THEMEN | BERICHTERSTATTUNG UND KOMMUNIKATION | Warum Produktqualität nicht mehr genügt Aus der Reihe „Integritätsmarketing“ – Qualität, Preis-Leistung und Service: Die Klassiker des Produktmarketings reichen nicht mehr aus, um Kunden langfristig an die Marke zu binden. Denn Verbraucher hinterfragen zunehmend das Produktumfeld. Von Dr. Dennis Lotter und Jerome Braun Die ganzheitliche Betrachtung der Herstellungsbedingungen und des Unternehmens hinter dem Produkt spielt eine immer größere Rolle. Noch vor der Qualität der Produkte und Dienstleistungen rangieren laut dem bekannten Edelmann Trust Barometer transparente und ehrliche Geschäftspraktiken und der gute Umgang mit den Mitarbeitern als zentrale Reputationsfaktoren von Unternehmen.1 An der Spitze steht das Vertrauen zum Unternehmen, das 69 Prozent der Befragten als wichtigsten Reputationsfaktor benennen. Angesichts der heutigen Informationsflut – 5.000 Markenbotschaften soll ein durchschnittlicher Konsument pro Tag ausgesetzt sein – wird das Vertrauen der Kunden in die Marke und das Unternehmen zu einem Differenzierungsmerkmal erster Güte. Ursula Wilms aus der Unternehmenskommunikation von Miele berichtet im Kurzinterview über die Arbeit an einer Marke, die weltweit Spitzenpositionen in puncto Markenvertrauen belegt. Was leistet Miele, um das Vertrauen der Anspruchsgruppen in die Produkte und Marke sicher zu stellen? Wilms: Miele hat schon seit jeher den gesamten Produktlebenszyklus im Blick: von der Entwicklung und der Produktion über den Gebrauch der Geräte in Haushalt und Gewerbe bis hin zu Transport und Logistik und schließlich der Entsorgung. Dabei gilt die Maxime, langlebige und qualitätsvolle Produkte zu produzieren, unter Bedingungen, die Umwelt und Menschen gerecht werden. Das versuchen wir auch in unserem aktuellen Nachhaltigkeitsbericht „Denken in Generationen“ deutlich zu machen. Genügt es als vertrauenswürdige Marke, die eigenen Prozesse nachhaltig zu gestalten? Um die Prozesse allein geht es nicht, sondern vor allem um die Ergebnisse dieser Prozesse. Bei Miele sind dies letztendlich die Haus- und Gewerbegeräte. Wir gestalten sie so energieeffizient, langlebig, sicher, komfortabel und zukunftsfähig wie möglich. Mit Zusatzfunktionen vieler Modelle können die Benutzer selbst Einfluss nehmen auf den Energie-, Wasser- und Waschmittelverbrauch. Geräte mit Smart Grid-Anbindung gehen noch einen Schritt weiter, ebenso Wärmepumpentrockner oder Solartrockner. Unsere Kunden befassen sich also vielfach zwangsläufig mit dem Themenkomplex Nachhaltigkeit. So zentral die Produktqualität bei der Kaufentscheidung auch ist: Die Erwartungen der Verbraucher gehen längst darüber hinaus. Es ist die Lebensqualität, die wir für uns und andere erhöhen wollen, wenn wir Produkte und Dienstleistungen konsumieren. Ein Produkt, das die Lebensqualität erhöht, berücksichtigt laut aktueller Trendstudie der Otto Group soziale und ökologische Kriterien wie menschenwürdige Arbeitsbedingungen, regionale Herkunft oder umweltfreundliche Herstellungsmethoden. Doch neben dem Nutzen für Umwelt und Gesellschaft darf der individuelle Nutzen nicht zu kurz kommen z.B. durch eingesparte Zeit und Kosten oder die aktive Mitgestaltung von Produkten. Die Marke mymuesli baut auf ein Geschäftskonzept auf, das diese Faktoren vereint. Mitgründer und Geschäftsführer Max Wittrock gibt im Kurzinterview einen Einblick hinter die Kulissen. 