Aktuell | Ernährungslehre & Praxis Nr. 10 Oktober 2009 Beleg/Autorenexemplar! Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) überschrieb im Jahre 2008 eine Informationsbroschüre mit dem Titel Listeria monocytogenes „Ein Überlebenskünstler unter den Keimen“ und spielte damit auf seine ausgesprochene Anspruchslosigkeit an. Infektionen mit diesem Bakterium haben in Deutschland und dem restlichen Europa in den vergangen Jahren zugenommen. Dr. Rolf Steinmüller Neogen Corporation Auchincruive Ayr KA6 5HW Scotland UK E-Mail: r.steinmueller @neogeneurope.com Listeria monocytogenes (Teil 1) ● ● Charakterisierung des Erregers Auch wenn dieser Krankheitserreger mit circa 500 gemeldeten Fällen pro Jahr in Deutschland vergleichsweise selten auftritt, haben diese gleichwohl durch die Schwere des Verlaufs eine große Bedeutung. Die Letalität bei Listeriose-Ausbrüchen liegt bei 30–40 % [1, 2]. Speziell Säuglinge, ältere Menschen, Schwangere und Menschen mit geschwächtem Immunsystem sind besonders gefährdet. Eine Infektion mit Listerien – die Listeriose – äußert sich in grippeähnlichen Symptomen, in schweren Fällen kann es zur Hirnhautentzündung kommen. Listeriosen weisen mit 91 % unter den bekannten Lebensmittelinfektionen die höchste Hospitalisationsrate auf [3]. Gesundheitsschädliche Listerien-Stämme kommen überall in der Umwelt vor und gelangen häufig bereits auf der Stufe der Nahrungsgewinnung, z. B. beim Melken oder beim Schlachten, auf die Lebensmittel. Auch durch mangelnde Hygiene bei der Verarbeitung können Lebensmittel mit dem Keim verunreinigt werden. L. monocytogenes wird vorzugsweise in rohen, vom Tier stammenden Lebensmitteln wie Hackfleisch, Rohwurst, Rohmilch und Rohmilchkäse sowie in bestimmten Fischerzeugnissen, z. B. Räucherlachs, gefunden. Darüber hinaus können auch pflanzliche Lebensmittel wie Frischgemüse oder verzehrfertig vorbereitete Salate mit dem Erreger verunreinigt sein. Aus lebensmittelhygienischer Sicht ist besonders die Kältetoleranz des Erregers von Bedeutung. So ist L. monocytogenes psychrophil (kälteliebend): es kann sich selbst bei Kühlschranktemperaturen vermehren. Daher sind Lebensmittel, in denen sich der Erreger trotz Kühlung vermehren kann, auch Hauptvektoren für Infektionen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt Personen mit geschwächter Immunabwehr, älteren Menschen und Schwangeren vorsorglich: Lebensmittel tierischen Ursprungs nicht roh zu verzehren, auf den Verzehr von geräucherten oder marinierten Fischerzeugnissen und Rohmilchweichkäse zu verzichten sowie Blattsalate selbst frisch zuzubereiten, keine klein geschnittenen, verpackten Salate zu verarbeiten und Lebensmittel, insbesondere solche in Vakuumverpackungen, möglichst zügig nach Einkauf und weit vor Ablauf der angegebenen Mindesthaltbarkeit zu verbrauchen. Charakterisierung des Erregers Bakterien der Gattung Listeria (L.) sind grampositive, nicht Sporen bildende, Katalase-positive und Oxidase-negative sowie fakultativ anaerobe Stäbchen [4]. Durch Flimmergeißeln sind sie zu einer charakteristischen Beweglichkeit bei Wachstum befähigt. Bei optimalen Wachstumstemperaturen von 30–37 °C ist die Geiselbildung stark reduziert und es lässt sich keine Bewegung mehr feststellen [5, 6] Die kurzen Stäbchenbakterien mit einer Länge von 0,5– 2 µm können kokkoide (runde) Formen annehmen und – besonders in älteren Kulturen – Ketten bilden [7, 8]. Zum Genus Listeria zählen insgesamt 6 Arten: L. grayi, L. innocua, L. ivanovii, L. monocytogenes, L. seeligeri und L. welshimeri [10]. Hiervon ist L. monocytogenes die weitaus bedeutendste humanpathogene Art. L. ivanovii, L. seeligeri und L. welshimeri sind bislang nur bei wenigen menschlichen Erkrankungen nachgewiesen