Orthopädie 2005 "177", 27.1.05/dk köthen GmbH K. Huch B. Cakir B. Ulmar R. Schmidt W. Puhl M. Richter Prognose, operative Therapie und Verlauf bei zervikalen und hochthorakalen Tumorosteolysen Zusammenfassung Abstract Einleitung: Die Studie zeigt die kurz- und mittelfristigen Ergebnisse der dorsalen Stabilisierung mit einem winkelstabilen Schrauben-Stab-System (neon okkipito-zervikal System, Ulrich, Deutschland) bei Tumorosteolysen. Die Prognose der betroffenen Patienten wurde mit dem Tokuhashi-Score [1990] evaluiert. Material und Methodik: Bei 14 Patienten (7 Männer, 7 Frauen, Durchschnittsalter 61 Jahre, Altersspanne 40–77 Jahre) mit Osteolysen durch ein Plasmozytom (n = 2), ein Bronchial- (n = 3), ein Mamma- (n = 4), ein Schilddrüsen- (n = 2), ein Ösophagus- (n = 1) und ein Pankreaskarzinom (n = 1) sowie ein Melanom erfolgte zwischen Juni 2001 und April 2004 eine dorsale Instrumentierung der Hals- oder oberen Brustwirbelsäule. Ergebnisse: In allen Fällen konnte eine stabile Fixierung erreicht werden, Hinweise auf eine Implantatlockerung oder ein Versagen der Montage zeigten sich nicht. Es wurde keine neurologische Verschlechterung beobachtet. Anhand verschiedener Scores konnte das Überleben in unserer Patientengruppe nicht zuverlässig vorhergesagt werden. Schlussfolgerung: Die dorsale Instrumentierung mit dem neon-System erlaubt nicht nur eine winkelstabile Montage im Bereich der Halswirbelsäule und des okkipito-zervikalen bzw. zervikothorakalen Überganges, sondern auch eine Dekompression des Spinalkanales. Da die Tumormassen in der Regel im ventralen Wirbelanteil lokalisiert sind, kann der Blutverlust gut kontrolliert werden. Es erscheint schwierig, die Lebenserwartung mittels objektivierbarer Parameter vorherzusagen. Introduction: This study analyzes the early and mid-term results of our modular rod-screw implant system for the posterior instrumentation of the occipito-cervical, cervical and cervicothoracic spine (neon occipito-cervical system, Ulrich, Germany) in patients with tumor osteolysis. The prognosis of the patients was evaluated using the Tokuhashi score [1990]. Methods: The cervical and upper thoracic spines of 14 patients (7 males, 7 females, mean age 61 years, range 40–77 years) with osteolysis due to plasmocytoma (n = 2), bronchial (n = 3), mamma (n = 4), thyroid (n = 2), esophageal (n = 1) and pancreatic (n = 1) carcinomas as well as melanoma (n = 1) were instrumentated between June 2001 and April 2004. Results: A stable fixation without loosening or failure of the fixator system was achieved in all cases. No impairment of the neurological status was observed. In our cohort different prognosis scores failed to make a reliable estimate of the expected survival at the time of surgery. Conclusion: Posterior instrumentation of the cervical spine including the occipito-cervical and the cervico-thoracic regions with a modular angle-stable rod-screw implant system (neon) offers good stabilization and allows simultaneous decompression. Since tumor masses are predominantly located in the anterior portion of the spine, blood loss can be controlled well. It appears difficult to estimate the time of survival by a scoring system. Schlüsselwörter Osteolyse · Halswirbelsäule · Tumor · Fixateur