Volkswirtschaftliches Hauptseminar Die Wirtschafts- und Finanzkrise und ihre Folgen für die Wirtschaft und ihre Ordnung Thema 2: Bestandsaufnahme: Die Wirtschafts- und Finanzkrise. Ereignisse, Maßnahmen und die aktuelle Lage der deutschen und internationalen Wirtschaft Bernd Düppmann, Stefan Bonk Prof. Dr. Ulrich van Lith Universität zu Köln, 12.12.09 Bestandsaufnahme: Die Wirtschafts- und Finanzkrise Übersicht: 1. Die Ereignisse, Entwicklungen und einige Maßnahmen im Überblick 2. Die aktuelle Lage der deutschen und internationalen Wirtschaft 3. Die Diskussionsrunde 2 1. Die Ereignisse, Entwicklungen und einige Maßnahmen im Überblick: • • • 2000-2001 USA: nach „Dotcom-Blase“ und dem 11. Sept. 2001: Angst vor wirtschaftlichem Abschwung Reaktion der Fed: massive Zinssenkungen Trotz gefestigter konjunktureller Entwicklung: Zinsen blieben niedrig (insbes. 2003-2005) 3 • Wachstumsrate der Immobilienpreise größer als Zinsen der Kredite Banken wollen soviele Kredite wie möglich verkaufen Schaubild 43 Entwicklung der Immobilienpreise in 20 Großstadtregionen der Vereinigten Staaten1) Veränderung gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum vH vH 20 20 15 15 10 10 5 5 0 0 -5 -5 -10 -10 -15 -15 -20 -20 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 1) Preisindex für Einfamilienhäuser in 20 Großstadtregionen der Vereinigten Staaten; Quelle: Standard & Poor´s/Case-Shiller Composite Home Price Indices, Basis Januar 2000 = 100). © Sachverständigenrat 4 • Immer mehr Kredite werden ohne besondere Kreditwürdigkeitsprüfung vergeben • Kreditnehmer kaum/kein Eigenkapital (“ninja-Kredite“) • Kredite in Zeiten niedriger Zinsen günstig, aber: Zinsen sind variabel • Für Banken und Kreditnehmer ein gutes Geschäft – beide sind abgesichert (solange Immobilien-Preise hoch bleiben) „Subprime-Markt“ wächst um ein Vielfaches 5 (sehr) vereinfachtes Beispiel: Haus kostet 200.000 $ 150.000 $ Rendite 5 Jahre Eigenkapital: 50.000 $ Bankkredit: 150.000 $ Wert des Hauses: 300.000 $ Rückzahlung des Bankkredits von 150.000 $ Haus wird für 300.000 $ verkauft 6 • Hypothekenkredite werden verbrieft und dadurch weltweit handelbar • Zweckgesellschaften kaufen Forderungen von Schuldnern (u.a. Banken) auf und verbriefen diese • Forderungen werden zu handelbaren Wertpapiere (ABS) • Liqudität aus Kreditforderungen für Banken (von den Zweckgesellschaften) Banken können Eigenkapitalquote verringern • Wertpapiere werden global gehandelt 7 • Portfolios aus Wertpapieren (Hypothekenkredite und andere Anleihen und Kredite) (CDO) komplizierte Finanzstrukturen kaum noch erkennbar, welche Risiken verbrieft wurden • (sehr) gute Bewertung dieser CDOs durch RatingAgenturen auch von Institutionen mit strengeren Regulierungen bei ihrer Anlagepolitik erworben • „Welt finanziert US-Immobilienboom“ 8 Verdopplung des Volumens der forderungsbesicherten Wertpapiere von 2001 bis 2007: Schaubild 42 Entwicklung des Bestands der im Umlauf befindlichen Asset-Backed Commercial Paper und Financial Commercial Paper1) – Wochenwerte – Mrd US-Dollar Mrd US-Dollar 1 300 1 300 1 200 1 200 1 100 1 100 1 000 1 000 Asset-Backed Commercial Paper 900 900 800 800 700 700 600 600 Financial Commercial Paper 500 500 400 400 0 0 