Web-basierte Simulationen aus Kern- und Teilchenphysik E. Kneringer Universität Innsbruck NEMESIS Symposium zu MultiMedia in der Hochschullehre Siegen 14. - 17. November 2001 Übersicht Allgemeine Bemerkungen zu Neue Medien, Technisches Die Beispiele Umfrage unter StudentInnen zu obigen Beispielen Das Levitron (ausser Konkurrenz) E. KNERINGER Atommodelle Mehrfachstreuung Phasenraum Phys-lets Simulation zum Begriff “adiabatisch“ NEMESIS - 2001 2 Allgemeines zum Thema Lehren und Lernen mit Neuen Medien Die Erwartungen an multimediales und internetbasiertes Lernen sind gross! E. KNERINGER Können Sie immer erfüllt werden? Überwiegen die Vorteile? Welche Nachteile gibt es? Wo liegen die Grenzen? hoher Lernerfolg erwünscht! ideal für Naturwissenschaften, speziell Physik nächster Vortrag: Überblick über Theorieansätze dieser Vortrag: mehr aus der Praxis NEMESIS - 2001 3 beim Lehren mit Neuen Medien können verschiedene Schwerpunkte gesetzt werden z.B. Video, Animationen, MultiMedia allgemein + + Ortsunabhängigkeit/Internet + Einbeziehung mehrerer Sinne Dynamik von Systemen, Zeitentwicklung nur sinnvoll wenn sorgfältig konzipiert nächste Folie bessere Zeiteinteilung des Lernenden eingeschränkte Dialogmöglichkeiten mit dem Lehrer Interaktivität/Interaktion + virtuelles Labor, trial and error, learning by doing dieses Projekt noch kein generelles Konzept E. KNERINGER aus Zeitgründen (“one man show“) langsamer Umstieg auf die Lehre mit den Neuen Medien viele Einzelaktionen Lösungen für spezielle Probleme NEMESIS - 2001 4 Einfluss von Animationen auf die Antworten von Studenten auf konzeptuelle Fragen (M.Dancy, A.Titus, R.Beichner) webphysics.davidson.edu/Applets/resources/EffectofAnimation.pdf Um die Frage beantworten zu können, ob die neuen Medien ein besseres/korrekteres Verständnis von physikalischen Konzepten hier dem Kraftkonzept - ermöglichen, wurden Animationen eingesetzt, um die Dynamik bei Vorgängen, bei denen Kräfte im Spiel sind, zu vermitteln. Es zeigte sich eine gewisse Ambivalenz: je nachdem, welcher Aspekt bei einer Animation besonders betont wurde, kam es zu einer Zunahme oder Abnahme der Wahrscheinlichkeit für eine korrekte Antwort (im Vergleich zum selben Test ohne Verwendung von Animationen). E. KNERINGER NEMESIS - 2001 5 Apropos: “one man show“ derzeit an Uni Innsbruck vorw. home pages von Vorlesungen [System Blackboard] mit Skripten Übungszetteln chat rooms quizzes animations Lernprogrammen (Frage- Antwort Systeme) bisher: kaum teamwork, Erfahrungsaustausch neues Projekt: PlaNet ET [ Platform and Network for Educational Technology ] Ein Fortbildungsprogramm für Hochschullehrende E. KNERINGER Projektbeginn: Oktober 2001 NEMESIS - 2001 6 Die Neuen Medien erlauben es Physikern Gedankenexperimente/Simulationen, d.h. virtuelle Experimente durchzuführen. Vorteile: billig ungefährlich 100% reproduzierbar Was sind die Neuen Medien? - gebe keine Definition sondern zeige sie in Aktion E. KNERINGER NEMESIS - 2001 7 Technisches logischer Aufbau: Webformular als Schnittstelle zu einer Simulation Server-Programm ausfüllen, abschicken rechnet mit den gewünschten