interne · Prognose-Score Key words Dorsal instrumentation · cervical spine · osteolysis · tumor · prognosis score Institutsangaben Orthopädische Klinik mit Querschnittgelähmtenzentrum der Universität Ulm/RKU, Ulm Korrespondenzadresse PD Dr. med. Klaus Huch · Orthopädische Klinik mit Querschnittgelähmtenzentrum der Universität Ulm/RKU · Oberer Eselsberg 45 · 89081 Ulm · Tel.: 0731/177 5107 · Fax: 0731/1771103 · E-mail: [email protected] Bibliografie Z Orthop 2005; 143: 1–6 · © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York DOI 10.1055/s-2005-836358 ISSN 0044-3220 nnn Prognosis, Surgical Therapy and Follow-up in Cervical and Upper-Thoracic Tumor Osteolysis 1 Orthopädie 2005 "177", 27.1.05/dk köthen GmbH Einleitung Bei etwa 5 % aller Tumorpatienten entwickeln sich Wirbelsäulenmetastasen. Während die Brustwirbelsäule (12 von 24 Wirbelkörpern) in etwa der Hälfte der Fälle betroffen ist, ist die Halswirbelsäule (7 von 24 Wirbelkörpern) nur in etwa 15 % der Fälle, d. h. unterproportional zu ihrer Wirbelzahl, beteiligt [1, 2]. Die gefürchtetste Komplikation spinaler Metastasen besteht in der Entwicklung einer Querschnittlähmung. Je kranialer das Myelon komprimiert wird, umso größer ist das resultierende funktionelle Defizit. nnn Daraus ergibt sich eine hohe Verantwortung des Wirbelsäulenoperateurs, der entscheiden muss, welchen Patienten er einer operativen Intervention zuführt. Dabei gilt es abzuschätzen, ob das Operationsrisiko im Vergleich zu der Lebenserwartung und unter Berücksichtigung von Behandlungsalternativen (insbesondere Radiatio) vertretbar ist [3 – 6]. Während in der Vergangenheit ein ventrales Vorgehen im Bereich der mittleren und unteren Halswirbelsäule favorisiert wurde [7 – 10], kommen zunehmend auch dorsale Zugänge unter Verwendung eines winkelstabilen Fixateur interne zur Anwendung [11 – 14]. Da die Metastasen in der Regel ventral des Myelon liegen, kann durch ein dorsales Vorgehen mit Dekompression häufig ein mit deutlichem Blutverlust verbundener Tumorkontakt vermieden werden. Außerdem ist bei Fortschreiten des Metastasenwachstums bei überraschend langer Überlebenszeit eine vereinfachte Verlängerung der Instrumentierung nach kranial (bis zum Okkiput) oder kaudal möglich [13]. Nachteilig ist das erhöhte Risiko der Verletzung der Vertebralarterie zu sehen. In dieser Arbeit stellen wir unsere kurz- und mittelfristigen Ergebnisse der dorsalen Instrumentierung bei Osteolysen der Halsund oberen Brustwirbelsäule vor. Wir analysieren außerdem die Bedeutung verschiedener Prognose-Scores für die Einschätzung der individuellen Lebenserwartung der Patienten. Material und Methode Patientenkollektiv Zwischen Juni 2001 und Februar 2004 wurden in unserer Klinik 14 Patienten (7 Männer, 7 Frauen; Durchschnittsalter 61,1 ± 11,2 Jahre; 40–77 Jahre) mit Tumorosteolyse im Bereich der Halswirbelsäule oder der kranialen Brustwirbelsäule durch dorsale Instrumentierung mit dem Neon-System behandelt. Details zu den Patienten und den Operationen finden sich in Tab. 1. Bildgebung Es wurden Röntgennativaufnahmen, Computer- und Kernspintomographien der betroffenen zervikalen oder hochthorakalen Region durchgeführt (Abb. 1 a u. b). Fixateur-interne-System Das modulare Wirbelsäulensystem „neon“ (Fa. Ulrich, Ulm) ist seit 2000 verfügbar und kann für die dorsale Instrumentierung der Hals-, der oberen Brust- und der gesamten kindlichen Wirbelsäule verwendet werden [15 – 17]. Für die Verwendung bei Tumorosteolysen im Bereich der kranialen Wirbelsäule ist es vor allem aufgrund der hohen Winkelstabilität seiner Stab-Schrauben-Verbindung geeignet, die biomechanisch getestet worden ist [13, 15, 17]. Das System beinhaltet selbstbohrende Schrauben für die transartikuläre C1/2-Fusion, selbstschneidende Schrau- 2 Tab. 1 Patienten-Charakteristika und Therapie Initialen Alter (Jahre) Geschlecht HistologieErgebnis T-Score AG1 JS Überleben (Mon.) 65 m Bronchial-Ca 10 3+ 58 m Bronchial-Ca 10 27 + SG 45 m Bronchial-Ca 5 RH 70 w Mamma-Ca 7 MK 63 w Mamma-Ca 7 DR 70 w Mamma-Ca 9 JS 48 w Mamma-Ca 8 VB 40 w Melanom MJ 59 m JH 53 m HK 77 m Plasmozytom I 8 GM 66 m Plasmozytom III a 8 EK 75 w Schilddrüsen-Ca 8 HR 66 w Schilddrüsen-Ca 7 Lokalisation Fusionsstrecke C7 C6-D1 C4/5 C2/3-C6/7 5 D1 17 C7 9+ Blutverlust (ml) (intraop.) OP-Zeit (Minuten) 450 204 1 800 300 C7-D2 600 160 C6-D1 300 180 D5/6 D4–7 400 90 pathol. Densfraktur C1/2 250 80 4+ diffus C2-7 1 200 160 5 2 C7 C6-D1 Ösophagus-Ca 9 4+ D1/2 C7-D4/5 1 200 260 Pancreas-Ca 8 8+ C6/7 C5-D1 150 130 18 D1 C7-D2 1 200 140 32 + C2 C1-3 800 300 5+ D2 D1-3 600 100 4 C0 + C1 C0-2 400 100 13 800 dorsal 120 (ventral 100) MW 61,1 7,8 10,8 725 154 SA 11,2 1,5 9,5 472 64 Ca: Karzinom; T-Score: Tokuhashi-Score; m: männlich, w: weiblich; +: gestorben; Mon.: Monate; 1 siehe Abb. 1 a – c) Huch K et al. Prognose, operative Therapie … Z Orthop 2005; 143: 1 – 6 Orthopädie 2005 "177", 27.1.05/dk köthen GmbH Tab. 2 Tokuhashi-Score [5] mit den Resultaten für unser Patientenkollektiv Abb. 1 b Postoperative Röntgenansichten nach Fusion von C6-Th1 und Laminektomie C7 (Durchmesser 4 mm in C6, 5 mm in Th1). ben für die transpedikuläre und die Massa-lateralis-Verankerung, sowie Längsträger, Atlasbogenklammern und Okkiputverankerungsplatten bzw. -stäbe. Sämtliche Eingriffe wurden von einem Operateur durchgeführt (MR). Der Kopf wurde mittels Mayfield Extension fixiert, falls erforderlich erfolgte eine Kaudalisierung der Schultern durch eine kaudale Pflasterzügelextension beider Arme. Der operative Zugang erfolgte durch eine mittige Hautinzision, die Exposition der dorsalen knöchernen Strukturen erfolgte mittels Ultraschallmesser (Ultracision, Ethicon GmbH, Deutschland) durch Spaltung des Ligamentum nuchae und subperiostale Ablösung der Muskeln. Nach Entnahme einer Biopsie aus sichtbaren Tumoranteilen oder durch transpedikuläres Vorgehen erfolgte die Instrumentierung, abschließend die dorsale Dekompression des Spinalkanals [13, 18]. Postoperative Betreuung Während der zweiwöchigen Periode der Wundheilung erhielten die Patienten einen Philadelphia-Kragen, anschließend für 2–4 Wochen einen Schanz-Kragen. In Abhängigkeit des Primärtumors und der Gesamtmetastasierung erhielten die Patienten eine Chemo- oder Radiotherapie. Es erfolgten regelmäßige Verlaufskontrollen. Schmerzevaluation Prä- und postoperativ wurde die Schmerzsymptomatik mittels verbaler Bewertungsskala („verbal rating scale“ – VRS) erhoben [19]. Punkte Patienten [n] Allgemeinzustand („Performance Status“ – PS) schlecht (PS 10–40 %) mittel (PS 50–70 %) gut (PS 80–100 %) 0 1 2 0 10 4 Zahl der extraspinalen Knochenfiliae >3 1–2 0 0 1 2 2 3 9 Zahl der Wirbelkörpermetastasen >3 2 1 0 1 2 8 2 4 Metastasen in innere Organe nicht resezierbar resezierbar keine Metastasen 0 1 2 5 0 9 primäre Lokalisation des Tumors Lunge, Magen Niere, Leber, Uterus, unbekannt, andere Schilddrüse, Prostata, Brust, Rektum 0 1 2 3 5 6 Querschnittlähmung komplett inkomplett keine 0 1 2 0 3 11 nnn Abb. 1 a Osteolytische Metastase des 7. Halswirbelkörpers mit Spinalkanaleinengung bei einem 65-jährigen Patienten (AG) mit Bronchial-Karzinom (sagittales Magnetresonanztomographie-Bild (links) und axiales computertomographisches Bild (rechts)). Parameter Tab. 3 Tomita-Score [23] Parameter 0 Primärtumor viszerale Metastasen Knochenmetastasen 1 2 4 Punkte langsam wachsend moderat wachsend rasch wachsend therapierbar nicht therapierbar keine solitär oder isoliert multiple Scores Der Tokuhashi-Score dient der Einschätzung der Lebenserwartung von Patienten mit Wirbelsäulenmetastasen [5, 6]. Dieser berücksichtigt den Karnofsky-Index (Allgemeinzustand), die Zahl der spinalen und extraspinalen Knochenmetastasen, Metastasen in inneren Organen, den Primärtumor und die neurologische Situation (Tab. 2). Zum Vergleich wurden der Tomita-Score [23] (Tab. 3) und der Karnofsky-Index (siehe erster Parameter des Tokuhashi-Scores) herangezogen. Statistik Als statistische Lagemaße wurden Mittelwerte und Standardabweichungen bestimmt. Für das Überleben und den TokuhashiScore wurden Konfidenzintervalle mit 95 %iger Wahrscheinlichkeit (a = 0,05) gebildet und der Korrelationskoeffizient bestimmt (Microsoft Excel, Microsoft Corporation). Huch K et al. Prognose, operative Therapie … Z Orthop 2005; 143: 1 – 6 3 Orthopädie 2005 "177", 27.1.05/dk köthen GmbH Ergebnisse Weder intra- noch postoperativ kam es zu einer Verletzung der Arteria vertebralis oder einer neurologische Befundverschlechterung. Die Hospitalisierung im Rahmen der dorsalen Eingriffe dauerte 13,4 ± 6,1 Tage (7–27 Tage). Ein Implantatversagen konnte bei keinem der Patienten beobachtet werden. Dies schließt 5 Patienten mit einem Überleben von über 12 Monaten mit ein. nnn Zum Zeitpunkt des letzten Follow-up im Juni 2004 lebten noch 6 der 14 Patienten. Das durchschnittliche Überleben dieser 6 Patienten bis zu diesem Zeitpunkt betrug im Schnitt 9,8 ± 7,0 Monate (95 %-Konfidenzintervall (KI) 6,2–13,5) postoperativ. Der präoperative Tokuhashi-Score betrug 6,8 ± 1,6 (KI 6,0–7,7). Abb. 2 a Überlebenszeit in Abhängigkeit des Tokuhashi-Scores [5]. Abb. 2 b Überlebenszeit in Abhängigkeit des Tomita-Scores [23]. Abb. 2 c Überlebenszeit in Abhängigkeit des Karnofsky-Index [5]. 8 der 14 Patienten waren an ihrem Grundleiden verstorben. Diese zeigten ein mittleres Überleben von 11,5 ± 11,4 Monaten (KI 5,5–17,5) und einen präoperativen Tokuhashi-Score von 8,5 ± 1,1 (KI 7,9–9,1). Trotz eines Tokuhashi-Scores zwischen 8 und 10 verstarben vier Patienten (50 % der verstorbenen Patienten) bereits nach 3–5 Monaten postoperativ. (Abb. 2 a – c, Tab. 1, 2) Dementsprechend betrug der Korrelationskoeffizient (TokuhashiScore versus Überlebensdauer postoperativ) für die Gruppe der Verstorbenen (n = 8) nur 0,11. Auch ein sehr guter Tomita-Score von unter 4 war nicht gleichbedeutend mit einem langen Überleben. Von 5 Patienten lebten zum Zeitpunkt des Follow-up zwei über ein Jahr, allerdings sind zwei bereits nach 4 und ein Patient nach 9 Monaten verstorben (Abb. 2 b). 