Michel Clement/Anke Hille/Bernd Lucke/Christina Schmidt-Stölting/Frank Sambeth * Der Einfluss von Rankings auf den Absatz – Eine empirische Analyse der Wirkung von Bestsellerlisten und Rangpositionen auf den Erfolg von Büchern ∗∗ Zusammenfassung Ranglisten faszinieren Menschen – jeder möchte gerne den Wettbewerb dokumentiert sehen oder sich einordnen können. Neben der reinen Unterhaltung haben Ranglisten aber auch erhebliche psychologische und ökonomische Wirkungen auf zahlreiche Marktakteure. Auf der Basis eines umfangreichen Datensatzes aus der Buchbranche (609 Bücher) und zahlreichen Kontrollvariablen konzentrieren wir uns auf zwei Fragen: Zum einen untersuchen wir den Effekt der Positionierung eines Buches in der Bestsellerliste auf den wöchentlichen Absatz. Zum anderen suchen wir nach möglichen Schwellenwerten (z.B. die Top 10) in der Bestsellerliste. Mittels Paneldatenanalysen zeigen wir, dass in der kurzen Frist ein hoch signifikanter Erfolgsbeitrag der Bestsellerliste (Top 50) insgesamt vorliegt, d.h. es liegen keine Schwellenwerteffekte vor. In der langen Frist finden wir hingegen ausschließlich signifikante Effekte von Schwellenwerten. Dort weisen die Positionen innerhalb der Top 10 bzw. Top 20 in der Vorperiode einen signifikant positiven Effekt auf, allerdings findet sich kein Effekt der Bestsellerliste, wenn Positionen unterhalb der Top 20 belegt werden. JEL-Classification: Keywords: C23, M31, L82. Arellano-Bond estimation; book industry; endogeneity; rankings. Arellano-Bond-Schätzung; Buchmarkt; Endogenität; Rankings. * ∗∗ Prof. Dr. Michel Clement, Dipl.-Kffr. Anke Hille und Dipl.-Kffr. Christina Schmidt-Stölting, Lehrstuhl für Marketing und Medienmanagement, Institut für Marketing und Medien, Universität Hamburg, Von-Melle-Park 5, 20146 Hamburg Tel: +49 40 42838 4275, E-Mail: [email protected], [email protected], [email protected]; Prof. Dr. Bernd Lucke, Institut für Wachstum und Konjunktur, Universität Hamburg, Von-Melle-Park 5, 20146 Hamburg Tel: +49 40 42838 2080, E-Mail: [email protected]; Dr. Frank Sambeth, Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München, E-Mail: [email protected]. Wir danken Dr. Thomas Wilking vom Buchreport, Lutz Kettmann vom Rowohlt Verlag und Detlef Wolters von Innofact AG für die Daten bzw. die Diskussion mit uns, sowie zwei anonymen Gutachtern für wertvolle Hinweise. 1 1 Einfluss von Rankings Ranglisten, sei es für Zeitschriften, Wissenschaftler, Prominente, Produkte oder auch Firmen, üben eine erhebliche Faszination auf die Beteiligen aus und erregen in vielen Fällen die Gemüter der Betroffenen – aber auch die der Nichtbetroffenen. Rankings liefern Aufmerksamkeit und entscheiden teilweise über Macht, Erfolg, Budget-Verteilungen (oder Bonuszahlungen) von Personen oder Institutionen. Entsprechend führen Top-Positionen auf Ranglisten zu Champagnerlaune: So feiern Hochschulen exzellente Positionierungen in Hochschulrankings ebenso wie Künstler, wenn ihr neues Werk (z.B. ein Lied) auf Platz 1 in den Charts ist. Die Managementrelevanz von Rankings begründet sich darin, dass aktuelle Rangpositionen und deren Veränderung über die Zeit zahlreiche psychologische und ökonomische Auswirkungen auf die Marktbeteiligten haben 1 . Im Buchbereich dienen z.B. Bestsellerlisten zur Orientierung von Kunden, Händlern, Kritikern, Autoren und Verlagen sowie für Wettbewerber – und haben so eine hohe praktische Relevanz im Verlagsgeschäft 2 . Eine besondere Relevanz besitzen Rankings bei hedonischen Gütern, deren Konsum typischerweise experimenteller Natur ist und Spaß, Vergnügen und Emotionen erzeugt 3 . Da zudem bei hedonischen Gütern der Konsum häufig symbolischer Natur ist und die Unsicherheit über die Qualität des Produkts vor dem Konsum kaum einschätzbar ist, orientieren sich z.B. Buchkäufer häufig anhand von Bestellerlisten, um so hohe Opportunitätskosten zu vermeiden 4 . Auch der Handel nutzt Bestsellerlisten zur Sortimentsoptimierung 5 : So steigt die Distributionsquote erheblich an, wenn ein Buch in die oberen Bereiche der Liste vorstößt, was wiederum den Absatz erhöht 6 . Ein Blick in eine Buchhandlung zeigt zudem, dass Bestseller besonders exponiert ausgestellt werden, so dass die Kaufwahrscheinlichkeit steigt. Bestsellerlisten sind ebenfalls für die Autoren bzw. Verlage hochrelevant, denn sie führen zu verstärkter Aufmerksamkeit. Ein Buch von einem unbekannten Autor, das in die Bestsellerliste kommt, ist für Kritiker und Journalisten interessant und entsprechend steigt die Wahrscheinlichkeit, dass werbewirksam über das Buch berichtet wird 7 . Bestsellerlisten haben demnach Werbebzw. Promotioncharakter für Autoren und Verlage. In größeren Autorenverträgen wird häufig 1 2 3 4 5 6 7 Vgl. Bradlow/Fader (2001). Vgl. Kerlen (2003); Vogel (2004). Vgl. Hirschman/Holbrook (1982). Vgl. Dhar/Wertenbroch (2000); Kahnx/Ratner/Kahneman (1997); Okada (2005). Vgl. Kerlen (2003); Vogel (2004). Vgl. Reibstein/Farris (1995). Vgl. Clement/Proppe/Rott (2007). 2 ein Teil der Vergütung für den Autor an die Positionierung in der Bestsellerliste gekoppelt, was die wirtschaftliche Bedeutung unterstreicht. Auch bewerben Verlage Bücher von Bestsellerautoren stärker, um die Marke des Autors langfristig auszubauen, so dass deutlich wird, dass Rankings eine erhebliche ökonomische Relevanz haben8 . Vergleichbare psychologische und ökonomische Wirkungen von Rankings lassen sich in zahlreichen anderen Bereichen finden. So erfreuen sich top-gerankte Hochschulen einer besseren Bewerbungssituation seitens der Studenten und Wissenschaftler, A-Journals bekommen bessere Manuskripte als B- oder C-Journals eingereicht, Rankings von Anwälten oder Ärzten steigern die Nachfrage nach den Spitzenleuten und „Chartbreaker“ werden häufiger im Radio gespielt als andere Songs. Die praktische Erfolgsrelevanz von Rankings zeigt sich auch in dem Anreiz, eigene Produkte über Strohmänner zu kaufen, so dass sie in die Charts kommen. Derartige Chartmanipulationen wurden beispielsweise dem Musikproduzenten David Brandes nachgewiesen, der systematisch CDs der eigenen Künstler (u.a. Gracia) kaufte, um über höhere Chartpositionierungen eine Absatzakzeleration zu erzielen 9 . Obgleich Rankings schon lange in zahlreichen Bereichen eingesetzt werden und seit Jahrzehnten dokumentiert sind (z.B. die Billboard 100 Musiccharts), ist der Forschungsstand zur Wirkung von Rankings gering. Zwar wird in zahlreichen Beiträgen immer wieder deren Relevanz hervorgehoben (etwa bei Zeitschriften-Rankings) 10 , allerdings existieren kaum Studien, die den Einfluss der Rankings auf den Markterfolg quantitativ belegen. Nur wenige empirische Studien widmen sich dieser Fragestellung: So untersuchen Bradlow und Fader (2001) oder Giles (2007) den Lebenszyklus von Musikalben in den US-Billboard Charts, allerdings fokussieren die Autoren auf die Modellierung des Verlaufs bzw. des Überlebens innerhalb der Rangliste und nicht auf die Wirkung, die eine bestimmte Position auf den Absatz eines Albums hat. Nur im Rahmen von vereinzelten Erfolgsfaktorenstudien im Bereich der hedonischen Güter lassen sich erste Indikatoren identifizieren, die auf eine erhebliche Relevanz von Rankings hindeuten 11 . Allerdings lassen sich auch hier wenige Rückschlüsse auf die Erfolgswirkung von Rankings auf den Absatz bzw. Umsatz oder gar Gewinn ziehen. Ebenfalls bleibt offen, inwieweit bestimmte Schwellenwerte (z.B. die Top 10) erreicht werden müssen, um substanzielle Effekte im Markt zu erzielen. 8 9 10 11 In der theoretischen Diskussion zur Starentstehung wird angeführt, dass Stars ihr Einkommen im Wesentlichen aus der relativen Position im (Ranking-)Markt durchsetzen können; vgl. Levin/Levin/Heath (1997); Rosen (1981); Adler (1985); Albert (1998). Vgl. ifpi (2005). Vgl. z.B. Hennig-Thurau/Walsh/Schrader (2004) oder Schlinghoff/Backes-Gellner (2002). Vgl. Giles (2007); Clement/Proppe/Sambeth (2006); Franck/Winter (2003); Sorensen (2004). 3 Der Mangel an empirischen Studien lässt sich im Wesentlichen auf zwei Gründe zurückführen: Zum einen sind die Anforderungen an die Daten sehr hoch, denn es müssen wöchentliche Absatzdaten für den Markt vorliegen, wenn der Effekt von wöchentlich erscheinenden Rankings untersucht werden soll. Zudem müssen zentrale erfolgsrelevante Variablen über die Laufzeit in den Rankings kontrolliert werden. Zum anderen erfordert die Modellierung der Effekte eine Berücksichtigung sowohl der Zeitstruktur als auch der Querschnittsstruktur, denn einerseits ist ein Ranking – zumindest im Medienbereich – in vielen Fällen nichts anderes als die Reihenfolge des Absatzerfolgs in der Vorwoche, andererseits kann der (annähernd) zeitgleiche Erfolg von Konkurrenzprodukten den eigenen Absatz substanziell beeinflussen. Mit diesem Beitrag adressieren wir diese Forschungslücke, indem wir einen umfangreichen Datensatz aus der Buchbranche analysieren, der die oben genannten Datenanforderungen erfüllt. Konkret fokussieren wir bei der Modellierung und ökonometrischen Schätzung auf zwei Ziele: (1) Wir untersuchen die Stärke des Effekts aus der Positionierung eines Buches in der Bestsellerliste in den jeweils vorgelagerten Wochen auf den aktuellen Absatz und liefern somit Aussagen zur Erfolgsrelevanz von Rankings bei Büchern. (2) Wir betrachten Schwellenwerte und analysieren, ob es ausreicht, wenn ein Buch in die Top 50 einsteigt, oder ob Effekte der Top 10 oder 20 substanziell höher ausgeprägt sind. Der Analyse liegen umfangreiche Daten des deutschen Buchmarktes aus den Jahren 2003 bis 2006 zugrunde. Es handelt sich um eine Vollerhebung aller deutschen Neuerscheinungen im Bereich der Belletristik, die als Hardcover und als Taschenbuch in den Markt eingeführt wurden und mindestens 1.500 Stück in einem Jahr verkauft haben (n = 609 Bücher). Uns liegen die wöchentlichen Absatzzahlen aller Hardcover-Bücher für jeweils ein Jahr vor. Angelehnt an die bestehende Literatur zu den Erfolgsfaktoren von hedonischen Gütern haben wir zahlreiche Kontrollvariablen gebildet, um so den Effekt der Bestsellerlisten möglichst gut zu isolieren 12 . Wir analysieren die Effekte wochenspezifisch, um den Buchmarktgegebenheiten gerecht zu werden. So weisen Bücher – analog zu anderen Medienprodukten – Besonderheiten im Lebenszyklus auf, die gesondert zu modellieren sind 13 . Wir