Kapitel 2 Kinematik Wir beginnen mit der klassischen Mechanik. Eine genaue Beschreibung der Bewegungsvorgänge ist wichtig für ein Verständnis der physikalischen Welt. Viele Wissenschaftler haben zum Fortschritt der klassichen Mechanik beigetragen, wie zum Beispiel Archimedes (-287– -212), Galileo Galilei (1564-1642), Copernicus (1473-1543), Tycho Brahe (1546- 1601) und J. Kepler (1571-1630). Der bekannteste Schöpfer der klassischen Mechanik ist natürlich Sir Isaac Newton (1642-1727). Seine drei Newtonschen Gesetze sowie sein Gravitionsgesetz bilden die Basis der gesamten klassischen Mechanik. Die physikalischen Gesetze, die der Bewegung zugrunde liegen, werden wir nachher im Rahmen der Dynamik studieren. 2.1 Bewegung Die Bewegungsvorgänge finden im Raum und in der Zeit statt. Ein Körper kann sich von einem Ort zu einem anderen Ort bewegen. Ein frei beweglicher Körper hat im Raum drei Freiheitsgrade. D. h., der Körper kann sich in drei unabhängige Richtungen bewegen: nach oben, nach unten, nach rechts, nach links, vorwärts und zurück. Ein Körper ist relativ zu einem anderen in Bewegung, wenn sich seine Lage im Raum, gemessen relativ zum zweiten Körper, mit der Zeit verändert. Andererseits sagt man, dass sich ein Körper relativ zu einem anderen Körper in Ruhe befindet, wenn sich seine relative Lage mit der Zeit nicht verändert. Sowohl Ruhe wie Bewegung sind relative Begri↵e. Ein Haus und ein Baum sind z.B. relativ zur Erde in Ruhe, aber sie sind relativ zur Sonne in Bewegung. Wenn ein Zug durch eine Station fährt, sagen wir, dass sich der Zug relativ zur Station in Bewegung befindet. Ein Passagier des Zuges könnte aber genausogut sagen, dass sich die Station relativ zum Zug in Bewegung befindet, und zwar in entgegengesetzter Richtung. 37 38 2.1.1 Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) Massenpunkte oder Teilchen Um unsere Betrachtung von Bewegung zu vereinfachen, diskutieren wir die Gegenstände, deren Position im Raum durch die Angabe der Koordinaten eines Punktes beschrieben werden kann. Einen solchen Gegenstand nennen wir ein Teilchen oder einen Massenpunkt. Man spricht von Teilchen oder Massenpunkt und meint damit einen idealisierten Körper, dessen Masse in einem Punkt konzentriert ist. Im Rahmen der Kinematik wird die Bewegung dieses Massenpunkts rein geometrisch charakterisiert. Wir studieren die Bewegung makroskopischer Körper, die als solche Massenpunkte betrachtet werden können. In diesem Fall verstehen wir als Massenpunkt einen Körper, dessen räumliche Ausdehnung als vernachlässigbar betrachtet werden soll. Für manche Zwecke ist es z.B. sinnvoll, die Erde als Massenpunkt zu betrachten: in diesem Fall bewegt sich das Teilchen Erde“ auf einer fast kreisförmigen ” Bahn um die Sonne. Der Begri↵ des Massenpunktes ist natürlich eine Idealisierung, und ob eine Masse als Massenpunkt betrachtet werden kann, hängt vom Problem ab. 2.2 Bewegung in einer Dimension Am Anfang beschränken wir uns auf die Bewegung in einer Dimension. D.h., dass die Bewegung des Körpers geradlinig ist, seine Bahn ist eine gerade Linie. Bei der Bewegung entlang einer geraden Linie gibt es nur zwei mögliche Richtungen: die positive und die negative. 2.2.1 Wahl des Koordinatensystems und Beschreibung der Bewegung durch die x-t-Kurve Man führt auf dieser Geraden zunächst ein Koordinatensystem ein, in dem man einen Ursprung O und eine positive Richtung wählt. Siehe Abb. 2.1. Jedem Punkt auf der Geraden entspricht eine Zahl x, die den Abstand des Punktes vom Ursprung angibt. Wenn der Körper sich bewegt, wird sich seine Lage mit der Zeit verändern. Dann kann der Ort x des Körpers mit der Zeit t durch eine funktionale Beziehung in Zusammenhang gebracht werden: x = x(t) (2.1) Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) 39 positive Richtung negative Richtung x O Abbildung 2.1: Koordinatensystem mit Ursprung O für die Beschreibung der Bewegung in einer Dimension. Die positive Richtung wurde nach rechts gewählt. x(t) x1 = x(t1 ) x(t) x2 = x(t2 ) t t1 O t2 Abbildung 2.2: Bewegung eines Massenpunkts in einer Dimension: die x Kurve. t- Dabei wird der Ort x des Körpers als Funktion der Zeit t aufgetragen (Siehe Abb. 2.2). (Wir sagen, dass die Position x des Körpers von der Zeit t abhängt). 2.2.2 Die Verschiebung und der Begri↵ der Geschwindigkeit Wenn wir annehmen, dass sich der Körper zur Zeit t1 bei der Position x1 und zur späteren Zeit t2 bei x2 befindet, so ist die Verschiebung x: x = x2 x1 = x(t2 ) x(t1 ) (2.2) Die Verschiebung kann natürlich einen positiven oder negativen Wert besitzen, abhängig von der Bewegungsrichtung. 40 Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) x(t) x1 = x(t1 ) x = x2 vm = mittlere Geschwindigkeit x1 x(t) x2 = x(t2 ) t = t2 t1 t O t1 t2 Abbildung 2.3: Die mittlere Geschwindigkeit. Im dargestellten Fall ist x2 < x1 , d.h. x < 0, deshalb ist vm < 0. Wir definieren (Siehe Abb. 2.3): Die mittlere Geschwindigkeit (oder Durchschnittsgeschwindigkeit) ist gleich x x2 x1 x(t2 ) x(t1 ) (2.3) vm = = = t t2 t1 t2 t1 wobei x die Verschiebung des Körpers darstellt und t die verstrichene Zeit. Die SI-Einheit der Geschwindigkeit ist Meter pro Sekunde (m/s). Aus der Definition folgen x = vm t und x(t2 ) = x(t1 ) + vm (t2 2.2.3 t1 ). (2.4) Die momentane Geschwindigkeit Um die momentane Geschwindigkeit zu bestimmen, müssen wir das Zeitintervall t in der Definition der mittleren Geschwindigkeit so klein wie möglich“ ” machen. In der Sprache der Mathematik bedeutet das, dass wir den Grenzwert des Quotienten berechnen. Das wird in der Form v = lim vm = lim t!0 t!0 x t (2.5) geschrieben. Siehe Abb. 2.4. Dieser Grenzwert ist