Zeitschrift für Klinische Chemie Herausgegeben von J o a c h i m B r u g s c h , Berlin-Dahlem, und E r n s t S c h ü t t e , Berlin-Dahlem 1. Jahrgang August 1963 Heft 4 (S. 97—128) StofFwechselwkkungen körperfremder Chelatbildner Von P. SIEGMUND Aus dem Physiologisch-chemischen Institut der Freien Universität Berlin, Berlin-Dahlem (Direktor: Prof. Dr. Dr. Ernst Schütte) (Der Schriftleitung zugegangen am 8. Dezember 1962) Die Gesetzmäßigkeiten der Chemie der Metallchelatverbindungen, die die Grundlage für das Verständnis der biologischen Wirkungen von Chelatbildnern sind, werden im ersten Abschnitt besprochen. Die folgenden Abschnitte behandeln den Einfluß von Chelatbildnern auf den Stoffwechsel von Calcium, Zink, Kupfer und Eisen. Bestimmend für diese Stoffwechselwirkungen sind einerseits die Konkurrenzreaktionen der Biometalle um die zugeführten Chelatbildner und andererseits die Stabilität der biogenen Metallkomplexe. Da sich der erste Faktor durch Auswahl der Chelatbildner verändern läßt, ist es möglich die Wirkung auf ein bestimmtes Metall in den Vordergrund zu stellen. The rules of metal chelation which serve as the basis for our understanding of the biological action of chelating agents are discussed in the first section. The following sections deal with the effect of chelating agents on the metabolism of calcium, zinc, copper and iron. The influence on metabolism is determined by competition between the bio-metal ions for the chelating agent, and by the stability of the biological metal complexes. Since the first factor can be controlled by the choice of complexing agents, it is possible to selectively chelate any one metal. Die Bedeutung der Wechselbeziehungen zwischen organischen Substanzen und Metallen für die chemischen Umsetzungen in der belebten Natur wurde bei der Erforschung von Wirkungen der Komplexbildner Kohlenoxyd und Blausäure auf die Atmung erkannt (WARBURG, 1). Bei den Komplexbildnern zeichnen sich diejenigen, die mehrere Bindungen mit einem Metallion unter Bildung von Chelatringen eingehen können, durch eine besondere Stabilität ihrer Metallverbindungen aus. Wohlbegründete Vorstellungen über den Zusammenhang zwischen Stabilität und Struktur der Komplexe und genaue Kenntnisse über Ausmaß und Bedingungen der Komplexbildung vermitteln ein Verständnis ihrer biologischen Wirkungen. Für diese sind chemische Gleichgewichte maßgebend, die sich, wie bei anderen lonenreaktionen, meist schnell einstellen. Indessen gibt es Ausnahmen, insbesondere bei den extrem stabilen Chelaten mit Porphyrinstruktur. — Es ist nicht möglich, im Rahmen dieser Arbeit das umfangreiche Gebiet vollständig abzuhandeln. Über die Chemie der Chelate gibt es Monographien (2—6); ihre Bedeutung für Biologie und Medizin wird in drei Symposien (7—9) besonders berücksichtigt. Z. klin. Chem. / 1. Jahrg. 1963 / Heft 4 Definitionen Chelate sind Komplexverbindungen, in denen ein Metallkation an mehrere funktionelle Gruppen des Chelatbildners oder Liganden koordinativ gebunden ist, d. h. bei der Komplexbildung entstehen ein oder mehrere Ringe. Die Atome oder Atomgruppen des Liganden, die sich koordinativ mit dem Metallion verbinden, nennt man Donatoren^ denn sie liefern die Bindungselektronen für diese Bindung. Die erste richtige Strukturformel für ein Metallchelat, und zwar die des Chelats von Platin mit Acetylaceton, wurde von WERNER im Jahre 1901 aufgestellt (10). Der Name „Chelat" für solche Verbindungen wurde 1920 von MORGAN und DREW (11) geprägt. Die Stabilitäts-, Bildungs- oder Assoziationskonstante eines Chelats wird definiert als rM "MZ - [MZ] [M] . [ZJ · wobei [MZ] die Konzentration des Chelats, [M] die Metallionen-Konzentration und [Z] die Konzentration des nichtprotonierten Liganden, der also weder mit Metall- noch mit Wasserstoffionen assoziiert ist, bedeutet. 13 Siegmund: Stoffwechselwirkungen körperfremder Chelatbildner 98 Bestimmung von Stabilitätskonstanten pH-Abhängigkeit der Komplexbildung und Für die Berechnung einer Gleichgewichtskonstanten muß neben der Bruttozusammensetzung einer Lösung (Gesamtkonzentrationen von Metall und Chelatbildner) mindestens eine Gleichgewichtskonzentration bekannt sein. Ihre unmittelbare Messung ist bei vielen Metallen und Chelatbildnern nicht möglich. Die Bildung von Komplexen oder Chelaten ist aber in bestimmten pHBereichen von der Acidität der Lösung abhängig,, da Wasserstoff- und Metallionen um die gleichen Stellen im Molekül des Liganden konkurrieren. BJERRUM (12) benutzte diesen Effekt 1941 zur Bestimmung der Komplexbildungskonstanten einiger Schwermetallammoniakate. Bei dieser Methode mißt man die Gleichgewichtskonzentrationen der Wasserstoffionen bei den Reaktionen NHL Me ii (1) Me(NH3) und NH4 NH3 + H+ (2) und berechnet aus den hieraus zu erhaltenden Gleichgewichtskonstanten dieser Reaktionen die Konstante für die Reaktion NH3 + Me Me(NH3) die als Stabilitätskonstante des Komplexes definiert ist. Bei einzahiiigen Liganden wie NH3 ist die rechnerische Auswertung kompliziert, da die Komplexbildung bis zur maximalen Koordinationszahl stufenweise erfolgt und für jede Stufe eine eigene Gleichgewichts konstante gilt. Bei den vielzahnigen Chelatbildnern ist in verdünnten wäßrigen Lösungen dagegen oft nur die Bildung eines einzigen Komplexes zu berücksichtigen, und der Zusammenhang zwischen Wasserstoffionenkonzentrationen und Stabilitätskonstanten ist einfacher. Es war daher ein Wendepunkt in der Chelatchemie als SCHWARZENBACH und Mitarbeiter (13, 14) in den Jahren 1945—1947 das Prinzip dieses Verfahrens zur Ermittlung der Stabilitätskonstanten von Erdalkalikomplexen der Äthylendiamintetraessigsäure („AeDTE") (HOOCCH2)2NCH2CH2N(CH2COOH)2 und der Nitrilotriessigsäure („ ") N(CH2COOH)3 benutzten. Sie bestimmten die pH-Titrationskurven von und AeDTE in Abwesenheit und in Gegenwart eines 15 fachen Überschusses von Erdalkali-Ionen (Abb. 1). Die Auswertung der Kurven ergab für die Stabilitätskonstante des Ca-NTE-Chelats den Wert 106*41, für das Ca-AeDTE-Chelat den Wert 1010·70. Unter den Versuchsbedingungen ist bei nur die Bildung eines einzigen Chekts zu berücksichtigen, dem die Strukturformel gemäß Formel l zuzuschreiben ist. Das Bestehen koordinativer Bindungen zu sämtlichen drei Carboxylgruppen folgt aus dem Vergleich mit der Stabilitätskonstanten des Ca-Chelats der Methyliminodiessigsäure CH3N(CH2COOH)2; das Fehlen einer Carboxylgruppe verringert die Konstante um 2,66 Zehnerpotenzen. Noch ausgeprägter ist die Abnahme der KOH/AeOTE Abb. l pH-Titrationskurve von AeDTE in Abwesenheit bzw. Gegenwart eines 15-fachen Überschusses von Calcium-Ionen (nach SCHWARZENBACH) Komplexbildung, wenn das Stickstoffätom quaternär wird und somit für eine koordinative Bindung der Metallionen nicht mehr zur Verfügung steht. Da nur 4 der 6 koordinativen Valenzen des Ca-Ions beansprucht, sind zwei hydratisiert. Die Struktur des Ca-AeDTE-Chelats (Formel 2) ergibt sich aus ent- Formel l Calcium-Chelat von Nitrilotriessigsäure „ " co Formel 2 Calcium-Chelat von Äthylendiamintetraessigsäure „AeDTE" sprechenden Vergleichen. Bei AeDTE besteht im mittleren pH-Bereich auch das einfach protonierte Chelat (Hydrogenkomplex) bei dem ein N-Atom an Ca und das andere an Wasserstoff koordinativ gebunden ist. Die Stabilitätskonstante des Hydrogenkomplexes ist um 7 Zehnerpotenzen kleiner als die des nichtprotonierten Chelats. Z. klin. Chem. /1. Jahrg. 1963 / Heft 4 Siegmund: Stoffwechselwirkungen körperfremder Chelatbildner Die pH-Abhängigkeit der Chelatbildung ist für die Beurteilung der Metallbindung unter physiologischen Bedingungen oft entscheidend, denn nur bei wenigen Chelatbildnern ist die Assoziation mit -Ionen bei neutraler Reaktion zu vernachlässigen. Bei Kenntnis der Aciditätskonstanten der Chelatbildner kann man die pH-Abhängigkeit der Komplexbildung berechnen. WEITZEL und Mitarbeiter (15) nennen die für einen pH-Wert von 7,2 gültige „Stabilitätskonstante" die „physiologische Bindungskonstante" (Berechnung s. 4, 15). Die für diesen pH-Wert erforderliche Korrektur ist bei verschiedenen Chelatbildnern sehr unterschiedlich; für Aminosäuren gelten bei neutraler Reaktion meist Stabilitätskonstanten, die 2 bis 3 Zehnerpotenzen kleiner sind als bei stark alkalischer Reaktion. Bei Adenosinphosphaten und Phosphorsäureestern beträgt die Korrektur nur etwa 10%, bei Oxysäuren, z. B. Citronensäure ist keine Korrektur erforderlich. Stabilitätskonstanten und Struktur des Chelatbildners (Chelateffekt) Die Gliederzahl der Chelatringe besitzt einen entscheidenden Einfluß auf die Stabilität der Chelate. SCHWARZENBACH (16, 17) hat diesen Zusammenhang bei der in Formel 3 dargestellten Reaktion untersucht. Hier unterscheidet sich das entstehende Chelat nur durch den (mit Fettdruck hervorgehobenen) Chelatring vom Ausgangsprodukt; dessen Bildungstendenz bestimmt also ausschließlich die Gleichgewichtslage. Die Konstante für dieses Gleichgewicht ist der Quotient der Stabilitätskonstanten des entstandenen und des gespaltenen Chelats. In der Tabelle sind die Logarithmen 99 molekülen bevorzugt. Das entspricht dem ZiEGLERschen Verdünnungsprinzip bei der Herstellung vielgliedriger Kohlenstoffringe, und folgt auch aus den Gleichgewichtskonstanten, in die die Konzentrationen der 6zahnigen Liganden in der ersten, die des 3-zahnigen in der zweiten Potenz eingehen. — Die Zunahme der Komplexstabilität durch Bildung von Chelatringen bezeichnet man nach SCHWARZENBACH