erweitern hierbei auch den 12 13 Vgl. z.B. Elberse/Eliashberg (2003); Eliashberg/Elberse/Leenders Thurau/Walsh/Wruck (2001); Basuroy/Chatterjee/Ravid (2003). Vgl. Sawhney/Eliashberg (1996); Ainslie/Drèze/Zufryden (2005). (2006); Clement/Proppe/Rott (2007); Hennig- 4 methodischen Ansatz von Elberse und Eliashberg (2003) aus dem Filmbereich und werten die Daten regressionsanalytisch aus. Unsere Ergebnisse erweitern den Stand der Literatur in drei Bereichen: (1) Unsere Analyse zeigt inhaltlich auf, wie stark die Effekte von Rankings im Laufe des Lebenszyklusses eines Produktes sind und liefert somit einen differenzierten empirischen Beleg für die Relevanz von Rankings. Wir zeigen ebenfalls Schwellenwerteffekte bei Rankings im Zeitverlauf auf und können so konkrete Managementimplikationen ableiten. (2) Unsere Modellierung berücksichtigt neben den zeitlichen Effekten auch die Wirkungen zahlreicher anderer Kontrollvariablen, so dass die Ergebnisse auch den bisherigen Stand zur empirischen Forschung von Erfolgstreibern hedonischer Güter erweitern, die sich bislang vorrangig auf die Filmindustrie fokussiert haben 14 . (3) Wir verwenden mit dem Arrellano-Bond-Schätzer moderne Methoden der Paneldatenökonometrie, die in der betriebswirtschaftlichen Forschung bislang kaum verwendet wurden 15 . Dieses Verfahren ermöglicht eine konsistente Parameterschätzung auch in dynamischen Panels. Es unterstellt fixed effects, ist aber auch dann asymptotisch unverzerrt, wenn tatsächlich random effects vorliegen. Im Folgenden werden wir zunächst unsere Hypothesen theoretisch herleiten, bevor im dritten Abschnitt die Daten und Operationalisierungen diskutiert werden. Der vierte Abschnitt widmet sich dann der Modellierung, Schätzung und Validierung der Panelmodelle. Im fünften Abschnitt gehen wir auf die Ergebnisse ein. Der Aufsatz endet mit den Implikationen für Forschung und Management und der Diskussion der Limitationen dieser Untersuchung. 2 Theoretische Analyse und Hypothesenbildung Seit 1971 ermittelt der Buchreport in Deutschland die Bestsellerlisten von Büchern (die u.a. im SPIEGEL abgedruckt werden). Hierfür werden seit 2001 bei rund 350 repräsentativ ausgewählten Buchhändlern die Absatzdaten elektronisch erhoben. Diese stellen die Basis für die wöchentlichen Top 50 der Belletristik dar – d.h. die Listen spiegeln das tatsächliche Ein- 14 15 Vgl. Eliashberg/Elberse/Leenders (2006). Vgl. Arellano/Bond (1991). 5 kaufsverhalten von Konsumenten wider 16 . Abbildung 1 zeigt auf, dass die Bestsellerlisten bzw. die Buchabsätze generell von Marktteilnehmern beeinflusst werden – und wir hypothetisieren, dass es vice versa auch so ist. Die Position eines Buches in der Bestsellerliste hängt von seinem Absatz in der Vorwoche ab. Demnach haben absatzfördernde Maßnahmen einen Einfluss auf die Position im Ranking. Allerdings ist ein Ranking eine relative Beziehung der Bücher im Wettbewerb zu einem bestimmten Zeitpunkt, so dass auch Wettbewerbsmaßnahmen zu Rankingveränderungen führen können. Wie einleitend dargestellt ist der bisherige Forschungsstand zur Wirkung von Rankings auf den Absatz nur sehr rudimentär betrachtet worden 17 . Allerdings deuten sowohl unsere Gespräche mit Verlagsmanagern von Random House und dem Rowohlt Verlag als auch die theoretischen und die wenigen empirischen Studien auf eine Erfolgsrelevanz von Ranglisten hin 18 . Entsprechend formulieren wir zwei Hypothesen: Hypothese 1: Wenn ein Buch in der Bestsellerliste (hier: die Top 50 des deutschen Buchmarktes) geführt wird, dann steigt der Absatz ceteris paribus signifikant an. Hypothese 2: Es existieren mit den Top 10 und Top 20 zwei Schwellenwerte in der Bestsellerliste. Beide Hypothesen begründen sich auf dem in Abbildung 1 dargelegten Rankingeffekt, der durch Aktionen und Reaktionen der Marktteilnehmer theoretisch zu untermauern ist 19 . Abbildung 1: 16 17 18 19 Bestsellerlisten und Marktteilnehmer im Buchmarkt Wir möchten uns sehr herzlich bei Dr. Thomas Wilking vom Buchreport für die Bereitstellung und die zahlreichen Informationen zu den Bestsellerlisten bedanken. In der Bestsellerermittlung sind auch Online-Händler wie Amazon enthalten (Anmerkung: Es handelt sich hier nicht um die Absatzzahlen, die wir von Media Control verwenden. Deren Zahlen basieren auf einer Stichprobe von mehr als 750 Buchhändlern). Vgl. hierzu insbesondere auch Bradlow/Fader (2001). Vgl. vor allem Bradlow/Fader (2001). Vgl. Hjorth-Andersen (2000). 6 Bestsellerlisten stellen nicht nur das vergangene Verhalten von Buchkäufern dar, sondern sie beeinflussen auch das aktuelle Kundenverhalten (Effekt 2 in Abbildung 1). Dies gilt insbesondere dann, wenn die Bewertung der Qualität eines Produktes vor dem Konsum nur mit hohem Aufwand möglich ist und bei der Bewertung der (hedonischen) Eigenschaften nach Qualitätssignalen gesucht wird 20 . Hier bieten sich Bestsellerlisten an, da diese die Nachfrageverhältnisse im Markt institutionalisieren und der Kunde sich an den Qualitätseinschätzungen anderer Personen orientieren kann 21 . Ranglisten manifestieren und fördern demnach den Herdentrieb der Menschen 22 . Bestsellerlisten stellen Koordinationsmechanismen dar, die soziale Effekte verbriefen. Da hedonische Produkte oft eine Symbolfunktion innehaben, ist das Konsumrisiko hoch, das falsche Buch zu wählen. So ist es für viele Leser ein Element der sozialen Positionierung, welche Bücher sie lesen bzw. im Regal stehen haben. Es ist wichtig, die „relevante“ Literatur innerhalb des eigenen sozialen Netzes zu kennen, um mitreden zu können 23 . Aus der hedonischen Komponente lässt sich daher auch das Vorliegen von Netzeffekten und die Nutzung des Bandwagon-Prozesses aus der Bestsellerliste begründen, denn je mehr Personen das Buch gelesen haben, desto geringer ist das soziale Risiko für den Einzelnen 24 . 20 21 22 23 24 Vgl. Batra/Ahtola (1990). Vgl. Chevalier/Mayzlin (2006); Bradlow/Fader (2001). Vgl. Banerjee (1992); Hanson (1996). Vgl. Salganik/Dodds/Watts (2006). Vgl. Clement/Papies/Albers (2008). 7 Neben den Käufern reagieren auch Meinungsführer (häufig in Form von Kritikern) auf Bestsellerlisten (Effekt 3 in Abbildung 1). In der Literatur wird vorrangig auf den Meinungsführerbzw. Werbeeffekt von Kritikern abgestellt, der in den empirischen Studien gestützt wird 25 . Allerdings unterliegen Kritiker und andere Meinungsführer (z.B. Journalisten) auch einem Selektionseffekt, der zu einer höheren Besprechungswahrscheinlichkeit für (potenzielle) Bestseller führt 26 . Demnach beeinflusst die Bestsellerliste auch die Kritiker, so dass möglicherweise von dem Ranking eine Besprechung initiiert wird, die dann einen absatzfördernden Effekt hat. Im Jahre 2006 wurden 94.716 Titel (davon 81.177 Erstauflagen) von den Verlagen in den Markt eingeführt 27 . Die Budgetlimitation der Verlage erfordert aufgrund der hohen Produktionsmenge eine Fokussierung auf wenige Titel zur gezielten Absatzförderung, um so ausreichend Werbedruck je Buch aufzubauen 28 . Die Verlage bevorzugen bei der Budgetallokation auf Buchebene die Neuerscheinungen, die ein hohes Erfolgspotenzial aufweisen (z.B. weil sie von Star-Autoren stammen). Die Marketingmaßnahmen der Verlage führen zu einer Absatzsteigerung und somit zu einer zunehmenden Wahrscheinlichkeit des Einstiegs in die Bestsellerlisten (Effekt 4 in Abbildung 1). Wenn ein Buch in der Bestsellerliste positioniert ist und knapp unter den Top 20 weilt, dann versuchen die Verlage mit gezielten PR- und Werbemaßnahmen das Buch in die Top 20 zu bringen 29 . Hintergrund hierfür ist, dass nur die Top 20 im SPIEGEL abgedruckt werden, während Rang 21-50 (für den Betrachtungszeitraum) lediglich in Branchenmagazinen kommuniziert wird. Demnach versprechen sich die Verlage (und Autoren) eine Absatzsteigerung von bestimmten Rangpositionen – oder wie bereits Faulstich (1983) die Werbefunktion der Bestsellerliste hervorhebt „it helps selling“ 30 . Auch durch die Reaktion des Buchhandels ist zu vermuten, dass Bestsellerlisten einen Einfluss auf den Absatz aufweisen (Effekt 5 in Abbildung 1). Im Jahr 2005 erwirtschaften Buchhandlungen etwa € 2,8 Mrd. Umsatz mit Büchern (das entspricht 30,7% des Gesamtumsatzes mit Büchern) aus dem Bereich der Belletristik 31 . Entsprechend groß ist der Anreiz, Belletristik zu führen. Buchhändler bilden zum Erscheinungstermin Erwartungen über den Erfolg eines Buches und werden potenzielle Bestseller besonders gut positionieren. Zudem hängen in fast allen Buchhandlungen die Top 20 der Bestsellerlisten des SPIEGEL als Plakat aus, damit 25 26 27 28 29 30 31 Vgl. Basuroy/Chatterjee/Ravid (2003); Eliashberg/Shugan (1997); Kamakura/Basuroy/Boatwright (2006). Vgl. Clement/Proppe/Rott (2007) sowie Clement/Sambeth (2004). Vgl. Börsenverein (2006). Vgl. Blömeke et al. (2007). Wir danken Lutz Kettmann vom Rowohlt Verlag für diese Informationen, die er uns in einem persönlichen Gespräch am 30. Mai 2007 vermittelte. Vgl. Faulstich (1983). Vgl. Börsenverein (2006). 8 sich die Kunden daran orientieren können. Bestseller werden exponiert ausgestellt und sind ebenfalls mit Zweitplatzierungen versehen. Bestsellerlisten führen also zu Werbeeffekten im Handel. Des Weiteren führen auch nicht auf Bücher spezialisierte Händler zumindest die hoch positionierten Bücher im Sortiment (etwa Tankstellen oder Supermärkte), so dass die Distributionsquote steigt und der Absatz weiter zunimmt 32 . Schließlich entstehen durch Bestseller auch Effekte auf Verkäuferseite, die dem Konsumkapital zuzuschreiben sind, denn wenn ein Buch sehr stark nachgefragt wird, dann ist es auch für den Verkäufer notwendig, dass dieser das Buch kennt 33 . Dementsprechend kann der Verkäufer den Bestseller besser beschreiben und so die Unsicherheit beim Kunden reduzieren. Jeder Buchtitel, der auf der Bestsellerliste erscheint, steht im Wettbewerb mit existierenden und neu erscheinenden Buchtiteln (Effekt 6 in Abbildung 1). Bestsellerlisten sind verbriefte Rangpositionen auf der Basis des Absatzes – und spiegeln Sieger und Verlierer des Wettbewerbs jede Woche neu wider. Je nach Positionierung werden Wettbewerber Maßnahmen ergreifen (z.B. wenn sie kurz vor einem Schwellenwert wie die Top 10 sind) – entsprechend kann auch postuliert werden, dass eine hohe Rangposition zu einem verstärkten Wettbewerbsdruck führt und somit der Absatzzuwachs gefährdet ist. Allerdings vermuten wir, dass dieser Nachteil nicht die zahlreichen Vorteile einer hohen Positionierung aufwiegt, wie sie in den beiden Hypothesen postuliert werden. Die Diskussion untermauert unsere beiden Hypothesen in der Form, dass wir vermuten, dass Bestsellerlisten einen erheblichen Einfluss auf den Absatz eines Buches haben und nicht nur diesen widerspiegeln. Zudem lässt sich theoretisch und aus der Diskussion mit Verlagsmanagern ableiten, dass es Schwellenwerte im Ranking gibt. So wird insbesondere auf die Top 10 und die Top 20 hingewiesen. Wir wollen im Folgenden diese Hypothesen empirisch testen. 