aber gleich der Ableitung von x nach der Zeit, d. h. dx (2.6) v(t) = dt Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) 41 x(t) v(t) = x = x(t) dx = Steigung der Tangente dt t t O Abbildung 2.4: Die momentane Geschwindigkeit. Es folgt daraus, dass die momentane Geschwindigkeit v(t) des Körpers zu jeder Zeit t durch die Ableitung der Funktion x(t) nach der Zeit t gewonnen werden kann. 2.2.4 Der Begri↵ der Beschleunigung Die Beschleunigung beruht auf folgendem Konzept: Wenn sich die momentane Geschwindigkeit eines Körpers mit der Zeit verändert, dann sagen wir, der Körper werde beschleunigt. Die mittlere Beschleunigung in einem bestimmten Zeitintervall das Verhältnis v/ t definiert am = v v(t2 ) = t t2 v(t1 ) , t1 t ist als (2.7) wobei v = v2 v1 die Änderung der momentanen Geschwindigkeit im Zeitintervall t = t2 t1 ist. Im SI-System wird die Beschleunigung als Meter pro Sekunde im Quadrat ausgedrückt (m/s2 ). Beachte das Vorzeichen der Beschleunigung! Das Vorzeichen bezieht sich auf eine Richtung und nicht darauf, ob der Betrag der Geschwindigkeit grösser oder kleiner wird. Bewegt sich ein Körper z.B. mit einer Geschwindigkeit v = 25 m/s, und ist die Beschleunigung am = +5 m/s2 , so wird er in 5 Sekunden vollständig abgebremst: v 2 = v 1 + am t = 25m/s + (+5m/s2 )(5s) = 0m/s (2.8) 42 Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) Die ursprüngliche Geschwindigkeit ist negativ, und die Beschleunigung ist positiv (d.h. die Richtung der Beschleunigung ist derjenigen der Geschwindigkeit entgegengesetzt!). Daher nimmt der Betrag der Geschwindigkeit mit der Zeit ab. Zusammenfassend: sind die Vorzeichen der Geschwindigkeit und der Beschleunigung entgegengesetzt, so nimmt der Betrag der Geschwindigkeit ab, der Körper wird langsamer. Sind die Vorzeichen gleich, so nimmt der Geschwindigkeitsbetrag zu, der Körper wird schneller. Wie bei der Geschwindigkeit definieren wir nun die momentane Beschleunigung als Grenzwert der mittleren Beschleunigung für immer kleiner werdende Zeitintervalle: v dv (2.9) a(t) = lim = t!0 t dt Die Beschleunigung ist damit als die zeitliche Ableitung der Geschwindigkeit definiert. Da die Geschwindigkeit selbst als Ableitung des Ortes x nach der Zeit definiert ist, ist die Beschleunigung die zweite Ableitung von x nach t, geschrieben als ✓ ◆ dv d dx d2 x (2.10) a(t) = = = 2 dt dt dt dt Beispiel: Die Position eines Körpers wird gegeben durch: x(t) = t3 33t + 8 (2.11) wobei x in Metern (m) und t in Sekunden (s) gemessen werden. Die entsprechende momentane Geschwindigkeit als Funktion der Zeit ist: dx v(t) = = 3t2 33 (2.12) dt wobei v in Metern pro Sekunde (m/s) angegeben wird. Die momentane Beschleunigung ist: dv a(t) = = 6t (2.13) dt wobei a in Metern pro Sekunde im Quadrat (m/s2 ) gegeben ist. Gibt es Zeitpunkte, zu dem die Geschwindigkeit verschwindet ? p v(t) = 3t2 33 = 0 ! t = ± 11 s ' ±3, 3 s (2.14) Überprüfen Sie die Einheiten ! 2.3 Integration der Bewegung Wir haben gesehen, wie man die Geschwindigkeitsfunktion v(t) und die Beschleunigungsfunktion a(t) durch Ableitung der Ortsfunktion x(t) nach der Zeit t gewinnen kann. Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) 43 Integration der Bewegung: Das umgekehrte Problem ist, die Funktion x(t) zu finden, wenn die Geschwindigkeit v(t) oder die Beschleunigung a(t) gegeben ist. Dazu müssen wir Integration anwenden. Wenn wir wissen, wie sich die Geschwindigkeit mit der Zeit ändert, d.h., wenn wir v = v(t) kennen, dann können wir die Position x zu jedem Zeitpunkt durch Integration erhalten. Es gilt v(t) = dx dt ) (2.15) dx = v(t)dt Um die physikalische Bedeutung dieser Gleichung zu verstehen, muss man bemerken, dass vdt die Verschiebung des Körpers innerhalb des kleinen Zeitintervalls dt darstellt. Jetzt werden wir sehen, dass die Ortsfunktion x(t) die Stammfunktion von v(t) ist. Wir nehmen an, dass sich der Körper zur Zeit t0 im Punkt x0 befindet. Um die Position des Körpers zur Zeit t zu berechnen, integrieren wir dx = v(t)dt von t0 bis t: Zt t0 v(t0 )dt0 = Zx(t) dx = x|x(t) x0 = x(t) x0 (2.16) x(t0 )=x0 wobei t0 als Integrationsvariable betrachtet wird. Damit folgt x(t) = Zt v(t0 )dt0 + x0 (2.17) t0 Wir wissen aus der Mathematik, dass der Stammfunktion eine beliebige Integrationskonstante hinzugefügt werden muss, um die allgemeine Lösung zu erhalten. Die Integrationkonstante x0 ist durch die Position des Körpers zu einem bestimmten Anfangszeitpunkt gegeben, der gewöhnlich bei t0 = 0 gewählt wird. Es gilt x0 = x(t0 ). Die Angabe dieser Konstante wird deshalb Anfangsbedingung genannt. In ähnlicher Weise kann man den Fall betrachten, bei dem die Beschleunigung a(t) gegeben ist. Da wir zweimal integrieren müssen um x(t) aus a(t) zu erhalten, treten nun zwei Konstanten x0 = x(t0 ) und v0 = v(t0 ) auf. Diese 44 Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) Konstanten sind durch die Anfangsbedingungen der Geschwindigkeit und der Position des Teilchens gegeben: v(t) = Zt 0 0 a(t )dt + v0 und x(t) = t0 Zt v(t0 )dt0 + x0 (2.18) t0 Beispiel: Sei die Beschleunigung a(t) gegeben durch: 8 2 > fuer 2 t 4 s <1 m/s 2 a(t) = 2 m/s fuer 5 t 6 s > : 0 sonst (2.19) Im Fall v0 = 0 erhalten wir durch Integration für die Geschwindigkeit im ersten Zeitbereich (2 t 4 s): v(t, 2 t 4 s) = Zt (1 m/s2 )dt0 = (1 m/s2 )t0 |t2 s = (t 2) m/s (2.20) 2s wobei t in Sekunden gegeben ist. Da a(t) = 0 für 4 t < 5 s, bleibt die Geschwindigkeit konstant mit dem Wert 2 m/s. Im Zeitbereich 5 t 6 s gilt (v0 =2 m/s): v(t, 5 t 6 s) = Zt ( 2 m/s2 )dt0 +2 m/s = ( 2 m/s2 )t0 |t5 s +2 = ( 2t+12) m/s 5s (2.21) Schliesslich, 8 > 0 > > > > >(t 2) m/s < v(t) = 2 m/s > > > ( 2t + 12) m/s > > > :0 fuer fuer fuer fuer fuer In ähnlicher Weise lässt sich die Position x(t) 8 > 0 > > > 1 2 > > 2t + 2) m <( 2 t x(t) = (2t 6) m > > > ( t2 + 12t 31) m > > > :5 m t < 2s 2 t < 4s 4 t < 5s 5 t < 6s 6s t (2.22) finden: fuer fuer fuer fuer fuer t < 2s 2 t < 4s 4 t < 5s 5 t < 6s 6s t (2.23) Die resultierenden Funktionen a(t), v(t) und x(t) sind in Abb. 2.5 aufgetragen. a(t), v(t), x(t) Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) 45 x(t) v(t) a(t) (s) Abbildung 2.5: Integration der Bewegung. 