F Fallbeschreibung Verlaufsbeschreibung eines dysplastischen Zellbildes bei HPV-Infektion – D. Haid Das seit 1971 im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführte regelmäßige Screening ist eine etablierte Methode der Krebsvorsorge der Frau und hat wesentlich dazu beigetragen, die Erkrankungshäufigkeit des Zervixkarzinoms zu reduzieren. Die Epithelatypien können sich bei mindestens 3-jähriger Nachkontrolle in 40-60% der Fälle mit Dyplasien und in 25% der Fälle mit Ca in situ wieder zurückbilden. Ein Teil der Läsionen bleibt jedoch jahrelang bestehen, wobei sich in ca. 30% der Fälle aus einem Ca in situ ein invasives Karzinom entwickelt.3 Zytologisches Zellbild Pathognomonisch für eine HPVInfektion im Portio-/Zervixabstrich sind die Koilozyten. Es handelt sich hierbei um mit HPV infizierte zervikale Plattenepithelien mit mittig verbreiterter, ödematöser, optisch leerer Zone und einem an den Rand gedrängten verdichteten Zytoplasma. Die Zellkerne können pyknotisch, dyskaryotisch oder polymorph mit perinukleären Spalten imponieren. Neben den Koilozyten geben sogenannte Dyskeratozyten, die eine Verhornungstendenz zeigen, als auch Doppel-/Mehrkernigkeit der befallenen Plattenepithelien Hin- weise auf eine Infektion durch HPV. Interessanterweise verschwinden diese Zeichen bei höhergradigen Läsionen. Histologisches Bild Im Gegensatz zum Zellabstrich können in den histologischen Schnitten Koilozyten bei allen Schweregraden der intraepithelialen Neoplasien gefunden werden. Je nach Polarität und basoapikaler Schichtung der Epithelien sowie Ausmaß des Kernatypiengrades wird zwischen leichter (CIN I), mittelgradiger (CIN II) und schwerer Dyplasie/Ca in situ (CIN III) unterschieden. Zusätzlich findet sich noch eine erhöhte Mitoserate, die im zytologischen Bild nicht nachvollziehbar ist. Der Fall Nach einer längeren Pause lässt die 29-jährige Patientin wieder eine Krebsvorsorgeuntersuchung vornehmen. Zytologisch wird ein PapIIID mit Verdacht auf HPV-Infektion diagnostiziert. Das entzündliche Zellbild zeigt eindeutige Koilozyten mit Dyskaryosen an den Zellkernen der oberen und mittleren Schicht und es finden sich zusätzlich Dyskeratozyten und Doppelkernigkeit (Abb.1,2,3). Die Kerne weisen eine Hyperchromasie Abb. 1: 10 x 40, zytologisches Zellbild von Dyskaryosen am Plattenepithel mit Koilozyten bei Verdacht auf HPV-Infektion. 16 Aus Cyto-Info 1/ 2003, Herausgeber: Verband Deutscher Cytologisch Tätiger Assistenten e.V Einleitung Die virale Tumorgenese des Zervixkarzinoms und seiner Vorstufen durch das Human-Papilloma-virus ist heute unbestritten. Zahlreiche Virustypen konnten identifiziert werden, wobei in präkanzerösen Plattenepithelveränderungen insbesondere die Typen HPV 16 und/oder 18 nachgewiesen werden konnten. Demzufolge wird von Patienten und Therapeuten immer wieder gefordert, eine Identifikation der Serotypen des HPV durchzuführen, um die sogenannten high-risk-Papillomviren von den anderen HPV-Viren abzugrenzen.5 Die Übertragung des Virus erfolgt sexuell. In der reproduktiven Phase sind über 2/3 der Frauen nachweislich einmal in ihrem Leben infiziert. Die spontane Rückbildungsquote ist sehr hoch und da viele Infektionen symptomlos verlaufen, werden sich die Frauen eines Befalls mit HPV gar nicht