3 Lösungsstrategien für Mathematik

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Lösungsstrategien für Mathematik-Rätsel
3.1 Das Schubfachprinzip Ein Mensch hat höchstens 300000 Haare auf dem Kopf. Beweisen
Sie, dass es zwei Deutsche gibt, die die gleiche Anzahl von Haaren auf dem Kopf haben. Dies macht
man, indem man darauf hinweist, dass es mehr als 300000 Deutsche gibt.
Trotz seiner Einfachheit ist das Schubfachprinzip ein nützliches und manchmal ganz überraschend daherkommendes Hilfsmittel des Mathematikers. Natürlich gibt es keine Theorie“ des
”
Schubfachprinzips. Wir geben einige einfache Beispiele zum Miträtseln.
Problem 3.1 Auf einer Party mit n Personen geben sich manche Leute zur Begrüßung die Hand.
Beweisen Sie, dass es zwei Personen gibt, die gleich viele Hände geschüttelt haben.
Jede Person kann 0 bis n − 1 Personen die Hände schütteln, das sind leider zusammen n Möglichkeiten, so dass das Schubfachprinzip nicht angewendet werden kann. Doch nehmen wir einmal an,
eine Person hat 0 Personen die Hände geschüttelt. Dann können die anderen Personen nur 0 bis
n − 2 Personen die Hände geschüttelt haben. Die Zahlen 0 und n − 1 kommen also in ein Fach!
Problem 3.2 In einer Schublade liegen 60 Socken, die sich nur durch ihre Farbe unterscheiden.
10 Paare sind rot, 10 Paare sind schwarz, 10 Paare sind gelb. Wie viele Socken muss man im
verdunkelten Zimmer aus der Schublade ziehen, um sicher ein Paar gleicher Farbe zu bekommen?
Natürlich vier, spätestens die vierte muss die gleiche Farbe wie eine der vorher gewählten haben.
Problem 3.3 Schreibt man einen Bruch m/n natürlicher Zahlen als Dezimalzahl, so ist diese
endlich oder besitzt eine Periode. Man zeige, dass die Länge der Periode nie länger als n − 1 ist.
Beim schriftlichen Dividieren wird jedes Mal der Rest, der im vorigen Schritt entstanden ist, mit
10 multipliziert und dann erneut durch die Zahl dividiert. Für die Reste gibt es bei einer echt
periodischen Zahl nur die Möglichkeiten 1, . . . , n − 1. Daher kann die Periode nie länger als n − 1
sein.
3.2 Lob der Invariante In einer Aufgabe wird ein Objekt behandelt, das sich ständig ändert,
beispielsweise eine Zahlenfolge oder ein Spiel, in dem gezogen wird. Das Invarianzprinzip lässt sich
philosophisch so formulieren: In dem, was sich ändert, suche das, was gleich bleibt.
Problem 3.4 Sei n eine ungerade natürliche Zahl. Wir schreiben die Zahlen von 1 bis 2n auf eine
Tafel. In jedem Schritt wischen wir zwei beliebige Zahlen a, b aus und schreiben stattdessen die
Zahl |a − b| auf die Tafel. Nach 2n − 1 Schritten steht nur noch eine Zahl auf der Tafel. Beweisen
Sie, dass diese ungerade ist.
Die Summe der Zahlen ist S = 1 + . . . + 2n = n(2n + 1), eine ungerade Zahl. In jedem Schritt
wird S um die gerade Zahl 2 min(a, b) vermindert. Damit bleibt S in jedem Schritt ungerade, was
gerade die Invariante dieses Problems ist.
Problem 3.5 Jede der Zahlen a1 , . . . , an sei 1 oder −1. Ferner sei
S = a1 a2 a3 a4 + a2 a3 a4 a5 + . . . + an a1 a2 a3 = 0.
Zeigen Sie, dass n durch 4 teilbar ist.
Jedes ai kommt in vier Summanden vor. Ändern wir das Vorzeichen von ai , so bleibt S durch 4
teilbar: Haben die 4 Summanden gleiches Vorzeichen, ändert sich S um ±8, sind die Vorzeichen
3 − 1 verteilt, ändert sich S um ±4, und bei 2 − 2 ändert sich nichts. Die Teilbarkeit von S durch 4
bei Änderung des Vorzeichens eines ai ist daher eine Invariante dieses Problems. Wir ändern nun
sukzessive jedes negative Vorzeichen in ein positives. Dann bleibt S durch 4 teilbar und S = n.
