Dienstag 29.5.2012

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Mathematik für Informatiker B, SS 2012
Dienstag 29.5
$Id: metrik.tex,v 1.11 2012/05/29 15:07:05 hk Exp $
$Id: folgen.tex,v 1.10 2012/05/29 13:21:44 hk Exp $
§5
Metrische Räume
Am Ende der letzten Sitzung hatten wir eine Teilmenge U eines metrischen Raums
(X, d) offen genannt wenn sie eine Umgebung jedes ihrer Punkt ist, oder gleichwertig
wenn es für jedes x ∈ U eine positive reelle Zahl > 0 mit U (x) ⊆ U gibt. Eine Menge
deren Komplement offen ist nennen wir abgeschlossen. Wir gehen jetzt einige Beispiele
durch.
1. Ist X ein beliebiger metrischer Raum, so können wir X selbst als eine Teilmenge
von X betrachten. Die Menge X ist dann offen, denn ist x ∈ X ein beliebiger
Punkt, so ist zum Beispiel U1 (x) ⊆ X und x ist innerer Punkt von X. Gleichzeitig
ist X auch abgeschlossen in X, denn das Komplement von X in X ist X\X = ∅
die leere Menge, und diese ist offen. Damit ist X, und auch ∅, gleichzeitig offen
und abgeschlossen in X.
2. Ist X ein metrischer Raum, so sind die offenen Kugeln auch in X offene Mengen
und die abgeschlossenen Kugeln sind in X abgeschlossene Mengen. Dies ist gerade
Aufgabe (39).
3. Die rechte Halbebene M := {(x, y) ∈ R2 |x > 0} ist offen in X = R2 mit der
euklidischen Metrik. Das Komplement R2 \M = {(x, y) ∈ R2 |x ≤ 0} ist dagegen
nicht offen, da die Punkte (0, y), y ∈ R keine inneren Punkte von R2 \M sind,
d.h. die Menge M ist nicht abgeschlossen.
4. Die Teilmenge Q ⊆ R ist weder offen noch abgeschlossen. Dies ist klar, da jedes
nicht leere, offene Intervall sowohl rationale als auch irrationale Zahlen enthält.
Insbesondere sind offen“ und abgeschlossen“ keine Gegensätze alle möglichen Kom”
”
binationen von offen und abgeschlossen können vorkommen, was gerne als Mengen
”
sind keine Türen“ formuliert wird. Wir wollen jetzt einige der Eigenschaften offener
und abgeschlossener Mengen nachweisen.
Lemma 5.6 (Grundeigenschaften offener Mengen)
Sei (X, d) ein metrischer Raum. Dann sind beliebige Vereinigungen offener Teilmengen
von X und endliche Durchschnitte offener Teilmengen von X wieder offen in X.
Beweis: Wir beginnen mit Vereinigungen. Sei also (Ui )i∈I eine Familie offener Teilmengen von X, wobei I irgendeine Indexmenge ist. Wir wollen zeigen, dass dann auch die
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Vereinigung
[
Ui = {x ∈ X|∃(i ∈ I) : x ∈ Ui }
i∈I
S
offen in X ist. Sei also x ∈ i∈I Ui . Dann existiert ein j ∈ I mit x ∈ Uj und da Uj in
X offen ist, existiert weiter ein > 0 mit U (x) ⊆ Uj . Damit ist aber auch
[
U (x) ⊆ Uj ⊆
Ui .
i∈I
S
Folglich ist die Vereinigung i∈I Ui tatsächlich offen.
Wir kommen jetzt zu den endlichen Durchschnitten offener Mengen. Dabei reicht
es zu zeigen, dass für je zwei offene Mengen U, V ⊆ X auch U ∩ V wieder offen in X
ist. Denn sind dann U1 , . . . , Un mit n ∈ N endlich viele offene Teilmengen von X, so
haben wir
n
\
Ui = (. . . ((U1 ∩ U2 ) ∩ U3 ) . . . ∩ Un−1 ) ∩ Un ,
i=1
und durch iterierte Anwendung des Falls zweier offener Mengen ist auch dies wieder eine
offene Teilmenge von X. Streng genommen müßte man hier eigentlich eine Induktion
durchführen, aber darauf wollen wir hier verzichten.
