4 1. Kompensationsanlage Entstehung von Blindstrom Elektrogeräte im Privatbereich und in der Wirtschaft werden überwiegend mit Wechselspannung betrieben. Die Frequenz dieser Wechselspannung beträgt 50 Hz. Der Effektivwert der Spannung ist 230 Volt. In Bild 1 ist der zeitliche Verlauf der Wechselspannung dargestellt. Der Augenblickswert der Spannung ändert sich ständig zwischen einem positiven und einem negativen Maximalwert. Der Betrag dieses Maximalwertes lässt sich errechnen, indem man den Effektivwert mit dem Faktor √⎯2 multipliziert. Dabei ergibt sich eine maximale Spannung û = 325 V. 1.1 Ohmsche Last an Wechselspannung Wenn an diese Versorgungsspannung elektrische Verbrauchsmittel angeschlossen werden, die ohmsche Widerstände darstellen, dann verhält sich zu jedem Zeitpunkt der Strom proportional zur Spannung, d. h., wenn die Spannung am größten ist, ist auch der Strom am größten; wenn die Spannung 0 Volt beträgt, beträgt auch der Strom 0 Ampere. Dieser Zusammenhang ist grafisch in Bild 2 dargestellt. Aus der Multiplikation des Stromes mit der Spannung ergibt sich die Leistung, die im elektrischen Betriebsmittel umgesetzt wird. Auch die Leistung ist nicht zu jedem Zeitpunkt gleich. Wenn der Strom bzw. die Spannung den Wert 0 hat, hat auch die Leistung den Wert 0. Wenn der Strom oder die Spannung einen Maximalwert hat, ist auch die Leistung am größten. Bei positiver Spannung ist auch der Strom positiv; bei negativer Spannung hat auch der Strom ein negatives Vorzeichen. Das Produkt aus Strom und Spannung ist immer positiv, d. h., im elektrischen Verbrauchsmittel wird zu jedem Zeitpunkt elektrische Energie in eine andere Energieform umgesetzt. Bild 1: Zeitlicher Verlauf der sinusförmigen Wechselspannung U Bild 2: Zusammenhang zwischen Spannung, Strom und Leistung bei sinusförmiger Wechselspannung und ohmscher Belastung Bild 3: Zusammenhang zwischen Spannung, Strom und Leistung bei sinusförmiger Wechselspannung und induktiver Belastung Kompensationsanlage 1.2 Induktive Last an Wechselspannung Werden elektrische Verbrauchsmittel an Wechselspannung angeschlossen, deren Verhalten nicht nur durch ohmsche Widerstände bestimmt wird, sondern auch durch induktive Anteile, dann sind Strom und Spannung nicht mehr phasengleich. Der Strom eilt der Spannung um den Phasenwinkel nach. Solche elektrischen Verbrauchsmittel sind z. B. die Motoren von Kreissägen, Hobelmaschinen, Schleifmaschinen, Bohrmaschinen usw. 2. 5 Grundlagen der Blindleistungskompensation Bild 5 zeigt das Parallelersatzschaltbild eines elektrischen Verbrauchsmittels mit induktivem Widerstandsanteil. Durch den induktiven Widerstand fließt der Blindstrom IB. Durch den ohmschen Widerstand fließt der Wirkstrom IW. Im ohmschen Widerstand fließt zu jedem Zeitpunkt ein Strom, der zur Spannung proportional ist. Das Produkt aus der Spannung und dem Strom ergibt die Leistung. Diese Leistung wird häufig als Wirkleistung bezeichnet. Gleichzeitig fließt aber im induktiven Widerstand ein der Spannung um 90° nacheilender Strom. Dieser Blindstrom überlagert den Wirkstrom und führt zu einer Phasenverschiebung zwischen der Spannung und dem Strom (Bild 3, → S. 4). Er trägt aber nicht zur Wirkleistung (nutzbare Leistung) bei, sondern dient dem Aufbau des Magnetfeldes. Im Magnetfeld wird aber keine Energie genutzt, sondern nur zwischengespeichert. Beim Abbau des magnetischen Feldes wird diese gespeicherte Energie wieder in das Netz zurückgegeben. Sie fließt also zwischen dem Stromerzeuger und dem elektrischen Betriebsmittel hin und her. In Bild 4 ist dieser Vorgang schematisch dargestellt. Bild 5: Bild 4: Leistungsbilanz bei der Energieübertragung Aufgabe 1: Nennen Sie drei elektrische Verbrauchsmittel, die in der Tischlerei zur Entstehung von induktivem Blindstrom führen. Parallelersatzschaltbild und Zeigerdiagramm eines induktiven elektrischen Betriebsmittels Zwischen dem Wirkstrom und der Betriebsspannung besteht keine Phasenverschiebung. Der induktive Blindstrom ist gegenüber der Betriebsspannung bzw. gegenüber dem Wirkstrom um 90 ° phasenverschoben. Die geometrische Addition der beiden Ströme ergibt den Gesamtstrom I. Der tatsächlich fließende Strom ist wesentlich größer als der Strom, der im elektrischen Verbrauchsmittel zu einer nutzbaren Leistung führt. Das Verhältnis des Wirkstromes IW zum Gesamtstrom I ergibt sich aus dem Kosinus des Phasenverschiebungswinkels. cos = Aufgabe 2: Nennen Sie drei elektrische Verbrauchsmittel, die in einer Anlage keinen Blindstrom erzeugen. IW I Da die im Versorgungsnetz übertragene Leistung in einem direkten Verhältnis zum fließenden Strom steht, kann man sagen: Der cos gibt an, welcher Teil der Gesamtleistung vom elektrischen Verbrauchsmittel genutzt wird. Je geringer der Anteil der genutzten Leistung ist, umso mehr Leistung muss im Versorgungsnetz zur Verfügung gestellt werden, um bei einem elektrischen Betriebsmittel einen vorgegebenen Bedarf zu decken. Daher ist es sinn- 6 Kompensationsanlage voll, einen cos anzustreben, der einen Wert von annähernd 1 hat. Die gesamte zugeführte Leistung wird dann nahezu ausgenutzt. Aufgabe 3: Welcher im Versorgungsnetz fließende Strom führt in der Verbraucheranlage zu einer nutzbaren Leistung? Eine volle Ausnutzung der zugeführten Leistung erfolgt dann, wenn in der Zuleitung zum elektrischen Verbrauchsmittel kein Blindstrom, sondern nur Wirkstrom fließt. Dieses lässt sich erreichen, wenn dem Stromkreis ein Kondensator hinzugefügt wird, in dem ein kapazitiver Blindstrom (d. h., ein Strom, der der Spannung um 90° vorauseilt) fließt, der so groß ist, dass er den induktiven Blindstrom ausgleicht (kompensiert). Wirkstrom lW Gesamtstrom l Blindstrom lB 3. Ausführungen von Kompensationsanlagen Bei der Realisierung von Blindstromkompensationsanlagen werden drei unterschiedliche Arten ausgeführt. Bei der Einzelkompensation wird jedem induktiven elektrischen Verbrauchsmittel eine Kondensatoreinheit parallel geschaltet. Das elektrische Verbrauchsmittel und die Kondensatoreinheit sind fest miteinander verbunden. Bild 6: Zeitlicher Zusammenhang zwischen induktivem und kapazitivem Blindstrom Während im induktiven Widerstand ein positiver Strom fließt, fließt gleichzeitig im kapazitiven Widerstand ein gleich großer negativer Strom. Während der Strom im induktiven Widerstand negativ ist, fließt ein positiver Strom im kapazitiven Widerstand. Die Summe dieser beiden Blindströme ist zu jedem Zeitpunkt 0. Dadurch ist sichergestellt, dass dem Versorgungsnetz nur noch Wirkstrom entnommen wird. Beim Einschalten des elektrischen Verbrauchsmittels wird gleichzeitig der Kondensator mit ans Netz geschaltet. Diese Art der Kompensation wird häufig vorgesehen, wenn nur einzelne größere elektrische Verbrauchsmittel kompensiert werden sollen, ansonsten aber eine Kompensation der Gesamtanlage nicht vorgesehen ist, und bei Leuchtstofflampen. Dieses ist z. B. der Fall, wenn in einem Betrieb nur ein geringer Blindstrombedarf vorhanden ist, aber häufiger ein großes Schweißgerät benutzt wird, das einen sehr „schlechten“ cos hat. In dem in diesem Ausbildungsheft betrachteten Tischlereibetrieb findet für die Leuchtstofflampenleuchten die Einzelkompensation Anwendung. Es sind Leuchten mit zwei Lampen eingesetzt, die in Duoschaltung betrieben werden. Durch die Verwendung kompensierter Leuchten in Duoschaltung wird der stroboskopische Effekt (Flimmereffekt) der Lampen erheblich vermindert. Bild 7: Zeigerdiagramm bei vollkommen kompensiertem Blindstrom Bei der Betrachtung des Zeigerdiagramms erkennt man, dass bei gleicher Größe von kapazitivem Blindstrom lC und induktivem Blindstrom lL diese beiden Ströme sich gegenseitig aufheben. Der Gesamtstrom I entspricht dann dem Wirkstrom lW. Bei der Gruppenkompensation wird für mehrere elektrische Verbrauchsmittel, die gleichzeitig geschaltet werden, eine gemeinsame Kondensatoreinheit vorgesehen. Ihre Größe ist so bemessen, dass sie den induktiven Blindstrom der gesamten elektrischen Verbrauchsmittelgruppe kompensieren kann. Der Kondensator wird zusammen mit den elektrischen Verbrauchsmitteln eingeschaltet und ausgeschaltet.