3 3.1 Daten und Operationalisierung Stichprobe und zentrale Variablen Die Messung der Effekte einer Bestsellerliste auf den Absatz stellt hohe Anforderungen an das Datenmaterial. Zum einen müssen viele unterschiedliche Bücher erfasst werden und zum 32 33 Vgl. Farris/Olver/DeKluyver (1989). Vgl. Stigler/Becker (1977). 9 anderen müssen die Absatzzahlen kontinuierlich über einen vergleichsweise langen Zeitraum vorliegen, denn ein Buch hat für ein Medienprodukt einen relativ langen Lebenszyklus 34 . Des Weiteren müssen zahlreiche Kontrollvariablen einbezogen werden, um Verzerrungen zu vermeiden. Wir adressieren diese Anforderungen mit einem umfangreichen Datensatz. Als Grundgesamtheit für die Untersuchung definieren wir die etwa 38.000 Bücher (Hardcover und Taschenbuch), die im Zeitraum von 2003 bis 2005 laut Media Control erschienen und der Belletristik zurechnen sind. Im betrachteten Zeitraum haben sich die Rahmenbedingungen der Buchbranche für die Sachverhalte dieser Studie nicht wesentlich verändert, sodass keine besonderen Verzerrungen zu erwarten sind. Wir fokussieren unsere Analyse auf Hardcover, denen im oben gegebenen Zeitraum ein Taschenbuch folgte. Damit schränken wir die Analyse zwar ein, können aber sicherstellen, dass wir den relevanten Zeitraum des Lebenszyklus eines Hardcovers erfassen, der mit dem Erscheinen des Taschenbuchs de facto endet 35 . Zudem werden nur neue Bücher, d.h. Erstauflagen betrachtet, die in deutscher Sprache erschienen sind. Wir legen als Grenze fest, dass ein Buch mindestens innerhalb eines Jahres 1.500 Stück abgesetzt haben muss 36 . Insgesamt verbleiben somit 609 Bücher für die weitere Analyse, für die wir vollständige Daten und die wöchentlichen Absatzzahlen (von der GfK/Media Control) für genau ein Jahr nach dem Erscheinen vorliegen haben. Dieser Jahreszeitraum hat den Vorteil, dass wir die erheblichen Saisoneffekte im Buchmarkt genau erfassen 37 . Da im deutschen Buchmarkt die Buchpreisbindung vorliegt, ist der Absatz ein gutes Maß für den Erfolg eines Buches. Wir verwenden die Absatzzahlen des Handelspanels der GfK, um so den Absatz pro Buch je Woche an die Endkunden zu messen 38 . Die u.a. von der Zeitschrift SPIEGEL veröffentlichten Bestsellerlisten werden vom Buchreport nach der Erscheinungsform (Hardcover versus Taschenbuch) sowie der Art des Inhalts des Buches (Belletristik versus Sachbuch) aufgegliedert. Im SPIEGEL werden jeweils die Top 20 im Bereich Hardcover Belletristik sowie Sachbuch angegeben. Die Bestsellerlisten wurden uns vom Buchreport direkt für den Erhebungszeitraum zur Verfügung gestellt. Von 34 35 36 37 38 Vgl. Blömeke et al. (2007); Kerlen (2003); Vogel (2004) oder auch Wirtz (2005). Vgl. Clerides (2002). Vgl. Polthier/Wolters (2004), die argumentieren, dass Bücher, die mehr als 5.000 Exemplare verkaufen, schon als die erfolgreicheren Bücher gelten. Um einen „Erfolgsbias“ zu umgehen (d.h. die Suche nach Erfolgsfaktoren in einem Sample von „nur erfolgreichen Büchern“), setzen wir daher – nach Rücksprache mit Verlagsmanagern von Random House – die Grenze mit 1.500 verkauften Exemplaren deutlich unter dem Wert von Polthier/Wolters (2004). Vgl. Beck (2007). Aus Gründen der Vertraulichkeit haben wir uns verpflichtet, keine Absatzdaten auf Buchebene preiszugeben. Ebenfalls machen wir keine Angaben darüber, wie hoch der Absatz eines Buches im Mittel sein muss, um in die Bestsellerlisten zu kommen. 10 den 609 Büchern sind insgesamt 197 mindestens eine Woche in den Bestsellerlisten vertreten gewesen. Da teilweise schon „kleinere“ Mengen eines Titels vor dem „offiziellen“ Erscheinungstermin regulär verkauft werden, kann ein Buch auch schon in der ersten Woche in der Bestsellerliste enthalten sein 39 . Wir nehmen den reziproken Wert der Position in der Bestsellerliste als Variable auf und betrachten zudem die Schwellenwerte Top 10, Top 20 und Top 50. 40 Tabelle 1: Variablen der Bestsellerliste Variable Symbol Beschreibung Bestseller BESTSELLER Wöchentliche Position in der Top 50-Liste (reziproker Wert, d.h. Datenquelle Buchreport Platz 1 = 50 Punkte) Position Top 10 BEST10 Wöchentliche Position (1-10; 11-20; 21-50) in der Top 50-Liste (re- Position Top 20 BEST20 ziproker Wert, d.h. Platz 1 = 50 Punkte). Best10 umfasst die Plätze Position Top 50 BEST50 1-10 (und damit entsprechend die Punkte 50-41). Best20 umfasst Buchreport Plätze 11-20. Best50 umfasst die Plätze 21-50. 3.2 Kontrollvariablen Aufbauend auf der Erfolgsfaktorenforschung bei Medienprodukten wurde eine Vielzahl von Einflussfaktoren für jedes Buch erhoben 41 . Eingeteilt werden diese Faktoren in die Bereiche der Produkt-, Kommunikations-, Preis- oder Distributionspolitik. 3.2.1 Kontrollvariablen der Produktpolitik Tabelle 2 stellt zunächst die Variablen aus dem Bereich der Produktpolitik dar. Durch eine Genreunterteilung wird dem Konsumenten eine bessere Orientierung im breit gefächerten Markt für Bücher ermöglicht 42 . Der Datensatz setzt sich zu gut 85% aus Romanen 39 40 41 42 Während bei Harry Potter ein vorgezogener Verkauf vor dem Starttermin mit hohen Strafen einhergeht, wird bei anderen Büchern der Erstverkaufstag nicht immer genau definiert. Hier gilt teilweise das Motto: Was angeliefert wurde, kommt ins Regal. Bei herausragenden Bestsellern kann es dann in seltenen Fällen passieren, dass ein oder zwei Verkaufstage reichen, um in die Bestsellerliste einzusteigen. Ein aktuelles Beispiel war im April 2007 die Ratzinger-Biografie „Jesus von Nazareth“. Der Herder Verlag hat dazu eine ironische Anzeige im Buchreport geschaltet: „Ein Wunder? Bereits vor dem Erstverkaufstag auf Platz 8 der Bestsellerliste“. Nach dem Erstverkaufstag und einer vollen Verkaufswoche stand das Buch dann auf Platz 1. Wir danken Dr. Thomas Wilking vom Buchreport für diesen Hinweis. Wir haben auch Dummy-Variablen für die drei Kategorien gebildet und getestet, nutzen aber die genaueren Angaben der jeweiligen Rangposition in den jeweiligen Intervallen. Vgl. zur Buchindustrie vor allem Blömeke et al. (2007) sowie Clement/Proppe/Rott (2007) und zur Filmindustrie z.B. Eliashberg/Elberse/Leenders (2006) oder Hennig-Thurau/Walsh/Wruck (2001). Vgl. Piters/Stokmans (2000) und Jedidi/Krider/Weinberg (1998). 11 und Krimis zusammen und wird von Biographien ergänzt. Alle anderen Genres spielen quantitativ gesehen nur eine untergeordnete Rolle. Autoren stellen als Stars letztlich Marken dar und sind so ein schnell zu identifizierendes Qualitätssignal für Kunden im Markt 43 . Der Erfolg des Autors wurde analog zu Clement/Proppe/Rott (2007) als reziproker Punktwert über den bisherigen Erfolg in den Bestsellerlisten in den letzten zwei Jahren erfasst. Durch die Variable wird dem Befund Rechnung getragen, dass Konsumenten, die mit vorherigen Büchern des Autors zufrieden waren, eine a priori positivere Einschätzung und folglich eine höhere Kaufneigung haben dürften 44 . Losgelöst vom vorherigen Erfolg in den Bestsellerlisten wurde mit der Messung der Bekanntheit bzw. Berühmtheit erfasst, ob ein Autor aufgrund seiner Arbeit als Schriftsteller (z.B. Dan Brown) oder anderer Aktivitäten bekannt ist (z.B. Ulrich Wickert) 45 . Wenn der Autor bereits erfolgreich oder berühmt ist, geht davon eine Signalwirkung aus, da Rückschlüsse über die erwartete Qualität möglich sind 46 . Wir baten 11 Rater, alle Autoren in dem Sample danach zu bewerten, ob und woher sie die Autoren kennen 47 . Wir haben die Angaben jeweils summiert, so dass beide Werte zwischen 0 und 11 normiert sind 48 . 43 44 45 46 47 48 Vgl. Rosen (1981); Elberse (2007); Hamlen (1991); Levin/Levin/Heath (1997). Vgl. Kamphuis (1991) sowie die Literaturübersicht bei Blömeke et al. (2007). Vgl. Clement/Proppe/Rott (2007). Vgl. D'Astous/Colbert/Mbarek (2006). Die 11 Rater waren vier Männer und sieben Frauen zwischen 26 und 59 Jahren (Mittelwert: 37,6, Standardabweichung 15,3 Jahre). Auch andere Autoren nutzen kleine Samples, um Kontrollvariablen zu kodieren, z.B. bei Eliashberg/Sawhney (1994). Während der Starwert in Filmanalysen häufig über Beobachtung von Nutzerverhalten im Internet gemessen wird – z.B. die Internet Movie Data Base (Starmeter) oder die Hollywood Stock Exchange; vgl. Clement et al. (2007) oder Elberse (2007) – liegen im Buchbereich derartige Daten nicht vor. Die Korrelation zwischen den Variablen „Erfolg des Autors“ und „Bekanntheit des Autors“ beträgt 0,52. Mit der Variable „Erfolg des Autors“ messen wir den aktuellen Verkaufserfolg eines Autors, wohingegen die „Bekanntheit eines Autors“ zum einen langfristiger ausgelegt ist und zum anderen auch den Effekt berücksichtigt, dass bekannte Autoren nicht immer einen Verkaufshit in den letzten Jahren haben mussten. Daher messen beide Variablen unterschiedliche Facetten des „Starwertes“ (im Sinne einer formativen Messung). 12 Tabelle 2: Variablen der Produktpolitik Variable Symbol Beschreibung Datenquelle Mittelwert (Standardabw.) Genre ROMAN, 1=ja; 0=sonst. GfK 62,6% KRIMI 23,0% FANTASY 3,1% MAERCHEN 0,2% LYRIK 0,5% BIOGRAPHIE 10,0% HUMOR 0,5% GESCHENK 0,2% Erfolg des FAMOUS- Aus Bestsellerlisten ermittelter Score veröffentlichter Bücher Bestsellerliste Autors AUTHOR eines Autors. Summe über die reziproken Werte der Platzie- des 382,18 (1.848,17) rungen in der Bestsellerliste im Zeitraum von zwei Jahren vor Buchreports Release (Platz 1= 50 Punkte bis Platz 50= 1 Punkt). Operationalisierung analog zu Clement/Proppe/Rott (2007). Bekanntheit BEKANNT 1=Autor ist bekannt als Schriftsteller; 0=sonst. des Autors FAMOUS 1=Autor ist bekannt aus anderen Branchen; 0=sonst. Befragungs- 1,17 (2,31) daten 0,21 (1,27) GfK; eigene 47% Summe über elf befragte Personen (Wertebereich: 0-11). Messung angelehnt an Eliashberg/Sawhney (1994). Geschlecht GENDER 1=Autor ist weiblich; 0=sonst. Recherche Wirkung TITEL 1=Titel ist nicht ansprechend; 5=Titel ist sehr ansprechend. des COVER 1=Cover ist nicht ansprechend; 5=Cover ist sehr anspre- Befragungs- 2,7 (0,61) daten 2,68 (0,49) GfK 379,31 (157,74) Amazon.de 1,1% chend. Covers Confidence Based Weighted Mean angelehnt an van Bruggen/Lilien/Kacker (2002) auf der subjektiven Einschätzung von vier Personen. Messung angelehnt an D'Astous/Colbert/Mbarek (2006) und Piters/Stokmans (2000). Seitenzahl SEITE Buchfortset- SERIE_1 zung SERIE_FO Anzahl der Buchseiten 1=Titel ist erster Teil einer Serie; 0=sonst. 