2.3.1 Einige spezielle Bewegungsvorgänge 2.3.1.1 Gleichförmige, geradlinige Bewegung Wenn sich ein Körper in gleichförmiger, geradliniger Bewegung befindet, ist seine Geschwindigkeit v konstant. Daher ist v(t) = konst. ) dv = 0 ) a(t) = 0 dt (2.24) Es folgt für konstante Geschwindigkeit v(t) = v0 , dass x(t) = x0 + Zt t0 0 0 v(t )dt = x0 + v0 Zt dt0 = x0 + v0 (t t0 ) (2.25) t0 mit x0 = x(t0 ). 2.3.1.2 Gleichförmig beschleunigte, geradlinige Bewegung. Die Bewegung eines Körpers mit konstanter Beschleunigung kommt in der Natur häufig vor. So fallen z.B. alle Gegenstände aufgrund der Gravitation senkrecht nach unten. 46 Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) Wenn sich ein Körper in gleichförmig beschleunigter geradliniger Bewegung befindet, ist seine Beschleunigung a(t) = a0 konstant. Es folgt daher v(t) = v0 + Zt a(t0 )dt0 = v0 + a0 t0 Zt dt0 = v0 + a0 (t t0 ) (2.26) t0 mit v0 = v(t0 ). Für den Ort erhalten wir damit x(t) = x0 + Zt v(t0 )dt0 Zt (v0 + a0 (t0 t0 = x0 + (2.27) t0 )) dt0 t0 = x0 + v0 (t 1 t0 ) + a0 (t 2 t0 ) 2 Wenn wir x0 = 0, v0 = 0 und t0 = 0 setzen, werden die Gleichungen vereinfacht: x(t) = 12 a0 t2 v(t) = a0 t a(t) = a0 (2.28) Beispiel: Wir suchen die Position x(t) in Meter als Funktion der Zeit in Sekunden und die Geschwindigkeit v(t) in Meter pro Sekunde für die konstante Beschleunigung a(t) = a0 = +3 m/s2 . In diesem Fall nimmt die Geschwindigkeit linear mit der Zeit zu, d.h. die Beschleunigung entspricht der Steigung der Geschwindigkeitskurve: v(t) = a0 t = (+3 m/s2 )t = (3t) m/s (2.29) wobei t in Sekunden gegeben ist. Die zurückgelegte Strecke x(t) ist proportional zum Quadrat der Zeit und für eine gegebene Zeit t proportional zur konstanten Beschleunigung a0 . 1 1 3 x(t) = a0 t2 = (+3 m/s2 )t2 = ( t2 ) m. 2 2 2 (2.30) Siehe Abb. 2.6. 2.4 Beschleunigung (Freier Fall) durch die Gravitation In der Nähe der Erdoberfläche spürt jeder Körper die sogenannte Erdbeschleunigung. Diese Beschleunigung wird durch eine Anziehung zwischen der v(t )dt x(t) = x0 + t0 t x (m), v(m/s), a(m/s2) (2.16) = x0 + (v0 + a0 (t t0 )) dt Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) 47 t0 1 = x0 + v0 (t t0 ) + a0 (t t0 )2 2 25 x(t) v(t) Wenn wir x0 = 0, v0 = 0 und t0 = 0 setzen, werden die Gleichungen vereinfacht: 20 x(t) = 21 a0 t2 v(t) = a0 t a(t) = a0 (2.17) 15 2.4 10 5 0 Beschleunigung durch die Gravitation In der Nähe der Erdoberfläche spürt jeder Körper die a(t) sogenannte Erdbeschleunigung. Diese Beschleunigung wird durch eine Anziehung zwischen 5 10 15 20 25 Zeit t (s) Abbildung 2.6: Gleichförmig beschleunigte, geradlinige Bewegung: die Lage x(t), die Geschwindigkeit v(t) und die (konstante) Beschleunigung a(t) = 3 m/s2 wurden im Plot aufgetragen (für t0 = x0 = v0 = 0). Erde und dem Körper (Gravitationskraft) verursacht. Sie hängt nicht von den Eigenschaften der Körper, wie Masse ab. Sie ist für alle Körper gleich. In der Praxis wirkt der Luftwiderstand in sichtbarer Weise auf den Fall von Körpern. Der Widerstand nimmt mit der Geschwindigkeit zu und eine Grenzgeschwindigkeit wird erreicht. Felix Baumgartner (geboren in 1969, Österreich) stieg am 14. Oktober 2012 von der Walker Air Force Base bei Roswell, New Mexico (USA) mit einem Heliumballon in einer Druckkapsel in die Stratosphäre auf, um mit Schutzanzug und Fallschirm abzuspringen. Im freien Fall erreichte er eine Geschwindigkeit von 1357,6 km/h (Weltrekord). Wenn der Luftwiderstand als vernachlässigbar betrachtet werden kann, beobachten wir, dass jeder Körper, unabhängig von seiner Masse, dieselbe Erdbeschleunigung erfährt. Wir nennen diese Beschleunigung die Erdbeschleunigung g. Diese Beschleunigung zeigt in Richtung Erdzentrum. Ihr Betrag in der Nähe der Erdoberfläche ist g ⇡ 9,8 m/s2 (2.31) Wenn wir uns von der Erde entfernen, wird die Gravitationsbeschleunigung abnehmen. Zum Beispiel ist die Erdbeschleunigung in einer Höhe von ⇡ 2500 km ungefähr halb so gross wie auf der Erdoberfläche, oder g ⇡ 5 m/s2 . Auf anderen Planeten ist die entsprechende Beschleunigung verschieden. Zum Beispiel beträgt g auf dem Mond nur ungefähr 1/6 der Erdbeschleunigung, d.h. gMond = 1,67 m/s2 (2.32) 48 Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) Demonstrationsexperiment: Fallversuch. Die Fallzeit einer Kugel, die aus verschiedenen Höhen fallen gelassen wird, wird gemessen. Siehe Abb. 2.7. Aus diesen Messungen bemerken p wir, dass die Fallzeit t proportional zur Quadratwurzel der Höhe ist: t / h, wobei h die Höhe ist. Abbildung 2.7: Demonstrationsexperiment: Die Fallzeit einer Kugel, die aus verschiedenen Höhen fallen gelassen wird, wird gemessen. Wir nehmen an, dass die Kugel gleichförmig beschleunigt wird und finden tatsächlich: s 1 2 1 2 2h h = a0 t = gt ) t= (2.33) 2 2 g wobei die konstante Beschleunigung a0 durch die Erdbeschleunigung g ersetzt wurde. Die erwartete Fallzeit ist in Abb. 2.8 als Funktion der Höhe h geplottet für drei verschiedene Beschleunigungen (a) g=9,81 m/s2 (b) g=2 ⇥ 9, 81 m/s2 (c) g = gM ond = 1,67 m/s2 . Die Fallzeit nimmt bei einer konstanten Beschleunigung mit der p Wurzel der Höhe zu. Bei konstanter Höhe wird die Fallzeit um einen Faktor 2 reduziert, wenn die Beschleunigung verdoppelt wird. Wie erp wartet ist die Fallzeit auf dem Mond um den Faktor g/gM ond ⇡ 2.4 länger als auf der Erde. 49 Fallzeit t(s) Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) t= 0.75 gM ond q 2h g g = 9, 81 m/s2 0.5 g = 2 ⇥ 9, 81 m/s2 0.25 -0.25 0 0.25 0.5 0.75 1 1.25 1.5 1.75 2 2.25 Höhe h(m) Abbildung 2.8: Gleichförmig beschleunigte Bewegung: erwartete Fallzeit als Funktion der Höhe für (a) g=9,81 m/s2 , (b) g=2 ⇥ 9, 81 m/s2 , (c) g = gM ond = 1,67 m/s2 . 