als „Cbelateffekt"'*}. Er hat diesen Effekt so erklärt, daß nach Ausbildung der ersten koordinativen Bindung die noch freien Donatorgruppen sich nur noch in einem begrenzten Raum um das Metallion bewegen können; dadurch wird ihre Bindung an das Metallion viel wahrscheinlicher als die eines zweiten Moleküls. Das primäre Reaktionsprodukt mit nur einer koordinativen Bindung wird so aus dem Gleichgewicht entfernt und die Reaktion im Sinne einer vermehrten Komplexbildung verschoben. Je kleiner die Gliederzahl des entstehenden Chelatringes ist, um so kleiner muß auch der Bewegungsraum für die noch freie Donatorgruppe sein und um so größer ist die Wahrscheinlichkeit der Bildung des Chelatringes. Der maximale Chelateffekt tritt indessen bei 5-gliedrigen Ringen auf, denn bei kleineren Ringen wirken auftretende Spannungen entgegengesetzt. Chelate der Diaminocyclohexantetraessigsäure (Formel4) besitzen größere Stabilitätskonstanten als die analogen CH Gliederzahl d e s Chelatringes log K = Chelateffekt 5 5,2 6 1,7 7 0,1 8 / —0,8 dieser Konstanten für verschiedene Größen der Chelatringe angegeben. Ein 5-gliedriger Chelatring erhöht die Stabilitätskonstante um über 5 Zehnerpotenzen, beim 6-gliedrigen ist diese Erhöhung schon geringer, und große Chelatringe tragen nicht mehr zur Stabilitätserhöhung bei. Indessen ist auch die Ausbildung großer Chelatringe in sehr verdünnten Lösungen gegenüber der Bildung von Komplexen mit mehreren Ligand- + xCH^ \:H2COOH Formel 4 Diaminocyclohexantetraessigsäure *) Gleichgewichtskonstanten stehen stets in einer einfachen Beziehung zur freien Normal-Enthalpie der Reaktion. Man kann den Chelateffekt also auch in einem Energiemaß angeben. Im angeführten Beispiel wird bei der Bildung eines 5-gliedrigen Chelatringes pro Mol eine freie Enthalpie von etwa 7000 cal. verfügbar. Das ist die gleiche Größenordnung wie bei der hydrolytischen Spaltung einer sogenannten energiereichen Phosphatbindung. CH2COOI "CHjCOCT CH^COCT Formel 3 Bestimmung des Chelateffektes Z. klin. Chem. / 1. Jahrg. 1963 / Heft 4 13* 100 Sicgmund: Stoffwcchselwirkungen körperfremder Chelatbildner Chelate von AeDTE (18). Beim Calcium-Chelat beträgt der Unterschied fast 2 Zehnerpotenzen, obwohl Zahl und Art der Chelatringe bei beiden Verbindungen identisch sind. Die Deutung dieses Effekts ist analog und wird durch Formel 5 veranschaulicht. Hier wird eines Liganden auf die Stabilität der Chelate ist seiner Natur nach unspezifisch und wirkt sich bei den meisten Metallionen gleichartig aus. Es handelt sich um einen Verstärkereffekt, der die Art der Bindungen nicht verändert, sondern durch die gegenseitige Anordnung der Donatorgruppen die Komplexbildung begünstigt. In bestimmten Fällen kann aber seine Größe von den Metallionen abhängen, wenn nämlich unterschiedliche Koordinationszahlen, verschiedene räumliche. Anordnung der koordinativen Valenzen oder erhebliche Größenunterschiede bestehen. Stabilitätskonstanten bei verschiedenen Donatorgruppen Formel 5 Der Einfluß eines angegliederten Cyclohexanringes auf den Chelateffekt die Komplexbildung von Äthylendiamin und 1,2-Diaminocyclohexan verglichen. Die Kugeln geben den Bewegungsraum für das zweite Stickstoffatom an, wenn das erste an das Metallkation gebunden ist. Die Relation der Kugelradien wurde am Kalottenmodell nach STUART und BRIEGLEB gewonnen. Eine Ringangliederung erhöht also die Wahrscheinlichkeit der Chelatbildung durch eine Einschränkung der „Gegeneinanderbeweglichkeit" der Atomgruppen des Chelatbildner s. Dieses Prinzip ist bei den Porphyrinen besonders augenfällig. Hier sind vier Donatoratome durch Ringangliederung zu einem starren System zusammengefügt, das in Aufbau und Größe der Koordinationssphäre vieler Kationen entspricht. Hinzu kommt noch eine Resonanzstabilisierung. Den Nachweis einer solchen bei einer Chelatbildung haben CALVIN und Mitarbeiter (19) bei Kupferchelaten von Acetylaceton und Salizylaldehyd erbringen können. Bei Acetylaceton (a) besitzt das Chelat zwei Grenzstrukturen (Formel 6), bei Salizylaldehyd (b) ist durch den ange- Abb. 2 Die Veränderung von Stabilitätskonstanten verschiedener MetallChelate bei der Variation einer Donatorgruppe. HCL HC JC 0 H,C X Verschiedene Donatorgruppen besitzen einen von den Metallionen abhängigen Einfluß auf die Stabilität von Chelaten. Für die biologisch wichtigsten zweiwertigen Metallkationen ist dieser Einfluß bei gleichbleibender Struktur des Chelats in Abbildung 2 angegeben. Die Chelatbildner R · N (CH2COO-)2 · Rx = —CHg—CH2N (CH3)3; ;0 , R5 = —CH2—CN2NH2; N NH2 Rg = —CH2—CH2S~" '9 = —CH2—CH2QH; R4 = —CH2—COO-; V = 0+ Formel 6 a) Kupfer-Chelat von Acetylaceton (log K = 17,4) b) Kupfer-Chelat von Salicylaldehyd (log K = 13,0) gliederten Benzolring eine entsprechende Mesomerie unterdrückt worden. Der Vergleich der Stabilitätskonstanten zeigt eine Verringerung um vier Zehnerpotenzen. — Der vorstehend besprochene Einfluß der Struktur R7 = —CH2—CH2SCH3. Konstanten nach (20—23) Ordinaten zeigen die Änderung der Stabilitätskonstanten in Zehnerpotenzen, wenn in Methyliminodiessigsäure eine weitere Donatorgruppe so eingeführt wird, daß sich ein neuer 5-gliedriger Chelatring bilden kann. Quaternärer Stickstoff ist nicht zur Ausbildung koordinativer Bindungen mit dem Metallion befähigt, seine positive Ladung verursacht aus elektrostatischen Gründen bei allen Metallen eine Verminderung der Stabilität. Auch die Amidgruppe trägt nicht zur StabiliZ. klin. Chem. /1. Jahrg. 1963 / Heft 4 Siegmund: Stoffwechselwirkungen körperfremder Chelatbildner tat bei, entsprechendes gilt, für die in der Tabelle nicht angeführte Peptidgruppe. Man kann ihr also keine Bedeutung für biologische Eiweiß-Metall-Verbindungen zusprechen. (Bei extrem hohen pH-Werten, bei denen durch Abspaltung eines Protons eine Ionisierung der Peptidbindung erfolgt, kann diese aber, wie bei der Biuretreaktion, zur Chelatbildung beitragen.) Der Einfluß der alkoholischen Hydroxylgruppe und der Carboxylgruppe ist bei allen Metallen positiv und ähnlich. Erhebliche Unterschiede treten bei der Einführung von Aminstickstoff auf. Hier werden Schwermetalle, besonders Kupfer gegenüber den Erdalkalimetallen erheblich bevorzugt; bei der Sulfhydrylgruppe ist das noch ausgeprägter, jedoch ist wegen der Oxydation von SH durch Cu11 dieser Wert nicht verfügbar. Selektiv wirkt auch die Thioäthergruppe. Calchtm und Magnesium Die einzigen mehrwertigen Metalle, deren freie bzw. hydratisierte Ionen in den Körperflüssigkeiten eine beachtliche Konzentration besitzen, sind Calcium und Magnesium. Obgleich Schwermetallchelate immer viel stabiler sind, tritt mit vielen körperfremden Chelatbildnern vorzugsweise eine Bildung von CalciumChelaten ein, während die Bildung von MagnesiumChelaten, trotz vergleichbarer Konzentrationen der freien Ionen im Plasma, bei den bisher gebräuchlichen Chelatbildnern zurücktritt. Das liegt an der meist größeren Stabilität der Calcium-Chelate. Beim AeDTE ist die Stabilitätskonstante des Calcium-Chelats um 2 Zehnerpotenzen größer als die des Magnesium-Chelats, daher beträgt nach einer AeDTE-Zufuhr das Konzentrationsverhältnis dieser Chelate im Serum etwa 100 zu 1. Chelatbildner vom AeDTE-Typ werden im Verdauungstrakt nur unzureichend resorbiert (24, 25), und beim Studium ihrer Wirkungen auf den Stoffwechsel ist eine parenterale Zufuhr angezeigt. Abbildung 3 zeigt die Wirkung einer intravenösen AeDTE-Gabe auf das Plasma-Calcium (26, 27). 2 g Äthylendiamintetraessigsäure, die maximal 216 mg Calcium als Chelat binden können, wurden als Natrium-Salz während 40 Min. 10,0 2,0 2 k B B 10 12 K 1S 18 20 22 2k SMrt. Abb. 3 Fraktionen von Plasmacalcium nach der intravenösen Injektion von AeDTE (nach SPENCER) Z. klin. Chem. / 1. Jahrg. 1963 / Heft 4 101 infundiert. Freie und an Plasma-Eiweiß gebundene Calcium-Ionen sind unmittelbar mit Oxalat fällbar, das Calcium des AeDTE-Chelats erst nach vollständiger Veraschung. Die Differenz dieser Bestimmungen entspricht daher der Konzentration des Chelats. Im Verlauf der Injektion wird das Gesamt-Plasmacalcium vermehrt, das mit Oxalat fällbare geringfügig vermindert. Das infundierte AeDTE wird im Urin als Calcium-Chelat verhältnismäßig rasch ausgeschieden, die vermehrte Calcium-Ausscheidung ist aber der infundierten AeDTEMenge nicht völlig äquivalent. Die Erhöhung der Plasmacalcium-Werte und die vermehrte renale CalciumAusscheidung muß auf einer Mobilisierung von CalciumReserven (des Knochens) beruhen. Sie ist hier geringfügig (3 mg Calcium/kg Körpergewicht), unter anderen Versuchsbedingungen kann sie aber erheblich werden. Bei Hähnen, deren Plasmacalcium-Werte durch vorangehende Östrongaben auf 60—80 mg% erhöht waren, wird das mit AeDTE-titrierbare Plasmacalcium, was dem mit Oxalat fällbaren Calcium im Versuch von SPENCER entspricht, nach AeDTE-Injektionen zunächst erheblich vermindert erreicht aber in etwa 2 Stunden wieder seinen Ausgangs wer t (28). Bei diesem in Abbildung 4 dargestellten Versuch wurden etwa 100mg Calcium/kg Körpergewicht, was etwa Wirkung einer AeDTE-Injektion auf das titrierbare Plasmacalcium bei einem Hahn nach Östrongaben 500 mg Knochen entspricht, innerhalb von 2 Stdn. mobilisiert. Die infundierte AeDTE-Menge (2,1 g) war hier dem gesamten zirkulierendem Calcium äquivalent. Trotzdem ist auch unmittelbar nach der Injektion der kleinste Wert für das mit AeDTE titrierbare Calcium noch 50 mg%. Das diesem Wert entsprechende Calcium ist also bereits