Werbung und Multimedia - Lehrstuhl für Wirtschafts

Werbung
Werbung und Multimedia
- Perspektiven für den Konsumenten Ingo Hamm und Wolf-Bertram von Bismarck
Inhalt
1 Einleitung.......................................................................................................................... 24
2 Multimedia ....................................................................................................................... 26
2.1 Multimedia: Eine sinnlose Ansammlung diverser Medien?....................................... 26
2.2 Grundbausteine von Multimedia ................................................................................ 27
3 Werbung ........................................................................................................................... 28
3.1 Werbung als Chance für den Verbraucher.................................................................. 28
3.2 Der rationale und der nicht-rationale Konsument....................................................... 29
4 Werbekommunikation mit Multimedia ............................................................................ 31
4.1 Multimedia aus Sicht nicht-rationalen Konsumverhaltens......................................... 31
4.2 Multimedia aus Sicht rationalen Konsumverhaltens .................................................. 32
4.3 Multimedia als Chance für die Marktforschung ......................................................... 33
5 Schlußfazit ........................................................................................................................ 34
6 Literatur ............................................................................................................................ 35
1
Einleitung
In der Mitte dieses 20. Jahrhunderts wurde in den Bell Labs des amerikanischen Fernmelderiesens AT&T ein Keim für eine gesellschaftlich-technische Revolution ohne Gleichen
gesetzt: 1947 entwickelten Shockley, Brattain & Bardeen den ersten Transistor und ein
Jahr darauf Shannon seine umfassende Informationstheorie (vgl. Rapaport, 1995). Die
technischen Grundsteine für das Zeitalter des Mikrochips waren gesetzt, das geistige Gerüst für das Informationszeitalter stand und sollte langsam das Ende des Industriezeitalters
einläuten.
Computer entwickelten sich in den folgenden Jahrzehnten weg vom bloßen
”Rechenknecht” zu immer vielseitiger einsetzbaren Instrumenten für alle Belange des Alltags. Immer deutlicher wurde und wird die Rolle des Computer bzw. der Computertechnik
als Gehilfe im Umgang mit Information. Enorme Datenbestände lassen sich in kürzester
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Zeit nach Stichworten durchsuchen, Nachrichten innerhalb von Sekunden über den Globus
verbreiten, fast jede beliebige Information von einer beliebigen Person an einem beliebigen
Ort zu einer beliebigen Zeit abrufen - zumindest theoretisch.
In den unterschiedlichsten Bereichen von Forschung und Praxis erlangte Multimedia in den
letzten Jahren einen sehr hohen Stellenwert. Eine ebenso faszinierende Anmutung wird zur
Zeit dem Internet zuteil, einem weltweiten Computernetzwerk mit teilweise multimedialen
Benutzeroberflächen. Die Möglichkeiten und Chancen einer Fülle von innovativen elektronischen Medien erscheinen heute schier überwältigend, aber letztendlich so vielseitig und
undurchsichtig, daß ein sachlicher, bedachter und seriöser Umgang immer mehr in den
Hintergrund zu treten scheint. Der quasi als sozial erwünscht erscheinende Begriff
”Multimedia” verbreitet zwar eine Aura von Modernität und Fortschritt, aber der wahre
semantische Kern scheint dabei selbst fachkundigen Menschen oft im Verborgenen zu
bleiben.
Insbesondere im Bereich des Marketings und in der werblichen Kommunikation steht der
inflationäre Gebrauch der Begriffe ”Multimedia” oder auch etwa ”Internet” im krassen
Gegensatz zu nur wenig durchschlagenden Innovationen (vgl. Kinnebrock, 1995, S.47) und
täuscht über mangelndes Wissen über Hintergründe und Funktionsweisen von Multimedia
leicht hinweg. Es fällt zwar immer wieder Euphorie und eiserner Wille auf, lassen genauso
aber fundierte Konzepte und theoretisch-wissenschaftliche Grundlagen missen. Es wird
von den meisten Werbetreibenden stillschweigend vorausgesetzt, daß Multimedia ganz
neue Chancen offeriert, die eine Darbietung von Produktinformationen für den Konsumenten interessanter und effektiver gestalten können, doch ob überhaupt und warum dies
zutrifft, und welche praktischen Empfehlungen daraus abzuleiten wären, steht im Dunkeln.