Parametern (darf nicht zu lange rechnen - server not responding) verwendete Programme (im Hintergrund) UNIX shell scripts (cgi) FORTRAN (+ Cernlib) HBOOK + PAW für Grafiken Tools (convert PS GIF) [ Implementation als client so nicht möglich] E. KNERINGER NEMESIS - 2001 8 Beachte Wichtig: die Simulation wird immer mit den theoretischen Grundlagen kombiniert Ohne diese Grundlagen ist man ziemlich sicher überfordert (“man muss eine Simulation nämlich bedienen können, um sie geniessen zu können“). Es soll immer eine Aufgabe gelöst werden, die das Verständnis der Simulation erfordert. E. KNERINGER NEMESIS - 2001 9 1. Atommodelle a) Rutherford: b) Thomson (Alternativmodell): gleichmässige Ladungsverteilung oder punktförmige Substrukturen? Streuung von hochrelativistischen Elektronen Methode: E. KNERINGER Streuung an Atomen, daher Mehrfachstreuung INPUT: Einzelstreuwinkelverteilung selbes Spiel nochmals beim Proton: Strahl auf Goldfolie bei grösseren Ablenkwinkeln praktisch nur Einfachstreuung Berechnung/Abschätzung des maximalen Streuwinkels bei homogener Kugelladung und Vergleich mit dem Experiment NEMESIS - 2001 10 Web Formular: E. KNERINGER NEMESIS - 2001 11 job_q_animation_zoom_500-50_rutherford.gif Vergleich abstossend – anziehend abstossend anziehend punktförmige Ladung Streuwinkel sind gleich gross, haben aber entgegengesetztes Vorzeichen E. KNERINGER NEMESIS - 2001 12 job_q_animation_zoom_500-2_thomson.gif Vergleich abstossend – anziehend abstossend anziehend ausgedehnte Ladungsverteilung von der Grösse eines Goldkerns E. KNERINGER NEMESIS - 2001 13 Maximaler Streuwinkel bei homogener Kugelladung analytisch nicht rechenbar für Unterscheidung RutherfordThomson Atommodell für Überlegungen zur Substruktur des Proton job_max_animation.gif E. KNERINGER NEMESIS - 2001 14 job_rel2_animation.gif Vergleich relativistisch - nichtrelativistisch nichtrelativistisch relativistisch klassisch, keine Quantenmechanik, Interpretation als Periheldrehung (wie in der ART) zur Orientierung: Radius des Proton E. KNERINGER NEMESIS - 2001 15 singul_zoom1_2.gif Singularität Der minimale Drehimpuls wird unterschritten, das Teilchen wird von der Singularität verschluckt! E. KNERINGER NEMESIS - 2001 16 Relativistische Bewegung im Coulombfeld Entspricht einer 1d Bewegung mit effektivem Potential L2 2 q1q2 U (r) 2 4 0 r 2mr Potential Falls < 0 und L < ||, ist das Potential monoton in r und das Teilchen läuft unweigerlich in einer Spirale in die Singularität, welche es in endlicher Zeit erreicht. E. KNERINGER NEMESIS - 2001 < 0 und L > || Radius 17 job_sing_animation_zoom036.gif E. KNERINGER NEMESIS - 2001 18 2. Mehrfachstreuung im Thomson-Modell Motivation: Programm zur Einzelstreuung schon vorhanden -Teilchen auf Goldkern, Elektron auf Proton Problem: Einzelstreuwinkelverteilung unbekannt zentrale Aussage: Mehrfachstreuwinkelverteilung unabhängig von der speziellen Form der Einzelstreuwinkelverteilung E. KNERINGER NEMESIS - 2001 19 Zur Erinnerung Thomson Modell des Atoms E. KNERINGER homogen positiv geladene Kugel punktförmige negative Elektronen gleichmässig darin verteilt Masse der positiven