Lernen mit Multimedia A. Koubek1, S. Lo1, E. Meisterhofer1,2, R. Posch3 1Technikum Joanneum, Studiengang Fahrzeugtechnik Universität Graz, Institut für Experimentalphysik 3Karl-Franzens Universität Graz, Institut für Erziehungswissenschaften 2Karl-Franzens Zusammenfassung Ausgehend von einem Pilotversuch im Physikunterricht am Fachhochschulstudiengang Fahrzeugtechnik des Technikum Joanneum analysieren die Autoren die Möglichkeiten, Multimedia und den Computer im Allgemeinen zur Unterstützung des Unterrichts einzusetzen. Ein Abriß des Status Quo dieses Entwicklungsgebietes und ein Vergleich mit themenverwandten Projekten wird den Entwicklungsarbeiten zugrunde gelegt. Ausgehend von konstruktivistischen Paradigmen formen die Autoren Thesen, welche sie anhand eines Pilotversuchs überprüfen. Zwei Lernmodelle werden einander gegenübergestellt; eine Testgruppe wird multimedial und eine Kontrollgruppe in traditioneller Form unterrichtet. Die Evaluierung wurde mit Hilfe von Fragebögen und Beobachtungen durchgeführt. Die Autoren versuchen, aus ihren Beobachtungen formative Resultate für multimediales Lernen abzuleiten. 2 Inhaltsübersicht INHALTSÜBERSICHT ........................................................................................................................ 3 STAND DER FORSCHUNG ................................................................................................................ 5 THEORETISCHE GRUNDLAGEN ............................................................................................................. 6 STAND DER ENTWICKLUNG, TRENDS ................................................................................................... 7 PHYSIK UND COMPUTER ....................................................................................................................... 8 THESEN ............................................................................................................................................... 10 A) MULTIMEDIA ALS LERNMITTEL ..................................................................................................... 12 B) MULTIMEDIA-TECHNIK ................................................................................................................. 12 C) PHYSIK UND COMPUTER ................................................................................................................ 12 BESCHREIBUNG DES PROJEKTS ................................................................................................ 12 ENTWICKLUNG DES LERNSYSTEMS .................................................................................................... 13 MODULARES LERNSYSTEM MIT MULTIMEDIALEN OBJEKTEN ............................................................. 13 BENUTZERGRUPPEN DES LERNSYSTEMS ............................................................................................. 15 DIDAKTISCHE KONZEPTE DER OBJEKTE ............................................................................................. 15 INTERNET-PLATTFORM....................................................................................................................... 16 VERSUCHSABLAUF ............................................................................................................................. 16 EVALUIERUNG DES PROJEKTS .................................................................................................. 17 ZIELE UND FRAGESTELLUNGEN .......................................................................................................... 17 DURCHFÜHRUNG DER EVALUATION ................................................................................................... 18 ÜBERBLICK ÜBER DIE METHODIK....................................................................................................... 18 FRAGEBOGEN ..................................................................................................................................... 19 Fragebogen 1................................................................................................................................. 19 Fragebogen 2................................................................................................................................. 20 BEOBACHTUNG .................................................................................................................................. 21 ERGEBNISSE ....................................................................................................................................... 21 EVALUIERUNG DER LERNLEISTUNG.................................................................................................... 26 SYNTHESEN ....................................................................................................................................... 28 A) MULTIMEDIA ALS LERNMITTEL ..................................................................................................... 28 B) MULTIMEDIA-TECHNIK ................................................................................................................. 30 C) PHYSIK UND COMPUTER ................................................................................................................ 30 DISKUSSION ...................................................................................................................................... 31 DIDAKTISCHE ASPEKTE ...................................................................................................................... 31 TECHNISCHE UND ORGANISATORISCHE ASPEKTE ............................................................................... 32 NÄCHSTE SCHRITTE ........................................................................................................................... 33 LITERATURVERZEICHNIS .................................................................................................................... 35 3 4 Stand der Forschung Der Einsatz von Computern und Multimedia in der Bildung ist derzeit noch ein kontroversielles Thema. Wenn auch im Forschungsbereich eine Mehrzahl von Stimmen die positiven Eigenschaften des Mediums hervorhebt, ist doch eine große Zahl von Praktikern an Schulen und anderen Bildungsstätten dem Computer in der Bildung gegenüber skeptisch eingestellt. Eine Vielzahl an Entwicklungsprojekten beschäftigt sich mit der Entwicklung der verschiedensten Formen des Computer-Lernens, wobei alle erdenklichen technischen Möglichkeiten wie Virtual Reality, Videokonferenzen, Simulationen, Tutorensysteme, etc. zum Einsatz kommen. Durch die schnell voranschreitende Entwicklung in diesem Gebiet verändern sich die technischen Voraussetzungen zum Computereinsatz in der Lehre auch ständig. Entsprechend gibt es auch auf dem pädagogischen Gebiet Verfechter der verschiedensten Möglichkeiten des Computers im Unterricht. Das Spektrum bildet der Einsatz des Computers als Kommunikationsmedium (Tele-Lernen), Web-based Training auf Text-Basis, Multimediale Lernprogramme bis hin zu Virtual Reality Anwendungen. Nicht jede Methode wird von allen Fachleuten unterstützt. "Worte zu schaffen ist relativ preiswert, und auch die Verbreitung ist billig. Doch die Herausforderung der Worte besteht darin, daß sie mehr Arbeit und Aufmerksamkeit erfordern - vom Aufnehmenden wie vom Schöpfer..... Bilder lassen sich gut verkaufen, aber sie erhellen nicht wirklich" [1]. Solch kritische Meinungen reflektieren die Ansichten jener, die den graphischen Effekt von Multimedia im Vordergrund sehen. Auch wenn die technischen Entwicklungen einem ständigen Wandel unterliegen, gibt es langjährige Forschungen auf dem Gebiet des Einsatzes von Computerunterstützung im Bildungsbereich. Meta-Analysen, basierend auf Dutzenden verschiedener Feldversuche in amerikanischen Schulen, zeigen, daß computerunterstützt unterrichtete Schüler um 25 bis 40 Prozent bessere Leistungen erbringen als solche, die ohne Computerunterstützung unterrichtet wurden. Weiters wurde gefunden, daß solche Studenten signifikant schneller lernen, den Unterricht mehr genießen und eine positivere Einstellung gegenüber Computern entwickeln [2]. Jedoch sind sich nicht alle Forscher in dieser Beurteilung einig. Kritisiert wird an diesen Meta-Studien, daß einige der verwendeten Studien widersprüchliche Resultate zeigen, auf überzogenen Hypothesen basieren oder nicht vergleichbare Methoden einander gegenüberstellen [3]. Der positive Effekt von computerunterstütztem Unterricht wird demnach in Frage gestellt. Yildiz und Atkins kommen in einer Untersuchung zum Schluß, daß die Erziehungswissenschaftler es aufgeben sollten, die Effektivität von MultimediaSimulationen im Vergleich zu anderen Technologien zu evaluieren und stattdessen ihre Kräfte darauf konzentrieren sollten, die Relationen von Lernaufgaben und Lerneigenschaften zu erforschen [9]. Dementsprechend liegt der formative Aspekt der Evaluierung dieser Arbeit zugrunde. Ausgehend von einem Pilotversuch am Fachhochschul-Studiengang 5 Fahrzeugtechnik der Fachhochschule Technikum Joanneum Graz wird analysiert, welche Faktoren die Lernsituation der Studenten positiv beeinflussen können. Die Faktoren, welche eine bestimmte Lernumgebung prägen, sind vielfältig. Nicht nur das Lernmedium, sondern auch der Tutor, Vorkenntnisse, Prüfungsmodi, technische Möglichkeiten, Lernzeiten etc. haben einen Einfluß auf die Lernergebnisse der Studenten. Multimedia Lernen kann nicht isoliert vom Lernkontext und sozialen Umfeld gesehen werden. In diesem Sinne soll eine Gesamtaufnahme des durchgeführten Pilotversuchs vorgenommen werden, in dem wesentlich die Frage über Verbesserungsmöglichkeiten im Vordergrund stehen soll. Theoretische Grundlagen Wenn der formative Aspekt in einer Evaluierung im Vordergrund steht, ist es notwendig, Prämissen zu definieren, auf denen die Untersuchungen basieren. Speziell zu einem Zeitpunkt, an dem neue Technologien das Potential bieten, die Art und Weise unseres Erfahrens, Erkennens und