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Problem 3.6 Kann man die Ziffern 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 zu ein- oder zweistelligen Zahlen so zusammenstellen, dass die Summe dieser Zahlen 100 ergibt? Dabei soll jede Ziffer genau einmal
vorkommen. Beispielsweise ist 1 + 2 + 3 + 4 + 5 + 7 + 8 + 9 + 60 = 99, was natürlich nicht die Aufgabe
löst.
Addieren wir zwei Zahlen der Form 10a+b und 10c+d, so ist das Ergebnis 10(a+c)+(b+d). Hier ist
die Summe der Quersummen modulo 9 die Invariante, wie man sich durch eine Fallunterscheidung
leicht klarmacht. Die Summe der Ziffern von 1 bis 9 ist 45, also muss jede nach den angegebenen
Regeln gebildete Summe durch 9 teilbar sein. Daher ist es nicht möglich, die Zahl 100 auf diese
Weise darzustellen.
Problem 3.7 Ein Kreis wird in 6 Sektoren unterteilt. In diese Sektoren schreiben wir im Gegenuhrzeigersinn die Zahlen 1, 0, 1, 0, 0, 0. In jedem Schritt dürfen wir die Zahlen in zwei benachbarten Sektoren um 1 erhöhen. Ist es möglich, auf diese Weise 6 gleiche Zahlen in den Sektoren zu
bekommen ?
Wir nummerieren die 6 Sektoren hintereinander von 1 bis 6. Ist ai die Zahl im Sektor i, so setze
I = a1 − a2 + a3 − a4 + a5 − a6 .
Erhöhen wir die Zahlen in zwei benachbarten Sektoren, so ändert sich I nicht. In der Ausgangssituation ist I = 2. Steht dagegen in jedem Sektor die gleiche Zahl, so ist I = 0. Es ist daher nicht
möglich, 6 gleiche Zahlen zu erzielen.
3.3
Probleme vereinfachen
Problem 3.8 5 Piraten, die Ränge von 1 bis 5 einnehmen, wollen 100 Goldmünzen unter sich
verteilen und haben beschlossen, folgendermaßen vorzugehen:
Der Ranghöchste, die Nummer 1 in der Hierarchie, macht einen Vorschlag, wie die Goldstücke
zu verteilen sind. Danach wird abgestimmt, wobei er selber mitstimmt. Wenn bereits die Hälfte
der Piraten zustimmt, so wird die Verteilung wie vorgeschlagen durchgeführt. Andernfalls wird
Nummer 1 über Bord geworfen und die anderen fahren nach dem gleichen Schema weiter. D.h. die
Nummer 2 macht einen Vorschlag.
Was wird der Ranghöchste am Anfang vorschlagen, um selbst möglichst viele Münzen einstecken
zu können und nicht über Bord geworfen zu werden?
Bemerkung: Man beachte, dass bei einer geradzahligen Anzahl von Piraten bereits die Hälfte der
Stimmen für die Annahme des Vorschlags ausreicht. Gerade in diesem Fall ist der Vorschlagende
in einer starken Position, weil seine Stimme zählt. Oberste Priorität hat für die Piraten, nicht über
Bord zu gehen. Erst an zweiter Stelle will jeder Pirat eine möglichst große Zahl von Goldmünzen
bekommen. Wie immer bei solchen Problemen wird vorausgesetzt, dass alle Piraten perfekte Logiker
sind.
Als ich zum ersten Mal von diesem Problem gehört habe, dachte ich, dass die Position des ersten
Piraten sehr schlecht ist und er leicht über Bord gehen kann, weil danach nur noch durch 4 geteilt
werden muss.
Hier ist die Vereinfachung des Problems zwingend erforderlich, um die Lösung angeben zu
können. Sind nur noch zwei Piraten übrig, so beansprucht der höherrangige Pirat alle 100 Münzen
für sich und kann diesen Vorschlag mit seiner Stimme auch durchsetzen. Bei drei Piraten gibt der
höchstrangige dem Letzten eine Münze, dem vorletzten keine und sich selbst 99 Münzen. Der Letztrangige wird zustimmen, denn eine Münze ist mehr als er erreichen kann, wenn der Höchstrangige
über Bord geht. Gibt es nur noch die Piraten 2,3,4 und 5, so weiß 2, dass 4 nichts bekommt, wenn
er über Bord geht. Er gibt daher dem 4 eine Münze und sich selbst 99. Mit den Stimmen von 2
und 4 wird der Vorschlag angenommen. Bei 5 Piraten macht 1 den Vorschlag:
1 : 98,
2 : 0,
3 : 1,
4 : 0,
5 : 1.
Dieser Vorschlag wird mit den Stimmen von 1, 3 und 5 angenommen.