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 1) Zu den Einzelheiten siehe Commercial Paper – www.federalreserve.gov/releases/cp/about.htm. Quelle: Fed © Sachverständigenrat 9 • Anhebung der Leitzinsen ab Mitte 2004 • zinsflexible Raten werden angepasst finanzielle Schwierigkeiten der Haushalte • Ausfallwahrscheinlichkeiten der Hypothekendarlehen steigt (immer mehr Zwangsversteigerungen) • Immobiliennachfrage geht zurück • Wertzuwachs der Immobilien geht zurück Kredite werden riskant 10 Immer mehr Kreditausfälle in den USA: Schaubild 44 Zahlungsrückstände bei Hypothekenkrediten nach Risikogruppen in den Vereinigten Staaten1) Anteile in vH2) ARM3) Insgesamt FRM4) vH vH 24 24 Subprime-Hypothekenkredite 20 20 16 16 12 12 8 8 Prime-Hypothekenkredite 4 4 0 0 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 1) Alle Kredite, bei denen die Zahlungen seit 30 Tagen im Rückstand sind oder die gekündigt wurden.– 2) Zahlungsrückstände der jeweiligen Kreditart in vH des gesamten Kreditbestands; saisonbereinigt.– 3) Hypotheken mit flexiblem Zins (Adjustable Rate Mortgage).– 4) Hypotheken mit festem Zins (Fixed Rate Mortgage). Quelle: Mortgage Bankers Association © Sachverständigenrat 11 Immobilienpreissteigerungen ab 2006 rückläufig: Schaubild 43 Entwicklung der Immobilienpreise in 20 Großstadtregionen der Vereinigten Staaten1) Veränderung gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum vH vH 20 20 15 15 10 10 5 5 0 0 -5 -5 -10 -10 -15 -15 -20 -20 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 1) Preisindex für Einfamilienhäuser in 20 Großstadtregionen der Vereinigten Staaten; Quelle: Standard & Poor´s/Case-Shiller Composite Home Price Indices, Basis Januar 2000 = 100). © Sachverständigenrat 12 Kreditvergabe: Konsumentenkredite kaum betroffen Hypothekenkreditvergabe fast komplett gestoppt Schaubild 46 Entwicklung der Kreditvergabe an private Haushalte in den Vereinigten Staaten1) Konsumentenkredite Hypothekenkredite Mrd US-Dollar Mrd US-Dollar 1 400 1 400 1 200 1 200 1 000 1 000 800 800 600 600 400 400 200 200 0 0 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 1) Saisonbereinigte Vierteljahreswerte auf jährliche Werte umgerechnet. Quelle: Fed © Sachverständigenrat 13 • Kreditausfälle machen sich bei Banken und Versicherungen bemerkbar • Rating-Agenturen stufen Wertpapiere zurück • zunächst Insolvenzen von Kreditinstitute mit Spezialisierung auf schlecht besicherte Immobilienkredite • Ausweitung auf fast alle Banken, die mit solchen Wertpapieren gehandelt haben 14 • • • • Abschreibungen in Milliardenhöhe bei vielen Banken durch „toxische Wertpapiere“ auch deutsche Banken sind betroffen, besonders stark: IKB, SachsenLB, BayernLB immer mehr staatliche Hilfen und Notverkäufe, um Kreditinstitute vor Insolvenz zu bewahren Zinssenkungen der Fed um Angst vor Rezession zu dämpfen 15 Der Fall Lehman Brothers (1): • • • • (Das) Schlüsselereignis der Finanzmarktkrise Lehman: viertgrößte US-Investmentbank 2007: 4 Mrd $ Gewinn (9 Mrd $ Gehälter und Boni) Frühjahr 2008: Henry Paulson (US-Finanzminister) drängt Richard Fuld (CEO Lehman) das Risiko zu senken • Warnung wurde weitestgehend ignoriert 16 Der Fall Lehman Brothers (2): • September 2008: Lehman steht vor der Zahlungsunfähigkeit • Rettungsversuche: Barclay wollte Lehman kaufen, verlangte aber Garantien von der US-Regierung • US-Regierung verweigerte jede Unterstützung Lehman musste Insolvenz anmelden • Fehleinschätzung der US-Regierung? • Lehman Brothers „too big to fail“? 