Wissens vollständig zu verändern, muß ein epistemologisches Modell den Untersuchungen zugrunde gelegt werden, um nicht im "Land der Nullhypothesen" [3] zu enden. Unsere Untersuchungen nehmen das folgende Modell der Wissensakquisition zur Grundlage: Wissenskonstruktion Unsere Auffassungen über die Genese des Wissens folgen im wesentlichen konstruktivistischen Prinzipien [2, 15] in der Lerntheorie. Wissen wird nicht passiv aufgenommen, weder durch Sinnesorgane noch durch Kommunikation, sondern Wissen wird aktiv vom denkenden Subjekt aufgebaut. Lernen dient der Organisation der Erfahrungswelt des Lernenden und nicht der Erkenntnis einer objektiven Realität [21]. Das bedeutet für die Umsetzung im Unterricht, daß es nicht die primäre Rolle eines Lehrenden ist, Wissen zu vermitteln, sondern den individuellen Lernprozeß der Lernenden zu unterstützen. Situierte Kognition Wissen wird in einem Lernkontext konstruiert. Theorien des "Situierten Lernens" heben die Notwendigkeit hervor, daß Wissenskonstruktion in einem Kontext stattfindet, sodaß neues Wissen auf bereits Verstandenem aufbaut. Wesentlich für den Erwerb von robustem, anwendbaren Wissen ist, daß es an realen Problemen verstanden wird. Wissen, welches in ein Vakuum hinein konstruiert wird, ist träge (inert) und kann nur schwer in wirklichen Problemstellungen angewandt werden [Vgl. zum Beispiel 10, 11, 12]. Soziales Lernumfeld Die Wirklichkeit, wie wir sie wahrnehmen und deuten, wird durch Kommunikation mit unserem Umfeld bestimmt. Somit wird das soziale Lernumfeld ein wichtiger Teil des Lernkontexts. Die Bedeutung, die wir Informationen zuschreiben, und das Wissen, welches wir daraus konstruieren, wird durch den Dialog mit anderen Personen geprägt. Sowohl Mitlernende als auch Lehrende sind Teil dieses sozialen Lernumfelds. Durch den Austausch von Meinungen und dem eigenen Verständnis von neu erworbenem Wissen 6 entstehen kooperative und kommunikative Lernumgebungen, welche dieses Wissen situieren [Vgl. 13, 14, 15]. Ausgehend von diesem Modell sieht man, daß traditionelle Unterrichtsformen auch ohne den Einsatz von Computern ein großes Reformpotential aufweisen. Die Herausforderung ist, alternative Lernmodelle zu entwerfen, die den obigen Prämissen gerecht werden. Das Hauptdilemma besteht darin, daß ein individueller Unterricht nur durch individuelle Interaktion zwischen Lernenden und Lehrenden stattfinden kann. Dies, aber auch das Lernen in Kleingruppen, ist leider weit entfernt von der Alltagssituation an Schulen, Universitäten und Fachhochschulen. Der Computer hat das Potential, alternative Lernumgebungen zu unterstützen, kann aber für sich allein nicht eine Veränderung des Lernumfeldes bewirken. Gerade im Bereich der individuellen Interaktion können mit Hilfe des Computers neue Wege gegangen werden. Computerlernen kann durch eine dialogfördernde, interaktionelle Lernumgebung individuell gestaltet werden und hat den zusätzlichen Vorteil, verschiedene Lerntypen anzusprechen. Lernende können ihre Lernstrategien frei entwickeln, sofern das System entsprechend offen ausgelegt ist. Ziel des Pilotversuches am Fachhochschul-Studiengang war, eine fördernde Lernumgebung unter Integration des Computers zu schaffen. Stand der Entwicklung, Trends Die Anwendungen des Computers in der Lehre sind vielfältig. Es gibt kaum eine Universität oder Fachhochschule, welche noch keine Versuche mit Lernprogrammen, Multimedia oder Tele-Lernen durchgeführt hat. Jedoch befindet sich das Gebiet der Informationstechnologie in einer rasanten Entwicklung, und Ergebnisse von heute - sowohl technischer als auch didaktischer Natur - sind aufgrund einer ständig sich wandelnden Technologie in kürzester Zeit veraltet. Diese Entwicklungen stellen eine Herausforderung an Ausbildungseinrichtungen dar, neue technische Möglichkeiten rasch ihren Kunden – den Lernenden – zur Verfügung zu stellen. Deswegen wird international eine Vielzahl von Initiativen gesetzt, um diese neuen Technologien für die Lehre zu adaptieren. So hat zum Beispiel das MIT (USA) [20] ein Schwerpunktprogramm entwickelt, um in diesem Entwicklungsgebiet geistige Führerschaft übernehmen zu können. Die Hauptansatzpunkte dieses Programmes sind Einsatz von neuen analytischen und synthetischen Werkzeugen in der Lehre, Einsatz von Informationsvernetzungswerkzeugen, Lernen durch Zusammenarbeit, Lebenslanges Lernen als Zukunftsgebiet von Universitäten. Die MIT-Studie kommt zu dem Schluß, daß zur Umsetzung von neuen Lernmethoden wie Simulationen, Visualisierungen, Virtual Reality etc. neue Wege im didaktischen und im Entwicklungsbereich gegangen werden müssen. Jedoch müssen auch die Infrastruktur, Software und Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. "This is a time for bold experiments" ist das Fazit der ausgedehnten Untersuchung des Status Quo. Die Vereinigten Staaten haben 1997 ein nationales Entwicklungsprogramm [2] beschlossen, welches das Entwicklungsgebiet "Educational Multimedia" massiv forcieren soll. "Learning with technology, not about technology" ist einer der 7 Kernpunkte des Programms. Inhalte und Pädagogik müssen entwickelt werden, um die Infrastruktur optimal zu nutzen. Es wird festgestellt, daß noch wenige Forschungsergebnisse zum Einsatz von konstruktivistischen Lernmodellen vorliegen und diese Lernmethoden nur schwer mit herkömmlichen Kontrollverfahren überprüfbar sind. Die Europäische Union hat im Jahr 1996 auf die Fortschritte in diesem Gebiet mit einem Entwicklungsprogramm "Educational Multimedia" reagiert, welches auf einen Untersuchungsbericht [17] einer eigens dafür eingerichteten Task Force zurückgeht. Die Studie kommt zum Ergebnis: "Multimedia hat seine pädagogische Wirksamkeit im Rahmen von zahlreichen Pilotprojekten bewiesen. Seine Integration in die Praktiken kann jedoch nicht erreicht werden, wenn sich nicht die innovativen pädagogischen Herangehensweisen bei Institutionen und Gesellschaft besser Gehör verschaffen können. So wird es seinen Platz finden im generellen Rahmen der Veränderung der Aus- und Weiterbildungssysteme." Auch die Defizite in diesem Entwicklungsbereich im europäischen Raum werden genannt: "Zahlreiche Versuche zeigten, von welchem pädagogischen Interesse multimediale Lernprogramme sind. Allerdings wird ihre allgemeine Verbreitung in den Schulen erschwert durch : die mangelnde Benutzerfreundlichkeit der Geräte und multimedialen Programme für Lehrer und Schüler, eine zu geringe, oft technisch veraltete, teilweise ungenügend genutzte und selten an Telekommunikationsnetze angeschlossene Hardwareausstattung, quantitativ und qualitativ unzureichende und nicht bedarfsgerechte Lehrprogramme, die Schwierigkeit der Integration multimedialer Lernprogramme in die pädagogische Praxis der Lehrer, den Mangel an beruflicher Weiterbildung und Information der Lehrer." Zusammenfassend kann gesagt werden, daß Forschung und Entwicklung in diesem Gebiet noch auf dem Stand von Pilotprojekten sind, wenn auch einige zaghafte Versuche zu einer weitreichenderen Umsetzung unternommen werden. Dies auch vor allem deshalb, weil sich das untersuchte Medium ständig durch technische Weiterentwicklungen transformiert und deswegen endgültige Schlüsse nicht möglich sind. Umgekehrt ist jedoch auch der Trend zu erkennen, das Medium Multimedia nicht als Allheilmittel aller didaktischen Problemstellungen zu erkennen. Nur ein integriertes Ausbildungsmodell kann strukturelle Verbesserungen erzielen. Auf diesem Gebiet sind jedoch noch viele Fragen offen und weitere Entwicklungen notwendig. Physik und Computer Zusätzlich zu allgemeinen pädagogischen Fragestellungen birgt das spezielle Fach Physik, Gegenstand unseres Versuches, besondere Eigenschaften. Physik ist in vielen Ländern schon im Schulunterricht ein mit negativem Image besetztes Fach. Dies kann einerseits darauf zurückgeführt werden, daß die Schulphysik Tatsachen 8 beschreibt, welche in technologischen Anwendungsbereichen nur als Basiswissen relevant sind. Andererseits sind viele physikalische Gesetze abstrakt formuliert und benötigen ein profundes Methodenwissen, um in Anwendungsproblemen umgesetzt werden zu können. Schon seit einigen Jahrzehnten wird versucht, dieses Unterrichtsfach zu reformieren. "Die Folge der jetzigen Ausbildung ist nämlich gesellschaftlich wenig wünschenswert: die frustrierte Abkehr der breiten Masse von naturwissenschaftlichen Fragestellungen", [16] so kommentiert ein französischer Experte die Physikausbildung im Schulbereich. Das primäre Ziel der Mehrzahl der Lehrenden sowohl im Schul- wie auch im Hochschulbereich ist es, den Schülern Methodenwissen und Problemlösungskompetenz zu vermitteln. Das Potential der Physik, Naturerscheinungen zu beschreiben, analysieren und vorherzusagen, soll auch in dieser Wiese genutzt werden. So analysiert auch der bekannte amerikanische Physiker Feynman, der ein alternatives Konzept für einen Physikeinführungskurs an Universitäten entwickelt hat, seinen Versuch [18]: "Die spezielle Aufgabe bestand darin, das Interesse der sehr begeisterten und recht gescheiten Studenten aufrechtzuhalten. Sie hatten viel davon gehört, wie aufregend und interessant die Physik ist - die Relativitätstheorie, Quantenmechanik und andere moderne Ideen. Am Ende unseres vorhergehenden zweijährigen Kurses wären viele doch sehr entmutigt gewesen, weil ihnen nur sehr wenige große, neue und moderne Ideen geboten wurden. Man hatte sie schiefe Ebenen, Elektroakustik usw. studieren lassen und nach zwei Jahren war das recht langweilig." Jedoch gelingt es auch ihm nicht, der Mehrzahl der Studenten Methodenkompetenz in befriedigender Weise zu vermitteln. "Wenn ich mir anschaue, wie die Mehrzahl der Studenten Prüfungsaufgaben behandelt hat, glaube ich, daß das System ein Fehlschlag ist." Er bestätigt die Forderung nach konstruktivistischen Lernmodellen und die Problematik, Methodenkompetenz im klassischen Unterrichtsstil (Vorlesung mit Übungen) zu vermitteln. "Ich glaube jedoch, daß der beste Lernerfolg erzielt wird, wenn eine direkte, persönliche Beziehung