Werbung in und mit Multimedia stellt sich als weites, unbekanntes Terrain heraus. In der
Werbepraxis resultieren dann meist entweder blinder Aktionismus oder totale Zurückhaltung. Peter Job, Generaldirektor der Londoner Nachrichtenagentur Reuters verdeutlicht die
Ungewißheit und mit wenigen Worten:
Ich sehe keine Gewinnquelle im Internet, bevor nicht die Werbewirtschaft und die anderen
Verkaufshelfer mit ihren riesigen Budgets eine Position im Internet finden, und ich weiß
nicht, wie die Werbewirtschaft mit diesem zersplitterten Internet-Publikum zurechtkommen
will. (zitiert in: Kratz, W.: ”Schneller, teurer, Reuters”, Die ZEIT Nr. 42, 13.Oktober 1995)
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Die Angst vieler Werbetreibender, etwas zu verpassen, wirtschaftlich in Rückstand zu geraten, wenn man nicht schnell genug auf den Zug ”Multimedia” aufspringe, beschreibt
Gary Welz (1995):
Companies are rushing to advertise on the Internet, afraid they are missing the latest bandwagon. But unlike print media or even television, there isn’t much of a history from which to
learn. Internet advertisers are pioneers; you can spot them by the arrows in their backs. (S.58)
Welz bezeichnet Internet-Werber als Pioniere, die Neuland betreten, die auf keine bzw. nur
sehr wenig Erfahrung zurückschauen können. Doch auch wenn sich im Laufe der Zeit Erfahrung im Umgang mit Multimedia ansammelt, so besteht gerade in der sehr pragmatischen und praxisorientierten Werbewirtschaft die Gefahr des Ad-Hocismus. Es ist wahrscheinlich, daß bei weiterer Vernachlässigung fundamentaler Grundlagen und Konzepte
der Umgang mit Multimedia weitgehend von Heurismen geprägt sein wird und nicht unbedingt theoretisch-wissenschaftlich fundiertes Wissen die Basis für Werbung in und mit
Multimedia bildet.
Multimedia und dessen Anwendung in der Werbekommunikation steht zur Zeit in einem
Anfangsstadium mit nur vagen Vorstellungen und Konzepten. Die Schwierigkeit besteht
darin, etabliertes Wissen - auch aus thematisch angrenzenden Gebieten - zu analysieren,
dessen Übertragbarkeit auf Multimedia abzuwägen, und schließlich zu neuartigen Konzepten und Theorien für Werbung in und mit Multimedia zu synthetisieren. Nur eine solche
Vorgehensweise kann eine solide Basis zu einer langwierigen Phase der empirischen Überprüfungen, zahlreicher Experimente und Evaluation des neuen ”Theoriegebäudes Multimedia” als Werbemedium gewährleisten.
2
Multimedia
2.1
Multimedia: Eine sinnlose Ansammlung diverser Medien?