17 Die Folgen: • Interbankenmarkt vorher schon beeinträchtigt jetzt: Kreditgeschäft zwischen den Banken kommt nahezu zum Erliegen • kein Vertrauen mehr der Banken untereinander • Notenbanken müssen eingreifen, um völligen Kollaps zu verhindern: • fehlende Interbankenkredite werden durch direkte Notenbankkredite ersetzt 18 Indikator für „Misstrauen“ zwischen den Banken: Schaubild 41 Differenz der Geldmarktzinssätze im Euro-Raum: EURIBOR zu EUREPO für 3 Monate1) Tageswerte Basispunkte Basispunkte 200 200 180 180 160 160 140 140 120 120 100 100 80 80 60 60 40 40 20 20 0 0 J A J 2007 O J A J 2008 O 1) Differenz zwischen den marktrepräsentativen Zinssätzen für unbesichertes Dreimonatsgeld (EURIBOR) und für besichertes Dreimonatsgeld (EUREPO). Quelle für Grundzahlen: EZB © Sachverständigenrat 19 Schaubild 10 Restriktivere Kreditvergabe auch für Unternehmen: Kredithürden und Kreditvergabestandards für Unternehmen Schaubild 10 KredithürdenKredithürden und Kreditvergabestandards für Unternehmen nach Größenklassen1) Kreditvergabestandard vH 70 Kredithürden nach Größenklassen1) vH 70 Kreditvergabestandards2) vH 60 100 60 50 Kleine Unternehmen 75 Branchen-/firmenspezifische Faktoren Konjunkturaussichten allgemein 50 50 40 Eigenkapitalkosten der Banken 40 Konjunktu allgemein Branchen-/firmenspezifische Faktoren Kleine Unternehmen Eigenkapitalkosten der Banken 25 30 30 0 20 Mittlere Unternehmen 20 Mittlere Unternehmen 10 10 0 0 2003 2004 2005 -25 Große Unternehmen -50 Große Konkurrenz durch Unternehmen Konkurrenz durch andere Banken andere Banken -75 2006 2003 2007 2004 2005 2008 2009 2006 2003 2007 2004 200820052009 2006 2007 2003 2004 2008 2009 2005 2006 2007 1) Ifo-Konjunkturtest, Oktober 2009. der Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe, die angeben,im dieVerarbeitenden Kreditvergabe seiGewerbe, restriktiv.– die angeben, die Kreditverga 1) Anteil Ifo-Konjunkturtest, Oktober 2009. Anteil der Unternehmen 2) Saldo der vierteljährlichen Umfragee rgebnisse unter Banken zur Umfragee Veränderung der Faktoren die Richtlinien bei der Gewährung von 2) Saldo der vierteljährlichen rgebnisse unterfürBanken zur Veränderung der Faktoren für die Richtlinien bei der Krediten, Angaben der befragten Banken im Berichtsmonat die letztenBanken drei Monate. Differenz zwischen der letzten Summe drei der Angaben Krediten, Angaben derfür befragten im Berichtsmonat für die Monate.„deutDifferenz zwischen der Summe de lich verschärft“ und „leicht verschärft“ und der Summe der Angaben „etwas gelockert“ und „deutlich gelockert“ in vH aller Antworten. lich verschärft“ und „leicht verschärft“ und der Summe der Angaben „etwas gelockert“ und „deutlich gelockert“ in vH aller An Quellen: Deutsche Bundesbank, ifo © Sachverständigenrat 20 Quellen: Deutsche Maßnahmen der Regierungen zur Stabilisierung der Finanzmärkte: Oktober 2008: USA: 700 Mrd $ Rettungspaket Deutschland: 500 Mrd € Rettungspaket: (FMStG) „Finanzmarktstabilisierungsfonds“ davon: 400 Mrd € für Staatsgarantien