während der Injektion (20 Min.) mobilisiert worden, vermutlich auf Grund des sich rasch einstellenden Lösungsgleichgewichts Knochen-Mineral/ Plasma. Diesem Gleichgewicht entspricht hier der hohe Plasmacalcium-Wert von etwa 50 mg%, da durch vorangehenden Östrongaben das Calcium bindende Plasma-Eiweiß erheblich vermehrt wird. Der dann folgende langsame Anstieg bis zum Ausgangswert, der etwa 2 Stdn. dauert, muß auf eine spezifische Leistung 102 Siegmund: Stoffwechselwirkungen körperfremder Chelatbildner (H-Ionensekretion) der Knochenzelle zurückgeführt werden. Über Wirkungen wiederholter parenteraler Gaben von AeDTE auf das Skelett bei Ratten berichtet REMAGEN (29, 30). Bei stark negativen Calcium-Bilanzen erfolgt ein intensiver Abbau des Knochens, der mit einer Osteoklasten-Vermehrung einhergeht. Die Calcium-Mobilisierung muß daher auch unter diesen Versuchsbedingungen z. T. auf eine vermehrte Ausschüttung von Parathormon zurückgeführt werden, die ihrerseits durch die vorübergehend erniedrigten Werte für ionisiertes Plasmacalcium verursacht wird. Über die Auflösung pathologischer Verkalkungen nach parenteralen AeDTE-Gaben berichten zusammenfassend BOYLE und Mitarbeiter (31). Bei einer Gesamtgabe von 120 g AeDTE während 60 Versuchstagen verlor ein Patient 27 g Calcium und 4,22 g Magnesium, während die dem AeDTE äquivalente Calcium-Menge nur 12,9 g betragen hätte. Auch dieses Ergebnis zeigt die Beteiligung zellulärer Leistungen bei der Calcium-Mobilisierung. Die Vorgänge bei der Auflösung der pathologischen Verkalkungeil sind aber im einzelnen nicht geklärt. — Umgekehrt ist versucht worden, das CalciumChelat von AeDTE nach einem Vorschlag von BERSIN (32) zur parenteralen Calcium-Zufuhr zu benutzen. HOFSTETTER berichtete im Jahre 1953 (33) über günstige Erfahrungen mit einem solchen Präparat. In der neutralen wäßrigen Lösung von AeDTE-Calcium beträgt die Konzentration der freien Calcium-Ionen 10~7 bis 10~8 *, während sie im Plasma mit 10-%, um 4 bis 5 Zehnerpotenzen größer ist. Daher kann durch AeDTECalcium die Konzentration der freien Calcium-Ionen im Plasma nicht erhöht werden. Dennoch wird das injizierte Calcium nur zu etwa 80% (75—100%) im Urin wiedergefunden (26, 34), während Untersuchungen mit 14 C-markiertem AeDTE ergaben, daß dieses zu 100% im Urin erscheint (26, 35, 36). Die Calcium-Retention läßt sich dadurch erklären, daß die Chelatstabilität bei niedrigen pH-Werten im Nephron so weit abnimmt, daß Calcium-Ionen für die Rückresorption zur Verfügung stehen. RUBIN und Mitarbeiter (37) haben die Bedeutung der Harnreaktion für die Retention von AeDTE-Calcium nachweisen können: die Vorbehandlung der Versuchtstiere mit Azetazolamid, das im Urin alkalische Reaktion verursacht, verhinderte die Retention vollständig. Dieser Versuch läßt die widersprechenden Meinungen über den Wert einer parenteralen Calcium-Zufuhr mit Calcium-AeDTE verständlich er^ scheinen (33, 38, 39, 40). Bei Calcium-Chelaten mit kleineren Stabilitätskonstanten kann die CalciumRetention entsprechend größer sein.(41, 42). — Für eine selektive Bindung von extrazellulärem Calcium ist" der Unterschied der Stabilitäten der Calcium- und Magnesium-Chelate von AeDTE ausreichend, da hier die Konzentrationen der freien Calcium- und Magnesium-Ionen annähernd gleich sind. Intrazellulär wird aber die Konzentration der freien Magnesium-Ionen im allgemeinen viel größer als die der freien CalciumIonen sein (44—47). Wenn daher bei Umsetzungen mit Organ-Homogenaten oder reinen Fermenten die Wir- kung einer stark verminderten Calcium-Ionen-Konzentration, bei Magnesium-Ionen-Konzentrationen, die dem Milieu in der Zelle entsprechen, untersucht werden soll, ist die Anwendung von AeDTE begrenzt. Es gelingt zwar durch AeDTE, bei gleichzeitigem Zusatz von ionisierten Magnesium-Salzen, den Stoffwechsel von Homogeüateii und Mitochondriensuspensionen zu stabilisieren, was wahrscheinlich auf der Maskierung von Calcium-Ionen der extrazellulären Flüssigkeit beruht (45—48). RAAFLAUB (48) hat berechnet, daß bei dem üblichen Zusatz von 10~% AeDTE und 3.10-3 ? Magnesium das vorhandene Calcium nur zu 97,5% maskiert wird. Eine erheblich weitergehende Maskierung kann mit Äthylenglykol-bis-/?-aminoäthyläther-N,N'-tetraessigsäure („GlAeDTE"),(HOOC · CH2)2N-CH2CH2OCH2CH20-CH2CH2N(CH2COOH)2 erreicht werden. Die Stabilitätskonstante ihres Calcium-Chelats (10n>°) ist zwar nur unwesentlich größer als bei AeDTE, aber die ihres Magnesium-Chelats (lO 5 » 2 ) erheblich kleiner (2, 49). Mit diesem Chelatbildner kann man daher bei praktisch unveränderten Magnesium-Werten die Calcium-Ionen-Konzentration auf extrem niedrige Werte herabsetzen. RAAFLAUB (48) zeigte, daß auf diese Weise der oxydative Stoffwechsel von Lebermitochondrien gesteigert und stabilisiert wird, und BRENNER-HOLZACH und Mitarbeiter (50) haben mit diesem Chelatbildner die spezifische Aktivierung der enzymatischen Oxydation von -Ketoglutärsäure durch Calcium-Ionen nachweisen können. In Nierenhomogenaten wird bei Pyruvat- und Fumaratzusatz durch eine solche Verminderung der Calcium-Ionen-Konzentration die Citratansammlung erheblich vermehrt (51). Die Stabilitätskonstanten der biogenen Chelate von Calcium und Magnesium erreichen höchstens die Größenordnung von l O4. Beim ATP beträgt die Stabilitätskonstante des MagnesiumKomplexes 104, die des Calcium-Komplexes 103,6 (52). Koordinative Bindungen bestehen vermutlich nur zu den Phosphatgnippen (Formel?), da die entsprechenden Komplexe von an- Adenosin-'-O—l Formel 7 Magnesium-Chelat von ATP organischem Tripolyphosphat sogar größere Stabilitätskonstanten besitzen (52). Bei ATP findet NANNINGA für den MagnesiumKomplex einen Wert von 10M (53). Über die zum Teil widerspruchsvollen Angaben zu der Stabilität dieser Komplexe vgl. (54). 2,3-Diphosphoglycerinsäure, der Hauptbestandteil des säurelöslichen Phosphats in den Erythrocyten der meisten Säugetiere, bildet mit Calcium und Magnesium Komplexe, deren Stabilitätskonstanten die gleiche Größenordnung wie bei den ATP-Komplexen besitzen (51). Das ist insofern bemerkenswert, als sich hier nur große Chelatringe ausbilden können und daher die relativ hohe Stabilität dieser Komplexe nicht durch den üblichen Chelateffekt erklärt werden kann. Eine Größenordnung kleiner sind die Stabilitätskonstanten der entsprechenden ADP-Chelate (52). Z. klin. Chem. / 1. Jahrg. 1963 / Heft 4 Siegmund: Stoffwechsel Wirkungen körperfremder Chelatbildner Andere phosphorylierte Verbindungen, wie AMP, Glucose- und Fructosephosphat (55) bilden mit Magnesium und Calcium ebenfalls Komplexe, deren Stabilitätskonstanten aber unter 102 liegen, so daß bei den Konzentrationsverhältnissen der Körperflüssigkeiten nur wenige Prozente dieser Verbindungen als Magnesiumoder Calcium-Komplexe vorliegen können. — Alle bisher bekannt gewordenen biogenen Brdalkalikomplexe sind wesentlich weniger stabil als die von AeDTE und werden in dessen Gegenwart daher gespalten. Die schnelle Bindung von AeDTE durch extrazelluläre Ionen und ein ungenügendes Eindringen in die Zellen verhindert vermutlich, eine solche Reaktion in vivo. Es sei noch erwähnt, daß Versuche über eine selektive Bindung von Magnesium mit synthetischen Chelatbildnern bisher nicht beschrieben wurden, obgleich hierzu geeignete Chelatbildner bekannt sind. Schwermetalle Für die Vorhersage der Wirkung eines Chelatbildners auf den Stoffwechsel eines Schwermetalls, insbesondere seine renale Ausscheidung, ist in erster Näherung das Verhältnis der Stabilitätskonstanten des betreffenden Metallchelats und des Calcium-Chelats maßgebend, da die Konzentration der freien Calcium-Ionen im Serum die aller Schwermetallionen um Größenordnungen übersteigt. Indessen zeigte CATSCH (56—59), daß dieses Verhältnis der Konstanten durchaus nicht immer zuverlässige Voraussagen über die Wirkung eines Chelatbildners auf den Stoffwechsel eines Metalls erlaubt. Die Abbildung 5 zeigt die Wirkung von AeDTE auf fr wo jj 90 l70 \ 80 ö SO $ fyQ U -* 8 10 12 Abb. 5 Die Wirkung von AeDTE auf die Retention verschiedener Radionuclide im Knochen in % der Retention des Kontrollversuches (nach CATSCH) die Retention verschiedener Radionuklide im Knochen, aufgetragen gegen den Logarithmus des Quotienten der betreffenden Stabilitätskonstanten. Während bei ^Sr, 144 Ce, 91Y und 2*°Pb die Reihenfolge der Wirksamkeit diesem Quotienten entspricht, hat AeDTE auf die Retention von 203Hg keine Wirkung, obwohl hier der Quotient den größten Wert besitzt. Diese Abweichung läßt sich durch die unterschiedliche Stabilität der Hydroxokomplexe erklären (60). Allgemein sind also nicht nur die Konkurrenzreaktionen der Metalle um Z. klin. Chem. / 1. Jahrg. 