...Wayzata Technology expects consumers to pay good money for a collection of unrelated
digital illustrations, home-video art projects, synthesizer doodles, and unfunny Terry Gilliamwannabe animations. It doesn’t make sense. But hey, it doesn’t have to: it’s multimedia! (aus:
Wired, Heft 1, 1996, S. 166)
Multimedia als sinnlose Ansammlungen von diversen Medien zu beschreiben, mag in der
Praxis oft berechtigt sein, doch wird dies Multimedia als eine Idee für ein modernes Medium kaum gerecht. Es erscheint daher unumgänglich, den Begriff ”Multimedia” einmal nä-
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her zu definieren. Der starke, unbedachte Gebrauch des Wortes ”Multimedia” in so vielen
Bereichen des täglichen Lebens hat dazu geführt, daß die inhaltliche Bedeutung von
”Multimedia” allmählich überdehnt wurde. Fast jede geringfügige technische Neuerung im
Bereich der elektronischen Medien, die nur im geringsten etwas mit grafischen Darbietungen und Computertechnik zu tun hat, bekommt das werbewirksame Etikett ”Multimedia”
verpaßt, ohne daß aber damit ein wirkliche Neuerung im Umgang mit Information und
Medien einhergeht.
”Multimedia” sollte aber als ein innovatives Konzept verstanden werden, welches den
Umgang mit Information aller Art erheblich effektiver und effizienter gestaltet.
”Multimedia” soll nicht eine post-facto-Beschreibung von Anwendungen sein, die ohne
genauere Begründung als Multimedia-Anwendung bezeichnet werden, sondern umgekehrt:
Eine theoretische Vorstellung über ein Konzept der Informationsdarbietung soll Grundlage
sein für die Ableitung praktischer Umsetzungen. Etwaige Rahmenbedingungen, wie z.B.
technische Faktoren sollten aus einem Konzept ”Multimedia” logisch hervorgehen und
schließlich auf ihre Tauglichkeit für ”Multimedia” geprüft werden.
Multimedia als Konzept sollte im folgenden abstrakt und theoretisch aufgefaßt werden,
ebenso wie der Begriff der Multimedia-Anwendung oder des Multimedia-Systems. Obwohl
es nicht leicht ist, implizit gelerntes Alltagswissen über das ”Wort des Jahres 1995: Multimedia” auszublenden, ist dies aber zunächst unumgänglich. Erst nach theoretischen Überlegungen läßt sich über praktische Adaptionen des Konzepts vernünftig weiterdenken.
2.2
Grundbausteine von Multimedia
Multimodalität sowie Benutzeraktivität sind die Grundbausteine von Multimedia. Multimodalität erscheint aufgrund unterschiedlichster Erkenntnisse der Kognitionspsychologie
als sehr sinnvoll und teilweise unerläßlich für Informationsübermittlung. Die Aktivität des
Benutzers verleiht Multimedia als Konzept innovativen Charakter, indem exploratives
Verhalten des Benutzers unterstützt wird. Freier Zugriff des Rezipienten auf verschiedene
Modalitäten, in Form von zeitab- und zeitunabhängigen Medien, und das assoziative
”Navigieren” in Inhalten gemäß dem Hypermedia-Prinzip konkretisieren die Grundforderungen und grenzen Multimedia als modernes Konzept der Informationsdarbietung von
konventionellen Medien ab.
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Moderne Computertechnik gestattet, das Konzept Multimedia auf sehr effektive Weise
praktisch umzusetzen. Dabei sind nicht nur die Möglichkeiten einer schnellen Datenverwaltung im großen Maße relevant, sondern auch die Dialogfähigkeit des Computers, ermöglicht durch hochentwickelte Programmiersprachen. Im Sinne der Interaktivität kann ein
Computersystem an spezifische Anforderungen und Belange des Benutzers adaptieren und
diese im gewissen Maße antizipieren (vgl. auch Silberer, 1995, S.4).
Multimedia im Sinne einer Kombination von Offline- und Online-System impliziert die
Aufgabe eines starren Systems zu Gunsten einer dynamischen Informationsvermittlung.
Die Einbindung von Multimedia in Online-Strukturen erlaubt eine stetige Aktualität von
Informationen. Wenn gleichzeitig eine Kombination mit der Bedienerfreundlichkeit und
Leistungsfähigkeit von klassischen Offline-Systemen realisiert werden kann, ist Multimedia ein hocheffektives Medienkonglomerat zur Übermittlung und Präsentation von Informationen.