für die Kreditvergabe der Banken untereinander 80 Mrd € für Teilankäufe angeschlagener Banken 20 Mrd € für Kredite für mögliche Bürgschaftsausfälle • • Zentrale Ziele: Stabilisierung des Interbankenmarkts und Stärkung des Vertrauens in die Finanzmärkte Vermeidung weiterer Insolvenzen 21 Maßnahmen der Regierungen zur Konjunkturbelebung (1): USA: 787 Mrd $ Konjunkturpaket Deutschland: 50 Mrd € Konjunkturpakete Konjunkturpaket I: „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung“ darunter: • Investitionen (Verkehr, Infrastruktur, Wirtschaftsstruktur, etc.) • Verlängerung der Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld • Steuerrechtliche Maßnahmen 22 Maßnahmen der Regierungen zur Konjunkturbelebung (2): Konjunkturpaket II: „Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland“ darunter: • Umweltprämie (sog. „Abwrackprämie“) • Investitionen • Ausweitung und Bezuschussung des Kurzarbeitergelds • Reduktion Beitragssatz gesetzl. Krankenversicherung 23 Realwirtschaftliche Auswirkungen - negative Entwicklung des BIPs: Schaubild 43 Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts im Zeitraum 2008 bis 2010 für ausgewählte Länder1) vH 4 4 2 2 0 0 -2 -2 -4 -4 -6 -6 -8 -8 -10 -10 -12 -12 IS IE FI DE LU IT ES JP SE AT NL UK BE CZ PT DK CH FR US GR NO CA NZ AU 1) Betrachtete Länder: IS-Island, IE-Irland, FI-Finnland, DE-Deutschland, LU-Luxemburg, IT-Italien, ES-Spanien, JP-Japan, SE-Schweden, AT-Österreich, NL-Niederlande, UK-Vereinigtes Königreich, BE-Belgien, CZ-Tschechische Republik, PT-Portugal, DK-Dänemark, CH-Schweiz, FR-Frankreich, US-Vereinigte Staaten, GR-Griechenland, NO-Norwegen, CA-Kanada, NZ-Neuseeland, AU-Australien. Quelle für eigene Berechnung und Schätzung: IWF © Sachverständigenrat 24 Mögliche Folgen für die Wirtschafts- und Ordnungspolitik: • Wirtschaftspolitik so gestalten, dass zukünftig mehr Stabilität des Systems gegeben ist • Risiko des „moral hazard“ muss minimiert werden • Neue internationale Regulierungen (z.B. weltweite Eigenkapitalvorschriften) und Kontrollgremien neue „Weltfinanzmarktordnung“ ? 25 2. Die aktuelle Lage der deutschen und internationalen Wirtschaft: • Finanzkrise wirkt sich auf Realwirtschaft aus • Einbruch der Welthandelsvolumina um fast 12 Prozent Schaubild 3 Entwicklung der Weltproduktion1) und des Welthandels Veränderung gegenüber dem Vorjahr vH vH 15 15 Welthandel (Volumen) 12 12 9 6 9 6 Weltproduktion1) 3 3 0 0 -3 -3 -6 -6 -9 -9 -12 -12 -15 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 a) 2009 a) -15 2010 1) Bruttoinlandsprodukt (preisbereinigt).– a) Eigene Schätzung auf Basis von Angaben internationaler und nationaler Institutionen. Quelle: IWF © Sachverständigenrat 26 53 53 48 48 0,0 vH Auswirkungen auf Deutschlands Außenhandel: -20,9 vH I II III IV 2007 I II III IV 2008 1,5 vH I II III IV 2009 I II III IV 2010 Exporte4) Mrd Euro 300 + 8 + 4 0 - 4 - 8 - 12 - 16 - 20 I vH3) II III IV 2007 I II III IV 2008 I II III IV 2009 I + 8 + 4 0 - 4 - 8 - 12 - 16 - 20 II III IV 2010 Importe4) Mrd Euro 300 vH3) 2,9 vH 7,5 vH 275 275 -14,7 vH 6,3 vH 4,3 vH 250 250 + 4 + 2 0 - 2 - 4 - 6 - 8 - 10 - 12 I II III IV 2007 I II III IV 2008 I II III IV 2009 I II III IV 2010 -9,0 vH 4,8 vH + 4 + 2 0 - 2 - 4 - 6 - 8 - 10 - 12 4,5 vH 225 I II III IV 2007 I II III IV 2008 I II III IV 2009 I II III IV 2010 1) Verkettete Volumenangaben, preisbereinigt; saison- und kalenderbereinigte Ergebnisse nach dem Census-Verfahren X-12-ARIMA.