worden. Dagegen gelten die Arten L. innocua, und L. murrayi (Syn. L. grayi) als apathogene und saprophytäre Umweltkeime. Indes werden alle Stämme von L. monocytogenes als pathogen angesehen, auch wenn die Virulenz der einzelnen Stämme variiert. Insgesamt existieren 13 Serovare1, von denen über 90 % zu den Serovaren 1/2a, 1/2b, 1/2c, 3a, 3b, 3c und 4b zählen [9]. Humanpathogene Serovare zeichnen sich durch die Bil- 1 Vgl. Glossar in Ernährungslehre & Praxis Heft 3/2009 S. B9 Ernährungs Umschau | 10/09 B37 쑺 Aktuell | Ernährungslehre & Praxis dung von Hämolysin aus, das die roten Blutkörperchen aufzulösen vermag. Als nächste Verwandte der Gattung Listeria gelten die Gattungen Bacillus und Brochothrix, sowie Erysipelothrix, Kurthia und Lactobacillus. Die Gattung Listeria zeigt gleichwohl charakteristische biochemische (Fermentation verschiedener Zucker, Säurebildung) und hämolytische Eigenschaften, die eine eindeutige Klassifizierung ermöglichen [11, 12]. Im Jahre 2001 wurde im Rahmen eines von der EU finanzierten Forschungsprojektes die komplette DNA-Basensequenz von L. monocytogenes (Serovar 1/2a) publiziert [13]. Das Genom weist in seinen kodierenden Regionen auffallend große Ähnlichkeiten mit Bacillus subtilis auf, einem ebenfalls grampositiven Bakterium, das regelmäßig im Erdboden nachzuweisen ist. Die weiteren Ausführungen berücksichtigen, aufgrund der pathogenen Bedeutung, ausschließlich L. monocytogenes. Eigenschaften von L. monocytogenes Wachstum Listerien sind ausgesprochen anspruchslos und haben keine besonderen Nährstoffansprüche. Sie können selbst noch in nährstoffarmen Substraten wie Wasserpfützen oder Kondenswasser überleben und sich vermehren. Obendrein erweisen sie sich als relativ resistent gegenüber Umweltfaktoren. Sie überleben Trocknen und Gefrieren von Lebensmitteln, können darüber hinaus auch bei vermindertem Sauerstoffgehalt wachsen (쏆 Tabelle 1). Temperatur Das optimale Wachstum erzielt L. monocytogenes bei Temperaturen von 30– 2 Vgl. Glossar in Ernährungslehre & Praxis Heft 4/2009 S. B16 3 Vgl. Ernährungslehre & Praxis Heft 4/09 S. B16 4 KbE = Koloniebildende Einheit, Messgröße für den Keimgehalt einer Probe B38 37 °C. Jedoch sind die Keime, bei ansonsten optimalen Wachstumsbedingen, noch in der Lage, sich in einem Bereich von − 0,4 °C bis + 45 °C zu vermehren. Die durchschnittliche minimale Wachstumstemperatur liegt nach Ansicht von JUNTILA et al. (1988) für L. monocytogenes gleichwohl bei + 1,7 °C [14]. Infolgedessen ist der Keim nicht nur in der Lage, in kühlungspflichtigen Lebensmitteln zu überdauern, sondern kann dort sogar wachsen. Die Vermehrung bei Kühltemperaturen hängt noch von zusätzlichen Faktoren (Vorhandensein einer kompetitiven Flora, insbesondere Bacteriocin produzierenden Laktobazillen; pH-Wert und Salzkonzentration des Lebensmittels) ab [4]. Wenn Lebensmittel mit dem Erreger kontaminiert sind, nimmt die Gefährdung für den Menschen mit zunehmender Lagerungsdauer zu. Experimentelle Daten zur Überlebensfähigkeit von L. monocytogenes bei Kühl- und Gefriertemperaturen belegen eindeutig, dass der Keim teilweise die handelsübliche Haltbarkeitsfrist der Lebensmittel übersteht. Demgegenüber ist L. monocytogenes im Vergleich zu anderen pathogenen Bakterienarten nicht außergewöhnlich hitzeresistent [15]. Der D71-Wert liegt bei etwa 1–4 Sekunden und der z-Wert bei etwa 6–8 °C2. Unter üblichen Pasteurisierungsbedingungen (72–73 °C für 15– 16 sec) wird L. monocytogefnes zuverlässig inaktiviert [15]. Im Vergleich zu Milch und Milchprodukten liegen die D-Werte für Fleisch und Fleischerzeugnisse, vor allem bei steigendem Fettgehalt, höher. pH-Wert Wachstum und Vermehrung können in einem weiten pH-Wert-Bereich zwischen 