zwischen dem Studenten und einem guten Lehrer besteht - ein Zustand, bei dem der Student die Ideen diskutiert, über Dinge nachdenkt und darüber spricht. Es ist unmöglich, sehr viel zu lernen, wenn man nur in einer Vorlesung sitzt oder selbst wenn man einfach gestellte Aufgaben löst." Der Ausgangspunkt des Versuchs, dem die vorliegende Studie entspringt, ist es, den Physikunterricht an einem anwendungsorientierten Studiengang (Fahrzeugtechnik) neu zu gestalten. Die Zielsetzung war es, Methodenwissen auf einem abstrakten Niveau zu vermitteln, jedoch gleichzeitig Anwendungsbeispiele aus der Fahrzeugindustrie einfließen zu lassen, um einen Anwendungskontext herzustellen. Uns erschien als beste Strategie der Einsatz von Multimedia, da mit interaktiver Software Probleme sehr gut vom komplexen Ganzen zum spezifischen physikalischen Detail heruntergebrochen werden können. Sehr viele Lehrende, vor allem an Hochschulen, setzen den Computer bereits als Unterrichtshilfsmittel im Bereich der Physik ein. Dies einerseits, weil speziell in der Physik die numerische Modellierung und Visualisierung von Problemen eine 9 übliche Arbeitsmethode darstellt und die Lehrenden deswegen einen ausgezeichneten Zugang zum Medium Computer besitzen. Andererseits aber auch deswegen, weil physikalische Problemstellungen nur schwer zu beschreiben sind und Visualisierungen und Simulationen eine Möglichkeit sind, Effekte realitätsnah, aber steuerbar darzustellen. So findet man in fast allen Universitäten Simulationen von den einfachsten mechanischen Abläufen wie dem freien Fall oder der Bewegung der Planetenbahnen. Im folgenden wollen wir zwei ausgesuchte Beispiele beschreiben, wo verschiedene multimediale Technologien und Anwendungsgebiete umgesetzt wurden und eine Evaluierung der pädagogischen Zielsetzungen vorgenommen wurde. Department of Physics, Australian National University: Quantenphysik An der Australian National University fand ein Pilotversuch von 3 Unterrichtseinheiten mit einem Tutorial zu einigen Aspekten der Quantenmachanik statt. 35 Studenten nahmen daran teil. Das Tutorial "Introduction to Quantum Physics - Photons" ist nach der Art einer wissenschaftlichen Arbeit abgefaßt, mit Zielen, Theorie, experimentellen Methode, Interpretation der Resultate und Schlußfolgerungen. Die Navigationsstruktur wurde linear angelegt, mit Verzweigungen zu speziellen Kapiteln. Animationen und Kontrollfragen ergänzen das Material. Die Reaktion der Studenten auf den Kurs war sowohl vom Lernerfolg wie von der Motivation her positiv. University of Washington, Department of Industrial Engineering Molekularstruktur An der University of Washington wurde im Jahr 1996 ein umfangreicher Versuch durchgeführt, der Virtual Reality als Unterrichtsmittel evaluieren sollte. Verschiedene Schülergruppen konnten sich mit Hilfe von verschiedenen Technologien mit dem Thema Molekularaufbau beschäftigen. Verglichen wurde die Virtual Reality Gruppe (37 Schüler) mit einer Gruppe (14 Schüler), der ein Tutorensystem sowie andere Medien (z.B. Videotechnologie) zur Verfügung standen. Das Ergebnis zeigte eine sehr positive Einstellung zur Arbeit mit Virtual Reality, wobei bei den Lernergebnissen die Interaktivität als ausschlaggebend erschien. Virtual Reality und das Tutorensystem ergaben gleich gute Ergebnisse. Die beiden ausgewählten Projekte sind zwei Beispiele von vielen. Eine Unzahl von verschiedenen Pilotsystemen wird derzeit weltweit entwickelt. All diesen Projekten ist der versuchsartige Charakter gemeinsam. Multimedia und computerunterstütztes Lernen sind nicht Standardwerkzeuge in der Didaktik. Umgekehrt ist an der Vielzahl der Versuche das breite Potential dieser Technologien abzulesen. Die Herausforderung heute besteht darin, neue Technologien in einer nachhaltigen Form in den Unterricht zu integrieren. Thesen Ausgehend von den pädagogischen Prämissen und Resultaten aus anderen Versuchen haben wir eine Anzahl von Punkten ausgewählt, welche im Pilotversuch überprüft werden sollten. In diesem Kontext haben wir aus unseren lerntheoretischen Prämissen ein konstruktivistisches Lernmodell entwickelt, welches wir in unserer Umsetzung zu unterstützen versuchten. 10 Wissensakquisition – und damit auch Lernen – ist ein aktiver Prozeß. Wissen kann nicht passiv aufgenommen werden, weder durch Sinnesorgane noch durch Kommunikation. Dies bedeutet, daß im konstruktivistischen Lernkontext der Lehrende nur eine begleitende Rolle spielt. Primäres Ziel von neuen Ansätzen muß demnach sein, die Kontrolle über den Lernprozeß an den Lernenden zu übergeben. Der Einsatz des Computers in einer Lernumgebung kann ein möglicher Ansatz für eine lernerzentrierte Umgebung sein. Interaktivität, vernetzte Strukturen und offene Plattformen können Studenten unterstützende Strukturen für einen selbstgesteuerten Lernprozeß bieten. Kognition ist adaptiver Art, und dient der Organisation der Erfahrungswelt des Lernenden. Dies bedeutet, daß der Lernende mit konkreten Problemstellungen konfrontiert werden muß, um durch Lernen dieses Problem zu bewältigen. "Erzeugung von Nöten" – die Identifikation von Problemstellungen, die der Erfahrungswelt des Lernenden entsprechen – ist ein wesentlicher Punkt, auf den ein Lernkonzept eingehen muß. Diese Situierung von Gelerntem ist wesentlich im Kontext einer anwendungsbezogenen Ausbildung. Nicht formelle Nöte – Angst vor Prüfungen –, sondern inhaltliche Nöte – anwendungsbezogene Problemstellungen – sind Garanten, daß Studenten ihr Wissen auch im Berufsleben umsetzen können. Der Versuch findet in einem gesellschaftlichen Umfeld statt, in welchem durch die Fachhochschulen eine für Österreich neue postsekundäre Bildungsstruktur aufgebaut wird, deren Ziel explizit auf die Forcierung von Anwendungsorientiertheit gerichtet ist. Damit liegt es besonders nahe, in einem österreichischen Fachochschul-Stdiengang einen Versuch dieser Art zu unternehmen. Der Versuch wurde im Fachhochschulstudiengang Fahrzeugtechnik durchgeführt. Diese Ausbildung stellt eine für Österreich neue Konzeption einer technischen tertiären Ausbildung dar und soll breite Kenntnisse in naturwissenschaftlichen Grundlagen, Technik, Wirtschaft und Sprachen, jeweils mit einer spezifischen Anwendungsausrichtung der Fahrzeugtechnik, vermitteln. Diese Konzeption wurde auf den Pilotversuch übertragen. Bei der Entwicklung der multimedialen Lerneinheiten wurde der spezifische Anwendungskontext berücksichtigt und die Situierung des Wissens sollte wo immer möglich an Beispielen aus dem Fachbereich der Lernenden stattfinden. Eine besondere Herausforderung im Design eines computerunterstützten Lernprozesses ist die Gestaltung des sozialen Umfeldes. Computerunterstütztes Lernen ist speziell mit abgeschlossenen Lernprogrammen ein individueller Prozeß in einem Dialog mit dem Computer. Um jedoch Lernprozeße optimal zu gestalten ist es notwendig, auch im computerunterstützten Lernen ein soziales Lernumfeld aufzubauen. Dies kann durch offene Problemstellungen geschehen, muß aber auch durch ein offenes Design der Lernumgebung unterstützt werden. Ausgehend von dieser Diskussion haben wir eine Anzahl von Punkten ausgewählt, welche im Pilotversuch überprüft werden sollten: 11 A) Multimedia als Lernmittel Durch Multimediaunterricht können Lernende einen besseren Lernerfolg erzielen. Multimedia kann durch vielfältige Aufbereitung verschiedene Lerntypen ansprechen. Computeranimationen, Videos etc. können Gelerntes durch Veranschaulichung in die Erfahrungswelt der Studierenden eingliedern. Computerlernen ist eine Methode, dem Lernenden die Kontrolle über den Lernprozeß zu übertragen. Der Lernende hat größere Freiheiten in der Gestaltung seines individuellen Lernprozesses. Der Computer kann als Brennpunkt für Zusammenarbeit dienen. Soziale Prozesse werden eher gefördert als gehemmt. B) Multimedia-Technik Der Computer wird von Lernenden als Lernmittel rasch akzeptiert. Die technische Komponente ist mit heutigem Stand kontrollierbar und der Einsatz von Computern in der Lehre ist ohne technische Schwierigkeiten möglich. Multimedia-Entwicklung ist teuer. C) Physik und Computer Computerunterstützter Unterricht Unterrichtsfach Physik aufbrechen. Visualisierungsmöglichkeiten, Videos und Simulationen können physikalische Prozesse besonders gut veranschaulichen und Theorie und Anwendung verbinden. kann die Vorurteile gegenüber dem Beschreibung des Projekts Auf der Basis der lerntheoretischen Grundlagen wurde das Projekt „Multimediasysteme in Aus- und Weiterbildung – Pilotversuch in der Fachhochschulausbildung“ geplant, das zusammen mit dem Einbeziehen der internationalen Trends im computerunterstützten Lernen die von uns aufgestellten Thesen in einem Pilotversuch mit Studenten untersuchen sollte. Die Zielsetzung des Projektes war es, Lernmodelle zu entwerfen, welche in der derzeitigen Praxis des Fachhochschulunterrichts, am Beispiel des Studiengangs Fahrzeugtechnik, umgesetzt werden können. Dazu gehört das Abhalten der Lehrveranstaltungen in wöchentlicher Form (4 Unterrichtsstunden pro Woche), Prüfungen in Form von schriftlichen Klausuren und eine Vorgabe der Lehrinhalte durch einen Lehrplan. Der didaktische Ausgangspunkt des Projektes war es, die Studenten zu motivieren, sich mit dem Stoff während des Unterrichts selbständiger auseinanderzusetzen, als es in der klassischen Vorlesung möglich ist. Weiters sollte der Praxisbezug durch das 12 Einbringen von Beispielen aus dem Anwendungsgebiet der Fahrzeugtechnik verbessert werden. Soweit sinnvoll, sollten zu diesem Zweck multimediale Lerneinheiten eingesetzt werden. Ein weiterer wichtiger Punkt in der Konzeption des Systems war die Anwendbarkeit für Lehrende. Der Aufwand für Tutoren sollte mit dem Aufwand zur Erstellung von normalen Vorlesungen vergleichbar sein. Deswegen war es für den Pilotversuch an der FH wichtig, ein Lernsystem zu schaffen, in das vorhandene Komponenten möglichst problemlos eingefügt werden konnten. Vorhandenes Know-how sollte genutzt werden, und auch Objekte von Drittanbietern bzw. Freeware