Seien jetzt also zwei offene Mengen U, V ⊆ X gegeben. Sei x ∈ U ∩ V . Da U und V
beide offen sind, gibt es Zahlen 1 , 2 > 0 mit U1 (x) ⊆ U und U2 (x) ⊆ V . Setze jetzt
:= min{1 , 2 } > 0.
Dann haben wir
U (x) ⊆ U1 (x) ∩ U2 (x) ⊆ U ∩ V.
Damit ist auch U ∩ V eine offene Teilmenge von X.
Dagegen müssen unendliche Durchschnitte offener Mengen im Allgemeinen nicht mehr
offen sein. Ein einfaches Beispiel ist
∞ \
1 1
− ,
= {0}
n n
n=1
in X = R versehen mit der euklidischen Metrik. Offene Intervalle sind auch offene
Mengen, zum Beispiel da ein offenes Intervall (a, b) für a, b ∈ R mit a < b gleich
der offenen Kugel (a, b) = U(b−a)/2 ((a + b)/2) ist. Links steht hier also ein Durchschnitt
offener Mengen. Dagegen ist die Menge {0} nicht offen in R. Dass eine reelle Zahl deren
Betrag kleiner als 1/n für jedes n ∈ N ist, schon gleich Null ist, sollte anschaulich klar
sein. Formal folgt es aus der archimedischen Eigenschaft der reellen Zahlen §4.Lemma
16.
Durch Komplementbildung erhalten wir aus Lemma 6 auch eine entsprechende
Aussage über abgeschlossene Mengen.
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Lemma 5.7 (Grundeigenschaften abgeschlossener Mengen)
Sei (X, d) ein metrischer Raum. Dann sind beliebige Durchschnitte abgeschlossener
Teilmengen von X und endliche Vereinigungen abgeschlossener Teilmengen von X wieder abgeschlossen in X.
Beweis: Sei (Ai )i∈I eine Familie abgeschlossener Teilmengen von X, wobei I wieder
irgendeine Indexmenge ist. Für jedes i ∈ I ist das Komplement X\A
Si dann eine offene
Teilmenge von X. Folglich ergibt Lemma 6 das die Vereinigung i∈I (X\Ai ) wieder
eine offene Teilmenge von X ist. Wenden wir jetzt die de-Morganschen Regeln aus Teil
A im letzten Semester an, so ergibt sich das
!
\
[
X\
Ai = (X\Ai )
i∈I
i∈I
T
offen in X ist, d.h. i∈I Ai ist abgeschlossen in X.
Wir kommen jetzt zu den endlichen Vereinigungen. Seien also n ∈ N und abgeschlossene Mengen A1 , . . . T
, An ⊆ X gegeben. Erneut ist für jedes 1 ≤ i ≤ n dann
X\Ai offen in X, also ist ni=1 (X\Ai ) nach Lemma 6 auch offen in X. Eine erneute
Anwendung der de-Morganschen Regeln ergibt, dass auch
!
n
n
\
[
X\
Ai = (X\Ai )
i=1
i=1
offen in X ist, d.h.
Sn
i=1
Ai ist abgeschlossen in X.
Genau wie beliebige Durchschnitte offener Mengen nicht unbedingt offen sein müssen,
sind auch beliebige Vereinigungen abgeschlossener Mengen im Allgemeinen nicht mehr
abgeschlossen. Beispielsweise ist
∞ [
1
1
−1 + , 1 −
= (−1, 1).
n
n
n=1
Das diese Mengengleichheit besteht ist wieder eine Folgerung aus der archimedischen
Eigenschaft §4.Lemma 16 der reellen Zahlen. Die linke Seite ist hier eine Vereinigung
abgeschlossener Mengen denn jedes abgeschlossene Intervall [a, b] mit a, b ∈ R, a ≤ b
ist tatsächlich auch eine abgeschlossene Menge. Dies ist leicht zu sehen, wir wissen ja
schon das offene Intervalle (a, b) auch offene Mengen sind, und damit ist auch
[
[
R\[a, b] = (−∞, a) ∪ (b, ∞) =
(x, a) ∪ (b, x)
x<a
x>b
nach Lemma 6 eine offene Menge, d.h. das Intervall [a, b] ist eine abgeschlossene Menge.
Das offene Intervall (−1, 1) ist dagegen nicht abgeschlossen den zum Beispiel ist 1 kein
innerer Punkt des Komplements R\(−1, 1) = (−∞, −1] ∪ [1, ∞), d.h. das Komplement
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ist nicht offen und die Menge ist nicht abgeschlossen. Nach diesen Grundeigenschaften wollen wir jetzt den sogenannten Rand einer Teilmenge eines metrischen Raums
einführen.