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Problem 3.9 Einem jeden von 10 Gefangenen wird eine der Ziffern 0, 1, 2, . . . , 9 auf die Stirn
gemalt, wobei jede Ziffer auch mehrmals vorkommen kann. Errät ein Gefangener seine Ziffer, so
werden alle Gefangenen freigelassen.
Dabei wird folgendermaßen vorgegangen. Bevor die Ziffern aufgemalt werden, dürfen die Gefangenen über eine gemeinsame Strategie beraten. Anschließend wird jedem eine Ziffer auf die Stirn
gemalt, so dass jeder alle Ziffern kennt außer seiner eigenen. Dann werden sie auf ihre Zellen geführt
und dürfen dort einmal ihre Ziffer raten.
Demnach dürfen die Gefangenen nicht mehr miteinander sprechen, sobald sie die Ziffern der
anderen gesehen haben und sie hören auch nicht, welche Ziffer die anderen geraten haben.
Geben Sie eine Strategie für die Gefangenen an, mit der sie mit Sicherheit freikommen.
Diese Aufgabe ist sicherlich überraschend und auch nicht leicht zu lösen. Wir vereinfachen daher zu
zwei Gefangenen, denen die Ziffern 0 oder 1 aufgemalt werden. Plausibel sind hier zwei Strategien:
Man nennt die Ziffer, die man bei seinem Gegenüber sieht oder man nennt die Ziffer, die der
Gegenüber nicht hat. Nennen beide die Ziffer, die sie sehen, so ist bei der Kombination (1,0) kein
Treffer dabei. Wenn beide die gegenteilige Ziffer nennen, so wird das widerlegt durch (1,1). Probieren
wir daher folgendes: I nennt die Ziffer, die er sieht, II die, die er nicht sieht. Dann ergeben sich die
Möglichkeiten:
(0,0):
(0,1):
(1,0):
(1,1):
I sagt 0,
II sagt 1,
II sagt 0,
I sagt 1.
In jedem Fall sagt genau ein Gefangener die richtige Ziffer. Finden Sie das mathematische Prinzip
und lösen Sie das Problem für 10 Gefangene?
3.4 Färben Die Färbungsmethode wird in der Geometrie bei Problemen angewendet, bei denen
ein ebenes oder räumliches Gebiet in Teilgebiete unterteilt wird. Indem man den Teilgebieten Farben
zuordnet, kann man die Unterteilung strukturieren. Der Klassiker der Färbungsmethode ist das
folgende Schachbrettproblem:
Problem 3.10 Von einem 8 × 8 Schachbrett werden zwei gegenüberliegende Eckfelder entfernt.
Man zeige, dass dieses Brett nicht mit 31 Dominosteinen bedeckt werden kann.
Man färbt das Schachbrett wie üblich in weiße und schwarze Felder. Da zwei gegenüberliegende
Eckfelder die gleiche Farbe besitzen, gibt es von einer Farbe mehr Felder als von der anderen. Jeder
Dominostein besetzt aber genau ein weißes und ein schwarzes Feld. Das Schachbrett lässt sich also
nicht mit 31 Dominosteinen bedecken.
Eine Variante dieses Problems ist das Überdecken mit Dominosteinen eines n × n-Schachbretts
mit ungeradem n.
3.5 Teile und Herrsche Man zählt Objekte, indem man sie so strukturiert, dass man auf
bereits Gezähltes zurückgreifen kann. Dieses Verfahren haben wir bereits beim Münzparadoxon auf
Seite 8 kennengelernt. Dazu noch ein einfacheres Beispiel.
Für jede Menge A gilt ∅ ⊂ A und A ⊂ A, dies ist Bestandteil der Definition der Teilmenge. Die
Menge A2 = {1, 2} besitzt daher die Teilmengen
∅, {1}, {2}, {1, 2}.
Wir wollen die Anzahl Tn der Teilmengen der Menge An = {1, 2, . . . , n} bestimmen. Nach dem
Motto Teile und Herrsche“ zerlegen wir die Teilmengen von An+1 in zwei Gruppen:
”
I : Teilmengen, die n + 1 nicht enthalten,
II : Teilmengen, die n + 1 enthalten.
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Gruppe I enthält genau die Teilmengen von An , das sind Tn viele. In den Teilmengen von Gruppe
II können wir das Element n + 1 weglassen und wir erhalten eine Teilmenge von An . Umgekehrt
können wir jede Teilmenge von An durch Anfügen von n + 1 zu einer Teilmenge von Gruppe II
machen. Damit enthält auch Gruppe II genau Tn Teilmengen, zusammen
Tn+1 = 2Tn ,
T0 = 1.