4,5 und 9,0 erfolgen. Wobei das Optimum bei ca. pH 7,0 liegt. Das hat zur Folge, dass die niedrigen pH-Werte im menschlichen Magen überlebt werden können, ebenso wie das saure Milieu in den Makrophagen [16]. Dieses Überleben im sauren Milieu wird durch das Glutamat-Decarboxylase-System ermöglicht, das als Virulenzfaktor einzustufen ist. Ernährungs Umschau | 10/09 Zusätzlich können Fleisch- und Fleischerzeugnisse mit pH-Werten von 5,0–5,6 die Säuretoleranz von L. monocytogenes noch weiter steigern. Analog dem Anpassungsvermögen des Erregers an Kühltemperaturen sind auch hinsichtlich der Säureresistenz wiederholt Adaptationsprozesse beschrieben worden [17]. Derartige Adaptationsprozesse können nicht nur als Anpassung an unwirtliche Umgebungsbedingungen auftreten, sondern auch durch Verarbeitungsprozesse im Lebensmittelbereich hervorgerufen werden (z. B. osmotischer Stress durch Salzzugabe, Trocknungsprozesse, Hitzeschock bei Kochvorgängen oder auch durch geringe Temperaturen bei Kühllagerung). So sind säureadaptierte L. monocytogenes in sauren Milchprodukten und anderen sauren Lebensmitteln im Stande, wochenlang zu überleben. Verschiedene Untersuchungen belegen, dass säureresistente L. monocytogenes eine größere Virulenz aufweisen als säuresensitive Stämme [18]. Erst eine stärkere Säuerung (<pH 3,5) tötet die Bakterien ab. aw-Wert und Salzgehalt Generell besteht eine direkte Abhängigkeit des aw-Wertes vom NaCl-Gehalt und pH-Wert eines Lebensmittels3. Von Bedeutung für das Wachstum von Mikroorganismen ist das frei zur Verfügung stehende, d. h. das nicht gebundene Wasser. Alle Listeria-Stämme können sich noch bei aw-Werten von 0,92– 0,94 vermehren und L. monocytogenes kann sogar bei aw-Werten <0,9 überdauern. Speziell bei Käsen mit hohen aw-Werten (Weichkäse) tritt im Verlauf der Reifung eine Entsäuerung auf. Bei Anwesenheit der Erreger können diese sich stark vermehren und Keimzahlwerte von 105–107 KbE/g4 erreichen [19]. Aus diesem Grund sind Weichkäse und halbfeste Schnittkäse mit Rotschmiere und Außenschimmel besonders anfällig, ebenfalls alle Käse, die während der Herstellung geschmiert werden oder oberflächlich einen Schimmelbelag entwickeln. Das Listerienwachstum ist bei diesen Produkten meist auf die Rinde beschränkt. Auch Hinsichtlich des Salzgehaltes ist L. monocytogenes sehr tolerant und wird erst ab einer Konzentration von >10 % NaCl gehemmt. Die Salztoleranz ist vor allem von pH-Wert und Temperatur abhängig. Atmosphäre Aufgrund ihres fakultativen Sauerstoffbedarfes lässt sich die Wachstumsfähigkeit von L. monocytogenes über die Steuerung der Gasatmosphäre (mikroaerophil, anaerob) kaum beeinflussen. Lediglich die Vakuum-Verpackung kann eine Verlängerung der Anpassungsphase und der Generationsphase bewirken. Die Generationszeiten sind hingegen unter aeroben, mikroaerophilen und anaeroben Verhältnissen nahezu identisch. Bislang erwiesen sich nur hohe CO2-Gehalte bei sehr niedrigen Temperaturen als effektiv [20]. Bacteriocine Das Wachstum von L. monocytogenes kann durch die gezielte Verwendung von mikrobiellen Kulturen verhindert werden. Eine derartige listeriostatische oder listerizide Wirkung ist von Laktobaziellen, Enterokokken, coryneformen und Brevibakterien belegt. Eine Möglichkeit, das Wachstum von L. monocytogenes zu unterdrücken, besteht in der Verwendung derartiger Schutzkulturen, insbesondere durch den Einsatz von Bacteriocin-produzierenden Milchsäurebakterien [21]. Dabei handelt es sich um eine sehr heterogene Gruppe eiweißartiger antagonistischer Substanzen mit mehr oder weniger breiter Hemmwirkung gegen andere Gram-positive Bakterien, die von manchen Milchsäurebakterien in das Außenmedium abgegeben werden. Einige dieser biologisch