”Multimedia” läßt sich weniger durch eine mathematisch-logische Definition beschreiben,
sondern vielmehr als ein Zusammentreffen verschiedener Qualitäten und Quantitäten. Zu
verschieden können und sollen Zwecke und Einsatzgebiete von Multimedia sein, um mit
einer starren Attribute-Sammlung ein theoretisches Korsett zu schaffen, welches praktische
Anwendungen zu sehr einengt.
3
Werbung
3.1
Werbung als Chance für den Verbraucher
Werbung für Produkte und Dienstleistungen ist ein fest integrierter Bestandteil des täglichen Lebens geworden. Die tiefe Verwurzelung von Werbung im Alltag verleiht aus Sicht
vieler Verbraucher dem Ausdruck ”Werbung” jedoch oft einen negativen Beigeschmack.
Werbung wird z.B. nicht selten als Beeinflussung empfunden, der man sich nicht widersetzen könne, die klammheimlich Bedürfnisse wecke, ohne daß diese überhaupt für das Individuum notwendig wären.
Gerade in letzter Zeit scheint u.a. durch ein vermehrtes Aufkommen von privaten Fernsehsendern und einer zunehmenden Fülle von Zeitschriften die Quantität der Werbung insgesamt stark zugenommen zu haben (vgl. ZAW-Jahresberichte, Bonn). Verbraucher bekun-
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den immer öfter ihren Mißmut über die allgegenwärtige Präsenz von Werbung und zeigen
vermehrt reaktantes, abweisendes Verhalten. So zeigt Opaschowski (1995) in einer Studie
über Medienkonsum beispielsweise, daß zwei Drittel der Bundesbürger über Werbeunterbrechung im Fernsehen eine negative, abweisende Haltung aufweisen. Drei Viertel der Zuschauer meiden gezielt Fernsehwerbung, wobei die Zahlen der ”Werbe-Flüchtlinge”, die
etwa während der Fernsehwerbung das Zimmer verlassen, von 1991 bis 1994 stetig gestiegen ist.
Zeitgleich mit der starken Zunahme an konventionellen Medien, inklusive der dafür notwendigen Werbung als Finanzierungsquelle, tritt aber nun Multimedia als eine neue Form
der medialen Kommunikation auf. Obgleich Multimedia theoretisch betrachtet ein innovatives und sinnvolles Konzept zur Darbietung von Informationen darstellt, ist dies in der
breiten Praxis nicht immer einsichtig. Einem Großteil der Verbraucher ist zwar der Begriff
bekannt, aber Hintergründe und Funktionsweisen sind oft fremd. Multimedia wird oft deswegen allzu schnell mit Expansionsneigungen anderer Medien in einen Topf geworfen und
nur als ”Marketing-Trick” abgetan. In Multimedia wird dann wenig Sinn gesehen, ja es
wird sogar als negative Entwicklung für das Individuum interpretiert. Opaschowski belegt
dies:
”Das Zusammenwachsen von Computer, Telefon und Fernseher fördert eher die Einsamkeit
vor den Apparaten: Dies befürchtet fast jeder zweite Bundesbürger (48%). ... Viele Bundesbürger haben das Gefühl, daß die Industrie gar nicht wissen will, ob die Konsumenten das eigentlich alles haben wollen. So sind mittlerweile 22 Millionen Bundesbürger ... der Überzeugung, daß das Multimedia-Angebot nicht angenommen und abgelehnt wird, weil die Bürger
es ‘gar nicht haben wollen’. (S. 38f)
Wie man sieht, können technisches Unverständnis und mangelndes Hintergrundwissen
leicht zur Ablehnung von Multimedia führen, und somit auch innovative Werbekonzepte in
Multimedia überflüssig machen. Im Folgenden soll aber gezeigt werden, daß gerade Werbung und Multimedia für Konsumenten eine durchaus sinnvolle Kombination sein kann,
daß der Verbraucher sogar im Gegensatz zu konventionellen Medien von dieser neuen
Konstellation profitieren kann. Werbung in und mit Multimedia soll als Chance, nicht als
Geißel für den Verbraucher dargestellt werden.