Definition 5.8: Seien (X, d) ein metrischer Raum und M ⊆ X eine Teilmenge von X.
Ein Punkt x ∈ X heißt ein Randpunkt von M , wenn für jede Umgebung U von x stets
U ∩ M 6= ∅ und U ∩ (X\M ) 6= ∅
gelten. Die Menge aller Randpunkte von M schreiben wir als ∂M .
In anderen Worten liegen die Umgebungen eines Randpunktes weder ganz in M noch
ganz außerhalb von M , was die Namensgebung Randpunkt“ rechtfertigt. Da jede
”
Umgebung von x eine offene Kugel U (x) enthält und umgekehrt diese Kugeln stets
Umgebungen von x sind, haben wir für x ∈ X auch
x ist Randpunkt von M ⇐⇒ ∀( > 0) : U (x) ∩ M 6= ∅ ∧ U (x) ∩ (X\M ) 6= ∅.
Eine weitere Umformulierung ist gelegentlich nützlich. Verneinen wir die definierende
Bedingung an einen Randpunkt, so folgt das x ∈ R2 genau dann kein Randpunkt von
M ⊆ X ist, wenn es eine Umgebung U von x in X mit U ∩ M = ∅ oder U ∩ (X\M ) = ∅
gibt, und dies ist gleichwertig zu U ⊆ X\M oder U ⊆ M . Damit ist x genau dann kein
Randpunkt von M wenn x ein innerer Punkt von M oder von X\M ist. Wir gehen
einige Beispiele von Randpunkten durch.
1. Sei X = R2 mit der euklidischen Metrik und
M := U 1 ((0, 0)) = {(x, y) ∈ R2 |x2 + y 2 ≤ 1}
der abgeschlossene Einheitskreis in der Ebene. Wie schon bemerkt sind die Punkte
(x, y) ∈ R2 mit x2 + y 2 < 1 nach Aufgabe (39) innere Punkt von M . Da M
abgeschlossen ist, ist R2 \M offen, d.h. jeder Punkt der nicht in M liegt ist ein
innerer Punkt von R2 \M . Die Randpunkte von M sind also genau
∂M = {(x, y) ∈ R2 |x2 + y 2 = 1},
d.h. die Punkte der berandenden Kreislinie. Für vernünftige“ Teilmengen des
”
Rn in der euklidischen Metrik ist der Rand einer Menge tatsächlich immer das
was man sich bildlich darunter vorstellt.
2. Als ein Beispiel für unvernünftige Mengen nehmen wir einmal M = Q als Teilmenge von X = R in der euklidischen Metrik. Ist x ∈ R eine beliebige reelle
Zahl und > 0, so ist die Kugel U (x) das Intervall (x − , x + ) und dieses
enthält sowohl rationale als auch irrationale Punkte, d.h. es ist U (x) ∩ M 6= ∅
und U (x) ∩ (X\M ) 6= ∅, und somit ist x ein Randpunkt von M = Q. Damit
∂Q = R.
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3. Nun sei X ein beliebiger metrischer Raum und M = X. Wegen X\X = ∅ ist
dann kein Punkt von X eine Randpunkt von M also ∂X = ∅. Ebenso ist auch
∂∅ = ∅.
4. Dass der Rand einer Teilmenge leer ist, kann auch in nicht ganz so trivialen
Situationen passieren. Um hierfür ein Beispiel zu sehen, betrachten wir X = Q
mit√der√durch d(x, y) = |x − y| gegebenen Metrik. Als Teilmenge nehme M
√ :=
(− 2, 2) ∩ Q. Dann sind M und das Komplement Q\M offen in Q, da ± 2 ja
keine rationale Zahl ist, und somit ist ∂M = ∅.
Der letzte noch einzuführende Begriff ist der sogenannte Abschluß einer Menge in einem
metrischen Raum.
Definition 5.9: Sei (X, d) ein metrischer Raum und sei M ⊆ X eine Teilmenge. Der
Abschluß von M , geschrieben als M , ist dann die kleinste M enthaltende, abgeschlossene Teilmenge von X, d.h. die abgeschlossene Menge M ⊆ X mit M ⊆ M so, dass
A ⊆ X abgeschlossen mit M ⊆ A =⇒ M ⊆ A
gilt. Die Menge M heißt dann dicht in M .