2.5 Bewegung in mehreren Dimensionen Jetzt betrachten wir die Bewegung eines Körpers in mehreren Dimensionen. Wir werden dieselben Begri↵e, die wir für die eindimensionale Bewegung eingeführt haben, in komplizierterer Form wieder verwenden: Verschiebung, Geschwindigkeit und Beschleunigung werden nun als Grössen aufgefasst, die Vektoren sind. Die Trajektorie oder die Bahnkurve des Körpers (des Massenpunkts) im Raum repräsentiert den Weg, den der Körper (der Massenpunkt) durchläuft. 2.5.1 Der Ortsvektor Zuerst müssen wir ein Koordinatensystem definieren, relativ zu welchem die Bahnkurve des Körpers im Raum beschrieben wird. Der Ursprung O ist als der Nullpunkt des Koordinatensystems definiert. Mit Hilfe eines mehrdimensionalen Koordinatensystems, können die Punkte auf der Bahnkurve durch die Koordinaten dargestellt werden. Der Ortsvektor ist als die Verschiebung zwischen dem Ursprung und dem Punkt im Raum definiert. 50 Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) ey m r(t1 ) r(t2 ) r(t1 ) r(t2 ) m v(t) ex O ez Abbildung 2.9: Bewegung eines Massenpunkts auf einer Bahnkurve mit den Ortsvektoren r(t1 ) und r(t2 ) sowie dem Verschiebungsvektor r(t2 ) r(t1 ). Siehe Abb. 2.9. 2.5.2 Der Verschiebungsvektor Bei der eindimensionalen Bewegung wurde die Verschiebung als x = x(t2 ) x(t1 ) definiert. Abb. 2.10 zeigt, wie im zweidimensionalen Fall die Verschiebungsvektoren si mit Hilfe der Ortsvektoren r i dargestellt werden können. Im mehrdimensionalen Fall kann die folgende Vektorgleichung geschrieben werden: si = r i+1 ri , i = 0, 1, 2, 3, 4, . . . (2.34) Wie im Fall der Bewegung in einer Dimension, wird der Grenzfall betrachtet, bei dem die Lage des Teilchens als eine funktionale Beziehung zwischen den Ortsvektoren und der Zeit beschrieben wird. Diese Beziehung entspricht der Bahnkurve des Körpers als Funktion der Zeit und wird als r ⌘ r(t) geschrieben (Vergleich mit Kap. 2.2). (2.35) Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) 51 y s0 r 1 ey s1 r 2 s2 r 3 s3 r4 r0 s4 r5 x ex O Abbildung 2.10: Darstellung der Verschiebungsvektoren si und der Ortsvektoren r i in den 2-dimensionalen kartesischen Koordinaten. Wir haben in Kap. 1.5 gesehen, dass mit Hilfe einer Vektorbasis Vektoren durch ihre Komponenten dargestellt werden können. Im Fall des Ortsvektors können wir auch eine bestimmte Basis verwenden, um die Komponenten als Projektionen auf gegebene Einheitsvektoren zu berechnen. In Abb. 2.10 haben wir z.B. die 2-dimensionalen kartesischen Koordinaten verwendet: r ⌘ r(t) = x(t) · ex + y(t) · ey (2.36) Wir betonen, dass im kartesischen Koordinatensystem die Basisvektoren fest sind, d.h., sie sind zeitlich konstant. Man kann ebenso auch die Kugelkoordinaten verwenden: r ⌘ r(t) = r(t) · er (t) (2.37) In diesem Fall hängt der Einheitsvektor vom Punkt ab. Der Einheitsvektor er wird deshalb auch von der Zeit abhängen: Die Kugelkoordinate r(t) wird nur den radialen Freiheitsgrad darstellen. Die anderen Freiheitsgrade werden durch die Änderung der Richtung des Einheitsvektors er berücksichtigt. 2.5.3 Der Geschwindigkeitsvektor Um einen mittleren Geschwindigkeitsvektor zu erhalten, nehmen wir einen Verschiebungsvektor (Siehe Abb. 2.10) und dividieren ihn durch das Zeitintervall t, d.h. wir erhalten die folgende vektorielle Gleichung: vi ⌘ si (r i+1 = t ti+1 ri) ti (i = 0, 1, 2, 3 . . .) (2.38) Diese Definition ist in Abb. 2.11 illustriert. Wenn wir die Verschiebung si durch das Zeitintervall t dividieren, erhalten wir einen Vektor, der in dieselbe Richtung wie si zeigt. 52 Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) Der Geschwindigkeitsvektor v i zeigt in die Richtung der Verschiebung si und sein Betrag ist gleich der mittleren Geschwindigkeit. Um den momentanen Geschwindigkeitsvektor zu bestimmen, lassen wir das Zeitintervall t nach null streben. Je kleiner t ist, desto mehr nähert sich der mittlere Geschwindigkeitsvektor dem momentanen Geschwindigkeitsvektor. Die Berechnung für t ! 0 führt zu einer zeitlichen Ableitung. Siehe Abb. 2.11. y y 0 v0 0 1 v 0 s0 s0 1 v0 = s0 (r 1 = t t1 r0) t0 v0 = t = 0,8 s y t = 0,4 s x v0 v(t) y x 0 0 s0 1 v0 = s0 t s0 t v! t = 0,2 s dr dt t!0 x x Abbildung 2.11: Definition der momentanen Geschwindigkeit v(t). Die ganze Bewegung auf der Parabel dauert 2 Sekunden. Die folgenden Zeitintervalle werden betrachtet: t = 0,8 s, 0,4 s und 0,2 s. Je kleiner t ist, desto mehr nähert sich der mittlere Geschwindigkeitsvektor v 0 dem momentanen Geschwindigkeitsvektor v(t). Der Grenzwert t ! 0 führt zur zeitlichen Ableitung dr/dt. Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) 53 Die momentane Geschwindigkeit ist ein Vektor, der tangential zur Bahn ist, und der durch die zeitliche Ableitung des Ortsvektors gegeben ist: v(t) = dr dt (2.39) Um die Ableitung zu bestimmen, verwenden wir die Ergebnisse des Kap. 1.6.4 (wir betrachten 2 Dimensionen): dr d = (x · ex + y · ey ) dt dt dx dex dy dey = · ex + x · + · ey + y · dt dt dt dt |{z} |{z} v(t) = ⌘0 = ⌘0 dx dy · ex + · ey , dt dt (2.40) wobei wir verwendet haben, dass die kartesischen Einheitsvektoren festgelegt sind. Wir können damit den Geschwindigkeitsvektor folgendermassen ausdrücken: v(t) = vx (t) · ex + vy (t) · ey = dx dy · ex + · ey dt dt (2.41) wobei vx (t) und vy (t) die Komponenten der Geschwindigkeit sind. Damit haben wir gezeigt, dass in den kartesischen Koordinaten die Komponenten der Geschwindigkeit (vx , vy ) gleich den zeitlichen Ableitungen der Ortskoordinaten (x, y) sind. In Polarkoordinaten (wir betrachten 2 Dimensionen, Siehe Kap. 1.4.2) wurde die Geschwindigkeit so berechnet (Siehe Gl. 1.50): r(t) = r(t) · er (t) ) v(t) = dr dr der = · er + r · dt dt dt (2.42) Wir müssen nun die zeitliche Ableitung des Basisvektors bestimmen. Dazu können wir die kartesischen Koordinaten verwenden! Es gilt (siehe Kap. 1.7.2): ( er e' = = cos ' · ex + sin ' · ey sin ' · ex + cos ' · ey (2.43) 54 Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) und damit der d = (cos ' · ex + sin ' · ey ) dt dt = d dex d dey {cos '(t)} · ex + cos ' · + {sin '(t)} · ey + sin ' · dt dt dt dt |{z} |{z} ⌘0 = sin ' · ⌘0 d' d' · ex + cos ' · · ey dt dt d' · e' (2.44) dt Mit diesem Ergebnis ist der Geschwindigkeitsvektor im Polarkoordinatensystem gleich dr der dr d' (2.45) v(t) = · er + r · = · er + r · e' dt dt dt dt Wir können das Ergebnis so interpretieren: = 1. Der 1. Term ist die radiale Geschwindigkeit. Sie zeigt wie erwartet in die Richtung von er . 2. Der 2. Term ist die Geschwindigkeitskomponente senkrecht zu er in Richtung von e' . 3. Der Betrag der Geschwindigkeit in Richtung von e' ist gleich v' = r d' dt (2.46) Im Allgemeinen werden sich beide Komponenten r und ' in einer beliebigen Bahnkurve ändern. In diesem Fall tragen beide Terme zur Geschwindigkeit bei und der Geschwindigkeitsvektor ist durch die Summe von zwei Vektoren, die in die Richtung von er bzw. e' zeigen, gegeben. Wir bemerken, dass der Geschwindigkeitsvektor per Definition“ tangential zur Bahnkurve ist. Wir be” trachten dazu die zwei folgenden Fälle: 1. Für r = konst. ist der Geschwindigkeitsvektor gleich dr d' d' d' · er + r · e' = 0 + r · e' = r · e' (2.47) dt dt dt dt D.h., nur der 2. Term trägt zur Geschwindigkeit bei, und er entspricht der tangentialen Geschwindigkeit. Dies ist z.B. der Fall bei der Kreisbewegung (Siehe Kap. 2.7). v(t) = 2. Für ' = konst. ist der Geschwindigkeitsvektor gleich dr d' dr dr · er + r · e' = · er + 0 = · er dt dt dt dt D.h., die Geschwindigkeit ist radial gerichtet. v(t) = (2.48) Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) 2.5.4 55 Der Beschleunigungsvektor Der Vektor der mittleren Beschleunigung wird definiert als das Verhältnis der Änderung der Geschwindigkeit zum Zeitintervall t: ai ⌘ v i+1 vi t = (v i+1 ti+1 vi) ti (i = 0, 1, 2, 3 . . .) (2.49) Man muss beachten, dass der Geschwindigkeitsvektor seinen Betrag, seine Richtung oder beides ändern kann (siehe Abb. 2.12): Von Beschleunigung spricht man, wenn der Geschwindigkeitsvektor in irgendeiner Weise variiert. Andererseits ist eine Bewegung, bei welcher der Geschwindigkeitsvektor denselben Betrag und dieselbe Richtung hat, eine Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit. Abb. 2.12 a) zeigt eine Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit. Abb. 2.12 b) und c) zeigen zwei besondere Arten von beschleunigten Bewegungen: In b) ändert sich nur der Betrag der Geschwindigkeit und in c) nur die Richtung. a) v1 v2 v3 b) v1 v2 v3 v4 v5 v4 v5 v6 v6 v2 v3 c) v1 v4 v6 v5 Abbildung 2.12: a) Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit, b) lineare und c) Kreisbeschleunigung. Der momentane Beschleunigungsvektor ist der Grenzwert der mittleren Beschleunigung, wenn das Zeitintervall gegen null geht. D.h., der momentane Beschleunigungsvektor ist die zeitliche Ableitung des Geschwindigkeitsvektors. Um die Ableitung zu bestimmen, verwenden wir noch einmal die Ergebnisse 56 Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) des Kap. 1.6.4 (wir betrachten 2 Dimensionen): dv d = (vx (t) · ex + vy (t) · ey ) dt dt dvx dex dvy (t) dey = · e x + vx · + · e y + vy · dt dt dt dt |{z} |{z} a(t) = ⌘0 2 2 ⌘0 dvx dvy dx dy · ex + · ey = 2 · ex + 2 · ey , (2.50) dt dt dt dt wobei wir verwendet haben, dass die kartesischen Einheitsvektoren festgelegt sind. Wir können daher den Beschleunigungsvektor so ausdrücken: = dvx dvy d2 x d2 y · ex + · ey = 2 · ex + 2 · ey dt dt dt dt (2.51) wobei ax (t) und ay (t) die Komponenten der Beschleunigung sind. Damit haben wir gezeigt, dass die Komponenten des Beschleunigungsvektors durch die ersten zeitlichen Ableitungen der Komponenten des Geschwindigkeitsvektors und die zweiten zeitlichen Ableitungen der Komponenten des Ortsvektors gewonnen werden. a(t) = ax (t) · ex + ay (t) · ey = In Polarkoordinaten (wir betrachten weiterhin 2 Dimensionen) wird die Beschleunigung so berechnet: ✓ ◆ dv d dr d' a(t) = = · er + r · e' dt dt dt dt d2 r dr der dr d' d2 ' d' de' = 2 · er + · + · e' + r 2 · e' + r · dt dt dt dt dt dt dt dt ✓ ◆2 d2 r dr d' dr d' d2 ' d' = 2 · er + · e' + · e' + r 2 · e' r · er , dt dt dt dt dt dt dt (2.52) wobei wir die folgenden Ergebnisse verwendet haben: der d' = · e' dt dt und (2.53) ✓ ◆ de' d d' d' = ( sin ' · ex + cos ' · ey ) = cos ' · ex sin ' · ey dt dt dt dt d' d' = (cos ' · ex + sin ' · ey ) = · er (2.54) dt dt Schliesslich kann die Beschleunigung so ausgedrückt werden: ( ✓ ◆2 ) ⇢ d2 r d' dr d' d2 ' a(t) = r · e + 2 + r · e' (2.55) r dt2 dt dt dt dt2 Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) 57 Diese allgemeine Form sieht recht kompliziert aus! Wir werden sie später in mehr Einzelheiten studieren (Siehe Kap. 2.7). 