Damit erhalten wir T1 = 2, T2 = 4 und Tn = 2n . Eine n-elementige Menge enthält daher 2n
Teilmengen.
3.6
Weitere Beispiele
Problem 3.11 (3) (Schubfachprinzip) Ein Arzt, der ein neues Medikament ausprobieren will, gibt
einem Patienten die Anweisung, 48 Pillen über 30 Tage einzunehmen. Der Patient muss jeden
Tag mindestens eine Pille nehmen, er darf selber entscheiden, an welchen Tagen er mehr als eine
einnimmt. Die Frage ist, für welche Werte k man immer aufeinanderfolgende Tage angeben kann,
an denen der Patient insgesamt k Pillen eingenommen hat.
a) Durch ein Gegenbeispiel zeige man, dass für k = 16, 17, 18 die Frage zu verneinen ist.
b) Man zeige, dass die Frage für k = 11 positiv beantwortet werden kann.
Problem 3.12 (2) (Invarianzprinzip) Wir betrachten drei Pucks, die ein Dreieck ABC der Ebene
bilden. Ein Eishockeyspieler schießt in jedem Schritt einen der Pucks zwischen die beiden anderen
so, dass die Verbindungsstrecke der beiden anderen überschritten wird. Kann nach 1001 Schritten
wieder das gleiche Dreieck entstehen?
Problem 3.13 (3) (Invarianzprinzip) Neun 1×1-Zellen eines 10×10-Schachbretts sind infiziert. In
jedem Schritt wird jede Zelle infiziert, die mit mindestens zwei infizierten Zellen eine gemeinsame
Kante hat. Können nach einigen Schritten alle 100 Zellen infiziert werden?
Problem 3.14 (3) (Invarianzprinzip) Ein Chamäleon kann die Farben gelb, rot oder blau annehmen. Treffen zwei Chamäleons verschiedener Farbe aufeinander, so nehmen beide die dritte
Farbe an. Beispielsweise entstehen aus einem gelben und einem roten Chamäleon zwei blaue. Ist
es möglich, aus 14 gelben, 16 roten und 18 blauen Chamäleons 48 Chamäleons einer Farbe zu
erzeugen.
Problem 3.15 (2) (Färben) Ein Weihnachtsmann beschert jedes Jahr einen Wohnblock, der aus
7 mal 7 Häusern besteht, die wie auf einem Schachbrett angeordnet sind. Dabei besucht er jedes
Haus genau einmal und wechselt von einem Haus zum nächsten nur orthogonal, aber nie diagonal.
Von beispielsweise c3 aus kann er die Häuser auf c2,d3,c4,b3 betreten. Er hat festgestellt, dass er
in all den Jahren nie in das Haus zurückkehren konnte, mit dem er begonnen hat. Können Sie dem
Weihnachtsmann helfen ?
Problem 3.16 (3) (Färben) Ein rechteckiges Zimmer soll mit Fliesen der Form 1 × 4 und 2 × 2 gefliest werden. Nachdem das Zimmer erfolgreich gefliest wurde, erweist sich eine Fliese als schadhaft,
der Fliesenleger hat aber nur eine Fliese der anderen Art als die schadhafte als Ersatz. Man zeige,
dass es nicht möglich ist, das Zimmer ohne die schadhafte, aber mit der Ersatzfliese vollständig neu
zu fliesen.
Problem 3.17 (4) (Färben) Man zeige, dass ein 10 × 10 Schachbrett nicht durch 25 1 × 4Tetrominos (siehe Abbildung 2 links) bedeckt werden kann.
Problem 3.18 (3) (Färben) Kann man aus den 5 Tetrominos aus Abbildung 2 ein Rechteck bilden?
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Abbildung 2: 5 Tetrominos
Problem 3.19 a) (3) Man hat einen 3 × 3 und einen 4 × 4-Rahmen zur Verfügung. Legt man
einen davon vollständig auf ein Schachbrett, so wechseln die Felder innerhalb des Rahmens ihre
Farbe. Kann man durch fortgesetzte Verwendung dieser Rahmen jede schwarz-weiß-Färbung des
Schachbretts herstellen?
b) (4) (Färben) Die gleiche Aufgabe wie bei a), aber dieses Mal hat man einen 2 × 2- und einen
3 × 3-Rahmen zur Verfügung.
Problem 3.20 (3) Wie viele Folgen a = (a1 , a2 , . . . , an ) der Länge n mit ai ∈ {1, 2, 3, 4, 5} gibt es,
die die Bedingung |ai − ai−1 | = 1 für i = 2, 3, . . . , n erfüllen?
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