Wer gewinnt den Wettlauf um das Kilogramm?

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Panorama
Metrologie
Wer gewinnt den Wettlauf
um das Kilogramm?
Vier Verfahren konkurrieren um den neuen Massenstandard
Ernst O. Göbel
Im Internationalen Einheitensystem (SI) ist das
Kilogramm, die Einheit der Masse, die einzig
verbliebene Einheit, die seit 1889 durch eine
Maßverkörperung, das Ur-Kilogramm, dargestellt wird. Vergleichsmessungen zwischen den
verschiedenen nationalen Prototypen mit dem
Ur-Kilogramm legen den Schluss nahe, dass die
Masse des Ur-Kilogramms zeitlich nicht konstant ist. Derzeit sind weltweit vier Experimente
in Entwicklung, mit denen die Stabilität des UrKilogramms überwacht werden soll und die
möglicherweise auch die Grundlage für eine
Neudefinition der Masseneinheit liefern könnten.
Abb. 1:
Das Ur-Kilogramm
steht im Bureau
International des
Poids et Mesures
(BIPM) in Sèvres.
Dort wird es durch
eine dreifache
Glasglocke vor
äußeren Einflüssen
geschützt. Dennoch scheint sich
seine Masse im
Lauf der Zeit zu
ändern.
V
on den sieben Basiseinheiten des 1960 eingeführten Internationalen Einheitensystems, des Systeme Internationale des Unité (SI), wird heute nur
noch die Einheit der Masse, das Kilogramm, durch eine
physikalische Maßverkörperung, das Ur-Kilogramm
dargestellt. Dieses besteht aus einer Platin-IridiumLegierung und wird durch eine dreifache Glasglocke
geschützt (Abb. 1) in einem Stahlschrank im Untergeschoss des Internationalen Büros der Meterkonvention
(BIPM) in Sèvres bei Paris aufbewahrt. 1889 wurden
insgesamt 42 Pt/Ir-Kilogrammprototypen hergestellt,
deren Massen maximal 1 mg voneinander abwichen.
30 davon wurden unter den Mitgliedsstaaten der
Meterkonvention verlost. Vergleichsmessungen zwischen diesen verschiedenen nationalen Prototypen sowie anderer Duplikate mit dem Ur-Kilogramm zeigen
jedoch, dass die Massenwerte mit der Zeit mit einer
Rate von etwa 0,5 × 10 –9 kg/a auseinanderlaufen
(Abb. 2). Obwohl sich nicht eindeutig feststellen lässt,
welche der Massenstücke sich verändern, legen die
Messungen den Verdacht nahe, dass das Ur-Kilogramm
nicht stabil ist. Um dies zu überprüfen, sind unabhängige Methoden notwendig, die eine Rückführung der
Masseneinheit auf eine unveränderliche Größe, z. B.
die Planck-Konstante h oder die Masse eines Atoms
oder eines Elementarteilchens, mit einer erforderlichen
relativen Messunsicherheit von besser als 10 –8 erlauben. Zu diesem Zweck werden derzeit in verschiedenen nationalen Metrologieinstituten – z. T. in weltweiter Kooperation – vier unterschiedliche experimentelle
Ansätze verfolgt, die nachstehend beschrieben werden
und deren derzeitiger Stand diskutiert wird.
Die Watt-Waage
Bei der so genannten Watt-Waage wird eine durch
eine Masse bewirkte Gewichtskraft mit einer elektromagnetischen Kraft (Lorentz-Kraft) verglichen. Werden
die elektrischen Größen mittels des Josephson- bzw.
Quanten-Hall-Effekts [1] gemessen, lässt sich die Einheit Kilogramm auf die Planck-Konstante h zurückführen. Dieser Ansatz, den Bryan Kibble bereits 1976
vorgeschlagen hat [2], wird derzeit an drei Instituten,
dem National Physical Laboratory (NPL) in England,
dem National Institute of Standards and Technology
(NIST) in USA und dem Eidgenössischen Amt für
Messwesen (EAM/OFMET) in der Schweiz verfolgt.
Das Experiment wird in zwei Schritten durchgeführt
(Abb. 3). In einem ersten Schritt (force mode) wird die
anziehende Kraft zwischen zwei je von einem Strom I
durchflossenen Spulen durch eine Gewichtskraft kompensiert, sodass gilt
m ⋅ g = −I ⋅
FG do IJ
H dz K
12
,
Prof. Dr. Ernst O.
Göbel ist Präsident
der PhysikalischTechnischen Bundesanstalt, Bundesallee 100, 38116
Braunschweig
(1)
Physikalische Blätter
57 (2001) Nr. 1
0031-9279/01/0101-35
$17.50+50/0
© WILEY-VCH Verlag GmbH,
D-69451 Weinheim, 2001
35
Panorama
Abb. 2:
Massenänderung verschiedener Kilogramm-Prototypen bezogen
auf das Ur-Kilogramm gemäß der internationalen Vergleichsmessungen 1950 und 1990. Die Werte gleicher Prototypen sind
zur besseren Identifikation durch Linien verbunden, wodurch
sich die Knicke im Jahre 1950 ergeben. Das starke Abknicken
bei drei der Normale ist wahrscheinlich auf unsachgemäße
Handhabung zurückzuführen. 1990 wurden außerdem weitere
Prototypen, die später hergestellt wurden, in die Vergleichsmessungen mit einbezogen, von denen angenommen wurde, dass
sie 1950 noch mit dem Ur-Kilogramm übereinstimmten.
wobei o der von den beiden Spulen aufgebaute magnetische Fluss ist. Im zweiten Schritt (velocity mode)
wird die eine Spule mit konstanter Geschwindigkeit v
gegenüber der zweiten Spule bewegt, die von dem gleichen Strom wie zuvor durchflossen wird. Dabei wird
die induzierte Spannung gemessen, für die nach dem
Induktionsgesetz gilt:
U=−
FG do IJ = −FG do IJ ⋅ FG dz IJ
H dt K H dz K H dt K
12
12
.
