Aus: Hubert Truckenbrodt und Kathrin Eichler: Einführung in die moderne Sprachwissenschaft. Ms., ZAS Berlin und DFKI Saarbrücken, 2010. Syntax 6: Spezifikatoren und Satztypen Lerninhalte dieses Kapitels: • Das dritte Schema in der Phrasenstruktur, die Spezifikator-Position, und ihre Anwendung in der DP • Eine Projektion CP, die Sätze konstituiert • Die Anwendung der Spezifikator-Position auf die CP • Eine vergleichende Analyse der englischen und deutschen Interrogativ- Deklarativ- und that/dassSätze 1 Die Spezifikator-Position Wir haben oben die Position von Komplementen und Adjunkten eingeführt. In diesem Abschnitt lernen Sie über die dritte und letzte Position in der Phrasenstruktur: die Spezifikator-Position. Zusätzlich zu einer bisher verwendeten Struktur wie in (1a) kommt nun auch die komplexere Struktur in (1b) zum Einsatz. Dort steht eine zusätzliche Phrase YP in einer zusätzlichen Position, die Position des Spezifikator der XP. (1) a. Struktur ohne Spezifikator b. Struktur mit Spezifikator XP XP X Kopf (der XP) YP ZP Komplement X' X Spezifikator Kopf (der XP) (eine Phrase) ZP Komplement (eine Phrase) Die Position des Komplements ist in (1a) und (1b) insofern gleich, als das Komplement stets die Schwester des Kopfes X ist, und sich dabei innerhalb der Phrase XP befindet. Hinzu kommt in (1b) der Knoten X' zwischen X und XP: Die Projektion des Kopfes X hat jetzt drei Ebenen: X, X' und XP. So entsteht eine neue Position, die Schwester von X' innerhalb von XP. Dies ist die SpezifikatorPosition. In vielen Fällen haben Phrasen keinen Spezifikator. In diesen Fällen kann wie bisher die Struktur in a. verwendet werden, die X'-Ebene also weggelassen werden. Adjunktion an eine Phrase führt, wie bisher, zu einer größeren Ausführung der XP. Damit sind sowohl das Komplement als auch der Spezifikator näher am Kopf als Adjunkte. Der Spezifikator wird nicht wie das Komplement selegiert, ist aber dennoch enger mit dem Kopf verbunden als die Adjunkte. Der Spezifikator wird mit SPEC abgekürzt. Linguisten sagen also zum Beispiel SPEC,DP, wenn sie über den Spezifikator der DP-Projektion sprechen. In diesem Abschnitt werden wir uns SPEC,DP anschauen. Später in diesem Kapitel kommen wir auf SPEC,CP zu sprechen. Wir werden sehen, dass Spezifikatoren, wie Komplemente, eine besondere Verbindung zum Kopf haben, dass die Beziehung aber nicht wie im Fall der Komplemente Selektion ist (der Kopf selegiert das Komplement gemäß seiner Argumentstruktur), sondern zwischen Kopf und Spezifikator eine andere Abhängigkeit besteht. p. 1, Syntax 6: Spezifikatoren und Satztypen 2 The Spezifikator der DP: Possessoren im Englischen und Deutschen (2b) zeigt ein Beispiel der englischen Possessivkonstruktion, in der DP2 der Possessor ist, also der, der besitzt. Der Possessor DP2 ist der Spezifikator der DP1, oder SPEC,DP1 und steht im Schwesterknoten von D1'. Der Possessor ist, wie alle Spezifikatoren, eine Phrase, hier eine DP. (2a) zeigt zum Vergleich eine ähnliche DP ohne Spezifikator-Position. Hier ist der Possessor als Adjunkt der NP car realisiert. Nehmen Sie sich bitte etwas Zeit, um sich die strukturelle Parallele der beiden Strukturen in (2) klar zu machen, denn diese ist nicht auf den ersten Blick offensichtlich. In beiden Fällen ist die DP, die sich auf das Auto bezieht, die DP1 mit ihrem Kopf D1. In dieser Kopfposition steht der Artikel the in (2a). In dieser Kopfposition, die den Artikel the in (2a) beherbergt, steht in (2b) überraschenderweise das Possessivsuffix [-s]. In beiden Fällen ist das Komplement dieses DKopfes die NP mit dem N Kopf car. In der Struktur in (2b) kommt die Spezifikatorposition von DP1 hinzu, in der der Possessor (this man) steht. (2) a. the car of this man b. this man's car DP1 DP1 D1 | the DP2 NP NP | N | car D2 | this PP P | of DP2 D2 | this D1' NP | N | man D1 | 's NP | N | car NP | man Somit haben wir die Reihe der möglichen D-Köpfe von the, this, a, every, etc. um einen zusätzlichen erweitert, nämlich das Element [-s], welches in (2b) im D-Kopf steht. Nun ist es so, dass einerseits die normalen D-Elemente the, a, this, ... nicht mit einem Possessor stehen können, wie in (3b) gezeigt, im Vergleich mit dem möglichen D-Kopf ['s] in (3a). (3) a. b. [this man] ['s] car * [this man] the/a/this car Andersherum ist es auch so, dass das possessive ['s] nicht einen normalen Artikel ersetzen kann, wenn kein Possessor vorhanden ist, wie in (4b) gezeigt, im Vergleich mit dem möglichen D-Kopf in (4a). (4) a. b. the car * ['s] car Diese Beschränkungen entstammen der besonders engen Verbindung zwischen SPEC,DP und D. Solche eine Verbindung wird allgemeiner als Charakteristikum der Beziehung von SPEC,XP und XKopf gesehen. Im Falle der englischen DP können wir diese Verbindungen wie folgt fassen, und damit die Abhängigkeiten in (3) und (4) erfassen: p. 2, Syntax 6: Spezifikatoren und Satztypen (5) Abhängigkeit zwischen D-Kopf und SPEC,DP im Englischen a. Ist der D-Kopf mit einem Artikel oder Quantor wie the, these, a, every, ... gefüllt, so muss der SPEC,DP leer sein. b. Ist der SPEC,DP mit einem Possessor gefüllt, so muss der D-Kopf das Element ['s] enthalten. Die Analyse mit ['s] im D-Kopf in (2b) mag verwunderlich sein für die, die glauben, dass das Possessiv-s nur Genitivsuffix des Nomens car ist, dem Nomen, das beschreibt, was besessen wird. Eine Suffixanalyse wäre richtig in einer Sprache in der Kasus (Nominativ, Akkusativ, Genitiv, etc.) am Nomen allgemeiner durch Suffixe ausgedrückt wird. Im Deutschen etwa gibt es Kasussuffixe sowohl bei Nomen als auch bei Artikeln (z. B. Nominativ d-er Junge, Akkusativ d-en Junge-n, Genitiv d-es Junge-n, Nominativ Plural d-ie Junge-n). Im Englischen findet man Kasusunterscheidungen nur an Pronomen (Nominativ he/she falls, Akkusativ to help him/her, Genitiv his/her car). Es gibt allerdings keine Kasussuffixe, die an Nomen oder Artikel angehängt würden: the man falls; to help the man. Es ist also plausibel zu sagen, dass es ebenso wenig ein Suffix für den Genitiv gibt, der in der englischen Possessivkonstruktion zu dem Possessor-Nomen gehört. Die Annahme, dass das Possessiv-s im Englischen nicht Teil des Possessornomens ist, wird bestärkt, wenn man sich komplexere Possessivkonstruktionen, wie die in (6) anschaut. Hier ist das Possessornomen man nicht mit dem Genitiv-s markiert. Stattdessen folgt das Genitiv-s der gesamten Possessorphrase. Mit der Analyse, dass -s der Kopf der DP1 ist, ist auch dieses Beispiel vereinbar. (6) the man from Philadelphia's hat DP1 DP2 D2 | the D1' NP N | man D1 | 's PP P | from DP D NP | N | hat NP | N | Philadelphia Ein -s am Possessornomen man würde den Ausdruck ungrammatisch machen: (7) * the man's from Philadelphia hat * the man's from Philadelphia's hat Wichtig ist auch, dass die Stadt Philadelphia, die in (6) dem Possessiv-s vorausgeht, nicht der Besitzer (Possessor) des Hutes ist. Auch im Deutschen gibt es Possessoren links vom Nomen, wie in (8b). Das ist auch hier im Vergleich mit einer DP ohne Possessor, in (8a), gezeigt. p. 3, Syntax 6: Spezifikatoren und Satztypen (8) a. das Auto von Peter b. Peters Auto DP1 DP1 D1 | das DP2 NP NP | D2 PP N P DP2 | | Auto von D2 NP | Peter D1' NP | N | Peters D1 NP | N | Auto Im Deutschen gibt es keine klare Evidenz, dass das [-s] des Possessors (an Peter-s in (8b)) in der DPosition steht (vgl. ??/* Des Mann aus Philadelphia-s Hut). Andererseits gibt es eine interessante umgangssprachliche Konstruktion im Deutschen, die in (9) veranschaulicht ist. Auf den Possessor mit Dativ folgt hier ein Possessivpronomen, das den Possessor zu verdoppeln scheint: Der Possessor ist zum einen in der DP dem Peter und dann erneut im Possessivpronomen sein ausgedrückt. Der Vergleich in (10) zeigt, dass das Possessivpronomen mit der Possessorphrase übereinstimmt. In dieser Verdopplung sieht man auch auf interessante Weise die Beziehung zwischen SPEC,DP und D in dieser Konstruktion: Die beiden zeigen eine Art Übereinstimmung, die dazu führt, dass mit dem Pronomen in der D-Position sozusagen ein Echo der Phrase in SPEC,DP vorliegt. (9) dem Peter sein Auto (ist in der Reparatur) 'Peter's car (is in repair)' DP1 DP2 D2 | dem (10) D1 ' NP | N | Peter D1 | sein NP | N | Auto dem Peter sein Auto der Maria ihr Auto Im Deutschen können wir die Beziehung zwischen SPEC,DP und D-Kopf wie folgt fassen: (11) Abhängigkeit zwischen D-Kopf und SPEC,DP im Deutschen a. Ist der D-Kopf mit einem Artikel oder Quantor wie der, dies, ein, jeder, ... gefüllt, so muss der SPEC,DP leer sein. b. Steht im SPEC,DP eine DP mit Genitiv wie in (8b), dann ist der D-Kopf leer. c. Steht im SPEC,DP eine DP im Dativ wie in der umgangssprachlichen Konstruktion in (9), dann ist der D-Kopf mit einem Possessivpronomen gefüllt, das mit SPEC,DP übereinstimmt. p. 4, Syntax 6: Spezifikatoren und Satztypen Treten wir nun einen Schritt zurück und überlegen wir mit etwas Abstand: Was ist nun der Vorteil einer Analyse, die eine Spezifikatorposition für den Possessor postuliert. Könnte man den Possessor nicht in eine Komplementposition zu D auf der linken Seite verorten? Wir diskutieren hier ein zentrales Argument für diese Analyse. Wie wir bereits im vorigen Kapitel erläutert haben kann man für das Englische ganz allgemein annehmen, dass ein Kopf, der ein Komplement selegiert, seinem Komplement vorangeht. Das Komplement steht nach dem Kopf. (12) Im Englischen steht ein Kopf, der ein Komplement selegiert, vor diesem Komplement. Wir haben das in vielen unterschiedlichen Fällen gesehen: Das Verb steht vor seinem ObjektKomplement in der VP [study [DP physics]], das Nomen N steht vor seinem Komplement in der NP [student [PP of physics]], die Präposition steht vor ihrem Komplement, wie in der PP [with [DP a rope]] und der Artikel D geht seinem Komplement in der DP [the [NP show]] voraus. Wenn wir nun den Possessor als Komplement des D-Kopfes analysieren würden, müssten wir hierfür eine Ausnahme von (12) postulieren: Der Possessor steht vor dem D-Kopf ['s]. Wenn wir aber den Possessor als Spezifikator verstehen, passt er zu einem allgemeinen Prinzip über Spezifikatoren, für das wir unten auch noch andere Beispiele sehen werden: Der Spezifikator einer XP geht dem X-Kopf voran. (13) (Sprachübergreifend): SPEC,XP ist die linke Tochter der XP. Wir fassen zusammen. In diesem Abschnitt wurde als Beispiel der Spezifikatorposition die SPEC,DP im Englischen und Deutschen diskutiert. Die Spezifikatorposition interagiert auf vielfache Weise mit der Besetzung des D-Kopfes. Die Besetzung des D-Kopfes mit einem normalen Artikel oder einem Quantor verbietet die gleichzeitige Besetzung des SPEC,DP durch einen Possessor. Andersherum erfordert ein Possessor in SPEC,DP unterschiedliche Elemente im D-Kopf: ['s] im Englischen, und einen leeren D-Kopf bzw. ein echo-artiges Possessivpronomen im Deutschen. Solche Interaktionen sind charakteristisch für die Beziehung zwischen Spezifikatoren und Köpfen. Wir haben auch angesprochen, dass Spezifikatoren einer Phrase XP sprachübergreifend auf der linken Seite von XP stehen, und dass im Gegensatz dazu im Englischen die Komplemente stets rechts vom Kopf stehen, der sie selegiert. 