Streng genommen müssten wir uns klarmachen das eine solche abgeschlossene Menge
M überhaupt existiert. Dies ist aber leicht zu sehen. Nach Lemma 7 ist der Durchschnitt
\
M = {A|A ⊆ X ist abgeschlossen mit M ⊆ X}
überhaupt aller abgeschlossenen Obermengen von M selbst eine abgeschlossene Menge,
und für jede abgeschlossene A ⊆ X mit M ⊆ A gilt trivialerweise auch M ⊆ A.
Zum konkrete Rechnungen ist es wichtig noch eine explizitere Beschreibung des
Abschluss einer Menge M ⊆ X zu kennen. Wir behaupten das für eine Teilmenge
M ⊆ X eines metrischen Raums X und jeden Punkt x ∈ X von X die Äquivalenz
x ∈ M ⇐⇒ ∀( > 0) : U (x) ∩ M 6= ∅
besteht. Sei nämlich zunächst x ∈ M . Sei > 0. Nach Aufgabe (39) ist die offene Kugel
U (x) eine offene Teilmenge von X, d.h. ihr Komplement X\U (x) ist eine abgeschlossene Teilmenge von X. Wegen x ∈ M und x ∈
/ X\U (x) ist M 6⊆ X\U (x), und nach
Definition des Abschluß muss damit auch M 6⊆ X\U (x). Dies bedeutet aber gerade
U (x) ∩ M 6= ∅. Jetzt nehme umgekehrt U (x) ∩ M 6= ∅ für jedes > 0 an. Sei A ⊆ X
eine abgeschlossene Menge mit M ⊆ A. Wäre jetzt x ∈
/ M , so ist x ein Element der
offenen Menge X\A, also ein innerer Punkt von X\A. Damit gibt es aber ein > 0 mit
U (x) ⊆ X\A ⊆ X\M , im Widerspruch zu U (x) ∩ M 6= ∅. Folglich ist x ein Element
jeder M enthaltenden abgeschlossenen Menge, und dies bedeutet x ∈ M .
Statt Kugeln kann man auch allgemeiner Umgebungen von x verwenden, und erhält
x ∈ M ⇐⇒ Für jede Umgebung U von x in X ist U ∩ M 6= ∅.
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Anhand dieser Beschreibung kann man jetzt auch den Zusammenhang zwischen Rand
und Abschluß einer Menge M erkennen. Die Bedingung x ∈ M ist sozusagen die halbe
Bedingung für x ∈ ∂M . Dies kann man noch etwas quantitativer formulieren. Jeder
Punkt x ∈ M ist wegen M ⊆ M auch im Abschluß von M . Ist dagegen x ∈ X mit
x∈
/ M , so ist x ∈ U (x) ∩ (X\M ) für jedes > 0, also auch U (x) ∩ (X\M ) 6= ∅ für
jedes > 0. Damit ist x genau dann ein Randpunkt von M , wenn U (x) ∩ M 6= ∅ für
jedes > 0 gilt, d.h. wenn x ∈ M ist. Diese Überlegung zeigt
M = M ∪ ∂M.
Der Abschluß einer Menge M entsteht also durch das Hinzunehmen der Randpunkte
zu M .
Ist beispielsweise M = (a, b) ein offenes Intervall in X = R mit der euklidischen
Metrik, so sind a und b die beiden Randpunkte von M , also ∂M = {a, b} und somit
M = M ∪ ∂M = [a, b].