4 Von den 4 Patienten mit einem sehr guten Karnofsky-Index ist einer bereits nach drei Monaten verstorben, während ein Patient mit mittlerem Karnofsky-Index 32 Monate überlebt hat (Abb. 2 c). Entsprechend der verbalen Rating-Skala [19] kam es bei 10 der 14 Patienten zu einer postoperativen Schmerzverbesserung, während 4 Patienten bei präoperativ noch niedrigem oder insgesamt sehr hohem Schmerzniveau keine Besserung zeigten. Diskussion Diese Studie zeigt, dass das dorsale Vorgehen bei zervikalen und hochthorakalen Tumorwirbelsäulen einerseits mit einer geringen Komplikationsrate, andererseits mit einer überschaubaren Morbidität einhergeht. Ein durchschnittlicher Blutverlust von etwa 700 ml, eine OP-Zeit von 2,5 h und eine Hospitalisierung von knapp 2 Wochen erscheinen bei einer deutlichen Beschwerdebesserung auch bei durchschnittlich auf knapp ein Jahr reduzierter Lebenserwartung vertretbar. Leider finden sich in der Literatur kaum Angaben über o. g. Parameter, so dass der direkte Vergleich zu anderen Vorgehensweisen nicht möglich ist. Schwierigkeiten ergeben sich bei der individuellen Prognose der Lebenserwartung bei Tumorpatienten. Hier spielt zwar bei vielen Autoren der subjektive Eindruck unter Berücksichtigung der Huch K et al. Prognose, operative Therapie … Z Orthop 2005; 143: 1 – 6 Tumorentität und -lokalisation eine große Rolle [20], doch wäre ein objektiver Algorithmus sehr hilfreich. Zahlreiche Autoren haben sich dieser Problematik gewidmet. So gründen Tomita et al. [21 – 23] ihre Einschätzung auf den Grad der Tumormalignität, sowie vorhandene Organ- und Knochenmetastasen. Abhängig vom Score führen die Autoren [23] eine weite oder marginale Excision (Score 2–5, 28 Patienten, mittleres Überleben 38,2 Monate, 6–84 Monate), eine intraläsionale Excision (Score 3–7, 13 Patienten, 21,5 Monate, 4–60 Monate), eine Orthopädie 2005 "177", 27.1.05/dk köthen GmbH Tab. 4 Vergleich der Ergebnisse von Enakaoua et al. [24] unter Einschluss aller Wirbelsäulenabschnitte mit den Resultaten unserer Erhebung. Aufgrund der niedrigen Überlebensrate bei Patienten mit unbekanntem Primärtumor empfehlen Enakaoua et al. [24] den Tokuhashi-Score für diese Tumorgruppe von 1 auf 0 zu senken. Enakaoua et al. 1997 [24] Huch et al. 2004 Primärtumor Schilddrüsen-Ca Nierenzell-Ca Alter [Jahre] 60,4 ± 10,1 57,6 ± 11,7 64,5 ± 8,5 61,1 ± 11,2 8,7 ± 2,2 8,1 ± 2,4 8,0 ± 1,9 7,8 ± 1,5 Tokuhashi-Score [1990] unbekannter Primarius 21/34 27/28 8/9 Überlebenszeit in Monaten (MW, Spanne) 21 (0–62) 13 (1–45) 2,6 (0–9) Leben [n] 13/34 Überlebenszeit in Monaten (MW, Spanne) 50 (9–158) 1/28 1/9 ? 