MIKROWELLENTECHNIK Versuch 2. Mikrowellentechnik 1 MIKROWELLENTECHNIK 1. Allgemeines Vor Praktikumsantritt ist mit dem Assistenten abzusprechen, welcher Versuch durchgeführt werden möchte. Vor jedem Versuch findet ein Antestat statt. Das Protokoll ist von allen Versuchsdurchführenden zu unterschreiben. Die Abgabe des Protokolls hat spätestens 4 Wochen nach dem Versuch zu erfolgen. Das gleiche gilt für die Abholung des Protokolls. Ansonsten Versuch 1: ist der Versuch ungültig und zu wiederholen. Extraktion von Trimyristin aus Muskatnuss Nach der Probenvorbereitung ist die zur Verfügung gestellte Droge zu extrahieren und die gewonnenen Triglyceridfraktionen sind zu analysieren. Versuch 2: Extraktion von Piperin aus Pfeffer Die zur Verfügung gestellte Droge ist zu extrahieren, das Produkt ist zu isolieren und zu charakterisieren. Versuch 3: Extraktion von Hesperidin aus Orangenschalen Die zur Verfügung gestellte Droge ist zu extrahieren. Der Extrakt der ersten Extraktion wird im Kugelrohr destilliert und das Destillat gaschromatographisch untersucht. Aus dem zweiten Extrakt wird das Zielprodukt isoliert und charakterisiert. Versuch 4: Extraktion von Betulinsäure aus Platanenrinde Nach der Probenvorbereitung wird die zur Verfügung gestellte Droge extrahiert. Das Produkt wird aus Methanol umkristallisiert und charakterisiert. Versuch 5: Entfernung von organischen Schadstoffen aus Bodenproben mit Hilfe von Mikrowellentechnik Eine definiert mit organischen Schadstoffen dotierte Bodenprobe ist unter Verwendung des klassischen Soxhlet-Verfahrens und des alternativen Mikrowellenverfahrens zu extrahieren. Dabei sind durch gaschromatographische Analysen der Extrakte Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Verfahren zu bestimmen. 2 MIKROWELLENTECHNIK 2. Einführung in die Mikrowellentechnik Verzeichnis der verwendeten Symbole λ0 Wellenlänge im Vakuum c Lichtgeschwindigkeit f Frequenz εr/εr' relative Dielektrizitätskonstante C Kapazität C0 Kapazität im Vakuum εr'' dielektrischer Verlustfaktor σ dielektrische Leitfähigkeit D Dissipationsfaktor x Eindringtiefe 3 MIKROWELLENTECHNIK Einleitung Die Mikrowellentechnik ist eine relativ junge Technik, die erst unmittelbar vor Beginn des zweiten Weltkrieges in Form des Radarsystems entwickelt wurde. Ab etwa 1970 kam es zu einer weiten Verbreitung der Nutzung von Mikrowellenstrahlung im Bereich der Lebensmittelindustrie. Im Laufe der achtziger Jahre wurde dann die Anwendung von Mikrowellentechnik im Labor- und Prozessbereich intensiviert. Auf dem Gebiet der Probenvorbereitung zur Bestimmung von organischen Schadstoffen in verschiedenen Matrices wird seit Jahren nach Alternativen zur klassischen Soxhlet-Extraktion gesucht, da diese mit langen Versuchszeiten und hohem Lösemittelbedarf einhergeht. Zu derartigen alternativen Extraktionsmethoden gehören z.B. die Supercritical-Fluid-Extraktion (SFE), die ultraschallgestützte Extraktion, die mikrowellenunterstützte Extraktion und in jüngster Zeit die beschleunigte Lösemittel-Extraktion (ASE). Bei allen Verfahren konnte der Zeitaufwand und der Lösemittelbedarf bei gleichen oder besseren Wiederfindungsraten der zu extrahierenden Verbindungen deutlich reduziert werden. Dieser Effekt ist auf eine durch Drucksteigerung hervorgerufene Siedepunktserhöhung des eingesetzten Extraktionsmittels zurückzuführen. Mikrowellenunterstützte