3 Der Spezifikator der IP Im vorherigen Kapitel hatten wir die englische IP wie in (14) dargestellt: Mit dem I-Kopf (in dieser abstrakten Analyse die Flexion) in der Mitte, dem Subjekt links davon und der VP zur rechten. (14) IP DP I | | D will | might she could ... VP V | see DP … Linguisten beschreiben diese Struktur mit Hilfe der Begriffe Spezifikator und Komplement: Die VP ist das Komplement von I und die Subjekt-DP ist der Spezifikator der IP. Damit können wir die IP nun präziser darstellen, wie in (15): p. 5, Syntax 6: Spezifikatoren und Satztypen (15) IP DP | D | she I' I | will might could ... VP V | see DP … Ähnlich wie bei der DP gibt es auch hier eine enge Beziehung zwischen Spezifikator und Kopf. Die Beziehung zwischen SPEC,IP und I-Kopf wird darin gesehen, dass sich hier wichtige Eigenschaften von finiten Sätzen im Englischen manifestieren: englische Sätze mit einem finiten Verb haben ein Subjekt, und Subjekt und finites Verb stimmen in Bezug auf Person und Numerus überein (you do, she do-es, ...). Wir gehen davon aus, dass in einem finiten Satz die I-Position als [+finit] markiert ist, und schreiben diese Beziehungen als Abhängigkeit von Kopf und Spezifikator wie in (16) fest. (16) Abhängigkeit zwischen I-Kopf und SPEC,IP im Englischen a. Wenn der I-Kopf [+finit] ist, dann muss im SPEC,IP eine DP mit Nominativ Kasus stehen (also das Subjekt des Satzes). b. Ein I-Kopf, der [+finit] ist, muss mit der DP in SPEC,IP in Person und Numerus übereinstimmen. Wir haben oben bereits gesehen, dass das Englische keine Suffixe für Kasus hat, sondern dass nur bei Pronomen unterschiedlicher Kasus sichtbar wird. So manifestiert sich der in (16a) verlangte Nominativ im SPEC,IP in Pronomen: In she sings, ist she eine DP im Nominativ, also das Subjekt, wohingegen in to see her, die DP her im Akkusativ (oder allgemeiner dem Kasus englischer Objekte) steht. Man sieht aber nichts von dem Nominativ bei nicht-pronominalen DPs: Subjekt und Objekt sind identisch in Mary sings und to see Mary (oder in the woman sings und to see the woman). In der grammatischen Analyse geht man davon aus, dass die englischen Subjekte stets im Nominativ stehen (wie in (16a) formuliert), auch wenn man das nur bei pronominalen DPs direkt sehen kann. Im Deutschen wird die Existenz und Rolle einer IP-Projektion in der Grammatikforschung unterschiedlich gesehen. So gibt es keine klare I-Kopf-Position, die in der Analyse des deutschen Satzbaus wichtig wäre, und auch für das Subjekt halten weiterentwickelte Analysen (die wir hier nicht diskutieren) eine alternative Position bereit. Außerdem haben zwar finite Sätze im Deutschen zwar fast immer ein Subjekt, aber doch nicht wirklich immer, denn es gibt solche finiten Sätze wie mich friert, mir ist warm oder auf der Party wurde getanzt, die keine DP im Nominativ umfassen. So kann man schon sinnvoll die Position vertreten, dass es im Deutschen keine IP gibt. Andererseits ist die Analyse des englischen Satzes, die (16) verwendet, eigentlich so gemeint, dass es in finten Sätzen überhaupt nur deswegen Nominativ Kasus und Übereinstimmung zwischen dem Nominativ-Subjekt und dem finiten Verb gibt, weil die IP-Projektion die Abhängigkeiten in (16) erfordert. Wenn man daran festhalten will, kommt man zu einer Analyse des Deutschen, in der es auch eine IP gibt, da es im Deutschen auch Übereinstimmung zwischen Subjekt und Verb gibt (du sing-st, sie sing-t, etc.). Dann muss man sich aber darauf einlassen, dass die IP im Deutschen zwar vorhanden ist, aber nicht wichtig ist für den Satzbau, jedenfalls nicht darüber hinaus, dass sie die Subjekt-Verb-Übereinstimmung regelt. Dies kann etwa mit einer Modifikation von (16) wie in (17) gemacht werden. p. 6, Syntax 6: Spezifikatoren und Satztypen (17) Abhängigkeit zwischen I-Kopf und SPEC,IP im Deutschen a. Wenn der I-Kopf [+finit] ist, dann ist eine DP mit Nominativ Kasus (also ein Subjekt) im Satz erlaubt, wenn es eine abstrakte Verbindung mit dem SPEC,IP eingeht. b. Ein I-Kopf, der [+finit] ist, muss mit der DP, die eine (abstrakte) Verbindung mit dem SPEC,IP eingeht, in Person und Numerus übereinstimmen. Im Rahmen der vorliegenden Einführung kommen wir nicht zu dem Punkt, an den wir eine alternative Subjektposition für das Deutsche diskutieren. (Für die Neugierigen: das ist ein SPEC,VP!) Von daher gehen wir, um eine stimmige Analyse zu haben, für das Deutsche davon aus, dass auch im Deutschen eine IP existiert, und dass der SPEC,IP die Subjektposition auch im Deutschen ist. Für diese Analyse könnten wir dann auch (16) für das Deutsche verwenden, wenngleich dies im Deutschen nur für den typischen Fall funktioniert, und sich bei genauerem Hinsehen in untypischen Fällen nicht bewährt. Wenn Sie die Grammatiktheorie weiter studieren, werden Sie in fortgeschrittenen Seminaren dann genauere Analysen für die Subjektposition des Deutschen kennenlernen können. 4 Die C-Projektion In diesem Abschnitt führen die CP ein, die Konstituente, die einen gesamten Satz umfasst. Dies ist eine wichtige Vorbereitung für die Diskussion des SPEC,CP im folgenden Abschnitt. Die CP und ihr Spezifikator SPEC,CP sind zentral für die Analyse unterschiedlicher Satztypen im Deutschen und im Englischen. Dies wird in späteren Abschnitten genauer diskutiert. Man unterscheidet zwischen Hauptsätzen und Nebensätzen. (18) Maria lacht Hauptsatz Maria lacht, Maria findet, Hauptsatz wenn Hans Grimassen schneidet. dass Hans witzig ist. Nebensatz DEFINITIONEN Hauptsatz [E. main clause]: Ein selbständiger Satz, oder, in einem komplexeren Satzgefüge, der selbständige Teilsatz der übrig bleibt, wenn man von den abhängigen Sätzen absieht. Nebensatz: [E: embedded clause] Ein untergeordneter, abhängiger Satz. Ein wichtiger Aspekt von Nebensätzen ist das Element, das sie einleitet (in (19) unterstrichen dargestellt). Dieses Element, zum Beispiel dass, ob oder bevor heißt Komplementierer und hat die Kategorie C. Der Komplementierer C wird in den Beispielen in (19) von einer IP gefolgt. (19) a. b. c. Maria glaubt [ dass [IP Hans bald kommt] ] Maria fragt sich [ ob [IP Hans schon gekommen ist] ] Maria beendete ihre Arbeit [ bevor [IP sie ging] ] Der Nebensatz besteht aus dem Komplementierer und der folgenden IP. Der Nebensatz ist eine Konstituente: In (20) sieht man, dass beide gemeinsam verschoben werden können. Dabei steht in (20b) die geklammerte Konstituente aus dass und folgender IP im Vorfeld des Hauptsatzes, sodass p. 7, Syntax 6: Spezifikatoren und Satztypen wir hier zusätzliche Evidenz haben, dass der Nebensatz eine Konstituente ist. In (21) sieht man darüber hinaus, dass solch ein Nebensatz manchmal auch durch ein Pronomen ersetzt werden kann. (20) a. b. Maria glaubt dass Peter das Rennen gewonnen hat [Dass Peter das Rennen gewonnen hat] glaubt Maria (21) Maria glaubt dass Peter das Rennen gewonnen hat Maria glaubt es wo es = dass Peter das Rennen gewonnen hat Es ist plausibel anzunehmen, dass der Komplementierer der Kopf dieser Konstituente ist. Wir bekommen daher die Struktur in (22) für den Nebensatz. Die IP ist das Komplement von C. (22) CP C IP | dass Peter das Rennen gewonnen hat 5 SPEC,CP und C in englischen Fragen In diesem Abschnitt diskutieren wir die Rolle der CP in englischen Fragen. Schauen Sie sich zunächst den Satz in (23) an, eine IP mit dem Subjekt Mary in der SPEC,IP-Position. Vergleichen Sie diesen Satz als nächstes mit dem Satz in (24), einer Frage. Auch hier nehmen wir an, dass das Subjekt Mary in SPEC,IP steht. Hier allerdings stehen nun zwei weitere Elemente vor dem Subjekt: das Fragewort why und das finite Auxiliar did. (23) (24) [IP [DP Mary] bought the book] Why did [IP [DP Mary] buy the book] Für die Analyse der Stellung dieser beiden Elementen vor der IP (und entsprechenden Elementen in ähnlichen Konstruktionen) wird nun wiederum die CP verwendet. Zunächst ist wichtig, dass das erste Elemente in (24), also das Fragewort why, die Spezifikator-Position dieser neuen Projektion, also SPEC,CP, füllt, und dass das finite Auxiliar did in der Position des Kopfes der CP ist. Die entsprechende Struktur ist in (25) dargestellt. (25) CP AdvP | Adv | why C' C | did IP DP Mary I' I VP V | buy DP the book p. 8, Syntax 6: Spezifikatoren und Satztypen Komplemente, Adjunkte an XP und auch Spezifikator sind immer komplette Phrasen, also XP. In einigen Fällen enthalten diese Phrasen nur ein einzelnes Wort. So zum Beispiel die SPEC,IP in (15), die das Subjekt, eine DP, enthält, das nur aus dem Wort she besteht. Die DP könnte aber auch komplexer sein, zum Beispiel könnte in der Subjektposition statt she auch [DP the woman] stehen. In (2b) und (6) weiter oben sehen wir, dass auch der Spezifikator der DP, also SPEC,DP, eine Phrase ist: [DP this man] in (2b) und [DP the man from Philadelphia] in (6). Der Spezifikator von CP, SPEC,CP, ist in (26) und (25) ebenfalls ein einzelnes Wort, kann aber auch eine Phrase sein, wie Beispiel (27) zeigt. (26) ist zum Vergleich noch einmal wiederholt. (26) (27) why did [IP [DP Mary] buy the book] [for what reason] did [IP [DP Mary] buy the book] Die Struktur von (27) ist in (28) dargestellt. Beachten Sie, dass die PP for what reason hier in SPEC,CP steht. (28) CP PP C' P DP C | | for D NP did | | what N | reason IP DP Mary I' I VP V | buy DP the book Die Konstituente, die in solchen Fragen am Anfang steht, heißt W-Phrase. In (26) ist also [why] eine W-Phrase, in (27) ist [for what reason] eine W-Phrase. Eine W-Phrase beinhaltet ein W-Wort oder Fragewort, zum Beispiel das Wort why in (26) oder das Wort what in (27). Das finite Auxiliar did in (26) – (28) steht in der Kopf-Position der CP. Dies ist insofern sinnvoll, als es sich hier wirklich um einen Kopf handelt: Anders als die W-Phrase in (25)/(28) kann das finite Auxiliar did in solchen Beispielen nicht durch eine Phrase ersetzt werden. Es kann sich zwar mit der Negation kombinieren (Why didn't Mary buy the book?), aber nur solange diese sich zu einem Wort kombinieren. Wenn die Negation separat ist steht sie an ihrer ursprünglichen Position in I (Why did Mary not buy the book?). Andere Kombinationen von zwei oder mehr Wörtern sind in der Position von did hier auch nicht möglich. Andererseits ist es auch unerwartet, dass hier das finite Auxiliar did in der C-Position steht, denn dies ist ja eigentlich die Position von Komplementierern wie dass, weil, etc. (im Englischen: that, because, etc.). Darüber, wie dieser Unterschied zu verstehen ist, gibt es unterschiedliche Meinungen in der Literatur. Eine, die wir hier kurz darstellen, ist, dass wir es hier wiederum mit Effekten der Übereinstimmung von Spezifikator und Kopf zu haben, in diesem Fall zwischen SPEC,CP und Kopf C: p. 9, Syntax 6: Spezifikatoren und Satztypen (29) Abhängigkeit zwischen C-Kopf und SPEC,CP im Englischen a. Ist der C-Kopf mit einem Komplementierer wie that, because, ... gefüllt, so muss der SPEC,CP leer sein. b. Ist der SPEC,CP mit einer W-Phrase gefüllt ist, dann kann in C ein finites Auxiliar oder Modalverb stehen. (29a) legt für das Englische korrekt fest, dass das Vorhandensein eines Komplementierers, wie in den Beispielen und Strukturen in (19) – (22), der SPEC,CP nicht verwendet werden kann. Ein C-Kopf wie dass, weil etc. macht also die Verwendung des SPEC,CP unmöglich. Man bemerke, dass dies ähnlich ist wie in der DP (siehe (3b) und (5a)), wo ein D-Kopf wie the, this etc. die Verwendung des SPEC,DP unmöglich macht. (29b) erlaubt nun, in Strukturen