– 2) Eigene Schätzung.– 3) Veränderung gegenüber dem Vorquartal in vH.– 4) Waren und Dienstleistungen. © Sachverständigenrat 27 320 110 0,8 vH 0,4 vH -0,3 vH 1,8 vH -0,1 vH 310 108 2,2 vH + 1,6 + 1,2 + 0,8 + 0,4 0 - 0,4 - 0,8 - 1,2 - 1,6 - 2,0 - 2,4 • + 1,6 + 1,2 + 0,8 + 0,4 0 - 0,4 - 0,8 - 1,2 - 1,6 - 2,0 - 2,4 Die weltweite Unsicherheit spiegelt sich im Rückgang der Ausrüstungsinvestitionen wider Staatliche Programme halten die Bauinvestitionen stabil 300 • I II III IV 2007 I II III IV 2008 I II III IV 2009 I 2,1 vH 106 104 102 II III IV 2010 1,7 vH I II III IV 2007 I Ausrüstungsinvestitionen II III IV 2008 I II III IV 2009 I II III IV 2010 Bauinvestitionen vH3) Mrd Euro 58 vH3) Mrd Euro 58 3,3 vH 11,0 vH 53 53 48 48 -20,9 vH I Mrd Euro 300 II III IV 2007 I II III IV 2008 1,5 vH I II III IV 2009 Exporte4) 2,9 vH I 2,6 vH 0,0 vH -0,4 vH 1,2 vH + 8 + 4 0 - 4 - 8 - 12 - 16 - 20 II III IV 2010 + 8 + 4 0 - 4 - 8 - 12 - 16 - 20 I vH3) Mrd Euro 300 II III IV 2007 I II III IV 2008 I II III IV 2009 Importe4) I II III IV 2010 28 vH 3) Deutschland ist „Exportvolkswirtschaft“ Krise trifft Deutschland hart Wirtschaftsleistung Deutschlands entspricht momentan dem Jahr 2005 Durch synchronisierte Maßnahmen mit anderen Ländern konnte „Abwärtsfahrt“ vorerst gestoppt werden (2. Quartal 2009 0,9 % Wachstum) 29 Wie stabil ist das Wachstum? Schaubild 1 Voraussichtliche Wirtschaftsentwicklung in Deutschland1) Bruttoinlandsprodukt, preisbereinigt Kettenindex (2000 = 100) 2000 = 100 Log. Maßstab 115 P r o g n o s ezeitraum 110 1,3 vH2) statistischer Überhang (+ 0,6)3) statistischer Überhang (+ 0,7)3) statistischer Unterhang (- 2,1)3) 1,6 vH2) - 5,0 vH2) 105 vH 2,0 Veränderung gegenüber dem Vorquartal 100 1,0 0 -1,0 -2,0 -3,0 -4,0 I II III 2008 IV I II III 2009 IV I II III IV 2010 1) Vierteljahreswerte: Saisonbereinigung nach dem Census-Verfahren X-12-ARIMA.– 2) Jahresdurchschnitte: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in vH.– 3) Prozentuale Differenz zwischen dem absoluten Niveau des Bruttoinlandsprodukts im letzten Quartal des Jahres t und dem durchschnittlichen Niveau der Quartale im Jahr t (siehe JG 2005 Kasten 5). © Sachverständigenrat 30 Niveau und Stabilität: • • Die Frage nach dem Niveau des Wachstumspfades ist eng an die Entwicklung des Produktionspotentials gekoppelt Verschiedene Indikatoren wie der ifo – Geschäftsklimaindex lassen auf eine anhaltende konjunkturelle Verbesserung schließen 31 Konjunkturindikatoren für Deutschland 1. Vierteljahr 2008 = 100; saisonbereinigt ifo-Geschäftsklima2) Auftragseingang der Industrie1) Log. Maßstab Log. Maßstab 110 110 Geschäftserwartungen 105 100 Aus dem Inland 100 90 95 Aus dem Ausland 80 Beurteilung der Geschäftslage 90 85 70 80 60 75 70 50 2006 2007 2008 2009 2006 Produktion in der Industrie3) 2007 2008 Ausfuhr nach Ländergruppen4) Log. Maßstab Log. Maßstab 110 115 Konsumgüter 105 2009 Außereuropäische Länder 110 100 105 95 100 90 95 Vorleistungsgüter 85 90 Investitionsgüter 80 Euro-Raum 85 75 80 70 75 65 70 2006 2007 2008 2009 2006 2007 2008 2009 1) Ohne Ernährungsgewerbe und Tabakverarbeitung; ohne Kokerei, Mineralölverarbeitung, Herstellung und Verarbeitung von Spalt- und Brutstoffen.