Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin Anästhesie im Notarzdienst - Narkose präklinisch Martin Carlitscheck [email protected] Anästhesie in der Notfallmedizin: - Übersicht 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. Folie 2 Allgemeines Indikation Schnelleinleitung („RSI“) Material Medikamente Die Narkose Aufrechterhaltung Narkose Beatmung in der Notfallmedizin M. Carlitscheck Anästhesie präklinisch 1. Allgemeines - Narkose im Rettungsdienst bedeutet hohes Risiko für den Patienten! - Ziele der Anästhesie/ Narkose sind: => Analgesie => Toleranz der Intubation => Ermöglichung einer kontrollierten Beatmung - Regionalanästhesieverfahren und Lokalanästhesie spielen in der Notfallmedizin KEINE Rolle! Folie 3 M. Carlitscheck Anästhesie präklinisch 1. Allgemeines - Narkoseeinleitung, -aufrechterhaltung, sowie Atemwegssicherung mittels endotrachealer Intubation => nur für Geübte! => Empfehlung: intensive klinische Ausbildung unter elektiven Bedingungen in der Klinik - Grundsätze: => sorgfältige Indikationsstellung => umfassende Vorbereitung => Beschränkung auf wenige, der Anwenderin/ dem Anwender gut vertraute Medikamente Folie 4 M. Carlitscheck Anästhesie präklinisch 1. Allgemeines Allgemeiner Grundsatz: - Narkoseeinleitung beim bewusstseinsklaren Patienten bedeutet iatrogene Störung (Ausschalten) von 2 Vitalfunktionen: => Atmung und Bewusstsein => Lebensgefahr Beherrschen dieser Situation mit geeigneten Maßnahmen (z.B. Atemwegssicherung, Beatmung, kreislaufunterstützende medikamentöse Therapie, etc.) ist essentiell Folie 5 M. Carlitscheck Anästhesie präklinisch 2. Indikation Indikationen für die Einleitung einer präklinischen Narkose: - Störungen Vitalfunktion „Bewusstsein“ mit aufgehobenen Schutzreflexen (GCS < 8) => SHT, Intoxikationen, schwere Stoffwechselentgleisungen - Notwendigkeit einer Atemwegssicherung => Bewusstseinsstörungen, Traumata im Bereich der Atemwege, Aspiration - Sicherstellung einer optimalen Oxygenierung => Lungenödem, Thoraxtrauma, Schock, schwere Hämorrhagie - Sicherstellung einer angemessenen Analgesie => Polytrauma, multiple Frakturen, schwere Verbrennungen - Stressabschirmung Folie 6 M. Carlitscheck Anästhesie präklinisch 3. Die „Schnelleinleitung“ (RSI) Risiken für die präklinische Narkoseeinleitung sind multifaktoriell - Anamnese des Patienten nicht oder nur unzureichend bekannt - Notfallpatient gilt prinzipiell als nicht-nüchtern => hohe Aspirationsgefahr! - Ausschaltung von ggf. noch erhaltenen Schutzreflexen sowie der Eigenatmung des Patienten - personelle, örtliche und zeitliche Gegebenheiten häufig ungünstig - Mitunter keine Möglichkeiten zur optimalen Lagerung der Patienten gegeben (=> eingeklemmter Patient nach VU) - Intubationsprobleme und Beatmungsschwierigkeiten müssen immer einkalkuliert werden Folie 7 M. Carlitscheck Anästhesie präklinisch 3. Die „Schnelleinleitung“ (RSI) Schnelleinleitung oder „Rapid Sequence Induction“ (RSI) - Indikation: nicht-nüchterner (Notfall-)patient mit potentiell hohem Aspirationsrisiko - Verzicht auf Beutel-Maskenbeatmung nach Narkoseeinleitung - schnellstmögliche endotracheale Intubation nach Einleiten der Narkose und Wirkungseintritt - Gefahren : Hypoxie bei protrahiertem Intubationsversuch Laryngospasmus, Verlegung der Atemwege und Aspiration durch Regurgitation von Mageninhalt - zwingend: sorgfältige Präoxygenierung vor Narkoseeinleitung Folie 8 M. Carlitscheck Anästhesie präklinisch 4. Material zur Narkoseeinleitung Sorgfältige Vorbereitung des benötigten Materials und Equipments essentiell - Materialien zur endotrachealen Intubation mit => Beatmungsbeutel mit geeigneter Maske => Endotracheal-Tubus in verschiedenen Größen, Cuff-Funktion überprüfen => Blockerspritze (10 ml), Magill-Zange => Führungsstab (vor Benutzung einsprühen) => Laryngoskop mit funktionierender Lichtquelle, Funktion vorher überprüfen => Material zur Tubus-Fixierung (Pflaster o.