1=Titel ist Fortsetzungsteil einer Serie; 0=sonst. 10,2% Operationalisierung analog zu Clement/Proppe/Rott (2007). Lizenz- LIZENZ ausgabe 1=Titel ist im Original nicht in deutscher Sprache erschienen; Amazon.de 66,3% 0=sonst. Operationalisierung analog zu Clement/Proppe/Rott (2007). Qualität A_REZENS Anzahl der Rezensionen in einem Jahr nach Release bzw. Word STERNE Durchschnittliche Anzahl der Sterne (1=sehr schlecht; 5=sehr 7,67 (16,96) 3,54 (1,56) gut.) of Mouth Verfilmung Amazon.de E_FILM 1=Launch des Kinofilms vor oder während des Betrachtungszeitraumes eines Buches; 0=sonst. Cinebizz 0% 13 Wir kontrollieren zudem das Geschlecht des Autors, weil in Studien in der Musikindustrie diese Variable als relevant für die Verweildauer in den Charts identifiziert wurde 49 . Interessante Cover und Titel führen dazu, dass die Wahrscheinlichkeit steigt, dass eine Person das Buch genauer betrachtet 50 . Damit steigt die Kaufwahrscheinlichkeit, denn das Cover hat zumindest Aufmerksamkeit erregt 51 . Die Gestaltung des Covers wurde mit Hilfe von drei Fragen erfasst, wobei die Antworten der Rater entsprechend mit der wahrgenommenen Sicherheit der befragten Person gewichtet wurden, um den so genannten „Confidence Based Weighted Mean“ zu berechnen 52 . Die Fragen bezogen sich auf die Aufmerksamkeit, Attraktivität sowie den Zusammenhang zwischen Buchtitel und Cover und wurden – analog zu dem Vorgehen bei der Analyse von Inhalten bei Eliashberg/Sawhney (1994) und Eliashberg/Hui/Zhang (2007) – von vier studentischen Mitarbeitern für alle 609 Bücher auf Likert-Skalen erhoben 53 . Wir messen die Anzahl der Seiten für jedes einzelne Buch, da im Verlagsbereich der Preis eines Buches sehr stark vom Seitenumfang des Buches abhängt 54 . Mit Hilfe einer Dummy-Variablen wurde erfasst, ob ein Buchtitel Teil einer Serie ist. Getrennt wird nach dem ersten Teil (SERIE_1) und der Fortsetzung (SERIE_FO). Folgebücher erfolgreicher Erstlingswerke profitieren zumeist vom eingeführten Autorennamen, dem Verlagsimage und der Bekanntheit des Themas 55 . Wir kontrollieren weiterhin, inwieweit der Einfluss ursprünglich fremdsprachiger Bücher in Deutschland ist und messen mit einer Dummyvariable, ob ein Buch eine Lizenzausgabe ist 56 . Das Internet dient immer stärker als Informationsquelle für Nutzer, um sich über die Qualität eines Produkts zu informieren. Der durch das Internet initiierte qualitätsbezogene Word-ofMouth-Effekt wird in dieser Arbeit dadurch erfasst, dass die Anzahl der Rezensionen (innerhalb des Betrachtungszeitraums) und die durchschnittliche Anzahl der Sterne pro Buchtitel 49 50 51 52 53 54 55 56 Vgl. Giles (2007); Cox/Felton/Chung (1995); Hamlen (1991); Lee/Boatwright/Kamakura (2003). Vgl. Piters/Stokmans (2000). Vgl. D'Astous/Colbert/Mbarek (2006). Vgl. van Bruggen/Lilien/Kacker (2002). Wir weisen explizit darauf hin, dass mit vier Bewertern keine repräsentative Erhebung gemacht werden kann. Allerdings sind derartige Daten, die auf inhaltsanalytischen Ansätzen basieren, auch kaum großzahlig zu erheben. So nutzen beispielsweise Eliashberg/Sawhney (1994) zwei Doktoranden, um Einschätzungen zu Filmen zu erhalten und Eliashberg/Hui/Zhang (2007) bitten drei Personen Filme in Genre zu klassifizieren. Vgl. Kerlen (2003). Vgl. Brown (2001). Vgl. Clement/Proppe/Rott (2007). 14 bei Amazon gemessen werden 57 . Damit erfasst diese Variable einen Teil der Qualität des Buches, aber auch ein Element der Kommunikationspolitik. Schließlich kann das Erscheinen eines Filmes zum Buch (z.B. bei Herr der Ringe) eine Nachfragesteigerung implizieren, so dass wir diesen Faktor kontrollieren. Es zeigt sich allerdings, dass kein Buch während des Betrachtungszeitraums als Vorlage herangezogen wurde, so dass die Variable keine Varianz aufweist und nicht in die Analyse einbezogen wird. 3.2.2 Kontrollvariablen der Kommunikationspolitik Wir messen die Kommunikationspolitik der Verlage mit mehreren Variablen (Tabelle 3). Zum einen werden TV-Kritiken in die zeitliche Betrachtung einbezogen 58 . Insbesondere der Sendung „Lesen“ wird seitens der Verleger ein sehr hoher Einfluss unterstellt – vor allem auch, weil Elke Heidenreich prinzipiell alle in der Sendung betrachteten Bücher positiv bespricht und damit direkt auf den Werbeeffekt bei Kritikern abstellt 59 . Zusätzlich wird analysiert, ob das Präsentieren eines Buches in der Sendung „Das große Lesen“ im ZDF einen Einfluss auf den Absatz hat. Neben Kritiken kann auch das Image des Verlags als Träger der Markeneigenschaft für den Kauf eines Buches relevant sein. Während die Verlagsgröße primär den Handel tangiert und in der Distributionspolitik verankert ist, ist das Image eines Verlags auch für den Kunden relevant 60 . In der Vergangenheit wurde der Einfluss des Verlagsimages in Deutschland in regelmäßigen Studien von Innofact gemessen. Das Unternehmen befragt zur Bestimmung des Verlagsimages jährlich mindestens 1.000 Verbraucher, die die verschiedenen Verlage anhand von sieben Kriterien bewerten: Tradition, klares Profil, gutes Programm, Innovationsgrad, Glaubwürdigkeit, Sympathie sowie gute Werbung. Uns liegen die Daten der letzten Jahre vor, die wir faktorenanalytisch zu vier Faktoren verdichtet haben (siehe Tabelle 3) 61 . Als Imagekriterien gehen demnach der Faktor „Tradition“, der die Tradition, klares Profil, gutes Programm und Glaubwürdigkeit umfasst, sowie die Variablen Innovationsgrad, Sympathie und die gute Werbung des Verlags in die Analyse ein. 57 58 59 60 61 Vgl. Chevalier/Mayzlin (2006) und auch Mayzlin (2006) oder Dellarocas (2003). Wir erfassen damit allerdings nur einen Teilmarkt, denn gemäß Börsenverein (2007) liegt der Anteil des Versandbuchhandels (inkl. Internet) am Gesamtumsatzvolumen des Buchmarktes 2006 bei 11,6%. Vgl. Clement/Proppe/Rott (2007); Clement/Sambeth (2004). Vgl. Eliashberg/Shugan (1997). Vgl. D'Astous/Colbert/Mbarek (2006); Blömeke et al. (2007) und Schenkel (1995). Wir danken Innofact ausdrücklich für die Bereitstellung der Daten; vgl. InnofactAG (2003); InnofactAG (2004); InnofactAG (2005); InnofactAG (2006). 15 Schließlich führen Literaturpreise bzw. Auszeichnungen zu einer erheblichen Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit 62 . Sie dienen zudem auch als Qualitätsindikator für Leser, weil in der Regel mit dem Preis anspruchsvolle Literatur und damit kultureller Wert verbunden wird 63 . Zur Vollständigkeit werden in Anlehnung an Clement/Proppe/Sambeth (2006) nationale und internationale Auszeichnungen erfasst und zu einem zeitabhängigen, gewichteten Index verdichtet. Tabelle 3: Variablen der Kommunikationspolitik Variable Symbol Beschreibung Datenquelle Mittelwert (Standardabw.) Kritiker- KPi_xxxx sendungen Impulsdummy, 1=Buch xxxx wurde in Woche i in der ZDF Sendung Lesen! besprochen; 0=sonst. D.h. der Wert ist 1 in der fraglichen Woche und 0 davor und danach. KSPi_xxxx Shiftdummy, 1=Buch xxxx wurde in Woche i in der Sendung Lesen! Besprochen; 0=sonst. D.h. der Wert ist 1 ab der fraglichen Woche, also auch für jede nachfol- GROS_LES gende Woche. 0,5% 1=Buch wurde in der TV-Show „Das Große Lesen“ erwähnt; 0=sonst. Verlags- IM_FAK1 64 Auf Verlagsebene erhobene Variablen „Tradition“ (als Innofact AG 0,89 (0,74) image IM_INNOV Faktor) sowie die Variablen Innovationsgrad, Sympa- 0,72 (0,61) IM_SYMP thie und die gute Werbung des Verlags. 0,87 (0,72) IM_WERB Likert-Skala (-3 bis +3) von „trifft gar nicht“ zu bis 0,38 (0,38) „trifft voll zu“ Literaturpreise LIT_AUSZ Literaturpreise für Autor in den letzten 20 Jahren als Internetsei- 0,06 gewichteter Index (Gewichte: Literatur-Nobelpreis=5, ten der aus- (0,49) Pulitzerpreis=3, Friedenspreis des dt. Buchhandels=1, zeichnenden Ingeborg-Bachmann-Preis=1, Georg-Büchner-Preis=1) Institution 3.2.3 Kontrollvariablen der Distributionspolitik Die in Tabelle 4 dargestellten Variablen der Distributionspolitik messen die Verlagsgröße, den Absatz vor der Veröffentlichung, das Timing sowie den Wettbewerb. 62 63 64 Vgl. Deuchert/Adjamah/Pauly (2005) oder Nelson et al. (2001). Vgl. Leemans/Stokmans (1991). Nach einer durchgeführten Faktoranalyse wurden die Variablen „Tradition“, „klares Profil“, „gutes Programm“ und „Glaubwürdigkeit“ zu einem Faktor zusammengefasst. 16 Tabelle 4: Variable Variablen der Distributionspolitik Symbol Beschreibung Datenquelle Mittelwert (Standardabw.) Verlagsgröße V_GRO Gesamtumsatz der Verlage pro Jahr in Euro GfK 35.161.381 (39.958.767) V_GRO_B Umsatz der Verlage im Bereich Belletristik pro Jahr in Euro 23.984.158 (28.400.093) Absatz vor VORVERKAUF Kumulierter Absatz des Buches vor Release GfK 28,52 (93,63) D1-D52 GfK / GfK 15.923,83 Release Wochendummies Wettbewerb 1= Buch ist in der Woche erschienen 0= Buch ist nicht in der Woche erschienen 65 WETT_2 Summe des Absatzes aller Neuerscheinungen im „ZweiWochen-Intervall“ WETT_5 (4.108) Summe des Absatzes aller Neuerscheinungen im „Fünf- 42.516,64 Wochen-Intervall“ (10.792) Die Verlagsgröße wurde erhoben, weil umsatzstärkere Verlage möglicherweise eine bessere Verhandlungsposition gegenüber Buchhandlungen haben und somit den Verkaufserfolg von Büchern gezielter beeinflussen können 66 . Das Modell berücksichtigt den Gesamtumsatz des Verlags für das entsprechende Jahr und zudem den Umsatz des Verlags speziell in der Belletristik. Wir kontrollieren auch den Absatz vor dem Erscheinen (durch Vorbestellungen, z.B. bei Amazon). Hier konnte insbesondere in der Musikindustrie eine hohe Prognoserelevanz festgestellt werden 67 . Die Timingstrategie der Verlage wird durch Dummyvariablen der einzelnen Wochen berücksichtigt. Die Kontrolle ist wichtig, denn möglicherweise sind die Ergebnisse aus dem Filmbereich übertragbar, die nahe legen, dass zwar in den Hochsaisonphasen eine höhere Nachfrage herrscht (z.B. Weihnachten oder im Herbst), aber ebenfalls mehr neue Bücher veröffentlicht werden, so dass damit auch der Wettbewerb stärker ist 68 . Dementsprechend wurde der Wettbewerb einerseits erfasst durch die Summe des Absatzes in t aller Neuerscheinungen aus dem 65 66 67 68 Die Wettbewerbsvariable wurde ebenfalls im Zwei- und Fünf-Wochen-Intervall getestet, wobei wir auch genrespezifische Wettbewerbsvariablen in den beiden Intervallen gestestet haben. Beide Vorgehensweisen führten zu keinem signifikanten Ergebnis. Vgl. Farris/Olver/DeKluyver (1989). Vgl. Moe/Fader (2002). Im Buchbereich ist zumeist kein zentraler Tag als „Starttag“ definiert – vielmehr determinieren Prozesse der Logistik und der Beschaffung durch den Handel den Startzeitpunkt, der nicht prinzipiell (wie etwa bei Harry Potter) zeitgleich am selben Tag deutschlandweit vorliegen muss. Vgl. Radas/Shugan (1998), Hjorth-Andersen (2000). 