Extraktionsmethoden sind vor allem durch die Arbeitsgruppen um GANZLER [1] , LOPEZ-AVILA [2] und SCHWEDT [3] aber durch Arbeiten der eigenen Arbeitsgruppe [4] bekannt geworden. Die Anwendung der Mikrowellenstrahlung im chemischen Labor beschränkt sich nicht auf Extraktionsverfahren. Die Nutzung von Mikrowellen als Energiequelle für chemische Reaktionen und Prozesse ist ein in den letzten Jahren intensiv untersuchtes [4], aber auch kontrovers diskutiertes Forschungsfeld [5, 6]. Eine mittlerweile nur noch schwer überschaubare Anzahl von Originalmitteilungen enthält das Leitwort „Mikrowellen“ bereits nur noch im Titel der Arbeit, ansonsten wird das Leitwort als bequemes Arbeitstool verstanden, über das nicht weiter (häufig nicht einmal im Syntheseprotokoll) berichtet wird! Eine relativ umfangreiche, leider nicht konsequent kritische Übersicht zur o. g. Problematik findet man in [7]. Beim vergleichenden Studium vorgenannter Publikationen fallen mehrere Punkte nachhaltig ins Auge: - Es gibt kaum noch einen Reaktionstyp bzw. eine Namensreaktion, der bzw. die noch nicht im Mikrowellenfeld getestet wurde. - Die Reaktionsbedingungen und die genutzten Mikrowellensysteme wurden dabei in der Regel – unabhängig vom Scientific-Impact-Wert der Zeitschrift und ihrem 4 MIKROWELLENTECHNIK Begutachtungssystem - meist so mangelhaft beschrieben, dass fremden Arbeitsgruppen eine Reproduzierung der häufig attraktiven reaktionstechnischen Parameter wie Umsatz, Ausbeute und Selektivität kaum gelingt. - Es existiert keine einzige Reaktion, welche nur ausschließlich im Mikrowellenfeld abläuft: Es gibt stets analoge Beispiele unter klassischen, soll heißen: thermischen Bedingungen. Grundlagen Über die Grundlagen der Extraktion ist sich vor Beginn des Versuches in der einschlägigen Literatur (z.B. E.-U. Schlünder, F. Thurner in "Destillation, Absorption, Extraktion", Georg Thieme Verlag, Stuttgart-New York 1986) zu informieren, da auf deren Erörterung an dieser Stelle zugunsten der Grundlagen der Mikrowellentechnik verzichtet wird. Mikrowellenstrahlung gehört innerhalb des elektromagnetischen Strahlungsspektrums zum Bereich der hochfrequenten elektromagnetischen Wellen. Ihr Frequenzbereich erstreckt sich von 3 *102 MHz bis 3 *105 MHz, wobei durch internationale Verträge nur vier Frequenzen für industrielle und wissenschaftliche Nutzung freigegeben wurden. Der dazugehörige Wellenlängenbereich liegt zwischen 102 und 10-1 cm. Die meistgenutzte Frequenz ist dabei 2450 MHz (λ=12,5 cm) [8]. Diese Frequenz wird in der großen Mehrzahl der Haushaltmikrowellengeräte genutzt, was sich im Preis der Magnetrone widerspiegelt. Die Charakterisierung von elektromagnetischer Strahlung erfolgt hauptsächlich durch die elektrische und die magnetische Feldstärke. Elektrische Feldstärke E (V m-1) und magnetische Feldstärke H (A m-1) sind Maße für Stärke und Richtung der Kraft auf ein ruhendes oder bewegtes geladenes Teilchen im elektromagnetischen Feld. Ändern sich Feldstärke und Feldrichtung in der Sekunde mehrere Tausend oder Millionen mal, spricht man von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern. Diese breiten sich im Vakuum mit Lichtgeschwindigkeit aus und übertragen dabei in Ausbreitungsrichtung Energie. Die Wellenlänge λ0 steht mit der Frequenz über Gleichung (1) in Verbindung. Dabei gibt die Frequenz die Anzahl der Schwingungen des elektrischen bzw. magnetischen Feldes in einer Sekunde an [λ0= Wellenlänge im Vakuum (cm), c = Lichtgeschwindigkeit (2,998.1010 cm s-1), f = Frequenz (Hz = s-1)]. 