3.2
Der rationale und der nicht-rationale Konsument
Sowohl aus der Perspektive des rationalen wie auch aus der Sichtweise des nicht-rationalen
Konsumverhaltens zeigt sich eine ungeheure Bedeutung von aktivem, selbstgestalteten
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Konsumverhalten und seinen Vorstufen. So unterschiedliche Ansätze, die auf der einen
Seite komplexe, kybernetische Prozesse im Individuum annehmen und auf der anderen
Seite globale Annahmen über sozial motiviertes Verhalten formulieren, lassen den Schluß
zu, für die heutige Zeit der Postmoderne einen ”mündigen Informationsbürger” (frei nach
Kant) zu akzeptieren. Eine ”Aufklärung” der Postmoderne sollte dem Konsumenten signalisieren, daß er als freies Individuum verstanden wird, daß Produkte und Dienstleistungen
nicht zu seinem Nachteil, nicht zu seiner ”Ausbeutung” geschaffen und beworben werden,
sondern er selbst über Konsumverhalten bestimmen kann und soll. Der Konsument wird
als nicht-berechenbar - im wahrsten Sinne des Wortes - akzeptiert, seine Multioptionalität
wird nicht als abweichendes Verhalten gesehen, sondern als sinnvolles Mittel zur Selbstregulation im komplexen Informationsalltag.
Auch kann z.B. der zentrale Begriff des Involvements eine neue Dimension erfahren, wenn
man nicht-rationale Momente des Konsumentenverhalten berücksichtigt: Beteiligung und
Aktivierung aufgrund identitätsrelevanter Information, Aktivierung durch Aussicht auf
Erlebnis, Engagement in die Werbekommunikation infolge persönlich interessanter Symbolik und Ästhetik etc. Involvement ist dann nicht nur eine Folge von rationalem Produktinteresse, sondern auch von psychosozialer Motivation im Kommunikationsprozeß.
Unverständlich scheint nun mit diesem Hintergrund ein oft anzutreffendes, allgemeines
Infragestellen von Werbung, eine teilweise geäußerte Kritik gegenüber werblichen Aktivitäten (vgl. z.B. GfK, 1992). Kombiniert man psychologische und soziologische Theorien
so öffnet sich ein breiter Horizont interessanter Erkenntnisse: In der Vergangenheit, quasi
der ”Moderne des Marketings”, konnte man sicherlich häufig von ethisch bedenklichen
Sichtweisen von Konsum bzw. des Konsumenten sprechen, Stichwort ”Konsumzwang”
(vgl. etwa Rode, 1989. S. 36ff). Heute aber zeigt sich mehr denn je die Möglichkeit zur
beiderseitigen Akzeptanz von Wirtschaft und Individuum, die Möglichkeit einer Symbiose
von Produktion und individualisiertem Konsum. Multimedia kann dabei helfen, eine
ethisch weniger bedenkliche Konsumkultur zu etablieren und Werbung als dafür sinnvolles
Hilfsmittel zu verstehen - soweit Werbung konzeptuell neu verstanden und angepaßt wird.
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Werbekommunikation mit Multimedia
Multimedia kann als praktische Umsetzung multimodaler Informationsübermittlung ein
sehr effektives ”Medienkonglomerat” sein. Werbung und die Rolle der darin vermittelten
Information können aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven betrachtet werden,
die in Zusammenhang mit Multimedia stehen können. Was leistet eine Kombination von
Werbung und Multimedia konkret für das Individuum, bringt es Vorteile mit sich, stellt es
eine besondere Alternative zu konventionellen Medien dar?
