault publié par Madame Veuve Foucault sa Mère
mis en ordre par C.- M. Gariel, Paris 1878.
1
2
2.
Da das Pendel so aufgehängt wurde, daß Drehmomente, die eine Abweichung hervorrufen könnten, nicht auftreten, beruht die Drehung der Pendelebene im Uhrzeigersinn, die man nach
einiger Zeit beobachten kann, auf der täglichen Umdrehung der Erde um ihre Achse. Daß diese
Behauptung stimmt, wollen wir durch Aufstellung der Bewegungsgleichung für das schwingende
Pendel zeigen. Hierzu führen wir zunächst ein Koordinatensystem K ein, dessen Ursprung im
Erdmittelpunkt M liegt. Die z-Achse weise von M zum Aufhängepunkt, die x - Achse nach
Osten und die y - Achse nach Norden.
Betrachten wir zunächst die Erde als ruhend, so lautet die Bewegungsgleichung
→
→
→
ma =Z +m g
(1)
→
→
Hier ist m die Masse des Pendelkörpers, Z die Fadenspannung und m g das Gewicht,
wobei die unvermeidbare Dämpfung unberücksichtigt bleiben soll.
Unter der Annahme, daß sich die Erde dreht, mithin auch das System K, stellt der
mitrotierende Beobachter wegen der auftretenden Corioliskraft eine Rechtsabweichung des Pendels fest, d. h. für ihn geht die Gleichung (1) über in
→
→
→
→
→
m⋅ a = Z + m⋅ g + 2m v × ω ,
(1a)
→
→
→
→
→
m⋅ a = Z + m⋅ g − 2m ω × v
(1b)
→
wobei v der Geschwindigkeitsvektor des Pendelkörpers P im Koordinatensystem K ist. Hierbei
haben wir unberücksichtigt gelassen , daß das System K, das ja mit der rotierenden Erde fest verbunden ist, kein Inertialsystem ist. In Abschnitt 4 werden wir zeigen, daß es trotzdem berechtigt
ist, von der Gleichung (1b) auszugehen.
Die Frage ist nun, ob die so beschriebene Bewegung mit der beobachteten übereinstimmt. Zur Beantwortung ist zu beachten, daß wegen des kleinen Ausschlagswinkels des Pen→
→
→
dels v als Vektor in der x-y-Ebene aufgefaßt werden kann. Somit trägt zum Vektor ω × v nur
→
die vertikale Komponente ω ver von
→
ω bei, so daß gilt
→
→
→
→
ω × v = ωver × v . An einem
Ort mit der geographischen Breite ϕ
hat diese Komponente den Betrag
→
ω ⋅sin ϕ .
Lassen wir jetzt das oben
beschriebene Koordinatensystem K
um die z-Achse mit der Winkelge→
schwindigkeit −ωver rotieren, so erfährt der Pendelkörper eine Corioliskraft , d. h.in diesem rotierenden System K* geht die Gleichung (1a)
geht über in die Bewegungsgleichung (1), also in die Gleichung eines Pendels mit geringem Ausschlag
unter Einfluß der Erdbeschleunigung
→
und der Zugkraft Z bei ruhender
Erde.
Dieser Sachverhalt läßt sich auch so beschreiben, daß sich im System K, also für den
mit der Erde mitrotierenden Beobachter auf der Nordhalbkugel die Schwingungsebene von oben
gesehen im Uhrzeigersinn um die z-Achse dreht, und zwar an einem Ort mit der geographischen
Breite ϕ mit der Winkelgeschwindigkeit ω ⋅ sin ϕ .
In Viersen ( ϕ = 51, 25 °) müßte diese Drehung dann 11,7° je Stunde betragen. Dieser
Wert ist mit hinlänglicher Genauigkeit gemessen worden., was wir als Bestätigung der Erdrotation
auffassen dürfen.
2
3.
Im Folgenden werden wir eine Begründung für das Auftreten der Corioliskraft
→
→
2m ω × v rel geben. Dazu stellen wir die Bewegungsgleichung für einen Körper P in einem Koordinatensystem K auf, das sich bezüglich eines Inertialsystems K i bewegt. Da K i ein Inertialsystem
→
→
ist, gilt in ihm die Gleichung F = m⋅ a . Wir wollen nun zunächst die Beziehungen herleiten, die
→
→
zwischen der Geschwindigkeit v rel und der Beschleunigung a rel von P im System K und den ent→
→
sprechenden Größen v i und a i im System K i bestehen.