1963 / Heft 4 103 den zugeführten Chelatbildner, sondern auch die Konkurrenzreaktionen von Bestandteilen des Organismus mit den verschiedenen Metallen zu berücksichtigen. Besonders bei den Biometallen ist daher in erster Linie die Stabilität ihrer biogenen Komplexe für die Wirkung eines zugeführten Chelatbildners maßgebend. Zink Im Vergleich mit den Erdalkalien ist die Konzentration der freien Zink-Ionen in Serum und Zellen sehr gering. Zink ist im Serum, zumindest zum Teil, nur relativ lose an Albumin gebunden, seine Werte werden mit 100—200 §%, entsprechend 2—3 · 10~%, angegeben (61). Für die Zink-Bindung biogener Stoffe kommen Tryptophan und Cystein in Betracht (WEITZEL (62)). Die Zink-Bindung an SerumAlbumin wird vermutlich nur durch eine einfache komplexe Bindung an den Imidazolstickstoff von Histidin bewirkt. Diese Annahme steht nach den Untersuchungen von GURD (63) mit der Stabilität des Zink-Albumins im Einklang. — Das Zink-Bindungsvermögen von Insulin wurde im Jahre 1934 von SCOTT (64) beobachtet. Auch hier erfolgt die Bindung durch Imidazolstickstoff. Die Versuche von WEITZEL und Mitarbeitern (65) ergaben, daß Insulin auch im Inselgewebe als Zink-Verbindung vorliegt. Sie konnten zeigen, daß dieses Gewebe bei Knochenfischen, bei denen es als isoliertes Organ vorliegt, mit 500—1000 //g Zink/g Frischgewebe 10—40 mal mehr Zink enthält als andere Organe. Dieser hohe Zink-Gehalt beruht auch auf der Zink-Bindung an Glukagon, denn auch die -Zellen sind sehr Zink-reich (62). Beim Glukagon steht am Aminoende ein Histidinrest; hier kann Zink unter Ausbildung eines Chelatringes an Imidazol- und Amino-N koordinativ gebunden werden. Über die Stabilität der Zink-Verbindung solcher Peptide berichten WEITZEL und Mitarbeiter (66). Eine weitere biogene Zink-Verbindung ist das Zink-Cystein im tapetum lucidum der Carnivoren (67). Auf diese Substanz ist das Augenleuchten dieser Tiere zurückzuführen. — Das stabilste ZinkProteid ist wohl die Carboanhydrase, bei der es erst MALMSTRÖM (68) gelungen ist, ohne Zerstörung des Proteins, das Zink reversibel zu entfernen. Er mußte hierzu extreme Bedingungen anwenden, nämlich die Dialyse bei pH = 5 gegen 10~3 m o-Phenantrolin während 30 Tagen. Eine Wirkung von Chelatbildnern auf dieses Zink-Proteid in vivo ist demnach auszuschließen. (Über weitere Zink-haltige Fermente vgl. (62, 68, 69).) Die Stabilitätskonstante von Zink-AeDTE ist mit l O16·5 um 6 Zehnerpotenzen größer als die von CalciumAeDTE, und bei der relativ lockeren Bindung von Zink im Serum ist bei AeDTE-Injektionen eine gewisse Bildung des Zink-Chelats zu erwarten. In Übereinstimmung damit findet PERRY (70, 71) bei Hypercholesterinämie-Patienten, daß bei parenteralen Gaben von l-r-3 g AeDTE das Urin-Zink von etwa 0,25 mg// auf etwa 2—3 mg Zink// ansteigt. Nach PERRY ist dies die ausgeprägteste Stoffwechselwirkung nach intravenösen Gaben von Calcium-AeDTE. Die gleichzeitig eintretende Erniedrigung erhöhter Serum-CholesterinWerte führt er daher auf die Zink-Diurese zurück. Indessen fehlen überzeugende Versuche, die die Gleichzeitigkeit dieser Veränderungen ursächlich miteinander verknüpfen. FOREMAN (72) hat andererseits gezeigt, daß bei intravenösen Gaben von Zink-AeDTE bei Ratten nach 45 Stdn. praktisch alles zugeführte Zink wieder ausgeschieden ist, während unter gleichen Versuchsbedingungen nichtkomplexe Zinksalze zu 60% retiniert 104 Sicgmund: Stoffwechselwirkungen körperfremder Chelatbildner werden. MELTZER und Mitarbeiter (73) berichten, daß AeDTE bei mit Insulin behandelten Diabetikern eine Hypoglykämie hervorrief, und daß tägliche AeDTEInjektionen den Insulinbedarf der Diabetiker herabsetzten. Der Mechanismus dieser Wirkung ist nicht klar, möglicherweise besteht hier ein Zusammenhang mit der Zink-Bindung an Insulin und Glukagon. Anders als AeDTE wirken die Chelatbildner o-Oxychinolin und Dithizon auf biogene Zink-Komplexe. — ALBERT (75) nimmt zur Erklärung der bakteriziden Wirkung von o-Oxychinolin an, daß dieses sich an die freien koordinativen Valenzen von Zink in seinen biogenen Komplexen anlagert, wobei die Komplexe nicht gespalten werden. Die biologische Auswirkung einer solchen Reaktion ist natürlich eine andere, als wenn die Chelatbildner mit freien Zink-Ionen reagieren und so eine Spaltung von biogenen Komplexen verursachen. Ähnliche Überlegungen gelten vermutlich für den Einfluß von o-Oxychinolin und Dithizon auf das Inselgewebe; hier ist vermutlich noch eine cy to toxische Komponente maßgebend (74, 76, 77). KADOTA und Mitarbeiter (78) konnten zeigen, daß Dithizon und oOxychinolin die Inselzellen schädigen und diabetogen wirken. WEITZEL (79) fand, daß Zink-Cystein im tapetum lucidum der Carnivoren gegen Dithizon noch erheblich empfindlicher ist als Inselgewebe. Bereits 10—15 Minuten nach der Injektion von 100 mg/kg Dithizon konnten sie bei Hunden die rot-violette Farbe des Zink-Dithizons im Azp£////*-Bezirk beobachten; nach einigen Stunden trat Netzhautablösung und Erblindung ein. Kupfer Plasma enthält etwa 100/jg% Kupfer; dieses ist im wesentlichen an ein spezielles Kupfer-bindendes Protein, das Cerulo-Plasmin gebunden und nur ein relativ kleiner Anteil soll lose an Albumin gebunden sein. Das zweiwertige Kupfer ist im Ceruloplasmin sehr fest gebunden; bei pH > 4 ist es nicht dialysierbar (80). Nach der Reduktion mit Ascorbinsäure ist eine reversible KupferAbspaltung möglich (81). Insgesamt sind bisher 9 Kupfer-Proteide, darunter Tyrosinase und Cytochrom-C-Oxydase, als Bestandteil des Organismus isoliert und charakterisiert worden. Die Festigkeit ihrer Kupferbindung ist, soweit bisher untersucht, ähnlich wie bei Ceruloplasmin (80). Die Funktion des Kupfers besteht bei Tyrosinase und Cytochrom-C-Oxydase in einem Valenzwechsel. Das Fehlen von Tyrosinase soll die Ursache des Albinismus sein (82). Bei Cytochrom-C-Oxydase konnten BEINERT und Mitarbeiter (83) zeigen, daß der Valenzwechsel des Kupfers mit der Enzymfunktion zusammenhängt. Obwohl auch parenterale AeDTE- und BAL-Gaben (84) die renale Kupferausscheidung erhöhen, ist das auch oral wirksame D-Penicillamin hierzu am besten geeignet. Penicillamin ist chemisch |8,/?-Dimethylcystein; seine D-Form entsteht bei der Hydrolyse von Penicillin. Die Erhöhung der renaleii· Kupferausscheidung nach Penicillamin-Gaben wurde von WALSHE (86, 85) beobachtet. Er fand hierbei eine Steigerung der renalen Kupferausscheidung auf etwa das 10—20fache des Normalwertes. Diese Wirkung ist zur Behandlung von Morbus Wilson benutzt worden. Bei dieser Krankheit kann der Kupfergehalt der Organe bis zum Hundertfachen der Norm betragen (SCHEINBERG 87). Die renale Kupferausscheidung in 24 Stunden erreicht hier bei oralen Gaben von l—2 g D-Penicillamin Werte von 8 mg; Patienten, die insgesamt 200—2000 g Penicillamin erhielten, schieden im Verlauf der Behandlung zwischen 400 und 950mg Kupfer aus (88); das ist ein Mehrfaches des gesamten Kupfer-Bestandes beim gesunden Erwachsenen, der mit 75—150 mg angegeben wird (80). Bei langdauernden Behandlungen sinken die Plasma-Kupfer-Werte bis 10 % ab (LANGE (89)). Über die klinische Beurteilung dieser Behandlung vgl. (8, 90). Cystein, das sich nur durch das Fehlen von zwei Methylgruppen von Penicillamin unterscheidet, erhöht die renale Kupferausscheidung nicht (85). WALSHE vermutete, daß dieser Unterschied weniger auf der verschiedenen Stabilität der Kupfer-Komplexe beruhe, als auf einem geringeren Umsatz von Penicillamin im Stoffwechsel. APOSHIAN (91) konnte dies experimentell nachweisen; er fand, daß Penicillamin mit Aminosäureoxydasen und Cysteindesulfhydrase sehr viel langsamer umgesetzt wird als Cystein. Bei oralen Penicillamingaben wird aber doch ein hoher Prozentsatz im Stoffwechsel verändert. In einem Selbstversuch fand DULCE (92), daß nur 10% einer oralen Penicillamingabe im Urin wiedergefunden wird. L-Penicillamin hat zwar eine vergleichbare Wirkung auf die renale Kupferausscheidung, wirkt jedoch gleiqhzeitig als Antivitamin-B6 (93). Nach DU VIGNEAUD (94) beruht diese Wirkung auf einer Reaktion mit Pyridoxalphosphat. Indessen reagieren D- und L-Penicillamin mit Pyridoxalphosphat mit gleicher Geschwindigkeit (95), während eine AntivitammrB6-Wirkung bei D-Penicillamin in vivo nie beobachtet wurde. Zuverlässige Daten über die Stabilität der Kupfer-Penicillarnin-Komplexe sind nicht verfügbar. KUCHINSKAS und Mitarbeiter (96) geben Werte für die Stabilitätskonstanten der Kupfer-IIKomplexe an. Diese beruhen auf pH-Titrationskurven von Penicillamin in Gegenwart von Kupfer-II-Ionen, wobei die Autoren übersehen haben, daß die SHGruppen im Penicillamin durch Kupfer-II oxydiert werden, was ebenfalls mit einer Herabsetzung der pHWerte verbunden ist. Man kann aber den Wert für den Kupfer-I-Cystein-Komplex (1:1), den STRICKS und Mitarbeiter (97) polarographisch zu 1019>2 bestimmten, heranziehen. Die Stabilitätskonstante des Kupfer-IPenicillamin-Komplexes liegt sicher in der gleichen Größenordnung. Indessen ist bei Penicillamin die Korrektur für das Metallbindungsvermögen bei physiologischen pH-Werten geringer, denn sein pKg-Wert ist •mit 7,97 (96) deutlich niedriger als bei Cystein, 8,48 (98). Eine direkte Reaktion von Penicillamin mit SerumKupfer hat WALSHE (99) nachgewiesen. Mit 0,02 m PeniciUamin werden nach l Std. bei 37° 29^37% des Serum-Kupfers ultrafiltrierbar bzw. dialysierbar. Bei Plasma von Patienten mit Wilsonsyndrom sind es 77—87%. Die Wirkung von AeDTE in einem analogen Versuch soll sehr viel geringer sein. Bei der Zugabe von Penicillamin zu gereinigtem Ceruloplasmin ver2. klin. Chem. /1. Jahrg. 