(2)
Durch Kombination von (1) und (2) erhält man:
m⋅g⋅v = U ⋅I
(3)
.
Abb. 3:
Das Watt-Waage-Experiment besteht aus
den zwei Teilschritten Force-Mode und
Velocity-Mode. In der Force-Mode wird die
Kraft zwischen den Spulen durch eine
Gewichtskraft kompensiert, in der Velocity-Mode wird eine Spule mit konstanter
Geschwindigkeit gegen die zweite bewegt
und die induzierte Spannung gemessen.
Abb. 4:
Aufbau des Watt-Waage-Experiments am
NIST. Es besteht aus einer Welle (1), über
das die beweglichen Teile (Hilfsspule, 2
und bewegliche Spule, 3), die jeweils mit
Massestücken beladen werden können,
verbunden sind. Der supraleitende Magnet (4) und die fixierte Spule (5) sind
starr mit der Welle und dem zusätzlichen
Magneten (6) verbunden. Der supraleitende Magnet (das umgebende Dewar ist
nicht gezeigt) erzeugt zusammen mit der
fixierten Spule außerhalb des Dewars ein
radialsymmetrisches Magnetfeld von
0,1 T (7) mit einem Gradienten in vertikaler Richtung. Der zusätzliche Magnet
mit der beweglichen Spule auf der linken
Seite dient zur Bewegung der rechten beweglichen Spule mit konstanter Geschwindigkeit (Velocity-Mode). Die Bewegung der rechten beweglichen Spule wird
mit Laserinterferometern in der horizontalen Ebene kontrolliert und in vertikaler
Richtung gemessen.
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Da die auf der linken Seite vorkommenden Größen in
SI-Einheiten gemessen werden, kann dieses Experiment auch als SI-Darstellung des Watt (1 W = 1 kg
m2s–3) verstanden werden. Der große Vorteil dieses Experiments besteht darin, dass weder die genaue Geometrie der Spule noch die magnetische Flussdichte und
deren räumlicher Verlauf bekannt sein müssen. Dafür
stellt das Experiment eine unglaubliche Herausforderung an insbesondere den mechanischen Aufbau und
die Justage der gegeneinander bewegten Teile dar, um
sicherzustellen, dass keine horizontalen Kraftkomponenten auftreten.
Werden die auf der rechten Seite stehenden Größen,
Strom und Spannung, mittels des Josephson- bzw.
Quanten-Hall-Effektes gemessen und somit auf die
Josephson- und von Klitzing-Konstante zurückgeführt,
lässt sich Gl. (3) umschreiben [3] in
m⋅ g ⋅ v =
h 2
KJ − 90 ⋅ RK − 90 ⋅ U ⋅ I
4
.
(4)
Dabei sind KJ-90 und RK-90 die 1990 festgelegten Werte
für die Josephson- und von Klitzing-Konstante für die
Darstellung von Volt und Ohm und U und I sind in
diesen Einheiten angegeben.
Wie Gl. (4) zeigt, kann man dieses Experiment also
auch zur Bestimmung des Planckschen Wirkungsquantums benutzen, vorausgesetzt, g und v lassen sich mit
hinreichender Unsicherheit bestimmen. Dies ist für die
Erdbeschleunigung mit Gravimetern möglich (relative
Standardunsicherheit einige 10 –9), wobei natürlich g
am Ort des Experiments bestimmt und berücksichtigt
werden muss, dass g über einen Tag abhängig vom
Stand von Sonne und Mond um einige 10 –7 variiert.
Die Geschwindigkeit ergibt sich aus einer interferometrischen Wegstreckenmessung, die derzeit durch die
notwendige Korrektur hinsichtlich des Brechungsindex
der Luft begrenzt wird. Umgekehrt lässt sich mit dem
Experiment, falls die geforderte Unsicherheit erreicht
wird, die Stabilität des Kilogramms überwachen, da
nach unserer derzeitigen Kenntnis und unserem Verständnis der Physik die Fundamentalkonstante h zeitlich (und örtlich) konstant ist. Zu bemerken ist, dass
hier wie auch in den beiden anschließend beschriebenen Experimenten der Ausgangspunkt eine höchst präzise Wägung (mit dem Ur-Kilogramm als Bezugsnormal) ist. Indem man aber die Testmasse auf unabhängigem Wege auf eine Fundamentalkonstante zurückführt,
kann bei Wiederholung der Prozedur eindeutig festgestellt werden, ob und gegebenenfalls um wieviel sich
die Testmasse oder das Ur-Kilogramm verändert haben. Darüber hinaus wird dadurch sichergestellt, dass
im Falle einer Neudefinition des Kilogramms über einen dieser Wege das „alte“ und das „neue“ Kilogramm
zu diesem Zeitpunkt gleich sind.