3.1
Bewegt sich ein Koordinatensystem K geradlinig beschleunigt in einem Inertialsystem
→
→
K i mit der Geschwindigkeit v und der Beschleunigung a , so ergibt sich für die Geschwindigkeit
→
→
v i und die Beschleunigung a i eines Körpers P im Systerm K i
→
→
→
v i = v + v rel ,
→
→ →
a i = a + a rel ,
(2a)
(2b)
→
→
wenn P im System K die Geschwindigkeit v rel und dieBeschleunigung a rel besitzt.
3.2
Wenn aber das System K bezüglich des Systems K i keine geradlinige Bewegung ausführt, dann müssen wir für diesen Fall der Bewegung neue Gleichungen aufstellen.
→
Weil der Ortsvektor r des sich bewegenden Pendelkörpers P Richtung und Größe verändern kann, muß dies bei der Differentiation nach der Zeit berücksichtigt werden. Zu diesem
→
→
→
Zweck schreiben wir den Ortsvektor r in der• Form r⋅r 0 , wobei
r 0 ein Einheitsvektor in der Rich•
→
→
• →
→
tung von r ist und r sein Betrag, so daß gilt r = r ⋅ r 0 + r⋅ r 0 .Von dieser Darstellung werden
wir im folgenden öfter Gebrauch machen..
→
3.3
Zunächst leiten wir die Gleichung für die Ableitung eines Einheitsvektors u 0 nach der
Zeit her, der um eine feste Achse rotiert. Die Abhängigkeit des überstrichenen Winkels ϕ von der
•
Zeit sei duch die Funktion ϕ(t) gegeben. Die Ableitung von ϕ(t) nach der Zeit, also ϕ (t), bezeich→
nen wir als Winkelgeschwindigkeit ω ..4
→
→
Der Vektor u 0 gehe in der Zeit ∆t in den Vektor u 0 über. Diese beiden Vektoren bestimmen eine Ebene. Gibt man der Normalen bezüglich dieser Ebene die Länge ω, so kann man
→
die Winkelgeschwindigkeit als Vektor ω in Richtung der Normalen auffassen, wobei die
→
→
→
Vektoren u 0 , u 0 , ω in dieser Reihenfolge ein Rechtssystem bilden sollen. Zwischen der Ableitung
•
→
→
→
des Vektors u 0 , also u 0 , und der •Winkelgeschwindigkeit ω besteht folgende Beziehung
→
→
→
u0 = ω × u0
(3)
→
Rotiert ein Einheitsvektor u 0 um einen festen Punkt mit der
→
→
Winkelgeschwindigkeit
ω
,
so
gilt
für
die
Ableitung
von
u 0 nach der Zeit ,
•
→
also u 0 , die folgende Gleichung
•
→
→
→
u0 = ω × u0 .
Diese Beziehung läßt sich wie folgt herleiten. Es gilt
•
→
u0
→
→
u −u 0
= lim 0
.
∆t
∆t→0
→
Ist ∆ϕ der in der Zeit ∆t überstrichene Winkel, so gilt wegen der Gleichschenkligkeit des von u 0
→
und u 0 aufgespannten Dreiecks
4
Die Differentiation nach der Zeit t wird durch einen darübergesetzten Punkt gekennzeichnet.
3
→
→
→
u 0 − u 0 = 2 u 0 sin
•
→
Für den Betrag von u 0 gilt dann:
∆ϕ
.
2
→
•
→
u0
∆ϕ
→
sin 2
u 0 −u 0
→
= lim
= 2 u 0 lim
∆t
∆t
∆t→0
∆t→0
.
Für ∆t → 0 strebt ∆ϕ gegen 0. Für sehr
kleine Winkel gilt aber sin ϕ = ϕ,, so daß wegen
→

→
u0 − u0
→
u 0 = 1 folgt :
lim
∆t→0
∆t
= lim
∆t→0
∆ϕ
∆t
•
=ϕ = ω .
•
→
Legt man die Richtung des Vektors u 0 so fest, daß sie identisch ist mit der Richtung, die der Vek•
→
→
→ →
→
tor u 0 −u 0 für ∆t → 0 annimmt, so heißt dies, daß die Vektoren ω , u 0 und u 0 in dieser Reihenfolge ein Rechtssystem bilden.
•
→ → →
Es gilt also wie behauptet: u 0 = ω × u 0 .
3.4
Wir wollen nun den Fall untersuchen, in dem das System K bezüglich des Inertialsystems Ki eine rotierende Bewegung ausführt. Hierbei gehen wir zunächst von der Annahme aus,
daß der Ursprung von K mit dem von Ki zusammenfällt. Den allgemeinen Fall erhalten wir dann
dadurch, daß wir die Terme für die reine Translationsbewegung und die für die reine Rotationsbewegung vektoriell addieren.