2.6 Zerlegung und Integration der Bewegung Wir wollen jetzt die Bewegungsgleichung von zweidimensionalen Bewegungen integrieren. Die gefundenen Resultate können einfach auf den dreidimensionalen Fall erweitert werden. Für eine Bewegung mit gleichförmiger Beschleunigung (d.h., ein konstanter Beschleunigungsvektor a(t) = a0 ), finden wir die folgende vektorielle Gleichung (t0 = 0): Zt v(t) = v 0 + a(t0 ) dt0 0 = v 0 + a0 Zt (2.56) dt0 0 = v 0 + a0 t mit v 0 = v(0) Nun fügen wir 2-dimensionale kartesische Einheitsvektoren ein für den Anfangsgeschwindigkeitsvektor v 0 = (v0x , v0y ) und den konstanten Beschleunigungsvektor a0 = (a0x , a0y ) : v(t) = v0x · ex + v0y · ey + (a0x · ex + a0y · ey ) t = (v0x + a0x t) · ex + (v0y + a0y t) · ey (2.57) Mit einer ähnlichen Herleitung findet man für den Ortsvektor: r(t) = r 0 + Zt v(t0 ) dt0 0 (2.58) 1 = r 0 + v 0 t + a 0 t2 , 2 wobei r 0 = r(0) (2.59) Diese Bewegungsgleichung wird mit den Komponenten geschrieben als (r 0 = (x0 , y0 )): 1 r(t) = r 0 + v 0 t + a0 t2 (2.60) 2 ✓ ◆ ✓ ◆ 1 1 = x0 + v0x t + a0x t2 ex + y0 + v0y t + a0y t2 ey (2.61) 2 2 58 Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) Wir diskutieren nun eine wichtige Folgerung dieser Gleichungen: Die Bewegungsgleichungen sagen voraus, dass die senkrechten x- und yKomponenten der Bewegung unabhängig voneinander sind. Für eine mehrdimensionale Bewegung werden wir ein ähnliches Resultat finden: Eine beliebige Bewegung kann immer in unabhängige Komponenten zerlegt werden. In der Praxis wird man versuchen, unabhängige Komponenten zu wählen, die die einfachste Beschreibung der Bewegung erlauben. Wir können z.B. verstehen, dass Kugelkoordinaten nicht am besten geeignet sind, um eine geradlinige Bewegung zu beschreiben. Hingegen können sie zur Beschreibung einer Kreisbewegung zweckmässig gebraucht werden. 2.6.1 Demonstrationsexperiment: Wurf im bewegten System Eine wichtige Anwendung der Bewegung in zwei Dimensionen ist die einer Kugel, die in die Luft geworfen oder geschossen wird und sich dann frei bewegen kann. In diesem Versuch wird geprüft, ob die horizontalen und vertikalen Komponenten der Bewegung unabhängig voneinander sind. Eine Kugel (das Teilchen) wird von einem fahrenden Wagen aus senkrecht in die Luft geworfen. Siehe Abb. 2.13. Um diese Bewegung zu bestimmen, betrachten wir eine zweidimensionale Bewegungsgleichung. Die Kugel erfährt während des Fluges eine konstante nach unten gerichtete Beschleunigung (Erdbeschleunigung): a(t) = a0 = gey (g > 0) (2.62) Der Anfangsgeschwindigkeitsvektor ist definiert als: v0 = v(t = 0) = v0x ex + v0y ey (2.63) Wir zerlegen die Bewegung in die zwei unabhängigen Komponenten: x-Achse (k ex ): 8 > > <ax (t) = a0x = 0 vx (t) = v0x + a0x t = v0x > > :x(t) = x + v t + 1 a t2 = x + v t 0 0x 0 0x 2 0x (2.64) Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) 59 Abbildung 2.13: Wurf im bewegten System. ) Die Kugel bewegt sich gleichförmig in x-Richtung. y-Achse (k ey ): 8 > > <ay (t) = g vy (t) = v0y + a0y t = v0y gt > > :y(t) = y + v t + 1 a t2 = y + v t 0 0y 0 0y 2 0y (2.65) 1 2 gt 2 ) Die Kugel bewegt sich in gleichförmig beschleunigter Bewegung in yRichtung. Die erwarteten Bahnkurven der Kugel und des Wagens in der x, y-Ebene sind für eine feste vertikale Anfangsgeschwindigkeit v0y und für 4 verschiedene horizontale Anfangsgeschwindigkeiten v0x in der Abb. 2.14 gezeigt. Wir bemerken: (1) die maximale Höhe der Flugbahn ist gleich für alle 4 Trajektorien; (b) die Kugel wird immer wieder vom Wagen aufgefangen. Die Kugel wird vom Wagen aus senkrecht in die Luft geworfen, unabhängig vom Bewegungszustand des Wagens. Die maximale Höhe der Flugbahn hängt von der senkrechten Geschwindigkeit ab, die der Kugel beim Abwurf mitgegeben wird. Die vertikale Bewegung hängt nicht von der horizontalen Bewegung ab: y-Koordinate 60 Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) v0x = 0 v0x = 2 v0x = 4 v0x = 6 m/s O x-Koordinate Abbildung 2.14: Wurf im bewegtem System: Bahnkurven der Kugel und des Wagens (Viereck) in der x, y-Ebene für 4 verschiedene horizontale Anfangsgeschwindigkeiten v0x = 0, 2, 4, 6 m/s. Im höchsten Punkt der Bahnkurve ist die vertikale Geschwindigkeit gleich null : vy = 0 Wir nehmen an, dass die Kugel zur Zeit t = tmax diesen Punkt erreicht. Wir müssen nur die vertikale Komponente der Bewegungsgleichung betrachten: vy = v0y gtmax ⌘ 0 ) v0y = gtmax ) tmax = v0y g (2.66) Wenn wir diesen Wert in den Ausdruck für y einsetzen, erhalten wir ymax v0y = y0 + v0y g 1 g 2 ✓ v0y g ◆2 2 1 v0y = y0 + 2 g (2.67) Wir bemerken, dass diese Gleichungen unabhängig von der horizontalen Anfangsgeschwindigkeit v0x sind. Experimentell beobachten wir tatsächlich: 1. Wenn der Wagen in Ruhe ist, bewegt sich die Kugel senkrecht nach oben und fällt dann zu ihrer ursprünglichen Position zurück. Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) 61 2. Wenn der Wagen sich horizontal mit konstanter Geschwindigkeit bewegt, bewegt sich die Kugel zum höchsten Punkt ihrer Flugbahn, um dann wieder zurückzukehren. Die Kugel wird vom Wagen wieder aufgefangen. Es folgt daraus, dass die vertikale Bewegung unabhängig von der horizontalen Bewegung ist. 2.6.2 Demonstrationsexperiment: Schuss auf fallende Platte Ein zweites Beispiel für die Zerlegung der Bewegung ist der Schuss auf eine fallende Platte. Man zielt mit der Kanone (siehe Abb. 2.15) auf eine Platte, die von einem Elektromagneten gehalten wird. Wenn man schiesst, wird der Stromkreis im Elektromagneten unterbrochen, und die Platte fällt nach unten. Abbildung 2.15: Schuss mit Kanone auf fallende Platte. Wie können wir eine Bedingung für das Zusammentre↵en von Kanonenkugel und fallender Platte formulieren? Gäbe es keine Erdbeschleunigung, würde die Platte nicht fallen (!), und die Kugel der Kanone würde entlang einer geraden Linie fliegen. 