Abbildung 4 zeigt den Aufbau des NIST-Experiments, der sich über zwei Stockwerke erstreckt. Er besteht im Wesentlichen aus einem supraleitenden Magneten, der ein radialsymmetrisches Magnetfeld erzeugt,
in dem sich außerhalb des Dewars eine fixierte und eine bewegliche Spule befinden. Die bewegliche Spule ist
mit einer Waage verbunden, die sich oberhalb des Dewars befindet. Die Bewegung der Spule wird mit einem
Laserinterferometer gemessen. Derzeit wird das NISTExperiment grundlegend umgebaut, wobei sich danach
der zentrale Teil der Apparatur komplett im Vakuum
befinden wird, nicht zuletzt auch um die Unsicherheiten bei der Geschwindigkeitsmessung aufgrund des Ein-
Panorama
flusses des Brechungsindex der Luft zu reduzieren.
Im Jahre 1998 berichtete die NIST-Gruppe über eine
Bestimmung von h mit diesem Experiment [3, 4] mit
einer relativen Unsicherheit von 8,7 × 10 –8. Eine Verkleinerung dieser Unsicherheit um etwa eine Größenordnung würde also schon die eingangs gestellte Anforderung erfüllen. Nach dem Umbau werden erste Ergebnisse mit quantitativen Unsicherheitsangaben für 2002
erwartet. Dann sollten auch weitere Ergebnisse der
NPL-Watt-Waage und des etwas anders konstruierten
Aufbaus beim EAM/OFMET vorliegen und eine Prognose erlauben, ob eine Neudefinition des Kilogramms
über diesen Weg möglich ist. Dazu würde man dann
wahrscheinlich der Planck-Konstanten einen festen
Wert zuordnen (wie auch schon bei der Lichtgeschwindigkeit) und das Kilogramm auf diesen Zahlenwert
gemäß Gl. (4) zurückführen. Eine mögliche Neudefinition des Kilogramm könnte dann lauten:
„Ein Kilogramm ist die Ruhemasse eines Körpers,
die bei einem Vergleich mechanischer und elektrischer
Leistung einen Wert für die Planck Konstante h von
6,626 068 91 × 10 –34 J s ergibt“.
Hierbei wurde für den Wert von h (der dann keine
Unsicherheit mehr hätte) der derzeitige CODATA-Wert
[5] angenommen. Unter Ausnutzung der Beziehungen
E = mc2 und E = hv wurde von B. Taylor [6] als Alternative vorgeschlagen:
„Ein Kilogramm ist die Ruhemasse eines Körpers,
dessen Energie einem Ensemble von Photonen entspricht, deren Frequenzen sich zu 135 639 277 × 10 42
Hz aufsummieren“.
Der auftretende Zahlenfaktor ergibt sich als c2/h.
mittlere atomare Masse ergibt sich aus dem Volumen,
das ein Atom einnimmt, Va, multipliziert mit der Dichte r des Einkristalls. Das atomare Volumen seinerseits
erhält man aus dem Verhältnis des Volumens der SiEinheitszelle Vu und der mittleren Anzahl von Atomen
in der Einheitszelle n. Somit ergibt sich aus (6):
NA =
Vmol
Vu n
(8)
,
mit dem molaren Volumen
Vmol = Mmol/r = Mmol · V/m
.
V und m sind das Volumen bzw. die Masse des verwendeten Einkristalls. Die mittlere Anzahl der Atome in
der Einheitszelle beträgt in Silicium mit fcc-Struktur
im Idealfall acht, kann aber in realen Kristallen durchaus davon abweichen (z. B. durch Leerstellen oder
Zwischengitterplätze). Neben der Charakterisierung
Das Avogadro-Projekt
Unter dem Avogadro-Projekt werden mehrere
Experimente zusammengefasst, die die Präzisionsbestimmung der Avogadro-Konstanten NA (früher:
Loschmidt-Zahl) auf der Basis eines Silicium-Einkristalles zum Ziel haben [7]. Gemäß der Beziehung
1 kg = 10 3 N A ⋅ u
l q
,
(5)
wobei u die atomare Masseneinheit u = m(12C)/12 ist,
lässt sich somit die atomare Masseneinheit u bestimmen [8] bzw. dann wiederum bei der Kenntnis von
NA mit einer relativen Unsicherheit besser als 10 –8 das
Kilogramm direkt auf die atomare Masseneinheit u
zurückführen. Am Avogadro-Projekt sind derzeit mehrere Institute weltweit beteiligt (IRMM in Belgien,
IMGC in Italien, NRLM in Japan, NIST in USA,
CSIRO in Australien sowie die PTB), die sich in einer
Arbeitsgruppe des Internationalen Komitees der Meterkonvention (CIPM) unter der Federführung der PTB
zusammengeschlossen haben.
Die Avogadro-Konstante NA auf der Basis eines Silicium-Einkristalls ist die Zahl der Si-Atome in einem
Mol. Sie ergibt sich aus dem Verhältnis der molaren
Masse Mmol zur mittleren Masse eines Atoms ma,
NA= Mmol/ma .