4.1
Multimedia aus Sicht nicht-rationalen Konsumverhaltens
Information in der Postmoderne trägt symbolischen Gehalt von Objekten zum Zwecke der
Erlebnisorientierung. Wenn man Werbung aus dieser Sicht beurteilt, so ist dies ein Prozeß,
indem ein Produzent von erlebnisversprechenden Objekten und Ideen - die wesentlichen
Objektmerkmale symbolisch kodiert und dem Individuum mittels Werbekommunikation
offeriert. Das Individuum dekodiert Symbole und empfindet dahinterstehende Bedeutungen
als relevant oder belanglos. Zudem ist das Individuum als soziales Wesen zu sehen, eingebettet in soziale Geflechte, die im wesentlichen sein Handeln, sein Denken und damit auch
den Konsum bestimmen. Das Individuum bedient sich mittels Konsum externer Stützen für
seine soziale Identität, für sein gelebtes und idealisiertes Selbstbild. Produkte verkörpern
Symbole, die eine multimodale Kodierung von multidimensionalen Einstellungen und
Wertemustern in sich tragen (vgl. v. Bismarck & Baumann, 1996).
Multimedia kommt diesem durch Unterstützung der Individualisierung entgegen. Durch
das Hypermedia-Prinzip und der Dialogfähigkeit moderner Multimedia-Systeme kann eine
quasi-individualisierte Kommunikationssituation geschaffen werden. Quasi-individualisiert
deswegen, weil zwar eine Multimedia-Anwendung, wie z.B. eine Online-Site, nicht von
vornherein auf einen eng begrenzten Personenkreis oder auf ein Individuum festgeschrieben ist, sondern erst durch mannigfaltige, inhaltliche Optionen und deren freie Anwahlmöglichkeit einen Eindruck beim Benutzer erwecken kann, daß das System für ihn
”passend”, ”zugeschneidert” sei, ”ohne Ballast”.
Aber auch der symbolischen Funktion wird anhand von Multimedia Rechnung getragen.
Die Möglichkeit der Interaktivität bzw. der Dialogfähigkeit erlaubt eine aktiv gesteuerte
Aufnahme von Symbolen der Werbekommunikation. Nicht mehr ein passives Aufnehmen,
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nicht ein eher zufälliges Zusammentreffen in Massenmedien mit Symbolen, sondern eine
gezieltere Suche kann mit Multimedia Wirklichkeit werden: Gleich einem ”Pfadfinder”
kann dort der Konsument aus intrinsischer Motivation heraus sich auf die Suche nach
Symbolen begeben, kann von sich aus neue Formen der Werbung - also mit Multimedia gezielt aufsuchen, andere wiederum meiden, kann in inhaltlichen oder unterhaltenden Angeboten innerhalb von Multimedia willkürlich umhernavigieren, kann eingestreuten Verweise auf Anbieter von Produkten oder Dienstleistungen nachgehen oder sie überhaupt gar
nicht
bemerken
bzw.
willentlich
ignorieren.
Werbung
in
diesem
Sinne
als
”Symbollieferant” ist für den Konsumenten nur ein Angebot, ein vergleichsweise zurückhaltender Hinweis auf weiterführende, symbolisierte Information.
4.2
Multimedia aus Sicht rationalen Konsumverhaltens
Schon 1985 konstatiert Meffert, ”daß in Zukunft die Konsumenten das erweiterte Informationsangebot durch ein verfeinertes internes Reduktionsprogramm kanalisieren und steuern
werden. Damit sind für die Werbewirtschaft wachsende Schwierigkeiten bei der Sicherstellung der Effizienz der werblichen Impulse vorauszusehen” (S. 137). Meffert baut seine
Vermutung auf das Phänomen des ”information overload”, der Überlastung des Konsumenten mit einer Fülle an Informationen. Im Grunde beschreibt Meffert mit dem ”internen
Reduktionsprogramm” einen zunehmend autonomen Konsumenten, der sich nicht länger
einfach der Flut an Informationen aussetzt, sondern mit eigenen, kognitiven Mitteln, eine
bewußte Selektion vornimmt. Dies bringt dann aber für Werbetreibende die Schwierigkeit
mit, einen unberechenbarer werdenden Konsumenten zu begegnen, dessen geändertes,
mehr selbstgesteuertes Informationsverhalten klassische Werbeformen uneffektiver macht.