aus dem Internet sollten problemlos integriert werden können. Auf dieser Grundlage wurde für den Fachhochschulstudiengang für Fahrzeugtechnik – Automotive Engineering“ des Technikum Joanneum in Graz der computerunterstützte und multimediale Kurs „Technische Physik I“ konzipiert und durchgeführt. Das Projekt besteht im Kern aus einem Lernsystem, das mit leicht integrierbaren Standardanwendungen und mit der einfachen Bedienung von Internettechnologien arbeitet. Die Durchführung des Projekts setzt sich aus drei Phasen zusammen; einem achtmonatigen Entwicklungs-, einem zweimonatigen Versuchs- und einem abschließenden, zweimonatigen Evaluationsteil. Entwicklung des Lernsystems Die Entwicklung des Lernsystems für den Pilotversuch erfolgte in einem von der österreichischen Bundesregierung geförderten Technologieschwerpunktprogramm durch ein Projektteam mit den Gesellschaften 'Joanneum Research' und 'Technikum Joanneum' und wurde in den Bereichen Didaktisches und inhaltliches Design Authoring, Plattform und Architektur Datenbank durchgeführt. Jeder Bereich wurde von einem Partner des Projektteams übernommen. Das Design der physikalischen Unterrichtsinhalte und der lerntheoretischen Umsetzungen des Lernsystems wurde vom Studiengang für Fahrzeugtechnik des Technikum Joanneum entwickelt. Die webbasierende Systemarchitektur und die Herstellung der Basis- und Lernobjekte wurden im Institut für Informationssysteme des Joanneum Research ausgeführt, während am Institut für Informationsmanagement des Joanneum Research das Konzept und die Erstellung einer Benutzerschnittstelle für die Beschlagwortung und Archivierung der Module des Lernsystems in einer Datenbank entwickelt wurden. Modulares Lernsystem mit multimedialen Objekten Das Lernsystem ist modular konstruiert, um sowohl dem Spektrum an Benutzertypen als auch der Forderung nach Flexibilität in der Anwendung und Produktion des Lernsystems gerecht zu werden. Es setzt sich aus den folgenden Modulen zusammen: 13 Lektion Die Lektion wird von einem Tutor editiert und besteht aus einem HTMLDokument. Durch das Einbetten von Lern-, Basis- und externen Objekten wird die Lektion zur animierenden interakiven und dynamischen Kurseinheit. Lernobjekt Ein Lernobjekt ist eine kurze, multimediale und interaktive Sequenz, welche ein definiertes Lernziel mit einem bestimmten didaktischen Zugang verfolgt. Ein Lernobjekt wird mit einem Autorenwerkzeug erstellt (in unserem Fall: Macromedia Director und Authorware) und setzt sich aus Basisobjekten zusammen. Basisobjekt Das Basisobjekt definiert eine multimediale Grundeinheit, die in der Verwendung im Lernsystem nicht weiter zerlegbar ist. Videosequenzen, Audioclips, Grafiken, Templates, Animationen, Programme sind Beispiele für Basisobjekte, wenn sie für sich allein keinen Lernkontext ergeben und erst durch die Einbindung in ein Lernobjekt oder eine Lektion einen didaktischen Wert erhalten. Externes Objekt Ein externes Objekt hat einen beliebigen medialen und didaktischen Charakter und wird in einer Lektion eingebunden. Sein didaktischer Wert ergibt sich wie beim Basisobjekt durch den Kontext in der Lektion. Ein externes Objekt ist fremden Ursprungs von Drittanbietern (Internet, kommerzielle Software) und kann daher nicht notwendigerweise in die Klassifizierung Lernobjekte/Basisobjekte eingeordnet werden. 14 Abbildung 1: Screenshots von einer Lektion und einem Lernobjekt. Das Lernobjekt „L-1: Geschwindigkeit und Beschleunigung“ wird durch Mausklick im Browser über ein Plugin gestartet. Benutzergruppen des Lernsystems Das Lernsystem unterscheidet die Gruppen Studenten, Tutoren und Autoren als Benutzer. In dieser Kategorienbildung sind Studenten die Endanwender des multimedialen Unterrichtsinhalts, die Tutoren sind einerseits Produzenten von Unterrichtsinhalt in digitaler Form, andererseits Anwender der von Autoren produzierten multimedialen Objekte für den Lehrgegenstand. Die Unterteilung des Lernsystems in Benutzergruppen wurde durchgeführt, da das Lernsystem wesentlich mehr Funktionalität als ein typischer CBT-Kurs integriert: Es soll zwar einerseits den Studenten einen einfachen, übersichtlichen und motivierenden computerunterstützten Zugang zum Unterrichtsfach bieten, soll es aber andererseits Lehrenden (Tutoren) ermöglichen, mit einem Aufwand, der nicht über dem der Erstellung eines Skriptums liegt, den Unterrichtsinhalt und den didaktischen Aufbau einer Lektion zu entwickeln. Das wird dadurch gewährleistet, daß die multimedialen Objekte von Multimedia-Autoren hergestellt und in einer Datenbank wiederverwendbar archiviert werden. Der Tutor wird also bei der Erstellung einer Lektion bei Bedarf die Datenbank nach relevanten Themen befragen und kann die Ausgabe der Abfrage direkt in seinen HTML-Text einbinden. Wenn das Archiv keine oder nur ungenügende Multimedien enthält, müssen neue Objekte in die Datenbank eingefügt werden, indem z.B. das Internet durchsucht, kommerzielle Software gekauft oder eigene Objekte mit Autoren entwickelt werden. Didaktische Konzepte der Objekte Das didaktische Gesamtkonzept des Lernsystems zielt darauf ab, eine erhöhte Motivation der Studenten durch die Herstellung eines Kontextes vom Unterrichtsstoff mit der Praxis oder mit Anwendungen herzustellen. Diese Funktion übernehmen die Lernobjekte, durch deren multimediale Aufbereitung es möglich ist, reale Versuche zu analysieren und technische Anwendungen in den Unterrichtsstoff einzubetten. Das Lernobjekt ist kurz und inhaltlich abgeschlossen und kann durch seinen multimedialen Charakter und die Vielfalt an didaktischen Zugängen mehrerer Lernobjekte unterschiedliche Lerntypen unterstützen. Da sich die Inhalte in einem Lernobjekt auf eine kognitive Kernaussage konzentrieren und unabhängig von der didaktischen Zielsetzung eines Lehrplans sind, können die gleichen Lernobjekte in verschiedenen Phasen des Kurses in unterschiedlichen Kontexten eingesetzt werden. Genauso können von ihrem Wissensumfeld her konträre Lernobjekte in der gleichen Lektion eingebunden werden. Es gibt zum Beispiel ein Lernobjekt, das die Kinematik eines Tennisschlägers in Translation und Rotation animierend zerlegt, so daß der Student anhand eines Realvideos die Bewegung mit den richtigen Parametern zusammensetzen kann. Es gibt weiterhin ein Lernobjekt, das die Dynamik von Drehmomenten illustriert, indem eine Schlauchbootfahrerin die Paddel einmal einseitig, einmal beidseitig, einmal im gleichen und letztlich im entgegengesetzten Richtungssinn in das Wasser eintaucht und zu alledem Lehrsätze über die Addition von Kräften doziert. Es lassen sich nun beide Lernobjekte in mehrere Lektionen wie z.B. "Kinematik", 15 "Freiheitsgrade", "Drehbewegung" und "Drehmoment" einbetten, wenn innerhalb der Lektion jedesmal der entsprechende Kontext und die differenzierende Untersuchungsperspektive in Bezug auf das Lernobjekt hergestellt werden. Die Lektion bildet die logische Struktur der Unterrichtseinheit ab. Der Unterrichtsinhalt wird durch das Einbetten von hypermedialen Links zu multimedialen Objekten eingebunden. Der Lektion kommt daher der Charakter einer "Bedienungsanleitung" zum Lernen zu, indem in einer vom Tutor gewählten Komposition und Beschreibung von einzelnen Lernschritten das ganze Lernpensum aufgelistet und von den Studenten mit dem Webbrowser abgearbeitet werden kann. Internet-Plattform Die Programmier- und Benutzerschnittstelle des Lernsystems am Computer wurde auf der Basis des HTTP-Protokolls des Internet aufgebaut. Dadurch übernehmen wir die einfache Dokumentations- und Präsentationstechnik von HTML in den Endbenutzerbereich des Lernsystems. Die Lektionen werden vom Tutor direkt in HTML editiert und die Studenten bearbeiten die Lektion mit einschlägigen Webbrowsern, wie z.B. dem Netscape Communicator. Lern-, Basis- und externe Objekte werden in der Lektion über HTML-Befehle eingebunden und über sogenannte 'Plugins' der Webbrowser abgespielt. Das Plugin bildet dabei die Schnittstelle zwischen einer Mediendarstellung (z.B. Quicktime für ein Video) und der Dokumentbeschreibung des Webbrowsers. Mit dem HTTP-Protokoll wird weiterhin die Struktur eines verteilten Dokumentensystems in einem Netzwerk übernommen. Im Pilotversuch wurde das Lernsystem auf einem Webserver aufgesetzt (Microsoft IIS unter Windows NT 4.0) und über das lokale Netzwerk auf die Studenten-PCs verteilt. Zusätzlich wurde das Tool "TopClass" (Administrationssystem für Web basierendes Lernen) installiert. TopClass ist an sich ein komplexes Verwaltungsprogramm auf HTML-Basis, das Lerninhalte, Lehrende und Lernende in Kategorien einteilt und einander zuordnet. Durch eigene Benutzerkontos stellt es zusätzlich ein Zugangskontrollsystem für die Studenten zur Verfügung, das in unserem Pilotversuch die eigentliche Funktionalität von TopClass ausmachte. Versuchsablauf Für den Studiengang Fahrzeugtechnik werden jährlich 50 bis 60 Studenten aufgenommen. Im Sommer vor Semesterbeginn bewerben sich ca. dreimal soviele Aspiranten, aus welchen durch ein schriftliches und mündliches Aufnahmeverfahren die Erstsemestrigen bestimmt werden. Die Studienanfänger haben in etwa zu gleichen Teilen die Hochschulreife aus allgemein höherbildenden und höheren technischen Lehranstalten. Die Studenten des ersten Semesters im Jahrgang 1997 wurden im Lehrgegenstand „Technische Physik I“ durch Zufall in zwei Gruppen geteilt: Die Gruppen „Multimedia“ und „Klassisch“ mit 10 bzw. 47 Mitgliedern. Die Größe der Multimediagruppe wurde durch die Zahl der verfügbaren Computerplätze bestimmt. Im Physikunterricht des ersten Semesters wird Mechanik unterrichtet, der Kurs ist acht Wochen lang. In den ersten vier Wochen waren die beiden Versuchsgruppen 16 getrennt, in den letzten vier wurden die beiden Gruppen wieder zusammengelegt und ‚klassisch‘ weiterunterrichtet. Die "Vorlesung" der Multimedia Gruppe wurde im EDV-Raum der Fahrzeugtechnik durchgeführt. Die Vorlesung läßt sich in drei didaktische Blöcke gliedern: 'multimediale Übung' am PC (Windows NT 4.0, Netscape Communicator) mit