(6)
Für natürliches Silicium mit seinen drei Isotopen
28
Si, 29Si und 30Si ergibt sich die molare Masse aus der
Summe der molaren Massen der jeweiligen Isotope, gewichtet mit der relativen Häufigkeit fi, in der sie in
dem für das Experiment vorgesehenen Einkristall vorkommen,
i
(7)
Mmol = ∑ fi Mmol
,
i
wobei i für die drei Isotope des Siliciums steht. Die
Abb. 5:
Relative Änderung des Abstandes der (220)-Netzebenen in Silicium mit der molaren Masse als Maß für die Isotopenzusammensetzung (obere und rechte Skala), der Dotierkonzentration
von Kohlenstoff und Sauerstoff sowie der Leerstellenkonzentration (untere und linke Skala). Die relative Änderung des Gitterparameters bei Variation der Isotopenzusammensetzung im relevanten Bereich liegt bei etwa 10 –9. Der Einfluss von Kohlenstoff, Sauerstoff und Leerstellen auf die relative Änderung ist
bei Konzentrationen im Bereich von 10 16 cm –3 deutlich größer.
der Si-Kristalle hinsichtlich Dotierung, Fremdatomen,
Leerstellen etc. sind die wesentlichen Messgrößen der
mittels Röntgeninterferometrie zu bestimmende Gitterparameter, die Dichte als Quotient aus Volumen und
Masse sowie die Zusammensetzung und Dicke der
Oberflächenoxidschicht. Die Anforderungen bezüglich
der Messunsicherheiten sind bei allen Messungen an
der Grenze des derzeit Möglichen. So muss z. B. für die
Dichtebestimmung die Form und der Durchmesser der
Si-Kugel auf einige Nanometer genau bekannt sein.
Dazu wurde in der PTB ein spezielles Kugelinterferometer konstruiert. Dieses Experiment setzt die Verfügbarkeit von wohlcharakterisierten Si-Einkristallen
höchster Qualität voraus. Qualität bezieht sich hier vor
allem auf Perfektion des Kristallgitters, geringe Verunreinigung, Homogenität insbesondere auch bezüglich
der Isotopenzusammensetzung und -verteilung. Wohlcharakterisiert bedeutet, dass alle möglichen Einflussgrößen, wie z. B. Hintergrunddotierung, auf die Messgrößen bestimmt werden und ihr jeweiliger Einfluss
quantitativ ermittelt werden muss. Beispielhaft für
diese Zusammenhänge ist in Abb. 5 der Einfluss der
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Panorama
Fremdatomkonzentration von Sauerstoff und Kohlenstoff sowie der Isotopenzusammensetzung auf die mittels Röntgeninterferometrie bestimmte Gitterkonstante
(aus der sich Vu ergibt) von Si gezeigt [9], wobei die
Gitterkonstante relativ zu einem Bezugskristall mit
einer Unsicherheit von einigen 10 –9 und absolut mit
einer Unsicherheit von derzeit einigen 10 –8 bestimmt
werden kann.
Abb. 6:
Damit das Kilogramm auf die atomare Masseneinheit u zurückgeführt werden kann,
muss die Avogadro-Konstante
N A mit einer relativen Unsicherheit
von besser als 10 –8
bestimmt werden.
Die präzise Messung von N A wird
an Kugeln aus
hochreinem, einkristallinem Silicium durchgeführt.
Berücksichtigt man die relevanten Einflussgrößen,
kann man heute die Gitterkonstante eines hypothetischen, perfekten Si-Einkristalls, also eines Si-Kristalls,
der keine Fremdatome, Fehlstellen etc. enthalten würde, mit einer relativen Unsicherheit kleiner als 10 –8 bestimmen [10]. Mit dieser Unsicherheit kann man dann
die Gitterkonstante von Silicium als Naturkonstante
verstehen.
In den bisherigen Experimenten wurden Einkristalle
unterschiedlicher Hersteller (Wacker-Siltronic, ShinEtsu-Semiconductor, Montecatini) verwendet, die sowohl nach dem Zonenziehverfahren als auch mit der
Czochralski-Methode unter verschiedenen Bedingungen (Wachstumsrate bzw. Ziehgeschwindigkeit, Zusammensetzung der Atmosphäre während des Wachstums
– z. B. H Ar bzw. Ar/H –, undotiert bzw. absichtlich Ndotiert etc.) hergestellt wurden. Aus den einkristallinen
Rohlingen werden dann im australischen Metrologieinstitut CSIRO Kugeln mit möglichst perfekter Form
Abb. 7:
Molare Masse verschiedener Si-Einkristalle als Funktion ihrer Dichte.
und Oberflächenbeschaffenheit hergestellt. Die Kugeln
haben einen Durchmesser von etwa 10 cm und eine
Masse von etwa 1 kg (Abb. 6). Für die Verwendung von
Kugeln spricht, dass diese keine Kanten und Ecken besitzen, an denen leicht Material ausbrechen könnte.