17 Zeitraum t bis t-4 (bzw. t-1) bei der 5-Wochen-Betrachtung (2-Wochen-Betrachtung). Wir folgen hierbei im Wesentlichen der Operationalisierung von Elberse/Eliashberg (2003) und bilden andererseits auch die beiden Variablen Wettbewerb (5 bzw. 2 Wochen) in dem jeweiligen Genre des betrachteten Buches, um mögliche genrespezifische Wettbewerbseffekte gesondert zu berücksichtigen. 3.2.4 Kontrollvariablen der Preispolitik Der Verkaufspreis wird aufgrund der Buchpreisbindung vom Verlag zum Einführungszeitpunkt des Buches determiniert. Der Handel hat kaum Möglichkeiten der operativen Preispolitik, da Preisnachlässe nur in speziellen Ausnahmefällen (z.B. Mängelexemplare) möglich sind 69 . Der Einfluss des Preises wurde im Buchmarkt bislang nur rudimentär betrachtet 70 . Tabelle 5: Variablen der Preispolitik Variable Symbol Beschreibung Datenquelle Mittelwert (Standardabw.) Verkaufspreis PREIS Der Verkaufspreis des Buches in Euro GfK 19,91 (3,61) GfK 0,06 (0,03) Wir bilden hierfür die Variablen LNPBIO (Logarithmus des Preises, falls Genre.Biographie), LNPFAN (Fantasy), LNPHUM (Humor); LNPKRIM (Krimi), LNPLYR (Lyrik), LNPROM (Roman). Preis pro Seite PREIS_S Preis einer einzelnen Seite Wir bilden hierfür die Variablen LNPSBIO (Logarithmus des Preises pro Seite, falls Genre Biographie), LNPSFAN (Fantasy), LNPSHUM (Humor), LNPSKRIM (Krimi), LNPSLYR (Lyrik), LNPSROM (Roman). Preis und Seitenanzahl korrelieren sehr hoch (r = 0,56), so dass analog zu Clement/Proppe/Rott (2007) der Preis pro Seite analysiert wird. Allerdings wird der Preiseffekt mit dem Genre verknüpft, um so den von van der Ploeg (2004) angemerkten Interaktionseffekt Rechnung zu tragen. Tabelle 5 berichtet die deskriptiven Statistiken. 4 69 70 Modellierung und ökonometrische Schätzung Vgl. van der Ploeg (2004). Vgl. Chevalier/Goolsbee (2003); Ghose/Smith/Telang (2006); Clement/Proppe/Rott (2007). 18 Die zu spezifizierende Regressionsgleichung soll in statistisch befriedigender Weise die Determinanten der beobachteten Absatzzahlen erfassen und insbesondere valide Inferenz erlauben. Dies wird jedoch dadurch erschwert, dass die Verteilung der Absätze in Zeit- und Querschnittsdimension stark nicht-normal ist: Sie hat eine Schiefe von 11.8 und eine Kurtosis von 225 71 . Unsere Analysen ergaben, dass diese Eigenschaften der Verteilung der zu erklärenden Variablen sich in geschätzten Regressionsgleichungen auf die Residuen übertrugen. Zwar erfassten die Regressoren (oft hochsignifikant) einen Teil dieser Nichtnormalität, ein bedeutender Teil blieb jedoch unerklärt und prägte daher die Residualverteilung. Es wurde daher vermutet, dass Schätzungen mit den Absatzzahlen als abhängige Variable durch überproportional hohe Influenz extremer Beobachtungen verzerrt sind und übliche Testverfahren nicht zu valider Inferenz führen 72 . Wir haben uns daher entschieden, die wöchentlichen kumulierten Absatzzahlen zu betrachten. Auch hier liegt eine extreme Nichtnormalität vor (Schiefe 6,4 und Kurtosis 61). Da jedoch nie Nullabsätze in der ersten Woche vorliegen, sind die kumulierten Absätze stets positiv und können daher logarithmiert werden. Die logarithmierten kumulierten Absätze, LNKUMABSATZ, haben eine Schiefe von –0.002 und eine Kurtosis von 3.68. Obwohl dies immer noch hochsignifikant nicht-normal ist (der auf Schiefe und Kurtosis aufbauende Jarque-Bera-Test verwirft die Normalität zum 1%-Niveau), liegt zweifelsohne eine sehr viel günstigere Datenstruktur vor, weil in erheblich geringerem Maße extreme Beobachtungen vorhanden sind, die einen ungebührlich hohen Einfluss auf das Schätzergebnis haben könnten. Die Nichtnormalität als solche ist asymptotisch im Übrigen irrelevant, da der Arellano-Bond-Schätzer gegen eine Standardnormalverteilung konvergiert 73 . Wir wählen daher LNKUMABSATZ als abhängige Variable. Anders als in Panel-Datensätzen üblich, besteht in der hier vorliegenden Untersuchung ein Querschnitt einer Variablen nicht aus zeitgleichen Beobachtungen. Vielmehr ordnen wir die Absatzzahlen entlang der Dimension „Zeit nach Erscheinen“. Die jeweils erste Beobachtung 71 72 73 Unter der Normalverteilung wäre die Schiefe Null und die Kurtosis 3. Zwar haben viele Teststatistiken asymptotisch auf der Normalverteilung basierende Verteilungen, angesichts der hier vorliegenden extremen Abweichung von der Normalverteilung ist aber trotz des großen Stichprobenumfangs nicht damit zu rechnen, dass die asymptotische Approximation bereits zulässig ist. Vgl. Arellano/Bond (1991). 19 für ein Buch in LNKUMABSATZ enthält also den logarithmierten Absatz der Release-Woche, dem sich die 51 kumulierten Absätze der Folgewochen anschließen 74 . Bei der Spezifikation der Regressionsgleichung muss zwischen den Anfangswochen und den späteren Wochen in der Stichprobe differenziert werden. Der Grund hierfür liegt in der Datenverfügbarkeit der endogenen Variablen. Da die Stichprobe eine Zeitstruktur hat, haben im Allgemeinen verzögerte Werte der endogenen Variablen hohes Erklärungspotential (z.B. aufgrund von Carry-over-Effekten). Für die erste Woche liegen aber ex definitione noch keine verzögerten Absatzdaten vor. Für die zweite Woche lässt sich nur der um eine Woche verzögerte endogene Wert heranziehen, während zum Beispiel für die vierte Woche bereits drei verzögert endogene Werte vorliegen und auch signifikant sind. Die Lag-Struktur der Regressionsgleichung ändert sich also in den ersten Wochen mit der Datenverfügbarkeit. Eine eingehende Analyse des Datensatzes zeigt, dass ab der fünften Woche eine konstante funktionale Gestalt unterstellt werden kann. Für die Wochen eins bis vier schätzen wir jeweils separate Regressionsansätze. Für Medienprodukte ist eine separate Schätzung von erster Woche und dann folgende Wochen auch schon bei Elberse/Eliashberg (2003) vorgenommen worden. Dort wird für die erste Woche eine separate Schätzung vorgenommen 75 . Im Vergleich zu der Diffusion in Spielfilmmarkt sinkt die Nachfrage nach Büchern jedoch nicht so schnell ab, so dass nicht nur die erste, sondern die ersten Wochen zu betrachten sind. Je nach Berücksichtigung des Weihnachtseffekts generieren die Bücher in unserem Datensatz in den ersten vier Wochen 25% des Gesamtabsatzes – die restlichen 75% verteilen sich in der Regel auf die restlichen 48 Wochen des Jahres. Dementsprechend sind auch die Marketingmaßnahmen der Verlage nicht ganz so stark auf die erste Woche fixiert wie in der Filmbranche, so dass unsere Modellspezifikation auch entsprechend eine gesonderte Betrachtung der ersten vier und nicht nur der ersten Woche vornimmt. Unsere ökonometrische Schätzstrategie folgt dem general-to-specific (GETS) Ansatz 76 , bei dem zunächst alle in Frage kommenden Variablen als Regressoren spezifiziert und insignifikante Variablen dann sukzessive eliminiert werden. Standardfehler werden heteroskedastiekonsistent nach der Methode von White ermittelt 77 . Zur Erfassung deterministischer Saisona- 74 75 76 77 Wir haben dafür Sorge getragen, dass bei der Erstellung der Regressoren, die die Wettbewerbsintensität messen, die Kalenderzeitstruktur zugrunde gelegt wurde. Vgl. ebenfalls Clement/Fischer/Goerke (2007). Vgl. Hendry (1995). Die Schätzergebnisse inklusive der insignifikanten Ergebnisse können bei den Autoren angefragt werden. Vgl. White (1980) sowie White (1982). 20 lität werden standardgemäß Wochendummies in die Regression eingeschlossen, die die jeweilige Kalenderwoche bezeichnen. Insignifikante Saisondummies werden nicht eliminiert 78 . Mit Ausnahme der verzögert endogenen kann für die meisten erklärenden Variablen Exogenität unterstellt werden. Problematisch sind die Preisvariablen, bei denen nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Verlage gerade diejenigen Bücher hochpreisig auf den Markt bringen, bei denen sie besonders hohe Absätze erwarten. Sollte dies der Fall sein, so würden die Preisregressoren mit den Störtermen der Regressionsgleichung korrelieren und die Schätzung verzerrt sein. Aus diesem Grunde instrumentieren wir Preisregressoren grundsätzlich mit der Seitenzahl des jeweiligen Buches. Die Seitenzahl dürfte ein exogenes Charakteristikum eines Buches sein, ist aber, wie schon erwähnt, relativ hoch mit dem Preis eines Buches korreliert. Die Spezifikation der Release-Woche enthält keine verzögert endogenen Variablen. Der Absatz bei Erscheinen muss daher regressionsanalytisch ausschließlich durch die oben erläuterten Variablen der Produkt-, Kommunikations-, Distributions- und Preispolitik beschrieben werden. Es handelt sich also um eine reine Querschnittsanalyse ohne dynamische Struktur. Wir schätzen die Gleichung mit der zweistufigen Methode der kleinsten Quadrate, die aber, da sich keinerlei Preisvariablen als signifikant herausstellen, eine einfache OLS-Schätzung ist. Tabelle 6 berichtet die aus dem GETS-Ansatz hervorgehende finale Spezifikation. Eine eingehende inhaltliche Diskussion der Schätzergebnisse findet sich in Abschnitt 5. Es sei aber hier bereits betont, dass für die Release-Woche überwiegend Variablen hohen Erklärungswert haben, die die Reputation des Buches bestimmen (z.B. Auszeichnungen, Rezensionen, Kritiken, Bekanntheitsgrad des Autors, etc.). Auch die Größe des Verlages scheint sich positiv auf den Erstabsatz auszuwirken, während preisliche Einflüsse nicht feststellbar sind. Die Regressionsgleichung erzielt für die Release-Woche ein korrigiertes Bestimmtheitsmaß von mehr als 40%. Dies ist für eine reine Querschnittsregression ein bemerkenswert gutes Ergebnis. Die Spezifikationen für die erste, zweite und dritte Woche nach Erscheinen enthalten jeweils alle bis dahin verfügbaren verzögert-endogenen Variablen. Daher sind diese Spezifikationen nicht unmittelbar vergleichbar und die finalen Spezifikationen können bezüglich des Einflus- 78 Eine Elimination von insignifikanten Dummies wäre stark pfadabhängig. Da die Dummies nicht-stochastisch und zueinander orthogonal sind, sind störende Interaktionen zwischen insignifikanten Dummies und anderen Regressoren kaum wahrscheinlich. 