– 2) Verarbeitendes Gewerbe, Bauhauptgewerbe, Groß- und Einzelhandel.– 3) Produzierendes Gewerbe (ohne Energie und Bauleistungen).– 4) Erfasst nach Bestimmungsländern (Verbrauchsländern). © Sachverständigenrat 32 Der deutsche Arbeitsmarkt: • Entwicklung bisher unerwartet stabil: Arbeitslosenzahl wird von 7,8 % (2008) auf 8,2 % (2009, Prognose SVR) steigen • Maßnahmen der Bundesregierung, z.B. die Ausweitung der Kurzarbeiterreglung, verhindern bisher größere Entlasszahlen • In Ländern wie Irland oder Spanien, welche insbesondere durch Fehlentwicklungen auf dem Immobilienmarkt geschädigt sind, ist der Anstieg ungleich höher 33 Arbeitslosenzahlen 34 Entwicklung der Arbeitslosenquoten und des Bruttoinlandsprodukts im 1. Halbjahr 20091) in den OECD-Ländern Veränderung gegenüber dem Vorjahreshalbjahr 2 PL AU 0 GR NO -2 Bruttoinlandsprodukt (vH) NZ CH CA KR -4 FR BE US PT AT NL UK CZ SK -6 LU HU JP -8 IS DK IT Deutschland ES SE FI IE MX -10 TR -12 -1 0 1 2 3 4 Arbeitslosenquote (Prozentpunkte) 5 6 7 8 1) Betrachtete Länder: AT-Österreich, AU-Australien, BE-Belgien, CA-Kanada, CH-Schweiz, CZ-Tschechische Republik, DK-Dänemark, ES-Spanien, FI-Finnland, FR-Frankreich, GR-Griechenland, HU-Ungarn, IE-Irland, IS-Island, IT-Italien, JP-Japan, KR-Korea, LU-Luxemburg, MX-Mexiko, NL-Niederlande, NO-Norwegen, NZ-Neuseeland, PL-Polen, PT-Portugal, SE-Schweden, SK-Slowakei, TR-Türkei, UK-Vereinigtes Königreich und US-Vereinigte Staaten. Quelle für Grundzahlen: OECD © Sachverständigenrat 35 Schaubild 39 Entwicklung der Kurzarbeit in Deutschland vH vH 7 70 6 60 5 50 4 40 1) Durchschnittlicher Arbeitszeitausfall (rechte Skala) 3 30 Kurzarbeiter2) (linke Skala) 2 20 1 10 0 0 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2009 1) Ausfallstunden durch Kurzarbeit in Relation zur normalen Arbeitszeit.– 2) Kurzarbeiter im Verhältnis zu den Arbeitnehmern. Quelle: BA © Sachverständigenrat 36 Schaubild 41 Leiharbeitnehmer in Deutschland1) Tausend Personen 880 vH 40 800 30 720 20 640 10 560 0 480 -10 Bestand (linke Skala) 400 -20 Veränderung gegenüber dem Vorjahresmonat (rechte Skala) 320 -30 0 -40 J A J 2005 O J A J 2006 O J A J 2007 O J A J 2008 O J A J 2009 O 1) Bis Dezember 2008 Quelle BA; danach IW-Zeitarbeitsindex Bundesverband Zeitarbeit (BZA)-Fortschreibung. © Sachverständigenrat 37 Preisentwicklung in Deutschland • • • Inflationsrate ist seit 2008 deutlich gesunken und liegt nahe der „Nullinflation“ Die Verbraucherpreise sind seit Mitte 2008 leicht gesunken und liegen seit Mitte des Jahres auf konstantem Niveau Die Angst vor einer Deflation ist weltweit spürbar gestiegen 38 Preisentwicklung in Deutschland Veränderung gegenüber dem entsprechenden Vorjahresmonat Ausfuhr- und Einfuhrpreise, Rohstoffpreise vH 12 Erzeuger- und Großhandelspreise vH 90 vH 12 60 8 4 30 4 0 0 Ausfuhrpreise1) (linke Skala) 8 -4 0 Erzeugerpreise3) HWWI-Index2) (rechte Skala, gestaucht) -30 -8 -4 -60 Einfuhrpreise1) (linke Skala) -12 -8 Großhandelspreise4) -90 -16 -12 -120 2006 2007 2008 2009 -16 2006 2007 2008 2009 Preisliche Wettbewerbsfähigkeit7) Verbraucherpreise vH 8 vH 8 Länder außerhalb des Euro-Raums8) 6 6 VPI, insgesamt5) 4 4 2 0 2 1) VPI, insgesamt Kerninflation gemäß VPI6) (linke Skala) 0 Euro-Raum9) -2 -2 -4 -4 -6 -6 2006 2007 2008 2009 2006 2007 2008 2009 1) Index der Ausfuhr- und Einfuhrpreise (2005 = 100).