Ladungsträger viel grösser als Masse der negativen Ladungsträger NEMESIS - 2001 20 vorbereitende Übungsaufgabe 1. Abschätzung des maximalen Streuwinkels bei Einzelstreuung an hom. pos. Kugelladung: Ergebnis: 0.025 Grad bei Stossparameter Gold-Atom E. KNERINGER b = 0.95 r NEMESIS - 2001 21 2. Berechnung der Anzahl der Schichten von Gold-Atomen in der Folie Dicke der Folie = 2 m Atomradius im Metallgitter = 1.441010 m ´closest packed´ Abstand zweier Atome = 2.881010 m kubisch-flächenzentriert Ergebnis: 10.000 Schichten E. KNERINGER NEMESIS - 2001 22 Web - Formular: eigentliche Aufgabe 3. Ausfüllen der Maske im Web-browser Anzahl der Atome maximaler Streuwinkel Anzahl der einlaufenden Teilchen (Statistik) Wahl der Einzelstreuwinkelverteilung Gleichverteilung Gaussverteilung Dreieck /\ Dreieck \/ 1/x (Pol bei 0) 1/x (Pol bei max) Optionen E. KNERINGER NEMESIS - 2001 23 E. KNERINGER NEMESIS - 2001 24 Einzelstreuwinkelverteilungen analytische Modellverteilungen E. KNERINGER verschiedene typische Funktionen um zu zeigen, dass die Gesamtstreuwinkelverteilung nicht von der speziellen Form der Einzelstreuwinkelverteilung abhängt NEMESIS - 2001 25 realistischere Einzelstreuwinkelverteilungen Thomson: Teichen fallen gleichverteilt auf Atomquerschnittsfläche ein (Monte Carlo Simulation) 1-dimensional E. KNERINGER 2-dimensional NEMESIS - 2001 26 Ergebnis Demonstration des Zentralen Grenzwertsatzes E. KNERINGER NEMESIS - 2001 27 Ergebnis (2) weiter Ausgabegrafiken E. KNERINGER NEMESIS - 2001 28 Beispiel mit kleiner Statistik: E. KNERINGER NEMESIS - 2001 29 Demonstration des Zusammenhangs Mehrfachstreuung = N Einzelstreuung Modell Gleich-Verteilung Gauss-Verteilung Dreieck /\ Dreieck \/ 1/x (Pol bei 0) 1/x (Pol bei max) Einzelstreuung Mehrfachstreuung Quotient -max RMSE -MAX RMSM M/E 0.025 0.030 0.025 -“-“-“- 0.01443 0.00827 0.01021 0.01768 0.01118 0.01826 5 3 4 7 4 7 1.461 0.818 1.044 1.751 1.096 1.853 101.25 98.91 102.25 99.04 98.03 101.48 alle Winkel in Grad 100 für alle Verteilungen! Rückstreuung: Faktor 30 in MAX 1000 Schichten 2 mm Goldfolie ! E. KNERINGER NEMESIS - 2001 30 physikalisches Ergebnis Rückstreuung ist im Thomsonmodell des Atoms für den Rutherford-Versuch praktisch ausgeschlossen, damit wurde diese Theorie vom Experiment falsifiziert. technisches Problem E. KNERINGER Rechenzeit (Antwortzeit) darf 4 Minuten nicht übersteigen, sonst bricht der Klient (=browser) die Verbindung ab no data ! NEMESIS - 2001 31 3. Lebensdauer beim -Zerfall Lebensdauer eines (unter der schwachen WW) instabilen Teilchens ist bestimmt durch Matrixelement und Phasenraum Beispiele (mit vergleichbarem Matrixelement): Myon-Zerfall: + e + e = 2.2106 s Ekin,max = 53 MeV >> me e masselos in der Rechnung gerechtfertigt Neutron-Zerfall: n p + e + e = 900 s Tritium-Zerfall: T 3He+ + e + e T1/2 = 12 a Ekin,max = 0.78 MeV me massives e gibt Korrekturfaktor ~ 2 Ekin,max = 0.0186 MeV << me e masselos in der Rechnung NICHT gerechtfertigt Korrekturfaktor ~ 104 (Phasenraum stark eingeschränkt) Berechnung des Korrekturfaktors im Web E. KNERINGER graphische Anzeige des Phasenraums Vergleich mit dem Fall eines masselosen Elektrons NEMESIS - 2001 32 Web - Formular: oder Bsp. Tritium (e -Massenbestimmung) E. KNERINGER NEMESIS - 2001 33 Animation mit Variation der Zerfallsenergie E0 (=maximale Elektronenergie) E. KNERINGER NEMESIS - 2001 Korrekturfaktor für massives e wird nahe der Schwellenenergie (E0 ~ mec2) sehr gross! Berechnung der Lebensdauer von wichtigen Kernen wie Neutron und Tritium, oder von Kernen mit einem 0+ 0+ Übergang damit möglich. 