Fachwissenschaftliche Grundlagen Vorlesung im Wintersemester 2011/2012, Universität Landau Roland Gunesch 9. Vorlesung Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 9. Vorlesung 1 / 17 Themen heute Teilbarkeit Primzahlen Es gibt unendlich viele Primzahlen lange Lücken zwischen Primzahlen gröÿter gemeinsamer Teiler, kleinstes gemeinsames Vielfaches Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 9. Vorlesung 2 / 17 Wiederholung: Induktion Zuerst zeigen wir: Die Aussage stimmt für n = 1. Gegebenenfalls für einen anderen Anfangswert. Dieser Schritt heiÿt Induktionsanfang. Die Aussage für n zeigen wir momentan nicht, wir setzen sie temporär voraus und nennen sie Induktionsannahme. Dann zeigen wir: Wenn die Aussage für n stimmt, dann auch für n + 1. Wobei n jetzt beliebig ist. Dieser Schritt heiÿt Induktionsschritt. Heute werden wir eine abgewandelte Version kennenlernen. Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 9. Vorlesung 3 / 17 Rätsel: Ein falscher Induktionsbeweis Was halten Sie von folgendem Induktionsbeweis? Wahr oder falsch? Wenn falsch, wo genau? Behauptung: Alle Pferde haben dieselbe Farbe. Beweis: Wir zeigen per Induktion, dass in jeder Menge mit n Pferden alle Pferde dieselbe Farbe haben. Dies zeigen wir für alle n Induktionsanfang: n = 1: ∈ N. Für jede Menge M mit 1 Pferd gilt: alle Pferde in M haben dieselbe Farbe. Wahr. Induktionsannahme: Wir setzen voraus, wir haben schon gezeigt, dass in jeder Menge mit n Pferden alle Pferde dieselbe Farbe haben. Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 9. Vorlesung 4 / 17 Ein falscher Induktionsbeweis (Fortsetzung) Induktionsschritt: Wir zeigen, dass aus der Induktionsannahme folgt, dass in jeder Menge mit n + 1 Pferden alle Pferde dieselbe Farbe haben. Sei M = {P1 , P2 , . . . , Pn+1 } eine Menge von n + 1 Pferden. Dann sind die = {P1 , P2 , . . . , Pn } und B = {P2 , P3 , . . . , Pn+1 } jeweils Mengen Mengen A mit n Pferden, also haben alle Pferde in A dieselbe Farbe, und alle Pferde in B haben dieselbe Farbe. Da P2 ∈ A, haben alle Pferde in A dieselbe Farbe wie P2 . Da P2 ∈ B, haben alle Pferde in A dieselbe Farbe wie P2 . Also haben alle Pferde in M = A∪B dieselbe Farbe wie P2 . Also gilt, dass in jeder Menge mit n + 1 Pferden alle Pferde dieselbe Farbe haben. Wo ist der Fehler? Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 9. Vorlesung 5 / 17 Auösung des Rätsels Antwort: Für n + 1 =2 ist es nicht korrekt, dass P2 ∈ A. Abgesehen von dieser einen Stelle ist der gesamte Rest des Beweises korrekt. Und selbst diese Stelle ist für alle anderen Werte von n korrekt. Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 9. Vorlesung 6 / 17 Teiler Denition Seien k , n ganze Zahlen. Wir sagen, die Zahl k teilt die Zahl n , geschrieben | k n wenn gilt: Es gibt eine ganze Zahl m mit n = k · m. Dann heiÿt k ein Teiler von n . Denition n heiÿt ein Vielfaches von k . Denition n heiÿt durch k teilbar. Beispiel: 5|10. Denn 10 = 2 · 5. Frage: Wieviele Teiler hat die Zahl 7 nach dieser Denition? Antwort: 4, nämlich die Zahlen 1, 7, -1, -7. Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 9. Vorlesung 7 / 17 Regeln für Teilbarkeit: Regeln für Teilbarkeit: Für beliebige Zahlen n , m , k , l ∈Z gilt: 1|n | n n -1|n -n |n | ∧ n m n |1 | n m n | m n =⇒ =⇒ n n =1 ∨ =m ∨ n n = −m = −1 und m |l impliziert n |l |0 0|n gilt nur dann, wenn n | n m | n m1 ∧ ∧ | k l =⇒ | n m2 =⇒ =0 ist | nk ml ∀k1 , k2 ∈ Z : n |(k1 m1 + k2 m2 ) (Vielfachensumme) Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 9. Vorlesung 8 / 17 Primzahlen Denition Eine natürliche Zahl p ≥2 heiÿt Primzahl, wenn die einzigen Teiler von p die Zahlen 1 und p sind. Eine natürliche Zahl n ≥ 2, die keine Primzahl ist, heiÿt zusammengesetzt oder Nicht-Primzahl. Denition Wenn p |n und p Primzahl ist, dann heiÿt p ein Primteiler von n . Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 9. Vorlesung 9 / 17 Es gibt Primteiler Satz Jede natürliche Zahl n ≥2 besitzt einen Primteiler. Beweis. Beweis per vollständiger Induktion. (Achtung: neue Variante der Beweismethode!) Induktionsanfang: n = 2. Wegen 2|2 gilt die Behauptung. Induktionsvoraussetzung: Für n ≥2 sei schon gezeigt: Jedes k ≤n besitzt einen Primteiler. (Dies heiÿt manchmal Induktionsverfahren 2. Art.) Induktionsschritt: Zu zeigen ist, dass n +1 einen Primteiler besitzt. Fall 1: n + 1 ist schon prim. Dann hat es den Primteiler n + 1. Fall 2: n + 1 ist nicht prim. Dann hat es einen Teiler auÿer 1, n + 1. Also n + 1 = k ·l mit k , l ≥ 2. Es muss gelten k , l < n + 1. Per Induktionsvoraussetzung hat k einen Primteiler, also p |k , also k Dann hat n + 1 denselben Primteiler, p |(n + 1), denn n + 1 Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen = kl = p · m. = pml . 9. Vorlesung 10 / 17 Wieviele Primzahlen gibt es? Wieviele Primzahlen gibt es? Schon Euklid hat bewiesen: Satz Es gibt unendlich viele Primzahlen. Beweis. N. Angenommen, es gäbe nur endlich viele, nämlich p1 , p2 , . . . , p Sei P := p1 · p2 . . . pN + 1. Ist P eine Primzahl oder gibt es Teiler von P (auÿer 1 und P )? Wir wissen schon: P hat einen Primteiler p . Der muss eine der Zahlen p1 , p2 , . . . , p j j j = 1. N Aus p |P und p |p1 · p2 . . . p Deshalb ist p j N j. sein. Nennen wir ihn p folgt p |1. Widerspruch zur Primteilereigenschaft. Also hatte P keinen Teiler auÿer 1 und P , ist also eine neue Primzahl. Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 9. Vorlesung 11 / 17 Sieb des Eratosthenes Schon Eratosthenes von Kyrene (Cyrene) kannte ein Verfahren, um alle Primzahlen bis n zu bestimmen (n ist eine beliebige natürliche Zahl). Verfahren Sieb des Eratosthenes: 1 Schreibe die Zahlen 2, 3, . . . , n in eine Liste auf. 2 Markiere 2 (die erste Zahl in der Liste) als Primzahl, streiche alle Vielfachen von 2. 3 Markiere 3 (die erste nicht gestrichene Zahl in der restlichen Liste) als Primzahl, streiche alle Vielfachen von 3. 4 Markiere die erste nicht gestrichene Zahl in der restlichen Liste, als Primzahl, streiche alle Vielfachen davon. 5 Wiederhole den vorherigen Schritt, bis am Ende der Liste angekommen. (Bemerkung: Nach k Roland Gunesch (Mathematik) = √ n Schritten aufhören genügt auch.) Fachwissenschaftliche Grundlagen 9. Vorlesung 12 / 17 Lücken zwischen Primzahlen Die Primzahlen 2 und 3 folgen aufeinander: 3=2+1. Ansonsten ist immer eine Lücke zwischen zwei Primzahlen (da ungerade), also eine Nicht-Primzahl. Manchmal eine groÿe Lücke: Satz Für jedes n ∈N gibt es eine Lücke der Länge ≥n zwischen Primzahlen. D.h. es gibt n aufeinanderfolgende Nicht-Primzahlen in N. Beweis. Die Zahlen m ! + 2, m ! + 3, m ! + 4, . . . ,m! + m sind alle Nicht-Primzahlen. Dies ist eine Lücke der Länge m − 1. Mit m = n+1 folgt die Behauptung. Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 9. Vorlesung 13 / 17 Primfaktorzerlegung Satz Satz: Jede natürliche Zahl n ≥2 läÿt sich auf genau eine Weise schreiben als k n wobei p1 ≤ p2 ≤ · · · ≤ pk , Beispiel: 45 = ∏ pi , i =1 , wobei p1 p2 , . . . , pk Primzahlen sind und k ∈ N. = 3 · 3 · 5. Beweis des Theorems: Siehe Warlich, S. 157. Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 9. Vorlesung 14 / 17 Primfaktorzerlegung Derselbe Satz in etwas anderer Darstellung: Satz Jede natürliche Zahl n ≥2 läÿt sich auf genau eine Weise schreiben als j n = ∏ piv , i i =1 < p2 < · · · < pj , wobei p1 , p2 , . . . , pj Primzahlen , , . . . , vj ∈ N. Die vi heiÿen Vielfachheiten der pi . wobei p1 sind, j ∈N und v1 v2 Beispiel: 45 = 32 · 5. Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 9. Vorlesung 15 / 17 Gröÿter gemeinsamer Teiler Denition Für n , m | k n und ∈ N heiÿt k |m . k ∈N ein gemeinsamer Teiler von n und m , wenn gilt Die gröÿte solche Zahl heiÿt der gröÿte gemeinsame Teiler. Wir schreiben: k = ggT(n, m). Denition Für n , m ∈N heiÿt k ∈N ein gemeinsames Vielfaches von n und m , wenn gilt n |k und m |k . Die kleinste solche Zahl in Wir schreiben: k N heiÿt = kgV(n, m). das kleinste gemeinsame Vielfache. Denition Es gibt auch ggT und kgV von mehr als 2 Zahlen. Die Denition ist analog. Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 9. Vorlesung 16 / 17 ggT, kgV und Primfaktoren Wenn j n = ∏ piv m = ∏ piw i i =1 und j i =0 (ggf. mit manchen v oder w i i =1 i = 0), dann ist j ggT(n , m ) und Roland Gunesch (Mathematik) i i i =1 j kgV(n , m ) min(v ,w ) = ∏ pi max(v ,w ) = ∏ pi i i =1 Fachwissenschaftliche Grundlagen i . 9. Vorlesung 17 / 17 Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 9. Vorlesung 17 / 17