– 2) HWWI-Index der Weltmarktpreise für Energierohstoffe (Kohle und Rohöl) auf Euro-Basis (2000 = 100).– 3) Index der Erzeugerpreise gewerblicher Produkte (2005 = 100) nach dem Systematischen Güterverzeichnis für Produktionsstatistiken, Ausgabe 2009.– 4) Index der Großhandelsverkaufspreise (2005 = 100).– 5) Verbraucherpreisindex (2005 = 100).– 6) Verbraucherpreisindex ohne schwankungsanfällige Teilkomponenten (Energie und unverarbeitete Nahrungsmittel).– 7) Auf Basis der Deflatoren des Gesamtabsatzes; Vierteljahresdurchschnitte. Berechnung entspricht der Methode der EZB zur Ermittlung des effektiven Wechselkurses des Euro (siehe Monatsberichte der EZB). Eine positive Veränderung zeigt eine verringerte preisliche Wettbewerbsfähigkeit an. Quelle: Deutsche Bundesbank.– 8) Dänemark, Japan, Kanada, Norwegen, Schweden, Schweiz, Vereinigte Staaten und Vereinigtes Königreich.– 9) Ab 2007 einschließlich Slowenien, ab 2008 einschließlich Malta und Zypern, ab 2009 einschließlich Slowakei. © Sachverständigenrat 39 Schaubild 25 Indikator für die Deflationsanfälligkeit der Weltwirtschaft1) Niedriges Risiko ( 0,3) Mittleres Risiko (0,3 Index 0,5) Indikatoren2) Betroffene Länder3) Anfälligkeitsindikator einschließlich Immobilienpreise 0,5 Hohes Risiko (0,5 Index 1) 0,4 Japan, Irland Belgien, China, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Hongkong, Italien, Kanada, Malaysia, Niederlande, Neuseeland, Österreich, Russland, Schweiz, Singapur, Spanien, Südafrika, Taiwan, Thailand, Vereinigte Staaten 0,3 0,2 Australien, Korea, Portugal, Norwegen, Schweden, Vereinigtes Königreich 0,1 0,1 Anfälligkeitsindikator 0 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 1) Der Indikator ist zusammengesetzt aus Ja-Nein-Fragen. Lautet eine Antwort Ja, wird der Wert Eins eingesetzt, andernfalls Null. Ein Indikatorwert von Eins bedeutet, dass alle Fragen mit Ja beantwortet wurden, ist aber nicht gleichbedeutend mit einer Deflation. Zu den weiteren Einzelheiten siehe IWF – World Economic Outlook, Oktober 2009.– 2) Industrieländer und Schwellenländer. Werte für das 3. und 4. Quartal 2009: Schätzungen des IWF.– 3) Bezogen auf Anfälligkeitsindikator einschließlich Immobilienpreise. © Sachverständigenrat 40 Geldmengenwachstum in Europa und der USA: • Geldmengenwachstumsrate M3 im Euro-Raum fällt seit zwei Jahren • Nach einem deutlichen Anstieg der Geldmenge M2 in den USA (ab September 2008) fällt die Wachstumsrate von M2 wieder • Es ist eine Korrelation zwischen dem Wachstum von M3 im Euro-Raum und dem Wachstum der Bankkredite an den nichtfinanziellen Sektor beobachtbar • In den USA gibt es keine vergleichbare Korrelation bezüglich dieser Parameter 41 Schaubild 23 Entwicklung der Bankkredite an den nichtfinanziellen Sektor sowie der Geldmenge im Euro-Raum und in den Vereinigten Staaten Veränderung gegenüber dem entsprechenden Vorjahresmonat Euro-Raum: Kredite Vereinigte Staaten: Kredite Geldmenge M3 Geldmenge M2 vH 30 vH 30 25 25 20 20 15 15 