1963 / Heft 4 Siegmund: Stoffwechselwirkungen körperfremder Chelatbildner 105 HOOCCH, C ^x + X H-N CH, CH, .CH-CH, ^>N—CH H-N+—CH 2 COO~ CH, CH, H-N f HOOCCH? Formel 8 Äthylendiamin-N,N'-di-o-oxy-phenylessigsäure und ihr Eisen-Chelat (nach KROLL) schwindet die charakteristische blaue Farbe. Bei diesen Versuchen ist eine Reduktion zum einwertigen Kupfer anzunehmen, deshalb erlauben sie-keine Rückschlüsse auf die Komplexstabilität von Cerulöplasmin. Penicillamin ist kein spezifischer Chelatbildner für Kupfer, sondern gibt mit zahlreichen Schwermetallen recht stabile Chelate (96). So ist es auch mit Erfolg bei Quecksilbervergiftungen angewendet worden. Eine Acetylierung der NH2-Gruppe im Penicillamin hebt seine Wirkung auf den Kupfer-Stoffwechsel auf, nicht aber seine Schutzwirkung bei Quecksilbervergiftungen. Die Stabilitätskonstante von Quecksilberpenicillamin beträgt l O16»5, die von Quecksilber-AeDTE l O21'8. Trotzdem ist Penicillamin ein wirkungsvolles Mittel bei einer Quecksilbervergiftung, während QuecksilberAeDTE dieselbe Toxizität wie nichtkomplexe Quecksilbersalze besitzt (60), und die Anwendung von AeDTE bei Quecksilbervergiftungen dementsprechend sinnlos ist. Entscheidend für dieses unterschiedliche Verhalten ist vermutlich die fehlende Calcium-Konkurrenz beim Penicillamin. Eisen Das AeDTE-Chelat des dreiwertigen Eisens besitzt eine Stabilitätskonstante, die um 14 Zehnerpotenzen größer ^ ist als die des Calcium-Chelats. Die Werte für SerumEisen liegen in der Größenordnung von 100 % (2 · 10^%), d. h. sie sind nur 2 Zehnerpotenzen kleiner als für Serum^Calcium. Dennoch kommt es nach AeDTE-Injektionen zu keiner bedeutenden Vermehrung der renalen Eisenausscheidung (102). Das Eisen-Chelat von AeDTE kann im Gegenteil zur Eisenzufuhr benutzt werden, bei seiner intravenösen Injektion werden über · 80% des Eisens retiniert (103). Die Metallabgabe ist also trotz der ungleich größeren Stabilität viel ausgeprägter als beim Calcium-Chelat, bei dem die Retention. 0—20% beträgt (s. o.). Dies liegt an der unterschiedlichen Stabilität der biogenen Komplexe. Bei den biogenen Eisenkomplexen überwiegen mengenmäßig und funktionell die Porphyrinkomplexe. Ein unmittelbarer Eisenentzug aus diesen Komplexen mit Chelatbildnern ist nicht bekannt und dürfte bei neutraler Reaktion mit den heute bekannten Chelatbildnern auch nicht möglich sein. Das ist sowohl durch die extrem hohe Stabilität der Porphyrin-Chelate, wie auch durch ihre Reaktionsträgheit beim Ein- und Ausbau des zentralen MetallZ. klin. Chem. / 1. Jahrg. 1963 / Heft 4 CH2COO" Formel 9 Diäthylentriaminpentaessigsäure atoms bedingt. Wegen der Starrheit des Moleküls können die vier Bindungen an das Metallatom nur gleichzeitig gelöst oder gebildet werden. Ein solches Ereignis tritt nur selten ein, und die Reaktion verläuft daher sehr langsam (17, 104, 105). Die Einführung von zwei weitigem Eisen in metallfreies Protoporphyrin wurde präparativ von FISCHER und Mitarbeitern (106) durchgeführt. Bei pH = 6 und 37° ist diese Reaktion auch in Gegenwart von Lösungsvermittlern sehr träge (107). Beim Kupfer konnte die entsprechende Reaktion durch o-Oxychinolin um das 200—2000-fache beschleunigt werden (108). Hier reagiert das Porphyrin offenbar mit dem Kupfer-Oxychinolinkomplex (1:1). In vivo erfolgt die Hämbildung vermutlich aus dreiwertigem Eisen und Porphyrin unter der Wirkung der Eisen-Chelatase; das Ferment ist Eisen-spezifisch (109). Diese Spezifität und der träge Metallaustausch läßt verständlich erscheinen, daß sich die Biometalle nicht im Verhältnis ihrer Konzentrationen und Komplexstabilitäten mit den Porphyrinen vereinigen. Bei Porphyrie können aber unphysiologische Metallporphyrine im Urin auftreten (110, 111, 112). Auch die anderen biogenen Eisenkomplexe sind sehr stabil, und für die „Enteisenung" dieser Verbindungen sind wirkungsvolle selektive Chelatbildner notwendig. Geeignet sind hier Äthylendiamin-N,N'-di-o-Oxyphenylessigsäure, ein Phenolanaloges von AeDTE (Formel 8), Diäthylentriaminpentaessigsäure (Formel 9) und Desferrioxamin B, dessen Eisen-Chelat ein Stoffwechselprodukt der Actinomyceten ist (Formel 10). Die 5 1 II "I HO 0 0 HO HO 0 Formel 10 a) Ferrioxamin B und b) Desferrioxamin B (nach BICKEL) 14 106 Siegmund: Stoffwechselwirkungen körperfremder Chelatbildner phenolischen Hydroxyle erhöhen selektiv die Stabilitätskonstante des Eisen-III-Chelats, während die des Calcium-Chelats kleiner geworden ist. Bei Diäthylentriaminpentaessigsäure hat die Vermehrung der Donatorgruppen gegenüber AeDTE die Stabilität des CalciumChelats kaum verändert, die des Eisen-III-Chelats um 3 Zehnerpotenzen vergrößert. Im Desferrioxamin B erfolgt die Eisenbindung durch Hydroxamsäuregruppen. Über die Begründung der Strukturformel dieses interessanten Chelats und die möglichen diastereomeren Konfigurationen vgl. BICKEL und Mitarbeiter (114). — Über die Reaktion von Transferrin-Eisen mit Äthylendiamin-NjN'-di-o-Oxy-phenylessigsäure in vitro berichtet KORMAN (115). Er konnte die Reaktion optisch verfolgen, da das entstehende Eisen-Chelat stark rot gefärbt ist. Transferrin (90proz. Eisensättigung) gab bei pH = 7,4 während der ersten 15 Minuten 45% seines Eisens an den synthetischen Chelatbildner ab. Die weitere Reaktion war sehr langsam und nach 24 Stdn. das Gleichgewicht noch nicht erreicht. Nach 4 Tagen waren insgesamt 75% des Eisens abgespalten. Diese Reaktionsträgheit ist aus den komplexchemischen Daten verständlich, denn bei der Reaktion sind vermutlich die freien Eisen-Ionen ein notwendiges Zwischenprodukt, ihre Konzentration ist aber wegen der hohen Stabilität dieser Eisen-Komplexe extrem niedrig. In Gegenwart von Bikarbonat (0,02 #?), daß die Eisenbindung im Transferrin entscheidend beeinflußt (116), konnte KORMAN (115) keine Reaktion feststellen. Über entsprechende Versuche mit Desferrioxamin B berichtet WÖHLER (117). Er findet einen Eisenentzug bei Transferrin-Eisen, Ferritin und Hämosiderin. Nach Zusatz des Chelatbildners sind durch 6-stdg. Dialyse gegen Wasser erhebliche Eisenmengen zu entfernen, beim Transferrin 90%. Der Einfluß von pH-Wert und Bikarbonat auf die Reaktion wurde nicht untersucht. Ein Vergleich mit den Ergebnissen von KORMAN ist daher nicht möglich. — Die Stabilitätskonstanten der Eisen-III-Chelate der oben besprochenen Chelatbildner liegen zwischen l O29 und l O32. Indessen ist die pHAbhängigkeit der Chelatbildung groß, da die Protonenaffinität der Donatorgruppen erheblich ist. Beim EisenChelat von Äthylendiamin-N,N'-di-o-Oxy-phenylessigsäure fand KORMAN mit optischen Messungen, daß es bei einem pH-Wert von etwa 1,5 zu 50% dissoziiert war. Bei Ferrioxamin B ist das schon bei pH = 3,5 der Fall, wie polarographische Untersuchungen von BICKEL und Mitarbeitern (114) ergaben. — Infusionen von Diäthylentriaminpentaessigsäure (113) und Desferrioxamin (116) können die renale Eisenausscheidung beträchtlich erhöhen. Bei gesunden Versuchspersonen findet WÖHLER (117) nach 2 mal 400 mg Desferrioxamin i. v. l—3 mg Eisen im 24 Stdn.-Urin; gleichzeitig kam es zur Erhöhung der Serum-Eisen-Werte. Sowohl Diäthylentriaminpentaessigsäure wie Desferrioxamin B sind bei der Behandlung der Eisenspeicherkrankheit (Hämochromatose) benutzt worden. WÖHLER (118) berichtet hierbei über renale Eisenausscheidungen bis 80 mg/24 Stdn. und über eine Gesamteisenelimination bis zu 18 g innerhalb eines Jahres. Das ist mehr als der gesamte Eisenbestand des gesunden Erwachsenen. Schlußbetrachtung Obwohl es keine streng spezifischen Chelatbildner gibt, ist es möglich die Eliminierung eines bestimmten Metalls durch Variation von Chelatbildnern und Versuchsbedingungen in den Vordergrund zu stellen. So wirkt Na2AeDTE vorzugsweise auf Calcium, CaAeDTE auf Zink, Penicillamin auf Kupfer, Desferrioxamin B auf Eisen und Acetylpenicillamin auf Quecksilber. Die renale Ausscheidung nach der Zufuhr von Chelatbildnern erlaubt manchmal eine Schätzung der Bindungsfestigkeit der Metalle im Organismus bzw. der Konzentration ihrer freien Ionen. Wenn man voraussetzt, daß diese Ausscheidung dem Konzentrationsverhältnis der Chelate im Plasma entspricht, berechnet man mit Hilfe der Stabilitätskonstanten für die Konzentration der freien Zink-Ionen im Serum aus den Versuchsdaten von PERRY (71) einen Wert von lO-11/^, für die der dreiwertigen Eisen-Ionen, wenn man Versuche mit Diäthylentriaminpentaessigsäure zugrunde legt (118) -22—10-23 *. Vergleicht man diesen Wert mit der Loschmidtschen Zahl, so sieht man, daß nur einzelne freie Eisen-III-Ionen im Liter vorhanden sein können. Und dennoch ist dieser Wert vermutlich zu hoch, denn aus der Stabilitätskonstanten für Eisen-Transferrin errechnet man eine um Zehnerpotenzen geringere Größe. Der Unterschied liegt vermutlich an der Rolle des Wertigkeitswechsels von Eisen bei der Abspaltung aus seinen biogenen Komplexen. Indessen zeigen diese Zahlen die Leistungsfähigkeit synthetischer Chelatbildner, die auch in diesen extrem verdünnten Lösungen mit den Metallionen reagieren und damit in den Stoffwechsel dieser Metalle eingreifen. Literatur 1. WARBÜRG, O., Schwermetalle als Wirkungsgruppen von Fermenten, W. Saenger, Berlin (1946). — 2. SCHWARZENBACH, G., Die komplexometrische Titration, F. Encke, Stuttgart (1960). — 3. MARTELL, A. E. und M. CALVIN, Die Chemie der Metallchelatverbindungen, Verlag Chemie GmbH, Weinheim/Bergstr. (1958). — 4. CHABEREK, ST. und A. E. MARTELL, Organic Sequestring Agents, John Wiley & Sons, Inc. Publishers, New York (1959). — 5. WILLIAMS, R. J. P., The Enzymes, Bd. I, S. 391 Acad. Press, Inc. Publishers, New York (1959). — 6. SCHÄFER, H. L., Komplexbildung in Lösung, Springer-Verlag, Berlin (1961). — 7. Chelation Phenomena (Symposion), Ann. N. Y. Acad. Sc. 88, 281 (1960). — 8. Metalbinding in Medicine (Symposion), J. B. 