Wesentlich schwieriger als die Bestimmung der Gitterkonstanten und damit des Volumens der Einheitszelle ist es, die molare Masse bzw. das molare Volumen
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zu messen. Dies ist zum einen in der relativ großen
Unsicherheit von 2 × 10 –7 begründet, mit der die molare Massenbestimmung, d. h. die Isotopenzusammensetzung mittels massenspektroskopischer Methoden derzeit durchgeführt werden kann [11]. Zum anderen ergaben sich für unterschiedliche Einkristalle deutlich
größere Unterschiede, als aufgrund der Messunsicherheiten zu erwarten waren, sodass zeitweilig die reproduzierbare Herstellung von Si-Einkristallen der geforderten Qualität infrage gestellt werden musste. Umfangreiche Messungen und Wiederholungsmessungen,
bei denen zahlreiche Si-Kristalle quer durch die Welt
reisten und bei den beteiligten Laboratorien Station
machten, haben dies aber inzwischen erfreulicherweise
weitestgehend widerlegt [12].
Dies ist aus Abb. 7 zu entnehmen, in der die molare
Masse von 16 verschiedenen Si-Einkristallen gegen ihre jeweilige Dichte r aufgetragen ist. Von der idealerweise zu erwartenden linearen Beziehung weicht nur
ein einziger Messpunkt ab, so dass die Vermutung nahe liegt, dass dieser entsprechende Einkristall Fehler
(z. B. Leerstellen oder Voids) enthält, die bisher allerdings trotz einiger Bemühungen noch nicht nachgewiesen werden konnten. Die Internationale Arbeitsgruppe
hat daher auf ihrer letzten Sitzung im Mai dieses Jahres beschlossen, diesen Wert bis zur endgültigen
Klärung für die Bestimmung des molaren Volumens
von Si nicht weiter zu berücksichtigen [13]. Verfährt
man so, dann erhält man für
Si
3
VSi
mol = M mol/r = 12,058823(5) cm /mol,
was mit dem CODATA-Wert für den Gitterparameter
von Si den Wert
NA = 6,0221350(25) × 10 23 mol–1
für die Avogadro-Konstante ergibt.
Die angegebene Standardabweichung entspricht einer relativen Unsicherheit von 4 × 10 –7. Es bedarf also
noch einiger Anstrengungen, um die geforderte Unsicherheit von besser als 10 –8 zu erreichen. Die jüngsten
Ergebnisse lassen hoffen, dass die Reproduzierbarkeit
der Herstellung und die Qualität der Si-Einkristalle
dies ermöglichen sollte. Deutliche Verbesserungen in
den jeweiligen Messverfahren lassen auch für fast alle
relevanten Messgrößen (Gitterkonstante, Volumen,
Masse, Beschaffenheit und chemische Zusammensetzung der Si-Kugeloberfläche) Verringerungen der Unsicherheiten erwarten. Sorgenkind bleibt die Bestimmung der molaren Masse. Hier könnte die prompte
g-Emission von Si nach Einfang thermischer Neutronen eine zur Massenspektroskopie alternative Methode
sein [14]. In einem ersten Schritt wurden mit dieser
Methode die atomaren Massendifferenzen der drei SiIsotope auf besser als 3 × 10–9 bestimmt. Die Messung
ihrer Häufigkeit und ihre Kalibrierung sollen über unterschiedlich angereicherte Si-Proben erfolgen. Es ist
allerdings noch fraglich, ob dadurch die Unsicherheiten für die Bestimmung der molaren Masse deutlich
verringert werden können. Sollte dies möglich sein,
könnte man u gemäß Gl. (5) einen entsprechenden
Zahlenwert zuordnen, und die Definition des Kilogramms könnte lauten:
„Ein Kilogramm ist die Ruhemasse von 5,018 445 8
× 1025 freien 12C-Atomen im Grundzustand“,
wobei sich der Zahlenwert zu (NA/12) × 10 3 ergibt und
für NA der oben angegebene Wert eingesetzt wurde.
Prinzipiell könnte man auch daran denken, eine Si-
Panorama
Einkristallkugel als „neues Ur-Kilogramm“ zu verwenden. Dies hätte zwar den Vorteil, dass man die Atome
– im Gegensatz zum jetzigen Ur-Kilogramm – bei Bedarf mittels des Avogadro-Experiments nachzählen
könnte, würde aber der Absicht, die Einheiten des SI
auf Fundamentalkonstanten abzustützen, nicht gerecht.
Das magnetische Schwebeexperiment
Das magnetische Schwebeexperiment (magnetic levitation) basiert auf der Kraft, die ein räumlich inhomogenes magnetisches Feld auf einen Diamagneten in
Richtung abnehmender magnetischer Flussdichte ausübt (Abb. 8). Es wurde ursprünglich von Wissenschaftlern des damaligen National Bureau of Standards in
den USA als eine Möglichkeit zur Darstellung der Einheit der elektrischen Stromstärke, Ampere, vorgeschlagen [15] und später in den russischen und japanischen
Metrologieinstituten VNIIM bzw. NRLM als Verfahren
zur Bestimmung des magnetischen Flussquantes, o0 =
h/2e, weiterverfolgt. Heute beschreitet unseres Wissens
nur noch das NRLM diesen Weg.
Wird die Spule in Abb. 8 von einer Stromquelle gespeist, so folgt aus dem Energiesatz
I · U · dt = dA + dW
,
ten. Wie bei der Watt-Waage könnte dies umgekehrt
ebenfalls zu einer Neudefinition des Kilogramms
führen, falls o0 nur mit genügend kleiner Unsicherheit
bestimmt werden kann. Eine mögliche Neudefinition
könnte dann lauten:
„Ein Kilogramm ist die Ruhemasse eines supraleitenden Körpers, die in einem magnetischen Schwebeexperiment für das magnetische Flußquant einen Wert von
2,067 833 636 × 10 –15 Wb ergibt“.