aktiven Peptide sind nicht nur sensorisch neutral und gesundheit- lich unbedenklich, sondern darüber hinaus hoch wirksam gegen Listerien. Im Wesentlichen beruht deren Wirkung auf einer Depolarisierung der Bakterienzellmembran oder auf einer Hemmung der Zellwandsynthese. Der Einsatz von Bacteriocinen in Lebensmitteln kann als bakteriocinbildende Schutzkultur bzw. Starterkultur für fermentierte Lebensmittel, als bakteriocinhaltiger Überstand der Flüssigkultur des jeweiligen Produzentenstammes oder in Form des gereinigten Bakteriocins selbst erfolgen [22]. Listeriose Bei L. monocytogenes handelt es sich um einen opportunistischen Krankheitserreger bei Mensch und Tieren. Hauptsächlich betroffen sind Personen, deren Immunsystem geschwächt ist und die Eigenschaften von L. monocytogenes Maximum 45 °C–50 °C Vermehrungstemperatur Optimum 37 °C Minimum 1–3 °C (in Milch –0,1 bis –0,4 °C) Generationszeit (Milch) 4 °C:1,2–1,7 Tage 8°C: 8,7–14,6 h Minimaler pH-Wert: 4,3–4,6 pH-Wert Vermehrung im pH-Bereich: 5,6–9,6 NaCl-Toleranz Minimaler aw-Wert: 0,92 (Kochsalz) NaCl-Toleranz bis zu 25 % Einfluss von Konservierungsstoffen Kaliumsorbat Hemmung bei pH 5,0 und 13 °C durch 0,2 % K-Sorbat Natriumbenzoat Hemmung bei pH 5,0 und 13 °C durch 0,1 % Na-Benzoat Essigsäure (0,3 %) 132, (0,5 %) 104 D-Werte für organische Säuren bei 13 °C in h Milchsäure (0,3 %) 187, (0,5 %) 129 Zitronensäure (0,3 %) 206, (0,5 %) 142 D 71,7 °C = 2,7–4,1 sec, z = 8 °C (Vollmilch) D 62,8 °C = 2,56 min (Fleisch) Einfluss von Hitzeresistenz D 60 °C = 1,88–4,12 min, z = 6,74 °C D 62,8 °C = 1,1 min, z = 6,2 °C (Leberwurst) D 66 °C = 0,2 min, z = 7,2 °C (Vollei) Tab. 1: Eigenschaften von Listeria monocytogenes. Die Kältetoleranz sowie ihre Fähigkeit, den Stoffwechsel von aerob auf anaerob umzuschalten, ermöglicht ihnen, sich in gekühlten Lebensmitteln in Vakuumverpackung, zu vermehren. Darüber hinaus ist L. monocytogenes bis zu einem pH-Wert von 4,3–4,5 säureresistent und widersteht auch hohen Salzkonzentrationen. (Modifiziert nach [8]). Ernährungs Umschau | 10/09 B39 쑺 Aktuell | Ernährungslehre & Praxis damit einer der Risikogruppen der sogenannten „YOPI’s“ („young, old, pregnant, immunocompromised“) angehören. Generell gelten alle Stämme dieser Spezies als potenziell pathogen. Es existieren jedoch beträchtliche Virulenzunterschiede (siehe Einleitung) [23]. Kennzeichnendes Virulenzkriterium, welches auch diagnostisch herangezogen wird, ist die β-Hämolyse, die bei allen gesundheitlich bedenklichen Stämmen nachweisbar ist. Dieses Hämolysin (auch Listeriolysin, LLO) stellt den Hauptvirulenzfaktor der pathogenen Stämme dar. Nicht-hämolysierende Stämme werden hingegen als apathogen betrachtet [24]. krobielle Kontaminationen von Lebensmitteln, die als Ursache von Listeriose-Ausbrüchen identifiziert wurden, lagen in einem Bereich zwischen 100 und 106 L. monocytogenes/g [7]. Die Aufnahme von L. monocytogenes bis zu einer Konzentration von 100 Erregern/g Lebensmittel scheint kein Gesundheitsrisiko für gesunde Personen darzustellen. Die krankheitsauslösende Dosis ist jedoch bei Angehörigen von Risikogruppen deutlich geringer. Für Hochrisikogruppen, z. B. Schwangere, wird ein Wert von 10 Keimen/g angeführt [8]. Die Inkubationszeit liegt zwischen 3 und 70 Tagen, meist jedoch zwischen 10 und 18 Tagen. Die durch L. monocytogenes verursachte Listeriose ist eine seltene, aber potenziell tödlich verlaufende lebensmittelbedingte Infektion. Der Erreger wurde 1926 von MURRY et al. erstmalig an Labortieren beschrieben [25]. Zunächst Bacterium monocytogenes genannt, erfolgte die Umbenennung 1940 zu Ehren von Joseph Baron LISTER, dem Entdecker der Antisepsis. Mit der Aufklärung eines Listeriose-Ausbruchs in Kanada, der