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Abschließend wird die Bedeutung der Polarographie für die Bestimmung der Sulfhydrylstoffe und der Proteine, z. B. mit Hilfe der Brdicka-Reaktion, hervorgehoben. The principles of polarography and its advantages are briefly presented. The preparation of biological material for polarographic analysis is described. Determination of inorganic components is discussed and special reference made to oxygen. Special mention is made of the determination of alkaloids, vitamins, hormones and enzymes, besides the simple organic compounds like quinones, aldehydes and ketones. Finally, the significance of polarography in the determination of sulphydryl compounds and proteins, e. g., with the aid of the Brdicka reaction, is discussed. Die Polarographie ist eine elektrochemische Methode, bei der die Abhängigkeit des durch die Untersuchungslösung fließenden Stromes von der an die Elektroden angelegten Spannung verfolgt wird. Aus den so gewonnenen polarographischen Kurven kann man Auskunft sowohl über die qualitative als auch vor allem über die quantitative Zusammensetzung der analysierten Lösung gewinnen. Wegen ihrer Empfindlichkeit, Schnelligkeit und ausreichenden Genauigkeit wird die Polarographie des öfteren zur Analyse von biologischem Material herangezogen (1). Die Meßelektrode muß in der Polarographie vollkommen polarisierbar sein, d. h. ihr Potential soll der angelegten Spannung genau entsprechen. Am häufigsten benutzt man zu diesem Zweck die Quecksilbertropfelektrode. Es war eben das Studium der elektrochemischen Vorgänge an dieser Elektrode, das J. HEYROVSKY im Jahre 1922 zur Entdeckung der polarographischen Methode führte und für die ihm im Jahre 1959 der Nobelpreis für Chemie verliehen wurde. — Die Quecksilbertropfelektrode besteht im wesentlichen aus einer Glaskapillare von 0,03—0,08 mm innerem Durchmesser und etwa 10-—15 cm Länge, die durch einen Gummioder Kunststoffschlauch mit einem Quecksilberbehälter verbunden ist (Abb. 1). Das Quecksilber tropft aus der Kapillare in konstanten Zeitintervallen in die Analysenlösung ein. Die Länge dieser Zeitintervalle (3—4 Sekunden) kann durch entsprechende Höhe des Quecksilberbehälters reguliert werden. Die Oberfläche der Quecksilbertropfelektrode wird immerfort erneuert, so daß der Elektrodenvörgang an jedem weiteren Quecksilbertropfen unter genau gleichen Bedingungen wie am vorangehenden abläuft. Ein großer Vorteil der Quecksilberelektrode liegt darin, daß die Wasserstoffionen, die in jeder sauren Lösung in großem Vorrat vorhanden sind, an ihr bei viel negativerem Potential reduziert werden als an Elektroden aus anderem Material. In einigen Fällen, z. B. bei langdauernden Z. klin, Chem. / 1. Jahrg. 1963 / Heft 4 Bfczina: Polarographische Methoden in der klinischen Chemie 109 sind zwei der geläufigsten in den Abbildungen 2 und 3 als Beispiel angeführt. Die Bezugselektrode kann man durch einen Hahn oder durch eine Fritte von der zu analysierenden Lösung abtrennen, doch muß man dabei stets darauf achten, <daß der Widerstand des Gefäßes mit der Untersuchungslösung nicht zu groß wird (<500ß). Abb. l Prinzip der klassischen polarographischen Schaltung M: Quecksilberbchälter; C: polarographisches Gefäß mit Kapillare und mit Platinkontakt; G: Galvanometer; E: Potentiometerdraht; S: Schleifkontakt; B: Akkumulator; A: Holzblock, I und II: Halteringe Analysen, in biologischem Milieu, in welchem das Quecksilber dem untersuchten System gegenüber als Gift wirkt, muß man nach starren Meßelektroden greifen. Als Material kommen hier Platin, Silber, Gold, Graphit und mitunter auch einige Verbindungen in Frage. Diese starren Elektroden können auch eine Bewegung ausführen, z. B. rotieren oder vibrieren, wodurch sie wenigstens zum Teil von den abgelagerten Elektrolyseprodukten befreit werden. Gleichzeitig wird dadurch auch die Konzentration des an der Elektrodenreaktion teilnehmenden Stoffes annähernd auf den gleichen Wert in der unmittelbaren Elektrodenumgebung wie im Inneren der Untersuchungslösung gehalten. Die wichtigste Eigenschaft der Be^tigselektrode muß ihre Fähigkeit sein, während der polarographischen Analyse ein möglichst konstantes Potential zu behalten. Bei rein analytischen Arbeiten kommt es auf Abweichung von einigen Zehnteln Volt nicht so sehr an, und man begnügt sich hier oft mit dem sog. Bodenquecksilber als Bezugselektrode. Ihr Potential hängt von der Zusammensetzung des Grundelektrolyten ab. In Lösungen von Chloriden kann man auch einen Silberdraht oder eine Silberspirale als Bezugselektrode verwenden. Soll aber das Potential, bei welchem der untersuchte Stoff reduziert oder oxydiert wird, genauer ermittelt werden, so muß man eine getrennte Kalomel- oder QuecksilberII-Sulfatelektrode als Bezugselektrode benutzen. Das polarographische Gefäß wählt man je nachdem, wieviel Untersuchungslösung 2ur Verfügung steht, ob der Luftsauerstoff aus der Lösung durch Stickstoff bzw. Wasserstoff vertrieben werden muß oder nach anderen speziellen Forderungen. Am häufigsten werden 0,5—S m/, in Extremfallen auch 0,05 m/ Lösungen analysiert. Von der großen Zahl der hierfür vorgeschlagenen Gefäße 2. klin. Chem. / 1. Jahrg. 1963 / Heft 4 Abb. 2 Semimikrogefäß (0,1—2 m/) Abb. 3 Gefäß nach KALOUSEK mit getrennter Bezugselektrode Der Polarograph, d. h. das Gerät, das mit hinreichender Genauigkeit und automatisch eine kontinuierlich wachsende Spannung an die Elektroden anlegt und die gesuchten polarographischen Stromspannungskurven selbsttätig aufzeichnet, ist im Laufe der Jahre wiederholt modifiziert worden. Heute wird er in vielen Ländern von verschiedenen Herstellern fabrikmäßig erzeugt. Für analytische Zwecke eignen sich am besten die Tintenschreiber-Polarographen (z. B. der Fa. Laboratorni pfistroje, Prag — oder der Fa. Radiometer Kopenhagen), die die ursprünglichen Polarographentypen mit photographischer Registrierung verdrängen. Die eigentliche polarographische Registrierung dauert etwa 3 Minuten. In manchen Fällen konnte diese Registrierzeit durch Anwendung der oszillo- Spannung Abb. 4 Polarographische Stufen von Thallium, Cadmium, Zink und Mangan in ammoniakalischer Lösung. Bestimmung der Halbstufenpotentiale. Messung der Grenzströme Bfezina: Polarographische Methoden in der klinischen Chemie 110 graphischen Technik noch weiter verkürzt werden (2). Die gesamte polarographische Kurve kann hier augenblicklich auf dem Leuchtschirm des Oszillographen beobachtet werden. Die polarographlscben Kurven zeigen sog. „Stufen" (Abb. 4 und 5). Die einzelnen Stufen entsprechen 02 V die Stufen haben, wenn die Lösung nicht bewegt wird, die Form von spitzen Maxima, die „peaks" genannt werden. Stromspitzen erhalten wir auch bei der Anwendung einer Quecksilberelektrode mit ruhender Oberfläche und im wesentlichen auch bei der oszillographischen Technik, bei der die Spannung in einem zeitlich viel kürzerem Impuls an die Elektroden angelegt wird, als es die Tropfzeit ist (Abb. 6). — Abb. 5 Anodische Stufe der Chloridionen und kathodische Stufe der Thalliumionen. Eichpolarogramm 1.) 10 ml 0,1 n H2SO4 mit 0,1 m/ 0,5 proz. Gelatine im Gefäß nach Kalousek mit Mercurosulfatbezugselektrode; 2—5.) jeweils stets 0,5 ml 0,005 «-TICl-Lösung zugegeben, 200 mV/Abszisse, Empfindlichkeit 1:50 der Reduktion oder mitunter auch der Oxydation verschiedener Lösungskomponenten an der Elektrode. Im ersten Fall bezeichnet man sie als „kathodische Stufen", im zweiten als „anodische". Aus der Höhe der Stufen können wir die Menge der betreffenden Stoffe quantitativ beurteilen und das Potential, bei welchem sie reduziert oder oxydiert werden, gibt uns über die qualitativen Eigenschaften Auskunft. Die jeweiligen Stufen werden dabei stets durch das Potential an dem Ort charakterisiert, in welchem sie ihre halbe Höhe erreichen, d. h. durch das „Halbstufenpotential" (Abb. 4). Enthält die Lösung mehrere polarographisch aktive Stoffe, so können wir sie immer dann nebeneinander bestimmen, wenn sich die Halbstufenpotentiale ihrer Stufen genügend unterscheiden. Der polarographischen Analyse liegt die Regel zugrunde, daß die Höhe der Stufe mit zunehmender Konzentration des polarographisch aktiven Stoffes wächst (Abb. 6), und zwar in vielen Fällen linear. Die Menge des gesuchten Stoffes ermitteln wir durch Vergleich der Höhen seiner in der Untersuchungslösung und in einer Standardlösung erhaltenen Stufen. Wenn wir nicht sicher sind, daß die Konzentrationsabhängigkeit der Stufenhöhe linear ist, stellen wir aus mehreren Standardlösungen eine Eichkurve auf. Die polarographische Kurve, die die elektrochemischen Vorgänge an der Quecksilbertropfelektrode widerspiegelt, weist regelmäßige Zacken auf, die durch das wiederholte Anwachsen und Abfallen der Tropfen verursacht sind. Während der Lebensdauer eines jeden Tropfens wächst an ihm der Strom von Null auf ein Maximum an; der Polarograph registriert aber nur kleine Stromänderungen um den sog. mittleren Strom. Für analytische Zwecke mißt man in der Regel die Mitte dieser Stromoszillationen. — Mit starren Elektroden erhält man begreiflicherweise zackenlose polarographische Kurven und Abb. 6 Stromspitzen der Cadiumionen bei der Polarisation der tropfenden Quecksilberelektrode mit dreieckigem Spannungspuls (0,8 V/sec.) ~· Einer der großen Vorteile der Polarographie ist ihre Empfindlichkeit. Polarographisch vermag man Stoffmengen bis hinab zu Konzentrationen von 100 §% zu bestimmen, in einigen speziellen Fällen sogar noch niedrigere. Die Größe der polarographischen Stromes ist im wesentlichen durch die Gesamtzahl der Elektronen bestimmt, die bei der Elektrodenumwandlung des untersuchten Stoffes umgesetzt werden. Demzufolge hängt sie davon