mit gefülltem SPEC,CP wie in (25) und (28), dass hier ein finites Auxiliar wie did in der Position des C-Kopfes stehen kann. Dies ist wiederum ähnlich wie in der DP, wo die Verwendung eines Possessors in SPEC,DP einen Einfluss auf die Belegung des DKopfes hat: dort muss dann im Englischen das Possessivsuffix-[s] stehen (siehe (2b), (5b) und (6)), und im Deutschen kann eine pronominale Kopie des Possessors stehen (siehe (9), (10) und (11c)). (Die Belegung durch Modalverben, die in (29b) auch erlaubt ist, wird später klar werden.) [Ja/nein-Fragen ... ] 6 SPEC,CP und C im Deutschen Ein wichtiger Teil des Hintergrundwissens, das man für die folgende Diskussion benötigt, ist der Unterschied zwischen SPEC,CP und SPEC,IP, der in (30) dargestellt ist. (30) SPEC,CP C | Position für alle XP-Typen SPEC,IP | Position nur für Subjekte! I … Der SPEC,CP ist eine Position, die von allen Arten von Phrasen besetzt werden kann, während in SPEC,IP nur Subjekte stehen können. Den Grund dafür, dass SPEC,IP nur das Subjekt enthalten kann, haben wir bereits in (16) gesehen: SPEC,IP ist die Position für eine Konstituente mit Nominativ Kasus, die mit dem finiten Verb in der I-Position übereinstimmen muss. Der SPEC,CP ist nicht auf diese Weise beschränkt, von daher können hier unterschiedliche Konstituenten stehen. Vor diesem Hintergrund wird zunächst einmal die deutsche W-Frage als CP analysiert, in der SPEC,CP von einer W-Phrase gefüllt ist, und bei der das finite Verb in C steht. Der Vergleich mit dem Englischen in (31) zeigt die Ähnlichkeit der Struktur der W-Fragen in beiden Sprachen auf. (31) SPEC,CP C a. b. [welches Modem] wird [aus welchem Grund] soll c. d. [which modem] [for what reason] [IP ] Maria __ kaufen? Maria __ ein Modem kaufen? will Mary buy ___ ? should Mary buy a modem ___? Im Deutschen (aber nicht im Englischen) wird dann auch der Deklarativsatz als CP analysiert. Das Vorfeld, das wir bereits gut kennen, wird damit als SPEC,CP analysiert. Die Position des finiten Verbs ist dann die Kopfposition in C, wie in (32) gezeigt. p. 10, Syntax 6: Spezifikatoren und Satztypen (32) SPEC,CP a. b. c. C [IP [dieses Modem] wird [aus diesem Grund] soll [Maria] soll ] Maria __ kaufen. Maria __ ein Modem kaufen. ___ aus diesem Grund ein Modem kaufen. Der Konstituententest der Vorfeldbesetzung ist also letztlich ein Test, der erprobt, ob eine Konstituente nach SPEC,CP verschoben werden kann. Wie wir bereits in Kapitel XX kurz erwähnt haben unterscheidet sich der englische Deklarativsatz stark vom deutschen Deklarativsatz. Ein wichtiger Unterschied ist der, dass im Englischen Deklarativsatz das Subjekt vor dem finiten Verb stehen muss, wie in (33a). Der englische Deklarativsatz erlaubt nicht das, was wir im deutschen Deklarativsatz in (32) sehen (und in den deutschen und englischen Fragen in (31)), nämlich dass ein finites Verb (beispielsweise ein Modalverb) und eine andere Konstituente vor das Subjekt bewegt werden. Dies ist in (33b) und (33c) gezeigt. (33) a. b. * c. * Maria will buy a modem. [A modem] will Maria buy. [For this reason] will Maria buy a modem. Der englische Deklarativsatz wird von daher als IP analysiert; die beiden Positionen C und SPEC,CP vor dem Subjekt stehen hier nicht zur Verfügung! Von daher kann das Subjekt in (33a) vor dem finiten Verb stehen: Das Subjekt hat diese Möglichkeit in SPEC,IP, der Subjektsposition (vgl. (30)). Da im Englischen aber SPEC,CP und C nicht im Deklarativsatz besetzt sein können, ergeben sich nicht die Möglichkeiten in (33b,c). Der Unterschied wird in (34) nochmal illustriert, und in (35) formuliert. (34) Engl. Frage Engl. Dekl. Position für alle XP-Typen | SPEC,CP C [which modem] will * [this modem] Dt. Frage Dt. Dekl. (35) will Position nur für Subjekte! | SPEC,IP I Mary Mary will Mary [Welches Modem] wird Maria [Dieses Modem] wird Maria … buy? buy this modem. buy kaufen? kaufen CP IP!! *CP CP CP!! Unterschied zwischen dem Englischen und dem Deutschen: Englisch: Der Deklarativsatz ist eine IP. Die Positionen SPEC,CP und C stehen nicht zur Verfügung. Deutsch: Der Deklarativsatz ist eine CP. Die Positionen SPEC,CP und C werden besetzt. Der Unterschied ist interessant, da das Englische die Positionen SPEC,CP und C an sich auch hat, und sie in W-Fragen nutzt, wie in (34) nochmal zum Vergleich gezeigt. Es geht also bei dem Unterschied zwischen dem Englischen und dem Deutschen hier nicht darum, ob eine Sprache diese Positionen hat (beide Sprachen haben SPEC,CP und C), sondern, in welchen Satzarten diese Positionen genutzt werden. p. 11, Syntax 6: Spezifikatoren und Satztypen 7 Nebensätze im Englischen und im Deutschen In diesem Abschnitt betrachten wir die Struktur von eingebetteten Sätzen mit dem Komplementierer that (Englisch) bzw. dass (Deutsch). Dies führt zu einer Bestätigung des Unterschieds zwischen dem Englischen und dem Deutschen in (35), und zu einem besseren Verständnis der deutschen Satzstruktur. Wir wissen bereits, wo der Komplementierer steht. Der Komplementierer ist von der Kategorie C, und wo er vorkommt, ist er der C-Kopf der CP, wie in (22) oben. Die Strukturen, die in (34) zusammengestellt sind, haben keinen Komplementierer, und verwenden die C-Position für ein finites (Modal-)Verb. In diesem Abschnitt nun betrachten wir die beiden Strukturen (Komplementierer in C, finites Verb in C) im Vergleich. Wir werden sehen, dass sich die Analyse, die ein-und-dieselbe Position für Komplementierer und finites Verb in C postuliert, sehr bewährt. Beginnen wir mit dem Englischen. (36) zeigt einen Vergleich zwischen Deklarativsätzen (linke Spalte) und that-Sätzen mit Komplementierer (rechte Spalte). Im Englischen