Die Lage des Pendelkörpers P im rotierenden System sei gegeben durch seinen Ortsvek→
→
→
→
tor r = r⋅ r 0 , ω sei die Winkelgeschwindigkeit des rotierenden Systems K bezüglich Ki und ω
→
die Winkelgeschwindigkeit von r bezüglich des rotierenden Systems K. Die Winkelgeschwin→
→ →
digkeit von r bezüglich Ki ist dann ω +ω . Dieser Unterschied ist bei der Differentiation, also
bei der Anwendung von Gleichung (3) zu beachten.
→
Für die Ableitung des Einheitsvektors r 0 nach der Zeit bezüglich des rotierenden Systems K gilt dann gemäß (3):
•
→
→
→
r 0 (rot. Sys.) = ω × r 0
(4)
und hinsichtlich des Inertialsytems• Ki:
→ → →
r 0 (iner. Sys.) = ( ω +ω )× r 0 .
→
(5)
→
Für den Geschwindigkeitsvektor v rel bezüglich des rotierenden Systems K gilt unter Beachtung
→
→
von r = r⋅ r 0
•
•
→
→
→ • →
v rel = r = r ⋅ r 0 + r⋅ r 0 (rot. Sys.) .
→
→
→
• →
v rel = r ⋅ (ω × r 0 ) + r ⋅ r 0 ,
Gemäß (4) folgt
→ → • →
v rel = ω × r + r ⋅ r 0 .
→
→
Für die Geschwindigkeit v i bezüglich des Inertialsystems K i gilt dann entsprechend:
•
•
→
→
→ • →
v i = r = r ⋅ r 0 + r⋅ r 0 (iner.Sys.) ,
→
• →
→ → →
v i = r ⋅ r 0 + r( ω + ω )× r 0 ,
4
(6)
→
• →
→ → →
v i = r ⋅ r 0 + ( ω +ω ) × r ,
(7)
→
• →
→ → → →
v i = r ⋅ r 0 + ω × r +ω × r .
Unter Beachtung von (6) folgt
→
→ →
v i = v rel + ω × r .
→
(8)
→
Für die Beschleunigung a i von P relativ zu Ki gilt dann
→
ai
•
→
•
•
•
→
= v i = v rel
→ → → →
+ω × r + ω× r .
(9)
→
Der Vektor ω ist hier die Winkelbeschleunigung α des Systems K bezüglich K i und
•
→
→
der Vektor r gleich dem Vektor v i in Gleichung (8).
Im rotierenden System K gilt
•
•
•
→
→
→
→
→
•
a rel = v rel (rot. Sys.) = v 0 (rot. Sys.) ⋅ v rel + v 0 ⋅v rel
→
→
→
•
= (ω × v o ) ⋅ v rel + v 0 ⋅v rel
→
→
→
•
= (ω × v rel ) + v 0 ⋅v rel .
(10)
→
Für die Ableitung von v rel in Gleichung
(8) im Inertialsystem
K i gilt entsprechend
•
•
→
→
→
•
v rel (iner. Sys.) = v 0 (iner. Sys.) ⋅ v rel + v 0 ⋅v rel
→
→
→
→
→
→
→
→
→
→
•
= (ω + ω ) × v 0 v rel + v 0 ⋅v rel
→
→
•
= ω × v rel + ω × v rel + v 0 ⋅v rel
= ω × v rel + a rel
gemäß (10).
Gleichung (9) läßt sich jetzt wie folgt schreiben:
→
→
→
→
→
→
→
→ →
a i = ( a rel + ω × v rel ) + α × r + ω × ( v rel + ω × r ) .
→
(11)
→
Mit dieser Gleichung wird a i , die Beschleunigung von P relativ zum System K i , aus→
→
gedrückt mit Hilfe der Größen v rel und a rel , der Geschwindigkeit und Beschleunigung bezüglich
→
→
des rotierenden Systems K, sowie den Größen ω und α , der Winkelgeschwindigkeit und Winkelbeschleunigung des rotierenden Systems.