120 8/14 11,5 (3–32) 6/14 9,8 (2–18) palliative Stabilisierung (Score 5–10, 11 Patienten, 10,1 Monate, 3–23 Monate) oder eine palliativ symptomatische Therapie (Score 8–10, 9 Patienten, 5,3 Monate, 1–12 Monate) durch. Allerdings werden in der Auswertung der Autoren sich überschneidende Scores in den vier einzelnen Gruppen toleriert, die nicht der in der gleichen Publikation angegebenen Definition entsprechen! und sollte durch größere Fallzahlen mittels verschiedener Parameter untersucht werden, um einen zuverlässigen Score zu entwickeln. Bezüglich der Halswirbelsäulenmetastasen ist die Untersuchung am größeren Patientengut allerdings durch ihr relativ seltenes Auftreten erschwert (Tab. 4). Tokuhashi et al. [5] betrachten 6 Parameter (Tab. 2) und teilen ihren Score in drei Gruppen mit signifikant unterschiedlichen Überlebensraten. Eine Bestätigung der Aussagekraft dieses Scores findet sich in den Arbeiten von Enkaoua et al. [24], die operative Patienten analysiert haben, und Riegel et al. [3] sowie Oberndorfer et al. [25], die operative und radiotherapeutische Patienten in ihre Studie eingeschlossen haben. Tokuhashi selbst [6] hat seinen Score mittlerweile modifiziert, indem er die Zahl der Kategorien für den Primärtumor verdoppelte (0–5 Punkte statt 0–2). Eine nähere Beschreibung der Neueinteilung und eine Evaluation dieser Variante fehlt allerdings bisher. Literatur Obwohl sich unsere Ergebnisse bezüglich der Durchschnittswerte für die verstorbenen Patienten nicht wesentlich von denen Enkaoua’s et al. [24] unterscheiden, lässt sich in unserer Analyse der relativ kleinen Gruppe (n = 8) verstorbener Patienten keine Korrelation zwischen dem Tokuhashi-Score und der Überlebensdauer feststellen. Allerdings würde man sich von einem idealen Score schon bei kleinen Fallzahlen eine gute Prognosesicherheit erhoffen, da es jeweils um Einzelentscheidungen bezüglich der einzuleitenden Therapiemaßnahmen geht. Tokuhashi et al. [5] selbst empfehlen eine ständige Evaluation und Verbesserung ihres beschriebenen Scores. Auch der Score von Tomita [23] und der Karnofsky-Index erlauben in unserem Kollektiv keine zuverlässige Einzelfallprognose bezüglich des Überlebens. Fazit für die Praxis Die dorsale Instrumentierung mit einem winkelstabilen Schrauben-Stabsystem (Fixateur interne) stellt bei Tumorosteolysen der Hals- und oberen Brustwirbelsäule eine zuverlässige Versorgungsmöglichkeit bei drohender oder stattgehabter Frakturierung mit drohender hoher Querschnittsymptomatik und eine Alternative zum ventralen Vorgehen dar. Die Einschätzung der Überlebensprognose ist erfahrungsgemäß individuell schwierig nnn gestorben [n] Verschiedene 1 Constans JP, de Divitiis E, Donzelli R, Spaziante R, Meder JF, Haye C. Spinal metastases with neurological manifestations. J Neurosurg 1983; 59: 111 – 118 2 Jenis LG, Dunn EJ, An HS. Metastatic disease of the cervical spine. A review. Clin Orthop 1999; 359: 89 – 103 3 Riegel T, Schilling T, Sitter H, Benes L, Wilke A, Gross MW, Bertalanffy H. Faktorenanalyse zur Prognose vertebraler Metastasen. Zentralbl Neurochir 2002; 63: 2 – 6 4 Sioutos PJ, Arbit E, Meshulam CF, Galicich JH. Spinal metastases from solid tumors. Analysis of factors affecting survival. Cancer 1995; 76: 1453 – 1459 5 Tokuhashi Y, Matsuzaki H, Toriyama S, Kawano H, Ohsaka S. Scoring system for the preoperative evaluation of metastatic spine tumor prognosis. Spine 1990; 15: 1110 – 1113 6 Tokuhashi Y. Letter to the editor. Spine 2000; 25: 654 7 Cybulski GR. Methods of surgical stabilization for metastatic disease of the spine. Neurosurgery 1989; 25: 240 – 252 8 Eleraky MA, Llanos C, Sonntag VK. Cervical corpectomy: report of 185 cases and review of the literature. J