ist die Wortstellung in Deklarativ- und that-Sätzen dieselbe. Das einzige, was sich zwischen linker und rechter Spalte verändert, ist, dass in der rechten Spalte das that vor dem Subjekt hinzukommt. Das entspricht unseren Erwartungen. Wie in (36d) angedeutet, ist der englische Deklarativsatz eine IP, und die C-Positionen sind nicht gefüllt. Wenn dann der Komplementierer that hinzukommt, steht er in der C-Position, vor der IP, und sonst muss sich nichts an der Satzreihenfolge ändern. (36) a. b. c. d. Die Satzstellung in Deklarativsätzen... ... entspricht im Englischen der Satzstellung in Nebensätzen (nur C kommt hinzu). Mary might be sad about this. Mary has looked forward to this. Mary likes ice-cream [IP ] … that Mary might be sad about this. … that Mary has looked forward to this. … that Mary likes ice-cream. C [IP ] Soweit, so gut. Vergleichen wir nun in (37) den deutschen Deklarativsatz (linke Spalte) mit dem deutschen dass-Satz (rechte Spalte). Hier nun erleben wir eine rechte Überraschung. Während nämlich der Deklarativsatz, wie wir ihn kennen, das finite Verb in der zweiten Position aufweist (siehe (37), linke Spalte), finden wir das finite Verb im dass-Satz weit abgeschlagen ganz am rechten Rand des Satzes! (37) a. b. c. Maria kam am Nachmittag zu Besuch. Peter ist bald danach auch gekommen. Die beiden sind eine Weile geblieben. ... dass Maria am Nachmittag zu Besuch kam ... dass Peter bald danach auch gekommen ist ... dass die beiden eine Weile geblieben sind Das passt wie folgt zu den bisherigen Analysen. Die Position des finiten Verbs in C, die wir bisher immer gesehen haben, ist nicht die wirkliche Grundposition des finiten Verbs. Sie ist eine Position, in die das finite Verb verschoben wurde! Was ist dann die zugrundeliegende Position des finiten Verbs? Die Position am Satzende, die wir in (37) in der rechten Spalte sehen! Wir haben bei den infiniten Verben im vorigen Kapitel bereits gesehen, dass infinite Verben in der deutschen VP ihrem Komplement stets folgen, also jeweils rechts in ihrer VP stehen (ein Buch lesen, Bohnen gekauft haben, etc.). Die Analyse, die wir jetzt entwickeln, postuliert, dass alle Verben im Deutschen in der zugrundeliegenden Reihenfolge diese Stellung einnehmen, auf einem rechten Ast ihrer VP. Es lässt sich dabei zeigen, dass das finite Verb stets das ‘oberste’ Verb in der Struktur ist, also dasjenige mit dem höchsten rechten Ast, und somit das letzte der Verben, wenn es mehrere gibt. So wird p. 12, Syntax 6: Spezifikatoren und Satztypen in (38a) das am weitesten oben rechts in der Struktur verankerte Verb zum finiten Verb, mit derselben Stellung, wenn wir einen dass-Satz daraus machen, wie in (38b). (38) VP1 VP2 a. b. DP | Bohnen dass Maria Bohnen V2 | gekauft gekauft V1 haben hat Für diesen und alle ähnlichen Fälle kann das finite Verb in seiner Endstellung nun plausibel als ein rechter V-Kopf einer VP gesehen werden, wenn der Satz, wie (38b), mit dem Komplementierer dass beginnt. Damit hätten wir erst einmal eine Antwort auf die Frage, in welcher Position das finite Verb in den Sätzen in (37) in der rechten Spalte steht: alle Verben, finit oder infinit, stehen zugrundeliegend als Kopf einer VP am rechten Ast einer solchen VP. Wieso aber bleibt das finite Verb in dieser Position in dass-Sätzen ((37) rechte Spalte), und wieso bewegt es sich in die C-Position in Deklarativsätzen ((37) linke Spalte)? Hier nun bewährt sich die Analyse, die wir oben bereits formuliert haben, dass nämlich ein-und-dieselbe C-Position sowohl der Ort für Komplementierer wie dass ist, als auch der Ort für finite Verben nach dem Vorfeld. Denn wenn, wie in (39), der Komplementierer bereits in der C-Position steht (dem möglichen Landeplatz für das finite Verb), dann kann das finite Verb sich genau deswegen nicht dorthin bewegen, weil der Komplementierer dass bereits in der C-Position steht. (39) CP C | dass IP Maria VP1 VP2 DP | Bohnen V2 | gekauft V1 hat Wenn andererseits der Komplementierer nicht vorhanden ist, so würde sich gemäß dieser Analyse das finite Verb dorthin bewegen, wie in (40). Dazu kommt dann noch die Vorfeldbesetzung, die wir bereits gut kennen, ebenfalls durch Bewegung (in den SPEC,CP). Dies ist in den Beispielen unter der Struktur in (40) angedeutet. p. 13, Syntax 6: Spezifikatoren und Satztypen (40) CP C’ C | IP Maria VP1 VP2 DP | Bohnen V2 | gekauft V1 hat Maria hat Bohnen gekauft Bohnen hat Maria gekauft Dass das Vorfeld besetzt sein kann wenn ein finites Verb in C steht, aber nicht, wenn dass in C steht, können wir wiederum auf die Übereinstimmung zwischen Spezifikator und Kopf zurückführen. Die Zusammenhänge hier sind letztlich sehr komplex; für die Zwecke dieser Einführung können wir mit der folgenden Formulierung für das Deutsche arbeiten: (41) Übereinstimmung zwischen SPEC,CP und C im Deutschen: a. Wenn C mit einem Komplementierer (dass, weil, obwohl etc.) gefüllt ist, muss SPEC,CP leer bleiben (kann nicht genutzt werden). b. Wenn C mit einem finiten Verb gefüllt ist, kann SPEC,CP im Prinzip auch verwendet werden. Die Verwendung hängt dann von weiteren Faktoren ab. In einem normalen Deklarativsatz wird SPEC,CP (‘Vorfeld’) gefüllt. In einer W-Frage wird SPEC,CP durch die W-Phrase gefüllt. Somit haben wir zum einen eine plausible Analyse für die Grundposition des finiten Verbs am Satzende: Wie alle anderen Verben steht das finite Verb zunächst als Kopf einer VP, rechts in seiner VP. Zum anderen haben wir den Anfang einer Analyse für die Position des finiten Verbs in Deklarativsätzen, wo es nach dem Vorfeld steht: Wenn in C kein Komplementierer steht, dann bewegt sich im Deutschen das finite Verb