individueller Begleitung der Tutorin konventionelle Vorlesung (Frontalunterricht) konventionelle Übung (Rechenbeispiele am Papier) Die "Vorlesung" der klassischen Gruppe wurde in einem Hörsaal der Fahrzeugtechnik durchgeführt. Auch diese Lehrveranstaltung läßt sich in drei didaktische Blöcke gliedern: konventionelle Vorlesung (Frontalunterricht) konventionelle Übung (Rechenbeispiele am Papier) Vorlesung mit unterstützenden Experimenten Die beiden Lehrbeauftragten hielten den Unterricht zeitlich und inhaltlich parallel und kommunizierten und beratschlagten miteinander. Während der ersten vier Wochen wurde zu Beginn des Unterrichts in beiden Gruppen derselbe Wiederholungstest durchgeführt; jeweils am Ende der vierten und der achten Woche gab es dieselbe Klausur. Evaluierung des Projekts Als Orientierungsrahmen dieser Evaluation kann gesagt werden, daß nicht die Lernenden beurteilt und kontrolliert wurden, sondern eine Beurteilung und anschließende Optimierung der Maßnahmen oder die Entwicklung entsprechend verbesserter Maßnahmen im Vordergrund stand. Der vorliegenden Untersuchung geht es nicht darum zu prüfen, wieviel und welches Wissen die Teilnehmer des computerunterstützten Unterrichts erworben und behalten haben. Vielmehr erschien eine Vorgangsweise angemessen, die die subjektive Erhebung von Einschätzungen, Einstellungen, Erwartungen und Motivationen der Lernenden in den Vordergrund stellt. Weiters wurde untersucht, inwieweit das Lernprogramm, der Tutor und das Lernumfeld Einfluß auf den Lernenden haben. Zusammenfassend zeigt sich, daß diese Evaluationsstudie nicht nur summativ (also zur Überprüfung des Endergebnisses einer Intervention) erfolgte, sondern primär formativ, d.h. im Vordergrund stand die Verbesserung der Maßnahmen für künftige Projekte. Ziele und Fragestellungen Eine wesentliche Voraussetzung jeder Evaluation ist es, zunächst die wesentlichen Ziele zu konkretisieren; dies gehört zu den ersten Schritten der Vorbereitungsphase. Für die Evaluation des Projekts sind folgende Kategorien von Fragestellungen relevant: 17 Einschätzung des Interesses/der Akzeptanz computerunterstützten Unterrichts Einschätzung der eigenen Computerkenntnisse. Einschätzung der eigenen Leistung/Motivation des Lernprogramms durch die Lernenden. Einschätzung der kognitiven Wirkung des Lernprogramms Lernenden. Einschätzung der inhaltlichen und formalen Programmgestaltung durch die Lernenden. durch die Die Evaluation soll einerseits zu einer Optimierung des Pilotversuchsprodukts führen, andererseits aber auch zu einer Darlegung der Chancen und Grenzen von computerunterstütztem Unterricht. Durchführung der Evaluation Da sich die Maßnahme an eine kleine Zielgruppe richtete, wurde sie als Vollerhebung durchgeführt. Sämtliche Studierenden des ersten Semesters wurden in die Untersuchung einbezogen. Die 57 Studierenden (56 männlich, 1 weiblich) wurden in zwei Gruppen geteilt, da nur für 10 Studierende ein Computerarbeitsplatz zur Verfügung stand. Mittels Zufallsauswahl wurden jene zehn Personen ermittelt, die der Experimentalgruppe angehören sollten. Während die Experimentalgruppe multimedial aufbereitete Lektionen an einem PC bearbeitet, wurde die Vergleichsgruppe auf traditionelle Weise unterrichtet. Vor Beginn des Projekts wurden die Teilnehmer über Art und Umfang der Maßnahme informiert. Die Wichtigkeit der Information der Teilnehmer einer Evaluation beschreiben Reinmann-Rothmeier et al. [25] wie folgt: „Die Evaluation einer Weiterbildungsmaßnahme ist nur über die aktive Beteiligung und Mithilfe der Teilnehmer an dieser Maßnahme möglich und sinnvoll. Daher ist es wichtig, den Lernenden den Nutzen und Stellenwert der Evaluation zu erklären und ihnen dabei deutlich zu machen, daß es nicht primär darum geht, sie zu prüfen und ihre Leistung zu kontrollieren, sondern die durchgeführte Weiterbildungsmaßnahme zu analysieren und zu bewerten. Ziel und Orientierungsrahmen einer Evaluation ist folglich nicht die Beurteilung und Kontrolle der Lernenden, sondern die Beurteilung und anschließende Optimierung der Weiterbildungsmaßnahme oder die Entwicklung entsprechend verbesserter Maßnahmen." Überblick über die Methodik Reinmann-Rothmeier et al. [25] schreiben, daß, wenn man ein effektives und effizientes Vorgehen bei eine Evaluation anstrebt, Design und Methoden der Evaluation stets nur in Abhängigkeit von Inhalt und Ziel der Weiterbildung selbst sowie von Kontext und Fragestellungen der Evaluation ausgewählt werden können. Für diese Untersuchung erschien es daher wenig gewinnbringend, nur strenge Kontrollgruppendesigns und quantitative Erhebungsmethoden zu verwenden. Deshalb wurden neben quantitativen Erhebungsinstrumenten auch qualitative eingesetzt. 18 Die Erhebung der Daten für die Untersuchung erfolgte durch zwei Fragebögen und begleitende Beobachtung. Der erste Fragebogen wurde zu Beginn der ersten Unterrichtseinheit an alle Studierenden ausgegeben. Während der Unterrichtseinheiten selbst erfolgte eine laufende Beobachtung, die sich auf die computerunterstützt Unterrichteten beschränkte. Am Ende des Projekts wurde der zweite Fragebogen wieder an beide Gruppen ausgegeben. Fragebogen Die schriftliche Befragung anhand zweier Fragebögen wurde gewählt, da sich diese Art der Untersuchung besonders für die Befragung homogener Gruppen eignet. Bortz/Döring [23] sehen einen entscheidenden Nachteil schriftlicher Befragungen in der unkontrollierten Erhebungssituation. Dieser Nachteil ließ sich aber weitgehend ausräumen, da die Befragung unter standardisierten Bedingungen bei Anwesenheit des Untersuchungsleiters erfolgte. Neben der Erfassung von Einstellungen wurden auch konkrete Verhaltensweisen der Untersuchungsteilnehmer abgefragt. Es ging also nicht nur um die Ermittlung von Merkmalsausprägungen, sondern um die Beschreibung und Bewertung konkreter Sachverhalte durch die befragten Personen. Die Fragen beider Fragebögen wurden mit Antwortvorgaben formuliert. Offene Fragen wurden nicht gestellt. Trotzdem wurde großer Wert auf eine abwechslungsreiche Fragebogengestaltung gelegt. Die Formulierung der Fragebogenitems erfolgte durch Fragen und Behauptungen. Die Frageform ist vor allem für die Erkundung konkreter Sachverhalte von Vorteil, während Behauptungen für die Erhebung von Positionen, Meinungen und Einstellungen besser geeignet sind. Fragebogen 1 Die Ausgabe des ersten Fragebogens erfolgte zu Beginn der ersten Unterrichtseinheit an die gesamte Stichprobe. Ziel des Fragebogens war das Feststellen eines ISTZustandes. Insgesamt wurden vier Kategorien erhoben, denen sich mehrere Fragenkomplexe zuordnen lassen. Erhebung der Einschätzung der eigenen Computerkenntnisse Haben die Teilnehmer Erfahrung im Umgang mit dem Computer? In welchen Bereichen setzten die Teilnehmer bereits Computer ein? Haben die Teilnehmer Erfahrung im Umgang mit den neuen Informationsund Kommunikationstechnologien? Erhebung der Einstellung zum Computer als Lehr- und Lernmedium Wie ist die Einstellung der Teilnehmer zum Computer als Lehr- und Lernmedium? Haben die Untersuchungsteilnehmer Erfahrung in der Verwendung des Computers als Lehr- und Lernmedium? Wie und wo und in welchen Bereichen setzt die Stichprobe den Computer bereits als Lehr- und Lernmittel ein? 19 Erhebung der Erwartungen an den Computer als Lehr- und Lernmedium Welche Erwartungen stellen die Teilnehmer an das computerunterstützte Lernen? Erhebung der Motivation am Projekt teilzunehmen Wie ist das Interesse der Versuchsteilnehmer, am computerunterstützten Unterricht teilzunehmen? Fragebogen 2 Am Ende der vierten Unterrichtseinheit wurde der zweite Fragebogen an die gesamte Stichprobe ausgegeben. Die Kontrollgruppe erhielt gegenüber den Teilnehmern der Experimentalgruppe einen verkürzten Fragebogen, der einen Großteil der Fragen, die sich explizit auf das Lernprogramm beziehen (z.B. Fragen zur Benutzeroberfläche) nicht enthielten. Fragenkomplexe, die nur für die Experimentalgruppe gedacht waren, werden kursiv dargestellt. Insgesamt ergeben sich vier Kategorien, denen mehrere Fragenkomplexe zuzuordnen sind. 20 Erhebung der Einschätzung der eigenen Leistung sowie der motivationalen und kognitiven Wirkung. Subjektive Einschätzung der Note für die Zwischenklausur durch die Teilnehmer. Welche motivationalen Wirkungen hatte die Lehrveranstaltung auf die Lernenden? Welche kognitiven Wirkungen hatte die Lehrveranstaltung auf die Lernenden? Erhebung von Veränderung der Einstellung und Erwartungen zum Computer als Lehr- und Lernmittel Hat sich die Einstellung der Teilnehmer zum Computer als Lehr- und Lernmedium durch den Pilotversuch verändert? Haben sich die Erwartungen an das computerunterstützte Lernen, nach Einschätzung der Teilnehmer, durch den Pilotversuch geändert? Fragen zur Lehrveranstaltung Wie empfanden die Teilnehmer die Aufbereitung bzw. Gestaltung des Unterrichts? Wie schätzen die Teilnehmer die Rolle des Lehrveranstaltungsleiters beim computerunterstützten Unterricht ein? Fragen zum Lernprogramm Wie empfinden die Lernenden das Arbeiten mit dem Lernprogramm? Wie bewerten die Lernenden die Umsetzung der Inhalte im Lernprogramm? (inhaltliche Programmgestaltung) Einschätzung der formalen Programmgestaltung? Beobachtung Eine Entscheidung zwischen Interview und Beobachtung erfolgte zugunsten der Beobachtung, da diese Methode für die Studierenden keinen zusätzlichen Zeitaufwand bedeutete. Durchgeführt wurde die Beobachtung als nicht-teilnehmende. Die Beobachtung erfolgte nur in den Unterrichtseinheiten der computerunterstützt Unterrichteten. Als Beobachtungsmethode wurde die qualitative Beobachtung eingesetzt. Im Gegensatz zu quantitativen Methoden kann man sich dabei auf größere Einheiten konzentrieren und ist für neue Einsichten und Beobachtungen offen. Wichtig war auch, Veränderungen, die während des Untersuchungszeitraumes vor sich gingen, zu berücksichtigen. Die Beobachtung erfolgte anhand von Beobachtungsprotokollen. Diese dienten dem Festhalten von Ereignissen. Am Ende jeder Einheit wurde ein Gedächtnisprotokoll verfaßt. Bei der Auswertung der Protokolle wurden die Ereignisse durch Selektion und Abstraktion in Klassen eingeteilt, um sie besser zusammenfassen zu können. Ergebnisse Die Computererfahrung der Befragten streut zwischen 1 und 17 Jahren (Durchschnitt 5,93 Jahre). Mehr als zwei Drittel (71%) besitzen privat einen PC. 38,2 % der Teilnehmer arbeiten zumindest täglich bis mehrmals in der Woche am Computer. Trotz der durchschnittlich doch längeren Computererfahrung schätzen dennoch 44,4% der Befragten ihre Computerkenntnisse sowohl mit „geringe Erfahrung“ als auch „gute Kenntnisse“ ein und nur 11,1% mit „fortgeschrittene Kenntnisse“. Es zeigt sich auch, daß mit Zunahme der Jahre an Computererfahrung und bei Besitz eines eigenen Computers eine positivere Bewertung der eigenen Kenntnisse erfolgte. Privat verwenden jene 39 Personen, die einen Computer besitzen, diesen für: Textverarbeitung 94,9% Computerspiele 79,5% Grafikbearbeitung 12,8% Programmieren 10,3% Kaufmännische Tätigkeiten 7,7% 21 Beruflich kommt der Computer jener 23 Befragten, die ihn beruflich einsetzen, in folgenden Bereichen zur Anwendung: Textverarbeitung 52,2% Datenbankprogramme 47,8% Programmierungen und CAD Kalkulation je 21,7% 17,4% Grafikbearbeitung 13%. Mehr als die Hälfte der Befragten (52,7%) sind bereits im Internet gesurft. Knapp 60% davon hatten über Schule/Studium Zugang zum Internet. 