Die Chance eines Werbekontakts kann sicherlich erhöht werden, wenn eine größere Menge
an Informationen zur Verfügung gestellt wird. Damit aber diese zunehmende Informationsmenge nicht zu der Informationsüberlastung des Individuums beiträgt, muß man eine
innovative Einflechtung in ein Medium vornehmen. Genau dies kann Multimedia bewerkstelligen: Eine Vielzahl an Informationen wird so aufbereitet und zur Verfügung gestellt,
daß das Individuum bzw. der Konsument nach seinem Willen, aus seinen Motivationen
und Neigungen heraus aktiv die Informationen aufnehmen kann. Eine rationalinformierende Werbung mit Multimedia kann Informationen zur Verfügung stellen, ohne
sich damit aber ”aufdrängen” zu müssen. Der Konsument kann nach Belieben und nach
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seinen Wünschen Informationen suchen und finden, und sie für seine Entscheidungsfindung weiterverarbeiten.
Weiterhin sinken auch die Informationskosten für den Konsumenten, der sich in Multimedia dadurch intuitives Bedienen, leichte Zugänge und geringe kognitive Belastung schnell
hochgradig aktuelle Informationen besorgen kann. Dies geschieht zudem unter der Bedingung des hohen Involvement, da eine aktive und willentliche kognitive Auseinandersetzung mir dem Medium erforderlich ist (vgl. Jarzina, 1995).
4.3
Multimedia als Chance für die Marktforschung
Nicht nur aus direkter Sicht des Konsumenten kann Multimedia neuartige Formen von
Werbung und Konsum ermöglichen. Betrachtet man etwa die Marktforschung, also die
praxisnahe Erforschung von Konsumentenverhalten, von Motiven und Bedürfnissen und
von Einstellungen gegenüber einem Konsumangebot, so kann auch in diesem Bereich
Multimedia erhebliche Fortschritte mitsichbringen (vgl. auch Silberer, 1995). Nur exemplarisch sollen an dieser Stelle einige Aspekte aufgeführt werden, um eine Vorstellungen
über neue Chancen mit Multimedia zu geben:
Da Multimedia durch den Einsatz modernen Computersysteme eine Interaktivität und
Dialogfähigkeit erlangt, kann gleichzeitig damit das Verhalten des Anwenders mit der speziellen Multimedia-Anwendung bzw. mit dem Computersystem genauer nachvollzogen
werden als bei konventionellen Medien. Durch Programmierungen des beteiligten Computers können nahezu alle Schritte und Handlungen des Konsumenten, hinunter bis zu einzelnen Tastenbetätigungen oder Verweildauer in bestimmten Teilinhalten, präzise festgehalten und im Nachhinein quantitativ und qualitativ ausgewertet werden. Dadurch entfällt
größtenteils der sonst übliche Aufwand zusätzlicher Marktforschungsaktivitäten, in denen
Konsumenten außerhalb der alltäglichen Nutzungssituation zu Akzeptanz und Wirkung
von Werbeaktivitäten befragt oder ”untersucht” werden. Das Problem der externen Validität, d.h. der Zulässigkeit von Verallgemeinerung von Forschungsergebnissen aus Stichproben und künstlichen Laborsituationen, wird dadurch erheblich verringert (vgl. Cook &
Campbell, 1979).
Ebenso verändert sich die Problematik der Nutzungsdaten multimedialer Angebote bzw.
