Bausteine S. 37ff 1 WAS VERHALTEN & LERNEN MIT DEM GEHIRN ZU TUN HABEN Verhalten und Lernfähigkeit sind der sichtbare Ausdruck unsichtbarer Aktivitäten des Gehirns. 2 WAS VERHALTEN & LERNEN MIT DEM GEHIRN ZU TUN HABEN Im Lernen und Verhalten wird sichtbar, wie das Gehirn Sinnesinformationen verarbeitet. 3 LERNEN Lernen = Erfahrungen sammeln, speichern, integrieren Lernen findet bereits vorgeburtlich statt – Grundsteine für späteres schulisches Lernen 4 5 GEHIRN, LERNEN, ANPASSENDES VERHALTEN Welche Prozesse im Gehirn sind dafür verantwortlich, dass wir lernen und uns anpassend verhalten können? 1. Bestandteile des Nervensystems 2. Integrative Zentren im ZNS 3. Funktion – Wie das Gehirn Informationen verarbeitet 6 7 BESTANDTEILE DES NERVENSYSTEMS Zentralnervensystem = Gehirn und Rückenmark (RM) Peripheres Nervensystem = Nerven im Körper Der Prozess der sensorischen Integration findet im Zentralnervensystem statt, einfache Reflexe bereits im RM, der Großteil im Gehirn 8 REIZLEITUNG • Rezeptor (peripheres Sinnesorgan) wandelt Reiz in elektrischen Impuls um • Nervenbahn • Rückenmark • Verschiedene Zentren im Gehirn 9 REIZLEITUNG Nervenbahn: Nervenfasern vieler Neurone sind in langen Bündeln zusammengefasst leiten meist nur eine Art von Sinnesinformation oder motorischen Reaktionen 10 REIZLEITUNG Nervenkerne (Nuclei): Anhäufung von Nervenzellen Schnittstellen Ordnen Informationen neu, verfeinern sie, integrieren sie mit anderen Sinnesmodalitäten Integrierte Botschaften werden weiter geleitet 11 DIE NERVENZELLE (NEURON): Leistungsträger des ZNS: 12-15 Milliarden Nervenzellen (Neuronen) mit insges. 500.000 km Nervenfasern Sensorische Neurone = Input-Seite (Afferenzen) Motorische Neurone = Output-Seite (Efferenzen) Bausteine S. 39 12 FUNKTIONSWEISE DER NERVENZELLE • elektrische Reizleitung • Tausende Verbindungen zu anderen Nervenzellen – Verteilung des Impulses 13 SYNAPSE • ca. 500 Billionen Schaltstellen mit anderen Neuronen • Information breitet sich im Bruchteil einer Sekunde über Millionen von Synapsen aus 14 SYNAPSE • In einer Synapse kommen viele Impulse aus den verschiedenen Bereichen des Körpers und des Gehirns an 15 FUNKTIONSWEISE DER SYNAPSE • elektrochemische Kontaktstelle • Neurone „kommunizieren“ über Synapsen • „Brücken“, die Impulse von einem Neuron auf ein anderes übertragen 16 FUNKTIONSWEISE DER SYNAPSE • Jedes Neuron leitet Impulse nur in eine Richtung – afferent oder efferent • Damit ein Signal weitergeleitet wird, muss der Impuls eine gewisse elektrische Stärke haben oder von anderen Impulsen verstärkt werden 17 ENTWICKLUNG DES NEURONALEN NETZWERKS • Verarbeitung von Sinneseindrücken schafft Verbindungen • Die Zahl der Synapsen ist ausschlaggebend für die Leistungsfähigkeit des Gehirns 18 JE MEHR NERVENVERBINDUNGEN, DESTO BESSERE LERNFÄHIGKEIT • Ein Sinnessystem kann sich nur entwickeln, wenn es ausreichend stimuliert wird! • Die Nervenzellen brauchen Anregung, um Verbindungen zu entwickeln. • Jede neue Verbindung bringt neue Perzeptionen und motorische Fähigkeiten. 