5.1
Äquivalente Metriken
All die bisher für metrische Räume eingeführten Begriffe, also etwa innere Punkte“,
”
Umgebungen“, der Abschluß“ und so weiter, hängen nicht nur von der Menge X
”
”
sondern auch von der Metrik d auf X ab. Verschiedene Metriken führen zu ganz verschiedenen Effekten, und wir wollen uns zunächst ein besonders drastisches Beispiel
für dieses Phänomen anschauen. Wir betrachten die Menge X = R einmal mit der
euklidischen Metrik d(x, y) = |x − y| für alle x, y ∈ R und einmal mit der sogenannten
diskreten Metrik d0 , die durch
(
0, x = y,
d0 (x, y) :=
1, x 6= y
für alle x, y ∈ R definiert ist. Dass d0 tatsächlich eine Metrik ist können wir leicht
einsehen. Die ersten beiden Eigenschaften (M1), (M2) einer Metrik sind dabei klar,
nur die Dreiecksungleichung (M3) erfordert eine kleine Überlegung. Sind x, y, z ∈ R,
so gilt im Fall x = z trivialerweise d0 (x, z) = 0 ≤ d0 (x, y) + d0 (y, z). Ist dagegen x 6= z,
so ist auch x 6= y oder y 6= z, also d0 (x, y) = 1 oder d0 (y, z) = 1 und in beiden Fällen
haben wir damit d0 (x, y) + d0 (y, z) ≥ 1 = d0 (x, z). Damit sind d und d0 beides Metriken
auf X = R. Die Kugeln in der diskreten Metrik haben eine besonders einfache Gestalt,
für alle x ∈ R und alle > 0 gelten
(
(
0
X,
>
1,
X,
≥ 1,
0
d
Ud (x) =
U (x) =
{x}, ≤ 1,
{x}, < 1.
Insbesondere ist in der diskreten Metrik jede Teilmenge von X eine Umgebung jedes
ihrer Punkte, und damit ist in der diskreten Metrik jede Teilmenge von X offen und
abgeschlossen mit leeren Rand, und jede Teilmenge von X ist damit auch gleich ihrem
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eigenen Abschluß. All unsere in diesem Abschnitt definierten Begriffe verhalten sich
bezüglich der diskreten Metrik also völlig anders als bezüglich der euklidischen Metrik.
Kommen wir zur allgemeinen Situation zurück. Es stellt sich heraus, dass sich all
diese Unterschiede zwischen verschiedenen Metriken bereits bei den offenen Mengen
zeigen, definieren zwei Metriken auf einer Menge X dieselben offenen Mengen, so stimmen auch abgeschlossene Mengen, Rand und Abschluß überein. In der Tat, die abgeschlossenen Mengen sind die Komplemente der offenen Mengen, stimmen also offene
Mengen überein so auch abgeschlossene. Da der Abschluß einer Menge M die kleinste
abgeschlossene Obermenge von M stimmt auch dieser bezüglich beider Metriken überein. Da eine Menge U nach Aufgabe (39) weiter genau dann Umgebung eines Punktes
x ∈ U ist, wenn es eine offene Menge V mit x ∈ V ⊆ U gibt, stimmen auch Umgebungen bezüglich beider Metriken überein. Da Randpunkte in Termen von Umgebungen
definiert sind, sind schließlich auch die Ränder gleich. Daher führen wir den folgenden
Äquivalenzbegriff für Metriken ein.
Definition 5.10: Sei X eine Menge. Zwei Metriken d1 , d2 auf X heißen äquivalent,
wenn sie die gleichen offenen Mengen generieren, d.h. wenn eine Menge U ⊆ X genau
dann in (X, d1 ) offen ist, wenn sie in (X, d2 ) offen ist.
Wir geben jetzt eine hinreichende, aber keinesfalls notwendige, Bedingung für die
Äquivalenz zweier Metriken an.
Lemma 5.11 (Hinreichendes Kriterium für die Äquivalenz von Metriken)
Sei X eine Menge und seien d1 , d2 zwei Metriken auf X. Es gebe Konstanten c1 , c2 > 0
mit
c1 d1 (x, y) ≤ d2 (x, y) ≤ c2 d1 (x, y)
für alle x, y ∈ X. Dann sind diese Metriken äquivalent.
Beweis: Für x ∈ X, > 0 und i ∈ {1, 2} bezeichne
Udi (x) = {y ∈ X|di (x, y) < }
die offene Kugel um x mit Radius bezüglich der Metrik di .
Sei U ⊆ X eine Teilmenge. Wir müssen zeigen, dass U genau dann in (X, d1 ) offen
ist wenn U in (X, d2 ) offen ist. Nehme zunächst an, dass U bezüglich der Metrik d1
offen ist. Sei x ∈ U . Dann existiert ein > 0 mit Ud1 (x) ⊆ U . Dann ist auch c1 · > 0,
und wir wollen Ucd12 (x) ⊆ U einsehen. Sei also y ∈ Ucd12 (x) gegeben, d.h. es ist y ∈ X
mit d2 (x, y) < c1 . Dann folgt auch
d1 (x, y) =
1
1
1
· c1 d1 (x, y) ≤ d2 (x, y) < c1 = ,
c1
c1
c1
und somit gilt y ∈ Ud1 (x) ⊆ U . Dies zeigt Ucd12 (x) ⊆ U , und damit ist x ein innerer
Punkt von U bezüglich d2 . Folglich ist U auch in (X, d2 ) offen.