in die C-Position. Damit haben wir auch eine Analyse für den Unterschied zwischen dem Englischen (36) und dem Deutschen (37). Im Englischen macht die Gegenwart oder Abwesenheit des Komplementierers that keinen Unterschied für die Wortstellung, da die C-Position in Deklarativsätzen ansonsten ungenutzt bleibt. Im Deutschen macht es einen großen Unterschied ob ein Komplementierer vorhanden ist oder nicht. Ist einer vorhanden, dann ist die CPosition gefüllt, und gemäß (41a) kann dann auch der SPEC,CP nicht verwendet werden. Ist andererseits kein Komplementierer vorhanden, so bewegt sich im Deutschen das finite Verb nach C, und macht dadurch gemäß (41b) den Weg frei für die Füllung des Vorfelds, i.e. des SPEC,CP. Der Unterschied ist der, den wir bereits in (35) oben formuliert haben: Im Englischen Deklarativsatz bleiben SPEC,CP und C leer, im deutschen Deklarativsatz werden sie gefüllt. (42) fasst zusammen, wie die unterschiedlichen Satztypen in unser Schema passen. Dabei haben wir für die Worte und Phrasen, die bewegt werden, jeweils die zugrunde liegende Position dadurch angezeigt, dass wir ein durchgestrichene Version des Worts oder der Phrase in die zugrundeliegende Position geschrieben haben. p. 14, Syntax 6: Spezifikatoren und Satztypen CP (42) SPEC,CP C' C IP SPEC,IP I' I Deutsch: Fragen was Deklarativsätze Maria [einen Hut] Nebensätze Englisch: Fragen what Deklarativsätze Nebensätze könnte könnte könnte dass Maria Maria Maria Maria might Mary Mary Mary that VP was kaufen könnte einen Hut kaufen könnte einen Hut kaufen könnte einen Hut kaufen könnte might might might buy what buy a hat buy a hat Die hier entwickelte Analyse ist die wenig umstrittene Standardanalyse des deutschen Satzbaus im Vergleich mit dem Englischen. Es gibt recht überzeugende unabhängige Evidenz, dass die Position des finiten Verbs am Satzende die zugrundeliegende ist (und die Position in C durch Bewegung abgeleitet ist). Ein Teil dieser Evidenz kommt von Verben mit trennbaren Präfixen wie auf-wecken, ein-schlafen, auf-machen, etc. Wenn das Verb in Endstellung steht, wie in den infiniten Fällen und den dass-Sätzen in (43), stehen Partikel und Verb zusammen. Es ist plausibel, dass dies die zugrundeliegende Stellung ist. (43) den Peter auf-wecken die Tür auf-machen dass die Maria den Peter auf-weckt dass die Maria die Türe auf-macht Wenn andererseits das finite Verb in C steht, ist es von seinem Partikel getrennt, wie in (44). Es ist plausibel, dass diese Reihenfolge durch eine Bewegung entstanden ist, bei der sich der finite Verbteil von seinem Partikel entfernt hat. (44) Die Maria weckt den Peter auf. Die Maria macht die Türe auf. Die Struktur eines dass-Satzes aus (43) ist in (45) gezeigt. Hier steht das Verb zusammen mit seinem Partikel. p. 15, Syntax 6: Spezifikatoren und Satztypen (45) CP (SPEC,CP) C' C | dass IP DP die Maria I' I VP1 DP den Peter V1 auf V1 | weckt (46) zeigt die entsprechende Struktur aus (44), mit Bewegung des finiten Verbs in die C-Position. (46) CP (SPEC,CP) C' C IP | V DP | weckt die Maria I I' VP1 DP den Peter/ wen [die Maria] [den Peter] weckt ____ den Peter weckt die Maria _____ V1 auf V1 | weckt auf auf ------[noch unfertiges folgendes und letztes Syntax-Kapitel: syntaktische Bewegung: - A-Bewegung im Englischen (Passiv, Raising) - A’-Bewegung (W-Bewegung, Vorfeldbesetzung) - Kopfbewegung (V-nach-C, evtl. every-one, some-one)] Dabei Verfeinerung und Vertiefung der Analyse hier (auch: nur Aux/Modal im Englischen, alle finite Verben im Deutschen) etc.] ------ p. 16, Syntax 6: Spezifikatoren und Satztypen Übungsaufgaben 1. Deutscher Hauptsatz Das kurze Gedicht in (i), von Joachim Ringelnatz, ist insgesamt ein finiter Satz. (i) Den Unterschied bei Mann und Frau Sieht man durchs Schlüsselloch genau. a. Was ist das Subjekt des Satzes? Geben Sie ein Argument für Ihre Antwort. b. Hat der Satz ein Objekt, und wenn ja, welches? c. Zeichnen Sie möglichst vollständig die Struktur dieses Satzes. Kommentieren Sie, welche Konstituente im Vorfeld steht, und wie das Vorfeld in der Analyse aus dem Kapitel dargestellt wird. d. Welche anderen Vorfeldbesetzungen lässt der Satz zu? Geben Sie jeweils die entsprechenden Sätze an und zeigen Sie dabei auf, was im Vorfeld steht was das finite Verb ist. 2. Deutsche und englische Hauptsätze im Vergleich Die Zeitungsüberschrift in (i) besteht aus zwei Hauptsätzen. (i) Der Ätna auf Sizilien brodelt wieder bedrohlich, seinen letzten gefährlichen Ausbruch hatte der Vulkan vor sieben Jahren. [Süddeutsche Zeitung, 22. Juli 2008] Wenn man den zweiten Satz ins Englische überträgt ohne die Wortstellung der Satzteile zu verändern ergibt sich der ungrammatische Satz in (ii). Richtig wäre im Englischen (iii). (ii) *Its last dangerous eruption had the volcano seven years ago. (iii) The volcano had its last dangerous eruption seven years ago. Erklären Sie diesen Unterschied zwischen dem Englischen und dem Deutschen mit Bezug auf die Darstellung der unterschiedlichen Satzstrukturen in dem Kapitel. Ihre Erklärung sollte folgendes umfassen: - Strukturen für den zweiten Satz von (i) und für (iii), die genau sein sollten in Bezug auf die Positionen SPEC,CP, C und SPEC,IP. Interne Strukturen für die einzelnen Satzteile sind nicht erforderlich. - Angaben dazu, was jeweils Subjekt und Objekt ist. - Eine Erklärung dafür, dass (ii) nicht als IP möglich ist, und eine dafür, dass (ii) nicht als CP möglich ist (denn wenn das eine oder das andere möglich wäre, müsste der Satz ja im Englischen grammatisch sein). - Ein Vergleich mit dem Deutschen: Ist der zweite Satz von (i) eine IP oder eine CP? Wieso ist die Struktur, die dem deutschen Satz