1 http://www.edelman-newsroom.de/images/2011TrustBarometer_Germany.pdf 112 forum Nachhaltig Wirtschaften | BERICHTERSTATTUNG UND KOMMUNIKATION | THEMEN Ein Beispiel für authentische Kommunikation? Mit dem Werbevideo für die grüne Bahncard will die Deutsche Bahn Verantwortungsbewusstsein signalisieren. Das Produkt ist grün, doch der Konzern noch lange nicht: „In Wirklichkeit hat die Bahn einen dreckigen Strom-Mix: 45 Prozent Kohle und 20 Prozent Atom“, so Gerald Neubauer von Greenpeace. Welche Anforderungen stellen Konsumenten heute – neben klassischen Aspekten wie Preis und Qualität? Wie gehen Sie darauf ein? Wittrock: Für uns ist es immer schwierig, hier für unsere Kunden zu antworten, denn Kern unseres Modells sind die unterschiedlichen Wünsche der Kunden, ihre unterschiedliche Motivation, ein Produkt zu kaufen bzw. sich ihr Müsli anders als jeder andere zusammenzustellen. Aber man kann versuchen, Cluster zu bilden. Da gibt es dann z.B. eine Gruppe von Kunden, denen gerade der regionale Aspekt wichtig ist, oder diejenigen, die auf die 100 Prozent Bio-Qualität fokussieren. All diese unterschiedlichen Aspekte versuchen wir zu berücksichtigen: Durch Mass-Customization2 oder breite Auswahl der fertigen Müslis, durch transparente Wertschöpfungsketten, Regionalität und Offenheit gegenüber den Kunden. Foto: © DB Wie wichtig ist es für eine Marke, „Position zu beziehen“, sich also zu bestimmten Werten und Überzeugungen zu bekennen? Während der Kunde bei uns selbst festlegt, was ihm wichtig ist und den Innovationsprozess zum individuellen Endprodukt selbst übernimmt, stellen wir als Unternehmer an alle Produkte den gleichen Wertanspruch: Immer bio, immer möglichst regional, bewährte Lieferantenbeziehungen, ein schneller, direkter Kontakt und Kundenservice, um mal ein paar zu nennen. Das ist auch für viele Kunden wichtig, doch persönlich legen wir großen Wert darauf. Allgemein geht es um Stringenz und um Glaubwürdigkeit. Wenn ich nachvoll- ziehbar und aus meinen inneren Werten heraus Position beziehe, dann ist das sicher ein wichtiges Differenzierungsmerkmal für die Marke. Die Herausforderung zukunftsfähiger Produkte besteht darin, den individuellen Bedürfnissen der informierten und vernetzten Kunden gerecht zu werden und gleichzeitig eine kontinuierliche, gefestigte Werthaltung zu vermitteln, die Vertrauen und Bindung schafft. Diese Werthaltung muss sich in den Produkten, aber ebenso im Produktumfeld und den Herstellungsbedingungen wiederfinden. Einzelne Abteilungen können diese Herausforderung nicht bewältigen. Stattdessen ist eine ganzheitliche, integre Unternehmensführung die Basis für den langfristigen Erfolg. Die kompletten Interviews finden Sie unter: www.forum-csr.net, Stichworte „Miele“ und „mymuesli“. Zu den Autoren DR. DENNIS LOTTER und JEROME BRAUN begleiten mit ihrer Agentur Benefit Identity Unternehmen und Organisationen seit mehr als zehn Jahren bei der Gestaltung ihrer Markenintegrität durch eine verantwortliche Betriebsführung. Darüber hinaus sind sie gefragte Fachautoren und Vortragsredner. Dr. Dennis Lotter ist Studiengangleiter für Sustainable Marketing & Leadership, Fresenius Hochschule Idstein. www.benefitidentity.com 2 Prinzip der kundenindividuellen Massenproduktion. Die Grundlage bildet ein Basisangebot, darauf aufbauend lassen sich Produkte und Dienstleistungen in einer großen individuellen Vielfalt zusammenstellen. Der Ansatz ermöglicht eine kundenspezifische Problemlösung, ohne dabei auf die Kostenvorteile einer prozessorientierten Massenfertigung zu verzichten. www.forum-csr.net 113