10 10 5 5 0 0 -5 -5 -10 -10 -15 -15 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Quelle: EZB, Fed © Sachverständigenrat 42 Schaubild 24 Geldschöpfungs-Multiplikator1) der Geldmenge M3 im Euro-Raum und der Geldmenge M2 in den Vereinigten Staaten 14 14 12 12 Euro-Raum 10 10 8 8 Vereinigte Staaten 6 6 4 4 0 0 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 1) Geldmenge dividiert durch das Basisgeld (Einlagenfazilität, Banknotenumlauf und Guthaben der Kreditinstitute auf Girokonten). Quellen: EZB, Fed © Sachverständigenrat 43 Der Blick auf den Staatshaushalt • Konjunkturpakete, ausbleibende Steuereinnahmen sowie steigende Ausgaben (z.B. durch steigende Sozialtransfers) werden zu einem Finanzierungsdefizit von 100-125 Mrd. € im Jahre 2010 führen • Es wird erwartet, dass die Schuldenstandsquote von 65,9 % im Jahr 2009 auf 75,3 % im Jahr 2010 steigen wird (sowohl Entwicklungen auf Zähler- als auch auf Nennerseite) 44 Deutschland steht mit dieser Entwicklung nicht allein: Schaubild 14 Staatsverschuldung in den G7-Ländern Schuldenstand in Relation zum Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen 20091) 2007 20141) vH vH 250 250 200 200 150 150 100 100 50 50 0 0 Deutschland Frankreich Italien Vereinigtes Königreich Königreich Japan Kanada Vereinigte Staaten Staaten 1) Schätzung des IWF – World Economic Outlook, Oktober 2009. © Sachverständigenrat Quelle: IWF 45 • Deutschland darf spätestens ab 2016 keine Nettokredite über 0,35 % des BIP aufnehmen („Schuldenbremse“) • Daher wird es spätestens ab diesem Zeitpunkt zu einer Haushaltskonsolidierung kommen müssen 46 Schaubild 34 Langfristige Entwicklung der gesamtstaatlichen Schuldenstandsquote1) vH vH 90 90 Unterstellte Zuwachsrate des Bruttoinlandsprodukts in jeweiligen Preisen: 85 82 83 79 80 82 80 79 85 2,25 vH 80 77 75 3,25 vH 77 73 80 4,0 vH 74 74 75 71 70 70 65,6 67,6 70 65,9 70 68 66 66 65 65 60,3 60 59 61 59,7 63 63 65 60 56 55 57 55 53 50 50 0 50 0 2000 02 04 06 08 2010 12 14 16 18 2020 22 24 26 28 2030 1) In der Abgrenzung gemäß dem Vertrag von Maastricht. Ab 2009 eigene Berechnungen bei Einhaltung der Schuldenbremse. © Sachverständigenrat 47 3. • Die Diskussionsrunde: Warum wurde Lehman Brothers nicht gerettet? Wie hätte sich die Finanzkrise dann entwickelt? • Warum so lange so niedrige Leitzinsen in den USA? • Warum keine staatlichen Garantien für Hauseigentümer? • Wie kann man die Gefahr des „moral hazard“ in Zukunft einschränken? Ist die Wirtschaftskrise größtenteils überstanden? Wird sich das positive Wachstum in den kommenden Jahren verfestigen? • • 48 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 49 Quellen: • • • • • • • • • Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Jahresgutachten 2008 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Jahresgutachten 2009 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Jahresgutachten 2007 (Ziffer 130 ff.) http://www.imf.org/external/pubs/ft/scr/2009/cr0915.pdf http://www.federalreserve.gov/fomc/fundsrate.htm http://www.leitzinsen.org/usa_leitzins.html http://www.imf.org/external/pubs/ft/survey/so/ 2009/RES093009A.htm http://www.htw-aalen.de/img/downloads/ 1956_Vortrag_Finanzkrise.pdf http://www.iwkoeln.de/Portals/0/pdf/trends03_08_2.pdf 50