Der angegebene Zahlenwert von o0 entspricht dem
CODATA-Wert [5]. Derzeit allerdings hat das Experiment am NRLM, in dem bisher ein 25 g schwerer supraleitender Schwebekörper benutzt wurde, erst eine
relative Unsicherheit von 10 –6 erreicht [17]. Die
Schwierigkeiten bestehen insbesondere in der Stabilisierung der Trajektorie des Schwebekörpers (keine horizontalen Kraftkomponenten), in der genauen Bestimmung der vertikalen Bewegung des Schwebekörpers,
der sich, wie auch die Spule, im flüssigen Helium befindet, und nicht zuletzt in der genauen Bestimmung
der Masse des Schwebekörpers im Heliumbad.
(9)
mit der Spannung U, der Arbeit des magnetischen Feldes im Gravitationspotential, A = m · g · z, der magnetischen Feldenergie W = !ß2 L · I2, wobei L die Induktivität der Spule ist. Mithilfe des Induktionsgesetzes lässt
sich (9) umformen zu
I ⋅ d o = m ⋅ g ⋅ dz + L ⋅ I ⋅ dI
(10)
.
Betrachtet man zwei Gleichgewichtspositionen des
magnetischen Schwebekörpers mit den Höhen zl und
zh, zwischen denen er durch entsprechende Änderung
des Stromes von Il nach Ih adiabatisch bewegt wurde,
so gilt:
oh
z
I ⋅ do = m ⋅ g ⋅
ol
zh
z
Ih
dz + L I ⋅ dI
z
zl
,
(11)
Il
woraus folgt:
oh
z
I ⋅ d o = m ⋅ g ⋅ ( zh − zl ) +
ol
1
L( I h2 − I 2l )
2
.
(12)
Diese Beziehung gilt jedoch nur, wenn 1.) in der Spule
keine Joulesche Wärme erzeugt wird und 2.) der magnetische Schwebekörper ein idealer Diamagnet ist,
d. h. keine Energie dem magnetischen Feld entzogen
wird. Beide Bedingungen lassen sich weitgehend erfüllen, wenn sowohl die Spule als auch der Schwebekörper supraleitend sind.
Misst man den Strom I und den magnetischen Fluss
o mithilfe von Josephson-Spannungsnormalen bzw.
SQUIDS [1], kann man die linke Seite von Gl. (12)
umschreiben [16] in
F( f , n, N ) ⋅ o02 =
oh
z
I ⋅ do
.
(13)
ol
die Funktion F(f,n,N) wird experimentell bestimmt und
hängt von der Frequenz des Spannungsnormals f
sowie den Parametern des Spannungsnormals und des
SQUID ab.
Gemäß Gl. (12) und (13) kann das magnetische
Schwebeexperiment auch als ein Verfahren zur Bestimmung des Flussquants aufgefasst werden, ähnlich wie
die Watt-Waage zur Bestimmung der Planck-Konstan-
Abb. 8:
Abb. 9:
Prinzip des magnetischen Schwebeexperiments. Eine stromdurchflossene supraleitende Spule erzeugt ein magnetisches
Feld mit Gradienten in z-Richtung, in
dem die ebenfalls supraleitende Testmasse M im Schwebezustand gehalten wird.
Prinzip des Goldionen-Akkumulationsexperiments. Der Teil unten rechts skizziert die Messelektronik basierend auf
dem Quanten-Hall- und JosephsonEffekt.
Das Goldionen-Akkumulationsexperiment
Ziel des von M. Gläser [18] vorgeschlagenen Experiments ist es, in einem Massenseparator aus einem
Goldionenstrahl eine wägbare Masse zu akkumulieren
und die Anzahl der akkumulierten Goldatome durch
die Messung und Integration des Ionenstroms über die
Zeit zu ermitteln. Die Masse der akkumulierten Goldatome ergibt sich zu:
m=
mAu
e
tm
z
(14)
I(t )dt
0
(e = Elementarladung, mAu = Atommasse von Gold).
Misst man nun wieder den Strom über den QuantenHall- und Josephson-Effekt, lässt sich (14) umschreiben
in:
t
m=
m
1
n1 ⋅ n2 ⋅ mAu f ⋅ dt
2
0
z
,
(15)
wobei n1 die Nummer des Quanten-Hall-Plateaus, n2
die Nummer der Shapiro-Stufe und f wieder die Frequenz des Josephson-Spannungsnormals ist.
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Umgekehrt kann das Experiment auch als Verfahren
zur Absolutbestimmung der Masse eines Goldatoms in
Einheiten des Kilogramm und damit gemäß der BezieAu
hung mAu = AAu
r · u (A r = relative Atommasse von
Gold [19]) zur Bestimmung der atomaren Masseneinheit u nur durch Messung einer Zeit und einer Frequenz aufgefasst werden. Wäre dies mit der geforderten
Genauigkeit möglich, könnte eine Neudefinition des
Kilogramm wie folgt aussehen:
„Ein Kilogramm ist die Masse von 3,057 443 935 ×
1024 197Au-Atomen“,
–1
wobei sich der Zahlenwert gemäß n = (AAu
ergibt
r {u})
Au
und für A r der Literaturwert [20], für u der CODATAWert [5] eingesetzt wurden.