erlaubt ist, der englischen Entsprechung in (ii) nicht erlaubt? p. 17, Syntax 6: Spezifikatoren und Satztypen 3. Dass-Sätze und Hauptsätze (i) Oben und unten Daß der Kopf die Welt beherrsche, Wär zu wünschen und zu loben. Längst vor Gründen wär die närr'sche Gaukelei in Nichts zerstoben. Aber wurzelhaft natürlich herrscht der Magen nebst Genossen und so treibt, was unwillkürlich, täglich tausend neue Sprossen. [Wilhelm Busch] Der Satz in (ii) ist dem Gedicht oben entnommen (der Konjunktiv I wurde dabei durch den Indikativ ersetzt). (iii) ist ein entsprechender Hauptsatz, (iv) und (v) sind Übersetzungen ins Englische. (ii) (iii) (iv) (v) Dass der Kopf die Welt beherrscht ... Der Kopf beherrscht die Welt. That the head rules the world ... The head rules the world. [sicherstellen dass aus Stoff klar ist, dass I im Englischen auch leer sein kann] a. Zeichnen Sie die Strukturen der vier Sätze in (ii) – (v) möglichst vollständig. b. Kommentieren Sie, wo die Reihenfolge der Satzteile im Deutschen und Englischen ähnlich aussieht und auch in der Analyse ähnlich ist. c. Kommentieren Sie, wo die Reihenfolge der Satzteile im Deutschen und Englischen ähnlich aussieht, aber in der Analyse doch deutlich unterschiedlich ist. d. Welche Konsequenzen haben diese Unterschiede für mögliche Umstellungen der Satzteile? 4. Spezifikator der DP und PPs (i) (ii) (iii) (iv) der Mutter ihr Haus das Haus von der Mutter der Mutter von Peter ihr Haus das Haus von der Mutter von Peter a. Zeichnen Sie die Strukturen der Ausdrücke in (i) - (iv). b. Die Ausdrücke in (i) – (iv) beziehen sich jeweils auf ein Haus. Dies sollte sich in einer 'konstanten' Verortung des Nomens 'Haus' in der Struktur von (i) - (iv) niederschlagen. Kommentieren Sie, inwiefern dies der Fall ist. c. Die Wortfolge 'der Mutter von Peter' kommt in (iii) und in (iv) vor. Ist es in beiden Fällen eine Konstituente? (Ein Konstituententest ist hier nicht erforderlich, aber eine kurze Einschätzung, ob es sich in beiden Fällen um eine Bedeutungseinheit handelt.) d. Wo spielt die Übereinstimmung von D-Kopf und SPEC,DP eine Rolle in diesen Strukturen? Zeigen Sie dazu auf, wo eine entsprechende Formulierung zur Übereinstimmung im Text des Kapitels hier Anwendung findet. p. 18, Syntax 6: Spezifikatoren und Satztypen 5. Rekursive Possessoren In der Struktur in (i) kommt zweimal das Englische possessive [-s] vor. (i) Peter's mother's brother a. Zeichnen Sie eine Struktur für (i). Dabei kommen mehrere unterschiedliche DPs vor. Halten Sie diese in Ihrer Struktur auseinander, indem Sie sie DP1, DP2 (etc.) nennen. Verwenden Sie diese Indices auch für die jeweils dazugehörigen D'-Knoten und D-Knoten (also D1 ist der Kopf von DP1 etc.) b. Geben Sie für jede der DPs an, auf welches Individuum es referriert (Peter, die Mutter von Peter, der Bruder von Peter, der Bruder der Mutter von Peter und/oder die Mutter des Bruders von Peter). c. Kann jede der DPs in Ihrer Struktur auch alleine (beispielsweise als das Subjekt eines Satzes) vorkommen? Geben Sie entsprechende Beispiele. d. Kommentieren Sie, wie Ihre Struktur das Vorkommen von zwei [-s] in (i) erklärt. e. Lässt sich (i) ins Deutsche übertragen mit der umgangssprachlichen Konstruktion, die wir etwa in 'der Maria ihr Auto' vorliegen haben? Zeichnen Sie auch für diese deutsche Entsprechung eine syntaktische Struktur. 6. Bairische eingebettete Sätze Die bairischen Sätze in (i) und (ii) entsprechen dem Standdardeutschen dass-Satz in (iii) (i) [Da Xaver dass an Mantl kaffd hod] hod neamt glaubt Der Xaver dass einen Mantel gekauft hat hat niemand geglaubt (ii) [An Mantl dass da Xaver kaffd hod] hod neamt glaubt Einen Mantel dass der Xaver gekauft hat hat niemand geglaubt (iii) [Dass der Xaver einen Mantel gekauft hat] hat niemand geglaubt a. Wie könnte man die Bairischen Sätze analysieren – welche Position könnte da Xaver in (i) bzw. an Mantl in (ii) einnehmen? b. Zeichnen Sie eine entsprechende Struktur für den Satz in eckigen Klammern in (i). c. Welche der Abhängigkeiten zwischen C-Kopf und SPEC,CP aus dem Standdarddeutschen gilt im Bairischen nicht? d. Eine Analyse, die nicht richtig wäre, würde postulieren, dass das Subjekt da Xaver in (i) im SPEC,IP steht. Nennen Sie zwei Gründe, die gegen diese Analyse sprechen. p. 19, Syntax 6: Spezifikatoren und Satztypen 7. Eingebettete Fragen im Standarddeutschen und Bairischen (i) Welcher Student hat das getan? Welchen Weg sollen wir einschlagen? Um wieviel Uhr kommt der Xaver? (ii) Ich weiß nicht, welcher Student das getan hat. Ich weiß nicht, welchen Weg wir einschlagen sollen. Ich weiß nicht, um wieviel Uhr der Xaver kommt. a. Was steht in (i) jeweils in SPEC,CP und in der C-Position? b. In (ii) sehen Sie entsprechende eingebettete Fragen. Diese verwenden nur eine der Positionen SPEC,CP und C – welche? Begründen Sie Ihre Antwort. c. Zeichnen Sie eine vollständige Struktur der eingebetteten Frage des ersten Beispiels in (ii). d. Was ist in den Bairischen Beispielen in (iii) anders als im Standarddeutschen? e. Schlagen Sie eine Analyse der bairischen eingebetteten Fragen vor, in Form einer syntaktischen Struktur für das erste Beispiel in (iii). f. Welche der Abhängigkeiten zwischen C-Kopf und SPEC,CP aus dem Standdarddeutschen gilt im Bairischen nicht? [Falls Sie auch Aufgabe 6. bearbeiten: gibt es eine Parallele zu der Lösung dort?] (iii) I woaß net [wer dass des tõa hod] Ich weiß nicht wer dass das getan hat ("õ" ist nasales "o".) I woaß net [wos dass -ma tõa soin] Ich weiß nicht was dass wir tun solln I woaß net [wann dass da Xaver kummt] Ich weiß nicht wann dass der Xaver kommt p. 20, Syntax 6: Spezifikatoren und Satztypen