62 Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) Die Bewegungsgleichung der Kugel würde in diesem Fall (d.h. keine Erdbeschleunigung) lauten: a0 = 0 ) v K (t) = v 0 ) r K (t) = r 0 + v 0 t (2.68) (2.69) Hier haben wir angenommen, dass die Kugel zur Zeit t = 0 abgeschossen wird. Wir nehmen auch als Ursprung des Koordinatensystems den Ort an, wo die Kugel abgeschossen wird. Um die Bewegung in der einfachsten Weise zu beschreiben, wählen wir die vertikale und die horizontale Richtungen als Richtungen der y- bzw. der x-Achse (siehe Abb. 2.16). Platte y h D =horizontaler Abstand zwischen Kanone und Platte h = Höhe der Platte v0 # = Geschosswinkel # D x Abbildung 2.16: Koordinatensystem beim Schuss mit der Kanone. Der Ortsvektor der Kugel ist schliesslich gleich (Beachte: keine Erdbeschleunigung): r K (t) = v 0 t (2.70) Um die Platte zu tre↵en, muss man die Kanone richten, so dass, r K (tT ) = v 0 tT = r P (tT ) , (2.71) wobei r P (t) der Ortsvektor der Platte zur Zeit t ist, und tT die (noch nicht bestimmte) Zeit des Auftre↵ens. Es gilt: r P (tT ) = r 0,P = Dex + hey , (2.72) wobei r 0,P der Ortsvektor der Platte zur Zeit t = 0 ist, und D der horizontale Abstand zwischen Kanone und Platte, h die Höhe der Platte. Wir müssen nun die Komponenten verwenden, um die Richtung der Kanone durch einen Winkel bezüglich der horizontalen Achse zu definieren. Es muss Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) 63 gelten, v 0 ⌘ v0x ex + v0y ey ) v0x tT ex + v0y tT ey = Dex + hey ( v0x tT = D v0y h ) ) = v0x D v0y tT = h (2.73) (2.74) (2.75) D.h., dass die Kugel unter einem Winkel tan # = v0y h = v0x D (2.76) abgeschossen werden muss. Wenn der Winkel diese Bedingung erfüllt, wird die Kugel die Platte tre↵en. Jetzt betrachten wir den Fall mit der Erdbeschleunigung. Der E↵ekt der Erdbeschleunigung muss in die Bewegungsgleichung der Kugel eingefügt werden: a0 = g ) v K (t) = v 0 + gt 1 ) r K (t) = v 0 t + gt2 2 (2.77) (2.78) Andererseits ist die Bewegungsgleichung der Platte gleich und v 0 = 0 ) v P (t) = gt 1 ) r P = r 0,P + gt2 , 2 a0 = g (2.79) (2.80) wobei r 0,P der Ortsvektor der Platte zur Zeit t = 0 ist. Die Bedingung für das Tre↵en der Kugel auf die Platte wird folgendermassen gegeben r K (tT ) ⌘ r P (tT ) 1 1 ) v 0 tT + gt2T = r 0,P + gt2T 2 2 ) v 0 tT = r 0,P (2.81) (2.82) (2.83) oder (mit v 0 = v0x ex + v0y ey ): v 0 tT = v0x tT ex + v0y tT ey = r 0,P = Dex + hey ( v0x tT = D v0y h ) ) = v0x D v0y tT = h (2.84) (2.85) Aber dies wird immer der Fall sein, weil wir den Winkel der Kanone so gewählt haben, dass diese Bedingung erfüllt ist! 64 Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) Unabhängig von der Geschwindigkeit des Geschosses werden die Platte und die Kugel aufeinandertre↵en. Die physikalischen Gründe für das Tre↵en der Platte und der Kugel sind: • Beide spüren dieselbe Erdbeschleunigung g, so dass beide Bewegungsgleichungen den Teil (1/2)gt2 enthalten. • Die vertikale Bewegung ist unabhängig von der horizontalen, die für Platte und Kugel ja verschieden sind. Wir können den Zeitpunkt des Tre↵ens so bestimmen: v0x tT = D ) tT = D D = v0x |v 0 | cos # Der Ort des Tre↵ens ist gegeben durch ✓ ◆2 1 D r P (tT ) = r 0,P + g 2 |v 0 | cos # ✓ ◆2 1 D = Dex + hey + · ( gey ) 2 |v 0 | cos # ( ✓ ◆2 ) g D = Dex + h ey 2 |v 0 | cos # (2.86) (2.87) Wäre die Anfangsgeschwindigkeit der Kugel grösser, würde sie die Platte an einem höheren Punkt tre↵en. 2.7 Die gleichförmige Kreisbewegung Kreisbewegungen kennen wir aus der Natur und aus dem täglichen Leben. Zum Beispiel: 1. Die Bewegung der Erde um die Sonne oder die des Mondes um die Erde sind ungefähr Kreisbahnen. 2. Autos bewegen sich auf Kreisbögen, wenn sie um Kurven fahren. 3. Räder drehen sich im Kreis. 4. Ein Ball, der an einen Faden gebunden ist und sich so bewegt, dass der Faden gespannt ist. Die Bahnkurve des Balles wird damit auf einen Kreis gezwungen. Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) 65 Wir wählen zuerst die kartesischen Koordinaten. In diesem System wird eine Kreisbewegung durch den folgenden Ortsvektor beschrieben (Siehe Abb. 2.17): r(t) = r cos '(t) ex + r sin '(t) ey (2.88) wobei ' der Winkel ist und r der konstante Radius des Kreises. y v(t) e' ey r(t) er a(t) ' ex x Abbildung 2.17: Die gleichförmige Kreisbewegung: r = konst., ' = !t. Dass der Radius wirklich konstant ist, können wir durch die Berechnung des Betrags des Ortsvektors beweisen: |r(t)| = |r cos '(t)ex + r sin '(t)ey | q = (r cos '(t)ex + r sin '(t)ey ) · (r cos '(t)ex + r sin '(t)ey ) q = r2 cos2 '(t) + r2 sin2 '(t) p = r2 = r = konst. (2.89) wobei wir die folgende gewöhnliche Beziehung benutzt haben, die für einen beliebigen Winkel ↵ gilt: cos2 ↵ + sin2 ↵ = 1 Wenn der Radius konstant ist, ist die Bahnkurve wirklich ein Kreis! Bei der gleichförmigen Kreisbewegung wird der Winkel proportional zur Zeit sein. Wir schreiben: '(t) = !t (2.90) wobei ! die Winkelgeschwindigkeit ist. Die Winkelgeschwindigkeit ist konstant für eine gleichförmige Kreisbewegung. 