21 ses der nicht verzögert-endogenen Variablen deutlich unterschiedlich ausfallen: Einerseits können in den dynamischen Regressionen bestimmte erklärende Variablen der reinen Querschnittsregression nicht mehr signifikant sein, weil deren Einfluss bereits implizit in den verzögert-endogenen Variablen erfasst wird, andererseits können in den dynamischen Regressionen neue erklärende Variablen signifikant sein, weil jetzt durch die verzögert-endogenen Regressoren ein größerer Teil der Varianz der abhängigen Variablen erklärt wird und daher die geschätzten Standardfehler tendenziell kleiner werden. Die Regressionen für die ersten drei Wochen nach der Release-Woche sind keine reinen Querschnittsregressionen, da sie bereits mit verzögert endogenen Variablen ausgestattet sind. Andererseits sind sie auch keine voll dynamischen Regressionen, weil für die Erfassung der Autokorrelationsstruktur der Residuen jeweils noch nicht genügend verzögert endogene Variablen zur Verfügung stehen. Da sich in diesen Regressionen in der Regel signifikante Einflüsse von Preisvariablen finden, werden diese Regressoren durch die Seitenanzahl des jeweiligen Buches instrumentiert und die Schätzung als zweistufige Methode der kleinsten Quadrate durchgeführt. Die finalen Spezifikationen (ausgehend von jeweils derselben allgemeinen Regressormenge) finden sich in Tabelle 6. Inhaltlich stellen wir in den Regressionen für die ersten drei Wochen nach Release eine leichte Verschiebung der Bestimmungsfaktoren der kumulierten Absätze fest. Den Reputationsvariablen kommt nach wie vor erhebliche Bedeutung zu, für einzelne Regressoren jedoch minder stark ausgeprägt als in der Release-Woche. Die verzögerten Absätze aber haben jetzt erhebliches Erklärungspotential und erfassen damit indirekt bereits die Reputationseinflüsse vorhergehender Perioden. Außerdem ist in zunehmendem Maße eine negative Preiselastizität feststellbar, deren Höhe mit dem betrachteten Genre variiert. Die korrigierten Bestimmtheitsmaße der Regressionen für die ersten drei Wochen nach Release liegen ausnahmslos deutlich über 90% und erreichen in der Spitze 99%. Dies bedeutet, dass der weitere Absatz eines Buches sehr gut erklärbar ist, sobald die Absatzzahlen für die Release-Woche vorliegen – und dass die Prognosegüte von Woche zu Woche steigt. Man beachte dabei, dass derartige Prognosen keineswegs einfache Fortschreibungen bisheriger Ab- 22 satzzahlen darstellen, sondern nach wie vor auf die Information von Querschnittsregressoren angewiesen sind, wie die signifikante Anzahl dieser Regressoren demonstriert. Tabelle 6: Schätzergebnisse für die ersten vier Wochen Abhängige Variable: LNKUMABSATZ(t) t=1 Variable Koeffizient t=2 Sign. Koeffizient LNKUMABSATZ(-1) n/a 0,847 LNKUMABSATZ(-2) n/a LNKUMABSATZ(-3) n/a t=3 Sign. Koeffizient t=4 Sign. Koeffizient 1,027 *** 1,145 *** n/a –0,100 *** –0,136 *** n/a n/a –0,039 *** 0,002 *** *** BESTSELLER 0,042 ** 0,006 *** 0,004 BEKANNT 0,000 *** 0,000 ** n.s. n.s. FAMOUS 0,080 ** n.s. n.s. 0,014 GENDER n.s. n.s. 0,035 SERIE_1 n.s. n.s. n.s. 0,114 n.s. n.s. *** ** 0,573 *** n.s. A_REZENSIONEN 0,017 *** 0,006 LIT_AUSZEICHNUNG 0,215 ** n.s. n.s. n.s. 0,010 n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. 1717, 2203, KRITIKERa 2563, 2807 KRITIKER (-1)a ** n.s. LNV_GRO_B 0,110 LNV_GRO 2807 *** n.s. VORVERKAUF 0,004 *** *** * n.s. 0,001 ** *** n.s. SERIE_FORTSETZUNG STERNE Sign 0,001 ** ** n.s. * n.s. 0,029 *** n.s. n.s. –0,001 *** n.s. n.s. LNPSBIO n.s. –0,127 *** –0,139 ** –0,044 ** LNPSKRIM n.s. –0,049 * –0,157 *** –0,061 *** LNPSROM n.s. –0,063 ** –0,156 *** –0,056 *** LNPFAN n.s. n.s. –0,182 *** –0,053 ** LNPLYR n.s. n.s. –0,207 *** n.s. LNPHUM n.s. n.s. –0,307 *** n.s. ** 27 ** 30,47 ** *** 1,320 *** 0,539 *** 6-12, 25, 27, Saison b 38 41, 43, 44, ** 51 13, 35, 41, 43, 44, 45 Konstante 3,949 R² 0,463 0,924 0,979 0,990 0,405 0,917 0,977 0,989 korr. R² *** 1,382 a ID der Bücher mit signifikantem Einfluss (p < 0,05) werden angegeben b Signifikante Wochen (p < 0,05) werden jeweils angegeben *p < 0,1; **p < 0,05; ***p < 0,01 23 Für die Wochen fünf bis 52 wird eine einheitliche Spezifikation geschätzt, weil nunmehr für jede Woche genügend Lags zur Verfügung stehen, um die Autokorrelationsstruktur der Daten vollständig zu erfassen. Daher kann jetzt die Panel-Struktur des Datensatzes ausgenutzt werden. Da die Existenz von verzögert-endogenen Variablen in einem Modell mit fixed effects zu inkonsistenten Schätzungen führen kann, verwenden wir den zweistufigen Arellano-Bond (1991) Schätzer 79 . Dieser Schätzer verwendet die verallgemeinerte Momentenmethode (GMM), um zunächst die um die fixed effects bereinigte erste Differenz der Regressionsgleichung zu bestimmen. Daher enthält diese Gleichung nur zeitvariante Regressoren. Ihre finale Spezifikation findet sich auf der linken Seite von Tabelle 7. Für die verzögert-endogenen Variablen werden dynamische Arellano-Bond-Instrumente mit den Lags zwei bis maximal vier Wochen verwandt, um die Orthogonalitätsanforderungen der GMM-Schätzung zu erfüllen. Tabelle 7: Arellano-Bond Schätzung für Perioden 5-52 Variable Zeitvariante Schätzung Koeffizient Sign. Zeitinvariante Schätzung Koeffizient Sign. *** 0,611 LNKUMABSATZ(-1) 1,103 *** Variable Konstante LNKUMABSATZ(-2) –0,138 *** LNPBIO –0,067 *** LNKUMABSATZ(-3) –0,042 *** LNPFAN –0,017 *** LNKUMABSATZ(-4) –0,016 ** LNPROM 0,003 *** BEST10(-1) 0,001 *** BEKANNT 0,000 *** BEST20(-1) 0,000 ** FAMOUSAUTHOR 0,012 *** LIT_AUSZEICHNUNG 0,046 *** FAMOUS 0,014 *** OBS 0,005 ** SEITE 0,000 *** OBS^2 0,000 ** TITEL 0,002 * OBS^3 0,000 ** COVER 0,006 0,243 *** Anmerkung: OBS beschreibt die BIOGRAPHIE GESCHENK –0,078 Beobachtungen von Woche 1-52 HUMOR *p < 0,1; **p < 0,05; ***p < 0,01 79 *** *** –0,042 *** MAERCHEN 0,140 *** GENDER –0,006 *** SERIE_1 0,032 *** SERIE_FORTSETZUNG 0,025 *** LIZENZ –0,013 *** A_REZENSIONEN 0,002 *** STERNE 0,002 *** LNV_GRO_B 0,006 *** IM_SYMP 0,010 *** IM_WERB –0,014 *** Da für die Paneldatenstruktur ein Endogenitätsproblem vorliegt, das aus der Interaktion zwischen verzögert endogenen Variablen und fixed effects entsteht (der sog. Nickell-Bias, vgl. Nickell, 1981), setzen wir die zweistufige GMM-Schätzung ein. 24 VORVERKAUF 0,000 R² 0,360 korr. R² 0,358 *** In der dynamischen Schätzung treten erneut die Reputations- und Preisvariablen als signifikant hervor. Darüber hinaus kann aber auch den weitaus meisten anderen Querschnittsregressoren Erklärungspotential zugeordnet werden. Dies ist sicherlich darauf zurückzuführen, dass die dynamische Panel-Schätzung erheblich mehr Information verarbeitet als die periodenbezogenen Regressoren der ersten vier Wochen, und dass die erheblich größere Zahl von verwendeten Beobachtungen zu kleineren Standardfehlern und damit signifikanteren Ergebnissen führt. Für GMM-Schätzungen sind keine allgemein anerkannten Gütemaße in der Literatur verfügbar. Anders als für die Querschnittsregressionen der ersten vier Wochen weist die linke Seite von Tabelle 7 daher kein korrigiertes Bestimmtheitsmaß aus. Wir vermitteln aber einen Eindruck von der Qualität der Anpassung durch eine Gegenüberstellung der abhängigen Variablen und der angepassten Werte durch die Korrelation dieser beiden Größen (r = 0,82). Die im Vergleich zu den wochenspezifischen Schätzungen etwas geringere Güte erklärt sich durch den hier vorliegenden Zeitraum von 48 Wochen. Insgesamt ist die Qualität der Anpassung sehr gut gelungen. Man beachte zunächst, dass die abhängige Variable konstruktionsbedingt einer bei Null zensierten Verteilung folgt, d.h. es liegen keine negativen Beobachtungen vor, obwohl sehr viele positive Beobachtungen in der Nähe von Null existieren. Die Regressionsgleichung erfasst diese Datenstruktur sehr gut, da die angepassten Werte fast durchgängig ebenfalls positiv sind und nur minimale Abweichungen ins Negative auftreten. Darüber hinaus sind die beobachteten Werte stark asymmetrisch, d.h. die Verteilung der Daten ist von extremer Schiefe. Auch diese Eigenschaft wird von den aus der Regressionsgleichung abgeleiteten angepassten Werten sehr gut und umfassend reflektiert. Schließlich sind die Daten durch etliche extreme Ausreißer gekennzeichnet (z.B. Harry Potter), die jedoch von der Regressionsgleichung sehr gut erfasst werden. Die nach Abzug der geschätzten zeitvarianten Einflüsse verbleibende Schätzung der fixed effects, also die in den Niveaus durchzuführende Schätzung der zeitinvarianten Einflüsse, findet sich auf der rechten Seite von Tabelle 7. Diese Schätzung (zweite Stufe von Arellano-Bond) 25 wird wieder mit der zweistufigen Methode der kleinsten Quadrate durchgeführt, wobei die Preisvariablen durch die Seitenanzahlen instrumentiert werden. 