ä.) => Guedel-Tubus als Fixierhilfe, „Beißschutz“ => Stethoskop zur auskultatorischen Lagekontrolle Folie 9 M. Carlitscheck Anästhesie präklinisch 4. Material zur Narkoseeinleitung Komplettes Monitoring etablieren mit: - EKG - Blutdruckmessung - Sauerstoffsättigung (SaO2) Sicherstellen einer jederzeit verfügbaren Absaugbereitschaft - Absaugpumpe (manuell oder elektrisch) - Absaugkatheter in verschiedenen Größen Folie 10 M. Carlitscheck Anästhesie präklinisch 4. Material zur Narkoseeinleitung Intravenöser Zugang - wichtig: sichere intravenöse Lage sicherstellen, z.B. mittels gut laufender Infusion - Venenverweilkanüle: kleines Lumen ausreichend - Stauband - Desinfektionsspray und sterile Tupfer/ Kompressen - Pflaster zur sicheren Fixierung, ggf. Verband - Infusionslösung (z.B. kristalloid) Folie 11 M. Carlitscheck Anästhesie präklinisch 4. Material zur Narkoseeinleitung Beatmungsgerät - Sauerstoffvorrat überprüfen und sicherstellen: vor Inbetriebnahme und regelmäßig während laufender Beatmung - Einweisung in die Bedienung und Funktionen des Gerätes vor notärztlicher Tätigkeit essentiell Folie 12 M. Carlitscheck Anästhesie präklinisch 5. Medikamente Eigenschaften Medikamente zur Einleitung der Notfallnarkose - Rascher Wirkungseintritt - Gute Steuerbarkeit mit kurzer Halbwertszeit - Fehlende Kumulation bei repetitiver Applikation Substanzgruppen - Analgetika: Opiate, z.B. Fentanyl, Sufenta - Sedativa/Narkotika, z.B. Thiopental, (Etomidat), Propofol - Muskelrelaxantien, z.B. Succinylcholin, Rocuronium - Supportive Medikation: z.B. Katecholamine Folie 13 M. Carlitscheck Anästhesie präklinisch 5. Medikamente Analgetika Opiate: Fentanyl - Dosierung zur Narkoseeinleitung: 3,0 – 5,0 µg/kgKG (beim Erwachsenen) - Nebenwirkungen: Atemdepression, Emesis, Bradykardie, Hypotonie, Thoraxrigidität S-Ketamin (Ketanest) - Dosierung zur Narkoseeinleitung: 0,5 – 1,0 mg/kgKG - Nebenwirkungen: Blutdruckanstieg, Tachykardie, Hypersalivation Folie 14 M. Carlitscheck Anästhesie präklinisch 5. Medikamente Narkotika Barbiturate: Thiopental (Trapanal) - Einsetzen der Wirkung ca. 20 Sek nach Injektion - Dämpfung des Atemzentrums => Apnoe - Dosierung zur Narkoseeinleitung: 3,0 – 5,0 mg/kgKG beim Erwachsenen - Starker Blutdruckabfall => langsam injizieren - Alkalische Substanz => starker Injektionsschmerz - Repetitive Dosen => deutliche Kumulation - NW: Broncho- und Laryngospasmus, Blutdruckabfall - Kontraindikationen: Asthma bronchiale, Porphyrien, dekompensierte Herzinsuffizienz Folie 15 M. Carlitscheck Anästhesie präklinisch 5. Medikamente Narkotika :Propofol - Wenig gebräuchlich in der Notfallmedizin => ausgeprägte Kreislaufdepression (v.a. Volumenmangel, ältere Patienten) - Auch geeignet zur Sedierung und Narkoseaufrechterhaltung - Gute Intubationsbedingungen - Dosierung zur Narkoseeinleitung: 1,0 – 2,5 mg/kgKG Etomidat (Hypnomidate) - Geringe respiratorische und kardiovaskuläre Nebenwirkungen => gut geeignet zur Einleitung bei Risiko- und Notfallpatienten - Zunehmend weniger in Gebrauch => Beeinträchtigung der Kortisolsynthese - Dosierung zur Narkoseeinleitung: 0,2 – 0,3 mg /kgKG Folie 16 M. Carlitscheck Anästhesie präklinisch 5. Medikamente Muskelrelaxanzien Einsatz präklinisch nicht unumstritten, bzw. kontrovers: => Einerseits Optimierung der Intubationsbedingungen, andererseits Rückkehr zur Spontanatmung z.T. für längere Zeit unmöglich - Gefahr der Hypoxie bei „cannot ventilate, cannot intubate“ - Klinische Erfahrung im Umgang, sowie sichere Beherrschung von Atemwegsmanagement und Beatmung notwendig Folie 17 M. Carlitscheck Anästhesie präklinisch 5. Medikamente Muskelrelaxanzien Succinylcholin (Lysthenon) - Depolarisierende Muskelrelaxanz - Schnellste Anschlagszeit (ca. 30 – 60 Sekunden) und kürzeste Wirkdauer (ca. 5 – 10 Minuten) - Nach Injektion Freisetzung von Kalium (intra- und extrazellulär) => Herz-Kreislauf-Stillstand möglich - Gefahr bei Verbrennungspatienten, bettlägrigen und immobilen Patienten, Myopathien (z.B. Duchenne) - Dosierung zur Narkoseeinleitung: 1,0 – 1,5 mg/kgKG - KEINE Antagonisierung möglich Folie 18 M. Carlitscheck Anästhesie präklinisch 5. Medikamente Medikamente zur Narkoseaufrechterhaltung Midazolam (Dormicum) - Repetitive Applikation nach Wirkung und Bedarf - Toleranz der Beatmung und des Endotrachealtubus - Aufrechterhaltung der Analgesie nicht vergessen - Bei Bedarf Muskelrelaxation mit nicht-depolarisierenden Substanzen Folie 19 M. Carlitscheck Anästhesie präklinisch 5. Medikamente Supportive Medikamente - Kreislaufwirksame Medikamente, z.B. Katecholamine zur Therapie hypotoner und bradykarder Herz-Kreislauf-Störung - Noradrenalin, Adrenalin - Atropin - Akrinor Folie 20 M. Carlitscheck Anästhesie präklinisch 6. Narkoseeinleitung Ablauf einer Narkoseeinleitung - Vorbereiten und Überprüfen des gesamten Materials und Equipments - Medikamente aufziehen und Spritzen beschriften Präoxygenieren des Patienten - Gebiss/ Fremdkörper enoral entfernen - Dicht sitzende Sauerstoffmaske oder Beatmungsbeutel mit Anschluss von Sauerstoffzufuhr über mehrere Minuten - „Auswaschen“ des Stickstoffs aus der Lunge und ersetzen durch Sauerstoff => „Sauerstoffdepot“ - signifikante Verlängerung der Apnoe-Toleranzzeit Folie 21 M. Carlitscheck Anästhesie präklinisch 6. Narkoseeinleitung Sicheren venösen Zugang legen, wenn noch nicht erfolgt -„lieber kleines Lumen, dafür sichere intravasale Lage, als großlumig aber paravenös“ Applikation der vorbereiteten Medikamente in folgender Reihenfolge („modifizierte RSI“): - Analgetikum (Opiat) - Narkotikum (z.B. Thiopental) - wenn Bewusstlosigkeit eingetreten: Muskelrelaxanz (z.B. Succinylcholin) Folie 22 M. Carlitscheck Anästhesie präklinisch 6. Narkoseeinleitung Ausreichende Narkosetiefe überprüfen - z.B. durch Ansprache, Überprüfen des Lid-Reflexes Endotracheale Intubation - Abwarten der Wirkung der Muskelrelaxanz (ca. 30 Sekunden) - ggf. kurzes Absaugen enoral und laryngeal - zügige Durchführung der Intubation - Blocken des Cuffs unmittelbar nach Intubation - Unverzügliche auskultatorische Lagekontrolle - DANACH: sichere Fixierung, z.B. mit Pflaster Folie 23 M. Carlitscheck Anästhesie präklinisch 6. Narkoseeinleitung Anschluss des Beatmungsgerätes - Bis zur Inbetriebnahme des Beatmungsgerätes erfolgt die Beatmung mit dem Beatmungsbeutel - Beutelbeatmung auch alternativ zum Beatmungsgerät erwägen (mit Sauerstoffanschluss) => sinnvoll z.B. bei notwendigem Transport des Patienten durch enges Treppenhaus, Wohnung, etc. Folie 24 M. Carlitscheck Anästhesie präklinisch 7. Aufrechterhaltung der Narkose Kontinuierliches Monitoring + Überwachen der Vitalfunktionen - EKG, Blutdruck, Sauerstoffsättigung Kontinuierliches Überprüfen und Anpassen der Narkosetiefe - geeignete Parameter (u.a.): Blutdruck und Herzfrequenz, Einsetzende Spontanatmung, Tubustoleranz, Husten, Pressen Wärmeerhalt, z.B. mittels warmer Infusionen und Wärmedecken Ziel: ausreichende Narkosetiefe bei guter hämodynamischer und Respiratorischer Stabilität, problemlose maschinelle Beatmung Wichtig: sorgfältige Dokumentation der angewendeten Medikamente mit Dosierung, Intubationsschwierigkeiten, Beatmungsschwierigkeiten, cardiopulmonaler Verlauf etc., zur adäquaten Patientenübergabe in der Zielklinik Folie 25 M. Carlitscheck Anästhesie präklinisch 8. Beatmung in der Narkose Grundeinstellung am Beatmungsgerät vornehmen in Abhängigkeit vom Patienten (Gewicht, Alter, Komorbiditäten): - Atemminutenvolumen ca. 6 bis 8 Liter - Atemfrequenz ca. 10 bis 14 pro Minute - Atemzugvolumen ca. 500 ml - Einstellen von PEEP (ca. 5) - Anschluss von Kapnometrie obligat - Adaptation der Beatmungsparameter je nach exp. CO2 - Vermeiden von Hyper- und Hypoventilation - Unbedingt auf adäquate Narkosetiefe zur maschinellen Beatmung achten Folie 26 M. Carlitscheck Anästhesie präklinisch Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Fragen? Folie 27 M. Carlitscheck Anästhesie präklinisch