3.5
Bisher sind wir davon ausgegangen, daß die Ursprünge der beiden Koordinatensysteme
zusammenfallen. Führt das System K jedoch relativ zum System K i zusätzlich eine reine Translationsbewegung aus, so gilt für die Geschwindigkeit von P relativ zum System K i
→
→
→ →
v = v 0 + v rel + ω × r
→
→
(12)
gemäß Gleichung (8), wobei v 0 die Translationsgeschwindigkeit von K im System K i ist. Be→
zeichnen wir die Beschleunigung dieser Bewegung mit a 0 ,so ergibt sich für die Beschleunigung
→
a von P bezüglich K i :
5
→
→
→
→
→
→
→
→
→
→
a = a 0 + α × r + ω × (ω × r ) + 2 ω × v rel + a rel
(13)
4.
Wir sind jetzt in der Lage die Bewegunggleichung für das Pendel aufzustellen. Da K i
→
→
ein Inertialsystem ist, gilt in ihm F = m a , d. h.
→
→
→
→
→
→
→
→
→
F = m⋅a 0 + m⋅α × r + m⋅ω × (ω × r ) + 2 ⋅ m⋅ω × ⋅v rel + m⋅ a rel
(14)
Gleichung (14) läßt sich in der Form
→
→
→
→
→
→
→
→
→
m⋅a rel = F − m⋅a 0 − m ⋅ α × r − m ⋅ω × (ω × r ) − 2 ⋅ m⋅ω × v rel (15)
→
schreiben. Diese Kraft m⋅a rel ist die Kraft, die ein mitbewegter Beoachter in System K mißt und
→
von der er annimmt, daß sie die Resultierende der Kräfte ist, die auf P einwirken. F ist die Summe
→
der von außen auf P einwirkenden Kräfte, in unserem Falle die Zugkraft Z des Pendeldrahtes und
→
das Gewicht m⋅ g .
→
→
→
→
→
→
→
→
→
→
m⋅a rel = Z + m⋅ g − m⋅a 0 − m ⋅ α × r − m ⋅ω × (ω × r ) − 2 ⋅ m⋅ω 0 × v rel
(16)
Da die aufgestellte allgemeine Bewegungsgleichung (16) als Differentialgleichung mit unseren
Hilfsmitteln nicht lösbar ist, machen wir einige zulässige Vereinfachungen.
Als Inertialsystem K i wählen wir ein fest mit dem Fixsternhimmel verbundenes Koordinatensystem, dessen z-Achse durch den Erdmittelpunkt M und durch den Himmelspol verläuf.,
somit auf der Ebene des Himmelsäquators senkrecht steht. In diesem System sind nun die Größen
→
→
→
a 0 , α und ω zu berechnen.
→
4,1
a 0 ist die Beschleunigung der Erde im Gravitationsfeld der Sonne. Ihr Betrag ist etwa
sechs hundertstel Prozent der Erdbeschleunigung g. Dies läßt sich mit Hilfe des Gravitationsgesetzes berechnen.
m ⋅m
F=γ⋅ E 2 S.
r
γ ⋅ mS
a 0 = mF = 2 .
E
r
Es gilt: γ = 6, 67⋅10 −11 m 3 kg −1 s −2 , m S = 1, 99 ⋅ 10 30 kg, r = 1, 5 ⋅ 10 11 m.
Daraus ergibt sich:
a 0 = 0, 0059 ms −2
Der Term ist also vernachlässigbar klein.
→
→
4.2
Gleiches gilt für den Term m⋅α × r . Da die Erdachse eine Präzessionbewegung um
→
den Pol der Ekliptik beschreibt, α also nicht Null ist, beläuft sich das Maximum des Betrages von
→
→
α × r für einen beliebigen Punkt der Erdoberfläche auf deutlich weniger als ein millionstel Prozent der Erdbeschleunigung.
Dies ergibt sich wie folgt. Die Winkelgeschwindigkeit ω der rotierenden Erde beträgt
→
2π
7, 3 ⋅ 10 −5 s −1 (ω =
) . Der Vektor ω verläuft in Richtung der Erdachse. Denkt man sich
24 ⋅ 3600 s
das Ende des Vektors im Erdmittelpunkt, so beschreibt seine Spitze im Laufe von 25850 Jahren
(Platonisches Jahr) einen vollen Umlauf um den Nordpol der Ekliptik. Der hierbei entstehende
Kegel hat einen Öffnungswinkel von 2ε, wobei ε die Neigung der Äquatorebene zur Ebene der
6
Ekliptik ist (ε = 23 0 27 ) . Die x-Achse des kartesischen Koordinatensystems K i verläuft durch
den Erdmittelpunkt und den Pol der Ekliptik .Die x-Achse und die y-Achse liegen dann in der
→
Ebene der Ekliptik. Da die Winkelgeschwindigkeit ω auf der Äquatorebene senkrcht steht. bildet
→
ω mit der z-Achse von Ki ebenfalls den Winkel ε .