bewusst. Somit steht auch fest, dass es neben einer Infektion noch weitere Faktoren gibt, die letztendlich zur Ausbildung eines Karzinoms führen. Zu den epidemiologisch ermittelten Faktoren, die zu einer Erhöhung des Karzinomrisikos führen können, gehören u.a. Erbfaktoren, endokrine Faktoren sowie Lebensalter, Ernährung und Umwelt. Speziell beim Zervixkarzinom werden früher Geschlechtsverkehr, häufiger Partnerwechsel, chronische Entzündungen, orale Kontrazeption und Zigarettenrauchen diskutiert.2 Eine Studie von Riethdorf et al. weist einen Zusammenhang nach zwischen Telomeraseaktivität und der HPV-Infektion, wobei eher HPV 16 als HPV 18 isoliert werden konnten. Zudem konnten eine vermehrte Exprimierung der Onkogene E6/E7 nachgewiesen werden sowie eine erhöhte Anfärbbarkeit des Gewebes mittels p16 ink 4a.6 Manche Arbeitsgruppen beschäftigen sich wissenschaftlich mit der Möglichkeit, gegen HPV-Viren zu impfen. Aus Cyto-Info 1/ 2003, Herausgeber: Verband Deutscher Cytologisch Tätiger Assistenten e.V und stellenweise eine Anisokaryose sowie Anisomorphie auf. Die Kernmembranen sind teilweise verstärkt, die Kern-Plasma-Relation ist zugunsten der Kerne verschoben Bei der empfohlenen Kontrolluntersuchung ein Vierteljahr später zeigt sich unverändert das gleiche Bild. Nach einer weiteren Untersuchung mit leichter Progression gegenüber den Vorgängerabstrichen erfolgt die Konisation. Der Konus wird bei uns im Institut aufgearbeitet und bestätigt die zytologische Diagnose einer leichten bis mäßigen Dysplasie (Abb. 4, 5). Im Bereich der Transitionalzone erkennt man eine leichte Schichtungsstörung, die Zellen der mittleren Schichten sind vakuolär aufgetrieben bis blasig, die Schichtungsstörung maximal bis in die mittlere Epithelzellschicht ist nachvollziehbar. Das histologische Bild zeigt ebenfalls deutliche Koilozyten. Die ekto- und endorzervikalen Absetzungsränder sind dysplasiefrei, nur im Stroma zeigt sich ein etwas dichteres lymphoplasmazelluläres Entzündungsinfiltrat. Die histologische Diagnose lautet: Portiokonus mit ausgedehnten bis mittelgradigen koilozytären Dysplasien der Transitionalzone, dysplasiefreie ekto- und endozervikale Absetzungsränder. Der Kontrollabstrich ein Vierteljahr später weist im zytologischen Bild erneut deutliche Dyskaryosen bis zur mittleren Plattenepithelzellschicht auf, wiederum in Verbindung mit Koilozyten und Dyskeratozyten. Auch in weiteren Abstrichen mit zeitlichen Abständen bleiben diese Veränderungen bestehen. rung) erfolgte und die übrigen Epithelreste sich als histologisch unauffällig erwiesen. Jedoch waren auch diese bereits HPV-infiziert und führten später erneut zu den typischen oben beschriebenen zytologischen Veränderungen Diskussion Die Persistenz des koilozytär beherrschten zytologischen Befundes auch in mehrmaligen Kontrollabstrichen nach durchgeführter Konisation zeigt, dass durch diese operative Maßnahme eine Entfernung des dysplastischen Epithels (und somit der präkanzerösen Verände- Dieser Fall birgt zwei Diskussionsansätze in sich: 1. Warum soll durch eine zusätzliche teure Untersuchungsmethode die schon im konventionellen Abstrich erkannte Tatsache der HPVInfektion noch bestätigt werden? Die aufgrund des zytologischen Befundes eingeleiteten Kontrollunter- Abb. 2: 10 x 20, histologisches Korrelat zum zytologischen Befund, Übersicht. Abb. 3: 10 x 40, vergrößerter Ausschnitt im histologischen Bild, mit Blaufilter. 