Abbildung 9 zeigt den Aufbau des Experiments schematisch. Wie bereits erwähnt, handelt es sich um ein
modifiziertes Massenspektrometer, bestehend aus einer
Ionenquelle, magnetischen Quadrupol-Linsen, einem
Abb. 10:
Masse der im Kollektor gesammelten Teilchen als Funktion der
Ionenenergie, ermittelt nach Gleichung (14). Für sehr kleine
Ionenenergien sollten Sputtereffekte vernachlässigbar sein, so
dass sich als Masse die Atommasse von Gold in Einheiten der
Masseneinheit kg ergibt.
Massenseparator und einem Kollektor, der mit einer
Waage verbunden ist. Die Messelektronik besteht im
Wesentlichen aus einem SQUID-basierenden Stromkomparator sowie einem Quanten-Hall- und Josephson-Normal. Für die Verwendung von Gold sprechen
verschiedene Fakten, z. B. dass es nur ein stabiles Isotop, 197Au, besitzt, aufgrund der großen Atommasse das
Verhältnis aus Masse und Ladung günstig ist und es
chemisch inert ist. Im Prinzip ließe sich das Experiment auch mit anderen Ionen durchführen. Die größten Schwierigkeiten des Experimentes ergeben sich aus
der Forderung, in vernünftigen Zeiträumen eine mit einer relativen Unsicherheit von 10 –8 wägbare Masse zu
akkumulieren. Dies wäre bei einer Masse von etwa 10 g
durchaus möglich, was bei einem Ionenstrom von 10
mA und einfach-ionisierten Goldatomen sechs Tage
Akkumulationszeit erfordern würde. Ein Ionenstrom
von 10 mA ist allerdings um mehrere Größenordnungen über dem, was konventionelle Massenspektrometer
zu leisten vermögen und erfordert daher erheblichen
Konstruktionsaufwand. Zudem treten bei den hohen
Energien üblicher Ionenstrahlen (einige 10 4 eV) erhebliche Sputter-Effekte am Kollektor auf. Daher müssen
die Ionen abgebremst und die damit verbundene Aufweitung des Strahls in den Kollektor verlegt werden.
Trotz dieser und anderer beinahe unüberwindbarer
Schwierigkeiten gelang es im letzten Jahr erstmals, die
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Atommasse von Gold auf diesem Wege zu bestimmen,
allerdings erst mit einer relativen Unsicherheit von etwa 10–2 (s. Abb. 10) [21].
Fazit
Wer gewinnt nun das Rennen um das Kilogramm?
Hinsichtlich der erzielten relativen Unsicherheiten hat
die Watt-Waage des NIST mit 8,7 × 10 –8 „die Nase
vorn“ und es ist zu erwarten, dass der zukünftige Betrieb der Apparatur im Vakuum zu einer weiteren Verringerung führen wird. Die neuesten Ergebnisse der
NPL-Watt-Waage sind allerdings nicht konsistent mit
denen des NIST, sondern weichen deutlich außerhalb
der angegebenen Standardabweichungen voneinander
ab. Allerdings traten beim NPL-Experiment in der Vergangenheit unkontrollierte Sprünge in den gemessenen
Werten auf, die auf systematische Schwierigkeiten hindeuten könnten. In Anbetracht dieser Situation erwartet man mit großer Spannung die ersten Resultate der
Watt-Waage des schweizerischen EAM.
Das Avogadro-Projekt hat eine Unsicherheit von
4 × 10–7 erreicht. Deutliche Verbesserungen sind nur
zu erwarten, wenn es möglich wird, die molare Masse
genauer zu bestimmen. Vergleicht man den Wert der
Avogadro-Konstanten, wie er sich auf der Basis des
NIST-Wertes für die Planck-Konstante ergibt [22] (s.
CODATA), mit dem aus dem Si-Einkristall-Experiment,
so stellt man fest, dass diese relativ um etwa 10 –6, also
deutlich außerhalb der angegebenen Unsicherheiten,
auseinanderliegen [23]. Dies bedeutet ein sehr grundsätzliches, derzeit absolut ungelöstes Problem, das
möglichen Ansätzen zur Neudefinition des Kilogramms
auf diesen Wegen entgegensteht. Die Ursachen für diese Diskrepanz können sehr unterschiedlich sein, etwa
bisher nicht bekannte systematische Fehler in den jeweiligen Experimenten, beim Si-Experiment z. B. Kristallfehler. Um den Si-Wert allerdings in Übereinstimmung mit dem Watt-Waage-Wert zu bringen, müsste die
Dichte aller bisher verwendeten Si-Einkristalle im Vergleich zum perfekten Kristall zu groß (!) sein. Dies
könnte prinzipiell durch Silicium auf Zwischengitterplätzen möglich sein, aber abgesehen davon, dass es
dafür keinerlei Hinweise gibt, ist es aufgrund elementarer thermodynamischer Überlegungen sehr unwahrscheinlich. Die Ursache könnte aber auch in bisher
nicht bekannten Inkonsistenzen in den Beziehungen
der Naturkonstanten untereinander liegen.