→
ω hat dann in Ki folgende Darstellung
ωx = ω ⋅ sin ε ⋅ cos ϕ
ωy = ω ⋅ sin ε ⋅ sin ϕ
ωz = ω ⋅ cos ε
Hierin ist ϕ (t) der Winkel, um den sich die x-z-Ebene des Koordinatensystems Ki in der Zeit t
→
•
→
→
gedreht hat. Für die Winkelbeschleunigung α der Erdachse gil: α = ω , so daß diese folgende
Komponeneten besitzt:
•
•
ωx = ω⋅ϕ ⋅sin ε ⋅ (−sin ϕ)
•
•
ωy = ω⋅ϕ ⋅sin ε ⋅ cos ϕ
•
ωz = 0
Gemäß der oben angegebenen Länge des Platonischen Jahres gilt:
•
2π
ϕ =
= 7, 7 ⋅ 10 −12 s −1 .
25.850
a
→
→
→
Da die Richtung von r für jeden Punkt der Erdoberfläche eine andere ist, nimmt auch α × r
→
→
→
→
→
→ →
→
unterschiedliche Werte an. Wegen α × r = α ⋅ r ⋅ sin ∠(α, r ) ist α × r das Maxi→
→
mum des Betrage von α × r .
→
→
→
→
•
1
α =  (ωx ) 2 + (ωy ) 2 + (ωz ) 2  2 = ω⋅ϕ ⋅sin ε
→
r = 6, 38 ⋅ 10 6 m
Also:
→
→
= 7, 3 ⋅ 10 −5 s −1 ⋅ 7, 7 ⋅ 10 −12 s −1 ⋅ sin 23, 45 ° ⋅6, 38 ⋅ 10 6 m
= 1, 43 ⋅ 10 −9 ms −2 .
α ⋅ r
→
→
→
4.3
Der Term m ⋅ω × (ω × r ) ist die Zentrifugfalkraft, die ein Körper an der Erdoberfläche
erfährt. Ermittelt man experimentell die Erdbeschleunigung , so schließt das Ergebnis stets den
→
Einfluß der Zentrifugalkraft mit ein. Verstehen wir unter also unter m⋅ g diese beobachtete Erdbeschleunigung, so gilt:
→
→
→
→
→
→
→
→
m⋅a rel = Z + m⋅ g − m⋅a 0 − α × r − 2 ⋅ m⋅ω0 × v rel
4.4
Die Bewegungsgleichung (16) für das Foucaultsche Pendel nimmt dann unter Berücksichtigung dieser vertretbaren Vereinfachungen die folgende Form an:
→
→
→
→
→
m a rel = Z + m g − 2m ω × v rel
→
(17)
→
Der Term 2m ω × v rel ist die bereits erwähnte Coriolis-Kraft (G.G. Coriolis 1792-1843,
französischer Physiker). Der Vergleich der Gleichung (17) mit der Gleichung (1b) zeigt , daß wir
trotz der Bewegung der Erde berechtigt sind, anzunehmen, daß die beobachtete Drehung der Pendelebene im wesentlichen auf diese Corioliskraft zurückzuführen ist.
Die Bewegung der Erde um die Sonne haben wir jedoch unberücksichtigt gelassen .
5.
Fassen wir unser Vorgehen noch einmal zusammen. Da wir unsere Beobachtungen auf der
bewegten Erde machen, ist ein mit der Erde fest verbundenes Koordinatensystem kein Inertialsystem. Um die Bewegungsgleichung aufzustellen, müssen wir aber die Bewegung in einem
7
Inertialsystem beschreiben. Als solches haben wir ein mit dem Fixstenhimmel fest verbundenes
Koordinatensystem gewählt.
Die Bewegung der Erde, also auch unseres Beobachtungssystems, läßt sich in diesem
Inertialsystem als Zusammensetzung aus eine Tranlations- und einer Rotationsbewegung beschreiben. Betrachtungen über die Größenordnung der auftretenden Terme führten dazu, daß letztlich
nur die Erdumdrehung meßbaren Einfluß auf die Pendelbewegung hat. Es zeigte sich , daß die unter der Annahme einer vollen Umdrehung der Erde um die Achse durch Nord- und Südpol innerhalb eines Tages aufgestellte Gleichung die gemachten Beobachtungen richtig beschreibt.
Daraus schließen wir, daß die gemachten Annahmen über die Erdumdrehung zutreffen.
8
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