ab, auf welche Weise die unmittelbare Elektrodenumgebung mit dem polarographisch aktiven Stoff versorgt wird. Für die Menge des Stoffes, der aus dem Lösungsinneren zur Elektrode herankommen kann, um dort Elektionen abzugeben oder aufzunehmen, ist im einfachsten Fall seine Diffusion maßgebend. Der Grenzstrom, d. h. der Strom bei dem Potential, bei dem die Höhe der polarographischen Stufe einen bestimmten maximalen Grenzwert erteicht, wird in diesem Fall Diffusionsgrenzstrom genannt. ILKOVIC hat für die polarographischen Diffusionsströme eine Gleichung abgeleitet, nach der ihre Größe der Konzentration des polarographisch aktiven Stoffes proportional ist (Abb. 6). Mitunter wird die Größe des Grenzstromes aber durch die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion bestimmt, durch die der polarographisch aktive Stoff gebildet wird. Einen solchen Strom nennt man einen kinetischen Strom. In speziellen Fällen, bei denen die Reduktion oder Oxydation einer Substanz durch den von uns unteisuchten Stoff katalysiert wird, bezeichnet man sie als katalytische Ströme. Hier muß man für die Analyse stets eine Eichkurve aufstellen, da diese Grensztröme nicht immer linear mit der Konzentration des zu bestimmenden Stoffes wachsen: unter gewissen Bedingungen nähert sich die Eichkurve einem bestimmten Grenzwert. Manchmal können die polarographischen Ströme auch durch die Adsorption des polarographisch aktiven Stoffes bzw. auch anderer Bestandteile der Lösung beeinflußt sein. — Eine etwas eigenartige Erscheinung sind die auf den polarographischen Kurven auftretenden Maxima. Sie sind meist durch eine Strömung der Lösung in der Umgebung der Tropfelektrode verursacht, durch die mehr Teilchen an ihre Oberfläche herangebracht werden, als sonst herandiffundieren könnten. Sofern diese Maxima die Messung Z. klin. Chem. /1. Jahrg. 1963 / Heft 4 Brezina: Polarographische Methoden in der klinischen Chemie der polarographischen Stufen stören, entfernt man sie durch Zugabe grenzflächenaktiver Substanzen in die zu polarographierende Lösung, z. B. von 0,005% Gelatine. Größere Konzentrationen grenzflächenaktiver Stoffe können jedoch die Höhe der polarographischen Stufen herabsetzen und ihre Gestalt beeinflussen. Der erste Schritt bei der Anwendung der Polarographie zur Analyse biologischen Materials ist dessen Vorbereitung bzw. Auflösung. Nicht selten genügt es, die Probe nur mit dem Grundelektrolyten zu verdünnen. Der Grundelektrolyt (von etwa 0,1 m Konzentration) sorgt für eine hinreichende Leitfähigkeit der zu untersuchenden Lösung und verhindert praktisch die durch den elektrischen Strom verursachte Wanderung des polarographisch aktiven Stoffes zur Elektrode. Außerdem schafft er ein bestimmtes und konstantes Milieu für den Ablauf der Elektrodenreaktionen, ohne welches man manchmal keine reproduzierbaren und gut ausgebildeten polarographischen Kurven erhielte. Die Komponenten des Grundelektrolyten dürfen aber nicht leichter als der zu bestimmende Stoff reduziert bzw. oxydiert werden. Will man anorganische Stoffe im biologischen Material bestimmen, so muß man diese zuerst auf trockenem oder naßem Wege mineralisieren. Im ersten Fall verascht man die Probe in einem Ofen bei 500° und löst den Rückstand in Salpeter- oder Salzsäure auf. Häufiger schlägt man den zweiten Weg ein und mineralisiert das organische Material in siedender Schwefelsäure, Salpetersäure und Perchlorsäure. In manchen Fällen reicht für die Mineralisierung auf nassem Wege ein Gemisch von Salpetersäure und Wasserstoffperoxyd aus. Für die Wahl des Grundelektrolyten läßt sich keine allgemeine Regel aufstellen. Es kommt vor allem darauf an, ob anorganische Bestandteile anwesend sind, deren polarographische Aktivität die Bestimmung des von uns gesuchten Stoffes stören. In solchen Fällen wählt man einen Grundelektrolyten mit KomplexbÜdnereigenschaften, durch den die störenden Stoffe beseitigt werden. Je fester der zwischen dem polarographisch aktiven Stoff und einer der Komponenten des Grundelektrolyten gebildete Komplex ist, um so negativer ist das Potential, bei dem er reduziert wird. Sollen organische Verbindungen im biologischen Material bestimmt werden, so kann man begreiflicherweise nicht so drastische Methoden zur Vorbereitung der Probe benutzen wie bei der Bestimmung anorganischer Bestandteile. Man wendet schonendere Mittel an," wie Extraktion, Destillation, Dialyse, Chromatographie, Elektrophorese u. ä. Manche organische Stoffe lösen sich nur schwer in Wasser und hier müssen dann als Lösungsmittel Alkohol, Dioxan, Aceton u. a. eingesetzt werden. So wie bei den anorganischen Stoffen das Komplexbildungsvermögen des Grundelektrolyten eine große Rolle spielt, kommt es beim Polarographieren organischer Verbindungen auf den pH-Wert der Lösung an. pH-Änderungen beeinflussen nicht nur ihr Halbstufenpotential, sondern auch die Form und die Zahl ihrer Stufen. Z. klin'. Chem. / 1. Jahrg. 1963 / Heft 4 111 Von den anorganischen Stoffen können fast alle Elemente in ihren verschiedenen Oxydationsstufen polarographisch bestimmt werden. In der Toxikologie bewährt sich die Polarographie vor allem zur Bestimmung von Blei, Thallium und Arsen. Nach der Verabreichung von Arzneimitteln, die Gold (3, 4), Wismut oder Antimon enthalten, konnte die Ausscheidung dieser Metalle im Harn verfolgt werden (Abb. 7). Bei der Bestimmung /0ml 2.N KOH Abb. 7 Goldbestimmung im Harn geringfügiger Mengen von Metallen, die ein Amalgam mit Quecksilber bilden, läßt sich die Empfindlichkeit der Polarographie noch durch die Anwendung einer speziellen Elektrode in . Form eines hängenden Quecksilbertropfens, z. B. in der Anordnung nach VOGEL, erhöhen (5). Man kann hier das gesuchte Metall eine Zeit lang bei konstantem Potential in die Elektrode abscheiden und es dann aus der Stufe der Auflösung des gebildeten Amalgams bestimmen. — Unter den nichtmetallischen Stoffen können vor allem die Chloride leicht polarographisch gefaßt werden. Im klinischen Laboratorium bewährt sich diese sehr einfache Methode besonders zu ihrer Bestimmung in Harn, Serum oder anderem biologischem Material. Bei der Harn- oder Serumanalyse genügt es, die Probe nur mit 0,1 n H2SO4 zu verdünnen, wonach man sie sofort polarographieren kann (Abb. 8). — Besonders vorteilhaft ist die Polarographie zur Bestimmung von Sauerstoff in verschiedenen Körperflüssigkeiten und in der Luft. Der Blutsauerstoff, der an das Hämoglobin gebunden ist, wird am besten nach seiner Freisetzung durch Cyano- 112 Bfezina: Polarographische Methoden in der klinischen Chemie Atmosphäre wurden polarographische Daueranalysatoren konstruiert (7). Zu den leicht bestimmbaren organischen Verbindungen gehören vor allem die Chinone. Sie geben eine sehr gut entwickelte Reduktionsstufe. Nach der chemischen Reduktion der Chinone entstehen ebensogut entwickelte Oxydationsstufen der Hydrochinorie. Als Beispiel können wir hier die Bestimmung der Homogentisinsäure (7) im Serum und Harn anführen (Abb. 10). — diluted urine with 0,1\\ HgSOi Abb. 8 Chloridbestimmung im Harn. Der Harn wurde 1000 mal bzw. 40 mal (in Bild = x) mit 0,1 n H2SO4 verdünnt und polarographiert ferrat (III) bestimmt. Man polarographiert dazu zuerst die Grundlösung, die aus 5m/ 0,004 * K3Fe(CN)6, 0,05 m Na2B4O7, 0,05 m KC1, 0,1% Saponin und 0,1% Gelatine besteht. Als Bezugselektrode benutzt man einen Silberdraht. Dann überschichtet man den Grundelektrolyten mit einer etwa 5 mm hohen Paraf finölschicht und setzt der Lösung 0,05 bis 0,25 m/ des zu untersuchenden Blutes zu (je nach dem Sauerstofigehalt). Nachdem man die Lösung vorsichtig gerührt und etwa 5 Minuten abgewartet hat, nimmt man nochmals das Polarogramm auf. Der Sauerstoffgehalt wird dann aus der Differenz zwischen den Summen der Höhen beider Sauerstoffstufen in der Lösung mit und ohne Blut ermittelt (Abb. 9). — Zum Studium der experimentellen Atherosklerose hat sich der Sauerstoff-Daueranalysator nach SERA bewährt (6). Das Gewebe, z. B. ein Stück Gefäßwand, wird auf eine von Nährlösung umspülte Cellophanmembrane gelegt. Polarographisch wird dann mehrere Tage lang die Abnahme des Sauerstoffes in der Nährlösung kontinuierlich verfolgt, den das überlebende Gewebe verbraucht. — Auch zur Bestimmung von Koblenmonoxyd und Schwefeldioxyd in der Abb. 10 Homogentisinsäurebestirnrniing in alkaptonurischem Harn 1) AcetatpufFer pH = 4,7; 2) 2 · 10 ~4 Mol Homogentisinsäure zugegeben; 3—5) drei Harnproben von einem Patienten Weniger typische und manchmal auch schlechter ablesbare Stufen liefern dagegen die Halogenverbindmgen und die ungesättigten Kohlenwasserstoffe. Unter den Halogenderivaten konnten vor allem Insektizide, Thyroxin und 3,5-Dijodtyrosin bestimmt werden. — Von den Aldehyden sind fast sämtliche polarographisch aktiv. Insbesondere die ungesättigten und die aromatischen Aldehyde geben gut entwickelte Stufen. Zu den komplizierten Aldehyden, die polarographisch bestimmt wurden, gehört z. B. Streptomycin. — Kef one sind nur dann polarographisch bestimmbar, wenn sie eine Doppelbindung in -Stellung zur Ketogruppe enthalten. Alle übrigen Ketone müssen vorher in die Imine, Semicarbazone oder Hydrazone überführt werden. — Sehr vorteilhaft ist die Polarographie zur Analyse von biologischem Material auf seinen Gehalt an Nitrokörpern bzw. an Verbindungen, die sich leicht nitrieren lassen. So konnte man im Blut, Harn, im Atem und in der Atmosphäre eine Reihe von Nitroverbindungen sowie Benzol und dessen Homologe bestimmen. — Unter öden Alkaloiden können diejenigen polarographisch geAbb. 