17 suchungen werden bei einer längeren Persistenz und/oder Progression der präkanzerösen Vorstufen am Plattenepithel ja per se zu geeigneten Therapiemaßnahmen führen. Dies ist ja der eigentliche Ansatz der Zytologie, dass man eine maligne Entartung der intraepithelialen Läsionen durch rechtzeitiges Eingreifen mittels Operation (Konus, Laser,...) verhindern möchte. Allein die Diagnose eines latenten high-risk-Papillomvirus bietet noch keinerlei Möglichkeit einen Risikoverlauf bei der Patientin vorherzusagen, da die Inzidenz für die Erkrankung an einem Zervixkarzinom verdacht besitzen im Allgemeinen noch kaum weitergehende diagnostische und therapeutischen Konsequenzen. Verfasser: Dagmar Haid CT (IAC-GYN) Gmelch Str. 6 83278 Traunstein Literaturnachweis: 1. Schneider V: Der konventionelle Zervixabstrich – Noch zeitgemäß? Cyto-Info 2002; 21: 46-49. 2. Schneider A. , Dürst M. , Klug S.J. , Kaufmann A. et al., Epidemiologie, Ätiologie, und Prävention des Zervixkarzinom. Der Onkologe 2001; 7: 825-826 Abb. 4: 10 x 40, zytologisches Zellbild von Dyskaryosen am Plattenepithel mit Koilozyten bei Verdacht auf HPV-Infektion. 3. Becker N., Wissenschaftliche Nutzung von Krebsregisterdaten, Der Onkologe 2002: 8,27. 4. Herz E.D., Jann A., Bruns J., Grenzen zwischen Wirtschaftlichkeit und medizinischer Notwendigkeit, Der Onkologie 2002; 8: 61. 5. Jones MW, Kounelis S, Papadaki H et al: Well-differentiated villoglandular adenocarcinoma of the utterine cervix: Oncogene/Tumor suppressor gene alterations and human papillomavirus genotyping. Int J Gynecol Pathol 2000; 19: 110-117. 6. Riethdorf S, Riethdorf L, Schulz G, et al: Relationship between telomerase activation and HPV 16/18 oncogene expression in squamous intraepithelial lesions and squamous cell carcinomas of the uterine cervix. Abb. 5: 10 x 40, zytologisches Zellbild von Dyskaryosen am Plattenepithel mit Koilozyten bei Verdacht auf HPV-Infektion. zwar 3-4-fach erhöht ist, aber nicht zwangsläufig erfolgen muss.1, Schneider V. 2. Bislang gibt es noch keine Behandlungsmöglichkeiten um bei einer HPV-Infektion gegen das Virus selbst vorzugehen. Wichtiger wäre eine mögliche Therapie des Partners (z.B durch Entfernung der Kondylome), da es sonst zu Reinfektionen kommen kann. Fazit In Zeiten der Kostenexplosion im Gesundheitswesen ist es eher fraglich, teure zusätzliche Diagnostik versus einer kostengünstigen Reihenuntersuchung zu propagieren, wenn doch der eigentliche Nutzen für die Patientinnen derzeit nicht zu realisieren ist. Über diverse Register und Statistiken zu unterschiedlichen Karzinomarten ist teilweise sogar eine Überversorgung im Rahmen der Krebsvorsorge/-nachsorge in Deutschland belegt.4, Herz E.D. Wir als Zytologen müssen auf die Zell- und Kernveränderungen reagieren, welche nachweislich zu einer Neoplasie führen können. Die Zytodiagnostik der Cervix uteri bleibt die etablierte Methode bei der Krebsvorsorge der Frau. Zusätzliche Untersuchungen wie eine HPV-Subtypisierung bei Infektions- 18 Aus Cyto-Info 1/ 2003, Herausgeber: Verband Deutscher Cytologisch Tätiger Assistenten e.V Int J Gynecol Pathol 2001; 20: 177-185.