Das „Magnetic Levitation“-Experiment steht mit seiner bisher erzielten Unsicherheit den beiden genannten
noch nach. Nach dem derzeit vorgenommenen Umbau
des Experiments wird eine Unsicherheit von 10 –7 erwartet, was aber immer noch um eine Größenordnung
unter den Anforderungen liegt. Diese Forderung zu erfüllen erscheint aus heutiger Sicht schwierig.
Das Goldionen-Akkumulationsexperiment steht
noch am Anfang. Obwohl der zugrundeliegende Ansatz
inzwischen experimentell bestätigt wurde, wird man
erst in einigen Jahren beurteilen können, ob das gesteckte Ziel erreicht wird.
Grundsätzlich unterscheiden sich das Gold-IonenAkkumulationsexperiment sowie das Avogadro-Projekt
von den beiden anderen darin, dass bei einer Neudefinition des Kilogramms auf einem der beiden Wege das
Kilogramm als Einheit der Masse im SI-System seine
Eigenständigkeit behalten würde, also nach wie vor auf
eine „Normalmasse“ zurückgeführt werden würde. Anstatt des Ur-Kilogramms wäre dies allerdings die Masse
Panorama
eines Atoms, Gold oder Silicium, bzw. die atomare
Masseneinheit u. Gemäß der beiden anderen Ansätze
würde das Kilogramm an elektrische Einheiten angeschlossen werden. Bei der Bedeutung, die die Masse in
der Physik hat, ist dies schwer vorstellbar, zumindest
aber gewöhnungsbedürftig. Letztendlich werden aber
die erzielbare Unsicherheit und die Reproduzierbarkeit
der verschiedenen Ansätze den Ausschlag geben. Die
Antwort auf die Frage des Titels ist noch offen – und
spannend wie selten zuvor.
*
Ich danke den Kollegen E. Braun, P. Becker, M.
Gläser und M. Kochsiek für ihre wertvollen Kommentare.
Literatur
[1] E. Göbel, Phys. Bl., März 1997, S. 217
[2] B. Kibble in „Atomic Masses and Fundamental
Constants“, (J. H. Sanders, A. H. Wapstra, Hrsg.),
Vol. 5, S. 545, Plenum, N.Y. 1976
[3] E. Williams et al., Phys. Rev. Lett. 81, 2404 (1998)
[4] E. Braun, Phys. Bl., November 1998, S. 998
[5] P .J. Mohr, B.N. Taylor, J. Phys. Chem. Ref. Data
28, 1713 (1999)
[6] B. N. Taylor, P. J. Mohr, Metrologia 36, 63 (1999)
[7] P. Becker, The precise determination of
Loschmidt’s number (Avogadro constant)
as a step towards a redefinition of the SI unit of
mass, in: Pioniering Ideas for the
Physical and Chemical Sciences, hrsg. von W.
Fleischhacker und T. Schönfeld, Plenum
Publishing Corp. New York 1997
[8] Die relative Unsicherheit von u = 1,66053873(13) ×
10 –27 kg beträgt 7,9 × 10 –8 (s. [5])
[9] D. Windisch, P. Becker, Phil. Mag. A 58, 435,
(1988) sowie phys. stat. sol. (a) 118, 379 (1990)
[10] J. Martin et al., Metrologia 35, 811 (1998)
[11] P. de Bièvre et al., Metrologia 32, 103 (1995)
[12] P. de Bièvre et al., eingereicht bei IEEE Trans. Instrum. Meas. (2000)
[13] P. Becker, eingereicht bei Metrologia (2000)
[14] S. Röttger, A. Paul, U. Keyser, Prompt (n, g) spectrometry for accurate determination of atomic
mass differences, in: Intern. Workshop on Research with Fission Fragments, hrsg. von T. von Egidy et al., World Scientific Singapore 1997, S. 258
[15] D. B. Sullivan, N. V. Frederick, IEEE Mag. 13, 396
(1977)
[16] F. Shiota et al., Jap. Journ. Appl. Phys. 22, 1439
(1983)
[17] Y. Fujii et al., IEEE Trans. Instr. Meas., 48, 200
(1999)
[18] M. Gläser, Rev. Sci. Instrum. 62, 2493 (1991)
[19] Die Bestimmung der relativen Atommassen mittels
Ionen-Fallen ist mit Unsicherheiten deutlich kleiner als 10 –8 möglich, siehe z. B.: F. DiFilippo et al.,
Phys. Rev. Lett. 73, 1481 (1994); die derzeitige relative Unsicherheit von AAu
r beträgt gemäß der
„atomic mass table“ von 1993 1,5 × 10 –8.
[20] G. Audi, A.H. Wapstra, Nucl. Phys. A565, 1 (1993)
[21] D. Ratschko et al., wird veröffentlicht
[22] N A ergibt sich aus h gemäß
c · M pa2/(2R (m p/m e)· h)
(c = Vakuum-Lichtgeschwindigkeit, M p = molare
Masse des Protons, a = Feinstrukturkonstante,
R = Rydberg-Konstante, mp, me = Masse des Protons bzw. Elektrons).
[23] Der Wert der Avogadro-Konstanten, wie er sich
aus den Messungen der NPL Watt-Waage ergibt,
stimmt innerhalb 1,5 ×10 –7 mit dem des AvogadroExperiments überein.
Physikalische Blätter
57 (2001) Nr. 1
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