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Jetzt nehme umgekehrt an, dass U in (X, d2 ) offen ist. Sei x ∈ U . Es gibt > 0 mit
d1
Ud2 (x) ⊆ U . Damit ist auch /c2 > 0 und für jedes y ∈ U/c
(x) gilt auch
2
d2 (x, y) ≤ c2 d1 (x, y) < c2 ·
= ,
c2
d1
also y ∈ Ud2 (x) ⊆ U . Damit ist U/c
(x) ⊆ U , und U ist auch bezüglich d1 offen.
2
Als ein Beispiel zu diesem Lemma werden sie in Aufgabe (37) zeigen, dass auf der
Menge X = R2 die euklidische Metrik, die Taximetrik und die `∞ -Metrik alle zueinader
äquivalent sind.
§6
Folgen
Der Begriff einer Folge ist weitgehend ein Hilfsbegriff, und wir wollen damit beginnen zu erläutern wobei Folgen eigentlich helfen sollen. Für diesen etwas längeren Exkurs
müssen wir ein klein wenig vorgreifen und schon einmal Ableitungen besprechen. Für
das Folgende reicht dabei die in der Schule vermittelte Kenntnis von Ableitungen aus,
eine genauere Behandlung folgt später. Was ist also die Ableitung einer reellen Funktion
f : R → R. Ein Erklärungsansatz ist es die Ableitung als die Steigung von Tangenten an
den Funktionsgraph zu definieren“. Das ist zwar recht anschaulich und gelegentlich für
”
heuristische Zwecke auch ganz nützlich, geht aber doch etwas am Punkt vorbei. Dieser
geometrische Standpunkt spielt meistens keinerlei Rolle. Wesentlich wichtiger ist die
Interpretation der Ableitung als eine Änderungsrate, die Verwendung von Ableitungen
in Anwendungssituationen beruht fast immer auf diesem Standpunkt.
Zur Erinnerung starten wir mit dem Urbeispiel einer Ableitung, dem Begriff der
Geschwindigkeit. Wir denken uns einen sich bewegenden, physikalischen Körper. Um
keine Vektoren verwenden zu müssen, gehen wir davon aus, dass sich diese Bewegung in
einer festen Richtung abspielt. Dann können wir die Position unseres Körpers zum Zeitpunkt t durch eine einzelne Zahl x(t) beschreiben, die etwa den Abstand des Körpers
zum Koordinatenursprung angibt. Gehen wir erst einmal vom einfachsten Fall aus, und
nehmen an das auf unseren Körper keine Kräfte wirken. Wie Sie wahrscheinlich noch
aus dem Physikunterricht wissen, gilt dann das sogenannte Trägheitsprinzip, d.h. der
Körper legt in einem Zeitabschnitt der Dauer ∆t eine zur Dauer des Zeitabschnitts
proportionale Strecke ∆x zurück. Die hierbei auftretende Proportionalitätskonstante,
d.h. die Zahl v mit ∆x = v · ∆t, nennt man dann die Geschwindigkeit des Körpers.
Maßeinheiten ignorieren wir dabei, und denken uns alles als Zahlen.
Die kräftefreie Bewegung ist damit recht einfach. Kommen wir zum allgemeinen
Fall, bei dem auf den Körper irgendwelche Kräfte wirken. Betrachte wieder ein Zeitintervall der Länge ∆t, und in diesem Zeitintervall lege unser Körper die Strecke ∆x
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zurück. Als die mittlere Geschwindigkeit in diesem Zeitintervall bezeichnen wir die Geschwindigkeit v die ein kräftefreier Körper hätte, der im Zeitintervall ∆t die Strecke
∆x zurücklegt, also
∆x
v=
.