5 5.1 Diskussion Wirkung der Bestsellervariablen Die Schätzergebnisse zeigen einen signifikant positiven Effekt des Absatzes aus der Vorperiode (LNKUMABSATZ(-1)) auf den Absatz der aktuellen Woche auf. Lags größer als eine Woche weisen konsistent signifikant negative Effekte auf und unterstreichen den typisch exponentiell fallenden Diffusionsverlauf bei hedonischen Gütern 80 . Das impliziert, dass in den ersten Wochen der meiste Absatz erzielt wird. Die negativen Koeffizienten des logarithmierten kumulativen Absatzes aus den Perioden t-2 bis t-4 deuten daher auf die zunehmende Marktsättigung hin, so dass ein hoher vergangener Absatz das verbleibende Marktpotenzial verringert. Der signifikant positive Effekt des Lags t-1 weist hingegen auch darauf hin, dass sich das Buch aktuell gut verkauft (sozusagen einen „Lauf“ hat) und daher substanzielle carry-overEffekte auf die Folgeperiode zu beobachten sind. So könnte sich dieses zum Beispiel auf aktuelle Mundpropaganda oder Handelsreaktionen stützen, die wir nicht mit unseren Kontrollvariablen erfasst haben 81 . Im Fokus stehen die hypothetisierten Effekte der Bestsellervariablen. Wir untersuchen zunächst die Dynamik und gehen dann auf die Stärke der Effekte ein: Die Schätzergebnisse der Wochen eins bis vier deuten auf einen signifikanten Erfolgsbeitrag der Bestsellerliste hin (Tabelle 6). Interessanterweise finden sich in der kurzen Frist (Wochen 1-4) keine Schwellenwerte unter den signifikanten Variablen (auch nicht, wenn sie zeitlich verzögert einbezogen werden). Die langfristigen Effekte (Wochen 5-52) in Tabelle 7 deuten hingegen auf signifikante Effekte von Schwellenwerten hin, denn es zeigt sich in der zeitvarianten Schätzung (linker Teil der Tabelle 7), dass die Positionen innerhalb der Top 10 bzw. Top 20 in der Vorperiode einen signifikant positiven Effekt aufweisen. Interessanterweise zeigt sich hier aber kein Effekt der Bestsellerliste, wenn Positionen unterhalb der Top 20 belegt werden. 80 81 Vgl. Ainslie/Drèze/Zufryden (2005); Beck (2007); Sawhney/Eliashberg (1996). Vgl. Elberse/Eliashberg (2003) und Clement/Fischer/Goerke (2007), die Mundpropaganda über den Absatz (bzw. Umsatz) der Vorperiode operationalisieren. 26 Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein Buch zu Beginn des Lebenszyklusses generell von einer Positionierung in den Bestsellerlisten (Top 50) signifikant profitiert, jedoch langfristig nur Positionen in den Top 10 bzw. Top 20 signifikant auf den Absatz wirken. Dies lässt sich dadurch erklären, dass nur die Top 10-Titel (in kleinen Buchhandlungen und Nebenmärkten) bzw. die im SPIEGEL veröffentlichten Top 20-Titel (in größeren Buchhandlungen) auch in Form einer Bestsellerplatzierung präsentiert werden. Die Effektstärke der Bestsellervariablen ist in der ersten Woche am höchsten, d.h. das Buch profitiert in der ersten Woche am stärksten durch die Platzierung in der Bestsellerliste. Dieser Starteffekt wird durch die Vorbestellungen verstärkt, die vor allem in der Woche nach Erscheinen realisiert (d.h. abgeholt und bezahlt) werden. Dieser Effekt fällt terminlich mit den Marketing-Aktivitäten des Verlags (z.B. Rezensionen) zum Erscheinungszeitpunkt zusammen, so dass der Effekt der Bestsellerliste am höchsten ist. Die Relevanz der Position in der Bestsellerliste (Top 50) nimmt dann kontinuierlich in den Wochen zwei, drei und vier ab und ist in den Folgewochen nicht mehr signifikant. In den Wochen fünf bis 52 sind nur die Top-Positionen von Relevanz, wobei der Effekt der Top 10 höher ist als der Top 20. Dieser Effekt ist – im Vergleich zu den Kontrollvariablen – auch substanziell hinsichtlich der Absatzwirkung (siehe die Operationalisierung in Tabelle 1). Die Ergebnisse stützen unsere beiden Hypothesen – sie zeigen allerdings auch auf, dass die Wirkungen der Bestsellerliste über die Zeit sehr verschieden sind. So finden wir einen signifikanten Einfluss der Bestsellerliste auf den Absatz von Büchern über den gesamten Betrachtungszeitraum und stützen Hypothese 1. Ebenfalls zeigt sich, dass in der Tat Schwellenwerte vorliegen, die in den Top 10 und Top 20 liegen. Dieses Ergebnis stützt die Hypothese 2. Allerdings wird deutlich, dass eine Position in den Top 50 nur in den ersten vier Wochen von Relevanz ist, während wir nach fünf Wochen nur noch einen signifikanten Einfluss beobachten, wenn das Buch mindestens in den Top 20 ist. 5.2 Wirkung der Kontrollvariablen Die zahlreichen Kontrollvariablen aus den vier Bereichen des Marketing Mix weisen die erwarteten Vorzeichen auf und stützen – sofern sie in anderen Untersuchungen einbezogen wurden – bisherige empirische Forschungsergebnisse aus dem Bereich hedonischer Güter. 27 Im Bereich der Produktpolitik zeigt sich zunächst, dass in der kurzen Frist keine genrespezifischen Effekte zu beobachten sind. Es findet sich kein signifikanter Einfluss eines GenreDummies in den ersten vier Wochen. In der langen Frist zeigt sich, dass (im Vergleich zum Referenzdummy „Roman“) Biographien und Märchen einen signifikant höheren und die beiden Genres Humor und Geschenk einen signifikant geringeren Absatz verzeichnen. Zudem beobachten wir (mit Ausnahme der dritten Woche) stets signifikante Stareffekte. Hierbei zeigt sich auch, dass zwar der Effekt von bekannten Autoren stärker ist, wenn sie ihre Bekanntheit auf der Basis der schriftstellerischen Leistung erzielt haben, aber auch bekannte Persönlichkeiten ohne bisherige Literaturerfolge können langfristig substanzielle Absatzerfolge erwarten (z.B. Ulrich Wickert, Wolfgang Joop oder Loki Schmidt). Das Geschlecht des Autors ist in der dritten Woche signifikant (positiver Effekt, d.h. weibliche Autoren setzen mehr ab), während in den Wochen fünf bis 52 der Effekt gegenläufig ist und männliche Autoren mehr absetzen. Wir vermuten dass dieser gegenläufige Effekt dadurch entsteht, dass Frauen, die im Allgemeinen auch mehr Bücher von weiblichen Autoren (dies gilt vor allem für die so genannte „Frauenliteratur“) kaufen, die aktuellen Gegebenheiten des Buchmarkts gemäß den Analysen des Börsenvereins (2007) engmaschiger verfolgen und das Buch nach dem Erscheinen schneller kaufen als Männer. Die Wirkung des Titels bzw. des Covers ist erst in den späteren Wochen signifikant. Dieser Effekt ist plausibel, denn es ist zu vermuten, dass ein Buch nicht zu einem Bestseller wird, nur weil es ein ansprechendes Cover oder einen griffigen Titel hat, bzw. dass auch Bücher trotz ihres Covers zu Bestsellern werden. Gerade zu Beginn spielen Stareffekte oder Kritiken eine größere Rolle. Allerdings kann in späteren Wochen, in denen das Buch nicht mehr so umsatzstark ist und auch weniger Marketingaktionen für das Buch laufen, ein interessantes Cover bewirken, dass ein potenzieller Käufer das Buch in die Hand nimmt, um sich weiter zu informieren. Damit wäre der erste Schritt des Kaufprozesses erreicht (Aufmerksamkeit) 82 . Ob es dann zu weiteren Schritten kommt, hängt vom Interesse am Inhalt des Buches ab. Der Seitenumfang des Buches ist zunächst nicht signifikant und wird erst in späteren Perioden signifikant. Dieser Befund deckt sich mit Befunden aus anderen Untersuchungen und lässt 82 Vgl. Blömeke et al. (2007) und Piters/Stokmans (2000). 28 vermuten, dass Buchkäufer eine bestimmte Menge an Unterhaltung wünschen, so dass ein Buch nicht zu dünn sein sollte 83 . Die Effekte der Variablen, die den Seriencharakter eines Buches messen, zeigen ein differenziertes Bild: Ein Buch, das den Beginn einer Serie markiert – aber als solches nicht unmittelbar geplant war, weil erst auf der Basis des Erfolgs des Erstwerkes weitere Bücher nachfolgten (z.B. Werke mit abgeschlossenen Handlungen wie bei Henning Mankells „Kommissar Wallander“ oder bei Donna Leons „Commissario Brunetti“), hat zu Beginn des Lebenszyklusses keinen Wettbewerbsvorteil. Schließlich ist die Qualitätsunsicherheit vor dem Konsum auf Seiten der Kunden unverändert hoch. Daher ist der Einfluss in den ersten Wochen für das erste Buch einer Serie auch nicht signifikant. Allerdings ist ab der vierten Woche durchgängig ein signifikant positiver Effekt zu verzeichnen, der vermutlich ein Selektionseffekt ist, denn die Kausalität ist wahrscheinlich diejenige, dass Bücher, die erfolgreich wurden, eher zu Serien ausgebaut werden 84 . Fortsetzungen von Serien zeigen hingegen direkt in der ersten Woche einen signifikanten Einfluss auf den Absatz 85 . Interessanterweise ist der Effekt nur in der ersten Woche, aber nicht in den Wochen zwei bis vier signifikant. In der langen Frist ist der Effekt jedoch wieder signifikant. Der Befund stützt demnach die Strategie der Verlage, Serien zu verlegen. Keinen signifikanten Effekt von Lizenzausgaben finden wir in der kurzen Frist. In der langen Frist zeigt sich ein signifikant negativer Effekt. Dieser Effekt deckt sich mit den Aussagen, die wir in Interviews mit Verlagsmanagern von Random House und dem Rowohlt Verlag festhielten: Wenn es ein deutscher Autor in die Bestsellerliste schafft, hält er sich auch länger drin (z.B. Kehlmann). Die beiden Variablen, die als Proxy für die Qualität bzw. für die Mundpropaganda dienen (Anzahl der Rezensionen und der Sterne bei Amazon), wirken positiv auf den Absatz. Während die Anzahl der Rezensionen als Indikator für die quantitätsbezogene Mundpropaganda herangezogen werden kann, dienen die Sterne mehr als Qualitätsmaß. Die Ergebnisse zeigen, dass die Anzahl der Rezensionen durchgängig einen signifikant positiven Einfluss aufweisen. 83 84 85 Vgl. Clement/Proppe/Sambeth (2006). Auch ist ein umgekehrt U-förmiger Verlauf von Seitenanzahl als Regressor plausibel. Dies wird in der Regression indirekt aufgefangen, denn der (durch Seitenanzahl instrumentierte) Preis hat überwiegend ein negatives Vorzeichen, d.h. dickere Bücher mit mehr Seiten führen ceteris paribus zu geringeren Absätzen. Dem steht der positive Seiteneinfluss gegenüber. Vgl. Heckman (1979). Hierbei ist anzumerken, dass die Variable nur den Serieneffekt misst und nicht den Stareffekt des Autors, da dieser separat in die Analyse eingeht. 29 Die Anzahl der Sterne ist in der kurzen Frist nicht oder nur schwach signifikant, jedoch in der langen Frist signifikant positiv. Des Weiteren wurden zahlreiche Variablen der Kommunikationspolitik einbezogen. Die Besprechung eines Buches in der Sendung „Lesen!