durch kontaminierten Krautsalat verursacht wurde [26], wurde die Bedeutung für den Menschen eindrucksvoll bewiesen. Hierbei konnte ein epidemiologischer Zusammenhang zwischen diesem Lebensmittel und den Feldern, auf denen der Kohl angebaut und wahrscheinlich durch den Kot listeriosekranker Schafe kontaminiert wurde, nachgewiesen werden. Symptomatik und Risikogruppen Infektionsdosis In der Literatur werden sehr unterschiedliche Werte angeführt. Aufgrund der langen Inkubationszeit (3–70 Tage) lassen sich die Erregermengen im auslösenden Lebensmittel zum Zeitpunkt der Infektion nicht immer zuverlässig ermitteln. Bei gesunden Personen scheinen nach epidemiologischen Daten circa 10 000 Keime (=104) pro Gramm Lebensmittel zum Auslösen der Erkrankung erforderlich zu sein. Mi- Listerien sind klassische Opportunisten. Die meisten Infektionen bleiben klinisch stumm. Erst wenn mit Lebensmitteln zahlreiche Erreger in den Magen-Darm-Trakt gelangen, können bei Personen mit intaktem Immunsystem grippeähnliche Symptome auftreten. Bei massiver Infektion werden Symptome einer Gastroenteritis beobachtet. Vermutlich ist eine Gastroenteritis oft der Vorläufer einer systematischen Infektion. Weil krampfartige Leibschmerzen und Durchfall viele Gründe haben können, wird dieses Stadium meist nicht erkannt und auch keine gezielte Diagnostik durchgeführt. Für Personen mit intaktem Immunsystem stellen Listerien im Allgemeinen keine Bedrohung dar, da ausreichend Neutrophile und Makrophagen die Erreger phagozytieren und enzymatisch abbauen und die Infektion in der Leber überwunden wird. Bei Abwehrschwäche können sich die Listerien über die Lymphknoten hinaus ausbreiten. Grundsätzlich kann jedes Organ betroffen sein; hauptsächliche Manifestationen sind die Sepsis (mit Leber- und Milzbefall), Meningitis und Enzephalitis. Die Prognose dieser Erkrankungen ist schlecht. Bis zu 30 % der Patienten mit Listeria-Meningitis Glossar: β-Hämolyse = Zerstörung der roten Blutkörperchen durch Zellwandschädigung im Gegensatz zur αHämolyse, bei der eine Entfärbung der Blutkörperchen auftritt sterben. Diese Infektion ist somit bedrohlicher als andere Meningitiden durch andere bakterielle Erreger. Im Vergleich zur Listeriose beträgt die Letalität einer Salmonellose 0,04% [29]. In der Schwangerschaft besteht durch die Möglichkeit einer intrauterinen Infektion des Fötus die Gefahr von spontanen Fehl- oder Totgeburten. Bei der so genannten konnatalen Listeriose kann im Prinzip während der gesamten Schwangerschaft eine transplazentare Übertragung erfolgen, weil wegen der intrazellulären Vermehrungsfähigkeit solche Barrieren leicht durch „cell-tocell spread“ überwunden werden. Je nach Phase der Schwangerschaft sind die Folgen ganz unterschiedlich. Eine Infektion in der frühen Phase führt meist zum Abort; bei Infektion in der späten Phase der Schwangerschaft kann eventuell eine Frühgeburt erfolgen, wobei das Kind dann auch mehr oder weniger schwere Zeichen einer intrauterinen Infektion bei Geburt aufweist. Im Allgemeinen besitzen Schwangere eine zwölffach höhere Anfälligkeit für den Erreger als die Durchschnittsbevölkerung [30]. Teil 2 des Beitrags geht auf die Pathogenitätsmechanismen und die Verbreitung von Listerien bei versch. Lebensmittelgruppen ein. Die Literatur zu diesem Artikel finden Sie im Internet unter www.ernaehrungs-umschau.de/service/literaturverzeich nisse/ „Ernährungslehre und -praxis“, ein Bestandteil der „Ernährungs Umschau“. Verlag: UMSCHAU ZEITSCHRIFTENVERLAG GmbH, Sulzbach/Ts. Zusammenstellung und Bearbeitung: Dr. Eva Leschik-Bonnet, Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Dr. Udo Maid-Kohnert, mpm Fachmedien (verantwortlich). B40 Ernährungs Umschau | 10/09 ● ●