Werbung: im Gegensatz zum Medium Fernsehen, wo durch umfangreiche Panels erst mit
relativ ungenauen Hochrechnungen die Anzahl der Zuschauer geschätzt werden kann, ist in
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Multimedia eine punktgenaue Erfassung aller Zugriffe, sozusagen der ”Einschaltquoten”,
möglich, denn ein Computer kann jeden Zugriff auf Programmstrukturen genau registrieren. Dadurch erhöht sich nicht nur die Meßgenauigkeit, sondern entfallen auch hohe Kosten technisch aufwendiger Panels bzw. Hochrechnungen, so daß auch kleineren bzw. mittelständischen Werbetreibenden eine relativ verläßliche Kontrolle ihrer Werbeaktivitäten
ermöglicht wird.
5
Schlußfazit
In der im vorangegangenen kurz vorgestellten Arbeit sollte insgesamt der Versuch unternommen werden, eine Kombination von Werbung und Multimedia zu durchleuchten. Auf
einer theoretischen Ebene wurden Erkenntnisse zusammengetragen, die theoretische
Schlüsse für Werbung und Multimedia zulassen. Diese Schlüsse sind durchweg als Hypothesen zu verstehen, denen es weitergehender, empirischer Validierungen bedarf.
Wenn man ein Fazit aus den theoretischen Überlegungen zu Werbung und Multimedia
zieht, so läßt sich folgendes festhalten:
• Multimedia für sich genommen ist ein innovatives Konzept zur Übermittlung und Präsentation vielfältigster Informationen. Auf eine multimodale Weise kann der Benutzer
durch intensive Möglichkeiten zur Interaktivität aus seinen eigenen Vorstellungen und
Neigungen heraus Art und Umfang der Präsentation steuern, aktiv in das Mediengeschehen eingreifen. Und genau dieser Sachverhalt ist einer tiefen Elaboration und effizienten kognitiven Verarbeitung der Inhalte sehr förderlich, was durch zahlreiche, fundierte Erkenntnisse besonders aus der kognitiven Psychologie gestützt werden kann.
• Werbung - allgemein betrachtet - und deren Wirkungszusammenhänge auf das Individuum können aus zahlreichen Blickwinkeln betrachtet werden, die jeweils auf unterschiedlichen Paradigmen einzelner Forschungszweige basieren. Aus der psychologischen und betriebswirtschaftlichen Werbeforschung stammen überwiegend Ansätze, die
von einem informationsverarbeitenden Individuum ausgehen, welches Werbung aus rationalen Gründen und der ökonomischen Nutzenoptimierung rezipiert. Neuere psychosoziale und soziologische Betrachtungsweisen schreiben Konsum zum Großteil sozialen
Motivationen und der Identitätsstiftung und -wahrung im sozialen Kontext zu, also
Werbung eher zu nicht-rationalen Zwecken. Neue, und gerade soziologische Theorien
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formulieren, daß das Individuum der Gegenwart eine starke Tendenz zu aktivem, selbstgestalteten Umgang mit Werbung aufweist. Werbung aus rationaler und nicht-rationaler
Sicht sollte dies heutzutage berücksichtigen.
Verbindet man das theoretische, allgemeine Konzept ”Multimedia” mit der Forderung nach
einer ”neuen”, aktiven Rolle des Konsumenten und nach einer Anpassung und Veränderung bestehender theoretischer Werbekonzepten, so kann eine Implementierung von Werbung in Multimedia sehr sinnvoll sein. Sowohl aus der Sicht der rationalen und nichtrationalen Werbefunktion für den Konsumenten, kann Multimedia den Forderungen nach
aktiven, selbstgestalteten Konsum- und Werbeverhalten gerecht werden.
6
Literatur
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Welz, G. (1995). Cyber Spiels. Internet World, (5), 48-50.
Anschrift der Verfasser:
Dipl.-Psych. Ingo Hamm
Analyse und Beratung GmbH
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Maaßstraße 32/2
D-69123 Heidelberg
E-Mail: [email protected]
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E-Mail: [email protected]
http://psychologie.uni-mannheim.de/psycho1/psycho1.htm
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