34 Ähnliche Programme (1) 1. NICHT Internet-basiert plattformabhängig lokale Installation manchmal kostenpflichtig Atomos - Repetitorium der Atomphysik (Programme zu Bohr, Rutherford, Schrödinger) O. Gößwein, Uni Würzburg Qphyslab [lizenzpflichtig] (1-d Schrödingergleichung, 2-Zustandssysteme) R.Rath, Uni Giessen Field-Lab M.Suleder, Uni Karlsruhe E. KNERINGER NEMESIS - 2001 35 Ähnliche Programme (2) 2. Web/Internet-basiert plattformunabhängig sofort verwendbar (falls Internetanschluss vorhanden) meist kostenlos Applets - vom Klienten (browser) ausgeführt Physlets = scriptable physics applets - einfach modifizierbar E. KNERINGER NEMESIS - 2001 36 4. Physlets (scriptable Java Applets designed for physics education) für einfache physikalische Simulationen erfordert geringe Programmierkenntnisse Philosophie: was kann ich mit den zur Verfügung stehenden Bausteinen konstruieren? manches nicht implementiert recycling sehr effizient Beispiele: E. KNERINGER z.B. Rotationen Superposition von Wellen, Gruppengeschwindigkeit Pendel Schaukel (parametrische Schwingungsanregung) NEMESIS - 2001 37 E. KNERINGER NEMESIS - 2001 38 E. KNERINGER NEMESIS - 2001 39 Gerthsen, Vogl E. KNERINGER NEMESIS - 2001 40 E. KNERINGER NEMESIS - 2001 41 Meinungsumfrage E. KNERINGER NEMESIS - 2001 42 E. KNERINGER NEMESIS - 2001 43 5. Levitron Der schwebende Kreisel Ziel: durch Spielen ein Gefühl für den Begriff adiabatisch bekommen. Der Begriff adiabatisch wird in der Physik dann verwendet, wenn bei einem Prozess verschiedene Zeitskalen vorliegen. E. KNERINGER NEMESIS - 2001 44 Experimenteller Aufbau E. KNERINGER Präzession um die lokale Magnetfeldrichtung NEMESIS - 2001 45 Magnetfeld-Messung Magnetfeld in Abhängigkeit von der Höhe über der Magnetplatte E. KNERINGER NEMESIS - 2001 46 Stabilität in : untere Grenzfrequenz min (trivial) in z: Stabilität durch die Form des Magnetfelds in r: dynamische Stabilität: Winkel zwischen Magnetfeldrichtung und Kreiselachse ~ const Potential stabil E. KNERINGER NEMESIS - 2001 47 Frequenzstabilität Das Levitron ist (frequenz-)stabil, wenn die Kreiselachse adiabatisch der lokalen Magnetfeldrichtung folgen kann obere Grenzfrequenz max B p I Kreiselachse adiabatisch d.h., es kommen verschiedene Zeitskalen vor: Magnetfeldrichtung E. KNERINGER - Änderung des Magnetfelds - Änderung der Kreiselachse NEMESIS - 2001 48 Frequenzstabilität (2) Das Levitron ist (frequenz-)stabil, wenn die Kreiselachse adiabatisch der lokalen B Magnetfeldrichtung folgen kann p I obere Grenzfrequenz max Kreiselachse Magnetfeldrichtung E. KNERINGER adiabatisch: Magnetfeldrichtung ändert sich wenig während eines Präzessionsumlaufs! NEMESIS - 2001 49