66 Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) Das Teilchen bewegt sich im Gegenuhrzeigersinn um den Kreis mit konstanter Geschwindigkeit. Die Anfangsposition zur Zeit t = 0 ist r = (x, y) = (r, 0). Das Teilchen hat einen ganzen Umlauf durchgeführt, wenn '(T ) = !T = 2⇡ , (2.91) wobei T die Periode des Umlaufs ist. T ist die für einen vollen Umlauf auf dem Kreis benötigte Zeit. Die Einheit der Winkelgeschwindigkeit ist z.B. Radiant pro Sekunde (rad/s), oder Grad pro Sekunde ( /s). Die Geschwindigkeit bei der gleichförmigen Kreisbewegung ist gleich: dr d = (r cos !t ex + r sin !t ey ) dt dt d = r (cos !t ex + sin !t ey ) dt = r! sin !t ex + r! cos !t ey v(t) = (2.92) Ihr Betrag ist konstant und gleich |v(t)| = r!. Wir können auch beweisen, dass die Geschwindigkeit senkrecht zum Radius und daher immer tangential zum Kreis ist. Wir berechnen dazu das Skalarprodukt zwischen dem Ortsvektor und dem Geschwindigkeitsvektor: v · r = ( r! sin !t ex + r! cos !t ey ) · (r cos !t ex + r sin !t ey ) = r2 ! ( sin !t cos !t + cos !t sin !t) =0 (2.93) Dass der Betrag des Ortsvektors sich mit der Zeit nicht ändert, kann durch die Berechnung der zeitlichen Ableitung des Betragsquadrats des Ortvektors (Siehe Kap. 1.6.4) bewiesen werden: ✓ ◆ ✓ ◆ d 2 d dr dr r = (r · r) = ·r + r· = 2r · v = 0 (2.94) dt dt dt dt wobei wir verwendet haben, dass der Geschwindigkeitsvektor zum Ortsvektor senkrecht ist. In diesem Fall zeigt die Gleichung, dass die zeitliche Ableitung des Betrags des Ortsvektors sich nicht ändern wird. Der Betrag (d.h. der Radius) ist eine Konstante. Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) 67 Man sieht auch, dass der Betrag der Geschwindigkeit konstant ist: |v(t)| = | r! sin !t ex + r! cos !t ey | q = r2 ! 2 sin2 !t + cos2 !t = r! = konst. (2.95) Schliesslich wird die Beschleunigung berechnet. Es gilt: dv d a(t) = = ( r! sin !t ex + r! cos !t ey ) dt dt = r! ( ! cos !t ex ! sin !t ey ) = ! 2 (r cos !t ex + r sin !t ey ) = !2r (2.96) und |a(t)| ⌘ a = r! 2 . Weil |v| ⌘ v = r!, gilt a = r! 2 = r ⇣ v ⌘2 r = v2 . r Die Beschleunigung zeigt zum Zentrum des Kreises hin. Sie wird als zentripetale Beschleunigung bezeichnet. Diese Ergebnisse könnten auch mit Hilfe der Polarkoordinaten hergeleitet werden. Die generelle Gleichung der Geschwindigkeit Gl. 2.45 liefert mit r = konst., ' = !t: v(t) = dr d' er +r e' = r! e' dt dt (2.97) und |v(t)| = r!. Wegen der Definition des Einheitsvektors e' ist die Geschwindigkeit senkrecht zum Radius (Siehe auch Abb. 1.23 und folgende in Kap. 1.7). Tatsächlich, mit der Gl. 1.70 kann der Einheitsvektor e' durch die kartesischen Einheitsvektoren ausgedrückt werden: v(t) = r! e' = r! ( sin !t ex + cos !t ey ) = r! sin !t ex + r! cos !t ey (2.98) Vergleich mit Gl. 2.92. In ähnlicher Weise können wir den allgemeinen Ausdruck der Beschleunigung Gl. 2.55 verwenden: ( ✓ ◆2 ) ⇢ d2 r d' dr d' d2 ' a(t) = r e + 2 + r e' r dt2 dt dt dt dt2 = 0 r! 2 er + {0 + 0} e' = r! 2 er = !2r (2.99) 68 Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich) Vergleich mit Gl. 2.96. 2.7.1 Demonstrationsexperiment: Zentrifugalschleuder Dieses Experiment verdeutlicht die Abhängigkeit der Zentrifugalkraft vom Radius r und von der Winkelgeschwindigkeit !. Zwei Scheiben werden durch einen Motor über einen Transmissionsriemen in Rotation versetzt (Siehe Abb. 2.18). Bei der kleinen Scheibe greift der Riemen im Abstand r1 = R an, bei der grösseren dagegen bei r2 = 2R. Damit sind die Winkelgeschwindigkeiten !1 und !2 der kleineren und grösseren drehenden Scheibe gegeben durch: Demonstrationsexperiment ! = 2! und !2 = !. (2.100) Zentrifugalschleuder: 1In welcher Reihenfolge werden die Nun wird derweggeschleudert, Motor eingeschaltet. In kleinen Mulden liegen?Kugeln, die sich Kugeln wenn ω langsam zunimmt 2ω und R ω und 2R ω und R sich mit der Scheibe drehende Mulde Abbildung 2.18: Zentrifugalschleuder: In welcher Reihenfolge werden die Kugeln weggeschleudert, wenn ! langsam zunimmt ? bei genügend hoher Winkelgeschwindigkeit ablösen. In welcher Reihenfolge werden die gleichen Kugeln weggeschleudert, wenn ! langsam zunimmt ? Wir betrachten die benötigte Beschleunigung, die auf eine Kugel wirken muss, so dass sie in der Mulde bleibt (d.h. die Kugel führt die Kreisbewegung mit einem konstanten Radius aus), für die drei folgenden Anordnungen (Siehe Abb. 2.19): • Kleine Scheibe – gelbe Kugel: agelb = !12 R = 4! 2 R • Grosse Scheibe – rote Kugel: arot = !22 (2R) = 2! 2 R • Grosse Scheibe – blaue Kugel: ablau = !22 R = ! 2 R Da agelb > arot > ablau , erwarten wir, dass die gelben Kugeln zuerst weggeschleudert werden, nachher die roten, und schliesslich die blauen. V010814 Zentrifugalschleuder Antwort: Physik, FS 2013, Prof. A. Nr. 1 2 3 Rubbia r R 2 2R R (ETH FZ 4mR 2 2mR 2 mR 2 Zürich) 69 2R Zentrifugalschleuder R R 2 2: Versuchsaufbau zurω Zentrifugalschleuder. 2ω undAbbildung R und 2R ω und R 3 Theorie Abbildung 2.19: Zentrifugalschleuder: Die drei der im Kugeln. Die Zentrifugalkraft ist eine Scheinkraft und damit keine echteAnordnungen Kraft, da sie Vorgänge beschleunigten Bezugssystem der rotierenden Scheibe beschreibt. Vom Laborsystem aus gesehen wirkt nur eine Kraft, solange die Kugeln sich in der sich mit 2.7.2der Scheibe Zusammenfassung drehenden Mulde befinden; diese Kraft ist nach innen gerichtet und bewirkt damit, dass sich die Kugeln ebenfalls im Kreis drehen. Sobald diese Kraft, bei zunehmender Winkelgeschwindigkeit, nicht mehr ausreicht, um die Kugeln festzuhalten, wirkt keine Kraft mehr auf die Wir haben Beziehungen hergeleitet, die im der gleichförmigen Kugel, sowichtige dass sie geradlinig tangential zur Kreisbahn wegfliegen. VomFall rotierenden System aus gesehen scheint aber eine nach aussen wirkende Kraft zu wirken. Diese wird als Zentrifugalkraft Kreisbewegung gelten. Im Allgemeinen können wir Winkelvariablen oder lineare bezeichnet. Variablen verwenden: 1. Die Winkelgeschwindigkeit !: != 2⇡ , T (2.101) wobei T die Periode des Umlaufs ist. Physikdepartement ETH Zürich 2. Die tangentiale Geschwindigkeit:2 v = r! e' ; |v| ⌘ v = r! (2.102) 3. Die zentripetale Beschleunigung: a= !2r ; |a| ⌘ a = r! 2 = v2 r (2.103) 448 Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)