19 SYNAPSEN & LERNEN • Die Fähigkeit der Neurone, Impulse zu leiten, verändert sich im Laufe der Entwicklung • häufiger Gebrauch Verbesserung der Durchgängigkeit einer Synapse Automatisierung 20 SYNAPSEN & LERNEN Jedes Mal, wenn ein Signal durch eine Synapse geleitet wird, verändern sich Struktur und Chemie der Synapse, so dass dieselbe Botschaft in Zukunft leichter passieren kann. Wird eine Synapse wiederholt für eine bestimmte sensomotorische Funktion genutzt, entsteht eine neuronale Erinnerung an diese Funktion. Alles, was wir wissen, ist in unserem Gehirn in Form von neuronalen Erinnerungen gespeichert: Wörter, Gesichter, Bewegungen 21 VERSTÄNDNISFRAGE Alle Impulse müssen mindestens zwei Synapsen passieren, um eine Empfindung, eine motorische Reaktion oder einen Gedanken zu erzeugen. Warum ist diese Tatsache so wichtig für die sensorische Integration? 22 MODULATION • In einer Synapse kommen viele Impulse aus den verschiedenen Bereichen des Körpers und des Gehirns an und beeinflussen einander • Bestimmte Hirnbereiche können verstärkende Signale (exzitatorische Potenziale) senden können einem Impuls den Weg über Synapsen bahnen (fazilitieren) • Andere Hirnbereiche können hemmende Signale (inhibitorische Potentziale) senden können die Weiterleitung eines Impulses unterdrücken 23 MODULATION Bahnung (Fazilitation): • Signal eines Neurons wird durch die Erregung eines exzitatorischen Neurons verstärkt • Dem Signal wird durch anderer Impulse „geholfen“, die Synapse zu passieren. Bahnung 24 MODULATION Hemmung (Inhibition): • Aktivität des eines inhibitorischen Neurons verhindert, dass das Signal eines anderen Neurons an der Synapse weiter geleitet wird Hemmung • Impulsweiterleitung wird unterdrückt 25 MODULATION Regulation, Prozess der Selbstorganisation, Feinabstimmung der Erregung des Gehirns Hemmung Bsp. Bausteine, S.48 Bahnung 26 MODULATION Sensorische Modulation ist ein wichtiger Prozess: Regulation der Erregung/Alarmierung durch einen Sinnesreiz und der sichtbaren Reaktion Bsp.: “Choleriker”, Autisten 27 28 PROZESS DER SINNESVERARBEITUNG Reiz Erregungsniveau Empfindlichkeit Anpassende Reaktion Registieren Modulieren Diskrimieren Bemerken Tolerieren Genießen Unterscheiden Vergleichen Erkennen Integrieren Assoziieren Verknüpfen Zu einem Ganzen zusammenfügen 29 PROZESS DER SINNESVERARBEITUNG Registrieren: Bemerken des Reizes abhängig von Reizschwelle und Reizintensität niedrige Reizschwelle braucht wenig Reizintensität = (über)empfindlich hohe Reizschwelle braucht starke Reizintensität = unterempfindlich 30 PROZESS DER SINNESVERARBEITUNG Modulieren: • Gehirn reguliert die Erregung/Alarmierung, die ein Reiz auslöst angemessene Reaktion • Hemmung und Bahnung Filtern, Selektieren 31 PROZESS DER SINNESVERARBEITUNG Diskriminieren: • Unterscheiden und Analysieren • Vergleichen mit bisherigen Erfahrungen • Erkennen und Interpretieren 32 PROZESS DER SINNESVERARBEITUNG Integrieren: • Assoziieren • Verknüpfen, kombinieren • Zu einem Ganzen zusammenfügen 33 MERKMALE DER SENSORISCHEN INTEGRATION zentral subkortikal unbewusst automatisch 34 35 EVOLUTION DES GEHIRNS Warum sieht unser Gehirn heute so aus? • Veränderung der Anforderungen an das Überleben • Großhirn entwickelte sich aus einem kleinen Riechhirn • im Laufe von Jahrmillionen 36 EVOLUTION DES GEHIRNS • Einfache Organismen: primitives Verhalten = Programm, Reflex • variable und flexible Reaktionen sicherten das Überleben • jede Reaktion bezieht vorhergegangene Erfahrungen ein = Lernfähigkeit • erfordert größeres und komplexeres