5 MIKROWELLENTECHNIK λ0 = c f (1) Die Energieübertragung bei der Mikrowellentechnik erfolgt durch Wechselwirkung der elektromagnetischen Strahlung mit polaren Molekülen. Sie kann sowohl durch Rotation als auch durch ionisches Leitfähigkeitsvermögen der Moleküle hervorgerufen werden. Daher ist die Wärmeübertragung umso stärker, je größer das Dipolmoment bzw. das Dielektrikum des Reaktionsmediums ist [9]. Eine vereinfachte Darstellung des Mechanismus der Erwärmung polarer Lösungsmittel durch Mikrowellenstrahlung wird am Beispiel des Wassermoleküls in Bild 1 gegeben. λ + Änderung der Polarisierung des elektrischen Feldes - O H H + + + + + H H O - + O H H + + - Zeit Abb. 1: Energieübertragung durch Mikrowellenstrahlung am Beispiel des Wassermoleküls Das sich schnell ändernde elektrische Feld der Mikrowellenstrahlung führt zur Rotation der Wassermoleküle. Infolge dieses Vorganges findet eine "innere Reibung" im polaren Medium statt, die zur direkten, nahezu gleichmäßigen Erwärmung des Reaktionsgemisches führt. Andererseits führen Reflexionen an lokale Grenzflächen zu so genannten "Hot Spots" und verursachen einen "Superheating"-Effekt, der teilweise erhebliche Siedepunktserhöhungen der eingesetzten Lösemittel hervorruft. Diese sind in Tabellen dokumentiert. Die Einkopplung der Mikrowellenenergie in das Medium ist von den dielektrischen Eigenschaften des zu erwärmenden Stoffes abhängig, d.h. davon, wie stark die Mikrowellenstrahlung am Durchgang durch einen Stoff gehindert wird [10]. 6 MIKROWELLENTECHNIK Ein Maß dafür ist die relative Dielektrizitätskonstante εr, die für jeden Stoff und Zustand charakteristisch ist. εr steht mit der Kapazität C, d.h. mit der Fähigkeit elektrische Energie zu speichern, über Gleichung (2) in Verbindung: εr = C C0 (2) εr wird im elektromagnetischen Feld durch einen imaginären Teil iεr'' nach Gleichung (3) erweitert (i2 = -1): εr = εr ' + iεr '' (3) Der dielektrische Verlustfaktor εr'' wird erhalten, wenn die eingestrahlte Mikrowellenenergie mit der tatsächlich in eine Probe eingekoppelten verglichen wird. εr'' ist von der dielektrischen Leitfähigkeit σ und von der Frequenz f über Gleichung (4) abhängig: εr ' ' = σ 2 πf (4) Der Grad der Energieeinkopplung in ein Reaktionssystem wird von beiden Größen εr' und εr'' bestimmt und als Dissipationsfaktor D = tan δ bezeichnet, Gleichung (5): D = tan δ = εr ' ' εr ' (5) Der Dissipationsfaktor definiert die Fähigkeit eines Mediums, bei gegebener Frequenz und Temperatur elektromagnetische Energie in Wärmeenergie umzuwandeln. Er kann auch als ein 7 MIKROWELLENTECHNIK Maß für die Eindringtiefe x der Mikrowellenstrahlung in ein Material verstanden werden und verhält sich umgekehrt proportional zu x, Gleichung (6): tan δ ~ 1 x (6) Der Dissipationsfaktor ist je nach dem Mechanismus der Energieeinkopplung (Ionenleitung oder Dipolrotation) von verschiedenen Faktoren abhängig und direkt proportional der Ionenkonzentration, Ionengröße, Mikrowellenfrequenz und Viskosität des reagierenden Mediums. Der Dissipationsfaktor von Wasser nimmt mit steigender Temperatur ab, d.h. die Einkopplung von Mikrowellenstrahlung in Wasser verschlechtert sich bei höheren