7 Personen besitzen einen privaten Internetanschluß, weitere 7 konnten beruflich mit dem Internet in Kontakt kommen. Die Erfahrung im Umgang mit dem Internet bleibt allerdings weit hinter den allgemeinen Computerkenntnissen. 79,3% jener, die schon im Internet gesurft sind, schätzen ihre Kenntnisse als „gering“ ein. Tabelle 1 Kenntnisse im Umgang Kenntnisse im Umgang mit dem Computer mit dem Internet Geringe Erfahrung 44,4 % 79,3 % Gute Kenntnisse 44,4 % 10,3% Fortgeschrittene Kenntnisse 11,1 % 10,3% Insgesamt fiel die Einschätzung des Computers als Lernhilfsmittel vor Evaluationsbeginn sehr positiv aus. Zwei Drittel aller Befragten (64,8%) kreuzten „sehr gut“ an, 35,2% äußerten sich mit „weniger gut“ noch etwas skeptisch, aber niemand bewertete das Computerlernen mit „nicht gut“. Ein interessantes Bild zeigt die Zweitbefragung in diesem Bereich. Aus der Gruppe der multimedial Unterrichteten fiel die Beurteilung stärker zugunsten des Lernens mit Computer aus, während sich aus der Gruppe der klassisch Unterrichteten die „weniger gut“Beurteiler von 31,1% auf 61,4% verdoppelten. Drei der klassisch Unterrichteten beurteilten das Lernen mit dem Computer bei der Zweitbefragung sogar mit „nicht gut“. Zurückzuführen dürfte dies auf eine Unzufriedenheit der klassisch unterrichteten Teilnehmer sein, die nicht für den computerunterstützten Unterricht ausgewählt wurden. Bemerkbar machte sich diese Frustration auch bei der Bekanntgabe jener Personen, die für den computerunterstützten Unterricht ausgewählt wurden. Diese Annahme wird durch die Tatsache unterstützt, daß 79,6 % aller Teilnehmer am computerunterstützten Unterricht teilnehmen wollten. 22 100 90 80 70 60 sehr gut 50 weniger gut 40 nicht gut 30 20 10 0 Vorher Nachher multimedial Unterrichtet Vorher Nachher klassisch Unterrichtet Abbildung 2: Einstellung zum Computer als Lehr- und Lernmedium Der gleiche Trend (positivere Beurteilung bei den multimedial Unterrichteten und negativere Beurteilung bei den klassisch Unterrichteten nach dem Pilotversuch) zeigt sich auch bei der Frage nach dem Ausmaß des Einsatzes von Computern zum Lernen. 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 sehr oft manchmal sehr selten Vorher Nachher multimedial Unterrichtet Vorher Nachher klassisch Unterrichtet Abbildung 3: Ausmaß des Einsatzes von Computern zum Lernen 29 Personen (53%) haben vor der Evaluation bereits Erfahrung mit dem Computer als Lehr- und Lernmedium gemacht (89,7% Schule/Studium, 41,4% Privat und 10,3% Beruflich), wobei Teilnehmer mit Erfahrung im computerunterstützten Unterricht eine signifikant positivere Einstellung haben (chi2: p<0,05, C:=0,29). 23 Vor allem in folgenden Bereichen wurde bereits mit Unterstützung des Computers gelernt: Erlernen von: Computerprogrammen 25,6% Fremdsprachen 25,6% Mathematik 13,8% In erster Linie wurden von jenen, die bereits mit Computerunterstützung gelernt haben, nur einzelne Teile der Lernprogramme durchgearbeitet (75,8%). Nur 24,2% haben die Lernprogramme vollständig bearbeitet. 69,1% der Befragten (38 Personen) sind der Meinung, daß man mit einem Computer leichter lernen kann. Nur eine Person spricht sich völlig dagegen aus. Das Lernen mit Computer wird von 56,4% der Befragten „interessanter als ein Vortrag“ beurteilt. Für 78,2% der Befragten ist das Lernen mit Computer sogar interessanter als mit Skriptum. Bei der Zweitbefragung ergibt sich bei der Gruppe der multimedial Unterrichteten kaum ein Unterschied im Antwortverhalten. Bei den klassisch Unterrichteten zeigt sich eine negativere Beurteilung. Tabelle 2: Erhebungsdaten nach Gruppen aufgelöst. Vorher Nachher Multimedial Unterrichtete klassisch Unterrichtete multimedial Unterrichtete Klassisch Unterrichtete Stimmt 55,6% (N=5) 71,7% (N=33) 66,7% (N=6) 29,5% (N=13) Stimmt nicht 44,4% (N=4) 28,3% (N=13) 33,3% (N=3) 70,5% (N=31) Stimmt 55,6% (N=5) 56,5% (N=26) 62,5% (N=5) 39,5% (N=17) Stimmt nicht 44,4% (N=4) 43,5% (N=20) 37,5% (N=3) 60,5% (N=26) Stimmt 88,9% (N=8) 76,1% (N=35) 77,8% (N=7) 54,5% (N=24) Stimmt nicht 11,1% (N=1) 23,9% (N=11) 22,2% (N=2) 45,5% (N=20) Leichter lernen mit Computer Lernen mit Computer ist interessanter als ein Vortrag Lernen mit Computer ist interessanter als mit Skriptum Das Interesse der Versuchsteilnehmer, am computerunterstützten Unterricht teilzunehmen, ist sehr groß. 79,6% der Teilnehmer möchten computerunterstützt unterrichtet werden. In der Einschätzung der Zwischenklausurnote reihen sich 46,2% der Befragten bei der Note „Befriedigend“ ein. Die Gruppen der multimedial und klassisch Unterrichteten unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Einschätzung der Klausurnote nicht. 24 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Unterricht mit Computer Unterricht mit Vortrag motivierend 22,2 54,5 weder/noch 77,8 43,2 demotivierend 2,3 Abbildung 4: Motivationale Wirkung der Lehrveranstaltungen Bezüglich ihrer motivationalen Wirkung wurde die Lehrveranstaltung von den klassisch Unterrichteten durchwegs besser eingestuft. Eine Auseinandersetzung mit dem Lehrstoff machte 72,7 % Spaß, während dies bei den multimedial Unterrichteten nur auf die Hälfte zutraf. Den Vortrag durch den Tutor empfand etwas mehr als die Hälfte der Studenten der klassisch Unterrichteten motivierend. Bei den multimedial Unterrichteten empfanden nur 22,2% das Lernen mit dem Computer motivierend. Die praktische Verwertbarkeit des Lehrstoffs wird von den multimedial Unterrichteten besser beurteilt (75%) als von den klassisch Unterrichteten (45%). Beide Gruppen waren mit der Gestaltung der jeweiligen Unterrichtsform zufrieden (über 70%), wobei dem computerunterstützten Unterricht eine etwas bessere Beurteilung zukommt (77,8% zu 71,4%). Obgleich nicht zuviel mit dem Computer gearbeitet wurde, hätten drei Viertel (77,8%) der multimedial Unterrichteten „gerne mehr Wissen durch den Vortragenden vermittelt bekommen“. Der Wunsch der klassisch Unterrichteten nach mehr Computereinsatz im Unterricht ist mit 49% Zustimmung dagegen nicht so stark ausgeprägt. 80,4% der Befragten hätten gerne mehr Übungsbeispiele gehabt, wobei sich die beiden Gruppen in der Beurteilung dieser Frage fast nicht voneinander unterscheiden. Die Anwesenheit eines Tutors beim computerunterstützten Unterricht wurde von 88,9% der Teilnehmer als „sehr wichtig“ eingestuft. Vom Tutor erwartete man sich vor allem Hilfe bei inhaltlichen Problemen (32%), technischen Problemen (28%) und eine Einführung bzw. Wiederholung des Themas (jeweils 20%). Mehr als die Hälfte (55,6%) der Teilnehmer gab an, daß der Tutor durch computerunterstützten Unterricht gezielter auf ihre Probleme eingehen konnte. Die Arbeit mit dem Lernprogramm wurde von jeweils drei Personen mit hoher, mittlerer und niedriger Zufriedenheit eingestuft. Der Umgang mit dem Lernprogramm wurde von allen Teilnehmern mit „sehr gut“ bewertet. Die inhaltliche Programmgestaltung wurde von 44,4% mit „sehr gut“ und die formale Programmgestaltung von 77,8% der Teilnehmer mit „sehr gut“ bewertet. 25 Evaluierung der Lernleistung Die Erreichung der Lehrziele durch die Studenten und die Sicherheit im Umgang mit dem Lehrstoff wurde durch begleitende Tests während des vierwöchigen Versuchs und durch einen Abschlußtest nach dem Ende des Versuchs überprüft. Im Rahmen der begleitenden Tests wurde jeweils der Inhalt der vorangegangen Lehreinheit überprüft. Inhalt des Abschlußtest war der gesamte bis zu diesem Zeitpunkt erarbeitete Stoff. Die Zusammenstellung der Fragen erfolgte gemeinsam durch die beiden Lehrenden der Test- und Kontrollgruppe. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse dieser Wissensüberprüfung ist anhand einer Skala in der folgenden Tabelle enthalten, aus der Kennzahlen zur Lageverteilung der Ergebnisse auf einer Punkteskala von 0 (kein Erfolg) bis 100 (maximaler Erfolg) entnommen werden können. Tabelle 3: Statistischer Vergleich des Lernerfolgs der Lerngruppen während des Versuchs Mittelwert 1. Quartil Median 3. Quartil Interquartilabstan d Kontrollgruppe 66.4 57.2 68.5 77.8 11.4 Testgruppe (MM) 54.4 43.6 54.4 66.3 22.7 Analog dazu wurden begleitende Tests und ein Abschlußtest auch nach dem Zusammenführen der Test- und der Kontrollgruppe durchgeführt. Eine Zusammenfassung dieser Ergebnisse ist in der folgenden Tabelle enthalten: Tabelle 4: Statistischer Vergleich des Lernerfolgs der Lerngruppen nach dem Versuch Mittelwert 1. Quartil Median 3. Quartil Interquartilabstan d Kontrollgruppe 73.5 64.7 72.7 85.3 11.8 Testgruppe (MM) 74.1 70.1 73.9 81.1 7.0 Eine Analyse der Testergebnisse zeigt, daß während des Versuchs in der Sicherheit mit dem Umgang des Lehrstoffs bzw. in der Erreichung der Lehrziele nur geringfügige Unterschiede zwischen der Test- und der Kontrollgruppe auftreten, wobei die Testergebnisse einen geringfügigen Vorteil für die Kontrollgruppe aufzeigen. Für den weiteren Lernverlauf nach dem Ende des Versuchs zeigt sich, daß sich die ehemals multimedial unterrichtete Testgruppe im weiteren konventionellen Unterricht statistisch nicht mehr signifikant von der bereits von Beginn an konventionell unterrichteten Gruppe unterscheidet. Der vergleichbare Lernerfolg der konventionell und der multimedial unterrichteten Gruppe insbesondere nach dem Ende des Versuchs ist auch aus Abbildung 5 ersichtlich, in der die Mittelwerte der Ergebnisse der in den einzelnen Teil- und 26 70, Abschlußklausuren erhaltenen Punktezahlen auf einer Skala von 0 – 100 gegeneinander aufgetragen sind. Die Tests beinhalteteten Fragen der folgenden Typen: Typ A: Fragen zum Grundwissen Dieser Typ enthält Fragen wie nach der korrekten Definition physikalischer Größen oder nach dem Inhalt physikalischer Modellbegriffe. Fragen des Typs können allein aus den in der Vorlesung behandelten Themen beantwortet werden. Kombinatorische Fähigkeiten oder Fähigkeiten zur Problemlösung sind nicht notwendig. 80, Typ B: Verständnisfragen mit qualitativem Charakter: Bei diesen Fragen muß der Student sein Grundwissen kombinatorisch auf neue Problemstellungen anwenden. Gefragt sind qualitative Antworten. Typ C: Verständnisfragen mit quantitativem Charakter 90,nachdemVrsu Bei diesen Fragen muß der Student sein Grundwissen kombinatorisch auf neue Problemstellungen anwenden. Gefragt sind quantitative Antworten. Versuch Eine detaillierte Analyse der Erfolge der Studenten in Abhängigkeit von den einzelnen Fragetypen zeigt kein prinzipiell anderes Ergebnis als das aus dem Gesamtergebnis abgeleitete Bild. Sowohl bei den Studenten der Kontrollgruppe als auch bei den Studenten der Testgruppe liegt eine weitestgehende Parallelität sowohl während des Versuchs als auch nach dem Versuch - vor, wobei in beiden Gruppen die höchsten Erfolgsquoten bei Fragen des Typs A vorherrschen, eine etwas geringere Erfolgsquote bei Fragen des Typs B und die geringste Erfolgsquote bei Fragen des Typs C. 10 , 100 Versuch 90 nach dem Versuch Multimedia-Gruppe / ehemalige Multimedia-Gruppe 80 70 60 50 40 30 20 10 0 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Kontrollgruppe Abbildung 5: Vergleich der Lernleistungen beider Gruppen. Jeder Meßpunkt trägt den Mittelwert eines Testergebnisses von der Kontrollgruppe nach rechts und der Multimediagruppe nach oben auf. Ein Wert auf der Diagonale zeigt daher gleiche Lernleistung an. Es fallt auf, daß während des Versuchs die Multimedia-Gruppe 27 tendenziell schlechter abschneidet, während nach dem Versuch die Leistungen vergleichbar sind. Synthesen Nach der Durchführung des Pilotversuchs und der statistischen Evaluierung wollen wir nun formative Aussagen formulieren, die sich auf die aufgestellten Thesen beziehen. Anhand unseres Versuchs konnten wir nur die beiden gewählten Lernmodelle (klassischer Vortrag, Übungen und Multimediaübungen bzw. klassischer Vortrag aufgelockert mit Experimenten) vergleichen. Durch die unterschiedlichen Gruppengrößen wurden in den beiden Gruppen auch unterschiedliche Vortragstechniken eingesetzt. So konnte in der kleineren Multimediagruppe Gruppenarbeit und –diskussion durchgeführt werden, während in der klassisch unterrichteten Gruppe nur der Frontalunterricht möglich war. Die Versuchsergebnisse in bezug auf den Einsatz von Multimedia müssen in diesem Sinne relativiert werden. Deswegen standen bei der Evaluierung auch die formativen Aspekte im Vordergrund. Die Leistungen in der Versuchsgruppe und der Kontrollgruppe waren vergleichbar. In beiden Gruppen fanden sich sehr gute wie auch sehr schlechte Studenten. Speziell gab es in der Multimediagruppe einen Studenten, der diese Unterrichtsart komplett ablehnte und auch schlechte Klausurergebnisse erzielte. Diese verbesserten sich schlagartig, als er konventionell unterrichtet wurde. Dieser spezielle Umstand kann darauf zurückgeführt werden, daß durch die zufällige Auswahl der Studenten diese die Teilnahme an der Multimediagruppe nicht ablehnen konnten. Die beobachtende Evaluierung der Multimediagruppe zeigte, daß soziale Lernprozesse initiiert wurden, sobald die Studenten im Übungs- und Multimediaübungsteil eigenständig Lernen konnten. Die Studenten waren zunehmend ermutigt, unabhängig vom Tutor miteinander zu arbeiten. In der Kontrollgruppe war durch den tutorzentrierten Unterricht und die größere Gruppengröße dafür naturgemäß kein Freiraum. Trotzdem sind wir der Meinung, daß das Lernen in der multimedialen Gruppe nicht nach einem rein konstruktivistischen Modell durchgeführt werden konnte. Durch die engen zeitlichen Vorgaben und die notwendige Koppelung im Fortschritt der beiden Gruppen stand den Studenten der Multimediagruppe nicht genug Zeit zur Verfügung, um ihren Lernprozeß vollständig selbst zu bestimmen. Nun wollen wir auf die speziellen Thesen eingehen: A) Multimedia als Lernmittel Durch Multimediaunterricht können Lernende einen besseren Lernerfolg erzielen. In den Prüfungsleistungen der beiden Unterrichtsgruppen ergaben sich keine statistisch signifikanten Unterschiede. Im Trend lagen die multimedial unterrichteten Studenten während des Versuchs bei klassischen Prüfungen (Wiederholungstests und Klausuren) leicht schlechter als klassisch unterrichtete. 28 Nach dem Ende des Versuchs gab es während des weiterführenden klassischen Unterrichts keine Unterschiede zwischen der Versuchs- und der Kontrollgruppe Computerlernen kann den Individualisierungsprozess in der Kognition verstärken. Der Lernende hat größere Kontrolle über den Lernprozeß. Es wurde beobachtet, daß die Studenten der Multimediagruppe die vorhandenen Freiräume nutzten und eigene Lernstrategien entwickelten. Es ergaben sich deutliche Unterschiede im Lernzugang und im Lerntempo. Dadurch, daß die Arbeitsziele vom Lernsystem vorgegeben wurden, hatte der Tutor die Gelegenheit, die Studenten individuell zu fördern, ohne den Lernfortschritt der anderen Studenten zu behindern. Der Computer kann als Fokuspunkt für Zusammenarbeit dienen. Soziale Prozesse werden eher gefördert als gehemmt. Die Beobachtung der Multimediagruppe zeigt, daß soziales Lernen nicht ursächlich durch den Computer initiiert wird, sondern durch die Vorgaben der Unterrichtsform bestimmt wird. So konnten z.B. die Studenten der Multimediagruppe auch während klassischer Rechenübungen miteinander interagieren, da die räumlichen Voraussetzungen dies im Gegensatz zu der in einem Hörsaal unterrichteten Kontrollgruppe zuließen. 29 B) Multimedia-Technik Der Computer wird von Lernenden als Lernmittel rasch akzeptiert. Die Studenten hatten geringe Computerkenntnisse. In der ersten Unterrichtseinheit wurden ca. 30 Minuten verwendet, um das Lernsystem zu erklären. In den ersten Lerneinheiten waren Fragen der Studenten eher technischer Natur als inhaltlicher. Die technische Komponente ist mit heutigem Stand kontrollierbar und beeinflußt den Unterricht kaum. Das Lernsystem auf Web-Basis wurde von den Studenten rasch akzeptiert. Die Navigation innerhalb des Lernsystems verursachte keine Probleme. Technische Probleme traten jedoch in fast allen Unterrichtseinheiten z.B. beim Einloggen, beim Anstecken von Kopfhörern, beim Aufrufen externer Dateien etc. auf. Die aufgetretenen Probleme sind großteils auf Bedienungsfehler und geringe allgemeine Computerkenntnisse zurückzuführen. Multimedia-Entwicklung ist teuer. Die Entwicklung der multimedialen Lernobjekte ist zeitintensiv und wurde im Rahmen des Projekts durch zusätzliche externe Ressourcen ermöglicht. Dagegen ist der Vorbereitungsaufwand beim Zusammenstellen von Lernobjekten zu einer Lektion für einen Tutor vergleichbar mit dem Aufwand bei der Ausarbeitung einer klassischen Vorlesung und Übung. C) Physik und Computer Computerunterstützter Unterricht kann die hemmenden Vorurteile gegenüber dem Unterrichtsfach Physik aufbrechen. Die Beobachtung der Multimediagruppe zeigte, daß durch das Computerlernen die Konzentration bei der Auseinandersetzung mit dem Stoffgebiet gefördert wird (ein Abschalten wie bei dem klassischen Unterricht oft beobachtet ist nicht möglich!). Jedoch konnte kein Unterschied in der Motivation zum Fach festgestellt werden. Visualisierungsmöglichkeiten, Videos und Simulationen können physikalische Prozesse veranschaulichen und Theorie und Anwendung verbinden. Die Evaluierung zeigte keine signifikanten Unterschiede in der Evaluierung bezüglich Praxisbezug der Unterrichtsmethode zwischen den beiden Gruppen. Jedoch ergab die Evaluierung der Multimedia-Gruppe auch, daß Visualisierungen einen signifikant positiven Einfluß auf die Beurteilung des Praxisbezugs hatten. 