Neurosurg 1999; 90: 35 – 41 9 Moore AJ, Uttley D. Anterior decompression and stabilization of the spine in malignant disease. Neurosurgery 1989; 24: 713 – 717 10 Pitzen T, Caspar W, Barbier D, Steudel W-I. Operative Therapie von malignomen der Halswirbelsäule. Ein differenziertes chirurgisches Behandlungskonzept. Deutsches Ärzteblatt 1997; 94: B2047 – B2050 11 Abumi K, Itoh H, Taneichi H, Kaneda K. Transpedicular screw fixation for traumatic lesions of the middle and lower cervical spine: description of the techniques and preliminary report. J Spinal Disord 1994; 7: 19 – 28 12 Abumi K, Kaneda K, Shono Y, Fujiya M. One-stage posterior decompression and reconstruction of the cervical spine by using pedicle screw systems. J Neurosurg 1999; 90: 19 – 26 13 Huch K, Cakir B, Dreinhöfer KE, Puhl W, Richter M. A new dorsal modular fixation device allows a modified approach in cervical and cervicothoracic neoplastic lesions. Eur Spine J 2004; 13: 222 – 228 14 Olerud C, Lind B, Sahlstedt B. The Olerud Cervical Fixation System: a study of safety and efficacy. Ups J Med Sci 1999; 104: 131 – 143 15 Richter M, Amiot LP, Neller S, Kluger P, Puhl W. Computer-assisted surgery in posterior instrumentation of the cervical spine: an in-vitro feasibility study. Eur Spine J 2000; 9 (Suppl 1): 65 – 70 16 Richter M, Wilke H-J, Kluger P, Neller S, Claes L, Puhl W. Biomechanical evaluation of a new modular rod-screw implant system for posterior instrumentation of the occipito-cervical spine: in-vitro compari- Huch K et al. Prognose, operative Therapie … Z Orthop 2005; 143: 1 – 6 5 Orthopädie 2005 "177", 27.1.05/dk köthen GmbH son with two established implant systems. Eur Spine J 2000; 9: 417 – 425 17 Richter M, Wilke H-J, Neller S, Claes L, Puhl W. Neon – ein neues winkelstabiles Implantatsystem für die dorsale okzipitozervikale Instrumentierung. Biomechanischer Vergleich mit etablierten Systemen. Orthopäde 2002; 31: 346 – 355 18 Richter M. Posterior instrumentation of the cervical spine for instability using the “neon occipito-cervical system”. Operat Orthop Traumatol 2003; 15: 70 – 89 19 De Conno F, Caraceni A, Gamba A, Mariani L, Abbattista A, Brunelli C, La Mura A, Ventafridda V. Pain Measurement in cancer patients: a comparison of six methods. Pain 1994; 57: 161 – 166 20 Piper JG, Menezes AH. Management strategies for tumors of the axis vertebra. J Neurosurg 1996; 84: 543 – 551 nnn 6 Huch K et al. Prognose, operative Therapie … Z Orthop 2005; 143: 1 – 6 21 Tomita K, Kawahara N, Baba H, Tsuchiya H, Nagata S, Toribatake Y. Total en bloc spondylectomy for solitary spinal metastases. Int Orthop 1994; 18: 291 – 298 22 Tomita K, Kawahara N, Baba H, Tsuchiya H, Fujita T, Toribatake Y. Total en bloc spondylectomy: A new surgical technique for primary malignant vertebral tumors. Spine 1997; 22: 324 – 333 23 Tomita K, Kawahara N, Kobayashi T, Yosihida A, Murakami H, Akamaru T. Surgical strategy for spinal metastases. Spine 2001; 3: 298 – 305 24 Enkaoua EA, Doursounian L, Chatellier G, Mabesoone F, Aimard T, Saillant G. Vertebral metastases. A critical appreciation of the prognostic Tokuhashi Score in a Series of 71 Cases. Spine 1997; 22: 2293 – 2298 25 Oberndorfer S, Grisold W. Letter to the Editor. Spine 2000; 25: 653 – 654