∆t
Nun führt man eine Idealisierung durch. Geben wir uns einen Zeitpunkt t vor, und betrachten immer kleinere Zeitabschnitte ∆t, so gehen wir davon aus, dass sich die mittlere Geschwindigkeit bezüglich der Zeitintervalle t bis t + ∆t auf einen Wert v = v(t)
einpendelt. Diese Zahl bezeichnen wir dann als die Geschwindigkeit des Körpers zum
Zeitpunkt t. Die Existenz dieser Zahl kann man nicht logisch herleiten, es handelt sich
nur um eine idealisierende Annahme, die sich aber als sehr erfolgreich herausgestellt
hat. Diese mittlere Geschwindigkeit ist ein realer Wert, in dem Sinne das wir sie direkt
messen können, die Geschwindigkeit kann man dagegen nur näherungsweise durch Messung über ausreichend kleine Zeitabschnitte bestimmen. Das ist zwar kein praktischer
Unterschied da Messungen naturgemäß niemals exakt sind, aber inhaltlich liegt schon
ein gewisser Unterschied vor. Wir denken uns die Geschwindigkeit als einen Quotienten
v=
dx
dt
wobei man sich dt als einen unendlich kleinen Zeitabschnitt“ und dx als die in die”
sem Zeitabschnitt unendlich kleine zurückgelegte Strecke“ denkt. Ist allgemein x(t)
”
eine Funktion von t so definiert“ der Quotient die Ableitung x0 (t) von x in t. Dies
”
ist natürlich keine mathematische Definition im heutigen Sinne, da diese unendlich
”
kleinen“ Größen nicht wirklich definiert sind. Trotzdem ist die Mathematik sehr lange
Zeit mit einer derartig vagen Definition ausgekommen. Tatsächlich waren zu dieser Zeit
noch nicht einmal die reellen Zahlen wirklich streng definiert.
Geändert hat sich das alles erst im letzten Viertel des neunzehnten Jahrhunderts,
als man begann Fragestellungen zu untersuchen die sich mit dem vagen Konzept infinitesimaler Größen nicht mehr zufriedenstellend behandeln ließen.
Alle Versuche den unendlich kleinen und unendlich großen Zahlen eine wirklich
brauchbare, exakte Bedeutung zu geben, sind letztlich gescheitert und daher wurden
die infinitesimale Größen letztlich vollständig aus der Mathematik entfernt. Im mathematischen Sinn gibt es keine unendlich kleinen oder unendlich großen Zahlen. So
etwas wie Ableitungen wollte man aber natürlich trotzdem weiter verwenden, und daher mussten diese auf eine neue Grundlage gestellt werden. Als Ersatz für infinitesimale
Werte wurde der Begriff des Grenzwerts eingeführt. Es gibt viele verschiedene Arten
von Grenzwerten, von denen wir einige noch kennenlernen werden.
Damit sind wir jetzt soweit die Bedeutung von Folgen einsehen zu können. Viele
der erwähnten Grenzwertbegriffe lassen sich auf Grenzwerte von Folgen zurückführen.
Folgen sind in diesem Rahmen dann ein reines Hilfsmittel, sie erfassen gerade den
gemeinsamen Kern einer Vielfalt von Grenzwertbegriffen. Viele der Grundaussagen
über Grenzwerte überlegt man sich zunächst für Folgen und kann sie dann auf all die
anderen, uns wirklich interessierenden, Grenzwerttypen anwenden. Folgen sind also die
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Maschinerie die den ganzen Kalkül am Laufen hält, haben aber für sich selbst eher
selten eine Bedeutung. Das hat leider zur Folge, dass die Theorie der Folgen zunächst
recht unmotiviert und wenig sinnvoll wirkt. Wir wiederholen die Definition einer Folge,
diese kam bereits in Teil A im letzten Semester vor.
Definition 6.1: Eine Folge in einer Menge M ist eine Abbildung a : N → M . Für
den Funktionswert a(n), n ∈ N schreiben wir an = a(n) und nennen an auch das n-te
Folgenglied. Die gesamte Folge wird meist als (an )n∈N notiert.
Das Funktionsargument n wird oft auch als der Index bezeichnet. Anstelle von auf
ganz N definierten Folgen werden oft auch Folgen betrachtet, die nur für alle Indizes
n ≥ n0 ab einem Startindex n0 definiert sind. Diesen Fall wollen wir nicht gesondert
hervorheben, er ist immer implizit mit gemeint, auch wenn wir es nicht explizit hinschreiben. Sprechen wir beispielsweise von der Folge an = 1/n, so ist aus dem Kontext
klar das diese nur für Indizes n ≥ 1 gemeint ist. Beispiele von Folgen werden wir uns
in der nächsten Sitzung anschauen.
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