30 Diskussion Didaktische Aspekte Im Nachhinein beurteilen wir den durchgeführten multimedialen Unterricht als eine starke Anlehnung an das klassische Unterrichtsmodell. Wir sind der Meinung, daß eigenständiges Lernen viel intensiver betont werden könnte. Der fixierte Rahmen von wöchentlichen Unterrichtseinheiten zu eineinhalb Stunden und Lernvorgaben pro Unterrichtseinheit ließ konstruktivistisches Lernen nur in beschränktem Umfang zu. Um den konstruktivistischen Prämissen wirklich gerecht zu werden und den damit erwarteten Nutzen zu erzielen, ist eine viel weitreichendere Flexibilisierung des Unterrichts notwendig. Diese Flexibilisierung wäre sowohl im organisatorischen Rahmen (geblockte oder flexible Studierzeiten) wie auch im Inhaltlichen (Projektunterricht, Einbeziehen anderer Fächer) wünschenswert. Parallel dazu müssen jedoch die Zielvorgaben und das Prüfungssystem reformiert werden. Es ist fraglich, inwieweit Problemlösungskompetenz in Form von Tests und Klausuren überprüfbar ist. Wir stellen fest, daß der Computer als Lernmittel einige positive Eigenschaften zeigt, er kann jedoch als alleinige Maßnahme keine verbesserte Lernumgebung schaffen. Der Gesamtkontext bleibt das entscheidende Element. In bezug auf die Unterstützung durch konstruktivistische Lernumgebungen konnten eindeutig positive Effekte beobachtet werden wie unterschiedliche Lernstrategien, verschiedene Lerntempos, individuelle Betreuung der Studenten durch die Tutorin und Zusammenarbeit unter Studenten. Diese Effekte sollten in freieren Lernmodellen noch stärker zur Geltung kommen. In der Umsetzung des Lernsystems wurde ein Kompromiß zwischen offener Lernumgebung und einfacher Bedienbarkeit des Systems geschlossen. Eine offene Lernumgebung stellt dem Lerner nicht nur ein einziges Lernprogramm zur Verfügung, sondern bezieht auch Standardanwendungen (in diesem Fall Textverarbeitung, Internet, symbolische Programmiersprachen, etc.) als zusätzliche Arbeitsmedien und Informationsquellen ein. Im Kontrast dazu stehen geschlossene Anwendungen, welche den Anwender nur innerhalb eines abgeschlossenen Lernprogramms navigieren lassen. Die - didaktisch - abgeschlossene Lernumgebung leitet die Studenten sicher durch das vielschichtige Feld des computerunterstützten Unterrichts, ist dagegen für den Tutor aufwendig zu erstellen und verhindert den Gewinn von zusätzlichen Methodenkompetenzen der Studenten in einem offenen System. Je abgeschlossener die Lernumgebung, desto benutzerfreundlicher kann das System ausgelegt werden. Umgekehrt wird aber das Potential des Computers als Lernmittel durch eine geschlossene Lernumgebung stark eingeschränkt. Unserer Ansicht nach ist ein offenes Lernsystem, das heißt eines, in dem Standardanwendungen (Symbolische Mathematikprogramme, weitere Lernprogramme, Tools, etc.) integriert sind, für die Erreichung von Problemlösungskompetenz eindeutig zu bevorzugen. Jedoch sind in diesem Fall Vorkenntnisse im Bereich der Informatik unbedingt nötig bzw. sollte der computerunterstützte Unterricht fächerübergreifend mit Informatik kombiniert 31 werden. Ein weiterer Vorteil einer offenen Lernumgebung sind die geringeren Entwicklungskosten. In beiden Gruppen ist es nicht im gewünschten Ausmaß gelungen, Problemlösungsfähigkeiten und Methodenkompetenz im Bereich der Physik zu vermitteln. Um diese Siutation zu verbessern, ist es unserer Ansicht nach erforderlich, radikalere Änderungen im didaktischen Ansatz zu verwirklichen. Physik ist eine Naturwissenschaft und keine "Cyberwissenschaft". Auch wenn die Studenten der Multimediagruppe den Praxisbezug des Stoffs signifikant höher bewerteten, so schätzten sie jedoch die Lehrmethode in diesem Punkt nicht besser ein. Wir wünschen uns daher nicht nur einen flexibler gestalteten Unterricht, sondern auch optimale Unterstützung mit allen zusätzlich vorstellbaren Lehrmaterialien wie Multimedia, Internet und auch Experimentiermaterial, Exkursionen, Lehrbüchern und Skripten. Technische und organisatorische Aspekte Das Umsetzungskonzept des Lernsystems hat sich im Grunde bewährt. Der modulare Aufbau – Unterteilung in Basisobjekte, Lernobjekte, Lektionen und externe Objekte - garantierte die entsprechende Flexibilität für die Tutoren. So wurden zum Beispiel einzelne Videos (Basisobjekte) direkt in HTML-Seiten (Lektionen) eingebunden, um Sachverhalte zu veranschaulichen. Die Wiederverwertbarkeit ist durch diese Konzeption auch für die Autoren garantiert. Durch die Ablage der Objekte in einer Datenbank können diese über verschiedene Kriterien wieder aufgefunden werden. Die Verwendung von Standard-InternetWerkzeugen machte es möglich, Freeware, aber auch Software von Drittanbietern in das Lernsystem zu integrieren. Wir sehen diese Flexibilität und Portabilität als eine besondere Stärke des Lernsystems. Für die Umsetzung im Unterricht sind die finanziellen Aspekte von entscheidender Bedeutung. Die Tutorin brauchte ca. eine Stunde für die Erstellung einer Lektion aus bestehenden Lernobjekten und klassifizierten externen Objekten für eine Stunde Unterrichtszeit. Dies entspricht der durchschnittlichen Vorbereitungszeit auch von klassischem Unterricht. Diese Vorbereitungszeit kann jedoch beliebig verlängert werden, wenn der Tutor selbst auf die Suche von Lernmaterial geht oder in die Entwicklung von Multimedia einsteigt (Erstellung von Lernobjekten mit Hilfe von Autorensoftware). Wir sehen deswegen für eine Umsetzung im Unterricht eine Trennung der Funktion des Autors und des Tutors als sinnvoll an. Die Entwicklung von multimedialer Software im Rahmen einer normalen Lehrverpflichtung ist kaum machbar. Durch die Konstellation des Pilotversuchs (10 Studenten in der Multimediagruppe) bleiben einige Fragen in bezug auf die Umsetzbarkeit in Standardlehrveranstaltungen (ca. 50 Studenten) offen. Diese Fragestellung bringt uns zu den Bemerkungen in der didaktischen Diskussion zurück. Neue Ansätze in der Unterrichtsgestaltung und Prüfungsabwicklung müßten diskutiert werden, um die Forderungen nach konstruktivistischem Lernen zu erfüllen. Wir sehen in diesem Bereich ein wichtiges Entwicklungsgebiet, welchem wir uns stellen müssen, sofern uns eine effiziente Bildung unserer Studierenden ein Anliegen ist. 32 Nächste Schritte Die Ergebnisse des Versuchs sind ernüchternd. Von der Vorstellung, allein durch Multimedia-Einsatz verbesserte Lernumgebungen schaffen zu können, muß ein für allemal Abschied genommen werden. Jedoch sind auch einige positive Faktoren des multimedialen Lernens bestätigt worden. Individuelles Lernen, Praxisbezug sowie vernetztes Lernen sind einige positive Faktoren, die im Versuch beobachtet werden konnten. Es scheint jedoch, daß, auch wenn die technischen Möglichkeiten schon gegeben sind, auf dem Gebiet der Multimediadidaktik und –pädagogik noch viele Möglichkeiten der neuen Technologie nicht ausgenutzt sind. Vor allem im Bereich der Gestaltung neuer Lernmodelle – unter Einbeziehung der neuen Medien – sind wenige fundierte Kenntnisse vorhanden. Dieses Entwicklungsgebiet hinkt naturgemäß den technischen Entwicklungen hinterher. Die Frage ist nicht, „ob“ neue Medien eingesetzt werden sollen, sondern „wie“. Gerade für den Einsatz von Computer und Multimedia im Internetbereich geht das vorgestellte Lernsystem einen didaktisch klaren und technisch schlichten Weg. Die Stärken des Konzepts liegen in der Modularität unter der Verwendung von Internettechnologien. Damit kann das System den Tutoren ein einfaches und skalierbares Interface bieten, das mit der zunehmenden Verbreitung des Mediums ein Standardwerkzeug für die Erstellung von webbasierenden Kursen werden könnte. Für dieses Ziel werden wir in nächster Zukunft die multimedialen Inhalte erweitern, das System bei kooperierenden Gymnasien und Studiengängen auf der Fachhochschule und Universität zur Evaluation installieren. Mit der Erfahrung und Rückmeldung der Tutoren werden wir die weitere Entwicklung des LernsystemInterfaces durchführen, vor allem der Multimedia-Datenbank und der StudentenAdministration. Wir sehen in diesem Gebiet eine große Herausforderung und hoffen, daß unsere Arbeit einen wertvollen Diskussionsbeitrag zu diesem Thema liefert. 33 34 Literaturverzeichnis [1] E. Dyson, "Release 2.0 Die Internetgesellschaft", Droemer Knaur, 1997. [2] President's Committee of Advisors on Science and Technology, Panel on Educational Technology, "Report to the President on the Use of Technology to Strengthen K-12 Education in the United States", Washington, 1997. [3] R. Schulmeister, "Grundlagen hypermedialer Lernsysteme", AddisonWesley1996. [4] V. Maturana, "Der Baum der Erkenntnis. Die biologischen Wurzeln des menschlichen Erknennens", Scherz Verlag, 1987. [5] P. Baumgartner; S. Payr, "Lernen mit Multimedia", Österreichischer Studienverlag, 1994. [6] R. Strauss, "Managing Multimedia Projects", Focal Press, 1997. [7] D. Euler, "Didaktik des computerunterstützten Lernens: Praktische Gestaltung und theoretische Grundlagen", BW Bildung und Wissen Verlag und Software GmbH, 1992. [8] D. Laurillard, "Rethinking University Teaching", Routledge, 1993. [9] R. Yildiz; M.J. Atkins, "Evaluating Multimedia Applications", Computers and Education 1/2 22, (1994). [10] J. Brown; A. Collins and P. Duguid,"Situated Cognition and the Culture of Learning", Educational Researcher, 1989, 18. [11] R. Spiro; P. Feltovich; M. Jacobson and R. Coulson, "Cognitive Flexibility, Constructivism, and Hypertext: Random Access Instruction for Advanced Knowledge Acquisition in Ill-Structured Domains", Educational Technology, 1991. [12] W. Winn, "Learning in Hyperspace", University of Washington, http://weber.u.washington.edu/~billwinn. [13] J. Lave; E. Wenger, "Situated Learning: Legitimate peripheral participation" Cambridge University Press, 1991. [14] P. Watzlawick, "Wie wirklich ist die Wirklichkeit", Piper Verlag, München, 1976. [15] P. Watzlawick, "Die erfundene Wirklichkeit", Piper Verlag, 1981 [16] H. Sievers "Neudefinierung des Physikunterrichts - Michel Hulins Buch 'Le mirage et la nécessité'", Phys. Bl. 52 (1996) Nr. 11. [17] European Commission "Report of the Task Force 'Educational Software and Multimedia'". [18] R. Feynman; R. Leighton;, M. Sands, "The Feynman Lectures on Physics", Addison Wesley, 1963. [19] S. Bennet; M. Brennan, "Interactive Multimedia Learning in Physics", 35 Australian Journal of Educational Technology, 1996, 12(1), 8-17. [20] W. Mitchell; M. Dertouzos (Editors), "MIT Educational Technology Council Report", 1997. [21] E. von Glasersfeld, "Radikaler Konstruktivismus", Suhrkamp, 1997. 36 [22] M. Hulin, "Le mirage et la nécessité", Presses de l'Ecole Normale Supérieure et Palais de la Découverte, 1992. [23] J. Bortz; N. Döring, "Forschungsmethoden und Evaluation für Sozialwissenschaftler", Springer Verlag, 1995. [24] P. Schenkel; H. Holz (Hrsg.), "Evaluation multimedialer Lernprogramme und Lernkonzepte. Berichte aus der Berufsbildungspraxis", BW Bildung und Wissen Verlag und Software GmbH, 1995. [25] G. Reinmann-Rothmeier; H. Mandl; K. Götz, "Evaluierung eines computerunterstützten Lernprogramms zur Datenadministration. Subjektive Einschätzung motivationaler und kognitiver Wirkungen", LudwigMaximilians-Universität, Lehrstuhl für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie, 1993. 37