Gehirn zur Steuerung Frederick Vester 37 UNSER GEHIRN IM ÜBERBLICK Zwischenhirn (Diencephalon) Mittelhirn (Mesencephalon) Hirnstamm Großhirnhälften Kleinhirn (Cerebellum) 38 WICHTIGE INTEGRATIONSZENTREN > Großhirn: Hirnrinde (Kortex) Limbisches System Basalganglien Zwischenhirn: Thalamus Hypothalamus Hirnstamm: Vestibuläre Kerne Formatio Reticularis Mittelhirn: Vierhügelplatte Haubenkerne Kleinhirn 39 HIRNSTAMM zahlreiche Kerne, in denen zwei oder mehr Arten von Informationen zusammen kommen ist für alle eingehenden Informationen (außer einfache RM- Funktionskreise) das zuerst erreichte Hirnareal 40 FORMATIO RETICULARIS (NETZKÖRPER) • Komplex vernetzt mit jedem Sinnessystem, vielen Motoneuronen und den meisten andern Hirnbereichen • Schüsselrolle für sensorische Integration! 41 FORMATIO RETICULARIS (NETZKÖRPER) • großer Teil der eingehenden Informationen wird bereits vollständig verarbeitet Automatisch & unbewusst 42 FORMATIO RETICULARIS (NETZKÖRPER) • Autonome Kerne • „Weckzentren“, die das ganze Gehirn aktivieren • Kerne, die Filtern, Gewöhnung und selektive Aufmerksamkeit ermöglichen 43 VESTIBULÄRE KERNE • Komplexe Kerne im Hirnstamm • Verarbeiten vestibuläre und propriozeptive Informationen • Nutzen sie für unbewusste Haltungsund Balancereaktionen 44 KLEINHIRN Auswuchs der vestibulären Kerne – Erweiterung der Funktion der Vestibulariskerne 45 KLEINHIRN Sammelstelle für: vestibuläre Informationen aus dem Labyrinth (direkt durch VIII. Hirnnerv) Orientierung im Raum Tastinformationen Tiefensensibilität (Propriozeption) 46 KLEINHIRN Funktionen: • Kontrollzentrum für motorische Funktionen wie Tonus, Muskelkraft und Muskelkoordination • wichtige Schaltstelle zum Kortex, v.a. hemmender Einfluss emotionales Gleichgewicht 47 THALAMUS • Liegt im Zwischenhirn • „PFORTE ZUM BEWUSSTSEIN“ 48 THALAMUS Wichtigstes subkortikales sensorisches Integrationszentrum: Taktile, propriozeptive, Temperaturempfindung, Schmerz, Seh- und Riechinformationen 49 THALAMUS Sinneseindrücke werden mit Gefühlen wie Freude, Angst, Lust oder Schmerz ausgestattet über ganze Hirnrinde verstreute Projektionen sehr empfindlich auf Sauerstoffmangel! 50 GROßHIRNHEMISPHÄREN • Größter Teil der Hirnmasse • Komplexeste Verarbeitungsprozesse liefern exakte und detaillierte Auskunft über einen Reiz • Planung und Ausführung von Bewegungen 51 LIMBISCHES SYSTEM • “Gefühlszentrum” • beteiligt am Registrieren von Reizen • Starke Verbindung zum taktilen System • Gedächtnisspeicherung und Lernen 52 LIMBISCHES SYSTEM & LERNEN Lernen, d.h. Erinnern, ist eng verknüpft mit angenehmen und unangenehmen Gefühlen! Die Bedeutung „geeigneter Emotionen oder eines Erfolgserlebnisses beim Lernvorgang kann daher gar nicht überschätzt werden.“ Frederic Vester 53 HIRNRINDE (KORTEX) • Bewusstsein, willkürliche Aktivität, logisches Denken, Entscheidungsfähigkeit • Primäre, sekundäre und tertiäre sensorische Felder • Prämotorische und motorische Kortexareale 54 HIRNRINDE (KORTEX) • Viele Rindenfelder sind auf eine bestimmte Modalität spezialisiert • Assoziationsfelder: fügen verschiedene Modalitäten zusammen, auch aus anderer Hemisphäre ganzheitliche Wahrnehmung 55 KORTEXAREALE Beispiel: Somatosensorisches und motorisches Rindenfeld 56 HEMISPHÄRENSPEZIALISIERUNG • Hirnhälften haben