“ führt zu einem signifikanten Effekt in der ersten Woche (in der die Bücher auch in der Regel besprochen werden). Interessanterweise ist der Effekt nur von kurzer Dauer, so dass die Kritik in ihrer Wirkung zumindest nicht direkt zu substanziellen Hysterese-Effekten führt. Der Effekt ist allerdings indirekt weiterhin über die einbezogene verzögert endogene Variable der Vorperiode enthalten. Keinen signifikanten Effekt auf den Absatz im Betrachtungszeitraum beobachten wir für eine Nennung des Buches in der Sendung “Das Große Lesen“. Die Variablen des Verlagsimages weisen in der kurzen Frist keinen signifikanten Einfluss auf – offensichtlich ist der Autor bzw. die Serie als Marke ausschlaggebender für den Absatzerfolg eines Buches. In der langen Frist beobachten wir jedoch einen signifikanten positiven Einfluss des Verlagsimages. Zudem finden wir in der langen Frist einen negativen Effekt der Variablen, die das positive Image der Werbung des Verlags hervorhebt. Dieser Befund vermag zunächst überraschen, ist jedoch plausibel, wenn man sich die Werbung von Büchern verdeutlicht. Zumeist steht das Buch und nicht der Verlag im Vordergrund. Wenn jedoch weniger das Buch, sondern mehr der Verlag in der Werbung in Erscheinung tritt, dann verfehlt die Werbung den direkten Absatzeffekt auf das zu bewerbende Buch und zahlt stärker auf das Verlagsimage ein. Ein weiterer Gedankengang ist, dass ein Titel, der lange in den Listen war, von dem Klientel, das sich hauptsächlich für das Buch interessiert, schon gekauft wurde. Für spätere Käufer, die sich bisher zurückgehalten haben, könnte dann das Verlagsimage wichtiger sein. Als letzte Variable der Kommunikationspolitik wird die Anzahl der Literaturpreise, die der jeweilige Autor bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung (bzw. auch während des Betrachtungszeitraums) sammeln konnte, einbezogen. Auszeichnungen haben in der ersten Woche einen signifikanten Effekt, den wir auch in der langen Frist identifizieren. Entsprechend kann gefolgert werden, dass Auszeichnungen einerseits einen Werbeeffekt aufweisen können (kurze Frist), andererseits aber auch als langfristiges Qualitätssignal fungieren können. 30 Die Ergebnisse der Variablen der Distributionspolitik sind wie folgt zu charakterisieren. Zunächst wurde die Größe des Verlags – allgemein und auch speziell im Bereich der Belletristik – gemessen. Die Ergebnisse zeigen, dass Verlage, die über einen hohen Umsatz im Bereich der Belletristik verfügen, in der Tat in der ersten Woche und auch in der langen Frist signifikant mehr Absatz verzeichnen. Einen allgemeinen Größeneffekt beobachten wir in der zweiten Woche. Letztendlich ist davon auszugehen, dass große Verlage mit umfangreichen Erfahrungen – vor allem in der Belletristik – einen Größenvorteil genießen. Interessanterweise finden wir keine signifikanten Wettbewerbseffekte – weder in der kurzen noch in der langen Frist. Dieser Befund zeigt, dass Bücher als hedonisches Gut auch nur bedingt substituierbar sind (auch wenn sie aus dem gleichen Genre stammen) – eine Beobachtung, die typisch für hedonische Güter ist, sofern sie nicht um knappe Ressourcen (wie Leinwände im Kinogeschäft) konkurrieren müssen 86 . Schließlich ergeben sich noch interessante Ergebnisse der gewählten Preispolitik. Im Wesentlichen zeigen sich die in der Ökonomie typischen negativen Preiseffekte, die jedoch in der ersten Woche in keinem Fall signifikant sind. Die Innovatoren sind offensichtlich auch in der Buchindustrie nicht preiselastisch 87 . Dieser Befund erweitert bzw. kontrastiert die Ergebnisse anderer Autoren, die in bestimmten Sachgebieten eine positive Preiselastizität finden 88 . In diesem Fall kann der Preis eventuell als Qualitätsindikator interpretiert werden – z.B. weil Bücher sehr häufig als Geschenk verwendet werden 89 . Allerdings ist dieses Argument nur dann zutreffend, wenn regressionsanalytisch nicht für Qualität kontrolliert wurde – und insofern ein omitted-variables-Problem vorliegt. Der von uns verwendete Regressionsansatz versucht durch diverse Regressoren, die wahrgenommene Qualität eines Buches separat zu erfassen, um dieses Problem zu vermeiden. In unserer Untersuchung finden wir nur in einem Fall eine positive Preiselastizität (für Romane in der langen Frist) 90 – alle anderen Preiseffekte sind negativ. 86 87 88 89 90 Vgl. Holbrook/Hirshman (1982); Elberse/Eliashberg (2003). Vgl. van den Bulte (2000). Vgl. van der Ploeg (2004), Tietzel (1995). Vgl. Blömeke et al. (2007). Eine naheliegende Erklärung bestünde darin, dass unser Regressionsansatz zwar eine Nachfragefunktion nach Büchern spezifiziert, ein wichtiger Regressor aber unbeobachtbar ist: das individuelle Einkommen des Käufers. Falls Käufer mit höherem Einkommen tendenziell hochwertigere Bücher kaufen, könnte in unserem Regressionsansatz der Preis eines Buches auch ein Proxy für das Einkommen des Käufers sein, und da die Einkommenselastizität nach Büchern sicherlich positiv ist, könnte dies einen signifikant positiven Koeffizienten von dem Regressor Preis erklären. 31 6 Implikationen und Limitationen In Studien, die Personalisierungsalgorithmen im Internet hinsichtlich ihrer Erfolgswirksamkeit untersuchen, zeigt sich immer wieder, dass reine Verkaufscharts (so wie sie z.B. Amazon einsetzt) hervorragende Ergebnisse erzielen und die Nutzer diese intensiv nutzen 91 . Offensichtlich bieten Charts eine Orientierungsfunktion für die Marktteilnehmer in ihrer sozialen Welt. Auch lässt sich theoretisch konzeptualisieren, dass Bestsellerlisten einen Effekt auf den Absatz haben können. Wir zeigen diese Effekte konkret und differenziert im Rahmen einer empirischen Analyse auf. Auf der Basis eines umfangreichen Datensatzes mit wöchentlichen Absatzzahlen modellieren wir die Effekte der Bestsellerliste auf den Absatz von HardcoverBüchern und beziehen zahlreiche Kontrollvariablen mit ein. Die ökonometrischen Modellschätzungen ergeben, dass in der kurzen Frist (Wochen 1 bis 4) ein hoch signifikanter Erfolgsbeitrag der Bestsellerliste (Top 50) vorliegt, d.h. es liegen keine Schwellenwerteffekte innerhalb der Top 50 vor. Zu Beginn ist es hochrelevant in die Bestsellerliste zu kommen – dann kommt es zu signifikanten Absatzsteigerungen. In der langen Frist finden wir hingegen ausschließlich signifikante Effekte von Schwellenwerten. Dort weisen die Positionen innerhalb der Top 10 bzw. Top 20 in der Vorperiode einen signifikant positiven Effekt auf, allerdings findet sich kein Effekt der Bestsellerliste, wenn Positionen unterhalb der Top 20 belegt werden. Diese Ergebnisse bieten Anhaltspunkte für das Verlagsmanagement, denn offensichtlich ist es wichtig, ein „Management“ der Bestsellerlisten zu betreiben – es ist de facto ein hochrelevantes Marketinginstrument. Für Bücher, die noch ein ausreichend großes Marktpotenzial nach den ersten Wochen aufweisen, sollte systematisch versucht werden, diese mindestens in den Top 20 zu halten, unter anderem, weil so die Distributionsquote hoch bleibt. Entsprechend sollten die Marketingmaßnahmen so ausgerichtet sein, dass das Buch nicht in den Abwärtsstrudel des Rankings unterhalb der Top 20 gerät. Unsere Ergebnisse liefern konkrete Anhaltspunkte, welche Marketingmaßnahmen (in diesem Falle unsere Kontrollvariablen in den Tabellen 6 und 7) wie stark zu welchem Zeitpunkt wirken. Allerdings ist einschränkend anzu91 Vgl. Runte (2000). 32 führen, dass wir keine Daten vorliegen haben, die eine monetäre Bewertung der Kosten der Marketingmaßnahmen erlauben, um so den Gewinneffekt einer Marketingmaßahme zur Sicherung einer Bestsellerposition abzuleiten. Dennoch – anhand der Ergebnisse kann das Marketing entlang der zeitlichen Dimension ausgerichtet werden, um so den Absatz zu steigern. Unsere Gespräche mit Verlagsmanagern zeigen jedoch auf, dass die Verlage kaum von der traditionellen Vorgehensweise im Marketing abweichen und entsprechend die Marketingaktionen für ein Buch auf das Erscheinungsdatum herum fokussiert sind. 92 Unsere Ergebnisse zeigen auf, dass ein Umdenken im Verlagsgeschäft sinnvoll sein kann, denn möglicherweise wird das „Pulver zu früh verschossen“. Wie alle empirischen Arbeiten unterliegt auch diese Studie Einschränkungen, die weitere Forschungsarbeiten zu motivieren vermögen. Wir haben die Wirkungen von Charts am Beispiel von Büchern (Hardcover) analysiert, so dass eine Erweiterung auf Taschenbücher ein unmittelbarer Anknüpfungspunkt an unsere Ergebnisse darstellen könnte. Wünschenswert ist es, dass auch weitere Industrien, wie etwa die Musikindustrie, untersucht werden, um den Effekt zu generalisieren. Eine weitere Generalisierbarkeit wäre auch gegeben, wenn nicht nur – wie in diesem Falle – Daten aus Deutschland, sondern auch die Effekte in anderen Ländern analysiert werden. Ebenfalls kann die Operationalisierung einiger Kontrollvariablen kritisiert werden, denn die Messung der Stareffekte und auch der Cover-Attraktivität ist zwar pragmatisch, aber nicht optimal, und bietet daher Chancen für weitere Forschungsarbeiten. Dieser Beitrag untersucht zudem nur die Buchebene und liefert daher keine direkten Aussagen, inwieweit das Konsumentenverhalten genau durch die Charts beeinflusst wird. Hierzu wären Umfragen bzw. Experimente hilfreich, um die Wirkung von Charts auf das Verhalten der Leser genauer zu verstehen. Diese Kritik kann auch auf die anderen Marktteilnehmer, wie z.B. den Handel, Kritiker, Autoren oder Wettbewerber ausgedehnt werden. Dennoch – dieser Aufsatz liefert konkrete Erkenntnisse über die Effekte von Bestsellerlistenpositionen auf den Absatz von Büchern und ermittelt darüber hinaus Anhaltspunkte, inwieweit Marketingvariablen auf den Erfolg von Büchern wirken. Literaturverzeichnis 92 Vgl. Blömeke et al. (2007). 33 Adler, Moshe (1985), Stardom and Talent, in: American Economic Review, Vol. 75, S. 208-212. Ainslie, Andrew/Drèze, Xavier/Zufryden, Fred S. (2005), Modeling Movie Life Cycles and Market Share, in: Marketing Science, Vol. 24, S. 508-517. Albert, Steven (1998), Movie Stars and the Distribution of Financially Successful Films in the Motion Picture Industry, in: Journal of Cultural Economics, Vol. 22, S. 249-270. 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(2005), Medien- und Internetmanagement, Wiesbaden. 37 Summary Rankings and bestseller positions are fascinating phenomena – people want to benchmark themselves. Generally, rankings have strong economic and psychological effects for all market actors. Using a large dataset from the book publishing industry (609 book titles) and many covariates we address two questions: On the one hand we study the effect of a book’s ranking position on its weekly sales. On the other hand we show with a panel model that in the short term perspective there is a significant effect of the ranking position (Top 50) on sales, but without any thresholds positions such as Top 10 or Top 20. Contrary, we find in the long term perspective exclusively quantitative threshold values. A position within the Top 10, respectively Top 20 of the previous period has a significant positive effect on sales.