9 faßt werden, die einen Chinolin-, jsochinolin- oder Bestimmung des chemisch gebundenen Sauerstoffes im Blut Pyridinring enthalten (Abb. 11), und weiter jene, die in nach Freimachung mit Hexacyanoferrat (III) der Seitenkette eine leicht reduzierbare Gruppe tragen, 1 = Grundlösung 0,004 m Hexacyanoferrat ( ), 0,05 »-Na2B4O7, wie z. B. eine Aldehydgruppe oder eine mit einer % 0,05 w-KCl, 0,1% Saponin, 0,1% Gelatine; Doppelbindung konjugierte Ketogruppe. Einige Alka2 =-mit arteriellem Blut (20,5 Vol % Sauerstoff); loide, z. B. die der Morphingruppe, sind als Nitro3 = mit luftgesättigtem Blut (21,3 Vol % Sauerstoff) derivate bestimmbar. — Die Vitamine wurden fast alle Kurven von 0,0 V angefangen (gegen AgCl-Elektrode), 200 mV/ polarographisch untersucht. Analytisch am besten beAbszisse, Empfindlichkeit 1:100 Z. klin. Chemf / 1. Jahrg. 1963 /'Heft 4 Polarographische Methoden in der klinischen Chemie 113 Verbrauch an Titrotionsmitfel {ml) Abb. 11 Eichpolarogramm des Chinins. Zu 10 m/ 0,2 -LiOH wurden jeweils 0,1 m/ 0,003 Mol Chininlösung zugegeben. Die erste Stufe hat einen Adsorptionscharakter. Von 0,6V angefangen, 200 mV/Abszisse, Empfindlichkeit 1:20 Polarometrische Titrationskurve. Diagramm für den Fall, daß der titrierte Stoff bei der gewählten Spannung keinen polarographischen Strom liefert, sondern nur das Titrationsmittel währt haben sich die Methoden zur Bestimmung von Vitamin C, B2> K und E. — Von den Steroidhormonen konnten die S-Keto-^J-S-steroide nach ihrer Extraktion aus Harn, Blut und anderem biologischem Material polarographisch direkt bestimmt werden (z. B. Testosteron, Progesteron). Androsteron und die übrigen Ketosteroide, die keine zur Doppelbindung konjugierte Ketogruppe enthalten, müssen vor dem Polarographieren im sauren Milieu (konz. Essigsäure) mit Girard-Reagens (Betainylhydrazid oder Dimethylglycylhydrazid) auf dem Wasserbad etwa 3 Minuten gesiedet werden, um die Ketone in die Hydrazone zu überführen. Die polarographische Analyse wird dann am besten bei einem pH-Wert von etwa 4,5 durchgeführt. — Einige En-^jme enthalten selbst eine polarographisch aktive Gruppe (so die Enzyme mit Porphyrinkern); andere bestimmt man auf Grund ihrer Wirkung auf ein polarographisch aktives Substrat (z. B. Aldehydoxydase, Proteinasen). —=- In den letzten Jahren wurden den Sulfhydrylverbindungen in der Polarographie große Aufmerksamkeit gewidmet. Einige einfache SH-Verbindungen (z. B. Cystein, Cystamin, Glutathion) können mit Hilfe ihrer anodischen Stufen bestimmt werden, Disulfidverbindungen (z. B. Cystin, Cystamin) mit Hilfe ihrer kathodischen Wellen. Sehr oft wird zur Bestin> mung der Sulfhydrylgruppe^ auch in komplizierten Eiweißkörpern, die sog. polarometrische (amperometrische) Titration angewandt (9). Die Sulfhydrylgruppen bilden mit manchen Stoffen, meist mit MetallIonen, feste Komplexe. Demzufolge beobachtet man in Lösungen von Sulfhydrylverbindungen die polarographischen Stufen dieser Komplexbildner erst dann, wenn sie im Überschuß vorliegen. Bei den polarometrischen Titrationen braucht man nicht die gesamte polarographische Kurve aufzunehmen, sondern es genügt, den durch die Lösung fließenden Strom bei einem bestimmten Potential zu messen, bei dem in Abwesenheit der Sulfhydrylverbiridung der Reduktionsgrenzstrom des Titriermittels erreicht wäre. Aus zwei Punkten vor und zwei Punkten nach dem Überschreiten der Äquivalenzkonzentration des zugesetzten Titriermittels konstruiert man das Titrationsdiagramm (Abb. 12). Aus diesem kann man leicht die Menge des Komplexbildners ermitteln, die zur Bildung des Komplexes erforderlich-ist. Bei dem von uns angelegten Potential ist dieser Komplex nicht polarographisch aktiv. Als Titriermittel gebraucht man am häufigsten Silber- oder Quecksilber(I)-salze, als Meßelektrode eine rotierende Platinelektrode. Sehr kleine Konzentrationen (bis zu \ %) einiger Sulfhydrylverbindungen (z. B. Cystein) und Proteine mit Sulfhydrylgruppen können mit Hilfe der sog. katalytischen BaDiCKA-Stufen bestimmt werden (10, 11). Sie entwickeln sich am besten in gut gepufferten ammoniakalischen Kobalt- oder Nickellösungen (pH ~ 9). Es handelt sich hier im wesentlichen um die Stufen der Wasserstoffionen, deren Reduktion aus dem Puffer durch einen zwischen dem katalytisch aktiven Stoff und dem Kobalt bzw. dem Nickel ausgebildeten Komplex katalysiert wird. Zur analytischen Bestimmung von Cystein und einfacheren SH-Verbindungen benutzt man als Grundlösung 0,001 m CoCl2, 0,1 n NH3, NH4C1, zur Bestimmung von Proteinen dagegen 0,001 Co(NH3)6C13, 0,1 m oder l m NH3, 0,1 n NH4C1. Cystein und ähnliche niedermolekulare Sulfhydrylverbindungen geben nämlich in. Lösungen von dreiwertigem Kobalt einen weitaus niedrigeren katalytischen Effekt als in Lösungen von zweiwertigem Kobalt. — Mit Hilfe dieser katalytischen Wellen vermag man den Cystingehalt in den verschiedensten biologischen Substanzen zu bestimmen, und zwar entweder als freies Cystin oder nach Hydrolyse der Proteine. Da einige der anwesenden Aminosäuren das Cystin aus dem polarographisch aktiven Komplex verdrängen könnten, bereitet man die Standardlösung am besten so, daß man der zu untersuchenden Lösung eine bekannte Cystin-Lösung zusetzt. Auch zur Bestimmung der Ehveißstoffe wurden oft ihre katalytischen BRDiCKA-Stufen herangezogen, so bei der Analyse von Blut, Rückenmarkflüssigkeit, Speichel, Milch und Harn. Mit Hilfe dieser Methode vermag man jedoch die einzelnen, polarographisch aktiven Eiweißarten nicht zu unterscheiden. Man muß sich aber vor Z. klin. Chem. / 1. Jahrg. 1963 / Heft 4 Abb. 12 15 114 Bfezina: Polarographische Methoden in der klinischen Chemie Augen halten, daß auch verschiedene Proteine bei gleicher Gewichtskon2entration verschieden hohe katalytische Wellen geben können. Vor der polarographischen Analyse kann man die Eiweißstoffe durch Papierelektrophorese trennen. Auf jeden Fall muß die Polar ographie der Eiweißstoffe als eine besondere Art der Analyse angesehen werden, die man nicht ohne weiteres mit den übrigen Bestimmungsverfahren vergleichen kann. Da uns die polarographische Methode aber vor allem ein Bild über die Menge der Sulfhydrylgruppen gibt, die in den Proteinen oft eine erstrangige Rolle spielen, sind die polarographisch gewonnenen Ergebnisse nicht selten aufschlußreicher als die mit anderen Methoden erhaltenen Werte. — Das Wesen der sog. BRDiCKA-Filtratreaktion ist die polarographische Analyse des Filtrates des alkalisch denaturierten und mit Sulfosalicylsäure enteiweißten Serums. Bei an Krebs und Entzündungen Erkrankten und besonders bei Personen, die Verbrennungen erlitten haben, konnte im Sulfosalicyl-Filtrat des Serums eine wesentliche Vermehrung der polarographisch aktiven Eiweißstoffe beobachtet werden. Im Serum von Personen, die an Hepatitis erkrankt sind, ist dagegen die BRDiCKA-Filtratreaktion wesentlich niedriger als in dem von Gesunden. Die BRDiCKA-Filtratreaktion wurde auch zur Analyse des Harns angewandt (12). Sie ist hier ebenfalls bei Personen, die an Krebs und Entzündungen erkrankt sind, positiv. Besondere Aufmerksamkeit wurde der polarographischen Analyse des mit Sulfosalicylsäure bzw. Wolframsäure entweißten Harns von Personen gewidmet, die Verbrennungen erlitten haben. Bei diesen Erkrankten steigt der Gehalt an polarographisch aktiven Stoffen in dem mit Sulfosalicylsäure bzw. Wolframsäure entweißten Harn am stärksten in den ersten fünf bis zehn Tagen nach dem Unfall (Abb. 13). Der Anstieg f I t I \\ \ 1 1 1 1 ***** -5 *#* J *·** / !1 'f \ \ h· {· \( I } 1 1 I V \' J3 V, *tt#* 1 ·* I I 1 J \ »? ' " 1 1 1 I 1 ##» W M '» < '\y \ I 1 ^ l ,v I J . 4 ww^ WyWM* Abb. 13 Analyse der Sulfosalicylsäure-Deproteinate des Harns am 3., 4., 7., 8., 9. Tage (Kurven 2—6) nach der Verbrennung (III. Grad, 27%). Kurve l: Kobalt (III)-Testlösung nach BRDICKA ohne Harn der polarographischen Aktivität hängt vom Ausmaß und vom Grad der Verbrennung ab; sie wächst auch nach Operation und klinischer Behandlung (13). Begreiflicherweise ist auch die polarographische Methode, so wie alle anderen, nicht universell. Man wird sie also nur dort anwenden, wo ihre Vorteile zur Geltung kommen. Zum Schluß möchte ich noch auf den Beitrag hinweisen, den die Polarographie in der Grundlagenforschung der biologischen Reaktionen bringen kann. Da der Begründer der Polarographie, HEYROVSKY, und seine Schule mit BRDICKA an der Spitze vor allem Physikochemiker waren und die ersten Arbeiten im Institut für physikalische Chemie der Prager KarlsUniversität geschaffen wurden, blieb die Polarographie nicht nur eine analytische Methode, sondern wandte sich auch dem physikalisch-chemischen Studium der in der Untersuchungslösung ablaufenden Reaktionen und Elektroderivorgängen zu. Literatur 1. BREZINA, M. und P. ZUMAN, Die Polarographie in der Medizin, Biochemie und Pharmazie, AVG-Leipzig (1956). — 2. VOGEL, J., Progress in Polarography, Vol. 2, S. 429, Interscience Publ., New York (1962). — 3. LINHART, F., Chem. Listy 55, 552 (1961); Cas. lek. öesk. 47, 1298 (1953). — 4. KASSOWITZ, J. und M. KuTOVA, Fysiatr. vSstnik 39, 165 (1961). — 5. ÄIHA, J., Progress in Polarography, Vol. 2, S. 383, Interscience Publ., New York (1962). — 6. §ERAK, L., Advances in Polarography, Vol. 3, S. 1057, Pergamon Press, London (1960). — 7. , J. V. 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