unterschiedliche Arbeitsweisen und spezialisieren sich auf unterschiedliche Funktionen (Lateralisation) • Gute Spezialisierung mehr Effizienz Bausteine S. 44 57 58 GLEICHGEWICHTSSYSTEM Wurm (Vermis cerebelli) Rezeptor Kleinhirn (Cerebellum) Rautenhirn Medulla oblongata Labyrinth Olive Rückenmark Sinnesmodalität: Lageveränderungen des Kopfes im Raum Beschleunigung rotatorisch und linear Muskulatur Abb. aus Zinke-Wolter, Spüren-Bewegen-Lernen. Borgmann 1992 AG SI 59 GLEICHGEWICHTSSYSTEM Wurm (Vermis cerebelli) Kleinhirn (Cerebellum) Rautenhirn Medulla oblongata Labyrinth Olive Rückenmark Abb. aus Zinke-Wolter, Spüren-Bewegen-Lernen. Borgmann 1992 Muskulatur Passage integrativer Zentren: tlw. durch die F.R. zu Vestibulariskernen abhängig von Reizqualität, ob erregende Wirkung! Kortikale Projektionen: Nur in Kombination mit Propriozeption 60 GLEICHGEWICHTSSYSTEM Wurm (Vermis cerebelli) Kleinhirn (Cerebellum) Rautenhirn Medulla oblongata Labyrinth Olive Rückenmark Muskulatur Funktionen: Steuerung von Augenbewegungen, v.a. stabiles Gesichtsfeld Haltungskontrolle Balance Muskeltonus (Streckung, Aufrichtung) Schwerkraftsicherheit Erregungsregulation Raumwahrnehmung BIS Abb. aus Zinke-Wolter, Spüren-Bewegen-Lernen. Borgmann 1992 AG SI 61 TAKTILES SYSTEM D I S K R I M I N AT I V E S SYSTEM SCHUTZSYSTEM Hinterstrangbahn (DCLM) Vorderseitenstrangbahn Phylogenetisch jünger Phylogenetisch älter Leitet: Klare Tastinfo, Druck, Propriozeption, Vibration Leitet: Schmerz, Temperatur, Diffuse Berührung 62 DISKRIMINATIVES SYSTEM (DCML) (dorsal column medial lemniscus = Hinterstrang-Medialer Lemniscus) Rezeptor Primärer sensorischer Cortex +Assoziationsfelder Passage integrativer Zentren: Geht nicht durch die F.R. keine erregende Wirkung! ZWISCHENHIRN HIRNSTAMM THALAMUS MITTELHIRN PONS Lemniscus medialis Ncl. gracilis Kortikale Projektionen: umrissene, spezifische Felder im sensorischen Kortex Ncl. cuneatus MEDULLA OBLONGATA Hinterstrangbahnen Ö AG Abb. modifiziert aus: Barr & Kiernan, The Human Nervous System. Lippincott 1988 SI 63 SENSORISCHE SYSTEME > (dorsal column medial lemniscus HINTERSTRANGBAHN >> = Hinterstrang-Medialer Lemniscus) Primärer sensorischer Cortex +Assoziationsfelder Funktion: Mundmotorik ZWISCHENHIRN Feinmotorik HIRNSTAMM THALAMUS Bewegungsplanung MITTELHIRN Körpergrenzen PONS Lemniscus medialis Ncl. gracilis Exploration - Begreifen Ncl. cuneatus MEDULLA OBLONGATA Hinterstrangbahnen Ö AG Abb. modifiziert aus: Barr & Kiernan, The Human Nervous System. Lippincott 1988 SI 64 SCHUTZSYSTEM (ANTEROLATERAL) (protopathisches System) vordere Seitenstrangbahnen Rezeptor Ncl. caudatus Putamen Pallidum Thalamus Vierhügelplatte (Tectum) Formatio reticularis Oliva Spinalganglion Abb. aus Zinke-Wolter, Spüren-BewegenLernen. Borgmann 1992 Passage integrativer Zentren: geht direkt durch F.R. erregende, alarmierende Wirkung! Kortikale Projektionen: Ausgedehnte, unspezifische Felder Ö AG SI 65 SCHUTZSYSTEM (ANTEROLATERAL) (protopathisches System) vordere Seitenstrangbahnen Ncl. caudatus Putamen Pallidum Thalamus Vierhügelplatte (Tectum) Formatio reticularis Funktion: Schutzfunktion Mutter-Kind-Beziehung Wohlbefinden bei Berührung Auswirkungen auf Sozialkontakt! Oliva Spinalganglion Abb. aus Zinke-Wolter, Spüren-BewegenLernen. Borgmann 1992 Ö AG SI 66