Temperaturen. Damit nimmt die Eindringtiefe der Mikrowellenstrahlung zu. Sowohl Dielektrizitätskoeffizienten als auch Dissipationsfaktoren sind für zahlreiche Stoffe, wie z.B. organische und anorganische Verbindungen sowie Kunststoffe, Keramiken, Wachse, Gläser und Lebensmittel, in der Literatur dokumentiert (z.B. [10,11]). Die Wechselwirkung von elektromagnetischer Strahlung mit Materie wird durch drei verschiedene Zustände charakterisiert, die in Bild 2 dargestellt sind [12]. Absorption Transmission Reflexion Abb.2: Wechselwirkung von Mikrowellenstrahlung mit Materie [6] Stoffe mit hohem Dielektrikum führen zu starker Absorption von Mikrowellen und damit zu einer starken Erwärmung des Mediums. Das bedeutet, dass εr'' und damit tan δ groß und die Eindringtiefe der Mikrowellenstrahlung in das Medium klein ist. Es kommt zu einer optimalen Energieeinkopplung in das System. 8 MIKROWELLENTECHNIK Wird die Mikrowellenstrahlung von der Materialoberfläche reflektiert, erfolgt keine Energieeinkopplung in das System. Das Aufheizen des Materials bleibt aus. Dies trifft vorallem für Metalle mit hoher elektrischer Leitfähigkeit zu. Um zu verhindern, dass Mikrowellenstrahlung nach außen dringt, sind Mikrowellengeräte daher im Inneren mit einer Metalloberfläche verkleidet (Prinzip des Faraday'schen Käfigs). Die Kenntnis der Materialeigenschaften gegenüber Mikrowellenbestrahlung wurde bei der Entwicklung von Gefäßmaterial berücksichtigt und innerhalb der vergangenen Jahre durch entsprechende Auswahl und Neuentwicklungen den Anforderungen der analytischen und präparativen Chemie weitestgehend angepasst. Literatur: • SCHLÜNDER/THURNER: Destillation, Absorption, Extraktion, Georg Thie me Verlag, Stuttgart, New York 1987 [1] [2] K. Ganzler, I. Szinai, A. Salgó, J. Chromatogr. 1990, 520, 257 V. Lopez-Avila, R. Young, J. Benedicto, P. Ho, R. Kim, W.F. Beckert, Anal. Chem. 1995, 67, 2096 a) U. Nüchter, B. Ondruschka, H. G. Struppe, M. Nüchter, Chem. Technik 1998, 50, 249 b) C. Struppe, M. Nüchter, B. Ondruschka, Chem. Technik 1999, 51, 127 z. B. a) S. Caddick, Tetrahedron 1995, 51, 10403, b) A. Loupy (ed.) “Microwaves in Organic Synthesis”, Wiley-VCH, Weinheim 2002, c) D. M. P. Mingos, D. R. Baghurst “Applications of Microwave Dielectric Heating Effects to Synthetic Problems in Chemistry” in: Microwave Enhanced Chemistry (Eds.: H. M. Kingston, St. J. Haswell) ACS, Washington (DC) 1997, 3 a) M. Nüchter, U. Müller, B. Ondruschka, A. Tied, W. Lautenschläger, Chem. Ing. Tech. 2002, 74, 910 b) M. Nüchter, B. Ondruschka, Nachrichten aus der Chemie, 2003, 51, 522 A. Loupy, A. Petit, J. Hamelin, F. Texier-Boullet, P. Jacquault, D. Mathe, Synthesis 1998, 1213 a) K. C. Westaway, R. N. Gedye J. Microwave Power and Electromagn. Energy 1995, 30, 219, b) D. A. C. Stuerga, P. Gaillard J. Microwave Power and Electromagn. Energy, 1996, 31, 101 P. Lidström, J. Tieney, B. Wathey, J. Westmann, Tetrahedron 2001, 57, 9225 C. R. Strauss, R. W. Trainor, Aust. J. Chem. 1995, 48, 1665 C. Gabriel, S. Gabriel, E. H. Grant, B. S. J. Halstead, D. M. P. Mingos, Chem. Soc. Rev. 1998, 27, 213, [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] th [11] [12] D. R. Lide in: CRC Handbook of Chemistry and Physics, 76 ed., CRC press, Boca Raton, Ann Arbor, London, Tokyo 1992, Sec. 6, 193 W. Lautenschläger, T. Schweizer, Laborpraxis 1990, 5, 376 9